S Zahnpasta, Seife, Shampoo, Körperlotion, Rasiercreme, Parfum, Sonnenschutzlotion, Haarfärbemit-tel, Lippenstift und Make-up – vie-le dieser Körperpflegemittel enthal-ten Gefahrstoffe in Konzentratio-nen, die es erfordern würden, die Produkte zu kennzeichnen. Aber sie sind von der Verordnung zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien (Regulation on Classification, Labelling and Pack-aging, CLP) ausgenommen.1,2)
Die Kosmetikverordnung schreibt stattdessen vor, die Inhaltsstoffe sor-tiert nach Menge auf den Verpa-ckungen aufzuführen. Es sind die Namen aus der Liste zur Internatio-nalen Nomenklatur für kosmetische Inhaltsstoffe (Inventory and a com-mon nomenclature of ingredients employed in cosmetic products, INCI) anzugeben.1,3)
Engagierte Konsumenten kön-nen herausfinden, welche der ent-
haltenen Substanzen Gefahrstoffe sind, also Stoffe, die laut CLP-Ver-ordnung einzustufen und zu kenn-zeichnen sind. Wer in der INCI-Lis-te die CAS-Nummer eines Inhalts-stoffs heraussucht, kann damit in der Datenbank „Classification + Labelling Inventory“ (C+L-Inven-tory) nachsehen, ob und wie ge-fährlich die Substanz ist.4) Die Ta-belle zeigt Einstufungen und Kenn-zeichnungen einiger Inhaltsstoffe in Körperpflegemitteln.
Die genauen Mengenanteile der Inhaltsstoffe müssen nicht auf den Packungen der Kosmetika stehen. Die Informationen auf den Etiket-ten reichen daher nicht aus, um die Mischung einzustufen. Korrekt einstufen kann das Produkt nur der Hersteller, der die genaue Zusam-mensetzung kennt. Eine Recherche mit Rezepturen einiger Kosmetika zeigte, wie die CLP-Kennzeich-nung dieser Produkte aussehen könnte (Kasten, S. 532).5)
Vielen Konsumenten ist nicht klar, dass auch etliche Naturstoffe Gefahrstoffe sind und daher auch Naturkosmetika bei entsprechen-der Dosierung gefährlich sein kön-nen. Kamillenblütenextrakt zum Beispiel ist unverdünnt eingestuft mit den Gefährdungssätzen H304 „Kann bei Verschlucken und Ein-dringen in die Atemwege tödlich sein“, H315 „Verursacht Hautrei-zungen“, H317 „Kann allergische Hautreaktionen verursachen“ und H412 „Schädlich für Wasserorga-nismen mit langfristiger Wir-kung“.
Warum die Ausnahme?
S Nur in Einzelfällen beein-trächtigen Körperpflegemittel die Gesundheit von Konsumenten; die meisten Benutzer haben trotz täglichen Gebrauchs keine direk-ten gesundheitlichen Probleme. Gibt es eine Ausnahme für Kör-
Ursula Klaschka
Im Badezimmer müssten einige Körperpflegemittel Gefahrensymbole tragen. Das tun sie nur
deshalb nicht, weil diese Produkte explizit von der Verordnung zur Kennzeichnung von Chemikalien
ausgenommen sind.
Warum sind Shampoos frei von Warnhinweisen?
BKosmetikaV
Ob Shampoo, Hautcreme oder Aftershave: Viele Körperpflegemittel enthalten Gefahrstoffe.
VV Shampoo, Duschgel, Deo und Co. können die
Haut reizen oder die Augen schädigen.
VV Trotzdem sind auf den Produktverpackungen le-
diglich die Inhaltsstoffe aufzuführen, ohne Ge-
fahrenhinweise und genaue Mengenangaben.
VV Auch Naturstoffe können Gefahrstoffe sein –
doch den wenigsten Verbrauchern ist das klar.
VV Wenn Körperpflegemittel wie andere Produkte mit
Gefahrensymbolen gekennzeichnet wären, könn-
ten Konsumenten achtsamer damit umgehen.
