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Seite 236 · Nummer 11 · Holz-Zentralblatt Freitag, 15. März 2019Messen und Tagungen

„Wir müssen mit weniger Material fürmehr Menschen bauen und dürfen da-bei keine Energie auf fossiler Basisverwenden“, so lässt sich der Vortragvon Prof. Dr. Werner Sobek auf dem„Internationalen Holzbau-Forum“ inGarmisch am 6. Dezember 2018 zu-spitzen. Er verdichtete eine Problema-tik, die sich durch mehrere Vorträgeauf dieser Veranstaltung zog, ob esnun um Stadtentwicklung oder mate-rialeffizienten Flachdachbau ging:Vielen Referenten waren Klimaschutzund Ressourcenschonung ein Anlie-gen, für das sie technische Lösungenzu präsentieren suchten. Was Sobekimplizit im Zusammenhang mit derVerknappung von Ressourcen an-sprach ist allerdings keine technischeFrage: Was dürfen wir noch verbrau-chen oder wieviel steht uns zu?

Internationale Fachveranstaltung zum Bauen mit Holz bleibt notwendig auf technische Lösungen begrenzt

Verbrauch und Emissionen zu hoch: ein Weckruf

Materialeinsparung war das übergeord-nete Thema von Sobek, der am Institutfür Leichtbau, Entwerfen und Konstru-ieren (Ilek) in Stuttgart lehrt. Sein Vor-trag dürfte bei vielen Zuhörern fürNachdenklichkeit und Gesprächsstofffür den sich anschließenden Gesell-schaftsabend gesorgt haben. Schließlichschickt sich die Branche mit schwerenHolzbaustoffen an, der Bauwirtschaftverstärkt Alternativen zu mineralischenBauweisen im vielgeschossigen Bauenanzubieten. Neben deutlicher Gesell-schafts- und Branchenkritik lieferte So-bek Hinweise, wohin sich die Bauwirt-schaft aus seiner Sicht wenden müsse.

Eigentlich sei eine radikale Analysedes Ist-Zustands erforderlich, ehe mansich im Bau auf den „richtigen Weg“begebe. Mehr Klarheit in der Analyse,aber auch in der Beschreibung von Zu-sammenhängen sei notwendig – nichtzuletzt auch deshalb, um Populistenden Wind aus den Segeln zu nehmen.Ohne Darstellung der Zusammenhängesei keine Demokratie möglich.

Die Entwicklung im Bauwesen seiaber eher ein „dummes Hinüberstol-

pern“ in die Zukunft. In Ermangelunggründlicher Analyse scheitere man vielzu oft und komme nicht weiter in derFrage, wie wir künftig bauen müssen.Insbesondere sei infrage zu stellen, obVerdichtung in urbanen Räumen richtigsei: 55 % der Energie im Hausbau fallevor dem Bezug des Gebäudes an, je hö-her das Gebäude, umso höher die ver-brauchte Energie. Hochhäuser in denStädten seien durch den hohen Materi-albedarf zum Ausgleich der Windlastenzu schwer. Zwischen der Urbanistikund der Mobilitätsforschung gebe esaber keine Zusammenarbeit, mithinkeine Analyse, keine Antworten.

Hauptproblem, so Sobek weiter, seidie hohe Weltbevölkerung (aktuell 7,6Mrd. Menschen) und ihr Netto-Zu-wachs: Jede Sekunde kommen rechne-risch 2,6 Menschen dazu. Jeder deut-sche Bürger vereine an gebauter Infra-struktur und Gebäuden auf sich insge-samt 490 t Baumaterial. Wenn man je-dem Weltbürger dieselbe Menge Bau-stoffe wie einem Deutschen zugestehe,reichten die Ressourcen hierfür bei wei-tem nicht. Nicht einmal, wenn man je-

dem Weltbürger den durchschnittlichenStandard der Industrieländer (335 t)oder auch nur den weltweiten Durch-schnitt (115 t) an gebauter Umwelt„gönnen“ würde. Selbst in letzteremFalle müssten zur bestehenden, bereitsgebauten Welt noch „zwei neue Wel-ten“ hinzugebaut werden. Das sei sehrvielen Menschen überhaupt nicht klar.Und dafür reichten die Vorkommennicht: Sand sei bereits heute knapp, beiZinn und Zink beginne 2025 der Eng-pass, bei Kupfer 2028 – Holz erwähnteSobek in diesem Zusammenhang nicht.

