Onkologe 2013 · 19:858–862DOI 10.1007/s00761-013-2499-8Online publiziert: 4. September 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
J. Gaedcke1 · P.M. Schlag2 · M. Ghadimi1
1 Abteilung für Allgemein-, Viszeral- und Kinderchirurgie, Universitätsmedizin Göttingen2 Charité Comprehensive Cancer Center, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Campus Mitte
Rolle und Aufgaben der chirurgischen Onkologie im Rahmen molekular definierter Therapien
Die chirurgische Onkologie zeichnet sich bisher v. a. durch eine stadien-adaptierte, interdisziplinäre Behand-lungskonzeption aus. Während für frühe Tumoren meist die operative Therapie Mittel der Wahl ist, fordern fortgeschrittene Stadien häufig ein multimodales Vorgehen. Durch neue tumorbiologische und molekularge-netische Erkenntnisse und den damit verbundenen therapeutischen Mög-lichkeiten wird sich diese Abgrenzung zunehmend auflösen. Entsprechend wird die Entwicklung von einzelnen Biomarkern oder Signaturen (Kombi-nation einzelner Marker) an Bedeu-tung gewinnen. Zum einen werden prädiktive Biomarker etabliert wer-den, die das Ansprechen auf eine be-stimmte Therapie vorhersagen wer-den. Zum anderen werden prognosti-sche Biomarker, die mit dem Verlauf und der biologischen Aggressivität der Erkrankung (z. B. Metastasierung [27, 38]) korrelieren, identifiziert wer-den und zur Subklassifizierung von Tumoren beitragen, um somit die bis-her rein stadienadaptierte Therapie zu optimieren (individualisierte The-rapie). Therapeutische Biomarker werden aber auch neue sinnvolle und erfolgversprechende Zielstrukturen identifizieren, die therapeutisch ge-nutzt werden können („targeted the-rapy“).
Dem Chirurgen fällt seit jeher im Rahmen multimodaler Therapiekonzepte eine wichtige Rolle zu. Bereits mit Diagnosestellung einer onkologischen Erkrankung
und dem folgenden Stagingprozess ist der Operateur in die Therapieplanung involviert. Molekulare Biomarker sind nur ein Baustein im Rahmen einer individualisierten Behandlungsplanung, welche nach wie vor v. a. Tumorlokalisation, Alter, Komorbidität und Tumorstadium berücksichtigt. Es muss sogar mit Nachdruck daraufhin gearbeitet werden, dass Patienten gerade mit neoadjuvanten Therapiestrategien noch vor Einleitung der ersten Therapie interdisziplinär, also auch dem späteren Operateur vorgestellt werden.
» Resektionsverfahren müssen sich an der primären, d. h. unbehandelten Tumorsituation orientieren
Einschätzungen über die zu wählenden Resektionsverfahren müssen sich stets an der primären, d. h. unbehandelten Tumorsituation orientieren. Dies gilt beispielsweise für Adenokarzinome des gastroösophagealen Übergangs (AEG), deren Lokalisation über die Resektion des distalen Ösophagus oder die erweiterte Gastrektomie entscheidet. Eine deutliche Regression dieser Tumoren unter Therapie kann deren Beurteilung aus chirurgischer Sicht später sehr erschweren und entsprechend zu einer inadäquaten operativen Therapie führen. Ähnlich problematisch stellt sich das tief sitzende Rektumkarzinom dar. Zwar kann der Einsatz einer neoadjuvanten Radiochemotherapie zum Wechsel der Therapie führen – von der initial eingeschätzten Extirpation zur kontinenzerhaltenden Opera
tion [30]. Diese Entscheidung kann aber ohne Vorkenntnisse des (unbehandelten) Ausgangsbefunds nicht mehr fachgerecht getroffen werden. Davon unabhängig ist es prinzipiell sinnvoll und damit notwendig, den Operateur in den Entscheidungsprozess und v. a. in den jeweiligen aktuellen Verlauf einer kombinierten Therapie kontinuierlich mit einzubeziehen. So ist beispielsweise dem am Ösophaguskarzinom erkrankten Patienten wenig geholfen, wenn zunächst eine neoadjuvante Therapie durchgeführt wird, der Patient hierdurch körperlich aber in einen nichtresektablen Zustand gebracht wird. Insbesondere weil es für die Vorhersage von Nebenwirkungen bisher wenige Parameter gibt, muss man hier auf die ärztliche Erfahrung und die Einschätzung des Chirurgen bauen. Gleichzeitig ist mit dieser therapeutischen Rolle des Chirurgen an ihn auch die Aufgabe gerichtet, aktuelle Therapiestrategien und Weiterentwicklungen zu kennen bzw. bewerten zu können.
