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Entwicklungen im Bereich internationaler Verrechnungspreise

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Nestler, Anke / Schaflitzl, Andreas: Aktuelle Entwicklungen im Bereich internationaler Verrechnungspreise, erschienen in: Betriebswirtschaftliche Mandantenbetreuung, Juli 2003

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Betriebswirtschaftliche Mandantenbetreuung 7/2003

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Internationales Rechnungswesen

Aktuelle Entwicklungen im Bereich

internationaler Verrechnungspreisevon Dr. Anke Nestler / Andreas Schaflitzl*

Das Thema „Internationale Verrechnungspreise“ ist nicht neu – im Ge-genteil. Konzerninterne Verrechnungspreise sind Umfragen zufolgefür rund 85 Prozent der international operierenden Unternehmen diewichtigste Frage im steuerlichen Bereich. Einer der wesentlichen Grün-de dürfte darin liegen, dass über Verrechnungspreise die Aufteilungvon Gewinnen und Verlusten in Abhängigkeit der unterschiedlichenländerspezifischen Steuerbelastungsquoten gesteuert werden kann.Es liegt auf der Hand, dass Verrechnungspreise einen Schwerpunkt inder steuerlichen Betriebsprüfung bilden. Im Hinblick auf die zuneh-mende Internationalisierung erhöht sich vermutlich nicht nur die An-zahl der Verrechnungspreisprüfungen, auch die Anpassungen dürftenweit höher als in früheren Jahren ausfallen.

1. Neueste Entwicklung

Im Rahmen des Steuervergünstigungsabbaugesetzes (StVergAbG),das nach längerem Hin und Her am 11. April dieses Jahres in abge-speckter Form verabschiedet worden ist, sind gravierende Änderun-gen im Bereich der Verrechnungspreise international tätiger Unter-nehmen eingeführt worden. Vorausgegangen war eine Grundsatzent-scheidung des Bundesfinanzhofs aus dem Jahre 2001, nach der aufBasis der bisherigen Rechtslage keine besonderen Aufzeichnungs- undNachweispflichten hinsichtlich der Angemessenheit von Verrechnungs-preisen zwischen international verbundenen Unternehmen bestehen.Der Gesetzgeber hat darauf reagiert und weit gehende Aufzeichnungs-pflichten für Unternehmen, verbunden mit der Möglichkeit einer Schät-zung zu Lasten des Steuerpflichtigen und empfindlichen Strafen beiVerletzung der Aufzeichnungspflichten beschlossen. Im Gesetz sindInhalt und Umfang der Aufzeichnungspflichten nur sehr allgemeingeregelt. Nähere Einzelheiten wurden im Rahmen einer Rechtsver-ordnung, zu deren Erlass das Bundesfinanzministerium ermächtigtist, bestimmt. Am 12. Juni 2003 ist der Entwurf einer entsprechenden„Verordnung zu Art, Inhalt und Umfang von Aufzeichnungspflichteni.S.d. § 90 Abs. 3 AO“ (RV-E) auf der Internetseite des BMF veröffent-licht worden. Dem Vernehmen nach ist vorgesehen, dass die Rechts-verordnung rückwirkend zum 30. Juni 2003 in Kraft tritt.

2. Methoden zur Ermittlung von Verrechnungspreisen

2.1 Grundlegende Prinzipien bei der Ermittlung vonVerrechnungspreisen

In der Betriebswirtschaftslehre und im Steuerrecht werden mit Ver-rechnungspreisen Wertansätze bezeichnet, zu denen Lieferungen undLeistungen zwischen Teilbereichen von Unternehmen (z.B. zwischenStammhaus und Betriebsstätte) oder verschiedenen Unternehmeneines Konzerns (z.B. zwischen Schwestergesellschaften) erfolgen.

* Dr. Anke Nestler ist öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für

Unternehmensbewertung und Geschäftsführerin der Oppenhoff & Rädler Cor-porate Finance GmbH in Frankfurt;

StB Andreas Schaflitzl ist Partner der Sozietät Linklaters Oppenhoff & Rädlerund im Steuerbereich des Münchener Büros tätig.

