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54 MOBIL DIGITAL Donnerstag, 11. Februar 2010 Nr. 34Neuö Zürcör Zäitung

META-TAG

Von Menschenund Affen

Stefan Betschon Die Informatik pro-duziert laufend neue Wörter, nicht ein-fach nur Akronyme und Fachbegriffe,die niemanden etwas angehen, sondernauchWörter, die wichtige neue Aspektedes Menschseins fassbar machen. Diemeisten dieser Wörter verschwindenrasch wieder, weil die Technik und ihrsozialer Gebrauch sich verändern. «Da-tenfernübertragung» ist so einWort, daszusammen mit dem Zischen und Krei-schen der Analogmodems und denBulletin Board Systems dem Vergessenanheimgefallen ist. Es gibt aber auchWörter, die bleiben. «Unfriend» könnteso ein Wort sein. Dieses Tätigkeitsworthabe das Zeug, lange zu überleben,glauben die Sprachwissenschafter des«New Oxford American Dictionary».Sie haben es deshalb zumWort des Jah-res 2009 gewählt. Es bedeutet, in einemsozialen Netzwerk jemandem dieFreundschaft zu kündigen.

Interessant ist an diesem Wort nichtnur die Negation, nicht nur die Ände-rung der Wortart – das englische Sub-stantiv verwandelt sich in ein Verb –,sondern auch die Veränderung derSemantik: Freund ist nicht mehr einMensch, denman persönlich kennt, son-dern ein Hyperlink und ein daumen-nagelgrosses Bildchen, das für alle sicht-bar die eigene Facebook-Seiteschmückt, ein Statussymbol, das öffent-lich die eigene Bedeutung demonstriert.Deshalb gibt es auch Progrämmchenwie Friendflood, die einem – gegen Ent-gelt – viele virtuelle Freunde beschaf-fen. Facebook-Mitglieder haben eineWiderstandsgruppe gegründet, um ge-gen die auf 5000 angesetzte Limitierungder Zahl der Freunde zu protestieren.

Der britische Wissenschafter RobinDunbar, bis 2007 Professor für evolutio-näre Psychologie in Liverpool, hat beider Beschäftigung mit Affen heraus-gefunden, dass das Gehirn von Prima-ten nicht beliebig viele Sozialkontakteverarbeiten kann. Menschen hält er fürfähig, mit 150 Freunden, Bekannten undVerwandten umzugehen. «Unfriend»hilft uns jetzt, aus dem Cyberspace wie-der zurück in die Wälder zu kommen.

Bilder als Brücke vom Papier zum WebMit ähnlichen Verfahren verlinken das Startup Kooaba und Google geknipste Fotos mit Informationen

Apps für Handys erlauben mit-tels fotografierter StrichcodesInformationen aus dem Web ab-zurufen. Die Technik ist nichtneu, hat sich aber nicht durch-gesetzt. Nun setzt eine SchweizerFirma auf Bilder statt Codes,diesen Ansatz testet auch Google.

Claude Settele

Mit einer Technik des ETH-Spin-offKooaba erhält das Sprichwort «Ein Bildsagt mehr als tausend Worte» eine neueBedeutung. Es können nämlich leichtauch zweitausend und mehr Wörtersein. Diese braucht es nicht, um das Bildzu beschreiben, das Bild ist vielmehrVehikel, um eine Brücke zu Inhalten imInternet zu schlagen. Kooaba heisstnicht nur die Firma, die Herbert Bayund Till Quack in Zürich gegründethaben, sondern auch eine kleine An-wendung für das iPhone und Android-Mobiltelefone.

Barcodes haben GrenzenMittels dieser App fotografiert manVorlagen wie Buchdeckel, CD- undDVD-Covers oder Filmplakate, umdann im Web Informationen zu erhal-ten. Aus einem Haufen von Pixeln wer-den Worte. Die Verknüpfung von grafi-

schen Zeichen mit Informationen nutztdie Industrie über Strichcodes, QR-Codes und DataMatrix-Codes seit Jah-ren. Es wurden schon verschiedene An-läufe unternommen, solche Codes fürKonsumenten attraktiv zu machen. Kei-nes der Projekte, die geknipste Codesmit Inhalten verknüpfen, hat bisheraber den Durchbruch geschafft. Immer-hin gibt es inzwischen eine Reihe vonApps wie QuickMark, Beetaag, Shop-Savy oder RedLaser, die das mobileScannen einfacher machen.

