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Beitrage zur Chemie des Schwefels. 44l)

Verdampfungsenthalpien, Dampfdrucke, Siedepunkte, kritische Temperaturen und Drucke

sowie TRouToNsche Konstanten van Sulfanen

Von F. FEHER und G. HITZEMANN,)

Mit 5 Abbildungrn

Inhaltsubersicht Die Verdampfungsenthalpien der Sulfane H,S,, HsS3, H,S, und H,S, wurdrii calori-

rnetrisch bei Zimmertemperatur gemessen. Die Verdampfung der Substanzen erfolgte im Vakuum unter dem jeweiligen Sattigungsdruck. Die dabei gebundene Warme wurde durch elektrische Kompensation in einem Differentialcalorimeter bestimmt. Es ergaben sich folgende Werte:

L;.' (caljMo1) H,S, 8074 -j= 33 H,S, 135i3 f 70 H,S, 10884 f 49 H,S, 16344 i 143.

Diese molareii 1-erdampfungsenthalpien stellen pine lineare Funktion der Sulfanketten- Iange dar.

Weiterhin konnten in der gleichen Apparatur nach einem zu diesem Zweck ent- wickelten empirischen Verfahren dic Dampfdrucke der Sulfane bei 20" C ermittelt werden.

Unter Verwendung der experimentell gewonnenen GroBen wurden die Siedepunkte und der annahernde Verlauf der Dampfdruckkurven abgeschatzt. Ferner lieBen sich mit Hilfe der GnLDBERaschen bzw. NERNsTschen Regel die kritischen Temperaturen und kritischcn Drucke naherungsweise ermitteln.

Die aus den vorhandenen Daten ebenfalls ableitbaren TRouToxschen Konstanten zeigen nornlale Werte und deuten darauf hin, daB es sich bei den Sulfanen um nicht rrierklich assoziierte Fliissigkeiten handelt.

Zur cbertragung der fur den gasformigen Zustand aus spektro- skopischen Daten berechenbaren thermodynamischen Funktionen der Sulfane auf den flussigen Normalzustand3) ist; die Kenntnis der Ver- dampfungsenthalpien erforderlich.

Es war daher der Zweck der vorliegenden Arbeit, diese GroBen fur die Sulfane H,S,, H,S,, H,S, und H,S, bei Zimmertemperatur zu be-

l) 43. Mittlg. F. F E H E R u. s. J ~ I S T I ~ , z. anorg. allg. Chem. 293, 311 (1958). 2) G. HITZEMANN, Diplomarbeit, Koln 1955. 3, Hieriiber wird in einer folgenden Mitteilung berichtet.

F. FEHER und G . HITZEMANN, Verdampfungsenthalpien usw. von Sulfanen 51

stimmen. Ferner sollten MeBdaten zur Abschatzung einiger Stoff- lionstanten (Dampfdrucke, Siedepunkte, kritische GroBen und TROUTON- sche Konstanten) gewonnen werden.

Eine indirekte Ermittlung der Verdampfungsviarme von H,S, wurde bereits von BUTLER und MA ASS^) aus Dampfdruckinessungen durchgefuhrt. Sie erhielten: L& =

8544 cal/Mol. Dieses Ergebnis konnte in einer in unserem Laboratorium friiher durch- gefiihrten Unters~chung~) iin Rahmen der Fehlergrenzen bestatigt werden. Der damalipe Versuch, die Messungen auch auf die hoheren Sulfane auszudehnen, fuhrte zunachst nicht zu befriedigenden Ergebnissen.

I. Calorimetrische Messung der Verdampfungsenthalpien a) Methode: Unter den zur Auswahl stehenden Methoden zur

direkten Messung der Verdampfungswarmen erscheint fur Stoffe, die sowohl thermisch instabil als auch empfindlich gegen geringste Verun- reinigungen sind, die Verdampfung unter vermindertem Druck ohne Durchleiten eines Gasstromes besonders geeignet . Wir haben daher diesen Weg gewahlt. Dabei paBten wir das von FLETCHER und TYRER 6,

fur Messungen an aromatischen Kohlenwasserstoffen ausgearbeitete

K

Abb. 1. Calorimeter

4, K. H. B~JTLER u. 0. MAASS, J. Amer. chem. Soe. 62, 2184 (1930). 5 ) K. H. SCHAFER, Dissertation, Koln 1953. 6) J. FLETCHER u. D. TYRER, J. cheni. SOC. [London], 103, 517 (1913).