GravierendeÄnderungen durchdas StVergAbG

Definition in derBWL und demSteuerrecht

Schwerpunktthema

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Verrechnungspreise zwischen verbundenen Unternehmen müssengrundsätzlich nach betriebswirtschaftlichen Prinzipien festgelegt wer-den. Zentraler Maßstab der Finanzbehörden ist, ob die konzerninter-nen Lieferungen und Leistungen zu angemessenen Bedingungen ab-gewickelt wurden. Angemessen bedeutet bei den OECD-Mitgliedstaa-ten (und auch in vielen anderen Staaten), dass der Fremdvergleichs-grundsatz angewendet werden muss. International spricht man vondem so genannten „arm’s length principle“ (Art. 9 Abs. 1 OECD Mus-terabkommen, § 1 Abs. 1 AStG, deutsche Verwaltungsgrundsätze).

Ein echter Fremdvergleich ist jedoch nur durchführbar, wenn andere,tatsächliche Rechtsgeschäfte zwischen fremden Dritten existieren, diemit den konzerninternen Lieferungen und Leistungen vergleichbarsind. Ein solcher Vergleich ist in der Praxis in der Regel kaum oder nurschwer möglich. Bei dem (hypothetischen) Fremdvergleich steht diegedachte Figur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleitersim Vordergrund.

Für die Ermittlung angemessener Verrechnungspreise kommen ver-schiedene Methoden in Betracht. Im Folgenden werden wir drei inter-national anerkannte Methoden kurz vorstellen: die Preisvergleichs-methode, die Wiederverkaufspreismethode und die Kostenaufschlags-methode.

2.2 PreisvergleichsmethodeBei der Preisvergleichsmethode wird der Verrechnungspreis aus tat-sächlich am Markt beobachtbaren Preisen abgeleitet (so genanntertatsächlicher Fremdvergleich).

Ein direkter Fremdvergleich ist nur möglich, wenn Gegenstand undBedingungen der zum Vergleich herangezogenen Rechtsgeschäftegleich sind. Die geforderten Übereinstimmungen sind in der Praxispraktisch kaum oder sehr selten gegeben.

Alternativ zum direkten Fremdvergleich kommt möglicherweise einindirekter Fremdvergleich in Frage. In diesem Fall sind die zum Ver-gleich herangezogenen Geschäfte zumindest ähnlich, so dass dieUnterschiede identifiziert und angepasst werden müssen. Unterschie-de mit Einfluss auf die Preise wie beispielsweise durch Menge, Quali-tät, Wechselkursrisiko, Zahlungsziele sowie Lieferungs- und Leistungs-bedingungen müssen quantifiziert und aus dem Vergleichspreis her-ausgerechnet werden.

Beispielunternehmen:

Möbelhersteller für Schlafzimmermöbel, Küchenmöbel, Badezimmer

Unteres Preissegment, internationaler Vertrieb

Gesucht: Verrechnungspreis für internationale Tochtergesellschaften

Vergleichsunternehmen:

Möbelhersteller für Schlafzimmermöbel

Unteres bis mittleres Preissegment, deutschsprachige Region

AngemesseneBedingungen sindzentraler Maßstab

FremdvergleichanhandtatsächlicherRechtsgeschäfte

Drei internationalanerkannteMethoden

Gegenstand undBedingungen müs-sen übereinstimmen

HerangezogeneGeschäftesind ähnlich

Methode des indirekten Preisvergleichs l

Schwerpunktthema

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Vorgehensweise:

Klassifizierung der Produkte nach vergleichbaren Produktgruppen

nur für Schlafzimmermöbel; für übrige Produkte neue Vergleichs-

unternehmen

Ermittlung Bruttoverkaufspreis je Produktgruppe

Abzug Rabatte/Boni/Skonti abhängig vom Vertriebsweg

Eliminierung von Mengenrabatten

Berechnung des Vergleichspreises pro Produktgruppe

Dokumentation der Berechnung

2.3 WiederverkaufspreismethodeAusgangspunkt der Wiederverkaufspreismethode ist der Absatzpreis,zu dem die Waren bzw. Dienstleistungen an unabhängige Dritte wei-terveräußert werden. Von diesem Preis werden marktübliche Margenabgezogen, um so zu dem zwischen nahestehenden Unternehmenangemessenen Verrechnungspreis zu kommen.

