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84 Samstug/Sonntag, 14./ 15. November 1981 Nr. 265 WOCHENENDE illciic 3iirri)cr Mt\m$

Journal der Popkultur

Musik der IndianerWenn von Schallplatten und Musikkassetten der nordameri-

kanischen Indianer die Rede ist, werden meist zwei Namen ineinem Atemzug genannt: Raymond A. Boley und seine kleine,unabhängige Schallplattenfirma Canyon Records in Phoenix,

Arizona. Vor genau dreissig Jahren begann der ehemalige Ton-techniker und Radioansager des Senders KQV in einem Studio,indianische Interpreten aufzunehmen. Daraus entwickelte sichein sehr erfolgreiches, auf ethnische Musik spezialisiertes Unter-

Vor genau dreissig Jahren machte der ehemalige amerikanische Tontech-niker und Radioansager Raymond A. Boley aus Phoenix, Arizona, erst-

mals Musikaufnahmen mit einem indianischen Interpreten.

nehmen. Canyon Records hat fast alle bedeutenden indiani-schen Musiker und Sänger unter Vertrag, insbesondere jene ausden Südweststaaten, der Region der «plains Indians», angefan-gen bei Ed Lee Natay, einem bekannten Navajo-Sänger, bis hinzur indianischen Rockgruppe XIT.

Dass Canyon Records sich zum bedeutendsten Unterneh-men für nordamerikanische Indianermusik entwickelt hat, istvor allem auf die Tatsache zurückzuführen, dass Ray Boley die

Eigenständigkeit indianischer Interpreten und ihrer Musik stetsgeachtet hat. Bereits bei den ersten Aufnahmen mit Ed LeeNatay liess Boley dem Navajo-Sänger völlig freie Hand. «In-dianische Gesänge», sagte er, «bedürfen keiner akustischenKorrektur durch Weisse. Rothäute wissen sehr viel besser, wieihre Musik zu klingen hat.»

Zwar war es für den heute bei Indianern hochangesehenen

weissen Schallplattenproduzenten anfangs nicht leicht. Musikerund Mitglieder indianischer Stämme von seinen ehrlichen Ab-sichten zu überzeugen. Viele meinten, Boley wolle mit ihrerMusik einfach Geld machen. Doch nach und nach respektierten

sie ihn als integren Geschäftsmann und redliche Person, vorallem auch deshalb, weil er indianische Schallplatten in ersterLinie für das indianische Publikum produzierte. Vor Boley warindianische Musik nämlich meist nur für akademische Zweckeund für die grossen Museen der Weissen aufgezeichnet wor-den.

Heute umfasst der Katalog von Canyon Records weit überdreihundert Aufnahmen, die meisten nach Stämmen geordnet.

Als neueste Schallplatten und Musikkassetten sind Aufnahmendes indianischen Gospelsängers Johnny Curtis vom Stamm derApachen aufgeführt («In Loving Memories», Canyon RecordsCR-516-C, Volume 4), ferner Songs des von den Navajos ab-stammenden Country-Interpreten El Coochise («Better ThanEver», CR-522-C, Volume 3) sowie eine erste Sammlung vonWeihnachtsliedern in Navajo-Sprache («Nizhonie Christmas»der Arbor Shade Gospel Singers, CR-606-C). Schallplatten undMusikkassetten sowie der Katalog der Firma können direkt beiCanyon Records bezogen werden. Die Anschrift lautet: CanyonRecords, 4143 No. Sixteenth St., Phoenix, Arizona 85016,

USA- Peter Figlestahler

Mundart

Siibe Schnoogebiibele

Der Intercity weer uf eni Gläis vier z Bade- Bade abgfaare.

Woni aazräne chume, iseli uf em Gläis näbetdraa grad en «Eil-zug» am Abgaa uf Basel. Ich gumpen ine, d Tüüre werded zuc-gschletzt und loos gaats. Dee Eilzuug isch eender en Bummler.Bis jetz hani gmäint, vo Basel aa gebs nu na Freiburg undOffenburg. Ich merke gly, dass d Ebeni vom Oberrhy vole voDörfer und Dörfli isch. Myn Zuug haltet a aline Orte. Z Lahr imSchwarzwald, z Detinge und so wyter häts überall die glyche

Lüüt, wo aagsträngt lueged, seb d Muetr oder d Tochter oder de

Schatz ämel uusstygid. Und si styged uus! D Begrüessige sind es

Schema: Umaarmige, Chüss und de Krach, weer seil s Güferliträäge!

