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Seit der Gebietsreform 1974 gehören Schlierbach und Har- tenrod zu Bad Endbach. „Das fanden die Hartenröder schwer zu ertragen, war Har- tenrod doch immer größer und historisch bedeutsamer als Bad Endbach“, berichtet Bamber- ger. Noch heute hätten sich nicht alle damit abgefunden. Seit 1684 hatte Hartenrod das Marktrecht für vier große Jahrmärkte im Jahr, weiß Bam- berger, der sich schon lange mit der Ortsgeschichte be- schäftigt. Auch als Hauptort des Kirchspiels im Amt Blan- kenstein, zu dem damals Bot- tenhorn, Dernbach, Wommels- hausen, Günterod, Schlierbach und Bad Endbach gehörten, hat Hartenrod „den Handel und Wandel“ im oberen Salzbö- detal bestimmt - bis zur Ge- bietsreform. Nur das Standes- amt blieb in Hartenrod, die Ge- Bad Endbach-Hartenrod/Schlierbach. „In Geschichte und Kultur haben wir viel gemeinsam, aber die Sprache unter- scheidet sich“, sagen Hermann Bamberger vom Kultur- und För- derverein „Jeegels Hoob“ Hartenrod und Reimar Debus aus Schlierbach. Die beiden engagieren sich seit Jahren für Geschich- te, Kultur und Dialekt der beiden Nachbarorte, die sich noch vor der Gebietsreform freiwillig zusammengeschlossen haben. Zwei Dörfer haben eine Geschichte Hartenrod und Schlierbach Die Eisenbahn war früher die „Lebenslinie” von Harten- rod (vorne) und Schlier- bach. (Fotos: Koelschtzky) Von Martina Koelschtzky (0 64 21) 16 99 90 [email protected] meindeverwaltung zog nach Bad Endbach um. „Wahrscheinlich ist aber Schlierbach der ältere Ort“, weiß Debus zu berichten. Der aus Wommelshausen stam- mende Historiker Horst W. Müller hat ihm erklärt, Schlier- bach sei eine „Bachsiedlung“, die in der offenen Aue entstan- den ist. Diese Siedlungen stammten in der Regel aus dem siebten und achten Jahrhun- dert, während die Rodungen wie Hartenrod und Günterod erst im neunten und zehnten Jahrhundert nach Christus be- siedelt worden seien. Urkund- lich erwähnt wird Schlierbach jedoch erstmals 1318, in Har- tenrod findet 2011 die 700-Jahr- Feier statt. Schierbach hat kei- ne Kirche, eine frühere Kapelle ließ der Ort im 18. Jahrhundert verfallen. Heute hat Schlierbach etwa 430 Einwohner, Hartenrod 2354, aber die Gemarkungen sind mit 478 und 488 Hektar na- hezu gleich groß. „Schlierbach hat viel Wald, deshalb war es immer ein reiches Dorf“, sagt Debus. Von der Geschichte her äh- neln sich beide Orte dennoch. „Das Land war hier nie frucht- bar genug für eine flächende- ckende Landwirtschaft im Voll- erwerb“, sagt Debus. Aus bei- den Orten gingen die Männer zur Lohnarbeit. Als Maurer wanderten sie bis ins Sieger- land, als Arbeiter ins Hartenrö- der Schwerspat-Werk, das bis nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete, oder als Metallarbei- ter ins Dilltal. Eisenbahn ins Dilltal war die Lebensader der beiden Orte „Durch die Eisenbahnver- bindung waren wir immer in Richtung Dilltal orientiert“, be- richtet Bamberger. „Nach Bie- denkopf gab es nur Busse, das war eine Tagesreise. Und in Marburg gab es keine Indus- trie“. Die Eisenbahn war die „Le- bensader“ der beiden Orte, bis sie im Jahr 2000 eingestellt wurde. Debus hat aber auch nach den viel älteren Verkehrs- wegen gesucht, und sie gefun- den. „Das Bergmannspädche zur Grube Koppe oberhalb von Wallenfels, wo die Bergleute zur Arbeit hingingen, ist stre- ckenweise noch gut zu erken- nen“. sagt er. Auch die Männer seiner Familie waren Bergleu- te, sein Onkel ist auf der Grube „Bismarck“ in Hartenrod töd- lich verunglückt. Sein Vater