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Anlage 2 Zwischenbericht zum Forschungsprojekt 4.3.201 Stand: 12.12.2007 „Kompetenzstandards in der Berufsausbildung“ Bearbeiter und Bearbeiterinnen Dr. Kathrin Hensge, Gunda Görmar, Barbara Lorig, Helga Molitor, Daniel Schreiber Laufzeit I/2007- IV/2008 1. Ausgangslage Der Kompetenzbegriff wird seit einigen Jahren im wissenschaftlichen Bereich intensiv diskutiert und findet derzeit Eingang in nationale Bildungskonzepte und europaweite Verfahren zur Erfassung, Anerkennung und Vergleichbarkeit von Lernleistungen. Mit der Einführung von Bildungsstandards vom Primarbereich bis zum mittleren Schulabschluss liegt für den allgemeinbildenden Bereich ein Konzept vor, dass allgemeine Bildungsziele durch die Beschreibung von Kompetenzen konkretisiert. Die fachspezifischen Kompetenzen, die die Schüler und Schülerinnen nach Abschluss eines Jahrgangs erworben haben sollen, werden mit Hilfe von Testverfahren erfasst. Bildungsstandards erlauben es - über die Lernergebnisse der Schülerinnen und Schüler -, die Leistungen der einzelnen Schulen miteinander zu vergleichen (Schulevaluation) und zu überprüfen, ob das Bildungssystem seinen Auftrag erfüllt hat (Bildungsmonitoring). Zur Zeit wird diskutiert, ob solche Bildungsstandards auch für die berufliche Bildung entwickelt werden sollen, um im Rahmen von Systemvergleichen den Bildungsstand zu ermitteln und darüber hinaus über Steuerungsmechanismen die Qualität beruflicher Handlungskompetenz zu sichern und zu steigern. Aber nicht nur auf nationaler, sondern auch auf europäischer Ebene erlangt das Kompetenzkonzept immer größere Bedeutung. Dem 2007 vom Europäischen Parlament verabschiedeten Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR), der die Mobilität der Bürgerinnen und Bürger zwischen den Mitgliedsstaaten und das lebenslange Lernen fördern soll, liegt eine Orientierung an Lernergebnissen und Kompetenzen zugrunde. Auch der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR), der derzeit entwickelt wird, sieht die Ausrichtung am Begriff der Handlungskompetenz vor. Grundsätzlich stellt sich die Frage, wie das Kompetenzkonzept in der beruflichen Bildung verankert werden kann, um die Durchlässigkeit zwischen den nationalen Bildungs-Sub- Systemen zu fördern und die Anschlussfähigkeit der dualen Berufe im europäischen Kontext (EQR/ECVET) sicher zu stellen. 2. Forschungsziele und Fragestellung Ziel des Forschungsprojektes ist es, anhand eines theoretisch fundierten Kompetenzmodells ausgewählte Ausbildungsordnungen exemplarisch kompetenzbasiert zu gestalten und eine Empfehlung zur Gestaltung kompetenzbasierter Ausbildungsordnungen für die Ordnungspraxis zu erarbeiten. 1

Zwischenbericht zum Forschungsprojekt 4 - bibb.de · Kontext bezogen wird, beschreibt Roth die menschliche Handlungsfähigkeit auf verschiedenen Fortschrittsstufen, die in der mündigen

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Anlage 2 Zwischenbericht zum Forschungsprojekt 4.3.201 Stand: 12.12.2007 „Kompetenzstandards in der Berufsausbildung“ Bearbeiter und Bearbeiterinnen

Dr. Kathrin Hensge, Gunda Görmar, Barbara Lorig, Helga Molitor, Daniel Schreiber Laufzeit I/2007- IV/2008 1. Ausgangslage Der Kompetenzbegriff wird seit einigen Jahren im wissenschaftlichen Bereich intensiv diskutiert und findet derzeit Eingang in nationale Bildungskonzepte und europaweite Verfahren zur Erfassung, Anerkennung und Vergleichbarkeit von Lernleistungen. Mit der Einführung von Bildungsstandards vom Primarbereich bis zum mittleren Schulabschluss liegt für den allgemeinbildenden Bereich ein Konzept vor, dass allgemeine Bildungsziele durch die Beschreibung von Kompetenzen konkretisiert. Die fachspezifischen Kompetenzen, die die Schüler und Schülerinnen nach Abschluss eines Jahrgangs erworben haben sollen, werden mit Hilfe von Testverfahren erfasst. Bildungsstandards erlauben es - über die Lernergebnisse der Schülerinnen und Schüler -, die Leistungen der einzelnen Schulen miteinander zu vergleichen (Schulevaluation) und zu überprüfen, ob das Bildungssystem seinen Auftrag erfüllt hat (Bildungsmonitoring). Zur Zeit wird diskutiert, ob solche Bildungsstandards auch für die berufliche Bildung entwickelt werden sollen, um im Rahmen von Systemvergleichen den Bildungsstand zu ermitteln und darüber hinaus über Steuerungsmechanismen die Qualität beruflicher Handlungskompetenz zu sichern und zu steigern. Aber nicht nur auf nationaler, sondern auch auf europäischer Ebene erlangt das Kompetenzkonzept immer größere Bedeutung. Dem 2007 vom Europäischen Parlament verabschiedeten Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR), der die Mobilität der Bürgerinnen und Bürger zwischen den Mitgliedsstaaten und das lebenslange Lernen fördern soll, liegt eine Orientierung an Lernergebnissen und Kompetenzen zugrunde. Auch der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR), der derzeit entwickelt wird, sieht die Ausrichtung am Begriff der Handlungskompetenz vor. Grundsätzlich stellt sich die Frage, wie das Kompetenzkonzept in der beruflichen Bildung verankert werden kann, um die Durchlässigkeit zwischen den nationalen Bildungs-Sub-Systemen zu fördern und die Anschlussfähigkeit der dualen Berufe im europäischen Kontext (EQR/ECVET) sicher zu stellen. 2. Forschungsziele und Fragestellung Ziel des Forschungsprojektes ist es, anhand eines theoretisch fundierten Kompetenzmodells ausgewählte Ausbildungsordnungen exemplarisch kompetenzbasiert zu gestalten und eine Empfehlung zur Gestaltung kompetenzbasierter Ausbildungsordnungen für die Ordnungspraxis zu erarbeiten.

