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274 Übersichtsarbeit DOI: 10.1111/j.1610-0387.2010.07563.xEnglish online version on Wiley Online Library

Schlüsselwörter• Phototoxizität• Photokarzinogen

Keywords• phototoxicity• photocarcinogenicity

ZusammenfassungVoriconazol ist ein Breitspektrumantimykotikum, das zur Therapie schwerer invasiver Pilzinfektionen insbesondere mit Aspergillus, Candida, Fusarium undScedosporium spp. verwendet wird. Häufige Nebenwirkungen des Voriconazolsind Sehstörungen (21 %), Transaminasenerhöhungen (15,6 %) und Exantheme(7 %), die vielfach als phototoxisch eingeschätzt wurden. Wir berichten über einen 8-jährigen an AML erkrankten Jungen, der im Rahmen der Chemothera-pie an einer Aspergillose der Lunge und Nasennebenhöhlen erkrankte. DieLangzeittherapie mit Voriconazol zur Reinfektionsprophylaxe führte ein Jahrnach Behandlungsbeginn zu einer schweren phototoxischen Reaktion. NeuereBerichte über die Entwicklung von Plattenepithelkarzinomen sowie malignerMelanome unter Voriconazol lassen eine systematische dermatologischeNachuntersuchung aller mit Voriconazol behandelten Patienten ratsam erscheinen.

SummaryVoriconazole is a second-generation triazole antifungal approved for the treat-ment of invasive fungal infections, particularly with Aspergillus, Candida,Fusarium, and Scedosporium spp. Frequently reported adverse effects ofvoriconazole include visual disturbance (21 %), elevated liver enzymes (15.6 %)and rashes (7 %), which are largely attributable to drug-induced photosensitiv-ity. We report a case of serious phototoxicity in a 8 year old boy who underwentchemotherapy for AML. He received voriconazole for the treatment and subse-quent re-infection prophylaxis after pulmonary aspergillosis. One year after thestart of therapy he developed blistering eruptions on his face after minimalsunlight exposure. Recent reports about the development of squamous cellcarcinoma and melanoma, respectively, in children during and after oral thera-py with voriconazole seem to warrant systematic follow-up investigations of allvoriconazole-treated patients.

Massive Phototoxizität unter Langzeiteinnahme von Voriconazol

Severe phototoxicity associated with long-term voriconazole treatment

Sabine Vöhringer1, Johanna Schrum2, Hagen Ott1, Peter H. Höger1

(1) Abteilung Pädiatrische Dermatologie, Kath. Kinderkrankenhaus Wilhelmstift, Hamburg(2) Abteilung Pädiatrische Hämatologie und Onkologie, Univ.-Kinderklinik, Hamburg

JDDG; 2011 • 9:274–276 Eingereicht: 29.8.2010 | Angenommen: 6.10.2010

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Phototoxizität bei Langzeiteinnahme von Voriconazol Übersichtsarbeit 275

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EinleitungVoriconazol ist ein Triazol-Breitspektrum-Antimykotikum der zweiten Generation,das seine Wirkung über die hochspezifi-sche Hemmung der fungalen CytochromP450-Enzyme entfaltet. Es wird vor al-lem zur Therapie systemischer Pilzinfek-tionen u. a. mit Aspergillus, Candida,Fusarium, Pseudoallescheria und Scedospo-rium spp. verwendet. Sein Haupteinsatz-gebiet liegt daher im Bereich der Behandlung und Prophylaxe von im-munsupprimierten und/oder stammzell-transplantierten Patienten. Insbesonderebei Aspergillosen konnte seine Überle-genheit hinsichtlich der Wirksamkeit gegenüber älteren Antimykotika in meh-reren Studien gezeigt werden. Aufgrunddessen wird das Medikament nicht nurzur Akuttherapie, sondern auch zur Rein-fektionsprophylaxe verwendet.Seit der Zulassung im Jahr 2002 wurdenvielfältige Nebenwirkungen beobachtet,

in erster Linie Sehstörungen (21 %), Leberenzymerhöhungen (15,6 %) undverschiedene Hautreaktionen (7 %). Zudiesen zählen anaphylaktische Reaktio-nen, Cheilitis, diskoider Lupus erythe-matodes, schwere Hautreaktionen (Stevens-Johnson-Syndrom, toxischeepidermale Nekrolyse); zunehmend wirdüber verschiedene Licht-abhängige Reaktionen wie Porphyria cutanea tarda[1], Pseudoporphyrie [2, 3], Photosensi-bilisierung [4, 5, 6] und Phototoxizität[7] berichtet.

