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298 L. Roscnthaler: Verbreitung des Amygdalins. Mitteilung aus dem pharmazeutischen Institut der Universitst Straaburg i. E. Zur Verbreitung des Amygdalins. Von L. R o s e n thaler. Die bisher vorgenommenen Untersuchungen iiber die Nitril- glykoside der Prunaceen- und Pomaceen-Samenl) haben sich nicht mit der Frage beschaftigt, ob nicht diese kurzweg als Amygdalin angesprochcnen Korper etwa Isomere oder Stereoisomere des Amygdalins sind. Von solchen konnen ja mehrere existieren, Stereoisomere z. B. schon dadurch, daB an Stellc des d-Benzaldehyd- cyanhydrinkomplexes des Amygdalins der entsprechende 1- oder r-Komplex tritt. Auch sind derartige Korper bereits bekannt, so das €soamygdalin2), von dem man zunachst annahm, daB es aus dem Amygdalin lediglich durch Racemisierung des Nitrilkomplexes entstehe, das aber doch vielleicht noch anderweitig verandert ist und das Ne~amygdalin~), das sich vom 1-Benzaldeh ydcyanhydrin ableitet, von dem abcr vorlaufig nur ein Acetylderivat bekannt ist. Um die oben erorterte Frage zu entscheiden, habe ich nochmals die Glykoside aus dcn Kernen von Aprikosen, Pfirsichen, Zwetschgen, Kirschen, Aepfeln und Quitten hergestellt und an jedem Korper folgende Eigenschaften ermittelt : Schmelzpunkt, spezifische Drehung, Molekulargewicht, Gehalt an Stickstoff und die Drehungsrichtung der durch Verseifung der Glykoside gewonnenen MandelGure. Alle Daten st,immen mit den fur Amygdalin bekannten uberein. Samt- liche Korper sind also identisch mit dem Amygdalin der bitteren Mandeln . Birnenkerne enthielten in Uebereinstimmung mit den Angaben von P. Hub e r4) so wenig BlauGure, daB von einer Darstellung des Glykosids Abstand genommen werden muBte. Die amygdalinhaltigen Samen habe ich weiterhin noch darauf gepruft, ob sie nicht neben dem Amygdalin Glykoside vom Mandel- nitrilglykosid-Typus enthielten. Zu diesem Zweck wurden die vom l) Vergl. K. J o u c k, Beitrage zur Kennt,nis der Blausiiure obspaltenden Glykoside. Inaugural-Dissertation, StraWburg i. Els. 1902. *) D a k i n, Journ. of chem. SOC. 85, 1512 (1904). s, F. T u t i n , Transact. of chem. SOC. 1909, 603. 4, Landw. Versuchsstationen 75,402; nach Chem. Centralbl. 191 1, II., 1705.

Zur Verbreitung des Amygdalins

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Page 1: Zur Verbreitung des Amygdalins

298 L. Roscnthaler: Verbreitung des Amygdalins.

Mitteilung aus dem pharmazeutischen Institut der Universitst Straaburg i. E.

Zur Verbreitung des Amygdalins. Von L. R o s e n t h a l e r .

Die bisher vorgenommenen Untersuchungen iiber die Nitril- glykoside der Prunaceen- und Pomaceen-Samenl) haben sich nicht mit der Frage beschaftigt, ob nicht diese kurzweg als Amygdalin angesprochcnen Korper etwa Isomere oder Stereoisomere des Amygdalins sind. Von solchen konnen ja mehrere existieren, Stereoisomere z. B. schon dadurch, daB an Stellc des d-Benzaldehyd- cyanhydrinkomplexes des Amygdalins der entsprechende 1- oder r-Komplex tritt. Auch sind derartige Korper bereits bekannt, so das €soamygdalin2), von dem man zunachst annahm, d a B es aus dem Amygdalin lediglich durch Racemisierung des Nitrilkomplexes entstehe, das aber doch vielleicht noch anderweitig verandert ist und das Ne~amygdalin~), das sich vom 1-Benzaldeh ydcyanhydrin ableitet, von dem abcr vorlaufig nur ein Acetylderivat bekannt ist.

Um die oben erorterte Frage zu entscheiden, habe ich nochmals die Glykoside aus dcn Kernen von Aprikosen, Pfirsichen, Zwetschgen, Kirschen, Aepfeln und Quitten hergestellt und an jedem Korper folgende Eigenschaften ermittelt : Schmelzpunkt, spezifische Drehung, Molekulargewicht, Gehalt an Stickstoff und die Drehungsrichtung der durch Verseifung der Glykoside gewonnenen MandelGure. Alle Daten st,immen mit den fur Amygdalin bekannten uberein. Samt- liche Korper sind also identisch mit dem Amygdalin der bitteren Mandeln .