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Im Forschungsprojekt wird von der folgenden Hypothese ausgegangen: Berufliche Handlungsfähigkeit lässt sich in einem allgemeinen Modell von Kompetenzen hinreichend formalisieren und konkretisieren. Aus den beruflichen Handlungen lässt sich ein berufsspezifisches Anforderungsgefüge gewinnen, das in Aufgabenstellungen konkretisiert und überprüft werden kann. 3. Konzeption und methodische Herangehensweise Im Projekt ist eine zwei-schrittige Vorgehensweise vorgesehen: a) Theoretische Fundierung und Entwicklung eines allgemeinen Modells von Kompetenzen Ausgehend von der Diskussion über die Übertragbarkeit der Bildungsstandards in den beruflichen Bereich wurden im Forschungsprojekt unterschiedliche Kompetenzbegriffe eingebettet in ihre Basistheorien diskutiert und ihre Anschlussfähigkeit für die berufliche Bildung geprüft. Hierzu wurden insbesondere die Begriffe, Konzepte und Modelle im Rahmen des Kompetenzdiskurses herangezogen. Im Anschluss an die Bestimmung zentraler Begriffe wurden gängige Kompetenzmodelle im beruflichen Bereich analysiert und unter Einbezug theoretischer, konzeptioneller, politischer und praktischer Überlegungen ein allgemeines Modell von Kompetenzen für die Berufsausbildung entwickelt. b) Empirische Überprüfung Empirische Basis für die Konstruktion eines berufsspezifischen Kompetenzmodells sind die Ausbildungsordnungen. Dabei wird das Kompetenzmodell auf ausgewählte Ausbildungsordnungen projiziert, um das berufspezifische Kompetenzgefüge zu ermitteln und die Ausbildungsordnungen kompetenzbasiert zu gestalten. In Expertengesprächen und -workshops soll die Plausibilität der neu formulierten Ausbildungsordnungen und ihre Handhabbarkeit in der Praxis erörtert werden. Die Ergebnisse fließen in eine Handreichung zur Gestaltung kompetenzbasierter Ausbildungsordnungen ein. Die empirische Überprüfung steht 2008 im Vordergrund. 4. Projektverlauf 4.1 Bildungsstandards Seit Erscheinen des Konzepts der nationalen Bildungsstandards1 für den allgemeinbildenden Bereich ist in der Berufsbildungsforschung eine Diskussion entbrannt, ob das Konzept auf den Bereich der beruflichen Bildung übertragen werden kann (beispielsweise Dilger 2004, Sloane 2005, Dilger/Sloane 2005, Meyer 2006, Frank/Schreiber 2006, Zlatkin-Troitschanskaia 2007).2 In dem Konzept wird folgende drei-schrittige Systematik

1 Klieme, E. et al (2003): Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards - Eine Expertise. BMBF (Hrsg.), Berlin 2 Dilger, B. (2004): Kompetenz als Standard der Bildung (von Standards). In: Kölner Zeitschrift „Wirtschaft und Pädagogik“.19. Jg., Heft 36, S.11-35 Sloane, P.F.E. (2005): ...Standards von Bildung - Bildung von Standards... In: Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik. Heft 4, S. 484-496 Dilger, B.; Sloane, P.F.E. (2005): The Competence Clash – Dilemmata bei der Übertragung des ‘Konzepts der nationalen Bildungsstandards’ auf die berufliche Bildung. In: Berufs- und Wirtschaftspädagogik Online (BWP@) Nr. 8, S. 1-32 Frank, I./ Schreiber, D. (2006): Bildungsstandards – Herausforderungen für das duale System. BWP 4/2006 S. 6-10 Meyer, R. (2006): Bildungsstandards im Berufsbildungssystem- Ihre Relevanz für das berufliche Lernen zwischen Anspruch und Wirklichkeit. In: Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik. 102. Band, Heft 1, S. 49-63

