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Die Konstitution des Cellulose-xanthogenates ; von Th. Aieser.

11. Mi t t e i l u n g.?

[ Aus dem Chem.-Techn. Laboratorium der Techn. Bochschule Miinchen.]

(Eingelaufen am 14. Miirz 1929.)

In einer friiheren Mitteilung’) wurde gezeigt, daS dem primaren Natrium-cellulose-dithiocarbonat die Zu- sammensetzung

0 . C H O . C H 0 C / - S 6 ‘ \s. Na

zugeschrieben werden mul3. Hiernach reagieren also bei der Viscosereaktion j e 2 C,H,,O, mit einer Hydroxylgruppe. Die weitere Anfgabe war nun, festzustellen, welche der drei vorhandenen Hydroxylgruppen der Cellulose, zwei seknndare und eine primare, die Viscosereaktion eingeht.

Die Hauptschwierigkeit der neuen Untersuchung lag wie bei der friiheren in der auflerordentlichen Unbestan- digkeit des Natrium-cellulose-dithiocarbonates. Es wnrde daher zuerst versucht, von stabileren Derivaten des Xantho- genates auszugehen. Am geeignetsten erschien das Di- snlfida) der folgenden Zusammensetzung:

0. C,H,O, . C,H,,O, C,H,,O, . C,H,O,. 0 S=\

S/ c/-s \s

Dieser Korper ist nnbegrenzt haltbar, und es bestand die Hoffnung, die freien Hydroxyle durch geeignete Reste ab- decken zu konnen, ohne daS die Xanthogenatgruppe ab- gespalten wiirde. Diese Hoffnung erfullte sich nicht. Bei den zahlreichen Methylierungsversuchen resultierten selbst unter den schonendsten Bedingungen schwefelfreie oder sehr schwefelarme Produkte.

I) 1. Mitteilung: A. 464, 43 (1928). 2, A. 464, 47 (1928).

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Nachdem dieser Weg nicht zum Ziele fuhrte, wurde der nmgekehrte W eg eingeschlagen und versucht, den un- bestandigen Xanthogenatrest durch eine stabilere Gruppe, zweckmaflig dnrch Alkyl, zu ersetzen. Jodmethyl und Di- methylsnlfat schieden aus, weil sie auch bei vorsichtiger Handhabung die freien Hydroxyle verathern. Es blieb das Diazomethan. Diazomethan wirkt, wie der Modellversuch zeigte, auf die freien Hydroxyle der Cellulose kanm ein.’) Es bestand daher die Aussicht, bei der Einwirkung von Diazomethan auf Cellulose-xanthogenat nur die in Zerfall befindliche Dithiocarbonatgruppe durch Alkyl ersetzen zu konnen. Bei der folgenden Versuchsanordnung konnte in fast quantitativer Reaktion die Dithiocarbonatgruppe durch Metall ersetzt werden.

Das wie fruher beschrieben 2), mit absolntem Me- thanol gereinigte faserformige primare Natrium-cellulose- dithiocarbonat wurde in kaltem Methanol aufgeschwemmt und unter Ruhren bei Eiswasserkiihlung ein gro5er Uber- schu5 an Nitroso-methyl-urethan s, aus einem Tropftrichter zuflieJ3en gelassen. Wie fruher festgestellt 7 , unterliegt das Cellulose-xanthogenat bei Gegenwart von absolutem Ne- thanol bei mehrstiindiger Dauer langsam der Hydrolyse. I n diesem fortwahrenden Stadium des Zerfalls macht das entstehende methylalkoholische Natrium aus Nitroso-me- thyl-urethan Diazomethan frei, das an den Celluloserest herantritt und ihn abslittigt. Bei auterordentlich grotem UberschuS von Diazomethan verlauft die Methylierung in 4 -5 Stunden fast quantitativ, wobei die Faserform der urspriinglichen Baumwolle erhalten bleibt. Der entstehende Korper ist gemafl den obigen Uberlegungen und gemal3 seiner durch die Analyse bestatigten Zusammensetznng in der Haupt-

I) Vgl. Geake u. N i e r e n s t e i n , H. 92, 150 (1914); L. Schmid,

*) A. 464, 49 (1928). s, Hrn. Prof. K. H. Meyer und der I. G. Farbenindustrie A.-G.

Lndwigshafen verdanke ich die gutige Anfertigung der erforderlichen groSen Menge Nitroso-methyl-uretban.

