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Kontaktadresse: Fr. Lydia Röösli, Klinik Sonnenhalde, 4125 Riehen, Tel. (+41) 061 - 645 46 40, Fax (+41) 061 645 46 00 – eMail: [email protected]

Detailprogramm zum 19. Riehener Seminar

Zwischen Wahn und Wirklichkeit Krankheiten und Ängste in einer zunehmend komplexen Umwelt

Dienstag, 28. Oktober 2008 Konferenzzentrum St. Chrischona

ab 09.00 Einschreibung, Znüni 10.00 Begrüssung, Vorstellung in kleinen Gruppen 10.10 1. Referat: Einführung ins Thema. Was ist eigentlich ein Wahn? Dr. med. Samuel Pfeifer 10.30 2. Referat: Schizophrenie früh erkennen – Symptome und

Behandlungsmöglichkeiten. Erkenntnisse aus dem FEPSY-Projekt. Frau Dr. U. Gschwandtner, Psy. Univ. Poliklinik UPK Basel

11.10 Kurze Pause

11.30 3. Referat: Parapsychologische Phänomene im Grenzbereich zwischen Wahn und

Wirklichkeit. Dr. Dr. Walter von Lucadou, Parapsychologische Beratungsstelle Freiburg 12.30 Mittagspause WORKSHOPS ZUR AUSWAHL (90 Minuten)

14.00 Workshop 1: Befindlichkeitsstörungen bei elektromagnetischen Feldern – was ist

dran? Wie kann man Betroffene beraten? Dr. phil. nat. Martin Röösli, Bern

Workshop 2: Wahnideen verstehen und therapeutisch bearbeiten. Matthias Mittrach, Oberarzt Klinik Sonnenhalde

Workshop 3: Schizophrenie und Religion. Wie kann man Wahnideen und echten Glauben voneinander unterscheiden? Dr. med. Samuel Pfeifer, Chefarzt Klinik Sonnenhalde

Workshop 4: Schizophrenie-Behandlung im offenen Rahmen – das Konzept der Soteria Bern. PD Dr. med. Holger Hoffmann, Christine Clare, Lukas Ahr

15.30 Pause 16.00 Referat 4 / ROUNDTABLE: Wenn ein naher Mensch in einer anderen Welt lebt. Die

Herausforderung schizophrener Störungen für die Angehörigen. Moderation: Dr. Samuel Pfeifer – Musikalische Einlagen: Simon Waber Teilnehmende: Frau Dr. U. Gschwandtner (UPK), PD Dr. H. Hoffmann (Soteria), Christine Clare (Soteria); Frau E. Keller-Németh (VASK)

17.00 Schluss des Seminars

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19. Riehener Seminar am 28. Oktober 2008: Zwischen Wahn und Wirklichkeit – Krankheiten und Ängste in einer komplexen Umwelt

Referenten

Dr. med. Dipl. Psych. Ute Gschwandtner, Oberärztin an der Psychiatrischen Universitätspoliklinik Basel, hat drei Studien absolviert: Kunstgeschichte, Psychologie und Medizin. In ihren Forschungen hat sie sich intensiv mit der Diagnostik der Schizophrenie im Frühstadium (FEPSY-Projekt) auseinandergesetzt und an nationalen und internationalen Forschungsprogrammen mitgewirkt. Dr. rer. nat. Dr. phil. Walter von Lucadou, Studium der Physik und Psychologie in Freiburg i. Br. und Berlin. Wissenschaftlicher Mitarbeiter in Physikalischen Forschungsprogrammen; von 1979 bis 1985 wissenschaftlicher Assistent an der Abteilung für Psychologie und Grenzgebiete der Psychologie der Universität Freiburg i.Br. und von 1985 bis 1987 Gastprofessor am Parapsychologischen Laboratorium der Universität Utrecht (Niederlanden), einschließlich eines Forschungsaufenthaltes an der Universität Princeton (USA). Seit 1989 Gründung und Leitung der "Parapsychologische Beratungsstelle" in Freiburg i.Br. Forschungsdirektor der WGFP, Lehrbeauftragter an verschiedenen Fachhochschulen und Universitäten. PD Dr. med. Holger Hoffmann hat sich mit den Schwerpunkten "junge chronische Patienten" und "berufliche Rehabilitation" in der Sozialpsychiatrie habilitiert. Er leitet heute als Abteilungsleiter die Versorgungsforschung der Universitären Psychiatrischen Dienste Bern und ist Chefarzt der Soteria Bern, die auf die Behandlung junger Menschen mit einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis spezialisiert ist. Christine Clare ist Kindergärtnerin und dipl. Landwirtin. Mehrere Jahre führte sie einen pädagogisch-therapeutischen Bauernhof. Seit 2002 ist sie Betreuerin in der Soteria Bern. Sie ist auch stellvertretende Leiterin der Soteria. Lukas Ahr, Ausbildung zum Pflegefachmann DN II Bethesda Basel. Pflegefachmann an der Klinik Sonnenhalde, Riehen. Seit 2005 als Betreuer in der Soteria Bern tätig. ist Pflegefachmann in der Soteria Bern. Dr. phil. Martin Röösli, Epidemiologe mit einem atmosphärenphysikalischen Hintergrund. Er ist Dozent und Leiter des Ressorts Umwelt und Gesundheit am Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern. Seine Forschungsschwerpunkte sind die gesundheitlichen Auswirkungen von elektromagnetischen Feldern und der Luftverschmutzung sowie methodische Fragestellungen. Autor zahlreicher Berichte und Publikationen in wissenschaftlichen Fachzeitschriften. Matthias Mittrach, Oberarzt der Klinik Sonnenhalde. Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie mit tiefenpsychologisch-psychoanalytischer Ausrichtung. Breite Ausbildung in der gesamten Psychiatrie und Psychotherapie mit Schwerpunkten im Bereich schizophrene Psychosen, Depressionserkrankungen, Angst- und Zwangserkrankungen sowie Forensische Psychiatrie. Eva Keller-Németh ist Mutter von zwei erwachsenen Töchtern, von denen die ältere vor 10 Jahren an Schizophrenie erkrankte. Seither aktiv in der Selbsthilfegruppe „Stiftung Melchior“ für Angehörige Schizophreniekranker in Basel. Seit 2006 Präsidentin des Dachverbandes der Vereinigung der Angehörigen schizophrenie-psychisch Kranker (VASK Schweiz). Besuchte zahlreiche Seminare und Kurse zum Thema Schizophrenie und Umgang mit Betroffenen. Arbeitet im Universitätsspital Basel in der dermatologischen Abteilung. Dr. med. Samuel Pfeifer, Chefarzt der Klinik Sonnenhalde; Autor zahlreicher Artikel und mehrerer Bücher, die in 10 Sprachen übersetzt wurden. Mitglied im Editorial Board der Zeitschriften „Mental Health, Religion & Culture“ sowie „Psychotherapie und Seelsorge“. Internationale Vortragstätigkeit.

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Dr. Samuel PfeiferWas ist eigentlich ein Wahn?

Download der Powerpoint-Präsentation:

www.seminare-ps.net

Riehener SeminarZWISCHEN WAHN UND WIRKLICHKEIT28. Oktober 2008

Was ist eigentlich ein Wahn?Dr. Samuel Pfeifer, Klinik Sonnenhalde Riehen

Drei Beispiele zur Einleitung

Herr A.: ist überzeugt, sein Schlaf werde gestört durch Funkleitsystem des Flughafens. Sobald die Geräte angeschaltet würden, vernimmt er ein dumpfes Sirren des „Luftlinienleitnetzes“ (10 km entfernt).Frau B: hat den Eindruck, Nachbarn dringen in ihrer Abwesenheit in die Wohnung ein. In die Schuhsohlen wurde ein Gift geträufelt. Sie spürt ein Brennen in den Fusssohlen – das ist der Beweis.Frau C: Der Friede im Nahen Osten braucht einen neuen Impuls. Sie verspürt den Auftrag, nach Israel zu reisen und mit führenden Politikern zu sprechen.

Zwischen Wahn und Wirklichkeit

Warum haben wir dieses Thema gewählt?Nicht jede ungewöhnliche Wahrnehmung und Erfahrung ist mit einer Schizophrenie gleichzusetzenBreites Spektrum von Aberglaube, Glaube, Wahn.Breites Spektrum von Betreuungskonzepten: Neurobiologie, Soteria, Angehörigenbegleitung.

Wahnkriterien nach C. Scharfetter

a) Wahn ist eine Privatwirklichkeit. Krankhaft darf man das erst nennen, wenn es die Lebensführung behindert (kulturelle und soziale Relativität).

b) Wahn ist eine ganz persönlich gültige, starre Überzeugung von der eigenen Lebenswirklichkeit.– „Wahn ist ein Wissen, kein vertrauendes Glauben.“

c) Wahn ist eine lebensbestimmende Wirklichkeit – er beeinflusst das Erleben und Verhalten eines Menschen.

Wahn isoliert und entfremdet

d) Wahn ist eine privateWirklichkeitsüberzeugung.– An der besonderen eigenen Überzeugung wird

festgehalten, auch wenn der Wahn im Widerspruch zur mitmenschlich-kommunikablen Wirklichkeit, zur eigenen Vorerfahrung und zur Erfahrung gesunder Mitmenschen steht.

– „Wahn ist eine Störung der Mitweltlichkeit des Menschen.“

e) Wahn ist eine Überzeugung, die isoliert und entfremdet.

f) Im Wahn dreht sich die Welt um die einzelne Person.– „Es geht immer um mich.“– Die grosse Welt hat plötzlich einen ganz eigenen, sehr

persönlichen Bezug zum Betroffenen.

Kulturell geprägte Wahninhalte

Folgende Themen sind am stärkstenkulturell geprägt:SchuldLiebe / SexReligionSchädigungWirtschaftTechnologiePolitik

Nach einer Studie, die Wahninhalte in Soeul, Shanghai und Taipehverglich (Kim 2001).

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Dr. Samuel PfeiferWas ist eigentlich ein Wahn?

Download der Powerpoint-Präsentation:

www.seminare-ps.net

Riehener SeminarZWISCHEN WAHN UND WIRKLICHKEIT28. Oktober 2008

Kriterien des Wahns

a) Unkorrigierbarkeit der objektiv befremdlichen Überzeugung

b) Überzeugung bedarf keinerlei Beweises c) Krankhafter Ich-Bezug

Wahn-Formen – Wahnidee (-einfall, -vorstellung): keine gestörten

Wahrnehmungen! – Wahnwahrnehmung: wahnhafte Interpretation von

Wahrnehmungen – Wahnerinnerung: nachträglicher Einbau von Erinnerungen

in Wahnsystem durch Uminterpretation

Glaube vs. Wahn

SingularitätVereinsamung, fehlende KommunikationUnkorrigierbarkeitVertrauensverlustInhalt oft bedrohlichWeitere psychopatho-logische Auffällig-keiten.

GruppenverankerungGemeinschaft

Zulassen von Zweifel VertrauenInhalt oft transzendentPsychopathologisch unauffällig

WahnGlaube

Nach Haenel 1983

Aberglaube, Glaube, Wahn

Aberglaube ist die Vorstellung, durch gewisse Einstellungen und Handlungen Unheil abzuwenden oder umgekehrt Heil herbeiführen zu können. Zentraler Mechanismus ist die Projektion, die keine klare Trennung zwischen der eigenen Person und der (belebten oder unbelebten) Umwelt vornimmt.

Psychodynamik des Wahns

Ein Wahn ist immer „funktional-final“

Der Wahn hat eine Funktion –Instrument der Selbstrettung

Der Wahn hat einen Zweck – er gibt Bedeutung und Sinn

Ein Modell

Halluzination:“Du bist Dreck.Bring Dich um!”

WahrnehmungSTIMME

InterpretationKULTUR

WARUM?

Was habe ich falschgemacht?

WER?

Jemand, der mirschaden will?

Dazu kommen die Kriterien nach Jaspers - Überzeugung- Unkorrigierbarkeit- krankhafter Ich-Bezug

„Das Verhalten Schizophrener ist nie schlechthin verrückt oder unsinnig,

sondern es hat einen Sinn, eine Aufgabe. Diesen Sinn – die

Funktion, die das Verhalten für die Patienten hat – müssen wir

herauszufinden versuchen, wenn wir vor der Frage stehen, wie wir

diesen Menschen am besten helfen“

(Scharfetter, 1981, S.55).