Für Herbert Bay, Geschäftsführervon Kooaba, hat dieser Ansatz eine ent-scheidende Schwäche: Barcodes mussman mit Aufwand in Objekte integrie-ren, damit diese lesbar werden. Koo-abas Verfahren setzt allein auf Bild-erkennung, um ein Objekt via eineDatenbank zu identifizieren. Wie dieAnbieter von Code-Scannern liefertKooaba von erkannten Objekten Linksetwa zu Google, zu Wikipedia oder zueinem Shop. Doch Kooaba geht einenSchritt weiter. Jeder Anwender erhältauch ein kostenloses Konto mit eigenerDatenbank in der Cloud.

Fotografiert man unterwegs einenBuchdeckel oder ein CD-Cover, er-scheint das Objekt innert Sekunden imvirtuellen Büchergestell im Web – vor-ausgesetzt, Kooaba hat es erkannt. DieFundstücke kann man per Mausklickvia Facebook und Twitter mit Freundenteilen, und sie bleiben archiviert. Ohne

grossen Aufwand kann man so aucheine Datenbank seiner DVD-Samm-lung erstellen, samt automatisch gene-rierten Zusatzinformationen.

Automatische BilderkennungDie Objekterkennungstechnologie, dieKernkompetenz von Kooaba, arbeitetbei ausreichend belichteten Fotos zu-verlässig, die Erkennung funktioniertauch, wenn nur ein grosser Ausschnittfotografiert wird. Ebenso entscheidendist die Qualität der Datenbank. Dieseumfasst heute 10 Millionen erfassteObjekte, den Hauptanteil haben Bü-cher, darauf folgen CD, DVD sowieGames und Filmplakate.

Nun beackert Kooaba ein neuesFeld, das den Vorsprung dieser Technikgegenüber der Barcodeerkennung zeigt.Unter dem Schlagwort Interactive Printspeichert das Unternehmen ganze Aus-gaben von Zeitungen und Magazinen,was dem Anwender wie den VerlagenNutzen bringt. Interessiert man sich füreinen Zeitungsartikel, knipst man ihnmit dem Handy, kurz darauf steht er imWeb-Büchergestell, und dies nicht alsFoto, sondern in Form einer perfektenPDF-Datei.

Kooaba arbeitet mit Verlagen zu-sammen, welche die PDF ihrer Aus-gaben für die Datenbank zur Verfügungstellen. Im Gegenzug werden Verlagean Werbeeinnahmen beteiligt, welche

Kooaba in der interaktiven Web-Aus-gabe zu placieren versucht. So kann bei-spielsweise der Autotest einer Zeitungmit einemVideo des Herstellers ergänztwerden oder mit einer Einladung zurProbefahrt. Bis heute hat das Startupunter anderem Kooperationen mit«Blick» und «Weltwoche», den deut-schen Titeln «Focus» und «Chip» sowiedem US-Magazin «Wired».

Auch Google setzt auf BilderSeit zwei Monaten testet Google miteinem Projekt namensGoogels die visu-elle Suche per Bilderkennung. EineApp für Android-Handys versucht Bil-der mit Googles Datenbank zu ver-knüpfen, die mehrere Millionen Objek-te umfasst, darunter Orte, Bücher, Ge-mälde oderWeinetiketten. Google führtden Anwender über das Bild zu seinerSuchmaschine, die Resultate zum The-ma liefert.

Wie uns Matthias Meyer, Unterneh-menssprecher von Google Schweiz, mitdem vom Unternehmen entwickeltenHandy Nexus One vorführte, kannGoogels fotografierte Objekte auch mitder Anwendung Maps verknüpfen undmit Hilfe des Handy-Kompasses denBenutzer zu einem Standort navigieren.Google räumt zwar ein, dass die visuelleSuche noch am Anfang steht, doch dieProjekte vonKooaba undGoogle lassendas Potenzial erahnen.

