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Das neue Netz. Wandel von Öffentlichkeit – Wandel von Privatsphäre? Dr. Jan Schmidt Wissenschaftlicher Referent für digitale interaktive Medien und politische Kommunikation Berlin, 03.04.2009

Das Neue Netz Berlin 2009

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Das neue Netz.

Wandel von Öffentlichkeit – Wandel von Privatsphäre?

Dr. Jan Schmidt

Wissenschaftlicher Referentfür digitale interaktive Medien und politische Kommunikation

Berlin, 03.04.2009

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Worüber ich heute spreche

1. Einleitend: Was passiert im neuen Netz eigentlich?

2. Zur Einordnung: Wie sind die Öffentlichkeiten im neuen Netz strukturiert?

3. Zum Weiterdenken: Was heißt das für unser Verständnis von Privatsphäre?

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Was geschieht? Diagnosen.

Commons-Based Peer Production (Yochai Benkler)

Produsage (Axel Bruns)

Convergence Culture bzw. Participatory Culture

(Henry Jenkins)

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Was geschieht? Meine Perspektive.

Im Internet sinken die Hürden für onlinebasiertes…

www.flickr.com/photos/44029537@N00/12760664/

– Identitätsmanagement (Darstellung individueller Interessen, Erlebnisse, Meinungen, Kompetenzen, etc.) z.B. Weblogs, Twitter, YouTube

http://flickr.com/photos/mylesdgrant/495698908/

– Beziehungsmanagement (Pflege von bestehenden und Knüpfen von neuen Beziehungen)

z.B. studiVZ, XING

http://www.flickr.com/photos/axels_bilder/1267008046/

– Informationsmanagement (Selektion und Weiterverbreitung von relevanten Daten, Informationen, Wissen- und Kulturgütern)

z.B. Wikipedia, Digg

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Annäherung an das neue Netz

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Junge Nutzer

• Anwendungen werden unterschiedlich stark genutzt – allerdings jeweils deutlich überproportional von jungen Personen, insbesondere von Teenagern

0

20

40

60

80

100

Weblogs (6%) BeruflicheNetzwerkplattformen

(6%)

PrivateNetzwerkplattformen

(25%)

Videoportale (51%) Wikipedia (60%)

14-19 20-29 30-39

40-49 50-59 60+

Nutzung ausgewählter Social Web-Anwendungen nach Altersgruppen (zumindest selten; in %)

Quelle: ARD/ZDF Onlinestudie 2008

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Motive für Nutzung

69%

64%

41%

37%

34%

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Ich möchte in Kontakt mit Freunden/Bekanntenbleiben

Ich möchte alte Freunde wiederfinden

Ich möchte neue Leute kennenlernen

Ich möchte mich mit anderen Nutzern überverschiedene Themen austauschen

Ich möchte mir meine Langeweile vertreiben

Ausgewählte Motive für Nutzung von Netzwerkplattformen (N=1.068; Mehrfachantworten mgl.)

Quelle: Social Network Barometer 2008; N=1.068

• Das neue Netz ist ein „Social Web“ – Beziehungsmanagement umfasst vor allem die Pflege bereits bestehender Kontakte, erst in zweiter Linie das Knüpfen neuer Kontakte

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Entstehen persönlicher Öffentlichkeiten

Identitäts-, Beziehungs- und Informationsmanagement findet in persönlichen Öffentlichkeiten statt

Zeitlicher Aspekt: Stabilität vs. Dynamik bestimmte Aspekte der eigenen persönlichen Öffentlichkeit sind

relativ stabil (z.B. persönliche Daten), andere sind eher flüchtig (z.B. das journalhafte Protokollieren von Aktivitäten und Erlebnissen „writing yourself into being“ (danah boyd)

Rollenaspekt: Produzent vs. Rezipient Nutzer sind auch Empfänger der persönlichen Öffentlichkeiten

anderer Menschen; „ambient awareness“ für Neuigkeiten und Vorkommnisse im eigenen sozialen Netzwerk wird bei Bedarf in Anspruch genommen

Räumlicher‘ Aspekt: An einem Ort vs. verschiedene Orte? Trennung oder Aggregation unterschiedlicher Rollen-Kontexte hat

Auswirkungen auf Grenzziehungen zwischen Öffentlichkeit und Privatsphäre

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Stabilität vs. Dynamik

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Produzenten sind auch Publikum

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Wo findet man statt?