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vorgeschlagen (siehe Abbildung): allgemeine Bildungsziele werden durch Kompetenzmodelle konkretisiert, die die Leistungen der Schülerinnen und Schüler nach Abschluss einer Jahrgangsstufe in einem Fach beschreiben. Die Leistungen der Schülerinnen und Schüler werden mit Hilfe geeigneter Aufgaben getestet. Die erhobenen Ergebnisse sollen ein Bildungsmonitoring zum Leistungsvergleich der einzelnen Schulen und damit des Gesamtsystems ermöglichen. 1. Ebene Bildungsziele, konkretisiert durch 2. Ebene Kompetenzmodelle, umgesetzt in 3. Ebene Aufgaben zur Überprüfung (Monitoring) Abb. 1: Systematik der Bildungsstandards Mit der Klieme-Expertise wurde ein elaboriertes Konzept vorgelegt, wie Bildungsziele, Kompetenzanforderungen sowie Aufgaben zur Überprüfung der Kompetenzen miteinander verknüpft werden können. Das Konzept der nationalen Bildungsstandards wird in der Berufsbildungsforschung kritisch aufgenommen. Dilger/Sloane zeigen „Dilemmata“ bei der Übertragung des Konzepts auf die berufliche Bildung auf und schlagen notwendige Schritte zur Adaption vor.3 Deutlicher fällt das Urteil von Zlatkin-Troitschanskaia aus: „Das neue Steuerungsmodell kann nicht direkt aus dem Bereich der Allgemeinbildung auf berufliche Bildungsgänge übertragen werden“.4 Meyer konstatiert, dass die Standards im Bereich der Berufsausbildung über das Konzept der nationalen Bildungsstandards hinausgehen.5 Insbesondere bei dem zugrunde gelegten Kompetenzverständnis werden die Unterschiede zwischen Standards im allgemeinbildenden Bereich und der beruflichen Bildung deutlich. Im allgemeinbildenden Bereich wird zur Kompetenzmessung ein Kompetenzverständnis herangezogen, das aus einer psychologischen Perspektive die Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern als kognitive Leistungsdispositionen beschreibt. Kompetenzen beziehen sich in diesem Kontext auf bestimmte Fach- bzw. Wissensgebiete, so genannte Domänen. Die Kompetenzen werden durch theoretisch fundierte Modelle abgebildet, die unterschiedliche Teildimensionen wie beispielsweise für das Fach Deutsch „Rezeption und Produktion von Texten“, „mündlicher Sprachgebrauch“ unterscheiden.6 Der Domänenbezug spielt eine besondere Rolle, weil theoretisch davon ausgegangen wird, dass der systematische Aufbau von Kompetenzen in einem Lernkontext, einer Domäne, beginnt. Dieses Kompetenzverständnis fokussiert auf „fachliche Kompetenzen“ und ist von Ansätzen abzugrenzen, die überfachliche Kompetenzen oder Handlungskompetenz messen und bewerten.7 Im Gegensatz zu dem vorgestellten, aus dem allgemeinbildenden Bereich stammenden Kompetenzverständnis hat sich in der beruflichen Aus- und Weiterbildung ein Kompetenzverständnis durchgesetzt, dass das Handeln in komplexen Lern- und Arbeitssituationen in den Fokus nimmt und die Fähigkeit zu selbstorganisiertem Handeln Zlatkin- Troitschanskaia, O. (2007): Bildungsstandards in der beruflichen Bildung - Paradigmenwechsel für die Entwicklungspraxis beruflicher Schulen und Folgen für die Berufsbildungsforschung. In: Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik. 103 Band, Heft 1, S. 75-100 3 Dilger, B.; Sloane, P.F.E. (2005): The Competence Clash – Dilemmata bei der Übertragung des ‘Konzepts der nationalen Bildungsstandards’ auf die berufliche Bildung. In: Berufs- und Wirtschaftspädagogik Online (BWP@) Nr. 8, S. 1-32 4 Zlatkin- Troitschanskaia, O. (2007): Bildungsstandards in der beruflichen Bildung - Paradigmenwechsel für die Entwicklungspraxis beruflicher Schulen und Folgen für die Berufsbildungsforschung. In: Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik. 103 Band, Heft 1, S. 75-100, hier S. 92 5 Meyer, R. (2006): Bildungsstandards im Berufsbildungssystem- Ihre Relevanz für das berufliche Lernen zwischen Anspruch und Wirklichkeit. In: Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik. 102. Band, Heft 1, S. 49-63 6 Klieme, E. et al (2003): Expertise zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards. BMBF 7 Weinert, F.E. (2002): Vergleichende Leistungsmessung in Schulen - eine umstrittene Selbstverständlichkeit. In: Weinert, F. E. (Hrsg.): Leistungsmessungen in Schulen. 2. unveränderte Auflage. Weinheim, S. 17-31 (hier: S. 28)

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betont.8 Im Vergleich mit dem im allgemeinbildenden Bereich verwendeten Kompetenzverständnis ist berufliche Handlungskompetenz weiter gefasst. Neben fachlichen Kompetenzen spielen auch überfachliche Kompetenzen, wie beispielsweise sozial-kommunikative Fähigkeiten oder auch motivationale Aspekte – als Basis für eigenverantwortliches und selbstständiges Handeln – eine große Rolle. Trotz der Unterschiede im Kompetenzverständnis im allgemeinbildenden und berufsbildenden Bereich kann die Konkretisierung von Bildungszielen durch Kompetenzmodelle im berufsbildenden Bereich aufgegriffen werden. Analog zu den Bildungszielen im allgemeinbildenden Bereich, die in Kompetenzmodellen fächerspezifisch konkretisiert werden, kann das Leitziel der Berufsausbildung, berufliche Handlungsfähigkeit, durch ein allgemeines Kompetenzmodell operationalisiert werden. Mit Hilfe des Kompetenzmodells können die Kompetenzen über die Berufe hinweg einheitlich beschrieben und zugleich für jeden Beruf spezifische Schwerpunkte herausgearbeitet werden, d.h. berufsspezifische Kompetenzgefüge in Form von Kompetenzmodellen abgebildet werden. Bei der Entwicklung dieses alle Berufe im Dualen System überspannenden, allgemeinen Modells stehen folgende Fragen im Vordergrund:

a) Welche politischen, theoretischen und konzeptionellen Überlegungen spielen bei der Gestaltung kompetenzbasierter Ausbildungsordnungen eine Rolle und

b) wie kann ein Modell aussehen, mit dessen Hilfe die Kompetenzen in den Ausbildungsordnungen operationalisiert und systematisiert werden können?

4.2 Ordnungspolitische Vorgabe: Berufliche Handlungskompetenz Ziel der Berufsausbildung ist der Erwerb umfassender beruflicher Handlungsfähigkeit, d.h. die Befähigung des Einzelnen zum eigenverantwortlichen und umfassenden beruflichen Handeln in unterschiedlichen Kontexten. Für die Duale Berufsausbildung wird der Bezug zum Thema Kompetenz durch die Verwendung des Begriffs „berufliche Handlungsfähigkeit“ im BBiG hergestellt. Nach Breuer können „Kompetenzen als Fähigkeiten bzw. als grundlegende Fähigkeiten dargestellt“ und damit berufliche Handlungsfähigkeit pragmatisch als berufliche Handlungskompetenz gelesen werden.9 Das Kompetenzkonzept ist bereits für die schulische Seite der Berufsausbildung auf einer ordnungspolitischen Ebene verankert. Im Jahr 1996 wurde mit der Einführung des Lernfeldkonzepts durch die Kultusministerkonferenz (KMK) ein Kompetenzverständnis festgelegt, das als Basis für die Beschreibung der Lernfelder und als Orientierung für das Lernen und Lehren in der Berufsschule dient. Die KMK geht von beruflicher Handlungskompetenz aus; diese wird definiert als „die Bereitschaft und Befähigung des Einzelnen, sich in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen sachgerecht durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten. Handlungskompetenz entfaltet sich in den Dimensionen von Fachkompetenz, Humankompetenz und Sozialkompetenz.“10

