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XlV. Aus dem pharmakologisehen Institut der Universit~it Bonn. Zur Umwandlung des Bromoforms im WarmblUter. Von O. Binz. ,,Ueber die Spaltung yon Jod- und Bromverbindungen im thie- rischen K(irper" ist der Titel einer hollandischen Doetorarbeit, welehe 1886 S. M o n n i k e n d a m 1) in Amsterdam angefertigt hat. Sie ist, wie die Vorrede darlegt, auf Veranlassung and unter besonderer Mit- wirknng yon S t o ck vis in dessen Laboratorium entstanden, and das ist der Grund, weshalb ieh auf sic eingehe. Ihr Inhalt wendet sich gegen fast alles das, was auf diesem Gebiete yon Steinauer, L. Issersohn, Bill, Zeller, mir u. A. beigebraeht worden ist, in haupts~ichlich kritischer und theilweise experimenteller Darstel- lung, und zwar was den Werth unserer Versuehe ftir die L~isung der Frage angeht, ausnahmslos verneinend. Ich habe den Werth der gegnerisehen Beweisftihrung vorl~iufig nut an einem Beispiel gepriift and veriiffentliehe mein Ergebniss, well ieh nieht weiss, ob ich sobald im Stande sein werde, aueh auf die anderen einzngehen, and weil ein weiteres Sehweigen als Zu- stimmung gedentet werden dtirfte. Das yon mir herausgenommeno Beispiel ist das Bromoform, welches Monnikendam ebenfalls in seine experimentelle Betrachtnng gezog~n hat. Auf S. 83 wird yon ihm Folgendes (wiirtlieh tibersetzt) mitgetheilt: ,,Einem Kaninchen yon 1650 g spritzten wir 1 ecru Bromoform sub- cutan ein; das Thier wird darnach sear bald vollkommen an!~sthetisch nnd schien in tiefen~ bezfiglich ziemlich ruhigen ScAlar versunken. In diesem Zustande blieb es mit einer einzigen Zwischenpause den ganzea 1) Over splitsing van Jodium en Bromiumverbindingen in het dierlijk licham. Akademisch proefschrift. Amsterdam 1886. 86 Stn. 8% 14"

Zur Umwandlung des Bromoforms im Warmblüter

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Page 1: Zur Umwandlung des Bromoforms im Warmblüter

XlV.

Aus dem pharmakologisehen Institut der Universit~it Bonn.

Zur U m w a n d l u n g des B r o m o f o r m s im WarmblUter .

Von

O. Binz.

,,Ueber die Spaltung yon Jod- und Bromverbindungen im thie- rischen K(irper" ist der Titel einer hollandischen Doetorarbeit, welehe 1886 S. M o n n i k e n d a m 1) in Amsterdam angefertigt hat. Sie ist, wie die Vorrede darlegt, auf Veranlassung and unter besonderer Mit- wirknng yon S t o ck v is in dessen Laboratorium entstanden, and das ist der Grund, weshalb ieh auf sic eingehe. Ihr Inhalt wendet sich gegen fast alles das, was auf diesem Gebiete yon S t e i n a u e r , L. I s s e r s o h n , B i l l , Z e l l e r , m i r u. A. beigebraeht worden ist, in haupts~ichlich kritischer und theilweise experimenteller Darstel- lung, und zwar was den Werth unserer Versuehe ftir die L~isung der Frage angeht, ausnahmslos verneinend.

Ich habe den Werth der gegnerisehen Beweisftihrung vorl~iufig nut an einem Beispiel gepriift and veriiffentliehe mein Ergebniss, well ieh nieht weiss, ob ich sobald im Stande sein werde, aueh auf die anderen einzngehen, and weil ein weiteres Sehweigen als Zu- stimmung gedentet werden dtirfte. Das yon mir herausgenommeno Beispiel ist das Bromoform, welches M o n n i k e n d a m ebenfalls in seine experimentelle Betrachtnng gezog~n hat. Auf S. 83 wird yon ihm Folgendes (wiirtlieh tibersetzt) mitgetheilt:

,,Einem Kaninchen yon 1650 g spritzten wir 1 ecru Bromoform sub- cutan ein; das Thier wird darnach sear bald vollkommen an!~sthetisch nnd schien in tiefen~ bezfiglich ziemlich ruhigen ScAlar versunken. In diesem Zustande blieb es mit einer einzigen Zwischenpause den ganzea

1) Over splitsing van Jodium en Bromiumverbindingen in het dierlijk licham. Akademisch proefschrift. Amsterdam 1886. 86 Stn. 8%

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Tag der Beobachtung und wurde am folgenden Morgen todt in seinem Stalie gefunden. Wiihrend der Narkose gliickte es uns nieht, durch Katheteri- siren Ham aus der Blase zu bekommen. Bei tier Section fanden wir dagegcn die Blase geftillt und konnten daraus 31 cem Ham entnehmen. 25 cem dieses sehr deutlich sauer reagirenden Harns enthielten nun~ nach der frtiher besehriebenen Methode yon S a l k o w s k i untersucht~ keine Spur Brom an Alkali gebunden."