Birnenkerne enthielten in Uebereinstimmung mit den Angaben von P. H u b e r4) so wenig BlauGure, daB von einer Darstellung des Glykosids Abstand genommen werden muBte.

Die amygdalinhaltigen Samen habe ich weiterhin noch darauf gepruft, ob sie nicht neben dem Amygdalin Glykoside vom Mandel- nitrilglykosid-Typus enthielten. Zu diesem Zweck wurden die vom

l) Vergl. K. J o u c k, Beitrage zur Kennt,nis der Blausiiure obspaltenden Glykoside. Inaugural-Dissertation, StraWburg i. Els. 1902.

*) D a k i n, Journ. of chem. SOC. 85, 1512 (1904). s, F. T u t i n , Transact. of chem. SOC. 1909, 603. 4, Landw. Versuchsstationen 75,402; nach Chem. Centralbl. 191 1,

II., 1705.

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Amygda.lin befreiten alkoholischen Nutterlaugen nach dem Ver- fahren von H 6 r i s s e y’) der Auskochung mit wasserfreiem Essig- ather untenvorfen. Ich habe jedoch keinen derartigen Korper fassen konnen2).

Dagegen habe ich zur Entscheidung dieser zweiten Frage das biochemische Verfahren von B o u r q u e 1 o t3) nicht in Anwendung gebracht, obgleich H 6 r i s s e y sich seiner in derselben Absicht bei der Untersuchung der Samen von Eriobotrya japonica4) bediente. Es 1aBt sich namlich leicht zeigen, da13 dieses Vcrfahren hier zu falschen Ergebnissen fuhren muB. Behandelt man niimlich einen nach B o u r q u e 1 o t hergestellten Auszug zuerst mit Invertin, um etwa vorhandene Saccharose aufzuspalten, so wird das vorhandene Amygdalin, wie das nach den Versuchen von E. F i s c h e r zu erwarten war, in Glykose und Mandelnitrilglykosid gespalten. Man wird also immer nur letzteres finden, auch dann, wenn nur Amygdalin vorhanden ist. Ein daraufhin ausgefuhrter Versuch hat die Richtigkeit dieser Erwagung bestatigt.

Bei dieser Gelegenheit sei noch auf eine andere Fehlerquelle des B o u r q u e 1 o t’schen Verfahrens aufmerksam gcmacht. In seinem Verlauf wird die Drehungsinderung beobachtet, die unter dem EinfluB von Emulsin verliiuft, und zwar nach Klarung der Flussigkeit rnit Bleiessig. Damit konnen aber ohne weiteres nur dann richtige Resultate erzielt werden, u-enn die durch Kliirung einer Emulsinlosung mit Bleiessig erhaltene Flussigkeit inaktiv ist. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenigstens nicht bei dem von mir untersuchten Emulsin. Die Flussigkeit drehte vielmehr nach links. Es wird also bei derartiqen Versuchen notig sein, die Drehung der Emulsin-Bleiessig-Filtrate durch einen Kontrollversuch zu er- mitteln und in Anrechnung zu bringen.

Experimentelles. Die Darstellung erfolgte nach dem fur Amygdalin ublichen

Verfahren durch Auskochen der entfetteten Samen mit Weingeist. Die Schmelzpunktsbestimmung ergab fur alle dargestellten

(wasserfreien) Glykoside, daB sie bei 2000 sich zu veriindern be- gannen und bei ca. 2100 vollig geschmolzen waren.

1) Dieses Archiv 245, 463 (1907). *) Aus Aprikosen konnte in kleiner zur Untersuchung nicht

ausreichender Menge ein krystallinischer, nichtglykosidischer Korper isoliert werden. Er ist K-hrsltig, unloslich in Wasser, loslich in Weingeist.

Dieses Archiv 246 (1907), 172. 4, Dieses Archiv 246 (1907), 469.

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300 L. Rosenthaler: Verbreitung des Amygdalins.

Die Bestimmung der spezifischen Drehung wurde rnit der wasserigen Losung im 2 dm-Rohr vorgenommen, und bei etwa 20°.

Zur Bestimmung des Molekulargewichts diente die kryo- skopische Methode (Apparat von B e c k m a n n), und zwar anfangs nach dem Vorgang von S c h i f f rnit Phenol als Losungsmittel. Da aber diese Losungen nur schwierig herzustellen sind, so ging ich spater zu wiisserigen Losungen iiber.

Zur Verseifung der Glykoside wurde etwa 1 g mit rauchender Salzsaure zur Trockne gedampft, der Riickstand mit Wasser auf- genommen und das Filtrat ausgelthert. Der beim Verdunsten des Aethers bleibende Riickstand wurde mit Wasser aufgenommen und polarimetrisch untersucht. I n a 11 e n F ii 11 e n w a r 1 - M a n d e 1- s a u r e e n t s t a n d e n .