4 *

52 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 294. 1958

Verfahren unter Verwendung des von v. STEINU-EHR~) und RUMELINS)

entwickelten Differentialcalorimeters in einer von BRANDT s, abgewandel- ten Form den besonderen Erfordernissen bei der Verdampfung der Sulfane an.

b) V e r s u c h s a n o r d n u n g : Das in Abb. 1 dargestellte Different.ialcalorimeter be- steht aus 2 DEwAR-Gefalkn A, und A, von etwa gleichem Gewicbt und gleichem auBeren Durchmesser von 80 mm. Sie sind im Abstand yon 10 mm auf Korkringen in einem Holz-

kasten erhoht aufgestellt, dessen Rauni R mit Glaswolle ausgefullt ist. Oberhalb der GefiiGe ist ein freier Raum F zum Anbringen dcr elektrischen Installat,ion und zum Ein- fuhren der iibrigen Teile ausgespart; diescr ist durch einen entsprechend eingeteilten, etwa 13 mni dicken Holzdeckel abgedeckt.

Die GefaBe A, und A, sind niit je 750 g Xylollo) als Calorimeterflussigkeit gefiillt. Sie enthalten je einen kleinen Riihrer P, deren Propeller sich &wa 4 cin unterhalb der Flussigkeitsoberfliiche befinden. B i d e Ruhrer werden syn- chron angetrieben. In die beiden Flussigkeiten tauchen in verschiedener Hohe je 10 Lotstiellen von 10 hinterein- andergeschalteten Kupfer-Konstantan-Thermoelement- paaren K. Die hlcssung der durch die Temperaturdifferenz

.A zwischeii A, und A, bewirkten Therinospannung erfolgt mittels eines Galvanometersll).

A, enthalt ferner ein glasernes VerdaiiipfungsgefaB 17,. Es wurden zwei verschiedene Formen dieses Gefaljes ver- wendet (Abb. 2). Die Form A hat einen groReren Quer- schnitt, der sich fur die Verdampfung der hoheren Sulfane wegen ihres niederen Dampfdruckes als notwendig erwies. Die Form B, die zur Verdampfung von H,S, uiid H,S, be-

nutzt wurdc, bietet den 1-orteil des besseren Ll'irmeaustausches durch die etwa 60 cni lange Schlange S aus diinnwandigem Glasrohr. Beide GefaRe endrn in Schliffkernen. lhdurch wird vermieden, daB die Sulfane mit rauhen Schliffflachen in Beriihrung kom- nwn, an denen sie sich leicht zprsetzen. - In die Fliissiglirit yon A, taucht ferner ein Konstantan-Heizdraht W von 0,I nim2 Querschnitt, dessen Widerst,and niit einem Prh;zisionsrlieostaten in Briickmschaltung zu 17,500 4 0,006 Ohm cwnittelt wurdelt).

' A Abb. 2.

T-erdalnl~fungsgefaBc

7 ) H. v. STEINWEHR, Z. physik. Cheni. 38, 185 (1901). 8 , G. RUMELIN, Z. physik. Chein. 58, 449 (1907). 9) H. BRAVDT, Z. physik. Chem. [N. F.] 0, 104 (1951). 10) Es wurde eine niittlerc Fralition eines lcauflichen Isomerengei~isches vcrwendet. 11) Verwendet wurde ein Galvanometer hIGF 0 der Firma Dr. B. Lange niit einer

Empfindlichkeit von 1. Volt/Skalenteil bei einem inneren Widerstand von 15 Ohm und einer Einstellzeit von 1 sec. In unserem System ergab sich im Bereich von 15-25' C ein Ausschlag von 330 Teilstrichen pro Grad Temperaturdifferenz; dies entspricht bei einer Ablesegenauigkeit von Teilstrich einer Genauigkeit von etwa 'Ilrn Grad in der Be- strmmung der Temperaturdifferenz zwischen den beiden Flussigkeiten.

12) In dem Temperaturbereich, in dem unbere Messungen durchgefuhrt wurden, korinte keine Veranderung dimes Widerstandes beobachtet 11 erdeii .

F. FEHER und G. HITZEMANN, ~rcrdainpfuiigscnthalpien usw. voii Sulfanen 53

Als Stromquelle dient eine 14-Volt-Batterie. Zur Rlessung der Stromstarke wird ein Galvanometer Is) ver mendet .