Ieh bemerke hierzu, dass die ebengenannte Methode~) fol- gende ist:

Der Ham wird filtrirt, erwiirmt, mit Salpetersiiure bis zur leieht saurcn Reaction versetzt und mit Silbernitrat gefiillt. Der Nieder- sehlag wird auf einem Faltcnfilter gesammelt, mit heissem Wasser ansgewaschen nnd im Vacuum tiber Schwefels~ure getroeknet. Das Filter mit dem Niederschlag wird unter Zusatz von Kaliumchlorat und Soda verbrannt, die Sehmelze in Wasser geliist, die LSsung mit Salzsiiure angesiiuert, vorsichtig mit Chlorwasser versetzt und dann mit ein wenig Schwefelkohlenstoff geschtittelt. Er nimmt vorhan- denes frei gewordenes Brom auf uud fiirbt sich mit ibm orange.

Es musste sehr auffallend erscheinen~ dass das Bromoform, wel- ches schon im zerstreuten Tageslicht sein Brom theilweise abspaltet, das im ThierkSrper nicht thun und damit sich dem Jodoform so ganz uniihnlich erweisen sollte. War das richtig, so bildete es einen grunds~tzlichen Einwand gegen die Annahme einer Spaltung der Sub- stanzen dieser Gruppe im Organismns; war es nicht richtig, so liess es diejenigen Versuche als nicht fehlerfrei erseheinen, welche Anderer Fehler naehzuweisen unternommen batten. Hier eine fiir unseren Zweck hinreichende Skizze meiner Versuchsreihe.

I.

Kaninchen von 1220 g bekommt um 11 h. 20 m. 0~5 ccm Bromo- form subcutan. Rasch eintretende tiefe Narkose. Ted am Abend des- selben Tages. Das Thier hatte durch das Sieb~ auf dem es sass, Harn gelassen. Dieser mit dem in dcr Blase enthaltenen nach der Methode yon S a l k o w s k i verarbeitet ergab k e i n Bromid.

II.

Zwei Kaninehen yon etwas fiber 1000 und 1100 g bekamen 11 h. 20 m. je 0~25 ccm eingcspritzt. Keine Narkose erkennbar. Um 4 h. 30 m. wurde die Gabe wiederholt. Ted am selben Abend. Der aufgefangene und der in der Blase gefund~ne Harn ergaben k e in Bromid.

1) Salkowski und Leube, Die Lehre veto Harn. 18S2. S. 275.

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Ein kriiftiges Kaninchen wurde einige Stunden durch Vorhalten eines mit einigen Tropfen befeuchteten Tuehes unter Zwischenpausen bromo- formirt und jedesmal auf das Sieb fiber eine Schfissel gesetzt. Am folgen- den Vormittag wurde es wieder so mehrmals betliubt~ und am •aehmit- tag wurde der noeh fibrige Harn aus der Blase ausgedrtiekt und alles zusammen verarbeitet. Der Harn enthielt d e u t l i e h e Spuren yon Bromid.

IV.

Dasselbe Thier wurde am Vormittag des folgenden Tages 3 Stunden lang mit Unterbrechungen bromoformirt. Verbraueht wurden dabei 2 ecm Bromoform. Das Thier verendete am Abend. Im Harn d e u t l i e h e 8puren von Bromid.

V.

Kaninchen yon etwas tiber 1500 g bekam um 10 h. 30 m. Vormittags 0~1 ecm Bromoform subcutan; es folgten die Anf~nge einer Narkose. Um 7 h. Abends ward die Gabe wiederholt. Am folgenden Morgen ist es tief narkotisirt. In dem gelassenen und dem ausgedrfickten Harn k e in Bromid. Das Thief verende~ bald naehher.

VI.

Kaninehen yon fiber 2300 g bekam am zwei aufeinanderfolgenden Tagen je 0~05 Bromoform subcutan~ am dritten 2real 0~05. Der gelassene Harn enthielt ke i n Bromid.

An den folgenden drei Tagen bekam es je 3 real 0~05~ ebenfalls sub- cutan. Das Thier wurde yon dieser Gabe so angegriffen~ dass eine Stei- gerung nieht anging; es kauerte stumpf am Boden~ frass nieht und hatte Blur im Harn. Dieser~ yon den letzten drei Tagen gesammelt~ wurde wie bisher behandelt~ nur mit dem Untersehied~ dass die Fi~llung durch Silber in dem salpetersauren Harn o h n e vorheriges Koehen gesehah~ und dass ferner nattirlieh das gerinnende Eiweiss zur Abseheidung kam. Er e n t - M e l t so v i e l Bromid~ dass die Liisung der Sehmelze beim Zusatz des Chlorwassers sofort dunkelgelb und zugesetzter Schwefelkohlenstoff roth- braun wurde.

Das krliftige Thler hatte in 6 Tagen nur 0~6 Bromoform subcutan bekommen. Es erholte sich bald.

Der Ham wurde jedesmal mit der Silberl~isung versetzt, ehe er in F~ulniss tibergegangen war.