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Dr. U. GschwandtnerSchizophrenie früh erkennen. Symptome und Behandlung.

Riehener SeminarZWISCHEN WAHN UND WIRKLICHKEIT28. Oktober 2008

Schizophrenie früh erkennen -Symptome und

BehandlungsmöglichkeitenErkenntnisse aus dem Fepsy-Projekt

Dr. med. Dipl. Phil. U. Gschwandtner

Übersicht

1. Theoretischer Hintergrund

- Warum Früherkennung?

- Probleme der Früherkennung

- Wie Früherkennung?

2. Eigene FEPSY-Studie

- Hypothese und Design

- Erste Ergebnisse

Verzögerung der Diagnose und Therapie

Fatale Konsequenzen der Erkrankung schon in den „präklinischen“ Frühstadien

Frühbehandlung kann den Krankheitsverlauf verbessern

Warum Früherkennung und -behandlung?

Konsequenzen einer verzögerten Behandlung- Verzögerte und unvollständige Besserung der Symptomatik

Johnstone et al. 86; Loebel et al. 92; Birchwood + McMillan 93; McGorry et al. 96; Haas et al. 98; Drake et al. 00; Larsen et al. 00; Malla et al. 02; Harrigan et al. 03

- Kognitive VerschlechterungCosway et al. 00; Amminger et al. 02

- Schlechtere PrognoseHuber et al. 79; Wyatt 91

- Höhere NeuroleptikadosisMcGorry et al. 96

- Geringere ComplianceStirling et al. 91

- Höhere RehospitalisierungsrateHelgasson 90

- Höhere BehandlungskostenMoscarelli 94; McGorry + Edwards 97

- Erhöhtes Risiko für Depression, Suizid, Alkohol, Drogen, Delinquenz

- Stärkere Beeinträchtigung der psychologischen und sozialen Entwicklung sowie der LebensqualitätRiecher et al. 89; Häfner et al. 93, 98; Browne et al. 00

Mögliche Zugangsebenen zur Früherkennung -Risikofaktoren und Indikatoren für die Entwicklung einer Psychose- Symptomatik

- Andere „Indikatoren“ der beginnennden Erkrankung(inkl. Bewältigungsverhalten und sozialer Knick)

- Risikofaktoren (inkl. genetische Belastung, perinatale Komplikationen etc.)

- NeuropsychologieStörungen von Aufmerksamkeit, (verbalem) Gedächtnis,Abstraktionsvermögen, exekutiven Funktionen (Tests: CPT, WCST, CVLT, TAP etc.)

- NeurophysiologieNeuromotorische Auffälligkeiten ("soft signs", Feinmotorik), EEG (langsame

Wellen), visumotorische Störungen (z.B. langsame Augenfolgebewegungen),P300 (erhöhte Latenz und reduzierte Amplitude), Prepulse inhibition

- NeuroradiologieErweiterung der Seitenventrikel, Hypofrontalität, reduzierte Grösse von Amygdalae, Hippokampus und Thalamus

FEPSY-Projekt: Ablaufschema

Patienten mit Verdacht auf Psychose(Poliklinik- oder externe Zuweisung)

PUP: FEPSY-Sprechstunde

Screening

RisikopatientenKein

Psychoserisiko oder chronische

Psychose

Symptomatik, psychiatrische AnamneseNeuropsychologie - Neurophysiologie -

Neuroradiologie

Ersterkrankte

Follow-up Rücküberweisung und evtl. Frühinterventionsprogramm

Rücküberweisung mit Bericht

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Dr. U. GschwandtnerSchizophrenie früh erkennen. Symptome und Behandlung.

Riehener SeminarZWISCHEN WAHN UND WIRKLICHKEIT28. Oktober 2008

FEPSY 3-Jahres-Studiensample*

Gescreente Individuenn = 206

Risikopatientenn = 98

Patienten ohne Psychoserisiko, andere

Diagnosenn = 32

Keine Teilnahmen = 40

Erste psychotische Episoden = 76

Risikopatienten,eingeschlossen

n = 58

Erste psychotische Episode, eingeschlossen

n = 36

Drop-out währendFollow-up

n = 8

Follow-upn = 50

*Einschluss 1.3.2000 - 28.2.2003Follow-Up until 28.02.2005 23

09/08

Areas of reduced grey matter volume in individuals with an ARMS who developed psy-chosis (ARMS-T) relative to healthy controls

Borgwardt et al., Br J Psych (2007), 191, S69-75

χ2df=10 = 6.2; p = .80 Multiple responses possibleFigure1: Pathological slowing and epileptiform activity

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19. Riehener Seminar am 28. Oktober 2008: Zwischen Wahn und Wirklichkeit – Krankheiten und Ängste in einer komplexen Umwelt

Dr. Dr. Walter von Lucadou Parapsychologische Phänomene im Grenzbereich zwischen

Wahn und Realität Abstract: Die Parapsychologische Beratungsstelle in Freiburg, ist die bislang einzig offiziell anerkannte Beratungsstelle in Deutschland, die Menschen berät, die im Alltag von ungewöhnlichen Erlebnissen überrascht werden. Sie wird vom Land Baden-Württemberg gefördert. Ungewöhnliche Erlebnisse werden in der Öffentlichkeit und auch von den Betroffenen häufig als "paranormal" oder "übersinnlich" bezeichnet. Der vermeintliche Einbruch des Übernatürlichen in die Alltagswelt führt häufig zu Angstreaktionen und kognitiven Dissonanzen. Diese werden von den Betroffenen auf die unterschiedlichste Art und Weise reduziert. Es spricht viel dafür, dass die Mehrzahl der Personen, ungewöhnliche Erfahrungen sofort verdrängen. Wenn Menschen diese unbewusste Verdrängungsleistung nicht zur Verfügung steht, wird ein bewusster kognitiver Prozess angeregt, der zur Externalisierung des Erlebten führt. Externalisierung heißt, dass als Ursache nicht psychologische, sondern äußere physikalische Prozesse angenommen werden. Diese bestehen im Wesentlichen aus 10 verschiedenen Strategien, wobei die Hälfte der Strategien darin besteht, das Erlebnis "wegzuerklären". Dazu gehört z.B. das Erlebnis als Zufall oder Täuschung abzutun. Dem diametral entgegengerichtet sind Erklärungsbilder, die die Vorstellung von Geistwesen, Verstorbenen oder transzendenten Kräften beinhalten. Die Unterschiede dieser beiden Zugangsweisen werden anhand von Fallbeispielen erläutert und miteinander verglichen. Es stellt sich heraus, dass die sog. "irrationalen Vorstellungen" wie Gespenster, Geister und Dämonen, obwohl sie nicht zum Bestand der naturwissenschaftlichen Weltsicht gehören, nach wie vor eine große Popularität besitzen und offenbar viel weniger pathogen sind, als angenommen wird. Die Wegerklärungen hingegen erlauben den Betroffenen im Allgemeinen nicht, sich in aktiver Weise mit ihren Erlebnissen auseinanderzusetzen. Das bedeutet nicht, dass die traditionellen Vorstellungen von Geistern unproblematisch wären. In der Praxis hat es sich bewährt, die Beschreibungswelten der Betroffenen positiv in die angebotenen Verarbeitungsstrukturen einzubinden, ohne dabei den sachlichen Bezug zu verlieren. In der Beratungsstelle wurde ein Konzept entwickelt, bei dem die neuesten wissenschaftlichen Forschungsergebnisse der Kognitionswissenschaften berücksichtigt werden und in die Sprache der Betroffenen übersetzt werden. Auf diese Art und Weise können Handlungsanweisungen gegeben werden, die die Betroffenen in die Lage versetzen ihre Erlebnisse nicht zu negieren, sondern sie positiv in ihre Lebensbezüge einzubinden. Besondere Berücksichtigung wird auch die Frage finden, welches die psychologischen Voraussetzungen für ungewöhnliche Erfahrungen sind und anhand welcher Kriterien

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man beurteilen kann, welche Erfahrungen genuin und welche eher Resultate von Erzählstrukturen sind. Es werden ferner Kriterien entwickelt, die es erlauben entsprechende Angebote des Esoterik- oder Psychomarktes in Bezug auf ihren Nutzen und ihre Risiken einzuschätzen und anzugeben welche Irritationen oder gar Störungen durch einen unkritischen Umgang entstehen können. In diesem Zusammenhang ist die phänomenologische und differentialdiagnostische Unterscheidung zwischen psychotischen Störungen und spontanen paranormalen Erlebnissen von großer Bedeutung. Die Methodik und der Forschungsstand der wissenschaftlichen Parapsychologie werden zusammenfassend dargestellt. Es wird gezeigt, wie es heute trotz der ungeheuren Komplexität dieses "scheinbar unerklärlichen Residuums menschlicher Erfahrung" möglich geworden ist, theoriengeleitete Untersuchungen durchzuführen, die gleichzeitig den (sozial-)psychologischen und naturwissenschaftlichen Aspekten der Phänomene gerecht werden. Obwohl sich einige der Ergebnisse zunächst nur auf höchst artifizielle Laborsituationen beziehen, können dennoch theoretische Konzepte abgeleitet werden, die auch in realen Lebenssituationen einen Erklärungswert haben. Allerdings regen sich aufgrund dieser Entwicklung zunehmend Zweifel an den verbreiteten Vorstellungen über die Natur "paranormaler" Phänomene: "Psychokinese" muss danach eher als eine "psycho-physikalische Verschränkung" (Verschränkungs-korrelation) denn als eine "Einwirkung" angesehen werden, "Telepathie" eher als "Synchronizität" denn als Informationsübertragung. Gleichzeitig ergibt sich, dass die Phänomene weit weniger "para"-normal sind, als es den Anschein hat. Die diskutierten theoretische Modelle können auf konkrete Beispiele angewendet werden und dienen nicht nur zum Verständnis der ungewöhnlichen Erlebnisse sondern liefern auch Ansätze, wie mit solchen Erfahrungen (therapeutisch) umgegangen werden kann. Literaturempfehlungen Bauer, E. & Lucadou, W. v. (1992): »Parapsychologie«, in: Asanger, R. & Wenninger, H. (Hrsg.): Handwörterbuch der Psychologie. München: Psychologie Verlags Union 1999 (Studienausgabe der 4. Aufl. 1992, S. 517-524). Lucadou, W.v. (1994): "Psychische Störungen durch Psychokulte", in: TW Neurologie Psychiatrie 8, 380-387. Lucadou, W. v. (1997): Psi-Phänomene - Neue Ergebnisse der Psychokineseforschung. Frankfurt, Insel Taschenbuch 1997. Lucadou, W. v. (2003): "Beratung bei paranormalen Erlebnissen", in: Galuska (Hrg.): Den Horizont erweitern. Berlin: Ulrich Leutner Verlag, S. 204-230. Lucadou, W. v., Zahradnik , F. (2005): "Die verschwiegene Erfahrung - ungewöhnliche Erlebnisse in der transpersonalen Psychologie". Zeitschrift für transpersonale Psychologie, 2, 78 - 89. Zahradnik, F. (2007): Irritation der Wirklichkeit. Eine qualitative und quantitative Analyse der Briefsammlung der parapsychologischen Beratungsstelle in Freiburg. Hamburg: LIT 2007 (Psychologie des Bewusstseins 8). Lucadou, W. v., Römer, H., Walach, H. (2007): Synchronistic Phenomena as Entanglement Correlations in Generalized Quantum Theory. Journal of Consciousness Studies, 14, No.4, pp. 50-74.

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Riehener Seminar 28. Oktober 2008: ZWISCHEN WAHN UND WIRKLICHKEIT

WORKSHOP W01

Dr. phil. Martin Röösli

Befindlichkeitsstörungen bei elektromagnetischen Felder - was ist dran? Wie kann man Betroffene beraten?

Der Artikel auf den folgenden Seiten zeigt einige grundsätzliche Ansätze der Forschungs- und Beratungstätigkeit von Dr. Martin Röösli. Zusätzlich hat er uns zwei Artikel zur Verfügung ge-stellt, die wegen ihres Umfangs aber nur als Download zur Verfügung stehen.