A, enthalt zur Angleichung der Bedingungeii in beiden GefaBen ein Vergleichs- gefaB V, von etwa dem gleichen Rauniinhalt wie V,. In die Flussigkeit T'on A, taucht fcrner ein geeichtes Thernioineter T niit einer l/l,-Grad-Einteilung zur genauen Feststel- lung der MeBtemperatur.

Die gesamte calorimetrische Anlage befindet sich in einem groBen Holzkasten K, dessen Oberteil abnehmbar und mit einein Fenster versehen ist.

Zur Erzeugung des Vakuums dient beim H,S2 eine Wasserstrahlpuinpe, bei den hohcren Sulfanen cine dreistufige Quecksilberdiffusionspumpe, deren Saugleistung durch cine Kapillare reguliert werden kann. Zur besseren Einstellung eines Druckes, der nur wenig niedriger als der Eigendampfdruck der Substanz sein soll, wird eine 20-1-Flasche als Puffer zwischen Verdainpfungsgefafi und Pumpe geschaltet.

c) D a r s t e l l u n g d e r S u b s t a n z e n : Als Eichsubstanzen wurden bidestilliertes Was- ser, rnit Magnesiumspanen nach BJERRUM und ZECHXEISTER~~) getrocknetes Methanol so- wie mehrmals iiber Natrium destilliertes Benzol verwendet.

Die Darstellung und Reinheitspriifung der Sulfane erfolgte nach den friiher von uns beschriebenen Verfahren ' 5 ) .

d) E i c h u n g d e r A p pa r a t u r : Zur Eichung der Versuchsanordnung wurden in den beiden VerdampfungsgefaBen ( Abb. 2) Messungen an Wasser, Benzol und Methanol vorgenommen, deren Verdampfungs- enthalpien durch zahlreiche Messungen anderer Autoren bekannt sind. Von unseren MeBreihen sind im folgenden jeweils die Mittelwerte der erhaltenen spezifischen Verdampfungsenthalpien bei 20 "C sowie zum Vergleich eine Reihe von Literaturwerten angegeben.

I. Wasser : (Rfittelwert aus 1 2 Messungen) 1;' = 585,27 & 2,34 cal/g Literaturwerte: (cal/g bei 20" C)

584,6 GRIFFITHS (1896) 16) 584,24 DIETERICI (1905) 17)

585,85 OSBORNE u. Mitarb. (193O)lQ) 582,7 SWIETOSLAWSKY (1 93 I) ,O)

585,72 VDI (1935)").

la) Firma Hartinann & Braun, Klasse 0,2. Seine Genauigkeit konnte nach Prufung mit einern Silbercoulometer nach v. WARTENBERG u. SCHUTZA, Z. Elektrocheni. angew. physik. Chem. 36, 354, 256 (1930), auf & O,l% angesetzt werden.

14) N. BJERRUM u. L. ZECHMEISTER, Ber. dtsch. ehem. Ges. 56, 894 (1923). 15) F. FEHJ~R, W. LACE u. G. WINKHAUS, Z. anorg. allg. Chem. 288, 113 (1956). 16) E. GRIFFITHS, Phil. Trans. Roy. SOC. London, Ser. A, 186, 261 (1895). l7) C. DIETERICI, Ann. Physik 16, 912 (1905). Is) A. W. SMITH, Physic. Rev. 33, 173 (1911). 19) N. S. OSBORNE, N. F. STIMSON u. E. F. FIOCK, NBS. J. Res. 5, 411 (1930). 20) U'. SWIETOSLAWSKY u. Mitarb., Bull. Inst. Acacl. Polon, Sci. Lcttr. A 336 (1931). 21) Z. Ver. dtsch. Tng. 79, 1360 (1935).

585,3 SMITH (1 9 1 1) 18)

____ -

Zeitschrift fur anorganische und allgenieine Chemie. Band 294. 1958

1. Benzol : (Mittelwert aus 16 Messungen) r: = 101,04 Literaturwxte :

0,41 cal/g

104,26 FLETCHER und TYRER (1913)6) 104,O FIOCK und Mitarb. (1931)2E) 103,6 SMITS und CA\NEGIETER (1934)23) 103,s GAWLICK (1934) %)

98,2 SWIETOSLAWSKT (1 93 1) ").