B. 58, 1963 (1925); M. Nierenste in , B. 68, 2615 (1925).

3 A. 464, 50 (1928).

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sache als Monomethyl-diceliulose (C,H~,,O6).(C,H,O4.OCH3) an- zusprechen. Das neue Cellulosederivat quillt in Natronlauge und ist unlijslich in organischen Lijsungsmitteln. Unter den iiblichen Bedingungen geht es die 37iscosereaktion nicht ein.

Die weitere gufgabe bestand nun darin, die Stellung des Methoxyls in der Monomethyl-dicellulose zu ermitteln. In dieser Absicht wurde das Cellulosederivat der Hydrolyse mittels Schwefelsaure unterworfen, wodurch ein Gemenge von Glucose und Monomethyl-glucose erhalten wnrde. Aus diesem Gemisch lied sich die Glucose durch Qarung mittels Hefe quantitativ entfernen, da die Monomethyl-glucose, wie der Nodellversuch ergab, nicht garfahig ist. Die erhal- tene Monomethyl-glucose ist ein fast farbloser Sirup, der bisher nicht zur Krystallisation gebracht werden konnte. Die Methylglucose ergibt unter den ublichen Bedingungen kein Osazon. Hiernach ist sie als 2-Ji'ethyZylucose anzu- sprechen. Das Hydrazon der Methylglucose wurde in wohl- krystallisiertem Zustand erhalten. - Es sei erwahnt, da13 die 6-Monomethyl-glucose von H e l f e r i c h unter den ub- lichen Bedingungen ein Osazon ergibt.l)

Uer endgiiltige Beweis, daB die neue Methylglucose das Methoxyl in 2-Stellung tragt, wurde erbracht durch die Synthese des 2-Methylglucose-phenylhydrazons und dessen Identifizierung mit dem oben erhaltenen Phenylhydrazon. Es wurde ausgegangen von der von P. B r i g 1 dar- gestellten l-Chlor-3,4,6-triacetyl-glucose. Hieraus wurde mittels Jodmethyl und Silberoxyd das 3,4,6-triaceto-2-me- thyl-methylglucosid erhalten. Das 1-standige Methyl und die Acetylgruppen wurden durch Kochen mit Salzsaure abgespalten nnd die resultierende 2-Methylglucose mit Phenylhydrazin kondensiert. Uas erhaltene Hydrazon war hinsichtlich Analyse, Schmelzpunkt und Mischschmelzpunkt identisch mit dem oben erhaltenen Phenylhydrazon.

Aus diesen Ergebnissen muO der SchluS gezogen

1) B. Hel fer ich u. S e e k e r , A. 440, 13 (1924).

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werden, daD das 2-standige sekundare Bydroxyl der Cellulose die Yiscosereaktion ein ge Jt t.

Beschreibung der Versuche.

D a r s t e l l u n g d e r Monomethyl-dicellulose. 1 g Baumwolle wird unter den fruher beschriebenen

Bedingungen in Xanthogenat ubergefuhrt und dieses mit Methanol gereinigt. Das Xanthogenat wird sofort nach der Reinigung in etwa 50 ccm absolntem kaltem Methanol i n einem 200 ccm Pulverglas aufgeschwemmt und unver- zuglich unter kraftigem Riihren mittels Glasstabes unter Eiswasserkuhlung aus einem Tropftrichter Nitroso-methyl- urethan in Methanol (1 : 1) zutropfen gelassen. Es entsteht sogleich Diazomethan, kenntlich an der intensiven Gelb- farbung des Glasinhaltes, nnd es setzt kraftige Stickstoff- entwicklung ein. Nach etwa 1/2 stundigem Ruhren von Hand kann man die Durchmischung des Reaktionsgutes durch ein Ruhrwerk besorgen, wobei die Fasercellulose sich nicht um den Riihrer wickeln soll. Unter steter Kiihlung mit Eiswasser und bei standigem UberschuB an Diazomethan 1aDt man die Reaktion 5 Stunden in Gang. Miin filtriert ab und wtischt zur besseren Befreiung von entstandenem Mercaptan in der Pulverflasche mit Alkohol unter jedesmaligem Abfiltrieren und Abpressen. Hiernach wird wiederholt rnit Wasser gewaschen und bei 105O ge- trocknet. - Wenn zur Methylierung von 1,25 g Xantho- genat 20 ccm Nitroso-methylurethan verwendet werden, besitzt die entstandene Monomethyl-dicellulose den theore- tischen Methoxylgehalt. Dieser wurde stets nach der aus- gezeichneten Methode von K i r p a l und Biihn bestimmt.