Im Abtäil ine äine mit Haar bis uf de Sitz abe, lenger, wederjedes Frauegstrüpp. En farbige Bändel um d Stirne ume, wyti.

Die Eitelkeiten der Manner II.

Der letzte Schrei

Nicht immer blieben die Eigenwilligkeiten der Herrenmodein vergangenen Jahrhunderten bloss drollige Narreteien, dievöllig ohne Konsequenzen genau so schnell vergessen wurden,wie sie aus dem Augenblick entstanden waren. Manchmal hattedie Prunksucht sogar lebensbedrohende Folgen.

Der Schnabelschuh eroberte im 14. Jahrhundert ganz Euro-pa. Viel mehr als nur ein Bekleidungsstück, war er zum Bedeu-tungsträger avanciert, an dem man Stand und Grad der Vor-nehmheit seines Trägers ablesen konnte: je länger die Spitze,

um so hochstehender die Persönlichkeit. Und da das einfacheVolk gern nachmachte, was die Reichen als Mode kreierten,sahen sich diese gezwungen, ihr Unterscheidungsmerkmal, dieSchnäbel, immer länger werden zu lassen. Schliesslich waren sieso lang, dass sie mit einem Kettchen hochgehalten und am Kniebefestigt werden mussten. Im übrigen gab es wie immer insolchen Fällen Verordnungen, die die Länge regeln sollten.Fürsten und Prinzen etwa plagten sich mit Schuhen, die demZweieinhalbfachen ihrer Fussgrösse entsprachen, dem einfa-chen Manne hingegen war lediglich eine Verlängerung desSchuhs um einen halben Fuss gestattet. Feiner Hintersinn beidieser und ähnlichen Modeübertreibungen: die Bewegungsun-fähigkeit, die sie notgedrungen mit sich brachten, war immerauch Zeichen dafür, dass die Träger ihren Lebensunterhalt nichtmit eigner Hände (oder Füsse) Arbeit zu verdienen brauchten.

Schier unglaublich scheint, dass selbst die Angehörigen desals vornehm geltenden Kriegerstandes, die doch im höchstenMasse auf körperliche Beweglichkeit angewiesen waren, sichnicht versagen konnten, dieser Eitelkeit zu frönen! Den Habs-burger Rittern wurden 1386 in der Schlacht bei Sempach dieSchnabelschuhe zum Verhängnis, als die Schweizer Bauern siezwangen, vom Pferd zu steigen. Zu Fuss trugen die Oesterrei-cher allzu schwer an ihrer schnabelbeschuhten Vornehmheitund konnten vernichtend geschlagen werden.

Gerade die Soldaten scheinen aber eine besondere Vorliebefür modische Extravaganzen gehabt zu haben. Dabei nahmensie seltsamerweise kaum Rücksicht darauf, ob ihr Aussehen mitdem praktischen Berufsalltag vereinbar war. In Deutschlandwaren im 16. Jahrhundert einzig die Landsknechte von allenKleiderordnungen ausgenommen und hatten ausdrücklichesRecht auf unbegrenzte Freiheit, was ihren Aufzug anbetraf. Dashat zu den buntesten, unglaublichsten Erscheinungen geführt,gegen die häufig von unermüdlichen Predigern und Moralistengewettert wurde. Aber die Obrigkeit wusste wohl, was sie tat,und Kaiser Maximilian I. soll es auch einmal so formulierthaben: «Lasst sie doch gehen, bei ihrem unseligen und küm-merlichen Leben muss man ihnen einen Spass gönnen.»

Spass mögen jene Landsknechte vielleicht wirklich gehabthaben, denen man die Erfindung der Pluderhose um die Mittedes 16. Jahrhunderts nachsagt. Bei diesem aus der Schlitzmodeentwickelten Beinkleid unterlegte man die in lauter Streifengeschnittenen Hosen aus festem Wolltuch mit einem Futter ausleichter Seide. Dabei verwandte man so viel Stoff, nämlich 20bis 200 Ellen, dass die Seide zwischen den Schlitzen der Ober-

hose herausquoll und bis auf den Boden fiel. «Es rauschete,

wenn die Hosenhelden kamen, als wenn der Eibstrom durch dieBrücke oder über ein Wehr liefe», lautet eine sehr poetischeBeschreibung der Zeit. Dass man darin aber auch kämpfen

konnte wer vermag sich das heute noch vorzustellen?