Biomarker
Im Rahmen der therapeutischen Mitverantwortung ist es Aufgabe des Chirurgen, die verschiedenen Möglichkeiten zu kennen, welche durch molekularbiologische Analysen eröffnet werden. Als eine der ersten zielgerichteten Therapien solider Tumoren wurde Cetuximab, ein humanisierter Antikörper gegen den epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor (EGFR), eingesetzt. Prinzipiell zeigte sich die erhoffte Wirksamkeit. Für das kolorektale Karzinom wurde aber schnell deutlich,
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Leitthema
dass der Effekt vom Mutationsstatus des KRASGens [10, 24] abhing. Im Falle einer Mutation des GTPbindenden Proteins (. Abb. 1) kommt es zu einer Daueraktivierung, welche die Effektivität von Cetuximab aufhebt. Entsprechend wichtig ist die Analyse dieses prädiktiven Markers.
» Die Kenntnis prognostischer Biomarker ist für die Behand-lungskonzeption sehr wichtig
Sofern im Rahmen der interdisziplinären Therapieplanung eine gezielte Therapie angedacht ist, sollten diese Analysen frühzeitig durchgeführt werden und es liegt somit meist in der Mitverantwortung des Chirurgen. Ähnliche Überlegungen sind auch bei anderen Tumoren wie z. B. dem Bronchialkarzinom [26] oder dem Mammakarzinom [28] wichtig und bedürfen der jeweiligen frühen Berücksichtigung.
Die Kenntnis prognostischer Biomarker, also Molekülen, die den Verlauf der Aggressivität der Erkrankung vorhersagen, ist für die Behandlungskonzeption generell und die chirurgischonkologische Behandlungskonzeption im Speziellen von großer Wichtigkeit. Dies ist insbesondere für frühe Tumoren der Fall, wie z. B. für das Kolonkarzinom im Stadium II, das prinzipiell rein chirurgisch kurabel ist und in der Regel nicht multimodal behandelt wird. Dies ist jedoch kritisch zu bewerten, da ein nicht unwesentlicher Anteil an Patienten auch in diesem frühen Stadium im Verlauf der Erkrankung Fernmetastasen entwickelt. Entsprechend ist die Identifikation von Risikoprofilen für die Rechtfertigung einer adjuvanten Therapie von Bedeutung [25, 32, 41]. Hierzu sind bereits kommerzielle molekulare Analysen verfügbar (z. B. Oncotype DX colon cancer assay; [8]), die zur Einschätzung beitragen können. Dem Chirurgen muss aber wiederum be
wusst sein, mit welcher Effektivität eine Fernmetastasierung tatsächlich vermieden werden kann. Diese Faktoren muss er unter besonderer Berücksichtigung weiterer, v. a. auch patientenspezifischer Kriterien wie z. B. Komorbidität oder Alter [20], abwägen.
Der Einsatz therapeutischer Biomarker ist für den Patienten bei einem späteren Fortschreiten der Erkrankung zur weiteren Therapieplanung von großer Bedeutung (. Abb. 2). Aufgabe des Chirurgen ist es daher, diesbezüglich vorauszudenken und vorausschauend durch die Verfügbarkeit von adäquat entnommenem und repräsentativem Tumormaterial zu handeln. Dies gilt insbesondere, wenn der Tumor nicht wie vorgesehen (komplett) entfernt werden konnte. Hierbei spielt auch die Heterogenität von Tumoren und seiner Metastasen ein große Rolle (s. unten). Gleichzeitig ist aber auch die Einschätzung von Nebenwirkungen bedeutsam, um Patienten richtig aufzuklären und zu überwachen. Insgesamt ist es für den Chirurgen wichtig, die notwendigen Analysen zu veranlassen und die Therapieoptionen zu kennen, um Patienten adäquat behandeln zu können.
Nebenwirkungen molekularer Therapien
Molekulare Therapien können teilweise mit einem Nebenwirkungsspektrum assoziiert sein, welches unmittelbares chirurgisches Handeln notwendig macht (z. B. Imatinib) oder einen chirurgischen Eingriff erschwert bzw. verbietet (z. B. Bevacizumab).