Analysenbeispiel: E = 0,0500 g. Verbr. 1,47 ccm n-AgNO, entspr. 9,13 O/,, OCH, (ber. 9,18Proc.).

Die zahlreichen Versuche, den theoretischen Methoxylgehalt rnit geringeren Mengen Nitroso-methyl-urethan, kiimerer Reaktionszeit oder haherer Temperatur zu erreichen, waren erfolglos. Praktisch wurde meiat so verfahren, daE auf je 2 g Cellulose 25 ccm Nitroso-methyl-

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urethan zur Anwendung kamen unter den oben beschriebenen Bediu- gungen.

Die Monomethyl-dicellulose stellt einen farblosen Korper dar, der das Aussehen der Baumwollcellulose besitzt. Er qnillt in Lauge auf, ohne sich jedoch zu losen. Eine Probe wurde wie ublich mercerisiert, abgepreDt nnd sul- fidiert. Es t ra t keine Fasserloslichkeit anf.

Der Methoxylgehalt betrug d a m 6-7 Proc.

M e t h y l i c r u n g s m o d e l l v e r s u c h a n Cel lulose. 1 g Baumwollcellulose wurde unter den gleichen Bedingungen

wig Xanthogenat 5 Stunden in Methanol mit 20 ccm Nitroso-methyl- urethan behandelt, wobei jede Stunde 1 ccm 25-proc. methylalkoholische Kalilauge zugefugt wurde.

E = 0,1000 g. Verbraucht 0,28 ccm 'Ilo n AgNO, cntspr. 0,87 Proc. OCH, .

1 g Baumwollcellulose wurde wie ublich in Xanthogenat uber- gefuhrt und aus diesem die Cellulose mittels n-H,SO, in Faserform regeneriert. Diese regenerierte Cellulose wurde mit Nitroso-methyl- urethan und methylalkoholischem Rali wie vorhin behandelt.

E = 0,1000 g. Verbraucht 0,24 ccm 'Ilo n-BgNO, entspr. 0,75 Proc. OCII,.

Hydr o lyse d e r Monom e t h yl -d ice l lu lose und V e r g a r u n g d e r Glucose.

1 Teil Monomethyl-dicellulosc wird mit 3-4 Teilen 75 - proc. Schwefelsliure mittels Glasstabes verriihrt und 20 Stunden bei Zimmer- temperatur sufbewahrt. Durch Verdiinnen mit Waeser wird auf etwa

Schwefelsaure gebracht und 2 Stunden unter RiickfluS gekocht. Durch einen Schott-Tiegel wird filtiiert und das Filtrat im Erlenmeyer auf siedendem Wasserbad mit Bariumcarbonat zur Analyse neutralisiert. Der Kolbeninhalt wird in eine Porzellanschale ubergefuhrt und auf dem Waseerbad zur Trockne verdampft. Der Riickstand wird in einen Kolben gebracht und mit 80-90-proc. Alkohol unter Riickfld aus- gekocht. Es wird auf einem Hartfilter filtriert und der Biickstand samt Filter nochmals mit 80-90-proc. Alkohol ausgekocht und wieder abfiltriert. SchlieSlich wird wiederholt mit Alkohol gewaschen. Die vereinigten Filtrate werden auf dem Wasserbad eingeengt uud wieder- holt mit Wasser aufgenommen, bis samtlichcr Alkohol verjagt ist. Die gelb gefarbte Fliissigkeit wird durch Koohen mit Tierkohle nahezu entfiirbt und nach Filtration auf ein Verhaltnis von 10 Teilen Wasser zu 1 Teil Glucose gebracht. Es wird in einen geriiumigen Erlenmeyer gegeben und das halbe Gewicht der Glucose an frischer obergariger

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Hefe zugefiigt. Es wird verrieben und unter bisweiligem Schiitteln 20 Stunden bei SOo aufbewahrt. Die Girung setzt alsbald sehr kraftig ein und ist nach 8 Stunden fast vollendet. Nach beendeter Giirung wird mit dem vierfachen Quantum 96-proc. Alkohol versetzt und zum Sieden erhitzt. Von der ausgeallten Hefe wird abfiltriert, das Filtrat eingeengt und nach Verjagen des Alkohols mit Tierkohle gekliirt. Nach Entfernen des Wassers im Vakuum iiber Phospborpentoxyd hinterbleibt die Monomethylglucose als gelblicher amorpber Kiirper, der such bei wochenlangem Stehen nicht krystallisiert. Der Methoxyl- gehalt lag urn 2 Proc. unter dem theoretischen, was auf unvoll- kommene Reinheit, zum Teil such auf unvollstindige Trocknung zu- riickzufiihren sein wird.

