723

Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

  • Upload
    docacid

  • View
    141

  • Download
    2

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD
Page 2: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Lehr- undStudienbriefeKriminalistik /Kriminologie

Herausgegeben von

Horst Clages, LeitenderKriminaldirektor a.D.,

Wolfgang Gatzke, Direktor LKANRW a.D.

Page 3: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Band 21Standardmaßnahmen

imErmittlungsverfahren

vonDetlef Averdiek-Gröner

undChristoph Frings

Page 4: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

E-Book1. Auflage 2014

© VERLAG DEUTSCHEPOLIZEILITERATUR GMBH Buchvertrieb;

Hilden/Rhld., 2014ISBN 978-3-8011-0742-0

Buch1. Auflage 2014

© VERLAG DEUTSCHEPOLIZEILITERATUR GMBH Buchvertrieb;

Hilden/Rhld., 2014ISBN 978-3-8011-0742-0Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-8011-0741-3epub-ISBN: 978-3-8011-0742-0

www.VDPolizei.de

Page 5: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Vorwort

Dieser Lehr- und Studienbrief richtetsich in erster Linie an die Studierendender Polizeifachhochschulen der Länderund des Bundes, aber auch aninteressierte Beamtinnen und Beamte derkriminalpolizeilichen Ermittlungspraxisund des Wach- und Wechseldienstes.

Das Ermittlungsverfahren und die damitverbundenen Standardmaßnahmen bietensowohl im täglichen Dienst als auch inder Aus- und Fortbildung vielfältigerechtliche und praktischeProblemstellungen. Als solche

Page 6: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Standardmaßnahmen haben sich seitJahrzenten u.a. die Durchsuchung undBeschlagnahme, die vorläufigeFestnahme, die erkennungsdienstlicheBehandlung sowie die Vernehmung unddie Wiedererkennungsmaßnahmenetabliert. Auch in Zeiten des Computersund neuer Ermittlungsmethoden hat sicham Stellenwert dieserErmittlungsmaßnahmen als„Grundgerüst“ vieler Verfahren weniggeändert. Mit aufgenommen haben wir indieses Buch die Entnahme vonKörperzellen, die sich neben der ED-Behandlung – bei Vorlage derentsprechenden rechtlichen

Page 7: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Voraussetzungen – alsStandardmaßnahme etabliert hat.

Mit den nachfolgenden Ausführungenwollen wir einen aktuellen Überblicküber rechtliche Rahmenbedingungen,kriminaltaktische Problemstellungen underfolgskritische Umstände geben. Auchin einem Ermittlungsverfahren ist dieBeachtung der Eigensicherung eineunumgängliche Voraussetzungprofessionellen Einschreitens. DasEinsatzmodell aus der Einsatzlehrebietet auch in kriminalpolizeilichdominierten Einsatzlagen eine wertvolleStruktur für eine erfolgreicheBewältigung der Lage.

Page 8: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Dem Inhalt vorangestellt ist zumbesseren Verständnis ein„Leitsachverhalt“. Zu den denkbarenklausurtypischen Fragestellungen sindam Ende des Buches entsprechendeLösungsskizzen enthalten. Die Inhalteder Fachkapitel werden, soweit möglich,jeweils anhand dieses Leitsachverhalteserläutert; kenntlich wird das am kursivgeschriebenen Text.

Bei den Organisations- undAblaufstrukturen haben wir uns an denGegebenheiten des Landes Nordrhein-Westfalen orientiert.

Page 9: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Detlef Averdiek-Gröner

ChristophFrings

Page 10: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

InhaltsverzeichnisVorwort

Abbildungsverzeichnis

1 Leitsachverhalt

2 Die Polizei imErmittlungsverfahren

2.1 Aufgabenstellung der Polizei imErmittlungsverfahren

2.2 Grundlagen der Beweisführung2.3 Beweisverbote2.4 Aktenführung

3 Ermittlungsmaßnahmen

Page 11: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

3.1 Vorüberlegungen3.2 Aufgaben des Strafprozesses3.3 Doppelfunktionalität staatlichen

Handelns3.4 Verhältnismäßigkeitsprinzip und

Übermaßverbot3.5 Polizeiliche Zwangsanwendung3.6 Standardmaßnahmen

4 Beschlagnahme4.1 Begriff der Beschlagnahme4.2 Ziel der Beschlagnahme4.2.1 Beschlagnahme zur

Beweisführung4.2.2 Beschlagnahme von

Page 12: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Einziehungsgegenständen

4.2.3 Beschlagnahme vonVerfallsgegenständen

4.2.4 Beschlagnahme vonFührerscheinen

4.2.5 Präventiv-polizeilicheSicherstellung

4.3 Beschlagnahme beiGemengelagenGefahrenabwehr/Strafverfolgung

4.4 Beweissichere Durchführung vonBeschlagnahmen

4.5 Anordnung der Beschlagnahme /Formvorschriften

Page 13: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

5 Durchsuchung5.1 Begriff und Ziele der

Durchsuchung

5.2 Durchsuchung beimVerdächtigen

5.2.1 Ergreifungsdurchsuchung5.2.2 Ermittlungsdurchsuchung5.3 Durchsuchung bei

Unverdächtigen5.4 Durchsuchung bei Gemengelagen

Gefahrenabwehr/Strafverfolgung5.5 Einsatztaktischer Ablauf von

Durchsuchungen5.5.1 Vorbereitungsphase

Page 14: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

5.5.2 Aktionsphase5.5.3 Nachbereitungsphase

5.6 Beweissichere Durchführung derDurchsuchung

5.7 Anordnung derDurchsuchung/Formvorschriften

6 Festnahme6.1 Begriff der Festnahme6.2 Ziel der vorläufigen Festnahme6.3 Rechtsgrundlagen der

vorläufigen Festnahme6.4 Einsatztaktischer Ablauf der

vorläufigen Festnahme6.4.1 Vorbereitungsphase

Page 15: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

6.4.2 Aktionsphase6.4.3 Nachbereitungsphase6.5 Anordnung der Festnahme/

Formvorschriften

7 ErkennungsdienstlicheBehandlung

7.1 Begriff dererkennungsdienstlichenBehandlung

7.2 Ziel der erkennungsdienstlichenBehandlung

7.3 Rechtsgrundlagen dererkennungsdienstlichenBehandlung

Page 16: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

7.4 Durchführung dererkennungsdienstlichenBehandlung

7.5 Verbleib und Aufbewahrung dergewonnenen Unterlagen

7.6 Rechtsschutzmöglichkeiten

8 Entnahme von Körperzellen8.1 Begriff der Entnahme von

Körperzellen8.2 Ziel der Entnahme von

Körperzellen8.3 Rechtsgrundlagen zur Entnahme

von Körperzellen8.4 Durchführung der Entnahme von

Page 17: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Körperzellen8.5 Besonderheiten8.6 Anordnung der Entnahme von

