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  • ANTITRANSPIRANTE: KRISTALL-DEO GESNDER? geschrieben von Sascha Ballweg Deokristalle, auch Kristall-Deo, Alaun, Alaunkristall (frz. Pierre dAlun) oder Mineral-Deo genannt, bestehen aus glsern-festem, auskristallisiertem Aluminiumkaliumsulfat (auch Kaliumaluminiumsulfat), ein Doppelsalz von Kalium und Aluminium. Aus den industriell massenhaft gefertigten Kristallblcken werden zumeist runde, handliche Stcke geschnitten, welchen dann als sogenannter "Deo-Kristall" den Weg in die Supermarktregale finden. Das natrlich unebene Aussehen vermittelt den Eindruck, die Kristalle wren "natrlichen Ursprungs" und die entsprechende Vermarktung als "Alternativprodukt", d.h. als "gesunde" Alternative zu herkmmlichen Deodorants oder Antitranspiranten tut ihr briges. Auch Reformhuser und spezialisierte Onlinestores bieten Alaun-Deos z.T. als "Naturprodukte" an, was aus Sicht der Verbraucherschtzer irrefhrend ist. Durch derartige Werbeaussagen befeuert, hat sich in Internetforen leider der Irrglaube verbreitet, solche Mineral-Deos seien "aluminiumfrei" und dadurch "gesnder" als schweihemmende Mittel auf Basis von Aluminiumchlorid. Da Alaun-Kristalle aus 100 % Aluminiumkaliumsulfat bestehen, enthalten Sie ebenfalls Aluminium und dies in einer vielfach hheren Konzentration. Auch wenn nicht alle Anbieter die Deo-Steine derart dreist als "aluminiumfrei" bezeichnen: schon die oft verwendete Phrase "wirkt durch natrliche Mineralsalze" o.. ist fragwrdig. Sowohl Aluminiumchlorid als auch Aluminiumkaliumsulfat sind sogenannte "natrliche Mineralsalze". Funktionsweise Kaliumaluminiumsulfat wirkt auf die gleiche Art wie Aluminiumchlorid: Als hygroskopisch wirkendes Mineralsalz bindet es den Schwei, welcher verklumpt und die ekkrinen Schweidrsen verstopft. Bekannt ist dieser Effekt ebenfalls von den traditionellen Alaun-Stiften, mit denen kleine Blutungen nach der Rasur schnell zum Stillstand gebracht werden knnen (Blutstillstift). Durch Zusammenziehen der Haut Aluminiumkaliumsulfat wirkt sauer und stark adstringierend verengen sich auerdem die Schweiporen, wodurch im Endeffekt kaum noch Schwei austreten kann. Alaun hat im Gegensatz zu Aluminiumchlorid eine antibakterielle (bakteriostatische) Wirkung und kann dadurch keimbedingte Schweigerche verhindern. Herstellung Die Herstellung erfolgte frher durch Eindampfen der salzhaltigen Lsung, die aus gebranntem Alunit (Alaunstein) oder Tonschiefer hergestellt wurde. Heutzutage knnen die Kristalle industriell in sehr groen Mengen gezchtet werden (Kristallzucht). Fr diese Massenherstellung wird Bauxit (Aluminiumerz) in Schwefelsure gelst. Dem unter Abscheidung von Kieselsure gewonnenen Aluminiumsulfat (schwefelsaure Tonerde) wird Kaliumsulfat hinzugefgt und die Lsung beider Sulfate (Salze) nach Reinigung auskristallisiert. Dabei bilden sich sehr groe, farblose und klare Kristalle, deren Oberflche durch Oxidation und Verunreinigung ein rauhes, splitteriges Aussehen annimmt. Neben diesen Reinkristallen aus 100 % Aluminiumkaliumsulfat werden vorallem gegossene "Kristalle" angeboten, erkennbar an der opaquen weien Farbe, der runden Form und glatten Oberflche. Ein klassisches Rezept verwendet 70 % Aluminiumkaliumsulfat, 9 % Aluminiumchlorid und je 7 % Eisensulfat, Kupfersulfat und Zinksulfat. Die Salze werden gemischt, aufgeschmolzen und in Stiftform gegossen. Im Handel sind auch Stifte aus 11 % Kalialaun und 89 % Aluminiumsulfat erhltlich. Historie Schon im antiken Rom wurde Alaunschiefer fr kosmetische Zwecke (u.a. als Antitranspirant) genutzt, in seiner reinen Kristallform wurde Alaun im 15. Jahrhundert ein wertvolles Handelsgut, da die natrlichen Alunit-Vorkommen kaum erschlossen waren und die Herstellung in der einzigen europischen Alaunhtte (Tolfa, Italien) streng durch den Vatikan reglementiert war. Die Florentiner Familie der Medici besa das alleinige Vergtungsrecht fr Alaun, welches fr die Tuch- und Lederherstellung damals unerlsslich war. Als sich um 1500 im nrdlichen, protestantisch geprgten Europa mehr und mehr die freie Alaunherstellung aus Schiefer durchsetzte, brach das ppstliche Handelsmonopol zusammen. In der spten Renaissance und den darauffolgenden Jahrzehnten verlor Alaun immer mehr an Bedeutung, weil durch die unregulierte Herstellung immer mehr "unreines" Mineral auf den Markt kam. In der Kosmetik spielte Alaun aufgrund der damaligen Medizin- und Hygienebruche keine Rolle mehr. Kritik an Deo-Kristallen und Nachteile von Alaun Deo-Kristalle enthalten Aluminium: Verbraucherschtzer monieren regelmig, dass Alaunsteine als