ging ins Siegerland zur Arbeit und später auf die Gruben „Ausguststollen“ und „Königs- zug“ im Scheldetal. Auch das „Postwejelche“, auf dem der Briefträger von Hartenrod über Schlierbach nach Wallen- fels ging, sei noch sichtbar. „Deshalb hat Wallenfels heute noch dieselbe Vorwahl wie wir“, erklärt er. Trotz aller Gemeinsamkei- ten der beiden Orte unterschie- det sich der Dialekt bis heute, wie die beiden in einer Zwie- sprache deutlich machen: Bamberger spricht ein langes „a“, wo Debus ein offenes „o“ nimmt. Da wird aus der Harte- nröder „Baank“ die Schlierba- cher „Boonk“. „Die Sprachgrenze geht al- lerdings mitten durch Schlier- bach“, sagt Debus. Er nimmt an, dass das Zusammenwach- sen der beiden Orte von Har- tenrod aus erfolgt ist, deshalb spricht das „Onnerlaand“, der untere Teil von Schlierbach, den selben Dialekt wie Harten- rod. Das „Owerlood“, das ur- sprüngliche Schlierbach, spricht die Worte so aus wie beispielsweise Günterod. Gemeinsam ist beiden Orten eine Besonderheit, die Orts- fremde oft verwirrt: Das Zahl- wort „Zwei“ wird im Platt an das Geschlecht des Hauptwor- tes angepasst. „Zwie Menner“ heißt es, aber „zwu Frääje“ und „zwää Kenn“. „Das lernt man nicht, wenn man nicht von hier kommt“, glaubt Debus. Dafür hört es sich für ihn seltsam an, wenn andernorts im Platt für alle drei Geschlechter „zwo“ oder „zwää“ gesagt wird. „Zwää Menner, das tut doch richtig weh“, findet er. Über die Geschichte der bei- den Orte gibt es noch viel zu be- richten. So verläuft über Schlierbach noch streckenwei- se deutlich sichtbar die herr- schaftliche „Hege“, die befes- tigte Grenze mit Wall, Graben und Baumbestand zwischen Hessen und Nassau. Oder es gibt einen Teil von Hartenrod, der bis heute „Frankreich“ heißt, weil dort im siebenjähri- gen Krieg und noch einmal von 1794 bis 1796 ein französisches Heerlager war. Als der Verein „Dialekt im Hinterland“ die beiden an- sprach wegen einer Dialekt-CD für beide Orte, waren sie sofort dabei. Schließlich sammelt De- bus schon seit Jahren Worte aus dem Dialekt, die kaum noch in Gebrauch sind. Er will sie vor dem Untergang bewah- ren. Die Worte finden sich, wie viele Details zur Ortsgeschich- te, Geschichten und Gedichte auf Platt, im Internet auf der Seite http.schlierbach-on.de. Für die CD haben die Beiden Dialoge entwickelt, die die Un- terschiede im Platt herausar- beiten oder die Sache mit der Zwei. Auch das Gedicht vom „Imbaier Friedhelm“ Rink soll darauf. Es ist das erste Mal, dass eine Dialekt-CD von zwei Orten zusammen gemacht wird. „Aber das klappt“, sind beide sicher. Bernd Mohrherr ist am 2. April 2007 im Alter von 65 Jahren ge- storben. Mit ihm verlieren wir im Hinterland einen Menschen, der sich seit vielen Jahren mit großem Einsatz für diese Region engagiert hat. Fast zehn Jahre lang war er stellvertretender Vor- sitzender des Vereins „Dialekt im Hinterland“. Bernd Mohrherr war in vie- len Bereichen aktiv. So gehör- ten die Geschichte, die Ahnen- forschung, die Fotografie, die heimische Natur und insbeson- dere die Mundart zu seinen Be- tätigungsfeldern. Eine seiner Hauptaufgaben sah er in der Förderung und dem Erhalt der Hinterländer Dialekte. Er ging dabei von der Er- kenntnis aus, dass zu den Wur- zeln einer Kultur immer auch die Sprache gehört und dass al- le Mühe umsonst ist, wenn die Wurzeln abgebrochen sind. Da- her setzte er als Lehrer der Stadtschule in Biedenkopf ge- nau hier einen Schwerpunkt seiner Arbeit . Als einer der ersten hat er die Schule als Ort ausgemacht, wo Pflege