Körperzellen/ Formvorschriften

9 Vernehmung9.1 Begriff der Vernehmung9.2 Ziel der Vernehmung9.3 Differenzierung zwischen

polizeilicher,staatsanwaltschaftlicher undrichterlicher Vernehmung

9.4 Differenzierung zwischenSpontanäußerung,informatorischer Befragung und

Page 18: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Vernehmung9.5 Strafprozessuale

Belehrungspflichten beiVernehmungen

9.5.1 Belehrung von Zeugen9.5.2 Belehrung von Tatverdächtigen

9.5.3 Belehrung von Beschuldigten9.6 Psychologische Aspekte der

Vernehmung9.7 Vernehmungsvorbereitung9.8 Vernehmungsdurchführung9.9 Dokumentation der Vernehmung9.10 Qualität der Vernehmung9.11 Vernehmung von Jugendlichen im

Page 19: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Ermittlungsverfahren9.12 Anhörung von Kindern im

Ermittlungsverfahren9.13 Vernehmung von ausländischen

Zeugen und Beschuldigten9.14 Zeugenaussage trotz ärztlicher

Schweigepflicht

9.15 Zeugen im öffentlichen Dienst

10 Wiedererkennungsverfahren10.1 Begriff des

Wiedererkennungsverfahrens10.2 Rechtsgrundlagen zu

Wiedererkennungsverfahren10.3 Gegenüberstellung

Page 20: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

10.3.1 SimultaneWahlgegenüberstellung

10.3.2 SequenzielleWahlvideogegenüberstellung

10.3.3 SequenzielleWahlgegenüberstellung

10.3.4 Identifizierung Beschuldigter imRahmen vonFahndungsmaßnahmen

10.4 Wahllichtbildvorlage10.5 Lichtbildvorzeigekartei10.6 „Phantombilderstellung“10.7 Öffentlichkeitsfahndung10.8 Lichtbildvergleich/GES-

Page 21: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Recherche

11 Lösungsskizze zumLeitsachverhalt

Zu den Autoren

Literaturverzeichnis

Page 22: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

AbbildungsverzeichnisAbb.1:

Grafische Darstellung einesStrafverfahrens

Abb.2:

Phasen der Ermittlungsführung

Abb.3:

Beweismittel im Überblick

Abb.4:

Beweisverbote

Abb.5:

Amtliche Inverwahrungnahmevon Beweismitteln

Abb.6:

Übersicht zur alternativenBeschlagnahme vonBeweismitteln

Abb. Schaubild zur

Page 23: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

7: Sicherstellung/Beschlagnahmevon Führerscheinen

Abb.8:

Übersicht zur Beschlagnahme vonBeweismitteln, Einziehungs- undVerfallsgegenständen

Abb.9:

Übersicht zur Durchsuchung beimVerdächtigen

Abb.10:

Durchsuchungen bei anderenPersonen

Abb.11:

Gebäudedurchsuchungen

Abb.12:

Chronologischer Ablauf einer(Wohnungs-)Gebäudedurchsuchung

Abb. Vorläufige Festnahme

Page 24: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

13:Abb.14:

Chronologischer Ablauf einerFestnahme

Abb.15:

Rechtsgrundlagen dererkennungsdienstlichenBehandlung

Abb.16:

ED-Behandlung

Abb.17:

DNA-Analyse im anhängigenStrafverfahren

Abb.18:

DNA-Analyse für zukünftigeStrafverfahren

Abb.19:

Polizeiliche,staatsanwaltschaftliche undrichterliche Vernehmung im

Page 25: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

ÜberblickAbb.20:

Gesprächsformen imStrafverfahren

Abb.21:

Übersicht überZeugnisverweigerungsrechte

Abb.22:

Übersicht zu Belehrungspflichten

Abb.23:

Vorbereitung einer Vernehmung

Abb.24:

Phasen einer Vernehmung

Abb.25:

Aufzeichnungen vonVernehmungen

Abb.26:

Einflussgrößen zumAussageverhalten

Page 26: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Abb.27:

Zeugnisverweigerungsrechte desKindes

Abb.28:

Gegenüberstellung im Überblick

Abb.29:

Simultane Wahlgegenüberstellung

Abb.30:

SequenzielleWahlvideogegenüberstellung

Abb.31:

SequenzielleWahlgegenüberstellung

Abb.32:

Wahllichtbildvorlage

Abb.33:

Einsichtnahme in dieLichtbildvorzeigekartei

Abb. Öffentlichkeitsfahndung

Page 27: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

34:

Page 28: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

1 LeitsachverhaltAllgemeine Lage

Im Bereich des Polizeipräsidiums (PP)D-Stadt gibt es derzeit im südlichenStadtbereich seit ca. 6 Wochen eineauffällige Häufung von Raubüberfällenauf Tankstellen. Im Monat Novemberwurden im südlichen Stadtbereichinsgesamt drei Raubüberfälle aufTankstellen verübt.

Bei allen drei Überfällen wurden nurTankstellen ohne Nachtschalterüberfallen und die nur mit einerAngestellten besetzt waren. Tatzeit war

Page 29: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

stets freitags zwischen 21.30 und 22.30Uhr. Hinweise auf ein möglichesTäterfluchtmittel haben sich bislangnicht ergeben.