Der Link: www.seminare-ps.net/rs08

O E K O S K O P NR. 2/07

umwelt-

medizinisches

beratungsnetz

seriöse abklärung

nötig

das neue Projekt

die fälle

fac

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bie

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bklärung

ojekt

Environmental Research 107 (2008) 277–287Review

Radiofrequency electromagnetic field exposure and non-specific

symptoms of ill health: A systematic review$

Martin Roosli�

Institute of Social and Preventive Medicine, Department of Social and Preventive Medicine, University of Bern,

Finkenhubelweg 11, CH-3012 Bern, Switzerland

Received 21 September 2007; received in revised form 4 February 2008; accepted 6 February 2008

Available online 21 March 2008

Abstract

This article is a systematic review of whether everyday exposure to radiofrequency electromagnetic field (RF-EMF) causes symptoms,

and whether some individuals are able to detect low-level RF-EMF (below the ICNIRP [International Commission on Non-Ionizing

Radiation Protection] guidelines). Peer-reviewed articles published before August 2007 were identified by means of a systematic literature

search. Meta-analytic techniques were used to pool the results from studies investigating the ability to discriminate active from sham RF-

EMF exposure. RF-EMF discrimination was investigated in seven studies including a total of 182 self-declared electromagnetic

hypersensitive (EHS) individuals and 332 non-EHS individuals. The pooled correct field detection rate was 4.2% better than expected by

chance (95% CI: �2.1 to 10.5). There was no evidence that EHS individuals could detect presence or absence of RF-EMF better than

other persons. There was little evidence that short-term exposure to a mobile phone or base station causes symptoms based on the results

of eight randomized trials investigating 194 EHS and 346 non-EHS individuals in a laboratory. Some of the trials provided evidence for

the occurrence of nocebo effects. In population based studies an association between symptoms and exposure to RF-EMF in the

everyday environment was repeatedly observed. This review showed that the large majority of individuals who claims to be able to detect

low level RF-EMF are not able to do so under double-blind conditions. If such individuals exist, they represent a small minority and

have not been identified yet. The available observational studies do not allow differentiating between biophysical from EMF and nocebo

effects.r 2008 Elsevier Inc. All rights reserved.

Keywords: Electromagnetic hypersensitivity (EHS); Idiopathic environmental intolerance; Symptoms; Well-being; Radio frequency electromagnetic field

(RF-EMF); Mobile phones

1. IntroductionThe term electromagnetic hypersensitivity (EHS) relates

to subjects attributing symptoms to exposure to electro-

magnetic fields (EMFs). Typically EHS individuals suffer

from a wide range of non-specific symptoms such as

neurasthenic or skin symptoms (Roosli et al., 2004; Frick et

al., 2006; Eltiti et al., 2007b). Often they attribute the

symptoms to one or a few specific EMF sources. In the

early nineties complaints related to video display units were

common, in particular, in Scandinavia (Hillert et al., 1999).

With the introduction of mobile communication technol-

ogies complaints related to these sources became more

prominent (Roosli et al., 2004; Eltiti et al., 2007b).

In population based surveys, prevalence of EHS was

reported to be 1.5% in Sweden (Hillert et al., 2002), 3.2%

in California (Levallois et al., 2002), 4% in the UK (Eltiti

et al., 2007b), 5% in Switzerland (Schreier et al., 2006), and

8–10% in Germany (Infas, 2006). EHS is self-declared

based on own experience. Therefore, it remains unclear

whether a causal link between exposure and disease

actually exists.A substantial part (56%) among EHS individuals claim

to be able to perceive radio frequency electromagnetic field

ARTICLE IN PRESS

www.elsevier.com/locate/envres

0013-9351/$ - see front matter r 2008 Elsevier Inc. All rights reserved.

doi:10.1016/j.envres.2008.02.003

$Funding source: This review was funded by intramural funds of the

Institute of Social and Preventive Medicine, University of Berne,

Switzerland.The author declares to have no competing financial interests.

�Fax: +41 31 631 3520.

E-mail address: [email protected]

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�Oekoskop 2/07

elektrosmog

was mache ich mit "elektrosmog-Patientinnen" in der hausarzt-Praxis?

Martin Röösli, Institut für Sozial- und Präventivmedizin, Universität BernBernhard Aufdereggen, Gruppenpraxis Hannig, Visp

sind emf als potentielle krankheits-ursache in betracht zu ziehen?

Eine repräsentative Bevölkerungsbefragung von 2000 Personen aus der Schweiz im Jahr 2004 ergab, dass sich rund die Hälfte der Bevölkerung Sorgen um die eigene Gesundheit wegen der alltäglichen Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern (EMF) macht. Ungefähr fünf Prozent erachten sich aufgrund eigener gesundheitlicher Erfahrungen als elektromagnetisch hypersensibel.1 Das lässt erwarten, dass potentielle Gesundheitsrisiken durch EMF ein Thema in der Haus-arztpraxis ist. Eine Erhebung bei 342 repräsentativ ausgewählten HausärztInnen zeigte, dass bei rund 70 Prozent mindestens einmal gesundheitliche Wirkungen von elektromagnetischen Feldern bei einer Konsultation zur Sprache gekommen sind.2 Typischerweise wird bei unspezifischen, chronischen Gesundheitsbeschwerden EMF als Ursache in Betracht gezogen. Dabei wird der Zusammenhang zu EMF in den meisten Fällen vom Patient bzw. der Patientin hergestellt. Die Ärzteschaft beurteilte den Zusammenhang jedoch in rund der Hälf-te der Fälle als plausibel. Dieser Anteil ist erstaunlich hoch im Vergleich zu wissenschaftlichen Kausalitätsbe-wertungen, die typischerweise zum Schluss kommen, dass Befindensbeeinträchtigungen für Felder, wie sie im Alltag vorkommen, nicht nachgewiesen seien (z.B. Analyse von 26 ExpertInnenberichten zu Gesundheit und Mobilfunkstrahlung durch das 'National Radiological Protection Board'3). Im Gegensatz dazu wurde in epide-miologischen Studien ein erhöhtes Leukämierisiko bei Kindern, die in der Nähe von Hochspannungsleitungen wohnen, relativ konsistent nachgewiesen.

Hier zeigt sich ein typisches Dilemma für die Hausärz-tInnen. Die wissenschaftliche Kausalitätsbeurteilung ist bevölkerungsbasiert und beruht auf epidemiologischen und experimentellen Studien. Aus statistischen Kor-relationen wird erst auf eine Kausalität geschlossen, wenn andere Faktoren mit an Sicherheit grenzender

hausärztinnen sind in ihrer sprechstunde mit Patientinnen konfrontiert, die ihre beschwerden auf den einfluss von elektromagnetischen feldern (emf) und auf mobiltelefone und/oder basisstationen zurück-führen. das krankheitsbild der elektrosensibilität ist bisher wissenschaftlich nicht klar definiert. es gilt daher in der Praxis den betroffenen menschen mit einfühlungsvermögen, einer fundierten abklärung und praktisch umsetzbaren ratschlägen beizustehen.

Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können. Das ist ein lang andauernder Prozess der Hypothesen-prüfung und damit einhergehender Unsicherheit. Im Gegensatz dazu hat der Hausarzt bzw. die Hausärztin bei der Betreuung von PatientInnen eine einzelfallbasierte Sichtweise. Dabei steht nicht die Kausalitätsprüfung im Vordergrund – diese ist im Einzelfall prinzipiell nicht möglich – sondern die Suche nach einer geeigneten hilfreichen Massnahme. Gerade bei chronischen, multifaktoriell bedingten Beschwerden wie sie sich in der Hausarztpraxis häufig präsentieren, ist jedoch die Ursache oft unklar und eine Vielzahl von möglichen Verursachern steht zur Diskussion. Die Praxiserfahrung zeigt, dass Individuen sehr unterschiedlich auf Umwelt-reize reagieren können. Die Frage, ob auch EMF als potentielle Krankheitsursache in Betracht zu ziehen ist und wie damit umzugehen ist, stellt eine besondere Herausforderung dar, angesichts der wissenschaft-lichen Unsicherheiten in diesem Gebiet.

Eine besondere Herausforderung

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8 Oe 1/98Oekoskop 2/07

elektrosmog

kann elektrosensibilität diagnostiziert werden?

Eine Überempfindlichkeit gegenüber EMF wird im deutschen Sprachraum typischerweise als Elektrosen-sibilität bezeichnet. Konziser ist jedoch die Bezeichnung die sich im Englischen etabliert hat: "electromagnetic hy-persensitivity". Mit naturwissenschaftlich-medizinischen Methoden konnte bisher nicht nachgewiesen werden, ob es tatsächlich Personen gibt, die (über-)empfindlich auf EMF-Belastungen wie sie im Alltag vorkommen reagieren. Objektive diagnostische Kriterien für eine Diagnose "elektromagnetische Hypersensibilität" gibt es nicht.4 Elektromagnetische Hypersensibilität ist deshalb zur Zeit eine Selbstdiagnose auf der Basis von eigenen Erfahrungen. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass die Mehrheit der elektromagnetisch hypersensiblen Personen berichten, dass sie EMF im Alltag unmittelbar wahrnehmen können.5

Dies steht im Gegensatz zu den Resultaten von einer Vielzahl von sogenannten Provokationsstudien. Dabei werden Studienteilnehmende doppelblind EMF ausge-setzt und sie müssen angeben, ob sie nun exponiert sind oder nicht. Rubin und Kollegen werteten 31 publizierte Provokationsstudien aus und kamen auf der Basis von insgesamt 725 Personen zum Schluss, dass "keine Evidenz bestehe, dass elektromagnetisch hypersensible Personen eine verbesserte Wahrnehmungsfähigkeit für EMF besitzen".6 Das lässt vermuten, dass bei einem Grossteil der elektromagnetisch Hypersensiblen die Wahrnehmungsfähigkeit primär in der Erwartungs-haltung begründet ist und Nocebo-Effekte eine Rolle spielen können. Der Nocebo-Effekt ist das Gegenstück zum Placebo-Effekt und bedeutet, dass Auftreten von nachteiligen gesundheitlichen Auswirkungen auf Grund der Erwartungshaltung – also wegen Sorgen und Ängsten.

Das schliesst aber nicht zwingend aus, dass EMF im Alltag dennoch gesundheitsschädigend sein kann. Typi-scherweise können nämlich Gesundheitsschädigungen auf individueller Ebene gar nicht wahrgenommen werden (z.B. Röntgenstrahlung). Die Wahrnehmungsfähigkeit ist also keine unbedingt nötige Voraussetzung für die Schäd-lichkeit eines Agens. Zudem ist denkbar, dass es dennoch "richtige" elektromagnetisch hypersensible Personen gibt, die aber bisher nicht untersucht worden sind.

expositionsvermindernde massnahmen

Wird bei einer Beschwerde EMF als Krankheitsursa-che in Betracht gezogen, sind expositionsvermindernde Massnahmen am naheliegendsten. Dabei empfiehlt sich ein experimentelles Vorgehen mit einfach zu rea-

lisierenden Massnahmen. Je nach Situation könnte der Verzicht auf Mobiltelefone oder Schnurlostelefone angezeigt sein, oder die temporäre Umstellungen der Wohneinrichtung, insbesondere in Bezug auf Orte an denen man sich längere Zeit aufhält wie das Bett. Um abzuklären, ob sich der Gesundheitszustand verbessert, sind solche Massnahmen während mindestens vier Wochen durchzuführen mit gleichzeitiger Protokollie-rung der Beschwerden/Symptome. Baubiologische Sanierungen/Abschirmungen mit Kostenfolgen sollten nur zurückhaltend empfohlen werden, wenn aufgrund der experimentellen Massnahmen die Wirksamkeit als gegeben erachtet wird. Obwohl Betroffene häufig berichten, dass expositionsvermindernde Massnahmen hilfreich seien, sind auch Nebenwirkungen zu beden-ken. Langfristig wird damit nämlich die Sichtweise der PatientInnen bestätigt, dass ihre Beschwerden durch EMF verursacht seien, obwohl dies nicht notgedrungen zutreffend sein muss. Konsequenz ist, dass angesichts der Ubiquität von EMF im Alltag, die angestrebte Ex-positionsvermeidung de facto nicht vollständig mög-lich sein wird und eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität in Kauf genommen werden muss. Auf diesem Hintergrund wurde auch schon die gegenteilige Massnahme erfolgreich angewendet. Nämlich die vor-sätzliche Exposition gegenüber EMF im Rahmen einer kognitiven Verhaltenstherapie.7 Eine solche Massnahme stösst jedoch bei Betroffenen häufig auf Ablehnung.