S QUERGELESEN
Nachrichten aus der Chemie| 61 | Mai 2013 | www.gdch.de/nachrichten
530
05 2013Zeitschrift derGesellschaftDeutscherChemiker
61. JahrgangMai 2013S. 505 - 612
Warnhinweise Kosmetik immer ohne I S. 530
KieselalgenFunktionen aus der Silicawand I S. 514
Er schmeckt nach Kork I S. 554
201302Mitteilungsblatt der GesellschaftÖsterreichischerChemiker
Verlagspostamt 1010 WienP.b.b. / 05Z036512 M
perpflegemittel, weil die Kriterien der CLP-Verordnung zu streng sind?
Das System der Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien hat sich seit Jahrzehnten bewährt und informiert Verbraucher über Risiken, die von Konsumproduk-ten wie Wasch- und Reinigungs-mitteln, Klebstoffen und Lacken ausgehen. Die Kriterien hängen bei diesen Produktgruppen nicht von der Verwendungsart der Produkte ab und sind inzwischen weltweit als angemessen anerkannt.
Es ist nicht nachzuvollziehen, dass die Kriterien für Körperpflege-mittel, mit denen der Konsument häufigen direkten Kontakt hat, zu streng wären, nicht aber für andere Produktgruppen. Die Expositions-situation verschärft sich sogar noch, wenn zum Beispiel beim Ra-sieren Mikroläsionen entstehen und die Haut dadurch empfindli-cher wird.
Rinse-off-Produkte wie Sham-poo oder Seife verdünnt der Be-nutzer bei Gebrauch mit viel Was-
ser; dadurch reduziert sich zwar das Risiko, die Exposition kann aber immer noch höher sein als bei Lacken, Klebstoffen und Putz-mitteln. Leave-on-Produkte, bei-spielsweise Handcreme oder Deo, landen unverdünnt auf der Haut, zum Teil sogar auf besonders emp-findlichen Hautpartien wie der Achselhöhle.
Die Gesundheitsgefahr durch Körperpflegemittel kann sich durch Kombinationswirkungen erhöhen. Auch sind die Abbau- oder Reakti-onsprodukte teilweise gefährlicher als die Ausgangsstoffe: Bei der Oxi-dation des Duftstoffs Limonen ent-stehen beispielsweise Hydroperoxi-de. Aus Triethanol amin und Coc -amid diethanolamin in Augen-Make-up können sich krebserregende Ni-trosamine bilden.
Bisher gibt es auch nur vereinzelt Studien darüber, ob und wie Kör-perpflegemittel die Umwelt gefähr-den, obwohl einige der Inhaltsstof-fe gewässergefährdend sind und kontinuierlich in die Umwelt ge-langen.
Ausnahmen – ja oder nein?
S Eine Ausnahme von der Kenn-zeichnungspflicht wäre zum Bei-spiel für Produkte gerechtfertigt, mit denen die Konsumenten gar nicht in Kontakt kommen, was bei Körperpflegemittel aber nicht der Fall ist. Sie wäre auch begründet, wenn die Konsumenten auf ande-rem Wege von den Gefahren erfüh-ren, zum Beispiel über Hinweise auf der Verpackung, wie das Pro-dukt sicher zu verwenden ist. Bei Haarfärbemitteln etwa weist die Gebrauchsanleitung darauf hin, dass bei der Anwendung Hand-schuhe zu tragen sind und vor Ge-brauch ein Hauttest auf allergische Reaktionen durchzuführen ist. Hinweise dieser Art fehlen aber bei anderen Körperpflegeartikeln.
Wenn die Liste der Inhaltsstoffe auf den Verpackungen nicht aus-reicht, um den Verbraucher zu schüt-zen, sollte die Ausnahmeregelung für Kosmetika in der CLP-Verordnung aufgehoben werden – am besten, bevor die Verordnung für Mischun-gen im Jahr 2015 in Kraft tritt.