Nach der derzeit gültigenZuständigkeitsregelung des PP D-Stadtist die Bearbeitung dieser Raubdelikteeinem Fachkommissariat der DirektionKriminalität zur Bearbeitungzugewiesen.

Besondere Lage

Heute, am 21.12. wurde gegen 21.45 aufder Leitstelle Düssel ein Überfall auf die

STERN-Tankstelle in

Page 30: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

D- Stadt, Oberrather Str. 59,

ausgelöst. Durch die Leitstelle wurdenumgehend 2 Funkstreifenwagen zumObjekt entsandt, weitere Fahrzeugewurden zur Tatortbereichsfahndungeingesetzt.

Gegen 21.50 Uhr traf am Tatobjekt dieFunkwagenbesatzungen Düssel 11/41und 11/44 ein. Durch die eingetroffenenKräfte wurden folgende Feststellungengetroffen:

Vor Ort hat offensichtlich ein Raubstattgefunden. In der Tankstelle wirdangetroffen die Mitarbeiterin Frau

Page 31: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Hannelore Müller* 23.11.51/D- Stadt,Rather Broich 56.

Der Verkaufsraum befindet sich in einemfreistehenden, eingeschossigen Flachbauan der Oberrather Str. 59, hinter denZapfsäulen. An den Verkaufsraumangebaut ist der eingeschossigeWerkstattbereich.

Das Gebäude ist außen mitgroßflächigen Fenstern versehen, dieeinen ungehinderten Blick insGebäudeinnere erlauben. Die Tankstellehat keinen Nachtschalter, zur Tatzeitbedient in der Tankstelle lediglich eine

Page 32: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Mitarbeiterin. Eingang und Zufahrt zurTankstelle befinden sich auf derGebäudevorderseite zur OberratherStraße hin gelegen.

Die Geschädigte Müller gab in einerersten informatorischen Befragung an,dass gegen 21:45 Uhr ein dunkelgekleideter Mann den Verkaufsraumbetreten habe.

Der Mann habe eine schwarzeLederjacke und eine schwarze Skimaskemit Gesichtsausschnitt getragen. DerTäter sei ca. 1,85 m groß, schlank undhabe akzentfreies Deutsch gesprochen.Unter der Skimaske habe etwas

Page 33: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

rotblondes Haar hervorgeschaut.

Er habe sie dann – so Frau Müllerweiter – mit einer Waffe bedroht. DieWaffe sei direkt auf ihren Kopf gerichtetgewesen, der Täter habe dann gefordert:„Alles Geld her, sonst knallt’s, aberzack zack!“ Dabei habe er ihr eineweiß/blaue Plastiktüte mit der Aufschrift„ALDI“ gereicht. Sie habe dann schnelldas in der Kasse ausliegende Geld in dieTüte gestopft. Dabei sei es ihr auchgelungen einige registrierte Geldscheinemit in die Tüte zu stopfen. Insgesamthabe der Täter ca. 3.000 Euro erbeutet.

Ferner teilte Frau Müller mit, dass sie

Page 34: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

dann den zu Fuß flüchtigen Täterzunächst verfolgt habe. Als der Täter dasbemerkte habe, habe er sich umgedreht,die Waffe gehoben und einmal ohne zuzielen in ihre Richtung geschossen. Siehabe rechts von sich etwas gegen einenBaum klatschen gehört, der Baum habeca. 5 m entfernt gestanden. Von einerweiteren Verfolgung des Täters habe siedann abgesehen und nur noch beobachtet,wie der Täter mit einem schwarz/rotenMountainbike über die OberratherStraße geflüchtet sei. Dabei habe er sichdie Skimaske vom Kopf gezogen undversucht diese in seine Jackentasche zustopfen. Dabei sei die Maske

Page 35: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

heruntergefallen.

Laut Frau Müller werden die Tankstelleund der Verkaufsraum videoüberwacht.An die Aufnahmen kommt aber nur derInhaber heran.

Kräfte der Polizeiinspektion (PI)-Nordrichten auf der Theodorstraße / AuffahrtBAB A 52 eine Kontrollstelle ein.

Gegen 22.05 Uhr wird dann von Düssel12/41 im Erholungsgebiet Volkardey,Parkplatz Grüner See, VolkardeyerStraße, eine männliche Person überprüft.Die Person ist ca. 1,80 m groß, dunkelgekleidet und hat rötlich-blonde lange

Page 36: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Haare. Die Person ist gerade im Begriffeinen dunkelblauen Pkw, Ford Fiesta,Kennzeichen D-C 56 zu besteigen. 10 mvon dem Pkw entfernt lehnt an derUmzäunung des Parkplatzes ein schwarz-rotes Mountainbike der Marke Race.Der Parkplatz ist durchgängig mitgrauem Splitt geschottert.

Auf Befragen gibt die Person an, siehabe sich mit dem Pkw verfahren undden Parkplatz nicht zu Fuß verlassen.Wem das Mountainbike gehöre, wisse ernicht. An den Schuhen der Personwerden durch die Beamten frischegelbliche Lehmanhaftungen festgestellt.Von der Farbe her stimmen die

Page 37: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Lehmanhaftungen mit dem Waldbodenam nordwestlichen Parkplatzbereichüberein. Durch Düssel 12/41 werden diePersonalien der Person festgestellt. Esist der

Horst Seemann* 15.01.61/Neustrelitz,D- Stadt, Kreuzweg 10

Die Datenabfrage (ADV) ergibt, dassSeemann nicht zur Fahndungausgeschrieben, jedoch polizeilichbekannt ist. Es liegen diepersonengebundenen Hinweise (PHW)„gewaltätig“ (GEWA) und "„bewaffnet“(BEWA) vor.

Page 38: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Eine Durchsuchung der Person verliefnegativ, im Pkw des Seemann wird eineWalter PPK, Kal. 7.65 mm gefunden.Die Waffe ist durchgeladen undgesichert, im Magazin sind 5 Schussenthalten. Für diese Waffe hat Seemannweder einen Waffenschein, noch eineWaffenbesitzkarte. Seemann wirdfestgenommen und dem PG zugeführt.