3. Methanol : Mittelwert aus 6 Mrssungen) 1: = 281,39 Litersturwerte :

1,36 cal/g bei 20" C

280,7 ROSSINI (1934)26) 280,97 FIOCK und Mitarh. (1931)22) 283,4 GAWLICK (1 934) e4) 287,O BARTOSZIEWICS ( 193 1) e6).

Wie ersichtlich, diirfen unsere Werte als geniigend genau ange- sehen werden. Vor allem stimmen sie mit den als recht zuverlassig anzusehenden Daten von O S B O R N E ~ ~ ) sowie FI o c K und Mitarbeitern22) innerhalb einer Fehlergrenze von & 0,15 iiberein.

e) D u r c h f u h r u n g e iner Messung a n Sulfanen: Die friwh destillierte Substanz wird durch einen langen Trichter, der eine Benetzung der GefiiBwandungen verhindei t, in das VerdarnpfungsgefaB (Abb. 2) eingefullt. Das GefaO wird mit einer Schliffkappe verschlossen, in destilliertes Aceton getaucht, an der Luft getrocknet und gewogen. Danri wird die Kappe abgenommen, das GefaB in A, eingefhhrt und an das Vakuumsysteiii angeschlossen. Das Galvanometer zur Messung der durch die Temperaturdifferenz zmischen den beiden CalorimetergefaBen bewirkten Thermospannungen wird zur Beobach- tung der Vorperiode sodann alle 5 Minuten abgelesen. Sobald ein konstanter Temperatur- gmg ails dein gleichzeitig gezeichneten Diagramm ersichtlich ist, was 30-40 Minuten in Aiispruch niniint, wird der gewunschte, durch Vorversuche ermittelte Druck eingestellt und gleichzeitig die clektrische Energiezufuhr uber den Draht W eingeschaltet. Die Strom- starke wird inittels eines Drehwiderstandes im Bereich von 0,l-0,7 A stets so reguliert, dad die Calorimetertemperatur nibglichst konstant bleibt. Die Zeiten konstanter Strom- starke werden mit einer Stoppuhr geniessen. Es zeigt sich bei East allen Versuchen, daB die Verdampfung ruhig von der Oberflache her stattfindet, wahrend die dadurch abge- kuhlte Oberflachenschicht in Schlieren zu Boden sinlrt, bis eine kmstante Mitteltemperatur eingestellt ist. Spritzer aus kleineren Siedeverzugen bleiben stets unterhalb der Ober- fIache der Calorimeterfldssigkeit.

Wenn die gewunschteMenge (etwa 5-20g) abgesaugt ist, was 10-120 Minuten dauert, n nd die Verdainpfung durch langsarnes Einstroinenlassen trockener Luft in die Apparatur bct ndet. Die Stromstarke wird so reguliert, daB nach dem Ternperaturausgleich der un- 1 ridampften Fiussigkeit mbglichst genau die aus dein Gang der Vorperiode zu erwartende

22) E. FIOCK, D. C . GINNINCS u. W. B. HOLTON XBS, J. Res. 6, 881 (1931). 23) A. SMITS u. D. CANNEGIETER, Z. physik. Cheni., Abt. A 168, 391 (1934). ?*) H. GAWLICK, Dissertation, Braunschweig 1934. -?5) E. BARTOSZIEWICZ, Roczinki Cheni. [him. soc. rhiin. Polonorum] 11, 90 (1931). 38) F. D. ROSSINI, 3. Res. nat. Bur. Standards 13, 192 (1934).

F. FEHBR und G. HITZEMANN, Verdampfungsenthalpien usw. von Sulfanen 55

Temperatur erreicht wird. Nach Messung der Nachperiode (et,wa 30 Minuten) wird die Apparatur auseinandergenommen, der Schliff des VerdampfungsgefaBes entfettet, day GefaB in Aceton getaucht und erneut samt Schliffkappe gewogen. Die Differenz gegen die erste U'Lgung ergibt die verdampfte Menge. Das GefaB kann jetzt sofort wieder zur Vor- periode des nachsten Versuches in das Calorimeter gebracht werden.

