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Leseprobe - Franz und Cornelia von Soisses - Soisses Stasi

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http://stuberpublishing.com/Stasi-ebook Die DDR taugt nicht zur Legendenbildung, war aber 40 Jahre Realität, davon 28 Jahre Mauer im geteilten Deutschland. Das Buch ist autobiografisch und beschreibt eine wahre Begebenheit der DDR-Geschichte. Es ist versehen mit 4 zusätzlichen Kapiteln zu den historischen Zusammenhängen. Den Opfern der Staatssicherheit der DDR gewidmet, die mehrheitlich bis heute schweigen. Es wird Zeit, die Erinnerungen aufzuschreiben, denn es leben nur noch 47.000 davon unter uns, die Ältesten sind bereits 85 Jahre alt.

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--- LESEPROBE ---

Stasi - Mythos DDR: Wie es wirklich war

Die wahrem Bekenntnisse eines politischen Staatsfeinds

Cornelia von Soisses & Franz von Soisses

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„Der Autor hat meinen Respekt dafür, dass er das Erlebte aufgeschrieben hat. Man kann den Schock der Inhaftierung

fühlen; gerade durch die nüchterne Sprache, die er verwendet.[...] Ansonsten jedoch ein sehr lesenswerter Bericht.“

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„Ein Muss, nicht für jeden Fan von soisses! sondern auch für jene die sich für diesen Abschnitt der Geschichte interessieren.“

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„Ein Stück Deutsche Geschichte, die jeder einmal gelesen haben

sollte. Wie immer kommt auch hier der typische Humor der Autoren durch.“

Leserin via E-Mail

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Soisses Verlag © 2014 Autor: Franz von Soisses Lektorat: Cornelia von Soisses www.soisses.com Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.

Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdruckes und der Vervielfältigung des Werkes, oder Teilen daraus, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren), auch nicht für Zwecke der Unterrichtsgestaltung, reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

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Hallo, Schön dass Sie hierher gefunden haben. Wir möchten Ihnen einen kleinen Einblick in unser Werk geben und wünsche Ihnen eine kurzweilige Lektüre.

Herzlich,

Cornelia & Franz von Soisses

Über das Buch

Die DDR taugt nicht zur Legendenbildung, war aber 40 Jahre Realität, davon 28 Jahre Mauer im geteilten Deutschland. Das Buch ist autobiografisch und beschreibt eine wahre Begebenheit der DDR-Geschichte. Es ist versehen mit 4 zusätzlichen Kapiteln zu den historischen Zusammenhängen. Den Opfern der Staatssicherheit der DDR gewidmet, die mehrheitlich bis heute schweigen. Es wird Zeit, die Erinnerungen aufzuschreiben, denn es leben nur noch 47.000 davon unter uns, die Ältesten sind bereits 85 Jahre alt.

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Intro

Das Buch ist autobiographisch und beschreibt eine wahre Begebenheit der DDR-Geschichte. Es ist versehen mit 4 zusätzlichen Kapiteln zu den historischen Zusammenhängen. Den Opfern der Staatssicherheit der DDR gewidmet die mehrheitlich bis heute schweigen. Es wird Zeit die Erinnerungen aufzuschreiben, denn es leben nur noch 47.000 davon unter uns, die Ältesten sind bereits 85 Jahre alt. Die DDR taugt nicht zur Legendenbildung, war aber 40 Jahre Realität, davon 28 Jahre Mauer im geteilten Deutschland. Ein Ort der historischen Begegnung ist die Stasiopfergedenkstätte in Potsdam Luisenstraße 54. Ein Bau der Zeit seines Bestehens ein Gefängnis gewesen ist. Erbaut 1893, übernommen von der Gestapo im III.Reich, gefolgt vom russischen NKWD nach dem Ende des II.Weltkrieges und schließlich vom MfS dem Ministerium für Staatssicherheit.