Aus diesen Versuchen folgt, dass in Bezug auf den eincn Punkt "das Bromoform ganz dem Jodoform sich gleich verhitlt, welches eben- falls zum Theil als Jodid im Ham crscheint. Da das Jodoform je- doch in gr(isserer Gabe beigebracht werden kann und da das Jod eine empfindlichere Erkennungsreaetion besitzt, ist es im Ham sehon auf Zusatz yon Kleister und Chlorwasser ohne die bcim Bromoform nothwendigen Vorbereitungen leicht darzuthun.

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Dor Gedanke lag nahe, das vorhandene Bromid aueh quantitativ za suehen, allein die Unsieherheit 1)7 kleine Mengen neben grossen Mengen Chlorid zu bestimmen, liess mieh davon abstehen. Die Ver- suehsfehler w~iren wahrseheinlieh grSsser geworden als die vorhan- dene Menge Bromid. Zudem kommt es bei unserem Theil tier Frage nieht darauf an, wie viol Bromid vorhanden war, sondern dass es Uberhaupt vorhanden war.

Beim Vergleichen meiner Versuehe mit dem yon S t o e k v i s und ~ I o n n i k e n d a m wird man leieht des letzteren Fehlerquelle er- kennen. Als ieh in der gleichen Weise verfuhr, war aueh mein Er- gebniss ein negatives; liess ich dagegen dem Brom die nSthige Zeit zur Aufnahme und Ausseheidung, so land ieh es im ttarn.

iVlonnikendam selbst hat nns ainen sahatzbaren Beitrag be- treffs der Langsamkeit des Ausseheidens yon B r o m n a t r i u m ge- liefert. Am 17. und 18. October nahm er im Ganzen 12 g in 300 g Wasser (nebenbei bemerkt, mit dem Erfolg yon Sehl~fi'igkeit und Tr~gheit), und noch am 31. October, also 13 Tage nachher, land er ,,deutliah" Brom in seinem Harn. Ferner, 0,5 g Bromlithium nahm er aufgel~st in 200 g Wasser; erst 61/2 Stunden nachher land er das Brom in dem Nierensearet wieder. Beides gesehah an einem ge- sunden Mensehen. Ieh brauehe dan Untersahied zwisehen ihm und dem dureh den Cubikaentimeter Bromoform raseh und anergiseh collabirten Kaninahen nur anzudeuten~ we Athmung und Herzschlag kaum mehr fiihlbar geworden sind~ und die K~rperwSrme binnen 3 Stunden um 6--7o f~tllt. Und jene sp~te und langsame Ausseheidung war die eines leieht l~slichen fertigen Bromsalzes, wahrend das in Wasser unl~sliche, mit einem hohen Siedepunkt (145o) versehene Bromoform doch arst aufgenommen und theilweise in Bromwasser- stoffs~ure und Bromid verwandelt werden musste, ehe as yon den Geweben wieder abgegeben und ausgesehieden wurde.

Es bleibt noeh der m~gliehe Einwand Ubrig, jene Ausfiillung des Broms aus dem salpetersauren Ham dureh Silberl~sung masse nieht unbedingt auf Bromide bezogen werden, sondern k~nne aueh yon unbekanntan organischen Verbindungen abh~tngen, welche ebenso reagirten. Die Amsterdamer Abhandlung erhebt diesen Einwand night, sondern erkennt die Methode als bereehtigt an, und meines Wissens hat auch sonst Niamand ihn erhoben und einen Bewais dafUr erbraaht.

Die Schlusss~ttze yon M o n n i k e n d a m ' s Abhandlung wenden sieh an miah ,,als een der meest besliste voorstanders van de split-

1) F r e s e n i u s , Quantitative Analyse. 1875. I. Bd. S. 655.

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singsthsorie", wie es vorhsr auf S. 12 heisst. Ieh gsdenke allerdings auch ferner noch der Usberzeugung zu bleibsn, dass im Chloroform die 89,1 Prec. Chlor, im Bromoform dis 94,8 Prec. Brom und im Jodo- form dis 96,7 Pros. Jod pharmakologisch dis Hauptsachs sind, und dass dsr Kohlenwasserstoff nur der Tr~iger der Elemente ist, welcher ihrs Einfuhr in den Organismus vermittelt. Bisher ist mir in der Opposition gegen diese Anschauung and was mit ihr zusammenhiingt, ksin reich bskehrendss Argument and noch wsnigsr ein Versuch soleher Art bekannt geworden, w~hrend ieh in meinsn Versuehen iibsr das Hydroxylamin 1) eine nsuo Stiitzs daftir srblicksn darf. Allein, ieh habs nirgendwo behauptet, es seien absehlissssnds Be- weiss (afdosnde bewijzsn) schon vorhandsn, eine Bshauptung, wslcho die Sehlussworte M o n n i k s n d a m's irrthtimlich untsrstsllsn lassen.

1) Archiv f. pathol. Anat. u, s. w. 1889. CXIII. Bd. S. 1 und daselbst. 1890. CXVII. Bd. S. 121.