PixelfrühlingDie ersten Wochen des Jahres brachten rund 60 neue Kompaktkameras

Die jüngsten Kameramodellevon Olympus, Nikon, Sony undanderen haben zahlreiche kleine,aber meist sinnvolle Verbesse-rungen zu bieten. Aufgetrumpftwird mit einer höheren Auf-lösung, Video-Funktionen undextremen Zoom-Faktoren.

Markus Zitt

In den ersten Wochen des Jahrs pflegendie grossen Kamerahersteller ihre Neu-heiten vorzustellen. Bereits gibt es heu-er über 60 neue Kompaktkameras zuverzeichnen. Gut die Hälfte der neustenKompaktkameras hat einen 14-Mega-pixel-Bildsensor zu bieten, obwohl die-se hohe Auflösung wenig nützt.

Fotokameras für HD-VideoWenn nun 14 Millionen lichtempfind-liche Sensorelemente statt wie bisher 10oder 12 Millionen auf der kaum Finger-nagel-grossen Fläche des Sensors unter-kommen sollen, so müssen diese ent-

sprechend kleiner sein und können da-durch weniger Licht aufnehmen. Diesereduzierte Empfindlichkeit äussert sichin den Fotos als störendes «Rauschen».

Auch bei der Aufnahme bewegterBilder ist eine hoheAuflösung angesagt,wobei diese hier jedoch willkommen ist.Inzwischen filmt die Mehrheit der Foto-apparate in High Definition, beschränktsich dabei jedoch auf das kleine HD-Format 720p. Die höherwertigen Mo-delle – wie die Nikon Coolpix P100 oderdie Sony Cyber-shot HX5 – beherrschensogar Full-HD 1080p.

Im Trend sind berührungsempfind-liche Bildschirme. Beinahe jeder Her-steller führt heute mindestens eine Ka-mera mit Touchscreen im Sortiment.Aktuelle Beispiele sind die Canon Ixus210, die Fujifilm Finepix Z700EXR unddie Nikon Coolpix S4000. Besonderssinnvoll sind Touchscreens bei den klei-nen, flachen Ultrakompaktkameras, woder Bildschirm beinahe die ganze Rück-seite beansprucht und kaum mehr Platzfür die Bedienelemente lässt.

Eine interessante neue Funktion istder integrierte GPS-Empfänger, wie eretwa in der neuen Panasonic Lumix

TZ10 oder Sony Cyber-shot HX5 ver-baut ist. Die Positionsdaten werden mitden Aufnahmen gespeichert.

Sinnvolle VerbesserungenTypischerweise besitzen Kompaktka-meras Objektive mit 4- bis 5-fachemZoombereich, inzwischen offerierenauch kleine Kameras einen 12- oder gar14fachen Zoombereich, etwa die CanonPowershot SX210. Bei den geringfügiggrösseren sogenannten Bridge-Kame-ras gibt es sogar 30-fach-Zooms. DieNikon Coolpix P100 hat ein 26-fach-Zoom, das Objektiv der Fujifilm Fine-pix HS10 reicht von 24 bis 720 Milli-meter, bei der Olympus SP-800UZ sindes 28 bis 840 Millimeter.

Die neuen Kameras bieten sinnvolleVerbesserungen. Doch grundlegendeoder herausragende Neuerungen sindausgeblieben. Zu den vielverspre-chendsten Entwicklungen gehörtenkompakte Systemkameras, die sich wieSpiegelreflexkameras mit Wechselob-jektiven bestücken lassen. Nach Olym-pus und Panasonic hat Samsung mit derNX10 hier ihr erstes Modell vorgestellt.

DIGITAL IN KÜRZE.. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .. . . .

