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focus Braucht es Social Media für die Investor Relations? Muss die Finanzkommunikation jeden Hype im Web mitmachen? Gibt es nicht schon genügend Kommu- nikationskanäle für die Investor Relations? Patrick Kiss, der mit seiner Deutschen EuroShop AG als einer der ersten IR-Manager intensiv die neuen Mög- lichkeiten von Social Media für die Investor Relations nutzt, nimmt Stellung. Wie zwingend sind Social Media für die Investor Relations? Facebook hat inzwischen fast 800 Millionen Nutzer, trotz der weltweiten Diskussion um den Schutz der Privatsphäre. Viele andere Social-Media-Dienste wie Twitter, SlideShare, FlickR, Foursquare und YouTube erfreuen sich seit Jahren enormer Wachstumsraten. Und längst sind nicht mehr nur flippige Teenager auf diesen Plattformen aktiv. In der Tat gehört die Gruppe der über 30jährigen zu den am stärksten wachsenden Altersgruppen. Die Nutzerstruktur von Social Media entspricht immer besser den Zielgruppen von Inves- tor Relations. Daher gilt für IR und Social Media: „Fish where the fish are!“ Ich denke daher nicht, dass es sich bloss um einen Hype handelt. Vor 15 Jahren war man bezüglich IR im Internet ebenfalls zurückhaltend, heute ist das In- ternet eines der Hauptinstrumente für die Kapital- marktkommunikation. Im Augenblick ist zum Beispiel sehr schön zu beobachten, wie Social Media mit in die Veröffentlichungsprozeduren von Pflichtmitteilun- gen aufgenommen werden. Bisher geschieht dies freiwillig. Ich erwarte, dass das Einbeziehen von So- cial Media bald schon zur Best Practice gehört. Verpassen kotierte Unternehmen in der Schweiz ohne Social Media schon wertvolle IR-Chancen? Schweizer und deutsche Unternehmen liegen in Eu- ropa weit vorne bei der Kapitalmarktkommunikation. Möglicherweise gilt das auch bald für die Nutzung von Social-Media-Plattformen für IR-Zwecke. Viele börsenkotierte AGs haben die Entwicklung zunächst passiv mitverfolgt. Mit „deutscher Gründlichkeit“ und „Schweizer Präzision“ wurden Potenziale, Risiken und Trends analysiert und Strategien erarbeitet, die nun sehr professionell umgesetzt werden. Es könnte sich zeigen, dass man nicht unbedingt von Anfang an aktiv dabei sein musste, um nun gleichauf mit den Pi- onieren zu sein – wenn man seine Hausaufgaben er- ledigt hat. Solange die Unternehmen zumindest pas- siv den Entwicklungen auf den diversen Social- Media-Kanälen folgen, verpassen sie auch nichts. Was empfehlen Sie Unternehmen, welche Social- Media-Plattformen einführen wollen? Wenn sich Unternehmen aktiv am Social-Media- Geschehen beteiligen möchten, sollten sie das nicht ohne langfristigen Ansatz tun. Wie bei anderen Pro- jekten sollten sie sich Meilensteine und Ziele setzen sowie die Verantwortlichen festlegen, die zwingend auch aus dem IR-Bereich stammen sollten. Ohnehin sollten sich alle Unternehmen über interne Social-Media-Richtlinien Gedanken machen – unab- hängig davon, ob und wann sie die aktive Nutzung der Plattformen starten möchten. Denn alle Mitarbei- terinnen und Mitarbeiter können Social Media bereits privat nutzen und eventuell die Trennung von Berufli- chem und Privatem vernachlässigen. Das kann fatale Social Media und Investor Relations: „Fish where the fish are!“ Interview mit Patrick Kiss, Head IR, Deutsche EuroShop AG

Sensus focus interview patrick kiss über social media

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Braucht es Social Media für die Investor Relations?Muss die Finanzkommunikation jeden Hype im Webmitmachen? Gibt es nicht schon genügend Kommu-nikationskanäle für die Investor Relations? PatrickKiss, der mit seiner Deutschen EuroShop AG alseiner der ersten IR-Manager intensiv die neuen Mög-lichkeiten von Social Media für die Investor Relationsnutzt, nimmt Stellung.

Wie zwingend sind Social Media für die InvestorRelations?Facebook hat inzwischen fast 800 Millionen Nutzer,trotz der weltweiten Diskussion um den Schutz derPrivatsphäre. Viele andere Social-Media-Dienste wieTwitter, SlideShare, FlickR, Foursquare und YouTubeerfreuen sich seit Jahren enormer Wachstumsraten.Und längst sind nicht mehr nur flippige Teenager aufdiesen Plattformen aktiv. In der Tat gehört die Gruppeder über 30jährigen zu den am stärksten wachsendenAltersgruppen. Die Nutzerstruktur von Social Mediaentspricht immer besser den Zielgruppen von Inves-tor Relations. Daher gilt für IR und Social Media:„Fish where the fish are!“

Ich denke daher nicht, dass es sich bloss um einenHype handelt. Vor 15 Jahren war man bezüglich IRim Internet ebenfalls zurückhaltend, heute ist das In-ternet eines der Hauptinstrumente für die Kapital-marktkommunikation. Im Augenblick ist zum Beispielsehr schön zu beobachten, wie Social Media mit indie Veröffentlichungsprozeduren von Pflichtmitteilun-gen aufgenommen werden. Bisher geschieht diesfreiwillig. Ich erwarte, dass das Einbeziehen von So-cial Media bald schon zur Best Practice gehört.