und Förderung der Mundart einen festen Platz er- halten sollen. Das war damals durchaus eine Pioniertat. Sein Bemühen, den Dialekt in den Schulen wieder „salon- fähig“ zu machen, wurde mit großer Skepsis begleitet, wa- ren doch gerade die Schulen am Rückgang der Mundart- Sprachen entscheidend betei- ligt. Platt wieder in die Schule gebracht Mitte der 1990er Jahre bot er an der Stadtschule den Wahlpflichtkurs „Mir schwätze Platt“ an. Zur Überraschung Vieler wurde diese schulische Aktivität zu einem großen Er- folg. Zeitungen berichteten über das Projekt und auch der Hessische Rundfunk kam zu Aufnahmen in die Schule. In der Folge nahmen sich auch viele andere Schulen wieder des Themas an und trugen da- zu bei, die Akzeptanz der Mundart in der Gesellschaft deutlich zu erhöhen. Für Mohrherr war es selbst- verständlich, sich nach Grün- dung des Vereins „Dialekt im Hinterland“ auch hier aktiv zu beteiligen. Von 1998 bis zu sei- nem Tod war er als zweiter Vor- sitzender des Vereins tätig. Untrennbar ist sein Name mit dem Projekt „Dokumentati- on der Hinterländer Dialekte“ verbunden. Seit 2001 werden hier in Zusammenarbeit mit der Philipps-Universität in Marburg die Hinterländer Mundarten auf Tonträgern konserviert. Die Aufnahmen der ersten fünf CDs hat er mit begleitet, alle folgen Aufnahmen profi- tieren von seiner Aufbauar- beit. Mohrherr liebte die deut- sche Sprache mit ihren Dialek- ten. Er verstand es in hervorra- gender Weise, die Schönheit der Sprache zu verdeutlichen. Gezielt und pointiert einge- setzt diente ihm die Sprache in vielen Beiträgen, Aufsätzen und Diskussionen. In humor- voller und treffsicherer Weise hat er oftmals den einen oder anderen Missstand auf‘s Korn genommen. Trotz schwerer Er- krankungen in seinen letzten Lebensjahren hat er sich bis zu seinem Tod unermüdlich und mit großem Geschick um den Erhalt der Mundarten verdient gemacht. In seiner Muttersprache, dem Eckelshäuser Dialekt hat er seiner Motivation mit der Hoffnung Ausdruck verliehen, „dess iese Muddersproache each en der nächste Generati- on net verlorn gett. Mir broa- che ies weeje iesem Platt net ze schaame, mir kinn stolz droff sei“. Seine Hoffnung sollte Auf- trag für uns alle sein. Wir trauern um Bernd Mohrherr Ahnen-, Geschichts-, Natur und Mundartforscher aus Eckelshausen im April 2007 verstorben Von Reiner Wagner, Wiesenbach „Gemorje Hennerlaand“ erscheint als Sonderdruck der Zeitungsgruppe Lahn-Dill Druck: Wetzlardruck GmbH Elsa-Brandström-Straße 18 35578 Wetzlar Herausgeber: Dialekt im Hinterland e.V. –Verein zur Förderung, Pflege und zum Erhalt der Mundart im Hinterland Redaktion: Martina Koelschtzky Kontakt: Vorsitzender des Vereins „Dialekt im Hinterland“ Reiner Wagner Boxbachstraße 8 35236 Breidenbach-Wiesenbach (0 64 65) 73 46 E-Mail: [email protected] Weltweit und bodenständig – Mundart im Netz: Im Internet finden Sie den Verein „Dialekt im Hinterland“ unter www. dialektverein.de. Dort finden Sie auch eine Online-Ausgabe dieser Zeitschrift. Da der Dialekt keine einheitliche Orthografie kennt, kann die Schreibweise je nach Autor voneinander abweichen. Im Herbst muss man nicht mehr von Rosen und Tulpen träumen. Wenn du für deine Freunde keine Zeit mehr hast, hast du mit der Zeit keine Freunde mehr. Lebensweisheiten 131---V0 11.12.2007 17:48:18 hennerlaand2 Hermann Bamberger aus „Hädderää” und der „Schlaijerbacher” Reimar Debus (von links) mit einem Mundart-Gedicht. Bernd Mohr- herr brachte den Dialekt zurück in die Schule. (Foto: privat) Impressum