Auftrag

1.1 Beurteilen Sie den Personal- undden Sachbeweis!

1.2 Erläutern Sie ausführlich dieMaßnahmen, die im Rahmen desAuswertungsangriffs durch die

Page 39: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Kriminalwache durchzuführenoder zu veranlassen sind!

1.3 Erläutern Sie die Maßnahmen, dieim Rahmen der Sachbearbeitungbis zur Haftvorführung desBeschuldigten durch dieFachdienststelle zu veranlassenoder durchzuführen sind, nennenSie die absehbar weiteren zuveranlassenden bzw.durchzuführenden Maßnahmen!

Hinweis:Die Lösungsskizze mit einerergänzenden Lagefortschreibungund Aufgabenstellungen zu

Page 40: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Problemkreisen der Einsatzlehreund des Eingriffsrechts findensich am Ende des Lehr- undStudienbriefes (Nr. 11, Seiten133 ff., problemorientierteAusführungen anhand einerLagefortschreibung aus der Sichtder Einsatzlehre und desEingriffsrechts auf den Seiten144 ff.).

Page 41: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

2 Die Polizei imErmittlungsverfahren

2.1 Aufgabenstellungder Polizei imErmittlungsverfahren

Der Polizei sind durch Gesetz Aufgabenund Befugnisse zu Ermittlungen imStrafverfahren und imOrdnungswidrigkeitenverfahrenübertragen.

„Ziel ist das Erforschen aller Umstände,die für die Beurteilungtatbestandsmäßiger Sachverhalte sowie

Page 42: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

für die Tataufklärung von Bedeutung seinkönnen, einschließlich des Feststellensvon Tatverdächtigen bzw. Betroffenen,Zeugen und Opfern.“1)

Die Aufgabe der Polizei zurErmittlungsführung im Rahmen derStrafverfolgung ergibt sich aus § 1 IVPolG NRW2) i. V. m. § 163 StPO. Nach§ 163 I Satz 1 StPO haben „DieBehörden und Beamten desPolizeidienstes Straftaten zu erforschenund alle keinen Aufschub gestattendenAnordnungen zu treffen, um eineVerdunklung der Sache zu verhüten.“Die Formulierung des § 163 StPO

Page 43: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

beinhaltet nicht nur die Zuständigkeitentsprechende Ermittlungendurchzuführen, sondern verpflichtetunmissverständlich in jedem Fall beimVorliegen des Anfangsverdachts einerStraftat zwingend Ermittlungenaufzunehmen ( Legalitätsprinzip). Esist, anders als in manchen europäischenLändern, nicht in das Ermessen derPolizeibehörde gestellt, ob beimAnfangsverdacht einer Straftat einErmittlungsverfahren durchzuführen ist.

Ermittlung kann hierbei ausgelegtwerden als „taktischer Sammelbegrifffür fallbezogene polizeilicheMaßnahmen des systematischen Sicherns

Page 44: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

und Auswertens von Beweisen sowiedes Aufspürens der selbigen durchErmittlungskräfte“.3)

Unter Ermittlungen im weiteren Sinnekönnen „alle Untersuchungshandlungenvon Ermittlungspersonen zur Aufdeckungstrafbarer Handlungen sowie zurAufklärung von Straftaten […] undanderen kriminalistisch relevantenEreignissen,“ verstanden werden, die„vor allem der Verdachtsgewinnung[…], der Verdachtsüberprüfung und derBeweissicherung […]“4) dienen.

Nach § 163 StPO wird keineDifferenzierung zwischen einzelnen

Page 45: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

polizeilichen Organisationseinheitenvorgenommen. Adressat desErmittlungsauftrages ist hier die Polizeiinsgesamt. Zuständig für die Verfolgungvon Straftaten ist demnach nicht nur dieKriminalpolizei, sondern auch derWach- und Wechseldienst. Es kommtnicht auf die Zugehörigkeit zu einerbestimmten polizeilichenOrganisationseinheit an, sondern auf diePolizeibeamteneigenschaft desAmtsträgers an sich. „Ihre Aufgaben undBefugnisse nimmt die Polizei wahrdurch– selbstständige Ermittlungshandlungen– Ermittlungshandlungen auf Weisung

Page 46: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

– Erfüllung ihrer Zeugen- undSachverständigenfunktion.“5)

Die polizeiliche Ermittlungsarbeit ineinem Strafverfahren ist keinSelbstzweck, sondern erster und festerBestandteil eines justiziellen Verfahrens.Eine Entscheidung, ob einErmittlungsverfahren fortgeführt odereventuell eingestellt wird, steht nicht derPolizei, sondern der Staatsanwaltschaftzu. Sie entscheidet auch darüber, ob ineinem Strafverfahren nach Lage derErmittlungsergebnisse eventuell dieöffentliche Klage erhoben wird odernicht.

Page 47: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

„Ermittlungsverfahren [ist ein]vorbereitendes Verfahren, daseingeleitet ist, sobald entweder dieStaatsanwaltschaft (vgl. § 161 I StPO),eine Behörde oder ein Beamter desPolizeidienstes (vgl. § 163 StPO) eineMaßnahme trifft, die darauf abzielt,gegen jemanden strafrechtlichvorzugehen. Dies gilt auch dann, wennder Beschuldigte (namentlich) nichtbekannt ist …“.6)

Die Polizei ist bei der Führung ihrerErmittlungen nicht frei und ungebunden,sondern an die Weisungen derStaatsanwaltschaft gebunden. Der

Page 48: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Staatsanwaltschaft steht imErmittlungsverfahren eineSachleitungsbefugnis zu. „Die Behördenund Beamten des Polizeidienstes sindverpflichtet, dem Ersuchen oder Auftragder Staatsanwaltschaft zu genügen[…].“7) Wenngleich es nur in wenigenVerfahren vorkommt, dass dieStaatsanwaltschaft direkt zu Beginneines Ermittlungsverfahrens sachleitendtätig wird, so z.B. bei Tötungsdeliktendurch den Kapitaldezernenten.