Möglicherweise wird der Hausarzt oder die Hausärztin auch mit Massnahmen aus der esoterischen Richtung konfrontiert. Solche Massnahmen wie beispielsweise das Aufstellen von Rosenquarz oder geometrischen Formen verändern die messbare Strahlenbelastung nicht. Dennoch werden sie im Einzelfall von Betroffenen als hilfreich eingeschätzt. Wie man sich als HausärztIn zu solchen Massnahmen stellt, ist von ethischen Überle-gungen abhängig.

messungen

Häufig wünschen Betroffene zur genaueren Abklärung EMF-Messungen. Solche Messungen durch eine Fach-person sind relativ teuer. Es lohnt sich daher, sich zuerst Klarheit zu schaffen, welcher Nutzen erwartet wird. In den meisten Fällen ist nämlich schon vor der Messung absehbar, dass die gemessenen Werte deutlich unterhalb der Grenzwerte sein werden. In diesem Fall sind aber Messungen nur sinnvoll, wenn sie vom Patienten oder der Patientin als differentialdiagnostisches Kriterium akzeptiert werden. In den meisten Fällen dürfte dies jedoch nicht der Fall sein, sondern die Messungen werden als Beweis gewertet, dass "EMF-Beschwerden" deutlich unterhalb der Grenzwerte auftreten können. Dies bringt aber keine zusätzliche Hilfestellung beim

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9Oekoskop 2/07

elektrosmog

Finden von geeigneten Massnahmen. Angezeigt können Messungen hingegen sein, wenn die Beschwerden ein klares Muster zeigen und immer zu bestimmten Zeiten oder an bestimmten Orten auftreten. Nachzuprüfen, ob das Auftreten mit der elektromagnetischen Feldstärke korreliert, kann in diesem Fall hilfreich sein. Jedoch ist zu beachten, dass aus einer Korrelation alleine nicht eine ursächliche Beziehung bewiesen werden kann.

kommunikation mit "elektrosmog-Patientinnen"

In der Kommunikation mit elektrosensiblen Personen fällt auf, dass typischerweise eine grosse Überzeugung besteht, dass die Beschwerden durch EMF ausgelöst sind. Alternative Erklärungen stossen häufig auf Ab-lehnung und insbesondere psychologisch begründete Ansätze werden nicht akzeptiert. Häufig besteht auch ein grosses Ohnmachtgefühl aufgrund der ubiquitären Verbreitung von EMF. In diesem Fall ist vom Hausarzt oder der Hausärztin Fingerspitzengefühl in der Kommunikation erforderlich. Häufig ist es nötig falschen Vorstellungen, die durch die Nicht-Wahrnehmbarkeit von EMF zustande kommen, entgegen zu wirken. So kann unter Umständen der Vergleich mit Lärm/Schall sehr hilfreich sein. Obwohl starker Lärm erwiesenermassen gesundheitsschädigend ist, bedeutet das nicht, dass jeder messbare Schall ein Risiko für die Gesundheit darstellt. Analog verhält es sich bei EMF - wobei zur Zeit die Höhe der Schwelle für Gesundheitsschädigung noch mit Unsicherheiten behaftet ist. Alternative Erklärungsmöglichkeiten für die aufgetretene Krankheit oder Beschwerde sind zusam-men mit den PatientInnen zu prüfen. Unter Umständen empfiehlt es sich, den internistischen Status genauer zu erheben, ergänzt durch entsprechende Analysen von Blut und Urin zur differentialdiagnostischen Klärung. Kommt man zum Schluss, dass EMF als Ursache auszuschliessen ist, kann es für die PatientInnen erleichternd sein, wenn dies klar kommuniziert wird. Andernfalls sind mögliche Massnahmen zu evaluieren.

schlussfolgerung

Ob es Personen gibt, bei denen alltägliche EMF-Ex-positionen Beschwerden auslösen können, kann zurzeit wissenschaftlich nicht abschliessend beantwortet werden. Der Hinweis, dass die Ursache-Wirkungsbe-ziehung noch ungenügend erforscht sei, wird in der Hausarztpraxis nicht hilfreich sein. Gefragt ist in erster Linie eine systematische Anamnese, die der komplexen Natur des Phänomens "elektromagnetische Hypersen-sibilität" Rechnung trägt, und auch andere mögliche Krankheitsursachen mitberücksichtigt.

Dr. Martin Röösli, Institut für Sozial- und Präventiv-medizin, Finkenhubelweg 11, 3012 Bern, [email protected]

Dr. med. Bernhard Aufdereggen, Kantonsstrasse 14A, 3930 Visp, [email protected]

Bericht zum Workshop an der SGAM Tagung vom 11. November 2005, von den Autoren für dieses Oekoskop aktualisiert.

referenzen1. Schreier N, Huss A, Röösli M. The prevalence of symptoms attributed to electromagnetic field exposure: a cross-sectional representative survey in Switzerland. Social and Preventive Medicine 2006; 51: 202–209.2. Huss A, Röösli M. Consultations in primary care for symptoms attributed to electromagnetic fields – a survey among general practitioners. BMC Public Health 2006, 6:2673. Sienkiewicz ZJ, Kowalczuk CI. A summary of recent reports on mobile phones and health (2000-2004). Chilton (GB): National Radiological Protection Board, 2005.4. WHO. Fact sheet 296: Electromagnetic fields and public health - Electromagnetic Hypersensitivity. Accessed 19th Dec, 2005.5. Röösli M, Moser M, Baldinini Y, Meier M, Braun-Fahrländer C. Symptoms of ill health ascribed to electromagnetic field exposure - a questionnaire survey. Int J Hyg Environ Health 2004;207(2):141-50.6. Rubin GJ, Das Munshi J, Wessely S. Electromagnetic Hy-persensitivity: A Systematic Review of Provocation Studies. Psychosomatic Medicine 2005;67:224-32.7. Rubin GJ, Das Munshi J, Wessely S. A systematic review of treatments for electromagnetic hypersensitivity. Psychother Psychosom 2006;75(1):12-8.

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Matthias MittrachWahnideen verstehen und therapeutisch bearbeiten.

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Riehener SeminarZWISCHEN WAHN UND WIRKLICHKEIT28. Oktober 2008

Wahnideen verstehen und therapeutisch verarbeiten

Workshop am 19. Riehener SeminarMatthias Mittrach

Oberarzt Klinik Sonnenhalde

Wahn

• inhaltliche Denkstörung• Fehlbeurteilung der Realität• tritt erfahrungsunabhängig auf• unkorrigierbare Gewissheit• Es wird mit subjektiver Gewissheit daran

festgehalten, auch wenn er im Widerspruch zu Erfahrungen der Mitmenschen sowie ihrem kollektiven Glauben und Meinen steht

• Kein Bedürfnis nach Begründung dieser Fehlbeurteilung

Vorkommen nach ICD 10

• Paranoide Schiziophrenie (F20.0)• Anhaltende wahnhafte Störung (F22.0)• Induzierte wahnhafte Störung (F24)• Organische (schizophreniforme) Störung

(F06.2)

induzierter Wahn

• Übertragung wahnhafter Inhalte auf psychisch Gesunde

• „infektiöses Irresein“, Ideler 1838• „Contagio psychica“, Hofbauer, 1848• Folie à communiquée, Baillarger, 1860• Folie à deux („induziertes Irresein“)• Folie à simultanée• Folie transformée• Folie induite

Wahneinfall, Wahnidee, Wahngedanke

• Kleinste geistige Einheit des Wahns• Plötzliches Einfallen von wahnhaften Meinungen

(=Wahneinfall) oder dauerhaftes wahnhaftes Denken (=Wahnidee, Wahngedanken)

• Beispiel: Ein Patient ruft beim Essen plötzlich „Das Essen ist vergiftet“ (Wahneinfall). „Ich bin Gottes Sohn“ (Wahnidee)

• Wahngedanken können bis hin zum systematisierten Wahn ausgebaut werden (in der Wahnarbeit)

Formale Wahnmerkmale

• Wahngedanken• Wahneinfälle• Wahnwahrnehmung• Wahnstimmung• systematisierter Wahn• Wahndynamik

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Matthias MittrachWahnideen verstehen und therapeutisch bearbeiten.

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Riehener SeminarZWISCHEN WAHN UND WIRKLICHKEIT28. Oktober 2008

Beispiel:

• „Die Leute dort, die in meine Richtung blicken, reden über mich, sie beschliessen gerade, wie sie mich öffentlich blossstellen können, das sehe ich an den Handbewegungen.“ (=Wahnwahrnehmung, die Interpretation der Wahrnehmung ist durch wahnhafte Zusatzannahmen erweitert und nicht aus dem Gesehenen als möglich abzuleiten)

Wahndynamik

• Affektive Anteilnahme am Wahn• Wahninhalte können mit affektiver und

psychomotorischer Anteilnahme (z. B. Angst, Euphorie, Erregungszustände) und ständig neuen Ideen vorgetragen werden, aber auch ohne affektive Beteiligung und monoton

• starke Dynamik: eher floride Psychose• geringe Dynamik: abgeklungene

Produktivität

Wahnstimmung

• Emotionale Gespanntheit und Atmosphäre des Betroffenseins im Vorfeld und Umfeld eines Wahns

• Der Patient hat die Gewissheit, dass etwas „passiert“

• immer starke affektive Beteiligung (Unheimlichkeit, Verändertsein, Angst, Bedrohung, auch Euphorie und Glück)

Inhaltliche Wahnmerkmale

• Beziehungswahn (26,4 %)• Beeinträchtigungs- und Verfolgungswahn (50,6 %)• Eifersuchtswahn (3,3 %)• Liebeswahn• Schuldwahn (2,2 %)• Verarmungswahn (1,1 %)• hypochondrischer Wahn (4,4 %)• religiöser Wahn• nihilistischer Wahn• Grössenwahn (6,6 %)

unterschiedliche Realitäten Wahnthemen bei wahnhafter Depression

• Nach Kurt Schneider (1950) treten charakteristischerweise Wahnthemen auf, die Bezug zu den drei Urängsten der Menschen haben, nämlich Sorge um das Seelenheil, die Gesundheit und den Besitz

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Dr. Samuel PfeiferSchizophrenie und Religion

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Riehener SeminarZWISCHEN WAHN UND WIRKLICHKEIT28. Oktober 2008

Gauguin: „Vision in der Predigt“

Dr. Samuel Pfeifer

Schizophrenie und Religion.Wie kann man Wahnideen und echten Glauben voneinander unterscheiden?

Glaube vs. Wahn

VertrauensverlustVertrauen

UnkorrigierbarkeitZulassen von Zweifel

Singularität – pathologischer Ichbezug.Gruppenverankerung

Vereinsamung, fehlende KommunikationGemeinschaft

Inhalt oft bedrohlichInhalt oft transzendent

Weitere psychopathologische Auffälligkeiten.

Psychopathologisch unauffällig

WahnGlaube

Nach Haenel 1983

Glaube vs. Wahn im Längsschnitt

“Im Falle des Wahnes wird man immer eine Erstarrung und einen Freiheitsverlust mit dem Bilde des Defektes der Persönlichkeit finden.Im Falles eines Glaubenserlebnisses wird man aber eine lebendige, d.h. variable, der Situation angepasste und auch mehr Freiheit besitzende und in sich vollkommenere Persönlichkeit finden.“ (Lenz 1973)

Nach Lenz 1973

Bestimmende Faktoren

Religiosität allein ist nicht der ausschlaggebende Faktor für die Entwicklung eines religiösen WahnsIn Manchester (Siddle et al. 2002): 68 % der schizophrenen Patienten bezeichnen sich als religiös, aber nur 23 % zeigten einen religiösen Wahn (45 von 193 Patienten). In Saudi-Arabien wenden 43 % der Patienten religiöse Coping-Strategien bei Halluzinationen an (Wahass & Kent 1997).