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Stasi - Die Erinnerung

Es ist nicht daran zu tun, eine Opferelegie zu schreiben, sondern aufzuzeigen, dass Unrecht geschehen ist, das unheilbar ist. Es sind zwei verschiedene Begrifflichkeiten, das juristische Ereignis und die Ereignisse im Gefängnis. Das Leiden ergibt sich nicht aus den Realitäten eines Gefängnisses, sondern aus dem Bewusstsein, unschuldig dort gewesen zu sein. Juristisch wurde einst ein Urteil gesprochen „Im Namen des Volkes“ eben in der DDR, in gleicher Sache wurde ein Urteil gesprochen

„Im Namen des Volkes“ eben in der BRD, 16 Jahre später. Beide Urteile ergingen auf der gleichen rechtlichen Grundlage, der Verfassung der DDR von 1968. Im ersten Urteil hieß es schuldig, im zweiten Urteil Freispruch. Die Gefängniszeit zwischen diesen beiden Urteilen ist als verlorene Lebenszeit juristisch unheilbar wie ebenso die Folgen daraus, für die Biografie und Gesundheit. Das macht es schwierig niederzuschreiben, es gelingt nicht an einem Stück, will man objektiv bleiben und nicht als Opfer weiter leiden. Zweimal wurde geurteilt über die Sache selbst, von den Verantwortlichen für das Unrecht wurde niemand verurteilt.

Kein ehemaliger Stasimitarbeiter, keiner der ehemaligen inoffiziellen Mitarbeiter der Stasi, kein Gefangenenwärter. Über allem schwebt das Ideal des Rechts als hohes Gut. Nur kann man das nicht essen oder sonstig als Vermögen verbuchen, man kann damit nichts wirklich beginnen, außer eben erinnern. Details bleiben z.T. ausgeblendet, weil es nicht möglich ist, chronologisch zu schreiben in der „Haft der Erinnerungen“ an eine Zeit, von der man nicht wirklich weiß, ob es denn hätte anders sein können, wenn es das erste Urteil nicht gegeben hätte. Nein, diese Alternative bestand nicht,

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damals nicht und nicht heute in den Nächten der Erinnerung. Es ist tatsächlich so, dass die Alternativen undenkbar sind. Als Opfer des Unrechts ist ein Schuldeingeständnis nicht möglich.

In dieser Ausgabe bleiben Details aus dem Gefängnis ausgespart. Ein Beispiel ist die Hygiene in einem Gefängnis, hier kurz abgelegt, vielleicht für ein späteres Kapitel. Zu reden wird sein über Einzelhaft, 4-Personenzelle und schließlich eine 20-Mannzelle. Eine jede Zelle hat die immer gleiche Einrichtung, Bett, Stuhl und Tisch und eine Toilette. Befindlicher wird diese Einrichtung in einer 4-Mannzelle. Die Toilette ist nicht abgegrenzt, sondern offener Bestandteil in einer Zelle. Bei 4 Gefangenen nutzt ständig jemand das Klo, während die anderen 3 Gefangenen geduldig zusehen, was sollten sie auch sonst machen.

So etwas wie eine Privatsphäre gab es nicht. Wer halt gerade muss, wird halt müssen. Duschen das Gleiche, einmal pro Woche gingen 4 Männer gleichzeitig in eine Zelle zum Duschen, nackt, wie Mutter Natur sie geschaffen hat. Damit verbunden sind die Geschichten wie „nur ja nicht die Seife fallen lassen und sich bücken“ oder immer zusehen, dass man „den Hintern an der Wand hält“. Zahlreiche Anekdoten rund um Duschen und Klo ließen sich schildern, ein eigenes Kapitel im Umfang. Es gibt keine peinlicheren und hilfloseren Orte als eine Kloschlüssel und eine Massendusche. Das aber war es ja nicht, das Unrecht das geschehen war, und um dessen Darstellung es schlussendlich geht.