8 Vgl. Erpenbeck, J.; von Rosenstiel, L. (Hrsg.) (2003): Handbuch Kompetenzmessung. Erkennen, verstehen und bewerten von Kompetenzen in der betrieblichen, pädagogischen und psychologischen Praxis. Stuttgart 9 Breuer, K. (2005): Berufliche Handlungskompetenz - Aspekte zu einer gültigen Diagnostik in der beruflichen Bildung. In: Berufs- und Wirtschaftspädagogik Online (BWP@) Nr. 8, S. 1-31, hier S. 13 10 Kultusministerkonferenz (KMK) (2007): Handreichungen für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen der Kultusministerkonferenz für den berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule und ihre Abstimmung mit den Ausbildungsordnungen des Bundes für anerkannte Ausbildungsberufe. http://www.kmk.org/doc/publ/handreich.pdf (Stand: 12.12.2007)

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Bei der Konstruktion von Ausbildungsordnungen für die betriebliche Ausbildung ist der Handlungsbezug ausschlaggebend. Bei der Neuordnung der industriellen Metall- und Elektroberufe im Jahr 1987 wurde zum ersten Mal ein ganzheitliches Verständnis beruflichen Handelns in Ausbildungsordnungen aufgenommen und die bis dato vorherrschende Ausrichtung an Kenntnissen und Fertigkeiten um das selbständige Planen, Durchführen und Kontrollieren (Handlungsorientierung) ergänzt. Seitdem werden berufstypische Aufgaben und konkrete Anforderungen an die Fachkraft als ausschlaggebendes Ordnungskonzept genutzt und die Ausbildungsordnungen kontinuierlich weiterentwickelt. Mit der Schaffung der IT-Berufe im Jahre 1997 wurde ein ganzheitliches Verständnis beruflichen Handelns in die Ordnungsmittel eingeführt, welches das Handeln im betrieblichen Gesamtzusammenhang sowie Aspekte der unternehmerischen Selbstständigkeit und Kundenorientierung berücksichtigt.11 Die Neuordnung der industriellen Metall- und Elektroberufe von 2003/04 betonte indes die Prozessorientierung beruflichen Handelns, die sich auch anhand der Struktur der Berufsbildpositionen, gegliedert in Arbeits- und Geschäftsprozesse, nachvollziehen lässt. 4.3 Analyse theoretischer und konzeptioneller Grundlagen Ausgangspunkt sowohl des Forschungsprojektes Kompetenzstandards als auch für andere theoretische und konzeptionelle Überlegungen zur Umsetzung eines Kompetenzkonzepts (vgl. Reetz, KMK, Dilger/Sloane) ist die pädagogische Anthropologie Heinrich Roths12, in der die menschliche Handlungsfähigkeit im Zentrum der Betrachtung steht. Während im Forschungsprojekt die Handlungsfähigkeit hauptsächlich auf den beruflichen Kontext bezogen wird, beschreibt Roth die menschliche Handlungsfähigkeit auf verschiedenen Fortschrittsstufen, die in der mündigen moralischen Entscheidungshandlung als höchster Stufe menschlichen Handelns gipfeln. Nach Roth setzt mündige, selbstverantwortliche Handlungsfähigkeit Sacheinsicht und Sachkompetenz (intellektuelle Mündigkeit), Sozialeinsicht und Sozialkompetenz (soziale Mündigkeit) und Werteinsicht und Ich-Kompetenz (Selbstbestimmung und moralische Mündigkeit) voraus. Roths pädagogische Anthropologie unterstützt den Ansatz einer „ganzheitlichen“ Handlungsfähigkeit (im Sinne von Sach-, Sozial- und personaler Kompetenz), der im Forschungsprojekt verfolgt wird. Das Fortschreiten der Entwicklungs- und Lernprozesse zu sacheinsichtiger, sozialeinsichtiger und moraleinsichtiger Handlungsfähigkeit ist nach Roth von der Lernumwelt, den Sozialisations-, Lern- und Erziehungsprozessen abhängig, die ein Individuum erfährt. Für die Ausbildung heißt das, Lerngelegenheiten anzubieten, die neben den fachlichen auch die soziale und moralische Entscheidungsfähigkeit der Auszubildenden fördern. Sach-, Sozial- und Selbstkompetenz stellen nach Roth keine Kompetenzdimensionen dar, die gleichwertig nebeneinander stehen wie viele Konzepte, die sich auf Roth stützen, behaupten. Vielmehr ist Sach- und Sozialkompetenz Voraussetzung für Selbstkompetenz. Roth nimmt damit eine Stufung vor, beschreibt einen Entwicklungs- und Lernprozess. Lothar Reetz transferiert Heinrich Roths pädagogische Anthropologie auf den beruflichen Bereich und führt das Konzept der Schlüsselqualifikationen, der Kompetenzen und der Handlungsorientierung zusammen. Dabei nutzt er die Persönlichkeitstheorie Heinrich Roths zur kompetenztheoretischen Fundierung und Systematisierung. Insbesondere ist es sein

11 Straka, G. A. (2002): Leistungen im Bereich der beruflichen Bildung. In: Weinert, F. E. (Hrsg.): Leistungsmessungen in Schulen. Weinheim, S. 220-235 12 Roth, H. (1971): Pädagogische Anthropologie. Band II: Entwicklung und Erziehung. Hannover

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Verdienst, die Dimensionen Fach-/Methodenkompetenz, personale Kompetenz und Sozialkompetenz in die berufspädagogische Diskussion eingebracht zu haben.13 4.4 Kompetenzmodelle Aus dem Feld der Berufsbildungsforschung kamen unterschiedliche Vorschläge zur Gestaltung und Entwicklung von Kompetenzmodellen. Grundsätzlich wird in den meisten Kompetenzmodellen (berufliche) Handlungskompetenz in Teildimensionen „zerlegt“. In einem solchen „analytischen“ Kompetenzmodell werden Kompetenzklassen bzw. -dimensionen durch die Beschreibung einzelner Fähigkeiten und diese wiederum durch die Bestimmung von Kenntnissen und Fertigkeiten hierarchisiert (siehe Abbildung I). Eine solche Herangehensweise bei der Operationalisierung und Systematisierung von Handlungskompetenz ist in vielen Konzepten üblich.