FallberichtEin 8-jähriger Junge wurde im Januar2010 in unserer kinderdermatologischenSprechstunde vorgestellt. Die Mutter be-richtete, dass er im Sommer 2009 trotzAufenthaltes im Schatten und konse-quenter Anwendung von Sonnencremesmit hohem Lichtschutzfaktor (LSF 50)massiven Sonnenbrand mit Blasenbil-dung entwickelt habe (Abbildung 1).Grund der Konsultation war die unvoll-ständige Abheilung der vor einem halbenJahr entstandenen Hautveränderungen(Abbildung 2).Das Kind war im Jahr 2008 an einer aku-ten myeloischen Leukämie erkrankt. DieTherapie erforderte zunächst mehrereChemotherapiezyklen und im Rahmeneines Rezidivs schließlich eine Stamm-zelltransplantation. Im Rahmen dessenerhielt der Patient u. a. Zytostatika

(Cytarabine, Daunorubicin, Fludarabin,VP 16, Cladribine, Gemtuzumab- Ozogamicin, Idarubicin), Immunsup-pressiva (Ciclosporin A, Mycophenolat,Methylprednisolon), Antibiotika (Cepha-losporine, Vancomycin, Lincosamide,Aminoglykoside, Cotrimoxazol, Tetracy-cline, Linezolid, Ciprofloxazin), Virusta-tika (Foscavir) und andere Supportivme-dikamente wie Pantoprazol, Acetylcystein,Ondansetron, Lorazepam, Dobutaminund Enalapril. Die Immunsuppressionhatte bereits im Sommer 2008 zu einerAspergillose der Lunge und der Nasen-nebenhöhlen geführt, die mit Caspofun-gin und liposomalem Amphotericin B sowie Voriconazol (Vfend®) behandeltworden war. Auch die Reinfektions -prophylaxe wurde mit Voriconazoldurchgeführt.Bereits im Mai 2009 war der Mutter eineäußerst starke Sonnenempfindlichkeitdes Jungen aufgefallen. Trotz der genann-ten Vorsichtsmaßnahmen entwickeltesich eine ausgeprägte und anhaltendeDermatitis solaris aller UV-exponiertenAreale (Gesicht, Ohren, Nacken, Hand-rücken), im Juli 2009 sogar mit Blasen-bildung. Die Medikamente, die der Patient im zeitlichen Zusammenhangdamit erhielt, sind in Abbildung 3 aufge-führt. Durch häufigen Aufenthalt imFreien persistierte die Rötung währenddes gesamten Sommers. Selbst im Oktober habe er bei schönem Wetter

Abbildung 3: Eingenommene Medikamente im zeitlichen Zusammenhang mit der phototoxischenHautreaktion.

Abbildung 1: Patient im Sommer 2009. Ausge-prägte Dermatitis solaris mit Vesikelbildungnach Aufenthalt im Schatten und Anwendungeiner Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 50.

Abbildung 2: Patient im Januar 2010. Poikilo-dermie mit Erythemen und vereinzelten Narben.

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Sonnenbrand entwickelt. In den Jahrenzuvor sei bei dem Jungen trotz häufigerund langer Sonnenexposition unterLichtschutzmaßnahmen noch nie einSonnenbrand aufgetreten.Bei Erstvorstellung im Januar 2010 waren als Residualsymptome eine Poiki-lodermie mit erythematösen Arealen sowie kleinen Vernarbungen zu sehen. Es wurde der hochgradige Verdacht aufeine Voriconazol-induzierte phototoxi-sche Hautreaktion geäußert und das Absetzen des Medikaments empfohlen.Nach Absetzen des Medikamentes bilde-ten sich die Hautveränderungen darauf-hin weiter zurück und im Frühjahr 2010zeigte der Patient keine überschießendeReaktion auf Sonnenexposition mehr.Die Tatsache, dass der Patient bereits imSommer 2008 Voriconazol erhaltenhatte, in diesem Zeitraum jedoch keinephototoxische Reaktion zeigte, ist dadurch zu erklären, dass der Patient sichdamals aufgrund der Schwere seinerGrunderkrankung kaum im Freien aufhielt und die UV-Exposition somitminimal war.