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Aggregation von Aktivitäten

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Besondere Herausforderung: Kontextabhängige Selbstpräsentation

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Kollabierende Kontexte

• Spezifische Eigenschaften der vernetzten Öffentlichkeiten im Social Web erschweren es, die Grenzen zwischen sozialen Kontexten zu ziehen (vgl. Boyd 2007):

1. Persistenz

2. Durchsuchbarkeit

3. Replizierbarkeit

4. Unsichtbares Publikum

Identitäts- und Beziehungsmanagement umfasst daher auch Strategien, wie und wo die Grenzen der eigenen Privatsphäre zu ziehen sind

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Differenziertes Identitäts- & Beziehungsmanagement (I)

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Differenziertes Identitäts- & Beziehungsmanagement (I)

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Umgang mit Privatsphäre anderer Personen (Auszug aus einer Gruppendiskussion mit 18-24jährigen)Int: Und kennst du jemanden, der auch schon ein bisschen Ärger mit peinlichen Fotos [hatte]... oder gab's da mal Probleme?

F_1: Also bei uns ist das eigentlich so, bei meinen ganzen Bekannten, wir fragen vorher, ob wir das Foto reinstellen können, oder solche Sachen. Weil ich weiß nicht, nachher fotografieren die mich, wenn ich da halbwegs irgendwie besoffen (..) in den Hafen reinfall' oder so was. Das will ich ja auch nicht, dass das im Internet ist und daher wird eigentlich bei uns immer vorher gefragt.

Differenziertes Identitäts- & Beziehungsmanagement (II)

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Differenziertes Identitäts- & Beziehungsmanagement (III)

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Privacy Management durch Code – Forderungen

• Betreiber von Netzwerkplattformen profitieren von Nutzeraktivitäten und dem zur-Verfügung-Stellen persönlicher Daten

• Dwyer/Hitz (2008) haben Forderungen an Plattformbetreiber aufgestellt:

1. Evaluate the privacy level of each component: Analog zu Aspekten wie Usability und Sicherheit sollten die Auswirkungen auf Privatsphäre der Nutzer bereits im Designprozess bedacht werden

2. Provide privacy feedback: Nutzern sollte deutlich gemacht werden, welche Auswirkungen bestimmte Einstellungen haben, z.B. für Freunde vs. Nicht-Freunde

3. Publish privacy norms: Nutzern sollte deutlich gemacht werden, welche Privatsphäre-Einstellungen andere Nutzer gewählt haben, um implizite Konventionen und Erwartungen explizit zu machen

4. Provide privacy reminders: In regelmässigen Abständen sollten Erinnerungen verschickt werden, die Privatsphäre-Einstellungen ggfs. anzupassen

(Quelle: http://michaelzimmer.org/2008/10/18/de-brief-aoir-ir90-conference-in-copenhagen/)

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Fazit

1. Im neuen Netz sinken die Hürden für das onlinebasierte Identitäts-, Beziehungs- und Informationsmanagement – man kann sich mit den eigenen Interessen, Hobbies, Erlebnissen o.ä. präsentieren und so bereits bestehende soziale Beziehungen über einen weiteren Kanal pflegen

2. Dieses Identitäts- und Beziehungsmanagement geschieht in und führt zu persönlichen Öffentlichkeiten, in denen ein tendenziell kleines Publikum mit Informationen von persönlicher Relevanz adressiert wird

3. Die strukturellen Merkmale der persönlichen Öffentlichkeiten erzwingen Techniken des ‚privacy management‘, um Grenzen zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit zu ziehen

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Shift happens.