Durch eine Festlegung der marktüblichen Marge als Prozentsatz kön-nen Endabnehmerpreise flexibel an den Markt angepasst werden,während sich der Verrechnungspreis prozentual angleicht. Gleichzei-tig ist die Ermittlung einer angemessenen Wiederverkaufsspanne ei-nes der zentralen Probleme in der Wiederverkaufspreismethode.

Die Wiederverkaufspreismethode wird in der Regel auf Unternehmenangewendet, die im Vertriebsbereich tätig sind.

Vergleichsunternehmen

Bruttoumsatz 100

Vertriebskosten -20

Verwaltungskosten -10

Sonstige Betriebskosten -10

Rohgewinn* 60

Gewinnmarge (5 Prozent) -5

Bezugspreis Vergleichsunternehmen 55

Wiederverkaufsspanne (in Prozent) 55

* Im Rohgewinn sind die Bezugskosten für die Produkte

nicht enthalten!

Vereinbarter Verrechnungspreis (in Prozent) 55

Beispielunternehmen: Vertriebstochtergesellschaft Schweiz

Umsatz 80

Bezugspreis an Muttergesellschaft (55 Prozent) -44

Ergebnis I 36

Kosten Tochtergesellschaft -30

Ergebnis II Tochtergesellschaft 6

Marge Tochtergesellschaft (in Prozent) 8

Zentrales Problemstellt die Wieder-verkaufsspanne dar

Schwerpunktthema

Wiederverkaufspreismethode l

Schwerpunktthema

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2.4 KostenaufschlagsmethodeDie Kostenaufschlagsmethode folgt, wie alle anderen Methoden, demPrinzip des Fremdvergleichs. Bei dieser Methode werden zunächst dieKosten nach der Kalkulationsmethode ermittelt, wie sie auch bei ei-ner Preispolitik gegenüber fremden Dritten angewendet werden wür-de. Die so ermittelten Kosten sind dann um einen betriebs- oder bran-chenüblichen Gewinnzuschlag zu erhöhen. Bei dieser Methode ent-steht somit grundsätzlich kein Verlust beim leistenden Unternehmen.In der Praxis wird die Kostenaufschlagsmethode z.B. bei Lieferungenvon Halbfertigerzeugnissen, langfristigen Liefervereinbarungen, Ge-meinschaftseinrichtungen mehrerer verbundener Unternehmen undbei konzerninterner Erbringung von Dienstleistungen angewendet.

3. Überblick über die gesetzlichen Neuregelungen imBereich internationaler Verrechnungspreise

Die steuerlichen Neuregelungen im Bereich der internationalen Ver-rechnungspreise betreffen drei Bereiche:

Erhöhte Mitwirkungspflicht bei Vorgängen mit Auslandsbezug (§ 90Abs. 3 AO): Nach § 90 Abs. 3 AO hat der Steuerpflichtige über Art undInhalt seiner Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen(insbesondere Konzerngesellschaften) bzw. bei der Gewinnaufteilungzwischen Stammhaus und Betriebsstätte Aufzeichnungen zu erstel-len. Diese Aufzeichnungspflicht umfasst auch die wirtschaftlichen undrechtlichen Grundlagen für eine den Grundsatz des Fremdvergleichsbeachtende Vereinbarung von Preisen und anderen Geschäftsbedin-gungen. Einzelheiten hinsichtlich von Art, Umfang und Inhalt wur-den in einer Rechtsverordnung geregelt (s. unten Tz. 4.).