Zwei Dörfer haben eine Geschichte - dialektverein.de · Weltweit und bodenständig – Mundart im Netz: Im Internet finden Sie den Verein „Dialekt im Hinterland“ unter www. dialektverein.de

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Seit der Gebietsreform 1974gehören Schlierbach und Har-tenrod zu Bad Endbach. „Dasfanden die Hartenröderschwer zu ertragen, war Har-tenrod doch immer größer undhistorisch bedeutsamer als BadEndbach“, berichtet Bamber-ger. Noch heute hätten sichnicht alle damit abgefunden.

Seit 1684 hatte Hartenroddas Marktrecht für vier großeJahrmärkte im Jahr, weiß Bam-

berger, der sich schon langemit der Ortsgeschichte be-schäftigt. Auch als Hauptortdes Kirchspiels im Amt Blan-kenstein, zu dem damals Bot-tenhorn, Dernbach, Wommels-hausen, Günterod, Schlierbachund Bad Endbach gehörten,hat Hartenrod „den Handelund Wandel“ im oberen Salzbö-detal bestimmt - bis zur Ge-bietsreform. Nur das Standes-amt blieb in Hartenrod, die Ge-

Bad Endbach-Hartenrod/Schlierbach. „In Geschichteund Kultur haben wir viel gemeinsam, aber die Sprache unter-scheidet sich“, sagen Hermann Bamberger vom Kultur- und För-derverein „Jeegels Hoob“ Hartenrod und Reimar Debus ausSchlierbach. Die beiden engagieren sich seit Jahren für Geschich-te, Kultur und Dialekt der beiden Nachbarorte, die sich noch vorder Gebietsreform freiwillig zusammengeschlossen haben.

Zwei Dörferhaben eineGeschichte

Hartenrod und Schlierbach

Die Eisenbahnwar früher die„Lebenslinie”von Harten-rod (vorne)und Schlier-bach. (Fotos:Koelschtzky)

Von Martina Koelschtzky (0 64 21) 16 99 [email protected]

meindeverwaltung zog nachBad Endbach um.

„Wahrscheinlich ist aberSchlierbach der ältere Ort“,weiß Debus zu berichten. Deraus Wommelshausen stam-mende Historiker Horst W.Müller hat ihm erklärt, Schlier-bach sei eine „Bachsiedlung“,die in der offenen Aue entstan-den ist. Diese Siedlungenstammten in der Regel aus demsiebten und achten Jahrhun-dert, während die Rodungenwie Hartenrod und Günteroderst im neunten und zehntenJahrhundert nach Christus be-siedelt worden seien. Urkund-lich erwähnt wird Schlierbachjedoch erstmals 1318, in Har-tenrod findet 2011 die 700-Jahr-Feier statt. Schierbach hat kei-ne Kirche, eine frühere Kapelleließ der Ort im 18. Jahrhundertverfallen.

Heute hat Schlierbach etwa430 Einwohner, Hartenrod2354, aber die Gemarkungensind mit 478 und 488 Hektar na-hezu gleich groß. „Schlierbachhat viel Wald, deshalb war esimmer ein reiches Dorf“, sagtDebus.

Von der Geschichte her äh-

neln sich beide Orte dennoch.„Das Land war hier nie frucht-bar genug für eine flächende-ckende Landwirtschaft im Voll-erwerb“, sagt Debus. Aus bei-den Orten gingen die Männerzur Lohnarbeit. Als Maurerwanderten sie bis ins Sieger-land, als Arbeiter ins Hartenrö-der Schwerspat-Werk, das bisnach dem Zweiten Weltkriegarbeitete, oder als Metallarbei-ter ins Dilltal.

■ Eisenbahnins Dilltalwar dieLebensader derbeiden Orte

„Durch die Eisenbahnver-bindung waren wir immer inRichtung Dilltal orientiert“, be-richtet Bamberger. „Nach Bie-denkopf gab es nur Busse, daswar eine Tagesreise. Und inMarburg gab es keine Indus-trie“.

Die Eisenbahn war die „Le-bensader“ der beiden Orte, bissie im Jahr 2000 eingestelltwurde. Debus hat aber auch

nach den viel älteren Verkehrs-wegen gesucht, und sie gefun-den. „Das Bergmannspädchezur Grube Koppe oberhalb vonWallenfels, wo die Bergleutezur Arbeit hingingen, ist stre-ckenweise noch gut zu erken-nen“. sagt er. Auch die Männerseiner Familie waren Bergleu-te, sein Onkel ist auf der Grube„Bismarck“ in Hartenrod töd-lich verunglückt. Sein Vaterging ins Siegerland zur Arbeitund später auf die Gruben„Ausguststollen“ und „Königs-zug“ im Scheldetal. Auch das„Postwejelche“, auf dem derBriefträger von Hartenrodüber Schlierbach nach Wallen-fels ging, sei noch sichtbar.„Deshalb hat Wallenfels heutenoch dieselbe Vorwahl wiewir“, erklärt er.