Wir befinden uns mitten in einem Prozess der gesellschaftlichen Aushandlung von Routinen, Konventionen und Erwartungen über den Umgang mit persönlichen Öffentlichkeiten, der unterschiedliche Fragen aufwirft:

- Werden persönliche Daten bewusst oder unbewusst, von mir selbst oder Dritten veröffentlicht?

- Werden persönliche Öffentlichkeiten zunehmend zentralisiert (mit der Gefahr der kommerziellen Durchdringung) oder wird sich ein dezentrales und nicht-kommerziell betriebenes System durchsetzen?

- Inwiefern reguliert Software, inwiefern wird Software reguliert?

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Das Ende der Privatsphäre?

http://www.colinupton.com/illus/images/cyberillo1.jpghttp://www.flickr.com/photos/mrlerone/2360572263/

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Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Dr. Jan Schmidt

Hans-Bredow-Institut

Warburgstr. 8-10, 20354 Hamburg

[email protected]

www.hans-bredow-institut.de

www.schmidtmitdete.de

www.dasneuenetz.de

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Weiterführende Literatur

– ARD-ZDF-Onlinestudie 2008:– Van Eimeren, Birgit / Frees, Beate (2008): Internetverbreitung: Größter Zuwachs bei

Silver-Surfern. In: Media-Perspektiven, Nr. 7/2008, S. 330-344.– Fisch, Martin / Gscheidle, Christoph (2008): Mitmachnetz Web 2.0: Rege Beteiligung nur

in Communitys. In: Media-Perspektiven, Nr. 7/2008, S. 356-364.– Boyd, Danah/ Nicole Ellison (2007). Social network sites: Definition, history, and scholarship.

Journal of Computer-Mediated Communication, 13(1), article 11.http://jcmc.indiana.edu/vol13/issue1/boyd.ellison.html

– Geißler, Holger/Thomas, Carolin (2008): SNB – Social Network Barometer. Köln.– Schmidt, Jan (2008): Was ist neu am Social Web? Soziologische und

kommunikationswissenschaftliche Grundlagen. In: Zerfaß, Ansgar; Martin Welker; Jan Schmidt (Hrsg.) (2008): Kommunikation, Partizipation und Wirkungen im Social Web. Zwei Bände. Köln: Van Halem Verlag

– Schmidt, Jan/Beate Frees/Martin Fisch (2009): Themenscan im Web 2.0. Neue Öffentlichkeiten in Weblogs und Social-News-Plattformen. In: Media-Perspektiven, Nr. 2, 2009, S. 50-59. Online verfügbar: http://www.media-perspektiven.de/uploads/tx_mppublications/02-2009_Schmidt.pdf

– Schmidt, Jan (in Vorb.): Das neue Netz. Merkmale, Praktiken und Konsequenzen des Web 2.0. Konstanz: UVK. Erscheint voraussichtlich Mai 2009.

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Öffentlichkeiten unterschiedlicher ReichweiteAu

fmer

ksam

keit

(z.B

. Zug

riffe

/ Ver

linku

ng)

Rangplatz

Massenmediale journalistische Öffentlichkeiten

Persönliche Öffentlichkeiten

Themen-/ kampagnen-spezifische Öffentlichkeiten

Wechselseitige Beobachtung, Verschränkung und

Überlappung

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Orientierung in der Informationsvielfalt• Massenmediale, themenspezifische und

persönliche Öffentlichkeiten überlappen sich im Web 2.0

• Zu den Filterleistungen professioneller Experten (insbes. Journalisten) treten neue Mechanismen

1. Weisheit der Masse: Bewertung von Informatio-nen durch Vielzahl von Nutzern (z.B. „Beliebteste Videos“ bei Youtube; Tagging-Systeme, …)

2. Weisheit des eigenen Netzwerks: Zusammenstellen eines individuellen Reper-toires relevanter Quellen durch Nutzer selbst (z.B. durch RSS-Technologie unterstützt)

http://www.flickr.com/photos/ogil/274628990/

http://www.flickr.com/photos/caribb/78761334/