Abb. 2: Analytisches Kompetenzmodell nach Frey Diese Form der Kompetenzmodelle wird auch als „Kompetenzstrukturmodell“ bezeichnet. „Bei Kompetenzstrukturmodellen steht [...] im Mittelpunkt, wie die Bewältigung unterschiedlicher Anforderungen miteinander zusammenhängen und auf welchen und wie vielen Dimensionen interindividuelle Unterschiede in Kompetenzen angemessen beschrieben werden können.“14 a) Kode-Modell von Erpenbeck Ein prominentes Kompetenzstrukturmodell ist das von Erpenbeck vorgeschlagene KODE-Modell15. Im Zentrum dieser Konzeption steht die „Selbstorganisation“. Erpenbeck spricht in diesem Zusammenhang von Kompetenzen als „Selbstorganisationsdispositionen“. Kompetenzen sind demnach die Fähigkeiten und das Wissen eines Individuums zur Lösung

13 Reetz, L. (1999): Zum Zusammenhang von Schlüsselqualifikationen - Kompetenzen - Bildung. In: Tramm, T. (Hrsg.): Professionalisierung kaufmännischer Berufsbildung: Beiträge zur Öffnung der Wirtschaftspädagogik für die Anforderungen des 21. Jahrhunderts. Festschrift zum 60. Geburtstag von Frank Achtenhagen. Frankfurt a. M. Reetz, L. (1990): Zur Bedeutung der Schlüsselqualifikationen in der Berufsbildung. In: Reetz, L.; Reitmann, T.: Schlüsselqualifikationen - Fachwissen in der Krise? Dokumentation eines Symposiums in Hamburg. Hamburg 14 Hartig, J.; Klieme, E. (Hrsg.) (2007): Möglichkeiten und Voraussetzungen technologiebasierter Kompetenzdiagnostik. Eine Expertise im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. BMBF, Bildungsforschung Band 20, Bonn, S. 11 15 Erpenbeck, J. (2003): KODE - Kompetenz-Diagnostik und -Entwicklung. In: Erpenbeck, J.; Rosenstiel, L. von (Hrsg.): Handbuch Kompetenzmessung - Erkennen, verstehen und bewerten von Kompetenzen in der betrieblichen, pädagogischen und psychologischen Praxis. Stuttgart, S. 365-375

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von komplexen Aufgaben. „Bei der Kompetenz von Individuen geht es nicht nur um das anforderungsgerechte Handeln im Sinne von Qualifikationen, sondern gerade auch um die Regulationsfähigkeit des Individuums, bei neuen Herausforderungen entsprechende Handlungsalternativen zu entwickeln“.16 Dabei geht es um die Teilkompetenzen:

• Fach- und Methodenkompetenz, • sozial-kommunikative Kompetenz und • personale Kompetenz.

Die diese Teilkompetenzen integrierende und zur Geltung bringende Kompetenz ist die Aktivitäts- bzw. Handlungskompetenz. In dem KODE-Kompetenzmodell werden die Kompetenzdimensionen in einzelne Facetten der jeweiligen Dimension unterteilt; diese geben konkrete Hinweise für die Operationalisierung von Kompetenzen.

Abb. 3: Kode nach Erpenbeck

b) Kompetenzmatrix nach Achtenhagen/Baethge Eine weitere Herangehensweise wäre der Vorschlag von Achtenhagen und Baethge in ihrer Machbarkeitsstudie zu einem Berufsbildungs-PISA17. In der Studie schlagen sie ebenfalls eine Matrix vor, in der die individuellen Fähigkeiten (Einstellungen, Werte und Wahrnehmungen, Antrieb und Motivation, Metakognition und differenzierte Wissensformen) und die Selbstkompetenz (Sach-, Methoden- und Sozialkompetenz) einander gegenübergestellt werden.

16 Wilkens, U. (2005): Erfassung von Wirkungsbeziehungen zwischen Kompetenzebenen. In: QUEM-Bulletin 6/2005, S. 6-11 (hier: S. 7) 17 Achtenhagen, F.; Baethge, M. (2006): Machbarkeitsstudie Berufsbildungs-PISA.

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Zugrunde gelegt wird ein weiterer Begriff von Berufsbildung, für den neben funktionalen Aspekten der Beherrschung von Arbeitsplatzanforderungen auch allgemeine Kompetenzen der individuellen Handlungsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt, der Selbstorganisationsfähigkeit in Bezug auf die Berufsbiografie und lebenslanges Lernen sowie der Teilhabe am Gemeinschaftsleben konstitutiv sind18.

Abb. 4: Matrix Berufsbildungs-Pisa nach Achtenhagen/Baethge

In ihrem Ansatz gehen sie von einem kognitiven Kompetenzverständnis aus. Auf der Ebene der zu erfassenden Kompetenzdimensionen haben differenzierte Wissenskonzepte mehr Raum, als handlungsrelevante Aspekte. Sie sehen es als sinnvoll an, „die berufliche Handlungskompetenz vor allem unter der Perspektive der Wissensvermittlung zu betrachten“.19 c) Kompetenzmodell nach Bader/Müller Ein bereits ordnungspolitisch relevantes Kompetenzmodell ist im Lernfeldkonzept der Kultusministerkonferenz (KMK) verankert. Das Lernfeldkonzept löste 1996 das „Fächerprinzip“ der Berufsschule ab, nach dem der curriculare Lehrplan in unterschiedliche, allgemeinbildende und berufsbildende Fächer unterteilt ist, die isoliert und meist unverbunden nebeneinander angeboten und vermittelt werden. Bezugspunkte des Lernfeldkonzepts sind nicht mehr einzelne Fachdisziplinen, sondern konkrete berufliche Aufgaben- und Problemstellungen. Zentrale Bildungsperspektive des Lernfeldkonzepts ist die Förderung von Handlungskompetenz. Bader unterscheidet zwischen Dimensionen und Akzentuierungen von Handlungskompetenz. Handlungskompetenz umfasst die Dimensionen

• Fachkompetenz, • Human(Selbst-) Kompetenz und • Sozialkompetenz.20

18 Achtenhagen, F.; Baethge, M. (2006): Machbarkeitsstudie Berufsbildungs-PISA. S. 13f. 19 Vgl. ebd. S.40 20 Bader, R.; Müller, M. (2002): Leitziel der Berufsbildung: Handlungskompetenz. In: Die berufsbildende Schule, Jg. 54, S. 176- 182

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Diese Dimensionen sieht er nicht als isolierte Größen, sondern wechselseitig vernetzt. Bader stellt die o. g. Dimensionen von Handlungskompetenz in Beziehung zu deren spezifischen Ausprägungen und Akzentuierungen, die er in den Kompetenzdimensionen

• Methodenkompetenz, • Lernkompetenz und • kommunikative Kompetenz

beschreibt. Das heißt jede Dimension von Handlungskompetenz schließt spezifische Dimensionen von Methoden-, Lern- und kommunikativer Kompetenz mit ein. So ist z. B. Methodenkompetenz für Bader keine unabhängige Dimension von Handlungskompetenz, sondern nur eine besonders prägnante Akzentuierung von Handlungskompetenz. Das dem Lernfeldkonzept zugrunde gelegte Kompetenzmodell bildet durch die waagerecht liegenden Querschnittskompetenzen eine Matrixform.