Weitere Kritikpunkte Sobeks betra-fen den Materialmix, der in modernenEinfamilienhäusern Einsatz findet: Die-ser sei schwer trennbar und letztlich oft

Sondermüll. Ebenso die öffentliche Dis-kussion um Energieversorgungsproble-me: Die Welt habe gar kein Energiepro-blem, so Sobek mit Blick auf die Son-nenenergie. „Energie gibt es in Hülleund Fülle.“ Stattdessen gebe es aber einEmissionsproblem aufgrund der Nut-zung der falschen Energieträger. „Gas-förmige Abfälle“ seien in Wirklichkeitdas Problem.

Im Anschluss an seine Gesellschafts-kritik umriss Sobek die Inhalte seinerForschung: Extreme Leichtbaustruktu-ren (aus Beton, Glas und Holz, aberauch Recycling-Materialien), die zurGewichts-, Material- und Emissionsein-sparung so konstruiert werden, dass sieim Fall hoher Belastung (temporäre sta-

tische und dynamische Lasten) z.B. mit-tels Hydraulik und Energieeinsatz vorÜberlastung (Wind, Schwingungen) ge-schützt werden.

Die großen Chancen des Bauens lie-gen laut Sobek im Modulbau. „Machenwir es doch wie der Schiffbau: garan-tierte Lieferzeiten, vorgetestete Einhei-ten, einzugsfertig und in hoher Quali-tät.“ Und mit dem Blick auf Holz fügteer hinzu: „Und weil wir leicht sind, kön-nen wir nachträglich aufstocken“.

Die Vision Sobeks ist eine „elektri-sche Stadt“: leise, sauber, verdichtetund grün, basierend auf Elektromobili-tät, Emissionsfreiheit und Rezyklierung,und das schon innerhalb der nächsten20 Jahre. Leonhard Pirson

»Du musst emissions-effizient sein.«Prof. Dr. Werner Sobek

Das viergeschossige „R 128“ in Stuttgart wurde als im Betrieb emissionsfreies Nullheizenergie-Gebäude entworfen. Das voll-kommen verglaste Gebäude besitzt eine hochwertige Dreifachverglasung mit einem k-Wert von 0,4. Es ist modular aufge-baut und aufgrund der Verwendung von Steck- und Schraubverbindungen nicht nur leicht auf- und abbaubar, sondern auchvollkommen rezyklierbar. Die Innentemperatur wird durch ein neuentwickeltes Klimakonzept geregelt. Das offenliegendeTragwerk aus Stahl ist wesentliches Gestaltungs- und Gliederungselement; es trägt darüber hinaus wesentlich zur kurzenBauzeit und zur völligen Wiederverwertbarkeit des verwendeten Materials bei. Dieses von Sobek in seinem Vortrag präsen-tierte Projekt machte ein weiteres Problem deutlich: Technischer Fortschritt und Effizienzsteigerung – auch bei Leichtbau-Konstruktionen – entfalten nur geringe Wirkung hinsichtlich Klimaschutz und Ressourcenschonung, da die Ansprüche desEinzelnen z.B. an die Größe des Wohnraums pro Person, immer weiter steigen. Fotos: Zooey Braun/Roland Halbe

Zwei Schritte hin zu einer Bioökonomie auf Ausgangsbasis Holz

Mit neuen chemischen Produkten ist esmöglich, die stoffliche Nutzung von Bu-chenholz zu intensivieren und aus die-sem reichlich vorhandenen Holz höhe-re Wertschöpfung zu erzielen, als diesbislang geschieht. Die Zellstoff- und Pa-pierindustrie im Holzcluster ist dabeiein wichtiger Partner. Allerdings istnoch viel Produkt- und Prozessent-wicklung und auch Kapital notwendig,um hochwertige Produkte herzustellen,vor allem solche, die nicht mit beste-henden Erzeugnissen konkurrierten.

Neues Technologie-Transfer-zentrum im bayerischenChemiedreieck beschlossen

Dazu werde im März an der Hoch-schule Rosenheim ein Zentrum für bio-basierte Materialien (ZBM) eingerich-tet, sagte Zscheile. Die bayerische Lan-desregierung hatte bereits in ihrer Kabi-nettsitzung am 17. Juli 2018 die Einrich-tung eines Technologie-Tranferzen-trums für biobasierte Materialien be-schlossen und dafür den StandortWaldkraiburg vorgesehen. Das LandBayern wird dafür 10 Mio. Euro alsAnschubfinanzierung bereitstellen, das

Die Chancen für einen großen Schrittin Richtung einer Bioökonomie aufHolzbasis in Deutschland erläuterteauf dem „Internationalen Holzbaufo-rum“ am 6. Dezember in Garmisch Dr.Matthias Zscheile, Professor an derTechnischen Hochchule Rosenheimund Geschäftsführer der BSM Bioeco-nomy Cluster Management GmbH inHalle (Sachsen-Anhalt). Aktuell sindzwei Projekte in Vorbereitung, die fürdie auf Holz basierende Produktent-wicklung und Produktion in Deutsch-land bedeutsam werden.