Trotz aller Gemeinsamkei-ten der beiden Orte unterschie-det sich der Dialekt bis heute,wie die beiden in einer Zwie-sprache deutlich machen:Bamberger spricht ein langes„a“, wo Debus ein offenes „o“nimmt. Da wird aus der Harte-nröder „Baank“ die Schlierba-cher „Boonk“.

„Die Sprachgrenze geht al-

lerdings mitten durch Schlier-bach“, sagt Debus. Er nimmtan, dass das Zusammenwach-sen der beiden Orte von Har-tenrod aus erfolgt ist, deshalbspricht das „Onnerlaand“, deruntere Teil von Schlierbach,den selben Dialekt wie Harten-rod. Das „Owerlood“, das ur-sprüngliche Schlierbach,spricht die Worte so aus wiebeispielsweise Günterod.

Gemeinsam ist beiden Orteneine Besonderheit, die Orts-fremde oft verwirrt: Das Zahl-wort „Zwei“ wird im Platt andas Geschlecht des Hauptwor-tes angepasst. „Zwie Menner“heißt es, aber „zwu Frääje“ und„zwää Kenn“. „Das lernt mannicht, wenn man nicht von hierkommt“, glaubt Debus. Dafürhört es sich für ihn seltsam an,wenn andernorts im Platt füralle drei Geschlechter „zwo“oder „zwää“ gesagt wird. „ZwääMenner, das tut doch richtigweh“, findet er.

Über die Geschichte der bei-den Orte gibt es noch viel zu be-richten. So verläuft überSchlierbach noch streckenwei-se deutlich sichtbar die herr-schaftliche „Hege“, die befes-

tigte Grenze mit Wall, Grabenund Baumbestand zwischenHessen und Nassau. Oder esgibt einen Teil von Hartenrod,der bis heute „Frankreich“heißt, weil dort im siebenjähri-gen Krieg und noch einmal von1794 bis 1796 ein französischesHeerlager war.

Als der Verein „Dialekt imHinterland“ die beiden an-sprach wegen einer Dialekt-CDfür beide Orte, waren sie sofortdabei. Schließlich sammelt De-bus schon seit Jahren Worteaus dem Dialekt, die kaumnoch in Gebrauch sind. Er willsie vor dem Untergang bewah-ren. Die Worte finden sich, wieviele Details zur Ortsgeschich-te, Geschichten und Gedichteauf Platt, im Internet auf derSeite http.schlierbach-on.de.

Für die CD haben die BeidenDialoge entwickelt, die die Un-terschiede im Platt herausar-beiten oder die Sache mit derZwei. Auch das Gedicht vom„Imbaier Friedhelm“ Rink solldarauf. Es ist das erste Mal,dass eine Dialekt-CD von zweiOrten zusammen gemachtwird. „Aber das klappt“, sindbeide sicher.

Bernd Mohrherr ist am 2. April 2007 im Alter von 65 Jahren ge-storben. Mit ihm verlieren wir im Hinterland einen Menschen,der sich seit vielen Jahren mit großem Einsatz für diese Regionengagiert hat. Fast zehn Jahre lang war er stellvertretender Vor-sitzender des Vereins „Dialekt im Hinterland“.

Bernd Mohrherr war in vie-len Bereichen aktiv. So gehör-ten die Geschichte, die Ahnen-forschung, die Fotografie, dieheimische Natur und insbeson-dere die Mundart zu seinen Be-tätigungsfeldern. Eine seinerHauptaufgaben sah er in derFörderung und dem Erhalt derHinterländer Dialekte.

Er ging dabei von der Er-kenntnis aus, dass zu den Wur-zeln einer Kultur immer auchdie Sprache gehört und dass al-le Mühe umsonst ist, wenn dieWurzeln abgebrochen sind. Da-her setzte er als Lehrer derStadtschule in Biedenkopf ge-nau hier einen Schwerpunktseiner Arbeit .