Steuerpflichtige sind damit verpflichtet, schriftliche Unterlagen überVergleichsdaten und andere Grundlagen zur Verfügung zu stellen,die zur Beurteilung der Angemessenheit der Verrechnungspreiseerforderlich sind. Darüber hinaus sind die Entscheidungen über diePreisfestsetzung zu begründen. Die Vorlage der Aufzeichnungen sollvon den Finanzbehörden in der Regel nur für die Durchführung ei-ner steuerlichen Außenprüfung verlangt werden. Die Unterlagenmüssen dann innerhalb einer Frist von 60 Tagen vorgelegt werden.In begründeten Einzelfällen kann die Frist verlängert werden.

Ermittlung der Kosten anhand der Fixkosten-Deckungsrechnung

Variable Kosten pro Stück 10,0

+ Erzeugnis-Fixkosten 3,0

+ Erzeugnisgruppen-Fixkosten 2,0

+ Bereichs-Fixkosten 0,5

+ Unternehmungs-Fixkosten 1,0

+ Netto-Gewinn pro Stück 1,0

Stückpreis 17,5

* Fixkostenverteilung erfolgt in Prozent der variablen Kosten.

Betriebs- oderbranchenüblicherGewinnaufschlag

Aufzeichnungs-pflicht wirtschaftli-cher und rechtli-cher Grundlagen

BereitstellungschriftlicherVergleichsdaten

Schwerpunktthema

Kostenaufschlagsmethode l

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Die neuen Dokumentationspflichten gelten grundsätzlich bereits fürWirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.02 beginnen. Im Fall von Dau-erschuldverhältnissen, die als außerordentliche Geschäftsvorfälleanzusehen und schon vor dem 1.1.03 begründet worden sind, müs-sen die Aufzeichnungen hierzu spätestens sechs Monate nach In-krafttreten der entsprechenden Rechtsverordnung erstellt werden.Nach inoffizieller Auskunft des BMF ist eine rückwirkende Inkraft-setzung zum 30.6.03 beabsichtigt.

Neue Schätzungsbefugnis für die FinVerw (§ 162 Abs. 3 AO): Die Ein-führung der gesetzlichen Dokumentationspflichten wird zum einendurch eine – zu Lasten des Steuerpflichtigen wirkende – Schätzungs-befugnis der FinVerw flankiert. Die Schätzungsbefugnis greift, so-fern der Steuerpflichtige gegen seine Mitwirkungspflichten (Vorla-ge der o.g. Aufzeichnungen) verstößt.

Ein derartiger Verstoß liegt vor, wenn die Aufzeichnungen nicht vor-gelegt werden, die vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichenunverwertbar sind oder wenn festgestellt wird, dass die Aufzeich-nungen nicht zeitnah erstellt worden sind. Als Rechtsfolge wirdgesetzlich widerlegbar vermutet, dass die in Deutschland steuer-pflichtigen Gewinne aus den relevanten Geschäftsvorfällen höhersind als erklärt. Sofern diese Vermutung nicht widerlegt werdenkann, hat die Finanzbehörde die Einkünfte im Rahmen einer Schät-zung zu bestimmen. Im Gegensatz zur früheren Rechtslage könnendabei etwaige Preisspannen zu Ungunsten des Steuerpflichtigenausgeschöpft werden.

Die Thematik „Preisspannen“ hat folgenden Hintergrund: In der Pra-xis gibt es häufig nicht nur einen zutreffenden Verrechnungspreis.Regelmäßig wird der Verrechnungspreis innerhalb einer Bandbrei-te liegen. Die Neuregelung ermöglicht es dem FA, den höchstmög-lichen Verrechnungspreis innerhalb dieser Bandbreite zu wählen.

Diese „Strafmaßnahme“ ist erstmals für Wirtschaftsjahre, die nachdem 31.12.02 beginnen, frühestens jedoch sechs Monate nach In-krafttreten der o.g. Rechtsverordnung, anzuwenden.