Die zur Kompensation der Verdampfungswarme zugefiihrte elektrische Energie ergibt sich aus:

E = 0,23892. R * 2' i z . t ( ~ a l ) ~ ' )

(rnit R = Widerstand des Heizdrahtes W: 17,600 Ohm, i = Stromstarke in Ampere; t = Zeit konstanter Stromstarke in see). Die Sunime ist iiber alle Zeiten konstanter Stromstiirke zu biiden. Der dabei mogliche Fehler ist gering, da die relativen hderungen der Stronistarke nicht mehr als 10% betragen, wahrend sich die Heizzeiten bei konstanter ,Strornstarke uber 300-500 sec erstrecken.

d u s Vor- und Nachperiode wird graphisch rnit Hilfe des ebenfalls elektrisch be- stimrnten Wassem vrtes des Calorimeters die Korrektur zu der so erniittelten Energie be- stimmt. Diese Korrekturen betrugen im Durchschnitt weniger als 1% der Gesamt- enwgie.

f ) Kor rek tu rbe t r ach tungen : Um sicherzustellen, dai3 aus den MeBergelonissen die wirklichen Verdampfungsenthalpien resultieren, sind verschiedene Fehlermogliehkeiten zu erortern. Dabei ergibt sich foI- gendes :

1. Dic zwischenzeitliche Unterkuh!ung der Flussigkeit bei der Verdampfung hat keinen EinfluB auf die MeBergebnisse. Der aus dem VerdampfungsgefaB austretende Dampf hat namlich, wie durch Messungen festgestellt wurde, die gleiche Temperatur wie die Calorimeterflussigkeit. Somit haben die Flussigkeit vor der Verdampfung, der Dampf, welcher das Calorimeter verlaBt und die zuruckbleibende Substanz dieselbe Temperatur. Da nach dem ersten IIauptsatz die Enthalpiedifferenz zweier definierter Energieznstande vom Wege unabhangig ist, wurde auf jeden Fall die Verdampfungswarme bei dieser Tempe- ratur geniesscn.

2. Reirn Evaliuieren des Systems tritt cine Abltuhlung ini gcsamtcn Gasraum auf. Sie betrug in unserer Apparatur (ohne Substanz) etwa 1,5 cal. Da wir fanden, daB bei geeigneter Arbeitsweise sich dieser Effekt beim Aufheben des Vakuums durch Einstromen yon Luft reproduzierbar auf & 0,2 cal konipensiert, braucht hierfur keine Korrektur an- gebraclit zu werclen.

3. Durch die Einstellung des Partialdruckes der Flussiglicit. nach der Einwaage iin GefaB 1- vor Beginn der Verdampfung geht ein Teil der Substanz vor dem Versuch ver- loren. Diesen Fehler lionnten wir jedoch elirninieren, indem wir die Wagung in gleichen Zeitabstanden vor und nacli dem Versuch durchfuhrten.

4. Die von uns eingesetzten Suhstanzen waren, insbesondere bei den hoheren Sul- fanen. nur annahernd formelrein. Trotzdem sind die MeBergebnisse fur die formelreinen Stoffe oiiltig, da bci der Verdampfung cine Fraktionierung eintritt und mir die ersten und let zten Anteile der portionsweise verdampften Substanzen, die in den MeBergebnissen deutliche A4bweichungen van den mittleren Fraktionen zeigten, nicht mit ausgewertet haben. Die Mittelfraktionen, die znr Kontrolle aufierdem analytisch iiberpruft wurden, zeigteri innerlialb der Fehlergrenzen der Methode stets konstantc VerdampfungswLrnion und i l k t,heoretische analytische Zusammensetzimg.

2 : ) lTnter cal ist stcts die cal,, verstanden.

56 Zeitschrift fur anorganische und allgenieine Chemie. Band 294. 1958

g) MeBergebnisse: I n den Tab. 1 bis 1 nind die Ergebnisse unserer Messungen an Sulfanen zusammengestellt.

Die Umrechnung der Mel3werte auf 20" C erfolgte nicht nach der Beziehung yon KIKCHHOFF, weil die spez. Warmen der flussigeii Sadfane nicht mit ausreichender Genauigkeit bekannt sind, sondern es wmde

dl aIs vorlaufige Moglichlieit zur Ermittlung von & bei 20" C cine em- pirische Beziehung von KORDES ,*) ausgewertet.

T - T 0,375

..=Lo(%-) .

(Lo = Verdanipfungseiithalpie ain abeoluten Nullpunkt, LT = Verdampfungsenthalpie bei der Tempwatur T, Tk = kritische Tpinperatur.)