Auch wenn der Staatsanwalt denSachverhalt nicht selbst aufklärt,sondern seine Ermittlungspersonen8), die

Page 49: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Behörden und Beamten desPolizeidienstes oder andere Stellendamit beauftragt, hat er die Ermittlungenzu leiten, mindestens ihre Richtung undihren Umfang zu bestimmen. Er kanndabei auch konkrete Einzelweisungenzur Art und Weise der Durchführungeinzelner Ermittlungshandlungenerteilen.9) Als Grundsatz ist festzuhalten,dass die Staatsanwaltschaft Herrin desErmittlungsverfahrens ist.

Darstellung eines Strafverfahrens

Page 50: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD
Page 51: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Abb. 1: Grafische Darstellung einesStrafverfahrens

Die Polizei ist in den meisten Fällen dieOrganisation, die als erste in einemStrafverfahren tätig wird und die erstenErmittlungen durchführt. Zielpolizeilicher Ermittlungstätigkeit istnicht die Durchführung eines reinpolizeilichen Zwecken dienendenVerfahrens zur Informationserhebung,sondern die Schaffung einerInformationsgrundlage fürweiterreichende Entscheidungen derStaatsanwaltschaft (so z.B. dieEntscheidung über Anklageerhebung

Page 52: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

oder Verfahrenseinstellung) und deszuständigen Gerichts (z.B. Vorbereitungder Hauptverhandlung).

Gemeinhin geht der Bürger laienhaftdavon aus, dass die Durchführung einesStrafverfahrens Aufgabe derKriminalpolizei ist. Dies greift jedochzu kurz. In den häufigsten Fällen ist esnicht die Kriminalpolizei, die zuerst amTatort einer Straftat auftaucht, sondernes sind als Erstes die Kräfte des Wach-und Wechseldienstes (WWD) vor Ortund treffen dort erste unaufschiebbareMaßnahmen, bis die Kräfte derKriminalwache (Kriminaldauerdienst)vor Ort erscheinen oder eine

Page 53: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Fachdienststelle der Kriminalpolizei dieErmittlungen übernimmt. In dieser erstenPhase treffen die Kräfte des WWD ihreMaßnahmen eigenständig undeigenverantwortlich.

Der polizeiliche Part in einemErmittlungsverfahren kann – in denVerfahren, in denen eine Tatortaufnahmein Betracht kommt – vereinfachend indrei Phasen der polizeilichenErmittlungsführung eingeteilt werden.

Page 54: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Abb. 2: Phasen der Ermittlungsführung

Page 55: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

In vielen Verfahren gilt es, unmittelbarnach der Tat erste unaufschiebbareMaßnahmen unter hoher zeitlicherDringlichkeit zur Tatortabsicherung undspäter zur Tatortaufnahme zu treffen.Erst zu einem späteren Zeitpunkt sinddann u.a. am Tatort gesicherte Spurenzur Untersuchung zu versenden,auszuwerten und auszuermitteln.Unaufschiebbare Ermittlungshandlungen,die sofort vorgenommen werden müssen,erfordern die permanente Präsenz vonPersonal für diesen Zweck zu jederTageszeit. Diese Aufgaben werden vomWach- und Wechseldienst(Schutzpolizei) und von der

Page 56: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Kriminalwache oder demKriminaldauerdienst (Kriminalpolizei)wahrgenommen.

Bereits in der Phase des Ersten Angriffssind durch die Kräfte des Wach- undWechseldienstes im Rahmen desSicherungsangriffs u.a. zur• Absperrung und Durchsuchung des

Tatortes• Notsicherung von Spuren• Täternacheile und Feststellung von

Tatverdächtigen und Beschuldigten• Suche und Sicherung von Zeugen und

Durchführung erster Vernehmungen

Page 57: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

unaufschiebbare Eingriffsmaßnahmen,die sich rechtlich u.a. alsBeschlagnahme, Durchsuchung,Vernehmung und vorläufige Festnahmequalifizieren, durchzuführen oder zuveranlassen.

Anschließend sind durch die Kräfte derKriminalwache bzw. desKriminaldauerdienstes gleichfalls imRahmen des Ersten Angriffs zurTatortaufnahme unaufschiebbareStandardmaßnahmen, so u.a. zur• Spurensuche/Spurensicherung am

Tatort• Sicherstellung/Beschlagnahme von

Page 58: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Beweismitteln• ggf. Beschlagnahme des Tatortes• Ergänzenden Zeugensuche und

Zeugenvernehmung• Ermittlung von

Tatverdächtigen/Beschuldigten

durchzuführen.

Das Personal der Fachkommissariatesteht hingegen häufig nur während derTagesdienstzeiten zur Verfügung. Fürbesondere Fälle gibt esBereitschaftsdienste (z.B. Mord- undBrandbereitschaft). Die dem ErstenAngriff folgenden Ermittlungen werden

Page 59: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

in Nordrhein-Westfalen regelmäßigdurch Kräfte der Kriminalpolizei ausden Fach- oder Regionalkommissariatenvorgenommen.

Für ihre späteren Entscheidungenbenötigen die Staatsanwaltschaft und dasGericht eine belastbare Daten- undFaktenlage, ein Urteil vor Gericht kannspäter nur auf in der StPO benannteBeweismittel gestützt werden. Diese giltes bereits in der Erstphase desErmittlungsverfahrens durch die Polizeimöglichst umfangreich zu sichern und zuerheben.

„Der historische Gesetzgeber stellte sich

Page 60: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

ursprünglich kein ausgedehntesErmittlungsverfahren, sondern einknappes „Vorverfahren“ als Filter vordem gerichtlichen Prozess vor. […] DerSchwerpunkt der Beweiserhebung solltein die Hauptverhandlung verlegt werden.In Wirklichkeit erfolgt aber […] dieWeichenstellung im Vorverfahren.Mängel der Ermittlungsführung in dieserPhase erweisen sich häufig alsunkorrigierbar; die Hauptverhandlungerschöpft sich nicht selten in einemroutinierten Nachvollzug der imVorverfahren gesammelten Beweiseoder in der Verifizierung und Abrundungder bisherigen Ermittlungsergebnisse.