Weitere Sanktionen bei Nichtbeachtung der Dokumentationspflich-ten (§ 162 Abs. 4 AO): Ergänzt werden die Sanktionsmaßnahmendurch die Festsetzung eines Zuschlags, sofern die Aufzeichnungennicht vorgelegt werden oder die Aufzeichnungen im Wesentlichenunverwertbar sind. Der Zuschlag beträgt fünf bis zehn Prozent desMehrbetrags der Einkünfte, mindestens jedoch 5.000 EUR. Er istalso auch dann zu zahlen, wenn bei der Gesellschaft – auf Grundeiner Verlustsituation oder Verrechnung von Verlustvorträgen – keinpositives Einkommen zu berücksichtigen ist. Bei verspäteter Vorla-ge von Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag mindestens 100 EURfür jeden Tag der Fristüberschreitung, höchstens 1 Mio. EUR.

Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung fest-zusetzen. Es gelten dieselben Regelungen über die erstmalige An-wendung wie im Falle der o.g. Schätzungsbefugnis.

Schwerpunktthema

Schätzungs-befugnis beiVerstoß gegenMitwirkungspflicht

HöchstmöglicherVerrechnungspreisinnerhalb derBrandbreite

Festsetzung einesZuschlags alsErgänzung derSanktionen

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4. Einzelheiten zu den Dokumentationspflichten

Nähere Einzelheiten zu den Dokumentationspflichten werden in einerRechtsverordnung geregelt. Nach dem RV-Entwurf vom 12.6.03, derrückwirkend zum 30.6.03 in Kraft treten soll, sind insbesondere fol-gende Regelungen vorgesehen.

§ 1 RV-E geht auf die Grundsätze der Aufzeichnungspflicht ein. DerSteuerpflichtige hat Aufzeichnungen zu erstellen, aus denen ersicht-lich ist, welchen Sachverhalt er im Rahmen seiner Geschäftsbeziehun-gen mit nahestehenden Personen i.S. des § 1 AStG verwirklicht hatund ob und inwieweit er diesen Geschäftsbeziehungen Bedingungeneinschließlich von Preisen zu Grunde gelegt hat, die den Grundsatzdes Fremdverhaltens beachten. Die Aufzeichnungspflicht bezieht sichauch auf Geschäftsbeziehungen, die keinen Leistungsaustausch zumGegenstand haben, wie Vereinbarungen über Arbeitnehmerentsen-dung (ein Arbeitnehmer einer Gesellschaft wird für eine bestimmteZeit zu einer Konzerngesellschaft entsendet) und Poolvereinbarungen(z.B. Kostenumlageverträge im Rahmen eines gemeinsamen Entwick-lungspools). Soweit aufzuzeichnen ist, ob und inwieweit bei den Ge-schäftsbeziehungen fremdübliche Bedingungen vereinbart wurden,sind die Markt- und Wettbewerbsverhältnisse darzustellen, die für dieTätigkeit des Steuerpflichtigen von Bedeutung sind. Es sind grund-sätzlich Vergleichsdaten heranzuziehen und zu dokumentieren. Hierzugehören Daten aus vergleichbaren Geschäften zwischen fremden Drit-ten sowie aus vergleichbaren Geschäften, die der Steuerpflichtige odereine ihm nahestehende Person abgeschlossen hat, z.B. Preise, Kos-tenaufteilungen, Gewinnaufschläge, Bruttospannen.

Die den Grundsatz des Fremdverhaltens beachtenden Preise und Ge-schäftsbeziehungen sind nach einer geeigneten (Verrechnungspreis-)Methode zu bestimmen (zu den verschiedenen Methoden s. obenTz. 2.). Es ist nicht erforderlich, Aufzeichnungen für mehr als eine Me-thode zu erstellen.

§ 2 RV-E behandelt Art, Inhalt und Umfang der Aufzeichnungspflich-ten. Diese hängen von den Umständen des Einzelfalles, insbesonderevon der angewandten Verrechnungspreismethode, ab. Es sind dieGründe aufzuzeichnen, warum die gewählte Methode als geeignetbeurteilt wird. Sofern konzerninterne Verrechnungspreisrichtlinienbestehen, können diese als Bestandteil der Aufzeichnungen verwen-det werden. Die Aufzeichnungen sind grundsätzlich geschäftsvorfall-bezogen zu erstellen, wobei eine Zusammenfassung gleichartiger odergleichwertiger Geschäftsvorfälle zu Gruppen nach vorher festgeleg-ten Regeln zulässig ist.