Daraus ergibt sich der Temperaturkoeffizient zu : 0,375 - 1,

dl" _ - - dT - T,-T '

Die numerische Auswertung liefert unter Yerwendung der wveiter unten (s. Teil I1 dieser Arbeit) bestimmten Werte fur T, die Tempe- raturkoeffizienten :

d" H S - - -0,164 cal . g-' . (:rad-' d T - HZS, = -O,O9 ,, H2S, = -0.07 ,, H,S, = -0.06 ,,

Die Genauigkeit dieser Werte ist fur unsere Zweclie ausreichend, weil sie nur zur Umrechnung der gemessenen Verdampfungsenthalpien auf die Standardtemperatur innerhalb eines Intervalles von maximal

verwendet werden. E r l a u t e r u n g e n zu Tab. 1 his 4: 1, = spez. V~rtlaiilpfungsentllalpie bril P U o C

Aus den Tabellen ist zu ersehen, da13 die MeBergebnisse fiir die Stoffe H,S, bis H,S, sehr gut reproduzierbar sind. Die Messungen an H,S, zeigen groBere Schwankungen, bedingt duroh die wegen des niedrigen Dampfdruckes der Substanz verlangerte Dauer der Versuche, wodurch die Ermittlung des Temperaturganges ungenauer wird. Der von uns ge- fundene Mittelwert der Verdampfungsenthalpie des H,S, liegt um 6 % tiefer als der von BUTLER und MA ASS^) indirekt bestimmte Wert.

in cal/g, L, = molare Verdainpfungsenthalpie bei 20" C in callg.

a) E. KORDES, Z. Elektrochenl., Ber. Bunsenges. physih. Chein. &, 424 ( 1 9 2 ) .

F. F E H ~ R und G. HITZEMANN, Verdainpfungsenthalpien usw. von Sulfanen 57

~~ _____

RIengr in g

I _ _ _ ~ . - - ' 25,1440 ~ 9,6500 ' 5,1720 I 9,9895 I 7,711i i 8,1781 [ 9,5188 I 9,8028 I 9,2478 1 14,2248

7,9522 j 14,4107

. ~ _ _ _

Dauer der Verdampfg.

Min.

45 25 11 22 18 18 19 18 20 1 7 25

_____

Tabelle 1 H2S2

6 O(! -

22,35 22,15 20,70 23,55 23,74 22,19 22,24 22,29 22,35 22,94 23,04

1 Versuchsteinp. I cal/g Ixi

.- ~

12 ! 23,34

Mittelwert: 1: = 122,OS & 0,50 cal/gZ9) L: = 8074 & 33 cal/Mol29).

Tabelle 2 H2S3

Dauer der Vwdampfg.

Min.

Verdampfte Xfenge in g 1

___._

7,7272 12,5321

7,5248 8,5553 7,7293 3,4385

12,3210 10,5135 13,2607

-

12 27 17 18 16 15 21 16 25

I ",71 ld1,28 121,36 121,32 121,87 121,71 122,31 121,79 121,71 121,97

~. ~

Versuchstcmp. calig hei 8 ° C ! 6 ° C

I 19,64 110,77 19,74 I 111,34 19,87 , 110,71

23,44 1 110,4:! 23,63 109,76 21,94 ' 110,75 21,94 I 110,85 21,99 ' 110,93

2 3 3 7 , l l O , 6 l

cal/g bei I 20°C L __.__

I 121,75 I 122,%5 ' 121,81 I 121,81

121,91 121,64 122,'O 122,05 122.66 122,23 122,16 122,47

i

- _ _ _ _

cal/g bei i 20°C I

l lO,i4 111,32 110,io I

110,73 110,09 110,92 1 111,UB 1 111, l l

s10'90 I Alitt<*lwert: 1: = 110,84 & 0,50 ~ a l / g ~ ~ )

Lt' = 10884 & 49 cal/Mo129).

Es ist von Interesse zu vergleichen, wie sich die erhaltenen Ver- dampfungsentha,lpien mit der Kettenlange des Sulfans andern. Wie aus den Tab. 1-4 sowie aus Abb. 3 hervorgeht, lafit sich von H,S, bis H2S5 der Verlauf der Verdampfungsenthalpie LF als lineare Funktion

29) Die Fehlerangaben stellen den durch eine hier nicht naher ausgefuhrte Fehler- diskussion ahgeschatzten mittleren absoluten Fehler dar.

58 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 294. 1958

1 I Verdampfte Dauer der Versuchstemp. Verdampfg. oc 1 Menge in g

Mill.

I . -.