Conviction, Preoccupation, Distress

Multidimensionales PhänomenGraduelle Unterschiede zwischen normalen Glaubensüberzeugungen und ausgeprägten WahnideenHalluzinationen (spez. Stimmenhören) nicht nur bei Schizophreniekranken (Romme & Escher)

Drei DimensionenConviction - ÜberzeugungPreoccupation – Beschäftigung, Eingenommen seinDistress - Belastung

Peters E, Day S, McKenna J, Orbach G. (1999) Delusional ideation in religious and psychotic populations. Br J ClinPsychol. 38 ( Pt 1):83-96.

Diagnostischer Algorithmus (Siddle 2002)

Der Lebensstil / die Ziele deuten eher auf eine psychotische Episode hin als auf eine bereichernde Lebenserfahrung.

I

Die Ideen sind auch in der Subkultur (peer group) des Patienten nicht akzeptabel.

I

Religiöser Inhalt (Gott, Teufel, Propheten, Geister, Engel)

I

Weitere Symptome einer Psychose

I

Glaube /Attribution wird fest geglaubt, kann bizarr sein, ist vernünftigen Argumenten / Zweifeln nicht zugänglich

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Dr. Samuel PfeiferSchizophrenie und Religion

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Riehener SeminarZWISCHEN WAHN UND WIRKLICHKEIT28. Oktober 2008

Wahnwahrnehmung und Interpretation

Am Anfang des religiösen Wahns steht praktisch immer eine Wahnwahrnehmung (auditive, visuelle oder somatische Halluzination)Diese verlangt nach einer Interpretation:WER steckt dahinter?WARUM geschieht das mir (Kausalität)?WELCHEN SINN macht die Wahrnehmung?WELCHEN ZWECK hat sie (Finalität)?

Religiosität II

Religiöse Erziehung: nicht signifikant– 12 Patienten (28 %) – keine religiöse Erziehung– 14 Patienten (33 %) – regelmässiger Gottesdienstbesuch in

der Kindheit und Jugend– 13 Patienten (30 %) – mässiger kirchlicher Einfluss– 4 Patienten: k.A.– 13 der 31 Patienten (41 %), die der Religion im Leben eine

grosse Bedeutung zuschrieben, hatten nach eigenen Angaben auch eine religiöse Erziehung erhalten

Ich-syntone Religiosität:– 23 der untersuchten Patienten (53.5%) zeigten neben dem

Wahn Anzeichen einer ich-syntonen Religiosität, die mit der umgebenden Kultur der religiösen Gemeinschaft übereinstimmte.

Psychodynamik:Vier Funktionen des rel. Wahns

1. Interpretation (kognitive Einordnung) der bedrohlichen Erlebnisse.

2. Integration in einen grösserenSinnzusammenhang (Begreifen der Welt).

3. Entlastung von Schuld oder inakzeptablen Strebungen durch „Desegoifizierung“.

4. Wunscherfüllung / Bedeutung durchdas wahnhafte Erleben.

Bedeutung im Wahn

Die bisherige, gestörte Identität erscheint dem Kranken so bedrückend, dass er sie durch eine bedeutendere, unangreifbare ersetzen muss. Er schreibt sich somit die Macht zum Lenken anderer Menschen oder dem Kosmos zu oder sieht sich als einen Heiligen, als Sohn Gottes oder gar als Gott selbst. Weltverbesserungs-, Heils- oder Heilandswahn: Der Kranke möchte die in der Untergangsstimmung gefürchtete Gefahr bannen – für sich und für die Menschheit.

– (nach B. Grom, S. 287 ff.)

Drei grosse Bereiche

Explanation (Erklärung)– Der Patient versucht seine ungewöhnlichen Erfahrungen

(mental, körperlich, auditiv, optisch) mit religiösen Metaphern zu erklären.

Distortion (Verzerrung)– Der Patient verwendet Anteile seiner religiösen Kultur in

einer Art und Weise, die den Mustern seiner Glaubensgruppe nicht entspricht.

Confusion (Verwechslung)– Der Beobachter (Psychiater, Pflegeperson, Verwandte)

mischen das pathologische Verhalten und das religiöse Vokabular in das Konstrukt „Religiöser Wahn“, ohne ausreichend zwischen Kultur und Störung, sowie funktionalem Glauben und dysfunktionalem Denken und Verhalten zu differenzieren.

Therapeutisches Vorgehen

RESPEKT: Den Patienten primär als leidendes Individuum wahrnehmen. Religion mag Teil seines Lebens sein, aber sie ist eingebettet in seine gesamte Existenz, die nun von der Krankheit überschattet ist.

KULTURELLE SENSIBILITÄT:Seine religiösen Ideen sind Teil seines kulturellen Hintergrundes und erfordern eine weitere Klärung:

– Drücken sie seine Ängste oder seine unerfüllten Wünsche in archtypischer Manier aus?

– Sind sie Teil seiner Subkultur?– Sind seine religiösen Überzeugungen funktional oder

dysfunktional?– Gibt es Möglichkeiten, seine Angehörigen oder seine Kollegen

für die Klärung der religiösen Thematik hinzuzuziehen?

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WS03 Workshop: Schizophrenie und Religion. Wie kann man Wahnideen und echten

Glauben voneinander unterscheiden? – Dr. Samuel Pfeifer

Fallbeispiele Die folgenden Beispiele illustrieren unterschiedliche Zustandsbilder, in denen

ungewöhnliche Ideen mit religiösen Inhalten verbunden sind. Diskutieren Sie in kleinen Gruppen die folgenden Fragen: • Was sind nur ungewöhnliche Ideen, was ist absolut bizarr und unmöglich? • Welche Rolle spielt die Bestätigung durch andere Menschen? • Woran erkennt man, dass eine Erfahrung nur ungewöhnlich, aber nicht

notwendigerweise krankhaft ist? • Welche Diagnosen würden sie in den einzelnen Fällen geben?

Fall 1 Vision und Marienkult (aus einem Bericht im Internet) 1933 erwählte sich die Selige Jungfrau Maria ein 11 Jahre altes Kind als

Ansprechpartner. Mariette Beco sitzt am Küchenfenster und schaut hinaus in die Dunkelheit. Da sah sie plötzlich – nur wenige Meter von ihr entfernt – eine junge Frau, die ganz aus Licht zu sein schien und sehr schön war. Da rief sie: „Sieh’ nur, Mutter, es ist Unsere Liebe Frau, sie lächelt mir zu.“ Sofort nahm sie ihren Rosenkranz und begann zu beten, immer auf die Erscheinung schauend. Die Mutter lässt sie nicht hinaus und die Erscheinung verschwindet. Wenige Tage später erfolgt die zweite Erscheinung: Trotz ihrer Angst vor der Dunkelheit geht sie hinaus und beginnt, den Rosenkranz zu beten, kniend, im Dunkeln. Plötzlich streckt sie ihre Arme aus und Unsere Liebe Jungfrau Maria erscheint in einiger Entfernung, scheinbar über dem Wald. Sie sieht Unsere Liebe Frau, die stumm zu beten scheint, mit sanft sich bewegenden Lippen. Dann bedeutet Maria ihr zu folgen. Der Seligen Jungfrau gehorchend kniet Mariette insgesamt drei Mal auf dieser Straße nieder und betet für einige Augenblicke. So gelangen sie an einen kleinen Bach, der einer Quelle entspringt. Unsere Liebe Frau steht oberhalb am Straßenrand und Mariette kniet sich neben die Quelle. Maria sagt: „Streck’ Deine Hände in das Wasser.“ Vorsichtig taucht Mariette ihre Hände in das Wasser. Dann sagt Unsere Liebe Frau: „Diese Quelle ist mir vorbehalten.“ Dann verabschiedet sie sich von Mariette Beco mit folgenden Worten: „Gute Nacht! Auf Wiedersehen.“ Während sie emporgehoben wurde, blieb ihr Gesicht dem Kind zugewandt. Noch an diesem Abend beschließt Mariettes Vater: „Morgen gehe ich beichten und zur Heiligen Kommunion.“ Das ist die zweite Bekehrung. Die Erscheinungen in Banneux erhielten 1949 die endgültige Anerkennung. Mariette Beco heiratete später und gründete eine Familie und war zufrieden damit, nicht weiter in den Vordergrund zu treten oder Vorteile aus den Erscheinungen zu ziehen.

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Fall 2 Prophetische Begabung und Überaktivität Die 47-jährige Telefonistin hatte seit vielen Jahren immer wieder einmal depressive

und überaktive Phasen. Vor zwei Jahren hat sie sich einer kleinen Gemeinschaft angeschlossen, die enge Verbindungen zu einer Erweckungsbewegung in Florida pflegt. Frau S. fühlt sich bestätigt und aufgewertet; an einer „Prophetenschule“ lernt sie wie man „Weissagungen“ macht. Sie wird zunehmend aktiv, braucht nur noch vier Stunden Schlaf, kann ins Innerste von Menschen blicken und wirft öffentlich anderen Mitgliedern der Gemeinschaft „Sünden“ vor, die ihr der Heilige Geist gezeigt habe. – Sie führt eine intensive Korrespondenz mit einer „Prophetin“ in Guatemala, die sie zuerst bestätigt, später aber dringend bittet, zum Arzt zu gehen. Nach einer Konferenz fühlt sie sich „innerlich geheilt“ sowie „eine gewaltige Berufung“. Jeden Morgen feiert sie ganz für sich allein das Abendmahl, weil sie „so viel Kraft im Blut Jesu“ finde. Sie verliert ihre Stelle, entwickelt neben den Erleuchtungen auch starke Ängste und Schwächezustände. Schliesslich bittet man sie, die Gemeinde zu verlassen, weil sie sich nicht an Grenzen hält und jeden Gottesdienst mit ihren Prophetien zu dominieren versucht.

Fall 3 Zwischen Allah und Satan Ein 39-jähriger Ingenieur aus Marokko arbeitet in der Schweiz als Hilfskellner.

“Ich denke, dass ich einen mächtigen Magier in meinem Dorf beleidigt habe – nun hat er mich verzaubert. Ständig höre ich die Stimme von Allah oder das Reden des Sheitan. Mit Allah rede ich über Recht und Gerechtigkeit, aber al-Sheitan verspottet Allah und sagt, dass der Koran nicht wahr ist. Ich habe schon einen Imam aufgesucht. Er hat Koransprüche gesagt, um die bösen Dschinns (Geister) zu vertreiben, aber es hat nicht geholfen. Die Stimmen sind ständig da, obwohl ich fünf Mal im Tag bete. Ich habe keine Kraft für die Arbeit und habe alle meine Freunde verloren.“

Fall 4 Verfolgung und störende Strahlen Eine 67-jährige Frau erzählt: “Ich lebe in einem Wohnblock und bis vor einem

halben Jahr hatten wir es immer gut als Nachbarn. Ich gehe regelmässig in eine Bibelstunde und trinke nach dem Heimkommen immer einen Tee. Vor einem halben Jahr ist mir eine Tasse auf den Boden gefallen und zerbrochen. Am nächsten Tag schaut mich die Nachbarin so eigenartig an. Ich habe dann gemerkt, dass sie versucht meine Gedanken zu lesen und mir unten in der Wohnung auf Schritt und Tritt folgt. Sie verfolgt mich wegen meines Glaubens. Sie will verhindern, dass ich bete und christliche Musik höre. Ich weiss nicht mehr, wo schlafen, weil sie mir störende Strahlen schickt. In der Wohnung schleiche ich nur noch herum. Ich habe jetzt in einer Ecke der Wohnung eine Matratze hingelegt, darunter ein Kupfergewebe. Aber ich wache trotzdem alle zwei Stunden auf.“ – Die Patientin ist sonst ganz klar, lebt selbständig und macht ihren eigenen Haushalt.

Hinweis: Diese Fallbeispiele wurden so weit als möglich verfremdet. Wesentliche

Details wurden bewusst weggelassen und verfälscht. www.seminare-ps.net

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Soteria Bern: ein Schrittmacher in der Schizophreniebehandlung

T h e m a D I E Z E I T U N G

EinleitungSoteria gilt in weiten Kreisen der Öffentlichkeitund Fachöffentlichkeit als ein Symbol für eine«menschlichere», zugewandte und therapeutischengagierte Psychiatrie. Standort ausserhalb derKlinik, intensive Milieutherapie, niedrigdosier-ter Einsatz von Neuroleptika und Einbezug derAngehörigen kennzeichnen das therapeutischeAngebot. Die Forschungsresultate aus den Verei-nigten Staaten und der Schweiz haben gezeigt,dass der therapeutische Ansatz von Soteria min-destens dieselbe Effektivität bei besserer Effizienzgegenüber traditionellen stationären Behand-lungen aufweisen kann. Soteria Bern hat auchnach über 20jährigem Bestehen Schrittmacher-funktion. Dafür sind ihr kürzlich zwei Ehrungenzuteil geworden.