Strafverfolgung nimmt jeder Staat vor, die Folge davon sind Gefängnisse. Das sind andere Orte mit einer anderen Sozialisation und anderen Normierungen, mit nicht geschriebenen Regeln. Die Wärter sind die Feinde, die Mitgefangenen sind die Kameraden. In vielen Dingen in gleicher Not, in ebenso vielen Dingen ungleich im Haben und Sein. Die Gefängniszeit gehört zu der Geschichte, wie eben auch das Urteil, das einen dorthin brachte. Die Zeit danach gehört nicht mehr dazu. Im Aspekt des Gefängnisses war man vorher frei und nachher auch wieder. Das ist der gesuchte

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Begriff, wenn Unrecht zur Unfreiheit führt und der Umgang damit.

Vielleicht erfolgt später der Versuch, die Stasi Akte einzubinden und zu veröffentlichen, weil Bilder mehr sagen als all die vielen Worte. Es ist nicht die Scheu vor dem Aufwand, das jetzt noch nicht zu tun, sondern die eigene Befindlichkeit damit. Denn bei allem auch, die Ereignisse sind geschehen in einer anderen Zeit, deren Kontext nur schwer zu beschreiben ist. So eine Gefängniszelle ist ein trister Ort, nicht so, wie es heute im Boulevard geschildert wird. Aber als Lebensmittelpunkt für einen Gefangenen bietet eine Zelle auch Möglichkeiten. Noch einmal die Erwähnung einer Kloschüssel, die keiner besonderen Beschreibung bedarf.

Wir hatten damals die Ausführung mit Druckspüler. Wenn man die Spülung drückte und mit der Bürste kräftigt schrubbte, bildete sich ein Unterdruck, das Wasser lief ab und die Kloschüssel war schlicht leer, ohne Wasser. Wenn das Gleiche im selben Abwasserstrang eine andere Zelle tat, gab es zwei leere Kloschüsseln und damit eine Sprechverbindung, Knasttelefon genannt. Wie kommt man auf so einen Gedanken? Nun, die Wärter betrieben einen gewissen Aufwand, die Kommunikation zu unterbinden, zumal zwischen zwei Zellen. So macht Not erfinderisch und die Gefangenen suchten nach aller Art Möglichkeiten der Nachrichtenübermittlung und Kommunikation.

Es war sicher etwas mehr Aufwand erforderlich, wie sollte schließlich die andere Zelle erfahren, dass und wann die Verbindung hergestellt werden soll. Aber auch daran war gedacht, ohne das jetzt hier zu schildern. Ein Gefängnis ist zwar abgeschottet aber keinesfalls isoliert. Die Gefangenen schaffen sich die Möglichkeiten für Nachrichten untereinander wie ebenso Nachrichten nach draußen. Seither sind über drei Jahrzehnte vergangen, selbst einem interessierten Wärter würde hier nichts Neues geschildert, was dieser selbst in den Jahren nicht bereits erfahren hätte.

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Es gehört sich nicht, darüber zu schreiben, auch als ehemaliger Gefangener redet man nicht mit den Feinden. Die geschilderte Funktion einer Klospülung unterliegt der BMSR-Technik, ein Unterrichtsfach, das zur Allgemeinbildung an den DDR-Schulen gehörte, damit gebe ich nichts von mir, was irgendwie neu wäre. Wie aber beschreibt man eine Gefängniszelle aus den Zeiten der DDR ohne kleine Beispiele zu benennen, was dort alltäglich geschehen ist? Warum überhaupt beschreiben? Wegen der Freiheit, die man zuvor hatte und nachher wieder erlangte. Nicht der philosophische Freiheitsbegriff, sondern der alltägliche.

