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7)i<; Mi tzfjt r<; i am Müntplats

Sieben Meter unter Zürichs Altstadt . .

Die I iii Miiliii des Verkehrs auf der Zürcher Hahn-hofstraße hriolil sich an «Ion Mauern d er etwäl zu-iiii-klii-c.i-inl>;-ii Augustinerkirche ,ini| dämpft sich auf«lern Münzplatz gegen flio klassizistische Fassadeeines . ui-i-i... ki:-. n ll.ni-.i-~. I

liiij'i sich lili'i wiein Schutz um] Sicherheit hinter den hohen limiten,die ihre Fronten im die Hauptverkehrsader der Studigediehen. Seine schnörkclvcrzierlen Pilaster und dieWeltfriede unter «lein minden Giebel funden dieSiiinirii-.il alil'-n auf, die u li in den gotischen Mi.chenfenitern ilrühen brechen und munter nnf dieroten Lieferwagen springen, die iilier den kleinenPlatz rollen.

Dirne Fahrzeuge bewältigen den Warenverkehrder Großmetzgerei Gebrüder Niedermann, «leren\ . -riNüliiiiij'- liiiii :iii- im ersten Stock «IC» schmuckenHauses eingerichtet lind, inden ihre Ladenräume zuebener Erde aus lichten Fensterreihen auf den Hut/.

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Die Zubereitung des Wiirsthräts

'und die von ihm abzweigende Augustinergasse

blicken. Hier, wo in früheren Zeiten die LorhcrsrhcApotheke ihre Mixturen und Ilcilsalhen feilhielt, be-gannen die heiden Brüder Albert und Karl Nieder,

mann als Gründer des Geschäfte* im Jahre 1906 ihreBratenstücke und Wurstwaren einer rasch sieh meh-renden Kundschaft zu verkaufen, nachdem sie

Glieder einer kinderreichen Toggenburger Familieschon v i er Julire vorher sich an iler Marktnahe,

ansiedelt hütten. Noch heute verfolget! sie, beidemehr als achtzigjährig, mit Aufmerksamkeit denGang des von ihnen zur Blüte gebrachten Geschäftes,

das nun ihre Nachkommen leiten um] (las eineFamilienfirma gebliehen ist.

Schon die morgenfrische Betriebsamkeit auf demidyllischen Münzplatz verrät einen bedeutsamen Um-Schwung des Unternehmens: während aus allenGassen Mägde und Frauen in den Ladenräumen lieheinfinden, um mit Bedacht ihren Nierenbraten zu

einem Mittagsmahl, ihr Federstück zu einem wiirz.i-gen Gesottenen oder ihren Aufschnitt zu wählen,

werden draußen vor den Türen ganze Beigen sauberverklebter, weißer Pakete in die geöffneten Liefer,wagen geschichtet.

Das sind die Bestellungen, die eingelnufen sind:ein li. illii . Dutzend Manu haben sie erledigt und

die I'ukete hergerichtet, und siebzehn Fahrer ver-frachten diese Fleischwaren jetzt rings in die Stadtund ihre weitere Lmgebnug, damit sie rechtzeitig inalle küchen kommen in Haushaltungen, wo fürdie Familien ein sorgfältiges Mittagessen gekochtwird, und in Hotels und GlSUtltten, .ml deren Her-den grolle Mengen von Gerichten zubereitet werdenmüssen. Die weißen, in Korben hochgeschichteten

Pakete in den ruten Wagen enthalten bereits jene

Vielfalt au FlciKchgüngcn, die auf den Speisekarten

ilen (rüsten «lie Wald schwer machen wird.Diese Lieferwagen kreuzen sich auf dem Münz-

platz mit jenen Fahrzeugen, welche das frischeFleisch uns dem Schlachthof in die Metzgerei brin-gen. Es Rtiinuiit aus d er ganzen Ost- und Zentral-schweiz und ist keineswegs nur «lurch Viehhändlervermittelt. Manches Tier ist, in herkömmlichem Ver-trauen zur angestammten Firma, vom Hauern direkt

geliefert worden, iiiiil zudemführt jcileii Mittwoch einer derGeichlfuleiter aufs Laml, umnach eigenem Augenschein inden Mull. -11

bankwürdiges Vieheinzukaufen.