I P,59i4 90 21,43 ' 2,4836 36 31,83 1 3,1707 3 3 I 21997 1

I -1,1447 60 3,88 89 38 23,04 I 4,4728 60 1 23,34 2,3688 50 I 13,76 I

1 2?,25 I

- _____--_

Jlittelmert: 1: = 104,20 & 0,54 cal/g")

cal/g bei 6 "C

104,14 103,58 104,83 103,70 103,9i 104,09 103,88

1 cal/g bei

I 200c -__

I 104,24 ' 103,71 ' 104,97 103,8f I 104, lh i 104,3r!

1 104,14 __ ~~ -

Itrenge in g .. -~ ~

1,1897 0,9448 0,6370 0,4228 2,2516 0,6731 0,4480 0,6770 0,7024 0,4343

Lp = 13373 4: 70 cal/Mol29).

Tahdlr~ 4 €I$, -~ -

I 1-erd ampf t c b der Ycrsuchstemp. cal/g hei cal/g bcsi

$ 0 ~ : i B O C ' 20°C Verdainpfg. Min. I

._ -

i 3 105 9 5 60

115 80 60 55 60 60

-_ 102,90 i

99,81 ~

99,53 101,33 102,37 I

98,20 1 O0,46

!19,82 1 102,21 '

%,a1 1

lU3,Oi 99,99 99,68

101,48 102,GI

98,42 100,69 100,04 102,45

98,47

Mittelwert: 1; = 100,69 0,88 cai/gZg) Lz = 16344 f 143 cal/Mo12g).

der Kettenlange darstellen nach: L~o~cdl/Nol) = 2550 + 2760 . 11.

Dieses Ergebnis findet interessanterweise eine Parallele in der Reihe der aliphatischen Alkohole, bei denen in einem begrenzten Be- reich (n = 3 his 8) die Verdampfungswarme ebenfalls linear mit der Kettenlange zunimmt, wahrend sie bei noch groBeren Kettenlaingen anscheinend einem Grenzwert zustrebt. (Werte vgl. LANDOLT-BORN- STEIK, Physikalisch-Chemische Tabellen, 5 . Auflage.)

F. F E H ~ R und G. HITZEMANN, Verdampfungsenthalpien usw. von Sulfanen 59

t ist. Durch Messung der 20

Cnterkiihlung an den Sul- fallen wurden mit Hilfe 5y dieser Eichkurven sodann 3

die Dampfdrucke der Sul- fane bei 20°C ermittelt. Die Werte sind in Tab. 6 zu- *- sainmengestellt. In Tab. 6 W -

15

1 ; 2 -

11. Abschatzung der Dampfdrucke und Siedepunkte der Sulfane Wie fruhere Untersuchungen in unserem Laboratorium zeigten,

sind direkte Dampfdruckmessungen an hoheren Sulfanen sehr schlecht

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reproduzierbar . Wir entwickelten daher ein empirisches Verfahren zur annahernden Be- stimmung dieser Grol3en. Dabei werteten wir die Beobachtung aus, da13 die Unterkuhlung der Flussigkeiten bei ihrer Verdampfung bei 20" C bei gleicher Saugleistung der Pumpe und bei gleichen sonstigen Bedingungen eine Funk- tion ihrer Darnpfdrucke ist. Durch Messung der Unterkuhlung einer grol3eren Zahl von Eichsubstanzen, deren Dampfdrucke bei 20 O C wir aus den von uns bei der gleiohen Tempe- rat ur gemessenen Verdampfungsenthalpien und Siedepunkten KP.,,~ mit Hilfe der CLAUSIUS- CLlPEYRoNsChen Gleichung ermittelten30), er- hielten wir Wertepaare (Tab. 5) , die zur Kon- struktion einer Eichkurve (Abb. 4) dienten, in der die Unterkuhlung als Funktion der Dampf-

1 2 3 4 5 - H2Sn

Abb. 3. Verdampfungs- enthalpien der Sulfane

"O) Dies war notwendig, da fur viele der Eichflussigkeiten keine Dampfdruckwerte fur 20' C in der Literatur zu finden sind. Die Rerechnung ist nur annahernd genau, da bei der Anwendung der CLAusIns-CLAPEYRON-Beziehung idealer Gaszustand vorausge- setzt wird. Aulerdem ist sie mit einem systematischen Fehler behaftet, da die T-Ab- hiingigkeit der Verdampfungswarmen nicht beriicksichtigt wurde. Dieser Fehler diirfte jedooh in einem fur den vorliegenden Zweck ausreichenden Male dadurch kompensiert werden, da13 die Dampfdrucke der Sulfane anschlielend aus der so erhaltenen Eich- kurve bestimmt werden.