1 Soteria steht für griechisch Geborgenheit.

Korrespondenz:PD Dr. med. Holger HoffmannChefarzt Soteria BernBühlstrasse 19ACH-3012 Bern

[email protected]

Editores Medicorum Helveticorum

Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2006;87: 43 1859

Holger Hoffmanna, Sabine Leisinger b

a Chefarzt Soteria Bern und Leiterder Einheit für Versorgungsfor-schung an den UniversitärenPsychiatrischen Diensten Bern

b Leiterin Soteria Bern

Ehrung für Soteria-GründerSoteria Bern wurde 1984 von Luc Ciompi als thera-peutische Wohngemeinschaft für die milieuthe-rapeutische Behandlung von Psychosen gegrün-det. Er folgte damit dem Vorbild Loren Moshers,der in den 70er Jahren in den USA das Soteria1-Konzept als Alternative zu den «unruhigen undunpersönlichen» traditionellen Grossklinikenentwickelt hatte. Die in den US-Kliniken verab-reichten Neuroleptikadosen waren exorbitant.Moshers Ziel war es in seinem Pionierprojekt,junge, akut an Schizophrenie erkrankte Men-schen mittels kontinuierlicher Begleitung(«being with») im reizarmen Milieu eines Wohn-hauses möglichst ohne Einsatz von Neuroleptikazu behandeln. Mehrere von ihm durchgeführteStudien zeigten, dass dies möglich ist mit min-

Abbildung 1Loren Mosher (links), Luc Ciompi und die beiden Autoren vor der Soteria Bern.

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destens ebensoguten Ergebnissen wie in den traditionellen Kliniken. Diese Befunde geben bis heute Anlass zu kontroversen Diskussionen.Stefan Priebe hat dies folgendermassen kommen-tiert: «Die blosse Existenz von Soteria hat überviele Jahre die Diskussionen um die beste Formder Psychosebehandlung in kontroverser, aberinsgesamt fruchtbarer Weise in Gang gehalten.»

Ciompis Soteria-Konzept unterschied sichvon Anfang an in einigen wesentlichen Punktenvom radikaleren Ansatz Moshers. Für Ciompistand eine medikamentenfreie Behandlung nichtim Zentrum. Vielmehr wollte er die in seinem1982 erschienenen Buch «Affektlogik» formulier-ten Hypothesen in der alltäglichen Schizophre-niebehandlung umsetzen und überprüfen. Zudiesem Zwecke führte er das «Weiche Zimmer»als eines der zentralen Behandlungsinstrumente der Soteria ein. Am Kongress der «InternationalSociety for the Psychotherapy of Schizophrenia(ISPS)», der im Juni 2006 in Madrid stattfand, ist Luc Ciompi mit ausdrücklichem Bezug auf das therapeutische Konzept der Soteria Bern zum«Lifetime Honorary Member» dieser Gesellschafternannt worden – eine hohe Ehre, die weltweitimmer nur 12 Forschern zur gleichen Zeit zu-kommt.

Das Konzept von SoteriaSoteria Bern bietet acht Bewohnern/-innen2 Platz,hat den Status eines Spitals und ist auf der Spi-talliste des Kantons Bern aufgeführt. Der Trägerist die Interessengemeinschaft SozialpsychiatrieBern. Es werden jüngere Menschen aufgenom-men, die sich in einer psychotischen Krise ausdem schizophrenen Formenkreis oder im Rah-men einer Adoleszenten- oder anderen Entwick-lungskrise befinden.

Das therapeutische Milieu wird entscheidenddurch eine tragende, Geborgenheit vermittelndeund reizgeschützte Atmosphäre geprägt. Die Um-gebung, die Mitbewohner/innen, die Betreuer/in-nen und die alltäglichen Tätigkeiten im Haus-halt stellen das unmittelbare therapeutische Milieu dar. Die Anforderungen des Alltags undder Gruppe stärken den Bezug zur Realität undsind Übungsfeld, um sich den Herausforderun-gen in der Zeit nach der akuten Krise zu stellen.Darüber hinaus ist die tätige Gemeinschaft in derGruppe ein wichtiges Element, um sich auchwieder im Alltag zurechtzufinden.

Die Bewohner/innen werden möglichst weit-gehend in den Entscheid über den Einsatz vonMedikamenten einbezogen. Ziel ist letztlich,

Editores Medicorum Helveticorum

Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2006;87: 43 1860

T h e m a D I E Z E I T U N G

«Soteria Bern»: projet pionnier dans le traite-ment de la schizophrénie

Pour nombre de cercles officiels et professionnels,

le nom de Soteria est le symbole d’une approche

thérapeutique en psychiatrie «plus humaine».

L’offre thérapeutique se distingue par un lieu de

soins extra-hospitalier, une thérapie intensive

connectée au milieu, des neuroleptiques à petites

doses et le recours aux proches. Les résultats de

recherches effectuées aux Etats-Unis et en Suisse

ont montré que l’utilisation thérapeutique à Sote-

ria a au moins la même efficacité que la meilleure

des efficacités obtenues par traitement hospitalier.

Soteria Bern a prouvé son rôle de pionnier depuis

plus de vingt ans. Honorant précisément son

concept thérapeutique Soteria Bern, la Société

internationale de psychothérapie de la schizo-

phrénie (ISPS) a désigné Luc Ciompi en tant que

«Lifetime Honorary Member».

Soteria Bern a été fondé en 1984 par Luc Ciompi en

tant que communauté thérapeutique de milieu

pour le traitement des psychoses. Il a suivi en cela

l’exemple de Loren Mosher, qui dans les années

soixante-dix a développé aux Etats-Unis le concept

Soteria en tant qu’alternative au modèle tradi-

tionnel «angoissant et impersonnel» des grands

hôpitaux. Le but de Mosher dans son projet de

l’époque consistait à traiter de jeunes patients

atteints de schizophrénie aiguë au moyen d’un

accompagnement continu («being with») dans un

milieu dépourvu de stimuli d’excitation, comme un

appartement, et le plus possible sans recours aux

neuroleptiques. Le concept Soteria de Ciompi se

distingue d’emblée du projet plus radical de

Mosher par quelques points importants. Pour

Ciompi, le traitement sans aucun médicament

n’est pas central. Pour cet usage-là, un local appelé

«Weiches Zimmer» est l’un des principaux élé-

ments thérapeutiques du projet Soteria.

2 In der Soteria werden diePatienten Bewohner genannt.

dass die Bewohner/innen einen auf Selbstwahr-nehmung und -einschätzung basierenden undindividuell angepassten Umgang mit Medika-menten lernen. Beruhigung, Reizschutz undAngstlinderung in der akuten Phase – und damitauch der Normalisierung von Denken, Fühlenund Handeln – wird in der Soteria Bern zu einemgrossen Teil durch das spezifische Milieu im«Weichen Zimmer» und die tragende 1:1-Beglei-tung («being with») erreicht. Dank dieser be-sonderen Betreuung und Umgebung könnenMedikamente zurückhaltender als sonst üblicheingesetzt werden.

Die Bewohner/innen können mit den Betreu-ern/-innen Gesprächstermine vereinbaren, dieaber nicht den Charakter einer Psychotherapieim engeren Sinn haben sollen. Sie haben zudemje zwei Bezugspersonen im Team, in der Regeleine Frau und einen Mann. Diese nehmen raschnach Eintritt mit den Angehörigen Kontakt auf und laden sie zu regelmässig stattfindenden Familiengesprächen ein. Einmal pro Monat fin-det zudem ein Angehörigenabend statt.

Das Risiko, dass die weiterhin verletzlichenMenschen nach dem Austritt aus der Soteria Bernfrüher oder später wieder in schwierige Lebens-situationen oder sogar erneut in eine psycho-tische Krise geraten, ist erheblich. Deshalb legen

wir grosses Gewicht auf die Vorbereitung desAustritts der Bewohner/innen und der Zeit nachdem Aufenthalt. Die Bezugspersonen sind für dieInformation über die Rückfallrisiken und eineausführliche Besprechung vorbeugender Mass-nahmen verantwortlich. Die Angehörigen wer-den in die Rückfallprophylaxe miteinbezogen.Weil die tragende Atmosphäre der Soteria nachdem Austritt wegfällt, sind Medikamente in derNachbehandlung als Schutz oft angezeigt.

Wie wirkt Soteria?3

Der Behandlungserfolg von Soteria basiert aufdem Zusammenwirken von psycho- und milieu-therapeutischen Einzelaspekten zum Faktor der «nachhaltigen emotionalen Entspannung».Die angstlösende Umgebung wirkt vorbeugend,bessernd und auch heilend. Besonders in derakuten Psychose ist eine verständig stützende,tolerante und entspannende Atmosphäre thera-peutisch wirksam. Die Sicherheit vermittelndeGrundstimmung wird mit einer klaren, der aus-ufernden psychotischen Verwirrung Grenzensetzenden Haltung verbunden. Grosse Wichtig-keit kommt der Reizabschirmung zu. Der sehrweitgehende Schutz vor Aussenreizen, möglich-ste Vertrautheit und Normalität im Umgangs-stil sowie transparente Kleinräumigkeit des

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3 Siehe ausführlicher dazu: Ciompi et al. (2001).

Abbildung 2 Das «Weiche Zimmer».

dass die Bewohner/innen einen auf Selbstwahr-nehmung und -einschätzung basierenden undindividuell angepassten Umgang mit Medika-menten lernen. Beruhigung, Reizschutz undAngstlinderung in der akuten Phase – und damitauch der Normalisierung von Denken, Fühlenund Handeln – wird in der Soteria Bern zu einemgrossen Teil durch das spezifische Milieu im«Weichen Zimmer» und die tragende 1:1-Beglei-tung («being with») erreicht. Dank dieser be-sonderen Betreuung und Umgebung könnenMedikamente zurückhaltender als sonst üblicheingesetzt werden.

Die Bewohner/innen können mit den Betreu-ern/-innen Gesprächstermine vereinbaren, dieaber nicht den Charakter einer Psychotherapieim engeren Sinn haben sollen. Sie haben zudemje zwei Bezugspersonen im Team, in der Regeleine Frau und einen Mann. Diese nehmen raschnach Eintritt mit den Angehörigen Kontakt auf und laden sie zu regelmässig stattfindenden Familiengesprächen ein. Einmal pro Monat fin-det zudem ein Angehörigenabend statt.

Das Risiko, dass die weiterhin verletzlichenMenschen nach dem Austritt aus der Soteria Bernfrüher oder später wieder in schwierige Lebens-situationen oder sogar erneut in eine psycho-tische Krise geraten, ist erheblich. Deshalb legen

wir grosses Gewicht auf die Vorbereitung desAustritts der Bewohner/innen und der Zeit nachdem Aufenthalt. Die Bezugspersonen sind für dieInformation über die Rückfallrisiken und eineausführliche Besprechung vorbeugender Mass-nahmen verantwortlich. Die Angehörigen wer-den in die Rückfallprophylaxe miteinbezogen.Weil die tragende Atmosphäre der Soteria nachdem Austritt wegfällt, sind Medikamente in derNachbehandlung als Schutz oft angezeigt.

Wie wirkt Soteria?3

Der Behandlungserfolg von Soteria basiert aufdem Zusammenwirken von psycho- und milieu-therapeutischen Einzelaspekten zum Faktor der «nachhaltigen emotionalen Entspannung».Die angstlösende Umgebung wirkt vorbeugend,bessernd und auch heilend. Besonders in derakuten Psychose ist eine verständig stützende,tolerante und entspannende Atmosphäre thera-peutisch wirksam. Die Sicherheit vermittelndeGrundstimmung wird mit einer klaren, der aus-ufernden psychotischen Verwirrung Grenzensetzenden Haltung verbunden. Grosse Wichtig-keit kommt der Reizabschirmung zu. Der sehrweitgehende Schutz vor Aussenreizen, möglich-ste Vertrautheit und Normalität im Umgangs-stil sowie transparente Kleinräumigkeit des

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3 Siehe ausführlicher dazu: Ciompi et al. (2001).