Durch luftige Hallen wirddieses frische Flei»rh zur Treppe

oder zum geräumigen Warenliftgebracht, die in die Kühlräumehinunterführen und hier be-ginnt sich nun ein unterirdische!Reich dieser Metzgerei aussu-dehnen, das mit seinen Stiegen,( und mannigfaltigen

Werkräumen als ein geschäftige«Labyrinth den Besucher der-malien fesselt, daß er währenddes Herumgehens kaum merkt,wie weil rr sieh unter einemQuartier def Zureiter Altstadtum viele Krken bewegt. Beinaheverliert er sieh in den zueinem ganzen System zusammen-geschlossenen Kellern maucherLiegenschaft, die vom Münzplatz

der Widdergasse entlang bis zum Beiinweg ihreGiebel recken, indes ihre Fundamente einer Vereinig-

tet! Stätte, d er Arbeit als Wiinile und Stützen dienen.

Noch haben wir allerdings in jenen ersten Kühl-räumen nicht die ganze Tiefe «lieses Metzger-Mulrpiirtiis erreicht. Aber sie erweisen sich hereinals Lagerräume von eindrücklicher Größe. Da han-gen in Beih und Glied ilie ausgeweideten Kälber,deren vierzig bis fünfzig jede Woche gebraucht

werden. Da baumeln die in d er roten Faserung des

Fleisches dunkleren Binder und zwar Hinter-viertel im Hinterviertel schon ausgerichtet; denngerade diese sind es mit Hilft, Nierenstück undStotzen, die als besonders delikate und deshalb auchteurere Bissen von Verwöhnten und in der allge-

meinen Hochkonjunktur einer cGutlebe» ergebenen

Konsumenten begehrt werden. Aber illich Schinkenhangen du im den linken, die durch die Schenkel-sehnen greifen, und das Licht d er Glühbirnen glitzert

über ihre noch weißlichen Schwarten. In einer Tem-peratur von null bis einem Grad wartet «liese FülleFleisches zwei Wochen lang auf eine weitere Ver-arbeitung und auf ihre Bestimmung auf dem Laden-tisch.

Uelier eine Steintreppe gelangen wir in einennoch tiefer gelegenen Kellcrstork, und nun stehen

wir lieben Meter unter den Gassen und den Erd-geschossen der HBiiser.

An der Wand eines längeren (.anges dümmern,

von Fehlerkosten geschützt, «He kühtmatrhinrn. DerArbeiter, der in ihrer Nähe auf einem kräftig be-

leuchteten Tisch eben in dampfenden Kesseln«Gnagi», ein rosiges Durcheinander von «Schnörrll»,

«Füßli» und «Wädli», sortiert und betreut, frösteltnicht in ihrem Wirken. Im Gegenteil! die Stirneglänzt ihm hei seinem emiigen Hantieren mit einemLeckerbissen, dessen Probe uns entzückt, d er ihnjedoch im täglichen Umgang kaum mehr verlockt. DieTemperaturregulierung jener Maschinen aber erreichtalle Lagerräume, «lie sieb hier anschließen und in«leuen alle Arlen von Aufschnitt, phantasievoll durch-ziert, und Fleischkäse auf Gestellen liegen und wo dieLyoner- und Mettwürste wie glitzernde Tropfstein-

wülste in einer Grotte hangen.

Bereits aber greift auch «las Geschäft d er Spedi-

tion in «liese Tiefe: in einein vom künstlichen Lichtdurchstrahlten Kaum stehen weiUiimschUrzle Arbei-terinnen uii einer modernen Verpackmaschine, dieportionenweise zugeschnittenen Sperk in eine durch-sichtige Hülle schicht lind zugleich den Paketen

die Luft einsaugt. So sind diene liuhißkösllichkeitennicht nur vor dein Austrocknen geschützt, sie blei-heu mich hygienisch einwandfrei, selbst wenn wähle-rische Kundinnen sie im Luden in «lie Hund nehmen.