60 Zeitsohrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 294. 1968

Essigsaureanliy ydrid . . . . . . . . . . Brombenzol . . . . . . . . . . . . .

ziehung (idealer Gaszustand, Vernachlassigung der T-Abhangigkeit der Verdampfungswarme) ermittelten Siedepunkte der Sulfane anf - gefuhrt. Mit den gleichen Vernathlassigungen laBt sich dann mit.tels der CLAusIus-CLAPEPRos-Beziehung auch der etwaige T-Verlauf rler Dampfdruckkurven ermitteln. Die Ergebnisse sind in Abb. 5. dargestellt .

13 6 11380 155 ~ 10520

Abb. 5. Dainpfdruckkurves dvr Sulfanc

E r l a u t c r u n g zul Tab. 5 u n d 6: KI) . ,~ = erniittelter Siedepunkt bei i f U Tom in "C, TJ = gemessene Unterkiihlung in Grad, pa,, = ermittelter Dampfdruck in Torr hei 20" C , Tk = kritisclie Temperatur in O K , pk = kritischer Dr~c l i in Atm.

Tabelle 5

1:

30 29 63 18 17 16 11 8, 5 4 , 2 2,0

. . . . . . . . . . . . . . Anethol . ~ 233 15900 l,i BromnaphthaIin . . . . . . . . . . . 281 ~ 14700 1 0.9

~ ~~

P?U

Ferner lassen sich aus den gefundenen Daken die kritischen Tem- peraturen mit Hilfe der GULDBERGSChen Regel abschatzen. Dabei wurde

F. F E ~ ~ R und G. HITZEMANX, Verdampfungsenthalpien UPW. yon Sulfanen 61

alsWert'2 = 0,6 eingesetzt (vgl. 32) bei H,S: 0,57; SO,: 0,61; CS,: 0,59; .T

Tk

I HZS,

die kritischen Drucke ab- , H ~ S ~ leiten. Die erhaltenen Werte , H,S4

Rh*

fur T, und pk sind &en- HzS5

- 87,731) 70 572 58,3 22 i ,4 170 738 60,6 4,8 0,035 240 855 43,1 093 0,0019 385 930 , 3894 - - - - ~ - _ _ _ _ ~

111. TRomoNsche Konstanten der Sulfane

Unter Verwendung der weiter oben (s. Teil I dieser Arbeit) ange- fiilirten Beziehung von K ~ R D E S lassen sich die Verdampfungs- enthalpien der Sulfane am Siedepunkt unter Normaldruck naherungs- weise berechnen (Tab. 7 ) . Aus diesen Werten konnen mit HiIfe der absoluten Siedetem- peraturen die TRocToNschen Konstanten ermittelt werdcn.

Da die Werte dem nor- malen Wert von K,, = 21,5 fur nichtassoziierte Flussig-

Tabellc 7

Ls(cal/Mol) 1 K,, (caI . g-1. Mol-1) --_-I j

7497 21,9 I

13340 i 23,R

932; 11261 21,9

- lteiten sehr nahe kommen, ist der Schlu13 berechtigt, da13 die Sulfane weder in der flussigen, noch in der gasformigen Phase merklich assoziiert sind.

31) Fur H,S, werden die von BUTLER und i%fAASs4) direkt gemessenen Werte ange- geben, da wegen des hohen Dampfdruckes eine ErmittIung naeh dern von [ins ange- wandten Verfahren nicht moglich war.

A. EUCKEN, GrundriIl der physik. Chemie, 8. Aufl. 1956, S. 153. 33) F. FEHER, W. LAUE u. G. WINKHAUS, Z. anorg. allg. Chem. 190, 52 (1967). ") W. NERNST, Theoretische Chemie, 15. Aufl. 1926, S. 384.

62 Zeitschrift fiir anorganische und allgemeine Chemie. Band 294. 1958

Der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Verband der Chemischen Industrie (,,Fonds der Chemie") sind wir fur die Unterstiitzung dieser Arbeit sehr zu Dank ver- pflichtet.

Koln, Abteilung fiir Anorganische und Analytische Chew& des Chemischen Instituts der Universitdt.

Bei der Redaktion eingegangen am 2 . August 1957.


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