DiskussionDie photosensibilisierende Wirkung vonVoriconazol, die aufgrund der klinischenBesserung nach Absetzen des Medika-ments höchstwahrscheinlich auch in die-sem Fall die Ursache des unverhältnis-mäßig schweren Sonnenbrandes war, istseit 2004 bekannt. In der Literatur finden sich mehrere Fallbeschreibungen,die auch bei Kindern und Jugendlichenüber verstärkte Erythem- und Vesikelbil-dung sowie Hautalterung unter Son-neneinstrahlung bei Langzeitanwendungvon Voriconazol berichten [4, 5, 6, 7].Meist kommt es nach Absetzen zu einermehr oder weniger vollständigen Rück-bildung der Hautveränderungen, wieauch bei unserem Patienten.Die Brisanz des Falles wird durch neuereVeröffentlichungen deutlich, die einenZusammenhang zwischen der Langzeit-therapie mit Voriconazol und der Entste-hung maligner Hauttumoren anneh-men. Dies wurde erstmalig 2007 ineinem Fallbericht einer 32-jährigen Patientin mit einer chronischen granulo-matösen Erkrankung beschrieben, dieunter der Langzeitanwendung von Vori-conazol eine schwere phototoxischeHautreaktion und nachfolgend multifo-kale Plattenepithelkarzinome im Gesicht

entwickelte [8]. 2010 folgten Beschrei-bungen mehrerer Fälle chronisch kran-ker Patienten zwischen 9 und 54 Jahren,bei denen ebenfalls vermehrt Spinaliomeunter Voriconazolbehandlung aufgetre-ten waren [9]. Die neueste Veröffentlichung berichtetnun über die Entwicklung eines malig-nen Melanoms in zeitlichem Zusammen-hang mit der Langzeitanwendung vonVoriconazol. Die Autoren stellen zwei Patienten vor, die unter Voriconazol-Therapie schwere phototoxische Hautre-aktionen zeigten und bei denen in dendavon betroffenen Arealen bereits nach 3bzw. 5 Jahren Melanoma-in-situ-Läsionennachgewiesen werden konnten [10]. Über den Pathomechanismus der photo-toxischen Reaktion sowie der Karzi-nomentstehung unter Voriconazol wirdbislang nur spekuliert. Unklar ist, ob dieMelanomentwicklung lediglich auf dieverstärkte UV-Wirkung zurückzuführenist, oder ob noch weitere, bislang unbe-kannte Mechanismen (z. B. eine Hem-mung der DNA-Reparaturenzyme) eineRolle spielen. Zu bedenken ist sicher auch, dass die Pati-enten, die wegen invasiver Pilzinfektionenüber lange Zeit mit Voriconazol therapiertwerden müssen, meist durch ihre Grund-erkrankung geschwächt und immunsup-primiert sind, was die Bildung von Neo-plasien von vornherein begünstigt.Auch wenn es sich zunächst nur um Ein-zelfallberichte handelt und ein direkterZusammenhang zwischen Malignom-entwicklung und Voriconazol-Therapienur vermutet wird, sollten Konsequen-zen aus den vorliegenden Berichten ge-zogen werden: Bis zum Vorliegen ein-deutiger Daten sollte die Anwendungvon Voriconazol restriktiv gehandhabtwerden. Vor allem die Verwendung alsMedikament zur Reinfektionsprophy-laxe, die meist über einen längeren Zeit-raum erfolgt, sollte kritisch auf Alternati-ven geprüft werden. Insbesondere beiKindern ist eine strenge Indikationsstel-lung zu fordern.Des Weiteren muss darüber nachgedachtwerden, wie bereits behandelte Patientenadäquat nachuntersucht werden sollen.Jährliche Kontrollen beim Dermatolo-gen sind zu empfehlen, ebenso strengeSonnenschutzmaßnahmen. <<<

InteressenkonfliktKeiner.

KorrespondenzanschriftProf. Dr. Peter HögerAbt. Päd. Dermatologie, Kath. Kinderkrankenhaus WilhelmstiftLiliencronstraße 130D-22149 HamburgTel.: 040-67377-202Fax: 040-67377-293E-Mail : [email protected]

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10 Miller DD, Cowen EW, Nguyen JC,McCalmont TH, Fox LP. Melanomaassociated with long-term voriconazoletherapy: a new manifestation of chronicphotosensitivity. Arch Dermatol 2010;146: 300–4.


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