Eine Dekade «The Sims»upp. In diesen Tagen feiert die Com-puterspielserie «The Sims» ihr zehn-jähriges Bestehen. Im Februar 2000stürmte der erste Teil von Will WrightsLebenssimulation die Charts. Plötzlichwaren nicht mehr – wie so oft in Video-spielen – stahlharte Superkrieger undmächtige Magier die Stars der Stunde,sondern Durchschnittsmenschen. «TheSims» handelt nicht von kriegerischenAuseinandersetzungen in weit entfern-ten Galaxien, sondern spiegelt das ba-nale Alltagsleben im Hier und Jetzt.Darin ist die Serie äusserst erfolgreich.Vier Jahre in Folge war «The Sims» dasmeistverkaufte PC-Spiel, ehe es 2005von «The Sims 2» abgelöst wurde. 2009folgte mit «The Sims 3» der bisher letzteTeil. Diese Spiele wurden erweitertetwa mit «H&M Fashion Accessoires»oder «Ikea Home Accessoires». Insge-samt wurden mit der Marke über 2,5Milliarden Dollar umgesetzt, was «TheSims» zur bestverkauften PC-Spielseriemacht. «The Sims» ist ein kulturellesPhänomen, das auch in die Pop-Musikhineinwirkt. Songs auf Simlisch – dieKunstsprache der virtuellen Figuren –gibt es von Lily Allen, The Black EyedPeas und auch von Stefanie Heinzmann.

Boom in BarcelonaS. B. Nächste Woche, anlässlich desMobile World Congress in Barcelona(15. bis 18. 2. 10), dürften zahlreicheneue Produkte für die Mobiltelefonieangekündigt werden. Die Branche ist imUmbruch, deshalb sind die Trendsschwer vorauszusehen. NeueMitbewer-ber markieren Präsenz (Google), es gibtneue Technologien zu verhandeln(«Long Term Evolution») und neue Ge-schäftsmodelle («App Economy). Beiden Endgeräten sind es vor allem dieganz billigen und die ganz teuren Ge-räte, die boomen. Die teuren Gerätelocken mit Multimedia-Möglichkeitenoder als Smartphones mit Fähigkeitenbei der Büroautomation. Der Absatzvon Smartphones hat sich nach An-gaben der Marktforschungsfirma IDC

im vergangenen Jahr um 15,1 Prozentauf 174,2Millionen ausgelieferte Geräteerhöht. Der Anteil der Smartphones anallen ausgelieferten Handys sei von 12,7Prozent im Jahr 2008 auf 15,4 Prozentgestiegen. Nokia (mit einem Markt-anteil von 38,9 Prozent), Research inMotion (19,8) und Apple (14,4) domi-nieren den Markt. Nokia beginnt dieserTage mit der Auslieferung des ModellsN900, einem Smartphone auf der Basisdes Linux-Betriebssystems Maemo.Noch im Verlauf des ersten Quartalswill Nokia zudem mit dem Modell X6ein Mobiltelefon auf den Markt brin-gen, das sich als Entertainer bei derWiedergabe von Fotos, Songs oder Vi-deos bewähren soll.

Mobilfunknetz wird aufgebohrtS. B. Die Swisscom wagt sich an dievierte Mobilfunkgeneration – «LongTerm Evolution» (LTE) genannt – her-an. Im April beginnen Labortests undFeldversuche. Bereits ab 2011 könnteLTE im Mobilfunknetz der Swisscomdeutlich höhere Übertragungsraten er-möglichen. Derzeit verdoppelt sich imSwisscom-Netz das übertragene Volu-men alle acht Monate. LTE versprichtEntlastung: LTE erlaubt vorerst dieÜbertragung von bis zu 150 MBit proSekunde beim Herunterladen; spätersollen sogar Datenraten von bis zu 300MBit/s erreichbar sein. Das bildet dieVoraussetzung für immer anspruchsvol-lere Multimediaanwendungen, etwaLive-TV in hoher Auflösung. LTE-fä-hige Endgeräte sind zurzeit nicht kom-merziell verfügbar; sie werden frühes-tens für Ende 2010 erwartet.

Olympus SP-800UZ Nikon Coolpix P100

Samsung NX10 BILDER: PDSony Cyber-shot DSC-HX5V

PD

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