    "Deodorant ohne Aluminium" bzw. "Antitranspirant ohne Aluminium" vermarktet werden. Da die Kristalldeos aus 100 % Aluminiumkaliumsulfat bestehen, enthalten sie selbstverstndlich Aluminium!

  • irrefhrende Werbung: Deo-Kristalle sind weder "gesnder" noch "natrlicher" als andere Deodorants oder Antitranspirante. Wie jedes saure Aluminiumsalz kann ein Alaunstein die Haut reizen (ein metallisch-stechender Schmerz, hnlich Blutstillstift, "Rasierstein").

    Deo-Kristall = Antitranspirant: Alaun (Aluminiumkaliumsulfat) wirkt exakt wie Aluminiumchlorid. Daran ndert auch der von Werbeleuten gern verwendete Hinweis auf die Historie (siehe oben) oder die angebliche "Natrlichkeit" nichts.

    kein Naturprodukt: Deo-Kristalle sind i.d.R. keine Naturprodukte [1], sondern industriell aus einer chemischen Mixtur gegossene oder gezchtete Kristalle.

    wenig umweltfreundlich: Die Herstellung von Alaun ist relativ aufwendig. Es kommen verschiedene Chemikalien (u.a. Schwefelsure) zur Anwendung. Dabei entstehen chemische Abfallprodukte (u.a. Kieselsure). Dies gilt jedoch in gewisser Weise auch fr die Herstellung von Aluminiumchlorid.

    kologisch bedenklich: der gravierende Unterschied zur Aluminiumchlorid-Herstellung liegt im Ausgangsmaterial. Das fr das Alaun bentigte Bauxit wird im Tagebau in Australien, China, Brasilien, Guinea, Jamaika, Indien und Kamerun gefrdert. Aufgrund des vergleichbar geringen Bedarfs der Kosmetikhersteller, ist die Verwendung von teurem europischem Bauxit wirtschaftlich uninteressant. Stattdessen muss das tropische, asiatische oder ozeanische Aluminiumerz mit Schiffen nach Europa transportiert werden. Kritiker weisen auerdem auf die oft unkontrollierte Umweltzerstrung bei der Freilegung der groflchigen Bauxit-Vorkommen hin.

    extreme Dosierung: Deokristalle bestehen aus 70 % 100 % kristallinem Aluminiumkaliumsulfat. Dies bedeutet auch, dass der Aluminiumgehalt im Vergleich zu Antitranspiranten mit Aluminiumchlorid vielfach hher ist. Diese Antitranspirantien enthalten nur einen Anteil von ca. 5 % 30 % Aluminiumchlorid, welches in Alkohol oder Wasser gelst ist.

    Hautreizungen: Alaun kann die Haut unter Umstnden stark reizen. Aluminiumkaliumsulfat lst sich in kaltem Wasser nur schlecht, mit steigender Temperatur nimmt die Lslichkeit jedoch schlagartig und stark zu. Wird der Deo-Kristall nach einer heien Dusche auf noch feuchter Haut angewendet, so kann es zu berdosierung und leichten Vertzungen kommen, d.h. es wird zuviel Wirkstoff auf die Haut aufgetragen. Dadurch entstehen gertete Hautstellen, die stark brennen oder jucken knnen (Kontaktdermatitis). Generell ist eine richtige Dosierung mit einem Kristall-Deo kaum mglich, da der Deostein direkt ber die Haut gerieben wird. Dabei kann der Benutzer weder sehen noch fhlen, wieviel von der Substanz "abgerieben" wird. Antitranspirante in Tropfenflaschen sind deshalb bei empfindlicher Haut die eindeutig bessere Wahl.

    [1] Es gibt durchaus auch echte Naturkristalle zu kaufen. Diese Kristalle erinnern optisch an einen Bergkristall, mit nur leicht trber Klarheit und glatten Flchen. Verstndlicherweise haben diese Produkte ihren Preis, wodurch sie sich kaum fr die alltgliche Hygiene eignen. http://wissen.schwitzen.com/antitranspirant/irrtuemer-und-fehleinschaetzungen/item/648-antitranspirante-kristall-deo-gesnder?.html


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