Als einer der ersten hat erdie Schule als Ort ausgemacht,wo Pflege und Förderung derMundart einen festen Platz er-halten sollen. Das war damalsdurchaus eine Pioniertat.

Sein Bemühen, den Dialektin den Schulen wieder „salon-fähig“ zu machen, wurde mitgroßer Skepsis begleitet, wa-

ren doch gerade die Schulenam Rückgang der Mundart-Sprachen entscheidend betei-ligt.

■ Platt wieder in dieSchule gebracht

Mitte der 1990er Jahre boter an der Stadtschule denWahlpflichtkurs „Mir schwätzePlatt“ an. Zur ÜberraschungVieler wurde diese schulischeAktivität zu einem großen Er-folg. Zeitungen berichtetenüber das Projekt und auch derHessische Rundfunk kam zuAufnahmen in die Schule. Inder Folge nahmen sich auchviele andere Schulen wiederdes Themas an und trugen da-zu bei, die Akzeptanz derMundart in der Gesellschaftdeutlich zu erhöhen.

Für Mohrherr war es selbst-verständlich, sich nach Grün-dung des Vereins „Dialekt imHinterland“ auch hier aktiv zubeteiligen. Von 1998 bis zu sei-

nem Tod war er als zweiter Vor-sitzender des Vereins tätig.

Untrennbar ist sein Namemit dem Projekt „Dokumentati-on der Hinterländer Dialekte“verbunden. Seit 2001 werdenhier in Zusammenarbeit mitder Philipps-Universität inMarburg die HinterländerMundarten auf Tonträgernkonserviert.

Die Aufnahmen der erstenfünf CDs hat er mit begleitet,alle folgen Aufnahmen profi-tieren von seiner Aufbauar-

beit. Mohrherr liebte die deut-sche Sprache mit ihren Dialek-ten. Er verstand es in hervorra-gender Weise, die Schönheitder Sprache zu verdeutlichen.

Gezielt und pointiert einge-setzt diente ihm die Sprache invielen Beiträgen, Aufsätzenund Diskussionen. In humor-voller und treffsicherer Weisehat er oftmals den einen oderanderen Missstand auf‘s Korngenommen. Trotz schwerer Er-krankungen in seinen letztenLebensjahren hat er sich bis zu

seinem Tod unermüdlich undmit großem Geschick um denErhalt der Mundarten verdientgemacht.

In seiner Muttersprache,dem Eckelshäuser Dialekt hater seiner Motivation mit derHoffnung Ausdruck verliehen,„dess iese Muddersproacheeach en der nächste Generati-on net verlorn gett. Mir broa-che ies weeje iesem Platt net zeschaame, mir kinn stolz droffsei“. Seine Hoffnung sollte Auf-trag für uns alle sein.

Wir trauern um Bernd MohrherrAhnen-, Geschichts-, Natur und Mundartforscher aus Eckelshausen im April 2007 verstorben

Von Reiner Wagner, Wiesenbach

„Gemorje Hennerlaand“erscheint als Sonderdruck der Zeitungsgruppe Lahn-Dill

Druck: Wetzlardruck GmbHElsa-Brandström-Straße 1835578 Wetzlar

Herausgeber:Dialekt im Hinterland e.V. –Verein zur Förderung, Pflege undzum Erhalt der Mundart im HinterlandRedaktion: Martina Koelschtzky

Kontakt:Vorsitzender des Vereins „Dialekt im Hinterland“Reiner WagnerBoxbachstraße 835236 Breidenbach-Wiesenbach✆ (0 64 65) 73 46E-Mail: [email protected]

Weltweit und bodenständig – Mundart im Netz:Im Internet finden Sie den Verein „Dialekt im Hinterland“unter www. dialektverein.de. Dort finden Sie auch eineOnline-Ausgabe dieser Zeitschrift.

Da der Dialekt keine einheitliche Orthografie kennt, kanndie Schreibweise je nach Autor voneinander abweichen.

■ Im Herbst muss man nicht mehr von Rosen und Tulpenträumen.

■ Wenn du für deine Freunde keine Zeit mehr hast, hast dumit der Zeit keine Freunde mehr.

Lebensweisheiten

131---V011.12.2007 17:48:18 hennerlaand2

Hermann Bamberger aus „Hädderää” und der „Schlaijerbacher”Reimar Debus (von links) mit einem Mundart-Gedicht.

Bernd Mohr-herr brachteden Dialekt

zurück in dieSchule. (Foto:

privat)

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