So führte die Einfühurung von Imatinib (Glivec®) bei der Behandlung gastrointestinaler Stromatumoren (GIST) zu einer überaus erfolgreichen Regression des Tumors, sodass in der Vergangenheit die Indikation zur Resektion überhaupt überdacht wurde [4]. Gegenwärtig stellt die Kombination von Resektion und ImatinibBehandlung in Abhängigkeit zahlreicher Faktoren die Therapie der Wahl dar [3, 18]. Für große Tumoren, die eine ausgedehnte Resektion notwendig machen oder drohen zu perforieren, stellt die Tumorreduktion im Rahmen einer neoadjuvanten Therapie einen möglichen Ansatz dar [21]. Hierbei ist es jedoch im
G R T G G C
Abb. 1 9 Analyse des KRAS-Gens durch San-ger-Sequenzierung. Abgebildet sind die Kodons 12 und 13 von Exon 2. Die farbigen Ausschläge kodieren die jeweilige Nuklein-säure. An zweiter Stel-le finden sich zwei un-terschiedliche Nukle-insäuren, welche das Vorliegen einer Mutati-on in der untersuchten Probe anzeigen. (Mit freundl. Genehmigung von Frau Dr. Conradi)
Abb. 2 9 Immunhisto-chemische Anfärbung von HER2/neu in den unterschiedlichen Ver-größerungsstufen. An-gefärbt ist das Prote-in auf der Membran, welches hier stark ex-primiert wird. HER2/neu ist ein therapeu-tischer Biomarker, der durch eine zielgerich-tete Therapie bei Über-expression angegan-gen werden kann. (Mit freundl. Genehmigung von Frau Dr. Conradi)
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mer wieder zu bedrohlichen gastrointestinalen Blutungen aus dem Tumor gekommen [16], sodass eine engmaschige Kontrolle dieser Patienten, ggf. eine stationäre Behandlung, notwendig wird.
Auch für andere Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) sind eher seltene, aber typische Komplikationen bekannt. Hautveränderungen [9, 33] und Kardiotoxizität [6, 36] spielen bei der Therapie mit EGFRAntagonisten eine wesentliche Rolle. Unter antiangiogener Therapie mit z. B. Bevacizumab (Avastin®) traten seltene Fälle von Osteonekrosen [5] und Wundheilungsstörungen [34], nekrotisierender Fasziitis [37], v. a. Blutungen, spontane Perforationen, Bluthochdruck und Thrombembolien [11, 15, 17, 19, 35, 37] auf. Bei andere TKI wurden vermehrte späte Anastomoseninsuffizienzen (Pazopanib [12]) und ebenfalls Blutungen, Hautveränderungen und Schilddrüsenunterfunktionen (Sunitinib und/oder Sorafenib [11, 39]) beobachtet. Entsprechend sollte insbesondere nach Bevacizumab vor chirurgischen Eingriffen eine Therapiepause von etwa 6 bis 8 Wochen erfolgen. Auch in der adjuvanten Situation ist eine ausreichende Zeit für die Wundheilung von etwa 4 Wochen bis zum Einsatz der Therapie zu empfehlen [14]. Aufgrund der besonderen Komplikationen ist der Einsatz von Bevacizumab vor darmresezierenden Eingriffen mit geplanter primärer Anastomose prinzipiell zu überdenken. Sollte es zu Anastomoseninsuffizienzen oder Darmperforationen unter Therapie kommen, ist die Anlage eines Stomas dringend erforderlich.
Neben der reinen Behandlung wird zukünftig auch die Vorhersage dieser z. T. sehr schwerwiegenden Nebenwirkungen und deren Abwägung zum tatsächlichen Nutzen zu einer neuen Herausforderung werden, um bei Therapieversagen nicht unnötig die Risiken der Nebenwirkungen einzugehen.
Tumorheterogenität
Das Verständnis molekularbiologischer Zusammenhänge schreitet ebenso wie die molekulare Analytik („deep sequencing“) immer weiter fort. Mittlerweile ist eine so detaillierte und vertiefte Untersuchung möglich, dass die genetische Zu
sammensetzung einzelner Zellen und entsprechend der Vergleich zwischen einzelnen Zellen des gleichen Tumors möglich geworden ist. So konnte beispielsweise in einer aktuellen Untersuchung an Nierenzellkarzinomen gezeigt werden, dass in Abhängigkeit von der entnommenen Biopsie unterschiedlichste Mutationen in den jeweiligen Gewebearealen vorliegen [13].
Welche Auswirkungen dies zukünftig auf die Behandlungsplanung haben wird, ist noch nicht absehbar. Es stellt aber Anforderungen an das Feld der Systembiologie, prädiktive Modelle zu erstellen [22].