Abbildung 2 Das «Weiche Zimmer».

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therapeutischen Milieus vermitteln emotionaleKonstanz und Klarheit. Dadurch wird die psy-chotisch gestörte Informationsverarbeitung er-leichtert. Dies ist der Grund, wieso unter Ver-wendung von weniger Neuroleptika der gleicheBehandlungserfolg erzielt werden kann. «Soteriawirkt neuroleptikaartig, freilich ohne die ent-sprechenden Nebenwirkungen» sagt Luc Ciompitreffend.

Die Alltäglichkeit der Interaktion und Kom-munikation in Soteria widerspiegelt die therapeu-tische und tätige Gemeinschaft und verdeutlichtbisherige familiäre Muster. Verstärkt wird diesdurch die Tatsache, dass die Betreuer/innen ohneUnterbruch 48 Stunden in der Soteria arbeitenund in dieser Zeit gemeinsam mit den Bewoh-nern/-innen den Alltag bewältigen. Ihre Funk-tion ist mit der von älteren Geschwistern zu vergleichen, jedoch können sie sich emotionaldistanzieren und abgrenzen. Soteria eröffnetdurch ihre Familienähnlichkeit die Möglichkeit,kompensatorisch Prozesse nachzuholen und zusimulieren, wie sie auch in der Familie durch-laufen werden könnten.

Da emotionale Stimmungen und Haltungenbekanntlich hochgradig ansteckend sind, vermagjede Entspannung in einem Einzelsektor zudemin zirkulärem Wechselspiel die Entwicklungeines insgesamt bergenden und beruhigendenGesamtmilieus zu fördern, in welchem Vertrauenund, auf dieser Grundlage, tiefe zwischenmensch-liche Begegnungen möglich werden.

Soteria im Wandel der ZeitSoteria Bern wurde in einer Zeit des Aufbruchs derSozialpsychiatrie gegründet, die sich eine Ver-lagerung des Behandlungsschwerpunktes von der Klinik in die Gemeinde zum Ziel gesetzt hat. Diese Rahmenbedingungen haben sich seither deutlich gewandelt. Auch in den Klini-ken hat Milieutherapie Einzug gefunden, die Behandlung ist patientenzentrierter geworden,die Neuroleptikadosen sind allgemein gesun-ken und mit den neuen atypischen Neurolep-tika die Nebenwirkungen geringer. Das «Feind-bild» gegenüber den Neuroleptika besteht nichtmehr.

Diesem Wandel galt es Rechnung zu tragen.Zudem haftet auch heute noch dem Namen Soteria der Mythos der Medikamentenfreiheit an und wird in allen Diskussionen zu diesem Behandlungsprinzip weiter mitgeführt. Neuro-leptika wurden in Soteria Bern von Beginn an eingesetzt, anfangs noch zurückhaltender alsheute. Dafür war die Aufenthaltsdauer deutlichzu lang. Auch wenn die täglichen Kosten denender Klinik entsprachen, war Soteria ökonomisch

betrachtet zu teuer. Zudem hatte sich Soteria von einer Wohngemeinschaft für ersterkrankteSchizophreniepatienten in Richtung einer Reha-bilitationseinrichtung entwickelt. Beidem mussteGegensteuer gegeben werden.

Soteria Bern behandelt heute wieder schwer-punktmässig Akutpatienten, entsprechend ist das«Weiche Zimmer» praktisch dauernd belegt.Rückfallprophylaxe und Nachbetreuung habenin der Behandlung weiter an Bedeutung gewon-nen. Die Nachfrage v.a. von seiten der Betroffe-nen und ihren Angehörigen ist weiter gestiegen,damit auch die Auslastung. Die Aufenthalts-dauer liegt heute mit durchschnittlich 44 Tagenunter der einer vergleichbaren Klinikstation für ersterkrankte Schizophreniepatienten. Wirt-schaftlich gesehen hat Soteria Bern noch nie soerfolgreich gearbeitet wie in den letzten Jahren.Dies bestätigt auch die Erfolgskontrolle der Gesundheitsdirektion des Kantons Bern.

Soteria Bern hat also nicht starr an seinem ursprünglichen Konzept festgehalten, sonderneinerseits auf die sich wandelnden Verhältnisse erfolgreich reagiert, andererseits mit innovativenKonzeptanpassungen ihre Schrittmacherfunk-tion immer wieder von neuem unter Beweis gestellt.

Innovationen der Soteria Bern

Vermehrter Einbezug der FamilieObwohl der Einbezug der Angehörigen von Anfang an fester Bestandteil des Soteria-Konzep-tes war, trugen die Angehörigengruppe und die gelegentlichen Familiengespräche den Therapie-zielen der Soteria zu wenig Rechnung. Wir inten-sivierten und professionalisierten deshalb die Familiengespräche in Richtung Familientherapieund boten für die Mitarbeiter/innen regelmäs-sige Supervision an. Damit gelang es uns, die Angehörigen zu entlasten, die emotionale Span-nung innerhalb der Familie zu senken und gemeinsam Lösungswege im Umgang mit dempsychotischen Geschehen zu finden.

EhemaligengruppeDie Bewohner/innen werden eingeladen, sichnach dem Austritt – sei es in einer Krise oderwenn es ihnen danach ist – in der Soteria zu melden. Von diesem Angebot wurde all die Jahrerege Gebrauch gemacht. Dies ermutigte uns,2004 mit einer Gruppe für Ehemalige zu starten,die sich zunehmender Beliebtheit erfreut.

Cannabis und PsychoseBei der Behandlung junger, akut an Schizophre-nie Erkrankter konnten wir in den letzten Jahren

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in der Soteria Bern eine ständige Zunahme vonPatienten beobachten, die z.T. sehr intensivund/oder langdauernd Cannabis konsumieren.So waren es 2005 63% aller Eintritte (n = 60) oder76% der unter Dreissigjährigen.

Aus mehreren Studien wissen wir heute, dassCannabiskonsum zu einem früheren Ausbruchder Schizophrenie führt, v.a. wenn dieser bereitssehr früh (<15 Jahre) beginnt, intensiv ist und bereits einmal zu einem psychotischen Erlebennach Cannabiskonsum geführt hat.

Wir sind deshalb bereits 2004 dazu übergegan-gen, während des Aufenthaltes in der Soteria eineAbstinenz vom Cannabis von den Bewohner/in-nen zu fordern und sie im Sinne der Rückfall-prophylaxe zu einem dauerhaften Verzicht aufCannabis zu motivieren. In der Literatur fandenwir keine Therapieprogramme, die uns in unse-ren Anstrengungen hätten unterstützen können.Wir beschlossen deshalb, ein solches für dieSoteria zu entwickeln. Dies soll eine Erweiterungdes Therapieangebots der Soteria Bern darstellen,das den Bewohnern/-innen helfen soll, auchüber den Aufenthalt hinaus nachhaltig auf denKonsum von Cannabis zu verzichten. Für diesesAngebot wurde uns an der diesjährigen Jahres-tagung der Schweizerischen Gesellschaft für Psych-iatrie und Psychotherapie der Prix Perspectiveverliehen.

Integrierte VersorgungGemäss dem Konzept der Soteria Bern hat dieRückfallprophylaxe einen hohen Stellenwert,weshalb die Soteria Bern als Erweiterung ihres Angebotes Übergangswohngemeinschaften mitSoteria-Elementen für jeweils 2–3 Bewohner/in-nen unter dem Label «Wohnen & Co.» anbietenmöchte. Mit diesem Angebot kann nach dem inden letzten Jahren kürzer gewordenen Aufent-halt in der Soteria Bern die Behandlungskontinui-tät und damit die Stabilisierung über den statio-nären Aufenthalt hinaus erhöht und das Risikoeiner erneuten Hospitalisation oder eines Rück-falles in den Cannabiskonsum vermindert wer-den. Damit liesse sich die Nachhaltigkeit derSoteria-Behandlung wesentlich verbessern. Diesist konzeptuell ein wichtiger Schritt in Richtungintegrierter Versorgung mittels fliessendem Über-gang von stationärer, komplementärer hin zurambulanten Betreuung, verbunden mit der Be-handlungskontinuität durch den Case Manager.

AusstrahlungIm deutschen Sprachraum ist das Interesse fürden Soteria-Ansatz in den letzten Jahren sehrstark gestiegen. So sind in der Zwischenzeit dreiweitere Soterias in Frankfurt/Oder, Zwiefaltenund München-Haar entstanden. Erstere musstewegen mangelnder Sicherstellung der Finanzie-rung wieder geschlossen werden. Zudem sindmehrere «Stationen mit Soteria-Elementen» ent-standen. Daneben gibt es mehrere Projektgrup-pen (auch wieder in den USA), meist erst auf derPlanungsebene, vereinzelt dagegen auch schonauf der Ebene der praktischen Verwirklichung.Erheblich gewachsen ist ebenfalls das einschlä-gige Schrifttum, wobei aber Veröffentlichungenmit wissenschaftlich evaluativem Charakterimmer noch deutlich in der Minderzahl sind.1997 konnten wir in Bern die «Internationale Arbeitsgemeinschaft Soteria» gründen, deren jähr-liche Treffen immer mehr Teilnehmer anzieht.

Die Soteria-Idee ist keineswegs nur ein roman-tisches Relikt aus der angestrebten «menschli-cheren» Psychiatrie bzw. «Antipsychiatrie» derSechziger- und Siebzigerjahre, sondern vielmehr(vermutlich in abgewandelter, aber nicht ihresKerns entfremdeter Form) die (oder doch eine)gute Lösung für eine Psychosebehandlung derZukunft. Denn wenn tatsächlich, wie es jetztimmer klarer wird, die Umwelt- und subjektiveBeziehungssituation einen tiefen Einfluss auf dieganze Hirnfunktion hat, so bietet kein anderesuns bekanntes Milieu als das der Soteria optimaleBedingungen, um eine psychotisch verstörteHirnfunktion zu verbessern. TherapeutischeWohngemeinschaften vom Typ der Soteria dür-fen deshalb als Hoffnungsträger und attraktivesSchrittmachermodell für die Schizophreniebe-handlung des 21. Jahrhunderts gesehen werden.

Literatur– Ciompi L, Hoffmann H, Broccard M (Hrsg.). Wie

wirkt Soteria? Eine atypische Psychosenbehand-lung kritisch durchleuchtet. Bern, Göttingen, Toronto, Seattle: Verlag Hans Huber; 2001.

– Ciompi L, Hoffmann H. Soteria Berne – an innova-tive milieu therapeutic approach to acute schizo-phrenia based on the concept of affect-logic.World Psychiatry. 2004;3:140-6.

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Wie jedes Jahr unterstützen wir aus dem Ertrag des Riehener Seminars ein humanitäres Projekt. Die Schweizer Ärztin, Frau Dr. Iris Jordi hat seit einigen Jahren eine „Primary Mental Health Clinic“ in Herat aufgebaut, die heute auch Pflegende und Me-dizinstudenten im Rahmen des universitären Programms aus-bildet. Sie schreibt: „Unsere Ärzte und Pflegenden führen sys-tematisch Mental-Health-Kurse in den Distrikten der Provinz durch, damit eine psychiatrische Grundversorgung mehr und mehr in den peripheren Kliniken der Provinz und später auch in den Nachbarprovinzen angeboten werden können.“

„NACH AFGHANIStAN KoMMt Gott NUR UM zU WEINEN“ – Dieser Buchtitel (von Siba Shakib) sagt etwas über die langjährige verzweifelte Lage dieses zerklüfteten Berglandes, das einst die Wiege grosser Kulturen war. Die Taliban sind zwar besiegt, aber die Kriege haben tiefe Wunden bei den Menschen hinterlassen.

DIE LAGE DER FRAUEN in Afghanistan ist weiter-hin katastrophal. Zwar dürfen sie offiziell wieder allein ausser Haus, und sie dürfen arbeiten, was ihnen unter den Taliban verboten war. Praktisch aber bleiben viele von ihnen weiter im Haus ver-steckt. Ein Viertel aller Kinder stirbt vor dem Er-reichen des fünften Lebensjahres.