Der Alltag draußen ist vielfältig und selbstbestimmt, der drinnen im Gefängnis ist reglementiert und befehlsorientiert, wie eine Zelle ein verflucht enger Ort ist, aus dem auch kein Fluchtinstinkt befreit. Eine Kleinigkeit vielleicht noch: In der ganzen Zeit im Gefängnis habe ich keine Mücke, keine Fliege und keine Spinne jemals in einer Zelle gesehen. Selbst Insekten meiden diese Orte. Genau solche Kleinigkeiten geben einen Eindruck davon, was Gefangene beobachten und wahrnehmen, an jedem einzelnen Tag. Nicht, weil einen die Fliege an der Wand nicht mehr stört, sondern eine solche Fliege gar nicht da ist, wie tausend andere Dinge auch nicht. Eben das macht ein Gefängnis zu einem bedrückenden Ort, erst recht, wenn man unschuldig dort ist.

Ab hier schließt sich der Kreis, wo Unschuldige sind, können die Schuldigen nicht fern sein. Die Wärter taten ihren Dienst, weil es so ihre Pflicht war. Deshalb wurde kein Wärter jemals zur Verantwortung gezogen, nur wir Opfer bleiben mit unserer Unschuld allein in der Geschichte zurück. Diese Art Unrecht ist juristisch nicht heilbar. Eine Handlungsalternative, das Gefängnis zu vermeiden, bestand nicht. Auch mit Akteneinsicht und in Kenntnis der Stasiakte erfährt man nicht alles. Viele Seiten sind abgedeckt mit dem Hinweis „Betrifft Rechte Dritter“. Die Opfer erfahren nicht, was diese Dritten für einen Beitrag zum Geschehen geleistet haben.

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Noch 20 Jahre nach der Wiedervereinigung waren ehemalige Stasimitarbeiter bei der Stasiunterlagenbehörde, dessen Amtschef einst Herr Gauck gewesen ist. Ehemalige Stasimitarbeiter verwalteten die Akten über die Opfer. Derart sind die Beschwernisse mit der Erinnerung, die ein ganzes Leben Bestand haben. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass die „Zeit ihren Mantel darüber legen wird“, das genau geschieht nicht. Das Anliegen ist, dass so etwas nicht wieder geschehen darf, in keiner Zeit, nur weil Politik glaubt, über dem Recht zu stehen.

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Die Verhaftung

Als die Karte kam „Sie brauchen nicht anzutreten, halten Sie sich für eine spätere Verwendung zur Verfügung“, da hätten die Alarmglocken schrillen müssen im September 1975. Denn für den 03.Oktober war mein Einberufungsbefehl zur NVA ausgestellt worden. Meine Gedanken waren: „Auch gut, dann brauche ich nicht zur Trachtentruppe.“ Ein paar Wochen später wurde mir vertraulich mitgeteilt, dass die Stasi erklärt habe, ich stünde außerhalb jeden Verdachtes. Wenn einen so viele gute Nachrichten erreichen, kann man sich nichts Böses denken. Noch Silvester 1975/76 leistete ich eine Doppelschicht, alles für den Aufbau des Sozialismus, warum wohl sonst, einst in der DDR mitten im Kalten Krieg.

Im Januar war es anders, früh am Morgen, so gegen 7:00 Uhr rückten vier Herren an und eröffneten meiner Mutter, dass sie mich sprechen wollten. So wurde ich lieblos geweckt, ich solle mich anziehen und mitkommen zur Klärung eines Sachverhaltes. Schlaftrunken zog ich mich an, während meine Mutter fragte, ob sie mir ein Frühstück machen sollte. Ich verneinte und sagte: „Lass gut sein, bin gleich wieder zurück, wir frühstücken dann in Ruhe.“ Dass es mit der Ruhe wohl nichts werden würde, ahnte ich, als ich meine erste Jacke anzog und einer der Herren mich abtastete. Gut 10 oder 15 Kugelschreiber hatte ich in den Taschen, die ich herausnehmen sollte. So zog ich die Jacke aus, griff die nächste Jacke mit dem gleichen Ergebnis, wieder befanden sich Kugelschreiber darin.