Kompetenzmodell Bader/ Müller

Fachkompetenz Humankompetenz Sozialkompetenz Methoden-kompetenz

• methodische Analysen

• strategisches Wissen

• Methoden der Selbstreflexion

• eigene Kompetenz-entwicklung planen

• Teamstrukturen analysieren

• soz. Beziehungen gestalten

Lernkompetenz • Informationen beschaffen

• Zusammenhänge herauszuarbeiten

• eigene Lerninteressen entwickeln

• eigene Lernprozesse gestalten

• Lernprozesse in Gruppen verstehen; gestalten

• Lerndefizite erkennen und Hilfestellung anbieten

kommunikative Kompetenz

• Verstehen fachl. Begriffe

• Verstehen + Interpretieren von Gestik; Mimik

• eigene und anderer Interessen in Einklang bringen

• Fremdsprache anwenden unter Einbeziehung des Verstehens fremder Kulturen

• Kommunikation verstehen

• Entscheidungen i. d. Gruppe treffen (Gesprächsregeln vereinbaren; Konsens- und Konfliktfähigkeit entwickeln)

Abb. 5: Kompetenzmodell nach Bader/Müller d) Kompetenzgefüge nach Dilger/Sloane Im Anschluss an das Bader/Müller-Modell gehen Dilger/Sloane 21 von einem Gesamtmodell beruflicher Handlungskompetenz aus, dessen Teilkompetenzen integrale Bestandteile dieses Gesamtmodells sind und sich in einem kategorialen Kompetenzmodell (Neun-Felder-Matrix) abbilden lassen. In ihrem Kompetenzmodell stellen sie den Dimensionen Domäne, Person und Gruppe (ursprünglich: Fach-, Personal- und Sozialkompetenz) die Querschnittskompetenzen Methoden/Lernkompetenz, Sprachkompetenz und ethische Kompetenz gegenüber.

21 Dilger, B.; Sloane, P.F.E. (2005): The Competence Clash – Dilemmata bei der Übertragung des ‘Konzepts der nationalen Bildungsstandards’ auf die berufliche Bildung. In: Berufs- und Wirtschaftspädagogik Online (BWP@) Nr. 8, S. 1-32

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Mit dieser Matrix können reale Handlungen systematisiert und klassifiziert werden. Auf der Basis einer solchen Konkretisierung von beruflicher Handlungskompetenz können Aufgaben entwickelt werden, die die Anforderungen an die Lernenden abbilden.22

Abb. 6: Kompetenzgefüge nach Dilger/Sloane e) Experitse-Modell nach Dreyfus/ Dreyfus Eine gänzlich andere Herangehensweise bieten „Kompetenzentwicklungsmodelle“.23 Im Gegensatz zu den oben beschriebenen Kompetenzstrukturmodellen, wo es im Kern um die Differenzierung von unterschiedlichen Dimensionen von Kompetenzen geht, bilden Kompetenzentwicklungsmodelle den Verlauf des Kompetenzerwerbs in einem bestimmten Bereich (Kontext/Domäne) ab. Im Zentrum der Betrachtung stehen dabei spezifische Aufgaben, die einem Niveau zugeordnet werden können und den Stand des Kompetenzerwerbs markieren. Die systematische Abbildung von unterschiedlichen Kompetenzniveaus könnte im beruflichen Bereich mit dem „Novize-Experten-Modell“ geleistet werden.24 Dreyfus und Dreyfus beschreiben fünf Entwicklungsstufen, auf denen die Kompetenzen differenziert dargestellt und miteinander verknüpft werden. Dabei wird zum einen die Entwicklung von fachlichem Wissen, dass heißt von einem ersten Orientierungswissen bis zum erfahrungsbasierten Wissen beschrieben und zum anderen auch die praktische Ebene der Handlungsfähigkeit, das Know how, berücksichtigt.25 Das „Novize-Experten-Modell“ wurde für den Beruf KFZ-Mechatroniker/-in bereits erfolgreich angewendet und erprobt.26

22 Dilger, B.; Sloane, P.F.E. (2005): The Competence Clash – Dilemmata bei der Übertragung des ‘Konzepts der nationalen Bildungsstandards’ auf die berufliche Bildung. In: Berufs- und Wirtschaftspädagogik Online (BWP@) Nr. 8, S. 14f. 23 Hartig, J.; Klieme, E. (Hrsg.) (2007): Möglichkeiten und Voraussetzungen technologiebasierter Kompetenzdiagnostik. Eine Expertise im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. BMBF, Bildungsforschung Band 20, Bonn, S. 11 24 Dreyfus, H.L.; Dreyfus, S.E. (1987): Künstliche Intelligenz. Von den Grenzen der Denkmaschine und dem Wert der Intuition. Reinbek bei Hamburg 25 Rauner, F. (2002): Berufliche Kompetenzentwicklung – vom Novizen zum Experten. In: Dehnbostel, P.; Elsholz, U.; Meister, J.; Meyer-Menk, J. (Hrsg.): Vernetzte Kompetenzentwicklung. Alternative Positionen zur Weiterbildung. Berlin, S. 111-132 26 Rauner, F.; Spöttl, G.(2002): Der Kfz-Mechatroniker – Vom Neuling zum Experten. Bielefeld

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Abb. 7: Expertise-Modell nach Dreyfus/Dreyfus

4.5 Fazit Die Analyse der unterschiedlichen Theorien und Konzepte zeigt, dass

• Handlungskompetenz in Dimensionen differenziert wird und als mehrdimensional angesehen werden kann (Roth, Reetz, KMK, Dilger/Sloane, Baethge/Achtenhagen, Erpenbeck),

• in den meisten Modellen auf die Dimensionen Sach-/ Fach-, Sozial- und Selbst-/Personalkompetenz zurückgegriffen wird (Roth, Reetz, KMK, Dilger/Sloane, Baethge/Achtenhagen, Erpenbeck) und

• einige der Modelle in Matrixform dargestellt und dadurch bspw. Kompetenzdimensionen mit Querschnittskompetenzen verbunden werden (KMK, Dilger/Sloane, Baethge/Achtenhagen).