Page 61: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Dies mag beklagenswert sein, ist aberletztlich auf die kriminalistischeGrunderfahrung zurückzuführen, dass diefrühesten Ermittlungen die wichtigstensind.“10)

2.2 Grundlagen derBeweisführung

„Beweisen heißt, dem beurteilendenGericht einen Sachverhalt durchjedermann überzeugende und beliebig oftreproduzierbare Fakten so darzustellen,dass ein vernünftiger Zweifel an demvon den Strafverfolgungsorganen(Staatsanwaltschaft und Polizei) bei

Page 62: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

vorläufiger Tatbewertungangenommenen Tatgeschehen nichtmöglich ist.“11)

Nach dem polizeilichen Sprachgebrauchwird die Beweisführung über Personal-und Sachbeweise geführt. Immer wiederwird die zunehmende Bedeutung desSachbeweises diskutiert, da z.B. dieKriminaltechnik immer neueMöglichkeiten bietet. DieBegrifflichkeiten Personal- undSachbeweis des kriminalistischenSprachgebrauchs sind in derStrafprozessordnung nicht zu finden.Diese Begrifflichkeiten werden in der

Page 63: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Phase des Ermittlungsverfahrens häufigverwendet. „Das Beweisverfahren wirdunterschieden nach Strengbeweis undFreibeweis“12). Im Gegensatz zurBeweisführung im Ermittlungsverfahrenist die Beweisführung in derHauptverhandlung vor Gericht engnormiert. Es sind nur die festgelegtenBeweismittel zur Urteilsfindungzulässig:• Sachverständiger• Augenscheinbeweis• Urkunde• Zeuge• Eid

Page 64: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

• (glaubwürdiges) Geständnis

„Das Gericht hat zur Erforschung derWahrheit die Beweisaufnahme von Amtswegen auf alle Tatsachen undBeweismittel zu erstrecken, die für dieEntscheidung von Bedeutung sind.“13)

Das Gericht ist also zu einereigenständigen Beweisaufnahme vonAmts wegen verpflichtet, ein Rückgriffauf die Erkenntnisse der (polizeilichen)Ermittlungsakte zur Urteilsfindung istmithin unzulässig. Gleichwohl sind dieErmittlungsakte und die darindokumentierten Erkenntnisseunverzichtbar für die Vorbereitung der

Page 65: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Hauptverhandlung durch den(vorsitzenden) Richter.

Sowohl der Verlauf derHauptverhandlung als auch diezulässigen Beweismittel sind in den §§244 – 256 StPO, ergänzt um denGrundsatz der Mündlichkeit,ausdrücklich geregelt. ImErmittlungsverfahren gilt hingegen dasFreibeweisverfahren, hier gibt es keineengen gesetzlichen Bindungen; alsRegelung für das Ermittlungsverfahrenkann § 163 StPO angesehen werden.

Eine vergleichende Gegenüberstellungzwischen den Beweismitteln im

Page 66: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Ermittlungsverfahren und in derHauptverhandlung könnte wie folgtaussehen:

Gegenüberstellung derBeweismittel im

Ermittlungsverfahren und in derHauptverhandlung vor Gericht

Page 67: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Abb. 3: Beweismittel im Überblick

Wenngleich die Regeln desStrengbeweises für dasErmittlungsverfahren keine Anwendungfinden, so ist es doch unabdingbar, dassdie wesentlichen Regeln auch einem

Page 68: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Polizeibeamten bekannt sind.

Der Unmittelbarkeitsgrundsatz, den §250 StPO im Interesse möglichstzuverlässiger Beweisgewinnungaufstellt, gilt nur für Wahrnehmungenvon Zeugen und Sachverständigen undnur im Strengbeweisverfahren […].14)

„Beruht der Beweis einer Tatsache aufder Wahrnehmung einer Person (z.B.eines Mitbeschuldigten, Zeugen oderSachverständigen), so muss das Gerichtdiese Person in der Hauptverhandlungvernehmen. […] Der Hintergrund derRegelung besteht darin, dass derunmittelbare Eindruck des Richters von

Page 69: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

der Aussage einer Person weit höherenInformationswert besitzt, als dieVerlesung einer schriftlichen Erklärung,über deren Zustandekommen der Richterkeine näheren Kenntnisse besitzenkann.“15)

D.h., es kann nicht einfach auf dieNiederschrift einer polizeilich erlangtenVernehmung zurückgegriffen werden,sondern der Beschuldigte oder derZeuge muss grundsätzlich erneut vorGericht aussagen. Der ehemalsermittelnde Polizeibeamte hat vorGericht dann auch nur noch den Statuseines Zeugen und muss sowohl die

Page 70: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Fragen des Gerichtes und desStaatsanwaltes, als auch desBeschuldigten oder dessen Verteidigersbeantworten.

Von dem Grundsatz der Unmittelbarkeitkann nur in wenigen Fällen abgewichenwerden, so u.a.:• Zusage der Vertraulichkeit

(Inanspruchnahme vonInformanten/Vertrauenspersonen)16)

• Aufzeichnung der Zeugenvernehmungauf Video ( §§ 58a, 255a StPO)

• Verlesen des Protokolls frühererAussagen des Angeklagten aus einemRichterlichen Protokoll ( § 254

Page 71: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

StPO).

Der Unmittelbarkeitsgrundsatz bedeutetden Vorrang des Personalbeweises vordem Urkundenbeweis, aber auch vordem Augenscheinsbeweis.17)

Über das Ergebnis der Beweisaufnahmeentscheidet das Gericht nach seinerfreien, aus dem Inbegriff derVerhandlung geschöpftenÜberzeugung.18) Das Gericht ist bei derBewertung von Zeugenaussagen frei undnicht an gesetzliche Beweisregelngebunden (z.B. bezüglich derGlaubwürdigkeit der Zeugenaussage).Eingeschränkt wird dieser Grundsatz

Page 72: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

aber durch:• bestimmte naturwissenschaftliche

Erkenntnisse (wenn Tatsachen aufgrundwissenschaftlicher Erkenntnissefeststehen, z.B. Blutalkoholwert)

• Schweigerechte von Beschuldigten undZeugen.