Auch die «Mühlsteinkrausen», ein tellergrosses, mit Drahtund Stärke steif gemachtes Kragenrad, ging an den Soldaten

:-

Der Fähnrich auf diesem Stich von H. Goltzius (1587) trägt nicht nur einehinderliche Mühlsteinkrause, sondern auch den «spanischen Gänse-bauch», eine in der 2. Hälfte des 16. Jh. bei d en Herren sehr beliebte Ver-dickung des Wamses zu e i n em Hängehauch. (Köln, Wallraf-Richartz-

Museum, Graphiksammlung)

nicht vorüber. Schon im zivilen Leben muss die Kröse unglaub-

lich unpraktisch gewesen sein, zwang sie doch zu einer aufrech-ten Haltung, die weder dem Haupt noch dem ganzen Körper

viei Spielraum liess. Auf dem Schlachtfeld war sie sicherlichvon so grosser Hinderlichkeit, dass man sich fragt, wie solcheGecken es trotz allem fertigbrachten, einander umzubringen.

Wenn sie aber schon ihren letzten Schrei tun sollten, dann woll-ten sie wohl wenigstens auch nach ihm gekleidet sein.

Brigitte Tietzel

umegrugelet Aelplerhosc, e Chutte, en Musigchaschte, en Ruck-sack. Wysawy vo im sitzt es Mäitli, das ghäisst, es rutscht uf emPolschter umenand und lydet. D Jeans sind z äng. Au es Tram-pergstell. Drei Stund lang rededs käs Wort mitenand, si losed us

irne Chopfhöörere Musig. Eür trület syni Cigarette sälber.Emaale lueget er miich glänzig aa und wett I mir. Ich han e

käs.

Duo grad näbet mir zue isch en Leerer. Obe hat er e kä Haar,aber une am Gsicht walets und wälets. Won ich emaale säge,

bimene munzige Baanhöfii zue, die Ebeni duuri eebigs, git erzrugg: «Ja, die kleinen Länder haben etwas Gutes, sie hörenwieder einmal auf.» Mer lached zäme. Läider stygt er z Freiburg

uus. Jetzig chunnt s Abtäil hinedraa zum Zuug. E ganz e jungiFamilie, 6er villicht zwäiezwänzigi, sy wien es Chind, aber: siegaumed drüüwüchigi Zwilling und e drüüjöörigi Sandra.

D Sune isch underdesse gäg d Vogese abegsunke, rot undgross. Nie cliani das Land gsee mit em Hartmannsweilerkopf,

ooni das miich e tüüffi Truur übermanet. Daas Lied, wo niyni

früe Jugcd überschattet hat, töönt mer dur de Chopf duur: «DieSonne sank im Westen mit ihrem roten Licht und schien demtoten Soldaten ins bleiche Angesicht.» Mee isch mer nüme pli-be, aber die Zyle drööned dur mys Herz dure ich heben eZytig vors Gsicht.

Hinedraa säit de Bappe zu syre Sandra: «Du Aarms, lieschsiibe Schnoogebiibele am Arm! Die beese Schnooge, die dät-sched mer z dood.» D Tochter nickt und säit: «Dangge.» Sy

chläderet em Bappe uf d Chnüü und rüeft grad wider: «Dang-ge!» «Werum danggisch, Sandra, weil i diir d Mamme göe

ha?»

D Sune isch gröösser und rööter worde, sy isch am Undere-gaa. Grad staat si na über em Vogeeserugge. Für d Chindehinen a miir zue iseli d Wält schön und lieb. Ich hebe myniZytig wider vor s Gsicht: Die Sonne sank im Westen mit ihremroten Licht. Barbara Egli

Betrachtungen eines Zeitgenossen

Saubere Sachekas. Immer tut man so; man soll doch nicht immer so tun!

Wir sind doch gar nicht so, wie man immer sagt. Wie gewisse

Kreise es vor allem sagen, bei denen man zum Glück allerdingsweiss, woher der Wind weht. Wir sind doch, alles in allemgenommen, als Menschen leidlich human. Und überhaupt geht

uns die ganze Sache herzlich wenig an. Was geht uns am Re-

duitrand überhaupt etwas an, das auf der ganzen Welt passiert?