Ergibt sich bei Dauersachverhalten (z.B. Lizenzgewährung, Mietver-hältnis) eine Änderung der relevanten Umstände, sind auch nach demGeschäftsabschluss Informationen zu sammeln und aufzuzeichnen,die der Finanzbehörde eine Prüfung ermöglichen, ob die Anpassungder Geschäftsbedingungen fremdüblich ist. Dies gilt insbesondere,wenn Verluste erkennbar werden, die ein fremder Dritter nicht hinge-nommen hätte oder Preisanpassungen zu Lasten des Steuerpflichti-gen hingenommen werden.

Rechtsverordnungzur Dokumentation

Grundsätze derAufzeichnungs-pflicht

Art, Inhalt undUmfang derAufzeichnungspflicht

Schwerpunktthema

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§ 3 RV-E geht auf die zeitnahe Erstellung von Aufzeichnungen beiaußergewöhnlichen Geschäftsvorfällen ein. Als zeitnah gilt noch, wenndie Aufzeichnungen innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf desWirtschaftsjahres gefertigt werden, in dem sich der Geschäftsvorfallereignete. Außergewöhnliche Geschäftsvorfälle sind insbesondereVermögensübertragungen im Zuge von Umstrukturierungsmaßnah-men, wesentliche Funktions- und Risikoänderungen sowie der Ab-schluss und die Änderung langfristiger Verträge (Dauerschuldverhält-nisse), die sich erheblich auf die Höhe der Einkünfte aus Geschäftsbe-ziehungen mit Nahestehenden auswirken.

Ein zeitliches Limit für die Dokumentation sonstiger (nicht außerge-wöhnlicher) Geschäftsvorfälle wird nicht gefordert, so dass diesegrundsätzlich erst bei Anforderung durch die Finanzbehörden inner-halb der 60-Tage-Frist i.S. von § 90 Abs. 3 AO erstellt werden kann.Praktisch dürfte eine derart späte Erstellung jedoch häufig mangelserforderlicher Vergleichsdaten schwierig sein.

§ 4 RV-E und § 5 RV-E regeln Einzelheiten zu den erforderlichen Auf-zeichnungen. Danach werden allgemeine Aufzeichnungen zu den re-levanten Beteiligungsverhältnissen einschließlich Geschäftsbetriebund Organisationsaufbau, den Geschäftsbeziehungen zu nahestehen-den (verbundenen) Personen, eine Funktions- und Risikoanalyse so-wie eine Verrechnungspreisanalyse gefordert. Die Verrechnungspreis-analyse muss eine Darstellung der angewandten Verrechnungspreis-methode, eine Begründung der Geeignetheit der gewählten Methodesowie Berechnungsunterlagen enthalten.

Soweit der Steuerpflichtige bestimmte Sachverhalte verwirklicht hatoder er sich zur Begründung der Fremdüblichkeit auf bestimmteUmstände beruft, sind zusätzlich Aufzeichnungen über diese Umständezu erstellen. Dazu können beispielsweise Informationen über Ge-schäftsstrategien, bei Kostenumlagen Unterlagen über andere Teilneh-mer, Informationen über Verrechnungspreiszusagen oder -vereinba-rungen ausländischer Steuerverwaltungen und Aufzeichnungen überdie Ursachen von Verlusten sowie Vorkehrungen zur Beseitigung derVerlustsituation (sofern der Steuerpflichtige in mehr als drei aufeinan-der folgenden Wirtschaftsjahren aus Geschäftsbeziehungen mit Na-hestehenden ein negatives Ergebnis in der Steuerbilanz ausweist)gehören.