Um die Qualität und Vergleichbarkeit von Berufen zu sichern, sollte das im Forschungsprojekt zu entwickelnde Kompetenzmodell folgende Merkmale aufweisen:

• Bezug zum Leitziel der Berufsausbildung, dem Erwerb beruflicher Handlungsfähigkeit;

• an die Entwicklungen in der Ordnungsarbeit anschlussfähig sein (wie zum Beispiel die Orientierung an Arbeits- und Geschäftsprozessen);

• und differenzierte Kompetenzdimensionen berücksichtigen.

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5. Erste Ergebnisse a) Entwurf eines allgemeine Modells von Kompetenzen Aus den rezipierten Theorien und Konzepten geht hervor, dass ein allgemeines Modell von Kompetenzen für den beruflichen Bereich eine Differenzierungsstruktur anhand von Dimensionen aufweisen muss. Im Anschluss an den in der Berufspädagogik und angrenzenden Disziplinen geführten Diskurs über Kompetenz und deren Operationalisierung durch Kompetenzmodelle liegen einer Systematisierung von Handlungskompetenz mindestens die Kategorien Fachkompetenz, Selbstkompetenz (oder deren Variationen Human- oder personale Kompetenz) und Sozialkompetenz zugrunde.

Abb. 8: Modell beruflicher Handlungskompetenz Das im Forschungsprojekt entwickelte Kompetenzmodell orientiert sich an zwei Leitideen: der Strukturierung des Berufs an den berufstypischen Arbeits- und Geschäftsprozessen sowie der beruflichen Handlungsfähigkeit. Zum einen geht es um die Beschreibung des Kontextes, der Handlungssituation, des konkreten Arbeits- und Geschäftsprozesses, zum anderen um das individuelle Vermögen, die subjektive Handlungsmöglichkeit des Auszubildenden unter Berücksichtigung der fachlichen, sozialen, methodischen und personalen Dimension. Das Kompetenzmodell stellt einen zweiseitigen Zugang zur Operationalisierung von beruflicher Handlungskompetenz dar. Zunächst werden die „berufstypischen und einsatzgebietsüblichen Arbeits- und Geschäftsprozesse“ identifiziert und als Grundlage für den Zuschnitt der Berufsbildpositionen

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der Ausbildungsordnung genutzt. Dadurch entstehen „Handlungsfelder“, die die Fachlichkeit des Berufes in den Ausbildungsrahmenplan der Ausbildungsordnung transportieren. Dies geschieht durch Beschreibungen des Kontextes, d.h. der objektiven Seite der beruflichen Tätigkeiten. Eine konzeptionelle Annäherung an die Konstruktion von Handlungsfeldern ist die Beschreibung von komplexen Handlungen unter Berücksichtigung der vor- und nachgelagerten Prozesse. Als geeignete Form der Darstellung komplexer Handlungen gilt das Konzept der Vollständigen Handlung nach Hacker.27 Bei der Beschreibung der Ausbildungsinhalte fließen die Kompetenzdimensionen ein und stellen den Subjektbezug des Kompetenzmodells her.28 Für die einzelnen Dimensionen müssen Fragestellungen entwickelt werden, die diese konkretisieren und für den Ausbildungsrahmenplan operationalisieren; ggf. könnten hier geeignete Listen von Verben, die den Dimensionen zugeordnet werden, Berücksichtigung finden (Taxonomien, bspw. Bloom, Krathwohl/Anderson, KMK-Lernfeldkonzept). b) Vorschlag zur Gestaltung kompetenzbasierter Ausbildungsordnungen Neben den theoretischen und konzeptionellen Fragen hat das Forschungsprojekt das Ziel, eine Handreichung zur Gestaltung kompetenzbasierter Ausbildungsordnungen für die Ordnungsarbeit auszuarbeiten;die theoretischen und konzeptionellen Grundlagen sollen hier ebenso erklärt werden, wie die konkreten Arbeitsschritte. Zur Gestaltung kompetenzbasierter Ausbildungsordnungen wurde das s. g. Drei-Komponenten-Modell entwickelt. Es dient als Gestaltungshilfe zur Entwicklung neuer bzw. Modernisierung bestehender Ausbildungsordnungen. Bei der Entwicklung von Ausbildungsbausteinen dienen derzeit die Arbeits- und Geschäftsprozesse des Berufes als Hilfestellung zur Schneidung von Ausbildungsbausteinen. Es zeichnet sich aber ab, dass im gewerblich-technischen Bereich die Orientierung an Arbeits- und Geschäftsprozessen leichter gelingt als im kaufmännischen.

Drei-Komponenten-Modell

Arbeits- und Geschäftsprozesse des

Berufes

Arbeits- und Geschäftsprozesse des

Berufes

Schneidung von berufstypischen

Handlungsfeldern

Schneidung von berufstypischen

Handlungsfeldern

Kompetenzmodell(operationalisierte

Dimensionen)

Kompetenzmodell(operationalisierte

Dimensionen)

Kompetenzbasierte Handlungsfelder des

Berufes

Kompetenzbasierte Handlungsfelder des

Berufes

Prozessorientierung

Kompetenzorientierung

1.

2.