Bei endlich der dritten Jacke verstand ich, dass ich wohl keine Kugelschreiber mehr brauchen würde. Abgang, Einstieg in ein Zivilfahrzeug mit zwei der vier Herren und Abtransport in die Stasizentrale. Da sah ich auf einem langen Flur, was

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wohl der Grund sein könnte für meine Anwesenheit. Vor jeder Zimmertür stand einer meiner Freunde, mit mir waren wir an diesem Morgen 21 Personen zur Klärung eines Sachverhaltes. Eine Endlichkeit später im Verhörzimmer war die erste Frage, ob ich wüsste, warum ich hier sei? Wusste ich nicht, also sagte ich: „Macht die Akte wieder zu, kann nur ein dummer Jungenstreich sein.“

War es nicht, sonst hätte es der Vorführung von 21 jungen Leuten nicht gebraucht. Über den Verlauf des Tages erfuhr ich mehr und mehr, was der Grund der Veranstaltung wohl sein könnte. Den wahren Anlass erfuhr ich erst gut 16 Jahre später, nicht aber an diesem Tag und an keinem anderen. Zunächst sagte ich noch, nun macht mal schnell, Mutter wartet zu Hause mit dem Frühstück auf mich. Das tat sie vermutlich auch, nur diese Herren der Stasi hatten es nicht eilig. Bis so ein Verhörprotokoll auf einer Schreibmaschine mitgeschrieben ist, kann das eine Ewigkeit dauern. Zumal jede Aussage nochmals vorgelesen wird und der Delinquent widerspricht:

„So habe ich das nicht gesagt.“ Raus mit dem Blatt Papier aus der Maschine, ein neues eingespannt, von vorn neu getippt, bis das Wort sitzt und der Delinquent zufrieden ist. Das frisst Zeit und nagt an der Geduld. Pausen sind nicht vorgesehen. Laufend diese Störungen, irgendwer kommt ins Zimmer, flüstert dem Verhörenden was ins Ohr und los geht die Befragung, wobei der Delinquent schweigen will. Was DIE nicht wissen, brauchen DIE auch nicht zu protokollieren. Dann geht das auch schneller und ab nach Hause zu Muttern, der Kaffee wird schließlich kalt. So wurde es 10:00 Uhr und schließlich Mittag, am Nachmittag habe ich das Frühstück abgeschrieben, na vielleicht klappt es ja mit dem Abendessen.

Kein Wunder bei dem Tempo, das DIE an den Tag legen, um ein Verhörprotokoll zu erstellen. Noch immer kein Tatvorwurf in Sicht, jedenfalls nichts Ernstes, nur so Kleinigkeiten wegen eines Flugblattes und was ich da geschrieben hätte. Nichts Besonderes, nur dass es die

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Wiedervereinigung der Deutschen brauchte, der 17.Juni 1953 ein Feiertag sein sollte, es Pluralität der Meinungen haben soll und wenn wir schon dabei sind, die Russen aus Deutschland raus sollten. Das wird man doch noch sagen können, schließlich steht die Meinungsfreiheit in der Verfassung der DDR. Was soll dieser Aufruhr?

Das war es auch nicht, nur erfuhr ich es erst 16 Jahre später, jedenfalls nicht an diesem Tag. Juristisch bestand ohnehin das Problem, dass die Stasi kein Flugblatt als Beweisstück vorweisen konnte. Es gab keines, es gab mal einen Entwurf, nur gab es keine Druckmöglichkeit. So hatten DIE nichts, außer diese Verhörprotokolle der anderen, nicht meine eigenen. Ich bestätigte nur, was DIE jeweils bereits wussten vom Hörensagen. Warum auch nicht, ich wähnte mich im Zustand der Unschuld. Was zum Geier erzählten all die anderen, haben die keine Mutter, die Daheim wartet, oder könnten wir das nicht am Abend in der Kneipe bereden, beim Bier?