Oder in den USA? Obwohl die neueste Tendenz, von der dieKunde geht, auch für uns mitmenschlich Empfindende hierzu-gegend begrüssenswert ist. Sie zeichnet sich im amerikanischenStrafvollzug ab.

Es gibt da noch in ein paar Staaten die Todesstrafe; es sindsogar Bestrebungen im Gange, auch in andern Staaten oder gar

bundesweit wieder die Kapitalstrafe, wo's um den Kopf geht,

einzuführen. Angesichts der von Terror und wachsender Krimi-nalität provozierten Gefahr des Weltuntergangs nur allzu be-greiflich. Nun ist auch klar, dass in gewissen Kreisen (siehe

oben) die humane Haltung derer in Zweifel gezogen wird, dieim Namen der zu schützenden Menschheit einen Menschen da-

hin befördern, wo keine Menschen mehr sind. Und zugegeben:

das Fallbeil der Guillotine verliert einen Teil seiner literarischenund historisch-anekdotischen Gruseligkeit, wenn man sich des-

sen Fallen einmal optisch und akustisch vergegenwärtigt. Auchdas Hängen wirkt zwar, vor allem literarisch, enorm britisch,aber, lebhaft vorgestellt, vielleicht doch mehr als makaber. Unddas Plumpsen der Giftkugeln in die Zuber der Gaskammermusste man auch einmal (von aussen) mit eigenen Ohren hören,

oder mit Augen sehen, wie der Schalter gedreht wird, der den

von Film und Fernsehen bekannten Stuhl und seinen Besetzer

unter Strom setzt, Starkstrom. Noch mehr gefällig? Das ist

sicher nun einmal alles nicht sehr erfreulich.

Nun wir, das heisst die drüben in den Staaten, sind näm-

lich auch nicht mehr so. Dank der Einsicht in die inhumaneBrutalität der herkömmlichen Hinrichtungsmethoden ist es

neuestes amerikanisches Trachten, dass ein akkreditierter Arztdem Todeskandidaten eine Spritze, wie für dich und mich sozu-sagen, verabreicht. Der Inhalt wirkt, wie aus zuverlässiger

Quelle verlautet, nach zwei Minuten tödlich. Reden wir nichtvon diesen zwei Minuten. Es würde auf alle Fälle, wenn es ins

amerikanische Rechtswesen eingeführt werden kann, im Sinne

eines humaneren (beachte den Komparativ!) Strafvollzugs ge-

schehen. Wer, den vor den traditionellen Hinrichtungsarten

schaudert, könnte etwas gegen diese klinische Art, den Rechts-weg zu beschreiten, haben. Es ist eine saubere Lösung, und es ist

auch nichts Ungewohntes, das einen nervlich extrem Belasteten

wie den Todeskandidaten zusätzlich beunruhigen würde wer

war nicht schon mal beim Arzt! Es ist geradezu eine humaneInteraktion, wo die Verantwortung nicht an eine leb- und ge-

fühllose Maschine abgegeben wird wer würde nicht seinem

Arzt vertrauen! Schliesslich wirkt in unserem Zeitalter der unge-

heuerlichen weltweiten Bedrohung der Menschheit eine solche

Art des Rechtsvollzugs recht eigentlich menschlich persönlich.

Und es zeigt sich, wenn dem Gefängnisarzt einmal legal dieSpritze frei Hand gelegt wird, dass solche Vertreter der als ver-

wissenschaftlicht und vertechnisiert geschmähten Medizin sich

noch immer oder gerade dann als unter dem Eid des Hypokrites

stehend erweisen.

Lifträtsel

LaguneLösung aus der letzten Ausgabe der Beilage «Wochenende»

Links: I. Legion, 2. Donegal, 3. Gondar, 4. Chorda, 5. Bra-che, 6. Nachbar, 7. Charbin, 8. Kranich.

Rechts: 1. Glarus, 2. Sultan, 3. Flaute, 4. Mulatte, 5. Tauler,

6. Maultier, 7. Terminal, 8. Relation.Schlusslösung: Kalahari, Namib, Atacama. Nafud. Lut,

Gila.

Neue Zürcher Zeitung vom 14.11.1981

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