Für eine Verurteilung „[…] genügt einnach der Lebenserfahrung ausreichendesMaß an Sicherheit, demgegenübervernünftige und nicht bloß aufdenktheoretischen Möglichkeitenbegründete Zweifel nicht mehraufkommen.“19)

Page 73: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Bestehen für das erkennende Gerichthingegen begründete Zweifel am Beweisvon Tat oder Täterschaft, so ist nachdem Grundsatz „in dubio pro reo“ zuverfahren und folglich der Angeklagtenicht zu verurteilen.

Daher erfordern Ermittlungen für einoptimales Ergebnis grundsätzlich• unvoreingenommenes und unbewertetes

Aufnehmen von Sachverhalten• planmäßiges Vorgehen• systematisches Denken und Handeln• vermeiden von einseitigen oder

vorzeitigen Festlegungen.20)

Page 74: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Grundlage für die Entscheidung ob eszur Erhebung der öffentlichen Klagekommt oder nicht und wenn ja, aufwelche Beweismittel die Klage gestütztwird, sind die Ergebnisse desErmittlungsverfahrens (Vorverfahren).

2.3 BeweisverboteZur Abrundung soll hier ein kurzerÜberblick über den Themenbereich derBeweisverbote21) gegeben werden. Eineumfassende Behandlung würde denUmfang des Buches sprengen. Hier seiauf die einschlägige juristischeFachliteratur verwiesen. Zudifferenzieren ist zunächst grundsätzlich

Page 75: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

zwischen den Begrifflichkeiten„Beweiserhebungsverbot“ und„Beweisverwertungsverbot“. Nichtjedes Beweismittel, was unterUmgehung einesBeweiserhebungsverbotes erlangtwurde, unterliegt im Verfahren späterauch einem Beweisverwertungsverbot.

„Die Beweiserhebungsverboteschränken die Aufklärungspflicht (Anm.:der Strafverfolgungsorgane) ein. DieBeweisverwertungsverbote lassen esnicht zu, dass alle vorhandenenInformationen verarbeitet werden,zwingen den Richter also dazu, seinWissen partiell auszublenden und

Page 76: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

hindern ihn so an einer umfassendenBeweiswürdigung.“22)

Skizzierung der Beweisverbote

Page 77: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Abb. 4: Beweisverbote

Differenziert wird in der einschlägigenLiteratur recht einvernehmlich zwischenBeweisthemenverbot,Beweismittelverbot undBeweismethodenverbot. In einigenWerken taucht auch die Begrifflichkeitdes relativen Beweisverbotes auf, soz.B. wenn statt durch einen Arzt dieBlutprobe durch eine Krankenschwesterentnommen wurde.

„Wenig Zweifelsfragen werfen die Fälleauf, in denen das Gesetz einausdrückliches Verwertungsverbotausspricht. Dies ist beispielsweise in §

Page 78: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

136a III StPO für Beweisergebnissegeschehen, die durch eine unerlaubteVernehmungsmethode erlangt wordensind. Dem stehen die Bestimmungengleich, in denen der Gesetzgeberausdrücklich die „Verwendung zuBeweiszwecken“ begrenzt; durchUmkehrschluss besteht dann im Übrigenein Beweisverwertungsverbot.“23)

In den übrigen Fällen ist dieEntscheidungsfindung deutlichschwieriger. Es gibt kein durchgängiganwendbares Kriterium, ob Folge desBeweiserhebungsverbotes auch einBeweisverwertungsverbot ist. Es hat

Page 79: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

verschiedene Versuche der Gerichtehierzu gegeben, eine nachvollziehbareSystematik zur Entscheidungsfindung zuentwickeln, so z.B. dieRechtskreistheorie des BGH. Bis heuteexistiert keine nachvollziehbareSystematik, die anerkannt ist.

Es bleibt dem Ermittlungsbeamten –wenn er auf der sicheren Seite sein will– nichts anderes übrig als dieRegelungen der StPO bei derDurchführung seiner Ermittlungen bereitsim Vorverfahren zu beachten, damit nichtdie Gefahr besteht, dass erlangteBeweise später einemVerwertungsverbot unterfallen. Im

Page 80: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Übrigen ist es selbstverständlicheGrundaufgabe derStrafverfolgungsorgane, sich an dieRegeln des Rechtsstaates zu halten. Hierbesteht für diese eine Vorbildfunktion,zur Aufklärung von Straftaten denrechtlich zulässigen Rahmen zubeachten.

Hinzuweisen ist, dass dieÜberschreitung der in der StPOnormierten Kompetenzen durchausstrafrechtlich relevante Folgen für denverantwortlichen Ermittlungsbeamtenhaben kann. So stellt die rechtswidrigeWohnungsdurchsuchung einenHausfriedensbruch (§ 123 StGB) und die

Page 81: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Herbeiführung einer Aussage mittelsDrohung oder Gewalt eineAussageerpressung (§ 343 StGB) dar.

2.4 AktenführungNach dem beschriebenen Zweck desErmittlungsverfahrens wirdoffensichtlich, dass erlangteInformationen in angemessener Formdokumentiert werden müssen, damit siejederzeit und gegenüber jedermann stetigreproduzierbar erläutert werden können.Dies gilt nicht nur für die Feststellungen,die später durch Ermittlungen derFachkommissariate erlangt werden,sondern auch für die Feststellungen, die

Page 82: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

auch während des Sicherungsangriffsdurch Kräfte des Wachdienstes erlangtwerden. Erlangte Ermittlungsergebnissewerden zu diesem Zweck umfangreichschriftlich dokumentiert, bzw. durchweitergehendes Bild, Ton- undVideomaterial ergänzt. „Die Behördenund Beamten des Polizeidienstesübersenden ihre Verhandlungen ohneVerzug der Staatsanwaltschaft.“Eingebürgert hat sich, dass die Polizeizunächst die notwendigenErmittlungshandlungen in den Fälleneinfacher und mittlerer Kriminalitäteigenständig durchführt und nachAbschluss der erforderlichen

Page 83: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

polizeilichen Ermittlungen erst dieErmittlungsakte der Staatsanwaltschaftzur Kenntnisnahme und weiterenEntscheidung über die Fortführung desVerfahrens übersendet.