Verpassen kotierte Unternehmen in der Schweizohne Social Media schon wertvolle IR-Chancen?Schweizer und deutsche Unternehmen liegen in Eu-ropa weit vorne bei der Kapitalmarktkommunikation.Möglicherweise gilt das auch bald für die Nutzungvon Social-Media-Plattformen für IR-Zwecke. Vielebörsenkotierte AGs haben die Entwicklung zunächstpassiv mitverfolgt. Mit „deutscher Gründlichkeit“ und„Schweizer Präzision“ wurden Potenziale, Risikenund Trends analysiert und Strategien erarbeitet, dienun sehr professionell umgesetzt werden. Es könntesich zeigen, dass man nicht unbedingt von Anfang anaktiv dabei sein musste, um nun gleichauf mit den Pi-onieren zu sein – wenn man seine Hausaufgaben er-ledigt hat. Solange die Unternehmen zumindest pas-siv den Entwicklungen auf den diversen Social-Media-Kanälen folgen, verpassen sie auch nichts.

Was empfehlen Sie Unternehmen, welche Social-Media-Plattformen einführen wollen?Wenn sich Unternehmen aktiv am Social-Media-Geschehen beteiligen möchten, sollten sie das nichtohne langfristigen Ansatz tun. Wie bei anderen Pro-jekten sollten sie sich Meilensteine und Ziele setzensowie die Verantwortlichen festlegen, die zwingendauch aus dem IR-Bereich stammen sollten.

Ohnehin sollten sich alle Unternehmen über interneSocial-Media-Richtlinien Gedanken machen – unab-hängig davon, ob und wann sie die aktive Nutzungder Plattformen starten möchten. Denn alle Mitarbei-terinnen und Mitarbeiter können Social Media bereitsprivat nutzen und eventuell die Trennung von Berufli-chem und Privatem vernachlässigen. Das kann fatale

Social Media und Investor Relations:„Fish where the fish are!“Interview mit Patrick Kiss, Head IR, Deutsche EuroShop AG

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Folgen für die IR-Abteilung, das Unternehmen undden Aktienkurs haben. Überhaupt gibt es in Bezugauf Social Media für die IR-Abteilung kaum Regeln,die nicht ohnehin im Alltag der Kapitalmarktkommuni-kation beachtet werden müssen. Wichtige Stichwortesind hier Fair Disclosure, Ad-Hoc-Meldepflichten, OneCompany – One Voice usw.

Als letzten Punkt möchte ich die Dialogorientierungerwähnen. Sie muss Mehrwert stiften, wenn man So-cial Media für Geschäftszwecke einsetzt. Darüberhinaus sollten sich Unternehmen auf eine eventuellrauere See vorbereiten und den Ablaufplan für Krisenum die Social-Media-Kommunikation ergänzen. ImFalle einer Krise sollten Unternehmen in der Lagesein, Stakeholdern und Shareholdern auf jenen Platt-formen Rede und Antwort zu stehen, auf denen diesedas wünschen.

Welche Social-Media-Plattformen braucht es un-bedingt und welche sind verzichtbar?Meiner Meinung nach sind für Investor Relations dieSocial-Media-Dienste Twitter, SlideShare und You-Tube und mit Einschränkungen auch Facebook inte-ressant. Nennen wir sie die „Big Four“. Darüber hin-aus eignen sich die Business-Netzwerke LinkedInund XING für die Kontaktpflege und den Dialog.

Grossen Nutzwert können Blogs haben. Es gibtStandardlösungen wie Wordpress, aber auch selbst-erstellte, individuelle Lösungen. Egal welche Lösungman wählt, ich sehe für IR-Blogs ein grosses Poten-zial. Aber genauso wie es weit über 100 Social-Media-Plattformen gibt, so gibt es unterschiedlichste

Unternehmen, für die eine individuelle Kombinationvon sektorspezifischen Anwendungen neben den BigFour Sinn machen kann.

Und wie bereiten sich IR-Verantwortliche persön-lich auf die neuen Herausforderungen vor?IR-Manager und Vertreter kleinerer börsenkotierterUnternehmen sollten sich trotz aller Zeitknappheitwenigstens (passiv) mit Social Media beschäftigen,bevor sie in einer Situation plötzlich gezwungen seinkönnten, die neuen Kanäle (aktiv) zu nutzen. Viel-leicht können sie das zunächst mit einem privatenAccount machen, um ein Gefühl für die Kommunika-tion auf Social-Media-Plattformen zu bekommen.Wenn man das im Ernstfall erst lernen muss, kann eszu spät sein. Mit Desktop-Programmen wie zum Bei-spiel Tweetdeck und mobilen Anwendungen kannman übrigens sehr leicht ein so genanntes „Dashbo-ard“ einrichten, mit dem man filtern und beobachtenkann, was über das eigene Unternehmen, die Peersund relevante Themen diskutiert wird.

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Patrick KissHead of Investor & Public RelationsDeutsche EuroShop AG, Hamburg