Die zu den Bestimmungen verwendeten Korper waren bei 105O getrocknet.

Werte fur Amygdalin CaH2,N0,,: N = 3,10y0; Molekular- gewicht 457, [ a ] ~ = -41,96O.

1. A m y g d a l i n a u s A p r i k o s e n k e r n e n : a) Spezifische Drehung: Fur c = 1,0472, a = -1,69; [ a ] ~ = -41,28O. b) Mo1.-Gewicht: 0,3377 g Substanz in 26,3521 g Phenol gelost

c) N-Gehalt: 0,4693 g Substanz: 12,5 ccm N; t = 17,60, b = 753 mm. A = 0,231, M = 416.

Gefunden: 3,03y0 N.

2. A m y g d a l i n a u s P f i r s i c h k e r n e n . a) SpezifischeDrehung: Fur c = 0,9416, a = -0,790; [ a ] ~ = -41,95O. b) MoLGewicht: 0,3197 g Substanz in 30,1461 g Wasser gelost

c) N-Gehalt: 0,3590 g Substanz: 9,3 ccm N; t = 12O, b = 751 mm. A = 0,048, M = 408,7.

Gefunden: 3,03y0 N.

3. A m y g d a l i n & u s Z w e t s c h g e n k e r n e n . a) Spezifische Drehung: Fur c = 1,0420, a = -0,870; [ a ] ~ = -41,740. b) Mo1.-Gewicht: 0,1088 g Substanz gelost in 21,4141 g Phenol

c) N-Gehalt: 0,3016 g Substanz: 8,3 ccm N; t = 120, b = 759 mm. A = 0,09, M = 423,6.

Gefunden: 3,22% N.

4. A m y g d a l i n a u s K i r s c h e n k e r n e n . a) SpezifischeDrehung: Fur c = 1,0374, a = -0,86O; [ a ] ~ = -41,49O. b) Mo1.-Gewicht: 0,3184 g Substanz in 29,843 g Wasser gelost

c) N-Gehalt: 0,4136 g Substanz: 10,9 ccm N; t = 13,5O, b = 743,5 mm. A = 0,048, M = 417.

Gefunden: 3,04% N.

Page 4: Zur Verbreitung des Amygdalins

0. A. 0 esterle: Chrysazin-Derivate. 301

5. A m y g d a l i n aus A e p f e l k e r n e n . a) Spezifische Drehung; Fur c = 1,0317, a = -0,85O; [ a ] ~ = -41,19O. b) MoL-Gewicht: 0,5164 g Substanz in 49,70 g Wasser gelost

c) N-Gehalt: 0,3907 g Substanz: 10,s ccm N; t = 170, b = 755,5 mm. A = 0,045, M = 428,8.

Gefunden: 3,18% N.

6. A m y g d a l i n a u s Q u i t t e n k e r n e n . a) Spezifische Drehung: Fur c = 1,0298, a = -0,85O; [ a ] ~ = -41,270. b) Mo1.-Gewicht: 0,5155 g Substanz in 49,7076 g Wasser gelost

c) N-Gehalt: 0,2180 g Substanz: 5,8 ccm N; t = 9,5O, b = 738 mm. A = 0,042, M = 453,6.

Gefunden: 3,10% N.

Arbeiten aus dem pharmazeutischen Institut der Universitiit Bern.

Ueber die Kons titution natarlicher C hry sazin-D erivate.

Von 0. A. 0 e s t e r 1 e.

(Eingegangen den 13. V. 1912.)

Von den bisher in Pflanzen aufgefundenen Anthrachinon- Abkominlingen sind die Chrysophansaure, das Aloe-Emodin und das Rhein sicher als Derivate des Chrysazins erkannt worden'). Die genannten Substanzen zeigen untereinander insofern engere Beziehungen, als die Chrysophansaure ein homologes Chrysazin darstellt, das Aloe-Emodin als der entsprechende primare Alkohol betrachtet werden mu13 und im Rhein die zugehorige Saure vor- liegt. Die Seitenkette steht in den drei Verbindungen an ein und derselben Stelle, und es kommt ihr, wie aus zahlreichen Unter- suchungen hervorgeht, eine P-Stellung zu. Ob aber der Seiten- kette von den beiden $-Stellungen die Stellung 2 oder die Stellung 3 zuzuweisen ist, blieb noch eine offene Frage.

Die Tatsache, da13 die Karboxylgruppe des sowohl aus Aloe- Emodin als auch aus Chrysophansaure darstellbaren Rheins nicht

l) L i e b e r m a n n u n d K o s t a n e c k i , Ber. d. d. chem. Ges. 19 (1886), 2329. O e s t e r l e und R i a t , Arch. d. Phann. 247 (1909), 416. 0 e s t e r 1 e, Schweiz. Wchschr. f. Chem. u. Phann. 1911, No. 46.