§ 6 RV-E geht auf die Verwertbarkeit von Aufzeichnungen ein. Die Auf-zeichnungen sind verwertbar, wenn sie einem sachverständigen Drit-ten innerhalb angemessener Frist die Feststellung der verwirklichtenSachverhalte und die Prüfung ermöglichen, ob der Grundsatz desFremdverhaltens beachtet worden ist. Aufzeichnungen, die eine sol-che Prüfung nicht erlauben, gelten als im Wesentlichen unverwertbarund lösen die o.g. Sanktionen (Schätzbefugnis der Finanzbehörden,Festsetzung eines Zuschlags; s. oben Tz. 3.) aus.

Insbesondere sind Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar,wenn sie unklar, unvollständig, widersprüchlich sind oder der Steuer-pflichtige eine offensichtlich ungeeignete Verrechnungspreismetho-de gewählt hat und seine Aufzeichnungen für die Anwendung einergeeigneten Methode nicht verwertbar sind.

ZeitnaheErstellung vonAufzeichnungen

Darstellung undBegründung derangewandtenMethode

Notwendigkeit derVerwertbarkeit derAufzeichnungen

Schwerpunktthema

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§ 7 RV-E enthält die Grundsätze für die Erstellung, Aufbewahrung undAnforderung von Aufzeichnungen. Diese können in schriftlicher oderin elektronischer Form erstellt werden und sind grundsätzlich zehnJahre aufzubewahren, jedoch mindestens solange die Festsetzungs-frist für die relevanten Steuern noch nicht abgelaufen ist.

Die Aufzeichnungen sollen regelmäßig nur für Zwecke einer Außen-prüfung angefordert werden. Die Anforderung der Finanzbehördensoll Art und Umfang der angeforderten Aufzeichnungen angeben. DieAufzeichnungen sind grundsätzlich in deutscher Sprache vorzulegen.Auf Antrag können Ausnahmen zugelassen werden. Verträge und ähn-liche Dokumente können jedoch in der ursprünglichen Sprache vor-gelegt werden.

§ 8 RV-E sieht Erleichterungen für kleinere Unternehmen vor. Als „klei-nere Unternehmen“ gelten dabei Unternehmen, bei denen jeweils imlaufenden Wirtschaftsjahr die Summe der Entgelte für die Lieferungvon Gütern oder Waren aus Geschäftsbeziehungen mit Nahestehen-den 5 Mio. EUR nicht übersteigt und die Summe der Vergütungen fürandere Leistungen nicht mehr als 500.000 EUR beträgt. Die Aufzeich-nungspflichten gelten für kleine Unternehmen durch die Erteilung vonAuskünften und die Vorlage vorhandener Unterlagen als erfüllt, wenndie 60-Tage-Frist (einschließlich Verlängerungsmöglichkeit) eingehal-ten werden.

5. Fazit

Mit der Einführung gesetzlicher Regelungen für die Dokumentationkonzerninterner, ausländischer Geschäftsbeziehungen folgt Deutsch-land dem internationalen Standard. Seit der 1995 erfolgten Veröffent-lichung der OECD Empfehlungen „zu Verrechnungspreisen und mul-tinationalen Unternehmen“ haben die meisten OECD Mitglieder ge-setzliche Dokumentationspflichten eingeführt.

Gleichwohl sind mit den gesetzlichen Neuregelungen noch eine Rei-he von Fragen verbunden. Der Konflikt mit der Betriebsprüfung scheintin vielen Fällen vorprogrammiert. Insbesondere dürfte eine Erstellungvon Aufzeichnungen betreffend sonstiger (nicht außergewöhnlicher)Geschäftsvorfälle erst im Nachhinein im Rahmen einer steuerlichenAußenprüfung Probleme aufwerfen. Fest steht, dass auf die Unter-nehmen sehr bald ein erhöhter Aufwand bei der Festlegung und Do-kumentation ihres Verrechnungspreissystems zukommt.

RegelmäßigeÜberprüfung derAufzeichnungen

Erleichterungenfür kleinereUnternehmen

Schwerpunktthema