Gleichzeitig erwächst die Frage, ob prognostische und/oder prädiktive Marker an einer zweiten Tumorbiopsie ein vergleichbares Ergebnis erbringen. Entsprechend müssen aktuelle und zukünftige Biomarker hinsichtlich der Beeinflussung von Heterogenität untersucht und ggf. mehre Proben untersucht werden [29]. Dem Chirurgen müssen diese Umstände für die Therapieplanung, aber auch für die reine Gewebegewinnung bewusst sein. Gleichzeitig muss der Chirurg jedoch auch eine vermehrte Gewebeentnahme (multiple Biopsien) in Abhängigkeit möglicher Komplikationen in Betracht ziehen.
Zusammenfassung · Abstract
Onkologe 2013 · 19:858–862 DOI 10.1007/s00761-013-2499-8© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
J. Gaedcke · P.M. Schlag · M. GhadimiRolle und Aufgaben der chirurgischen Onkologie im Rahmen molekular definierter Therapien
ZusammenfassungHintergrund. Die fortschreitende Entwick-lung molekularbiologischer Analysen ermög-licht den zunehmenden schnellen klinischen Einsatz von Biomarkern. Eingebettet in multi-modale Therapiekonzepte ist es auch Aufga-be des Chirurgen, prädiktive, prognostische und therapeutische Biomarker zu verstehen und für die Behandlungsstrategie zu berück-sichtigen. Dies ist ein wichtiger Baustein in einer auf den Patienten zugeschnittenen mo-dernen Tumortherapie.Methode. Selektive Literaturrecherche.Ergebnisse und Schlussfolgerungen. Mit dem Einsatz dieser Techniken und Konzeptio-nen sind aber auch besondere Anforderun-gen an die chirurgisch-onkologische Ausbil-dung geknüpft, um die molekularen Zusam-menhänge zu verstehen, die Grenzen und das Einsatzspektrum zu kennen und hier-
mit in Zusammenhang stehende Folgen und Komplikationsmöglichkeiten frühzeitig zu er-kennen und zu beherrschen. Um dem neuen inhaltlichen und konzeptionellen Fortschritt Rechnung zu tragen, bedeutet dies für den Chirurgen, sich vom reinen Tumoroperateur zum chirurgischen Onkologen zu entwickeln. Die Kenntnis und das Abwägen zwischen chi-rurgischer Technik, Tumorbiologie und thera-peutischer bzw. psychologischer Belastbar-keit des Patienten mit einem ständigen wis-senschaftlichen Hinterfragen unterscheidet die chirurgische Onkologie von der reinen Tu-morchirurgie.
SchlüsselwörterBiomarker · Chirurg · Chirurgische Onkologie · Multimodale Therapie · Tumorbiologie
Role and function of surgical oncology in molecular defined therapy
AbstractContext. The progressive development of molecular analyses allows a comprehensive clinical establishment of biomarkers. Embed-ded in multimodal therapy concepts it is the surgeon’s duty to understand the underly-ing mechanisms of predictive, prognostic and therapeutic biomarkers. Besides an increas-ingly successful therapy of cancer the appli-cation of these markers presents the basis of personalized cancer therapy.Method. Selective review of the literature.Results and conclusions. However, imple-mentation of these techniques in the dai-
ly clinical practice requires an extensive edu-cation of surgeons. The attending physician is forced to understand the molecular princi-ples and the limitations of these markers. Fur-thermore, surgeons also need to understand the forthcoming difficulties arising from the side effects. To meet these demands tumor surgeons need to evolve into surgical oncol-ogists.
KeywordsBiomarker · Surgeon · Surgical oncology · Multimodal treatment · Tumorbiology
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Der Umstand der Heterogenität ist sehr wahrscheinlich auch für Abweichungen von Biomarkern zwischen Primarius und Metastase verantwortlich. So kommt es beispielsweise bei der KRASAnalyse immer wieder zu Unterschieden [1, 42]. Ursächlich hierfür ist, dass die Mutation nicht in allen Zellen vorhanden ist. In Abhängigkeit der Zelle, die für die Metastasierung verantwortlich ist, findet sich dann in einer entsprechenden Metastase das Mutationsbild dieser „Ausgangszelle“ (klonale Selektion).