3. Kompetenzentwicklung

KompetenzniveausKompetenzniveausAusprägungsgrade von Kompetenz/ Verlauf des

Kompetenzerwerbs

Ausprägungsgrade von Kompetenz/ Verlauf des

Kompetenzerwerbs

Abb. 9: Drei-Komponenten-Modell zur Gestaltung kompetenzbasierter Ausbildungsordnungen 27 Hacker, W. (1986): Arbeitspsychologie. Berlin 28 In dem Kompetenzmodell wird, im Gegensatz zu anderen Modellen, Methodenkompetenz als eigenständige Kompetenzdimension ausgewiesen. Ähnlich wie Achtenhagen/Baethge ist Methodenkompetenz eine eigenständige Dimension, da diese a) fachlichen Wissens und Kenntnisse (Fachdimension) mit einem Anwendungsaspekt (bspw. Umgang mit Konzepten, planvolles Handeln) verknüpft und (b) über den engeren fachlichen Rahmen auch Kompetenzen aufnimmt, die sich auf das Arbeiten selber beziehen (bspw. Arbeitsorganisation wie Zeitmanagement, Einsatz von IuK-Technologien, Präsentationstechniken usw.)

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1. Prozessorientierung Der Erwerb beruflicher Kompetenzen sind immer vor dem Hintergrund von Prozessen in Unternehmen und Betrieben zu betrachten.29 Ausbildungsordnungen stellen den Bezug zur betrieblichen Wirklichkeit her. Aus dieser werden die Anforderungen an die Kompetenzen der späteren Facharbeiter/innen abgeleitet, die sich an den typischen Aufgaben und beruflichen Handlungen (berufliche Handlungsfelder) orientieren. Hier spielt insbesondere das selbständige Planen, Durchführen und Bewerten der eigenen Arbeiten und das Handeln im betrieblichen Gesamtzusammenhang als konzeptionelle Basis eine tragende Rolle. Um die betriebliche Wirklichkeit in den Ausbildungsordnungen abzubilden, sollten kompetenzbasierte Ausbildungsordnungen anhand der berufstypischen Arbeits- und Geschäftsprozesse strukturiert werden. „Arbeits- und Geschäftsprozesse werden zu den neuen Bezugsgrößen für die Curriculumsentwicklung und lösen die didaktischen Kriterien Wissenschaftsorientierung und Fachsystematik als primäre didaktische Kriterien ab.“30 Ein Beispiel für nach Arbeits- und Geschäftsprozessen strukturierten Ausbildungsordnungen stellen die 2003 und 2004 neugeordneten industriellen Metall- und Elektroberufe dar. 2. Kompetenzorientierung Der Bezug zur beruflichen Handlungskompetenz kann in den Ausbildungsordnungen durch die Implementierung eines für die duale Ausbildung verbindlichen Kompetenzverständnisses expliziert werden. Dieses müsste dann – analog zu den Rahmenlehrplänen der KMK – in die Ausbildungsordnung aufgenommen werden, um für größtmögliche Transparenz und Verständigung unter den an der Ausbildung beteiligten Akteuren zu sorgen. Für die Systematisierung und Operationalisierung zur Beschreibung von Kompetenzen ist ein für die berufliche Bildung allgemein gültiges Modell von Kompetenzen erforderlich. Dieses berücksichtigt durch den Bezug zu den jeweiligen Arbeits- und Geschäftsprozessen neben dem konkreten Kontext auch Kompetenzdimensionen wie fachliche, methodische, personale und soziale Kompetenzen. Für diese Kompetenzdimensionen werden Indikatoren zur Beschreibung und Kriterien zur Messung und Bewertung entwickelt, um einen konsequenten und einheitlichen Kompetenzbezug in den Ordnungsmitteln zu sichern. Das im Forschungsprojekt vorgeschlagene Modell für berufliche Handlungskompetenz stellt die Schnittstelle zwischen den Elementen „Prozessorientierung“ und „Kompetenzorientierung“ dar. 3. Kompetenzentwicklung Analog zu der Problematik des impliziten Kompetenzbezuges31 geben Ausbildungsordnungen nur wenige Hinweise über den Verlauf des Kompetenzerwerbs über die Ausbildungsjahre. In den Ausbildungsordnungen finden sich implizite Hinweise zur Kompetenzentwicklung im Prozess der Ausbildung. In der zeitlichen Gliederung in den Anhängen der jeweiligen Ausbildungsordnung werden die zu vermittelnden Inhalte nach den Ausbildungsjahren gegliedert. Um die Förderung von Kompetenzentwicklung im Prozess der Ausbildung den Betrieben zu ermöglichen, bedarf es Beschreibungen von Niveaus der Beherrschung der angeeigneten Kompetenzen, um auf einer einheitlichen Basis Förderbedarf feststellen zu können und ggf. Maßnahmen einzuleiten. 29 Vgl. Bahl, A.; Koch, J.; Meerten, E.; Zinke, G. (2004): Was bedeutet prozessbezogen ausbilden? In: BWP 5/2004,S. 10-14 30 Rauner, F. (2002): Arbeits- und Geschäftsorientierung als Orientierungspunkte für die Entwicklung von Ordnungsmitteln. In: Wirtschaft und Berufserziehung, Heft 54, S. 3-17 31 Vgl. Lorig, B.; Schreiber, D. (2007): Ausgestaltung kompetenzbasierter Ausbildungsordnungen - Grundlage für Kompetenzmessung und -bewertung. In: BWP 6/2007, S. 5-9

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Wie die Kompetenzentwicklung und das von uns vorgestellte Modell beruflicher Handlungskompetenz zu verbinden sind, ist noch eine offene Frage im Projektzusammenhang und muss diskutiert werden. 6. Bisherige Veröffentlichungen und Vorträge

- Lorig, Barbara; Schreiber, Daniel: Ausgestaltung kompetenzbasierter Ausbildungsordnungen - Grundlage für Kompetenzmessung und -bewertung. BWP 6/2007, S. 5-9

- Vortrag beim BIBB-Fachkongress 2007: Kompetenzstandards und -diagnostik. AK 2.6. 13.09.2007

- Lorig, Barbara; Schreiber, Daniel: Kompetenzstandards und -diagnostik in der Berufsausbildung. In: Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.): Zukunft berufliche Bildung: Potenziale mobilisieren – Veränderungen gestalten. 5. BIBB-Fachkongress 2007 - Ergebnisse und Perspektiven. (im Druck)

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