Offensichtlich nicht, denn 12 Stunden sind kein Tag, zumindest nicht an diesem Tag. Um 19:00 Uhr wurde mir die Verhaftung erklärt, wenn auch ohne Begründung. Ich wurde auf den Flur geführt und Handschellen wurden angelegt, immer zwei von uns wurden mit je einer Hand aneinander gefesselt. Vier von 21 wurden verhaftet. Jede weitere Rede wurde verboten. Ich war geschockt. Nichts mit ab nach Hause und mit Muttern reden, die arme Frau beruhigen, dass nun wahrlich nichts gewesen ist. Der Schock ließ auch nicht nach, als ich später erfuhr, dass die anderen drei am Tag danach entlassen wurden, ich also der Einzige war, dem eine Schuld vorgeworfen wurde, welche letztlich auch immer.

Neben allem anderen, was ich erst nach dem Untergang der DDR erfuhr, war es der gewählte Gruppenname: „17. Juni 1953“, … DIE hatten eine unheilige Angst, dass es erneut beginnen könnte. Und ich sage denen noch in dem Verhör, man muss doch darüber reden können. Konnte man nicht, weder mit der Partei noch mit der Stasi. Aber das konnte ich

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damals so nicht wissen, in der Verfassung der DDR stand die Meinungsfreiheit.

Eine Meinung aber kann sich nur bilden, wenn man darüber spricht, diskutiert oder ein Palaver abhält. Und die sollten gar noch saurer werden, später, nicht an diesem Tag. Es war der Tag meiner Verhaftung, Tag eins meiner Gefangenschaft. Einfach weg, der Familie entrissen. Der Alltag war ab da ein anderer, nichts war mehr wie vorher und sollte es niemals mehr werden. Es begann ein neues Leben, jenseits aller Normalität, mit anderen Regeln, die nur im Gefängnis Gültigkeit haben unter Menschen hinter Gittern. Weg von Muttern mit dem Frühstück hin zu Mördern, Brandstiftern, Gewalttätern und Eierdieben.

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Die Gefängniszelle

Am Ende des ersten Tages der Verhaftung erfolgte der Transport in die U-Haft. Man ist Passagier, was immer auch als Nächstes geschehen wird. Auf der Fahrt wird nicht geredet, was denn auch, es hat für die Zukunft keine Bedeutung, wer immer auch was gesagt hat. Nächster Halt: die U-Haft. Wenn sich das Tor schließt, weiß man, das ist der Ort einer neuen Realität. Und die ist nicht „Alice im Wunderland“. Der Staat hat das Sagen und wird wohl wissen, was er tut. Es geht zu wie in jedem Amt auch. „Stellen Sie sich dahin und warten Sie!“ Da steht man dann, Gesicht zur Wand, das Reden ist verboten, nur das Warten ist erlaubt.

Die gewöhnliche Bürokratie nimmt ihren Lauf. Verschwunden ist man nur für Muttern, die erfährt davon nichts. Man wird Gefangener, zu sagen hat man nichts. Ob Schuld, Unschuld, Mörder oder Eierdieb, das ist nicht von Interesse. Ah, ein Politischer, der muss erst einmal reduziert werden. Etwa eine halbe Stunde später geht es in das Innere des Gefängnisses. Es kommt einem vor, als würde man verdaut, so oben rein, ab durch den Darmtrakt. Ausziehen, bis man nackt ist, bücken zur Hämorrhoidenbeschau. Wer auch immer schaut einem in den Hintern? Umdrehen, zur Sackrattenbeschau. Man könnte ja Läuse haben. Weil das nicht reicht, geht es zum Duschen - kalt (Warmwasser hatte der Schuppen des Staates um 19.00 Uhr nicht mehr).