» Es gibt Patienten, die in multiplen Metastasen ein unterschiedliches Ansprechen zeigen
Vor diesem Hintergrund ist es dann auch nicht weiter verwunderlich, dass es Patienten gibt, die in multiplen Metastasen ein unterschiedliches Ansprechen zeigen (sog. „mixed response“ [7]) oder sich unter der Therapie resistente Tumorklone selektionieren und die Behandlung unwirksam wird [2, 31, 43]. In diesem Fall sollte eine erneute Probengewinnung erwogen werden, um Alternativtherapien besser ausloten zu können. Zwischenzeitlich kann aber auch eine Resektion dieser Herde erwogen werden. Dies gilt auch für Tumoren bzw. Metastasen, die im fortgeschrittenen Stadium prinzipiell nicht mehr chirurgisch angegangen werden, aber eine ansonsten stabile Tumorsituation zeigen.
Entwicklung molekularer Therapien
Die Entwicklung potenzieller Ziele bzw. die Einteilung in mögliche Therapiegruppen hat als Grundvoraussetzung die Identifikation und Validierung. Dieser Aufgabe muss sich der Chirurg in gleichem Maße wie andere therapierende Disziplinen stellen. Entsprechend ist es auch seine Aufgabe, ständig zu überprüfen, inwieweit Patienten im Rahmen klinischer Studie behandelt werden können. Da viele der molekularbiologischen Untersuchungen derzeit v. a. nur an Frischgewebe durchgeführt werden können, ist die Etablierung von Biobanken essenziell. Bisher
galt dies immer als klassische Aufgabe des Pathologen aufgrund seiner Gewebsexpertise. Gerade aber in Hinblick auf eine standardisierte Entnahmetechnik von Gewebe aus Operationspräparaten gewinnt die Einbeziehung des Operateurs eine zunehmende Wichtigkeit. Für die Zukunft ist neben dem reinen Sammeln von Geweben auch die Sicherstellung von Blut und anderen Körperflüssigkeiten wie z. B. Urin von Bedeutung. Wichtig ist hierbei neben der Vollständigkeit der zu asservierenden Materialen während des initialen Kontakts (also prätherapeutisch) auch die weitere Gewinnung im Verlauf der Erkrankung.
» Die Etablierung von Biobanken ist essenziell
Neben dem regelmäßigen Kontakt zu den Patienten während der Therapie und der Möglichkeit der Kontrolle der Abnahmen ist es auch Aufgabe des Chirurgen, Patienten von der Wichtigkeit zu überzeugen, biologisches Material sowohl für ggf. spätere Behandlungsentscheidungen im Rahmen der eigenen Erkrankung als auch der Forschung zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus ist der Chirurg wesentlich für die Qualität des entnommenen Materials verantwortlich, da Ischämiezeiten und Standardisierung der Gewinnung in seine Verantwortung fallen [40]. Mit Einbindung des Chirurgen in moderne Biobankstrukturen, die auf ein Höchstmaß an Standardisierung sowie Qualitätssicherung von Material und Daten ausgelegt sein müssen, wird die Anforderung gestellt werden, Qualitätskriterien für den operativen Eingriff zu entwickeln. Dabei reicht die Begutachtung von Standardparametern durch den Pathologen nicht mehr aus, was bereits die M.E.R.C.U.R.Y.Kriterien oder die unmittelbar postoperative Beurteilung z. B. der mesorektalen Hüllfaszie durch Farbmarkierung nach Rektumresektion einführte [23].
Fazit für die Praxis
F Es ist Aufgabe des Chirurgen, die Bandbreite und prädiktive Aussage-kraft validierter Biomarker zu kennen und unter Abwägung der sich hieraus
ergebenden neuen therapeutischen Optionen und deren Risiken (für den chirurgischen Eingriff) einen interdis-ziplinär abgestimmten Behandlungs-plan zu konzipieren. Dieser ist aber nicht nur an der individuellen Tumor-erkrankung, sondern auch an den Pa-tienten anzupassen.
F Die Kenntnis und das Abwägen zwi-schen chirurgischer Technik, Tumor-biologie und therapeutischer bzw. psychologischer Belastbarkeit des Pa-tienten mit einem ständigen wissen-schaftlichen Hinterfragen unterschei-det die chirurgische Onkologie von der reinen Tumorchirurgie.
F Molekular definierte Therapien wer-den in diesem Zusammenspiel nicht nur Zeitpunkt, Indikation und Aus-maß tumorchirurgischer Eingriffe mit-bestimmen, sondern auch selbst wei-ter optimiert werden.
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. M. GhadimiAbteilung für Allgemein-, Viszeral- und Kinderchirurgie, Universitätsmedizin GöttingenRobert-Koch-Straße 40, 37075 Gö[email protected]
Einhaltung der ethischen Richtlinien
Interessenkonflikt. M. Ghadimi, P.M. Schlag und J. Gaedcke geben an, dass kein Interessenkonflikt be-steht.
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