Während wir, im Zentrum «les ganzen Werk-Systems, an der elektrischen Stromverteilungsanlage

vorubertchrelten und auch die Heizung entdecken,

die ihre Wärme in den gesamten Betrieb ausstrahlt,

denken wir kaum daran, daß nun gerade über UMiler Verkehr durch die Augustinergasse pulst. Wirblicken in schwarze Schlünde: es sind Rauchkam-mern, in denen über glutendein Tiinnensiigemehl dieSchinken und enlrippten Speckseiten geräuchert wer-

ilen. Vorher jedoch ist «lieses köstliche Schweinernein großen Bottichen gesalzen worden. Kiiie S p urSalpeter entlockt dem Fleisch eine haltbare roteFarbe, indes das Salz seinen Geschmack kräftigt. Das

Händlern ist eine eigentliche Konservierung, schonseit alters her betrieben nur konnte und kann mansich auch heute noch auf dem Laml eine umstund-liebere Behandlung des Schwelnefleliche« leisten,

es in eine würzige Heize legen und es womöglich imHauch von Rebenhoh und Wacholdergesträuch

Sogenannter Bauernspeck zum Rohessenhängt auch hier, im Keller iler Großmetzgerei, inrabenschwarzen Hudeln von Seiten an der Decke: erist länger als die braunen Stücke, die gekocht wer-den müssen, vom Kalich umschmeichelt und ge-

trocknet worden und hat zudem einige Monate Spe-zialbehandlung im Bündnerland hinter sich.

Durch einen Nebeilgang wären wir oberirdischgewandert, so hätten wir indessen die Häuser an derWiddergasse erreicht webt plötzlich heftige Kälte.Sie entströmt den kurz geöffneten Türen zweier Tief-kühlräume. Im ersten befinden sich in einer Tempe-

ratur von minus dreißig Grad jene Fleischstücke, diein kürzester Frist durchgefroren sein müssen, und im

In der Wursterei, einem der größten Winnie, in

«lein 36 Mann arbeiten, lutifcn die Fleifchlinck.maschinen, Die von Ihnen zerkleinerte Fleischmannwird im sogenannten «Blitz», einer Misch- undSchneidemaschine, mit Gewürzen und Einrücken vcr-mengt. In raschen Umdrehungen knetet »ie gerade

die unterschiedliche Musse für d en Fleischkäse in-

einander, no daß sehr rasch kein» ursprünglich''

Kiiuelziitiit mehr zu erkennen ist.

Nach bestimmten Rezepten zusammengesetzt, ge-

würzt und zubereitet, liegt «las Wurstbrät in weitenTeigmulden. Killer «lcr Wurster ist eben im der

WlenerUnUUcMm beschäftigt. Kr stülpt den ge-

waschenen Schafdarni über eine Uölire, aus weicherder Wurslteig in diese Hülle getrieben wird, und

während dirses Vorgangs bindet die Maschine aiirlidie Wiirsle ab: sie reihen sich, jedes Wienerli gleich

lang und gleich schwer, zu hingen Kränzen. Sie siinl

noch ebenso bleich wie die Zervelats. «leren Hriit in

Rindldirme abgefüllt wird und die auch als weiße

An der Bratwttrstmasohinc

Würste in den Haiichkastcn kommen. In ihm er-

halten die Wienerli während annähernd dreiviertelStunden und die Zervelats während zwei bis zwei-

einhalb Stunden die erste Farbe und vermehrt!Festigkeit. Im nachfolgenden Sud erblühen sie dann

zu ihrer bekannten bräunlichen Hole. So nehmenhier täglich viertausend Paar Wienerli und bis lU

siebentausend Zervelats ihren Weg aus der W iirMcreiin den Laden und auf die Tische ihrer Liebhaber.

Kai! man aber auch in einer Großmetzgerei nichtbeim einmal Erreichten stehen bleiben will, beweisteine Werkabteilung, in iler neun Versuche unter-nommen werden, Versuche zur Verbesserung umlVerfeinerung d er herkömmlichen Wurstwaren undAuftchnlttiorten, und Experimente, die, sei ex in der

\\ artenzusammensetzung, sei es in der Behandlung!;art, zu neuen Ergebnissen führen können. Mau bleibtim Herstellen der Fleischwaren gleichermaßen iiiif

Jii im Zuschneiden des Fleisches

Do» Zerlegen, der Titre

zweiten harrt die Ware hei minus fünfzehn Gradihrer späteren Verwertung« Schweinsfüße, steinhartgefroren, klingen beinahe glasern,

» mau dieKörbe rüttelt, in denen sie liegen. Da Ci gelegent-

lich notwendig ist. auch ein gefrorenes Fleischstückzu zerschneiden, ist eine elektrische Fleischgiiillo-

lilie .miIj-.--i.IIi. deren Messer die härtesten Brockendurchdringt, und hei ihrem Anblick könnte einemdie Erinnerung an die Zeiten «ler Großen Revolutiondurch den Sinn gruseln

. .