Bayerische Landesregierung und Technische Hochschule Rosenheim streben bis 2021 ein Zentrum für biobasierte Materialien an

geht aus der Antwort des BayerischenLandtags vom Oktober 2018 auf eineAnfrage des SPD-Abgeordneten Knob-lauch hervor. Eine Kostenübernahmefür die Bau- und Grundstückskostendurch die Stadt Waldkraiburg ist aller-sings noch nicht bestätigt. Die Hoch-schule Rosenheim hatte dafür in derKonzeption für das ZBM rund 13,3Mio. Euro angesetzt. Die Aufnahme desGebäudebetriebs ist für 2021 geplant.

In Rosenheim sieht man die vorteil-hafteste Konstellation in einer engenZusammenarbeit des Standorts Rosen-heim mit dem ZBM am Standort Burg-hausen, an dem eine Erweiterung der

Hochschule in den Bereichen ange-wandte Chemie, Plattformchemie, che-mische Verfahrenstechnik, Material-wissenschaft und Polymerformulierungfest eingeplant ist. Sowohl Waldkrai-burg als auch Burghausen liegen im so-genannten bayerischen Chemiedreieck.

UPM plant Bioraffineriean deutschem Standort

Laut Zscheile steht der finnischeHolz- und PapierindustriekonzernUPM kurz vor der Bekanntgabe einerInvestitionsentscheidung für eine Bio-raffinerie in Deutschland. Mehrere

Standortalternativen für ein Werk miteinem Investitionsvolumen von rund700 Mio. Euro in der Größenordnungvon 500 000 t (atro) Buchenholz in derEndausbaustufe würden derzeit vonUPM geprüft. Der Konzern hatte in ei-ner Pressemeldung im Oktober 2017 alsmöglichen Standort Frankfurt-Höchstgenannt, in der Nähe zu chemischen In-dustrien als Weiterverarbeiter der Vor-produkte aus der Bioraffinerie.

„Klar ist, dass man in der Konkurrenzum Holz jemandem den Rohstoff weg-nehmen muss“, sagte Zscheile am

Schluss seines Vortrags. Das größte Po-tenzial bestehe in den Sortimenten, diemomentan in die Bioenergie gingen.

Direkt im Anschluss äußerte HugoWirthensohn, Vorstand des Holzfo-rums Allgäu, deutliche Kritik an Zschei-les letzter Aussage. Natürlich begrüßeauch er es, wenn mit der Bioökonomieauf Holzbasis ein neuer Markt entstehe.In der gegenwärtigen Situation, in derdie Forstwirtschaft aber nicht wisse wo-hin mit dem vielen Kalamitätsholz, seies für ihn furchtbar, die Bioenergie überden Preis gegen die Bioökonomie aus-zuspielen, einen Markt, den es momen-tan ja noch gar nicht gebe.

In der Erwiderung äußerte ZscheileVerständnis für die aktuellen Sorgender Forstwirtschaft. Die Holzenergiewerde sicher nicht komplett wegfallen,sie ersetze ja auch fossile Energie. Wennaber die chemische Industrie oder dieZellstoffindustrie stärker in die Holz-Bioökonomie einstiegen, werde derMarkt entscheiden und es werde zu ei-nem Ausgleich zwischen den Sortimen-ten kommen.

Auszug aus einer Machbarkeitsstudie von UPM für einen Chemiestandort aufBasis des Rohstoffs Holz in Deutschland Grafik: UPM Biochemicals

Die Anwendungsmöglichkeiten auf Basis von Holzfasern und chemischen Holz-bestandteilen sind vielfältig: Das künftige bayerische Zentrum für biobasierte Ma-terialen (ZBM) soll in diesem Bereich die Möglichkeiten der TH Rosenheim erwei-tern. Als Standort hat die Landesregierung Waldkraiburg vorgesehen (Kartenaus-schnitt rechts). Grafik: TH Rosenheim nach Harrington (1996) und Meier (2006)

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