0,1025 g Subst. verbrsuchten 4,60 ccm n-AgNO,. Ber. OCH, 15,98 Gef. OCH, 13,9'L.

G a r u n g s m o d e l l v e r s u c h . 0,800 g Monomethyl-dicellulose, von der 0,1000 g bei der Meth-

oxylbestimmung nsch K i r p a l und BU hn 2,8 ccm n-AgNO, ver- brauchten, warden wie ublich hydrolysiert. Das aufgearbeitete Hydro- lysat wurde in zwei genau gleiche Teile geteilt, deren einer der Ver- garung unterworfen wurde.

Der nicht der Vergarung unterworfene Teil verbrauchte bei der Methoxylbestimmung 8,55 ccm 'Ilo n-AgNO,.

Der durch Giiruug von Glucose befreite Teil verbrauchte 8,68 ccm n-AgNO,.

I> ar s t e l l u n g d e s H y d r a z o n s a u s 2 -Met h y 1-gl u c o s e. Der Sirup wurde in sehr wenig Wasser gelbst, etwas

mehr als die berechnete Menge Phenylhydrazin zugefugt nnd 2 Tage in der EZalte stehen gelassen. Das iiber- schussige Phenylhydrazin wurde mittels Ather entfernt und der Ruckstand zweimal mit wenig Wasser verriihrt und dekantiert. Getrocknet zeigten die schmutzig gelben Blatt- chen den Schmelzp. 163O. Zur Reinigung wurde zweimal aus Slkohol umkrystallisiert. Die nunmehr sehr feinen farblosen Blattchen schmolzen scharf bei 176O (unkorr.).

0,0186 g Subst.: 0,65 ccm 'Ilo n-AgNO,.

4,050 mg Subst.: 8,140 mg CO,, 2,590 mg H,O.

Ber. OCH, 10,92 Gef. OCH, 10,83.

Ber. C 54,93 H 7,04 Gef. C 54,81 H 7,lO.

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110 .Lie S G T , Die Konstitution des Cellulose-xanthogenates.

Syn these des Hydrazons d e r 2-Methyl-glucose. p-Pentacetyl-glucose wnrde nach B r i gll) in l-Chlor-

2-trichlor-acetyl-3,4,6-triaceto-glucose ubergefiihrt, diese mit Ltherischem Ammoniak partiell verseift zu l-Chlor- 3,4,6-triacetyl-glucose. Uurch Jodmethyl und Silberoxyd in zweimaliger Operation wurde zum 3,4,6-Triaceto- 2-rnethyl-methylglucosid methyliert. Nach Beseitigung der Silbersalze und Klarung mit Tierkohle wurde ein Sirup erhalten, aus dem bei langerem Stehen strahlige NLdelchen krystallisierten. Diese, aus Wasser umkrystallisiert, zeigten den scharfen Schmelzp. 121' (unkorr.).

0,0300 g Subst.: 1,82 ccm 'Ilp n-AgNO,. Ber. OCH, 18,56 Gef. OCH, 18,80.

0,120 g des Methylglucosids wurden mi t 10-proc. Salz- saure 4 Stunden unter RiickfluS gekocht, die Salzsaure durch Silbercarbonat entfernt und im Vakuum eingeengt. Dann wurde mit Phenylhydrazin im UberschuD versetzt und das Hydrazon wie oben dargestellt und isoliert. Es zeigte in rohem Zustand den Schmelzp. 173O und aus Al- kohol nmkrystallisiert den Schmelzp. 176O (nnkorr.). Der Mischschmelzpunkt beider Hydrazone ergab keine De- pression.

0,0208 g Subet. verbrauchten 0,74 ccm

3,890 mg Subst. : 7,780 mg CO,, 2,570 mg H,O. Ber. C 54,93 H 7 , l O Gef. C 54,54 H 7,33.

n-AgNO,. Ber. OCH, 10,92 Gef. OCH, 11,02.

Der Notgemeinsc haft der Deutsc hen Wissenschaft, m i t deren Un ters tiitzung die vorliegende Arbeit ausgefuhrt wurde, sei auch an dieser Stelle der ergebensteDank aus- gesprochen. -

') P. B r i g l , H. 116, 20 (1921). H. 116, 39 (1921).


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