Leuchten auch in all diesen Unterirdischen Ge-lassen die feinsten Nierenstücke, die leckerstenSchinken und Speckseiten in ihrer Fülle wie aufeinem üppigen niederländischen Stilleben, so wen-det sich die Frage «lcr Neugier doch bald der popu-lärsten Art der Fleischverwertung zu: den Würstenund damit d er If unfern' ... Sind doch die Würsteill. i

Längen und jeder Dirke nicht nur ein wich-tiges Villi im; milli I auf den Tischen aller Stände,

sondern auch eine willkommene kulinarische Bei-gabe d er zürcherischen Feste!

Aus aller Well ist hier «Ins Lager der Härme,«liener zarten WiirstUleiiler, geäufnet worden. Vor-wiegend aus dem Osten, aus rhina. Persien und derTürkei, und anderen Gebieten stammen die feinenScliafdärme, die bekanntlich nicht nur zu denWienerli verwendet werden, soiiilerii auch als Darm-saiten auf Streichinstrumenten erklingen und heii t|i. i.iii.iii. ii ,il Nähzeug dienen. Andere Darmsor-teil, »ir die Schweinsdärme, sind au« beiden ameri-kanischen Kontinenten hielicrgesetidet worden, uml

II. konserviert das Salz, das in großen Fässern aufdem i;.i I. ii bereitsteht

dem laufenden wie in ihrer hygienischen Ver-packung, die ihre beste Leistung dort erreicht, wo

eine Keibe von Arbeiterinnen am rollenden Bandje hiindrrt Gramm Salami, maschinell geschnitten

und in abgemessenen Häufchen der Wiiuge ztipr-scholien, in durchsichtige Hüllen schieben.

Schließlich, da eine Großmetzgere! heutzutage

ihren Kunden nicht nur das Fleisch und «In« Ct-flügel in die Kiichrn liefern, solidem ihnen auch

mit fertigen Delikatessen eine Cocktailparty oderdas Aufhuiien eines Hors-d'tcuvTcs erleichtern will,

herrscht ein gewandter Traiteur mit seinen Helfernin einem eigenen Reich, Kr betreut «He belegten

Brötchen, die tu Hunderten auf Gestellen liegen: rrl.il'.i den Italienischen Snlul in Dosen abfüllen uml

leiht neben den glitzernden Siilzleiii, die er inAusstellungen g e rn um einen aus Fett modelliertenLöwen gruppiert, besonders auch «Irr Siilzpa'lctr.diesem traditionellen zürcherischen Festgericht, sein'kenntnisreiche Aufmerksamkeit,

So erfüllt jeder der rund hundertfünfzigstellten d er Metzgerei Niedermann im ganzen Ur-

trieb seine ihm. überantwortete Aufgabe, sowohlüber lieni Boden als mich in ilicscm Unterirdisch«)

Hcreirhi» zielhofter Geschäftigkeit. Indes uns oVr

Gcdniikr bewegt, wie emsig da unten für du« leib1

liehe Wohl des Bürgers gesorgt und gewirkt wintder wohl ahnungslos sieben Meier über um iliirrlidie Gatten schlendert, »teigen wir endlich die lelli«Treppe empor. Hell umflutet uns das Tageslicht, iIj'durch die Scheiben eines iMet/gcrladeiis elnfllllund wir slaiinril erst recht, wie weit wir im volti

I in ii. ; am Münzplatz entfernt haben, da wir an-

der I.ailenlüre auf dem Hennweg hinaustrete«.Gottlieb Heinrich rfrf

Neue Zürcher Zeitung vom 20.10.1956

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