Kalt wie klar ist es einem danach ums Herz. Es folgt die Zellenzuweisung - lässt der Schock auch mal wieder nach? 2 Meter x 3 Meter hatte die Zelle, Höhe um 2,50 Meter. Die Fenster waren nicht nur vergittert, sondern auch mit Glasbausteinen zugemauert bis auf einen schmalen Spalt für die frische Luft. Die Einrichtung spartanisch, ein Bett, ein

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Tisch, ein Klo und ein kleines Waschbecken. Das Bett war an die Wand geklappt, weil Bett und Tisch nicht gleichzeitig heruntergeklappt werden konnten. Eines von beiden ging nur. Es folgte noch die Ansage des Wärters, man solle die Gefängnisordnung lesen, um sich daran zu halten. Rums, da ging die Zellentür zu.

Am Ende des Tages war man allein. Mit nichts mehr als Bett, Tisch, Klo, Waschbecken und Gefängnisordnung - ein wahrlich albernes Werk. „Tagsüber nicht liegen oder sitzen auf dem Bett!“ Aha, kein Stuhl, aber einen Klapptisch. Ist der Tisch heruntergeklappt, ist das Bett hochgeklappt. Wer kommt denn auf so eine Möblierung mit zugehöriger Gefängnisordnung? Die Lösung: Das Bett herunterklappen, dann den Tisch, so kann man am Tisch sitzen, wenn auch gegen die Gefängnisordnung. Weil die DIN-Höhe eines Tisches 74 cm ist und Ordnung sein muss in Deutschland. Und in der DDR (auch).

Also im Ergebnis heißt das (wegen der Ordnung und den Wärtern): Tagsüber laufen, Zelle auf und ab, 3 Meter in die eine Richtung, 3 Meter in die andere Richtung. Aber zum Frühstück, Mittag und Abendessen - 16:00 Uhr darf man sitzen - auf dem Bett, am Tisch. Ab 16:00 Uhr war das Liegen erlaubt, weil ab da Einschluss war, danach schloss kein Wärter mehr die Zelle auf. Am Abend des Tages 1 des Einzuges weiß man es ja nicht, da ist nur diese Einzelhaft. Mach was draus oder lass das, es interessiert nicht, das ist die neue Realität. Kann ja sein, es ist nur ein schlechter Traum. Jeder Tag hat einen neuen Morgen, vielleicht wird man aufwachen bei Muttern, die ja wartet mit dem Frühstück.

Wer auch immer wartet, 6:30 Uhr ist Wecken, Licht an und Schläge gegen die Tür: „Erheben Sie sich, aufwachen!“ Oh Gott oder wer auch immer, das kann doch nicht wahr sein, diese Zelle ist das reinste Schundluder, wer kommt nur auf so was? Frühstück, 7:00 Uhr … das gibt’s doch gar nicht. Unbeschreiblich, ¼ Laib Brot, Marmelade, keine Butter. Das, was man gewöhnlich als Messer kennt, sieht aus wie eine

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Zahnbürste ohne Borsten, nur aus Aluminium. Es hat eine Ähnlichkeit mit einem „Messer“ zu Neandertaler-Zeiten. Damit sollte man eine Scheibe abschneiden vom Viertelbrot und eben mit Marmelade bestreichen … Hunger hatte ich keinen mehr.

Das war ein Fehler. Man lernt ja vieles im Gefängnis so nach und nach, aber nicht am Tag 1. Wer zu viel Brot zurückgibt, erhält am Tag danach weniger Brot. Wer das Brot im Klo herunter spült, erhält die gleiche Ration am nächsten Tag. Brot und Marmelade sind was? Hefe und Zucker. Falls man ein Gefäß hat zum Aufbewahren, gärt die Mischung und erzeugt Alkohol … Das aber fällt einem am Tag 1 ganz sicher nicht ein. Zumal es ja noch kein Gefäß gab und kein Versteck, dass der Alkohol überhaupt hätte gären können. Regel Nr. 1, alles, was man erhält, ist ein Wert und brauchbar.