Einige Gefahrstoffe in Körperpflegemitteln. Angegeben sind die harmonisierten Einstufungen oder die Einstufungen, welche die meisten
Hersteller verwenden. Bei Paraffin wird in Körperpflegemitteln normalerweise nur die nicht eingestufte Form eingesetzt.
Substanz, CAS Nr.
Funktion (nach INCI) Verwendung Einstufung Kennzeichnung
Natriumlauryl-ethersulfat 9004-82-4
oberflächen-aktiv reinigend schaum-bildend
Shampoo Duschgel Flüssigseife
� H302: gesundheitsschädlich bei Verschlucken
� H319: verursacht schwere Augenreizung Achtung
D-Limonen 5989-27-5
Duftstoff
in vielen Produkten, darunter: Duschgel Shampoo
� H226: Flüssigkeit und Dampf entzündbar � H315: verursacht Hautreizungen � H317: kann allergische Hautreaktionen
verursachen � H400: sehr giftig für Wasserorganismen � H410: sehr giftig für Wasserorganismen,
Langzeitwirkung
Achtung
Cumarin 91-64-5 maskierend Deo
� H302: gesundheitsschädlich bei Verschlucken
� H317: kann allergische Hautreaktionen verursachen
� H373: kann die Organe schädigen bei längerer oder wiederholter Exposition
Achtung
Cocamido-propylbetain 61789-40-0
oberflächen-aktiv reinigend schaum-verstärkend
Hautcreme Shampoo Haarfärbe-mittel Flüssigseife
� H315: verursacht Hautreizungen � H319: verursacht schwere Augenreizung � H400: sehr giftig für Wasserorganismen
Achtung
flüssiges Paraffin 8012-95-1
antistatisch pflegend Lösemittel Hautschutz
Massageöl � H304: kann bei Verschlucken und Eindringen in die Atemwege tödlich sein
Gefahr
X
531Kosmetika BMagazinV
Nachrichten aus der Chemie| 61 | Mai 2013 | www.gdch.de/nachrichten
Neben der Kennzeichnungs-pflicht hätte das weitere Konse-quenzen für Kosmetika: Epidemio-logische Daten, Informationen über berufliche Verwendungen
und über Unfälle wären zu berück-sichtigen – für den Konsumenten-schutz eine sinnvolle Sache.
Wenigstens für Leave-on-Pro-dukte sollte zusätzlich auch die
Kleinmengenregelung der CLP-Verordnung wegfallen, nach der auf Verpackungen mit weniger als 125 mL nicht alle Risikosätze auf-zuführen sind. Gefahrstoffe sind nicht weniger gefährlich, nur weil sie aus kleinen statt aus großen Be-hältnissen direkt auf die Haut ge-langen.
Laut CLP-Verordnung dürfen Behältnisse, die gefährliche Mi-schungen enthalten, nicht durch eine verharmlosende Aufmachung irreführen. Auch diese Bestimmung könnte Konsequenzen für Körper-pflegemittel haben.
Für Hersteller würde es sich loh-nen, ein Sortiment von Produkten zu entwickeln, die nicht als gefähr-lich zu kennzeichnen sind und die dennoch ihre Funktionen zufrie-denstellend erfüllen. Wenn Konsu-menten weniger gekennzeichnete Produkte bevorzugen würden, könnte sich so das Produktspek-trum zu weniger gefährlichen Arti-keln verschieben.
Ursula Klaschka, Jahrgang 1961, ist Professo-
rin für umweltverträgliche Produktion und
umweltorientierte Unternehmensführung an
der Hochschule Ulm. Sie forscht über Gefahr-
stoffe in Kosmetika und Infochemikalien.
Literatur
1) EC 2009 Regulation 1223/2009 of the
European Parliament and of the Council
on Cosmetic Products.
2) EC 2008 Regulation No 1272/2008 of
the European Parliament and of the
Council of 16 December 2008 on classifi-
cation, labelling and packaging of sub-
stances and mixtures, amending and re-
pealing Directive 67/548/EEC and
1999/45/EC and amending Regulation
(EC) No 1907/2006.