DIE WUNDEN DES KRIEGESBesonders zu schaffen machen Armut und Elend den Kriegswitwen und ihren Kindern. Allein in Ka-bul leben rund 40‘000 Kriegswitwen. 80 Prozent von ihnen sind Analphabeten. Viele hungern. Ge-heizt und gekocht wird mit Holz oder Plastikab-fällen. Die Kindern werden zum Sammeln auf die Strasse geschickt und können nicht zur Schule.

PRIMARy MENtAL HEALtH In Afghanistan gibt es nur zwei Psychiater, die aber nicht auf diesem Beruf arbeiten. Und doch brauchen die Menschen Hilfe mit ihren Depressi-onen, Ängsten und Traumafolgen. Ziel ist es, eine neue Versorgung aufzubauen und Pflegende und Ärzte in den Grundlagen psychiatrischer Diagnos-tik und Therapie auszubilden.

PSyCHoEDUKAtIoN: Gesundheitshelfer werden ausgebildet, wie sie die Konzepte psychischer Probleme mit einfachen Worten erklären kön-nen. Sie gehen hinaus in andere Dörfer und Pro-vinzen und verbreiten Fachwissen und Hoffnung für die leidende Bevölkerung.

WEItERE INFoRMAtIoNEN:

www.iam-afghanistan.org

Streiflichter

Unser Spendenprojekt

Das neue Gebäude der Primary Mental Health Clinic liegt in einer kargen Gegend ausserhalb Herats. Dennoch wird es während der Woche von vielen Patienten aufgesucht, die sich Hilfe für ihr seelisches Leiden erhoffen.

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Auszüge aus dem tätigkeitsbericht der Primary Mental Health Clinic Herat

Facts at a GlanceCommunity Mental Health Training

Community Health Worker Supervisors Trained 27

Community Health Worker Trainers Trained 38

Community Health Workers Trained 67

Community Leaders and Members Trained 237

Professional Mental Health Training

Doctors Trained 66

Doctor Assistants Trained 8

Pharmacists Trained 1

Nurses Trained 51

Midwives Trained 19

Vaccinators Trained 19

Nursing Students Trained 45

Midwifery Students Trained 35

Mental Health Clinic-Resource Centre

New Patients 3,236

Patients Under Treatment 4,046

Percentage of Women Patients 62%

Follow-up Sessions 6,115

Counselling Sessions Run by Nurses 487

Waiting Room Mental Health Education Sessions 281

8 9

Primary Mental Health Project A village woman who became mentally ill after labour was told to go to a neighbouring country to get treatment. However, some villagers who had been to their own village clinic understood that she could have a mental illness. They advised her to go to the doctor in the local clinic since he had taken part in PMHP’s mental health training. She visited the doctor but was not convinced that he could help her so she was informed about the Mental Health Clinic-Resource Centre. She came to the Clinic and was treated by a doctor. The doctor gave her the same information as the local clinic doctor. This convinced her that the local doctor

could do proper mental health work.

Prior to his participation in PMHP’s mental health training, one doctor rejected a lot of patients that he did not know how to treat. He also had a lot of problems with his wife and his child, who had a mild mental disability. He thought his child was lazy, so he was beating the child. During the course the doctor gained an interest in mental health. His attitude toward his wife and child changed. He started treating his wife well, and together they concentrated on their child. He brought his child to the Mental Health Clinic to fi nd out more about how to help his child. He also asked the doctors to prepare a simplifi ed form for the fi les of psychiatric patients at the clinic where he worked. The form was prepared and he is now using it. Since the course, he has referred a lot of patients to the Clinic and

his referrals, measured by professional standards, have been good.

Worldwide, an average of 24% of all patients seeking help in primary health care facilities are suffering from a mental disorder. This figure is likely

higher in Afghanistan where decades of war and its devastating socioeconomic consequences have increased the prevalence of mental illnesses. However,

professional mental health care has been virtually nonexistent, and most communities lack any understanding of mental suffering. In the western region of Afghanistan, the Primary Mental Health Project (PMHP), which began in 2000, is involved in mental health capacity building on both the community and the professional levels. PMHP is a member of the Afghan Ministry of Public Health’s national Mental Health Taskforce. Therefore, the project is actively involved in the development of a national mental health policy. PMHP also assists the Herat Medical Faculty and the Institute of Health Sciences by supporting them in their mental health teaching.

In 2007, PMHP continued providing mental health training to doctors, nurses, and midwives who practice in the general health care system. Community Health Workers and community leaders also received training and were enabled to raise awareness about mental health issues in their communities. Individuals from several districts of Herat Province, parts of Badghis Province, and the Lal-wa-Sarjangal district of Ghor Province participated in these trainings. As a result, mental health care is now available in general health care facilities in these districts in accordance with government policy. Additionally, PMHP has continued to run the Mental Health Clinic-Resource Centre in the city of Herat providing many psychiatric patients with medical treatment or counselling and mental health education. The Clinic-Resource Centre also served as a training facility for medical and nursing students. PMHP is grateful to IAM member agencies FLOM, FLM, MCCN, and TearFund UK for their support this year.

Facts at a GlanceCommunity Mental Health Training

Community Health Worker Supervisors Trained 27

Community Health Worker Trainers Trained 38

Community Health Workers Trained 67

Community Leaders and Members Trained 237

Professional Mental Health Training

Doctors Trained 66

Doctor Assistants Trained 8

Pharmacists Trained 1

Nurses Trained 51

Midwives Trained 19

Vaccinators Trained 19

Nursing Students Trained 45

Midwifery Students Trained 35

Mental Health Clinic-Resource Centre

New Patients 3,236

Patients Under Treatment 4,046

Percentage of Women Patients 62%

Follow-up Sessions 6,115

Counselling Sessions Run by Nurses 487

Waiting Room Mental Health Education Sessions 281

8 9

Primary Mental Health Project A village woman who became mentally ill after labour was told to go to a neighbouring country to get treatment. However, some villagers who had been to their own village clinic understood that she could have a mental illness. They advised her to go to the doctor in the local clinic since he had taken part in PMHP’s mental health training. She visited the doctor but was not convinced that he could help her so she was informed about the Mental Health Clinic-Resource Centre. She came to the Clinic and was treated by a doctor. The doctor gave her the same information as the local clinic doctor. This convinced her that the local doctor

could do proper mental health work.

Prior to his participation in PMHP’s mental health training, one doctor rejected a lot of patients that he did not know how to treat. He also had a lot of problems with his wife and his child, who had a mild mental disability. He thought his child was lazy, so he was beating the child. During the course the doctor gained an interest in mental health. His attitude toward his wife and child changed. He started treating his wife well, and together they concentrated on their child. He brought his child to the Mental Health Clinic to fi nd out more about how to help his child. He also asked the doctors to prepare a simplifi ed form for the fi les of psychiatric patients at the clinic where he worked. The form was prepared and he is now using it. Since the course, he has referred a lot of patients to the Clinic and

his referrals, measured by professional standards, have been good.

Worldwide, an average of 24% of all patients seeking help in primary health care facilities are suffering from a mental disorder. This figure is likely

higher in Afghanistan where decades of war and its devastating socioeconomic consequences have increased the prevalence of mental illnesses. However,

professional mental health care has been virtually nonexistent, and most communities lack any understanding of mental suffering. In the western region of Afghanistan, the Primary Mental Health Project (PMHP), which began in 2000, is involved in mental health capacity building on both the community and the professional levels. PMHP is a member of the Afghan Ministry of Public Health’s national Mental Health Taskforce. Therefore, the project is actively involved in the development of a national mental health policy. PMHP also assists the Herat Medical Faculty and the Institute of Health Sciences by supporting them in their mental health teaching.

In 2007, PMHP continued providing mental health training to doctors, nurses, and midwives who practice in the general health care system. Community Health Workers and community leaders also received training and were enabled to raise awareness about mental health issues in their communities. Individuals from several districts of Herat Province, parts of Badghis Province, and the Lal-wa-Sarjangal district of Ghor Province participated in these trainings. As a result, mental health care is now available in general health care facilities in these districts in accordance with government policy. Additionally, PMHP has continued to run the Mental Health Clinic-Resource Centre in the city of Herat providing many psychiatric patients with medical treatment or counselling and mental health education. The Clinic-Resource Centre also served as a training facility for medical and nursing students. PMHP is grateful to IAM member agencies FLOM, FLM, MCCN, and TearFund UK for their support this year.

Eine Frau weit draußen in einem Dorf wurde nach der Geburt psychisch krank. Man riet ihr, Hilfe im Ausland zu suchen. Einige Dorfbewohner, die schon in der örtlichen Klinik waren, merkten aber, dass es sich hier um eine psychische Krankheit handelte. Sie rieten ihr zum Arzt in der Dorf-klinik zugehen, weil dieser in der Ausbildung des Primary Mental Health Projects (PMHP) gewesen war. Sie ging zwar hin, zweifelt aber, ob er ihr wirklich helfen könne. Man verwies sie dann an das Zentrum der Primary Mental Health Clinic. Der Arzt gab ihr die gleichen Medikamente wie der Dorfarzt. Jetzt war sie überzeugt, dass dieser sich bei psychischen Krank-heiten wirklich auskannte.

Bevor er an der Ausbildung des PMHP teilgenommen hatte, wies ein Dorf-arzt viele Patienten ab, weil er nicht wußte, wie er sie behandeln sollte. Er hatte zudem auch Probleme mit seiner Frau und mit seinem Kind, das leicht minderbegabt war. Er dachte, das Kind sei faul und schlug es oft, wenn es nicht begriff. Während des Kurses begann sich der Arzt für psy-chische Probleme zu interessieren. Seine Haltung gegenüber seiner Frau und seinem Kind änderte sich. Er nahm Anteil an den Sorgen seiner Frau, und die beiden kümmerten sich gemeinsam um das Kind. Nach dem Kurs regte er an, ein einfaches Blatt zur Erfassung psychischer Probleme zu schaffen, damit er die Patienten in seinem Dorf besser erfassen und be-handeln konnte. Seit dem Kurs hat er viele Patienten an die Klinik verwie-sen und er leistet selbst gute Arbeit mit psychisch Kranken.

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VAS Km Schweiz Suisse Svizzera Svizra

Schweizerischer Dachverband der kantonalen und regionalen VASK Vereinigungen der Angehörigen von Schizophrenie-/Psychisch-Kranken

Schweizerischer Dachverband VASK Schweiz St. Alban-Anlage 63,4052 Basel 061271 1640 [email protected] www.vask.ch

VASK Aargau Bahnhofstrasse 57,5000 Aarau 06283750 15 MO 9.30-1 1.30

Stiftung Melchior, Angehörigen Selbsthilfe Thiersteinerallee 51, Postfach, 4018 Basel 061 206 97 60 zu Bürozeiten [email protected] www.stiftungrnelchior.ch

VASK Bern Postfach 8704,3001 Bern 031 311 6408 Mi 9.00-1 1.00 Fr 13.00-15.00 [email protected] www.vaskbern.ch

Assoc. Le Relais Genkve Rue des Savoises 15, 1205 Geneve Permanence telephonique 022781 6520 Mo 13.30-16.00 Fr 13.30-16.00 [email protected] www.lerelais.ch

VASK Zentralschweiz Postfach 534,6210 Sursee 041 921 60 48 Mo 14.00-16.00 Fr 14.00-16.00 [email protected]

VASK Ostschweiz Alte Landstrasse 21. 9038 Rehetobel 071 866 I2 12 werktags. ohne Gewähr

VASK ~raubünden Postfach, 7208 Malans 081 353 71 01 MO 8.30-11.30 Do 14.00-17.45 [email protected] www.vaskgr.ch

VASK Schaffhausen Neustadt 77.8200 Schaffhausen 052625 5580 werktags, ohne Gewähr

1 VASK Ticino Trevano 7A, 6900 Lugano 076 453 75 70 werktans 9.30-1 1.30

LLBERTS L'ilot, Association vaudoise ET

PAmE Avenue d'Echallens 131, 1004 Lausanne 02 1 626 57 74 [email protected] www.lilot.org

VASK Zürich Langstrasse 149,8004 Zürich 0442404868 D i 14.00-18.00 DO 14.00-18.00 [email protected] www.vaskzuerich.ch

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Voranzeige 2009

REFERATE:

– Prof. Dr. Daniel Hell

– Prof. Dr. Peter Keel

– Prof. Dr. Thierry Ettlin

– Felix Studer, lic. phil.

u.a.

Weitere Infos:

www.seminare-ps.net


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