Man kann ja aus dem Brot auch Figuren kneten. Mehr wird es ganz von allein. Jedenfalls mehr als Tisch, Bett, Klo und Waschbecken. Es ist bereits Tag 2 nach der Verhaftung. Eilig hat man es immer, vor allem will man da raus. Da das nicht geht, sollte man es eilig haben mit dem Sammeln von allem und vor allem den Erkenntnissen. Um 10:00 Uhr geht es zum Hofgang. Man hat keine Uhr mehr, aber das lernt man sehr schnell, wann was ist und welche Zeit. Für U-Häftlinge ist der Hof eine „Schweinebucht“, auch eine Zelle, nur ohne Dach.

Ein bisschen größer, so um 3 Meter mal 4 Meter, oben auf der Mauer befindet sich eine „Turmeule“ - ein Wärter mit Gewehr. Und das Reden ist weiter verboten, was auch sonst. Warum und wie es geschehen ist, weiß ich nicht. Ein Flüstern über die Mauer von Zelle zu Zelle. „Neu hier, haste Tabak? Morgen werfe ich welchen rüber.“ Da läuft man im Kreis und zählt die Schritte, aber nur an der gegenüberliegenden Wand konnte man das Flüstern beantworten. Oben die Turmeule: „Reden verboten, bewegen Sie sich im Kreis …“, an der anderen Wand das Flüstern, der erste Kontakt. Und das am Tag 2 nach der Verhaftung.

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Am Tag danach kam ein halbes Päckchen Tabak geflogen - über diese Schweinebucht. Das war glatt eine Verdoppelung des Wohlstandes, Gönner unbekannt. Wer auch immer das war, er vergaß, die Streichhölzer mitzuliefern. Ich aber hatte nun Tabak und Zigarettenpapier, mehr wird es fast von selbst. Auf der Zelle zurück habe ich nach dem Wärter geklingelt, Streichhölzer verlangend. Der war sauer, der Wärter. Und ich sagte, alles, was ich will, sind Streichhölzer. Dreimal wiederholte sich der Vorgang, jedes Mal wurde der Wärter wütender: „Wenn sie noch einmal … dann ziehe ich ihnen einen über, es gibt keine Streichhölzer.“

Nach dem dritten Mal hatte er wohl ein Einsehen, er gab mir eine halbe Reibfläche und 3 Streichhölzer. Sicher, ich hätte das Bett anzünden können, vielleicht war das die Vorsicht des Wärters, ich aber wollte nur eine rauchen, ein bisschen Zeit genießen, nichts zündeln, man ist ja zivilisiert. Am selben Tag wurden die Haare geschnitten, nichts mehr mit Hippielook, simpler Kurzhaarschnitt, rasiert, als wenn damit die Freiheit beendet würde. Ich hatte ein bisschen Wohlstand erreicht, weil ich 3 Streichhölzer und 50 Gramm Tabak hatte. Freilich war ich kein Stück klüger als am Tag 1, so schnell ging es nun auch nicht in der „neuen Welt“.

Es ist eher wie einziehen in eine neue Wohnung, nur die Ordnung ist fremd. Am Tag danach reichte man mir eine Aluminiumschale mit flüssigem Bohnerwachs und einen Eimer mit warmem Wasser, ohne Erklärung. Wozu auch, es stand ja alles in der Gefängnisordnung, die ich nicht gelesen hatte. Das Bohnerwachs schüttete ich ins Klo und das warme Wasser hinterher. Eine Stunde später kam ein Wärter und erklärte mir, es sei Stuben- und Revierreinigung, also erst Zelle wischen und dann wachsen. So erhielt ich erneut Bohnerwachs und warmes Wasser. Das Bohnerwachs schüttete ich ins Klo, das warme Wasser verteilte ich in der Zelle auf dem Fußboden. Ob der Wärter zufrieden war oder aufgegeben hatte, weiß ich nicht. Er gab Ruhe und ich hatte meine Ruhe. Was wollte ich denn sonst in der Einzelhaft? Das Ganze dauerte 7 Tage mit je 24 Stunden, eine quälend lange

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Zeit. Zumal Mutter mit dem Frühstück wartete, was gingen mich da fremde Leute an?

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