3) EC 1996 Commission Decision
96/335/EC of 8 May 1996 establishing
an inventory and a common nomencla-
ture of ingredients employed in cosmetic
products. Off J L 132, 01/06/1996,
1–684.
4) http://echa.europa.eu/web/guest/
information-on-chemicals/cl-inventory-
database
5) U. Klaschka, Environmental Sciences
Europe 2012, 24, 37. www.enveurope.
com/content/24/1/37
6) K. Schrader, A. Domsch, Cosmetology –
Theory and Practice. Volume I to III. Ver-
lag für chemische Industrie, Augsburg, H.
Ziolkowsky, 2005.
S Wie wären Kosmetika zu kennzeichnen?
Wie die CLP-Kennzeichnung von
Kosmetika aussehen könnte, zeig-
te der Versuch mit 33 zufällig aus
Lehrbüchern gewählten Rezeptu-
ren.5,6) Unter den Produkten waren
Rasiercreme, Deo, Zahnpasta,
Duschgel, Flüssigseife, Massageöl,
Haarspray, Enthaarungscreme und
Insektenschutzmittel. Von den
33 Kosmetikartikeln bräuchte nur
ein Produkt nicht eingestuft zu
werden.5) 85 Prozent aller Testob-
jekte wären aufgrund ihrer negati-
ven Wirkungen auf Augen oder
Haut einzustufen und zu kenn-
zeichnen. Die häufigsten H-Sätze
sind H319 und H318: Augen- und
Hautreizungen. 64 Prozent der
Produkte müssten das Signalwort
„Achtung“ und 33 Prozent „Ge-
fahr“ tragen. Kanzerogene, muta-
gene und reproduktionstoxische
Stoffe sind in Kosmetika nur in
Ausnahmefällen erlaubt.3) Es gab
nur wenige Rezepturen, die diese
Stoffe enthielten. Die Abbildung
zeigt, wie groß der Anteil der Pro-
dukte mit einem bestimmten
H-Satz ist.
Allgemeine Rezepturen nennen
nur selten namentlich Konservie-
rungs-, Farb- und Duftstoffe –
Stoffe, die oft Gefahrstoffe, hier
aber nicht berücksichtigt sind.
Demnach ist die abgeleitete Ein-
stufung tendenziell weniger
streng als für ein reales Produkt.
Auch andere Annahmen erfolgten
als „Best Case“-Einstufungen.
Da das Einstufungs- und Kenn-
zeichnungsverzeichnis der CLP-
Verordnung (C+L-Inventory) stän-
dig aktualisiert wird, unterschei-
den sich die verwendeten Einstu-
fungen aus dem Jahr 2012 zum
Teil von den aktuellen.4) Einige
Stoffe sind zur Zeit weniger streng
eingestuft, so dass die Gesamtein-
stufung der Produkte schwächer
ausfallen sollte.
0 20 40 60 80
61
33
18
12
9
6
6
6
6
6
3
3
3
3
%
H319: verursacht schwere Augenreizung
H315: verursacht Hautreizungen
H318: verursacht schwere Augenschäden
H317: kann allergische Hautreaktionen verursachen
H361: kann vermutlich die Fruchtbarkeit beeinträchtigen oder das Kind im Mutterleib schädigen
H225: Flüssigkeit und Dampf leicht entzündbar
H302: gesundheitsschädlich bei Verschlucken
H304: kann bei Verschlucken und Eindringen in die Atemwege tödlich sein
H314: verursacht schwere Verätzungen der Haut und schwere Augenschäden
H335: kann die Atemwege reizen
H334: kann bei Einatmen Allergie, asthmaartige Symptome oder Atembeschwerden verursachen
H350: kann Krebs erzeugen
H411: giftig für Wasserorganismen, mit langfristiger Wirkung
Keine H-Sätze
0 20 40 60 80 %
Einstufung und Kennzeichnung von 33 selbst eingestuften Produkten. Die Zahlen be-
zeichnen den Anteil an der untersuchten Stichprobe in Prozent.
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