In den Fällen, in denen die Polizei imlaufenden Verfahren anStaatsanwaltschaft oder Amtsgericht mitAnträgen zur Erlangung von Beschlüssenherantritt (z.B. Beantragung einesDurchsuchungsbeschlusses), hat sichvielfach die Übersendung vonDokumenten (z.B. Beschlussantrag, aberauch weitere Aktenbestandteile) als E-Mail-Anhang eingebürgert. In sehreilbedürftigen Fällen werden Beschlüsse

Page 84: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

auch telefonisch beantragt.

Das Ermittlungsverfahren selbst istfallbezogen zu gestalten. Es gibt keinenverbindlich festgelegtenVerfahrensablauf. ZwingendeVorschriften über die Führung undGestaltung der Ermittlungsakten gibt esnicht, die Ermittlungsakte ist jedoch soübersichtlich zu gestalten, dass auch mitdem Verfahren bislang nicht betrautePersonen, jederzeit schnell einenÜberblick über den derzeitigenVerfahrenstand erlangen können.

Die Ermittlungsakte wird grundsätzlichchronologisch aufgebaut. Die

Page 85: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Schriftstücke werden in der Reihenfolgedes Entstehens zusammengeheftet. Soergibt sich, dass häufig die StrafanzeigeBlatt 1 der Ermittlungsakte ist, dahintervielfach der Tatortbefundbericht unddann folgen dem zeitlichen Ablauf nachdie weiteren Schriftstücke. Wird dieAkte umfangreicher, so empfiehlt sichdie Anlage eines Inhaltsverzeichnisses.

Die Dokumentation vonErmittlungshandlungen erfolgt in Formvon Protokollen der Vernehmungen vonZeugen und Beschuldigten bzw. inVermerken und Berichten übervorgenommene Ermittlungshandlungen(z.B. Durchsuchungen).

Page 86: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Bei größeren Verfahren ist derAktenaufbau umfangreicher. Es könnendann u.a. geführt werden:• Hauptakte• Spurenakte• Täterakte• Fallakte• Presseakte• Kostenakte

Grundsätzlich wird die Ermittlungsakteauch heute noch in Papierform erstelltund der Staatsanwaltschaft übersandt,insbesondere in den Fällen derAlltagskriminalität. Es besteht jedoch in

Page 87: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

bestimmten Fällen auch die Möglichkeitdie Akte bzw. Aktenbestandteile indigitaler Form der Staatsanwaltschaftbzw. dem zuständigen Gericht zuübersenden, so u.a. in Umfangsverfahren(z.B. im Bereich derWirtschaftskriminalität).

Die Ermittlungsakte muss auf jeden Fallso geführt werden, dass u.a. auf derGrundlage der Akte die• Entscheidung über Anklageerhebung

durch die Staatsanwaltschaft• Entscheidung über Zulassung der

öffentlichen Klage durchAmtsgericht/Landgericht

Page 88: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

• Vorbereitung der Hauptverhandlung

getroffen werden können.

Es ist weiterhin stets eine Zweitschriftder Akte zu führen, damit beiVersendung der Hauptakte zurStaatsanwaltschaft oder zum Gericht dieErmittlungen ungehindert weitergeführtwerden können und später eineVorbereitung des/derErmittlungsbeamten/-beamtin auf eineGerichtsverhandlung erfolgen kann. Ausder Akte sollte sich insbesondere derVerbleib der Beweismittel undAsservate ergeben.

Page 89: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

1) PDV 100, Ziff. 2.2.1.2) Die Polizeigesetze anderer Bundesländer

bzw. des Bundes enthalten etwagleichlautende Normen für dieBegründung der sachlichen Zuständigkeit.

3) Möllers, S. 586.4) Wirth, S. 172.5) PDV 100, a.a.O.6) Wirth, S. 176.7) § 161 I Satz 2 StPO.8) § 1 Verordnung über die

Ermittlungspersonen derStaatsanwaltschaft.

9) Nr. 3 (2) RiStBV.10) Kramer, S. 177, Rz. 169.11) Ackermann/Clages/Roll, S. 48

(weiterführend Meyer-Goßner, Rz. 47der Einleitung).

Page 90: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

12) Ackermann/Clages/Roll a.a.O.13) § 244 II StPO.14) Meyer-Goßner, § 250 StPO, Rz. 1.15) Kramer, Seite 161, Rz. 158.16) Vgl. § 96 Strafprozessordnung und gem.

RdErL. d. JM u. d. IM NRW vom17.02.1986 über die Inanspruchnahmevon Informanten, Einsatz von V-Personen… (MBl. NRW.1986 S. 203,zuletzt geändert durch gem. RdErl. vom22.09.2011 (MBl. NRW. 2011 S. 384).

17) Meyer-Goßner, § 250 StPO, Rz. 2.18) § 261 StPO.19) Meyer-Goßner, § 261 StPO, Rz. 2.20) PDV 100, Ziff. 2.2.1.21) Weiterführend sei hier auch verwiesen

auf: Westphal, Lehr- und StudienbriefeKriminalistik/Kriminologie, Band 14.

Page 91: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

22) Volk, S. 256, Rz. 6.23) Kramer, S. 168, Rz. 163.

Page 92: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

3 Ermittlungsmaßnahmen3.1 VorüberlegungenPolizeiliche Maßnahmen greifen in dieGrundrechte ein und bedürfen einergesetzlichen Grundlage(Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 III GG,Gesetzesvorbehalt, Art. 19 I GG). DerEingriff in die Rechtssphäre des Bürgersist in einigen Fällen bereitsverfassungsrechtlich der Anordnungeines Richters vorbehalten (z.B. setzenFreiheitsentziehungenverfassungsrechtlich eine richterlicheAnordnung voraus, Art. 104 II GG) oderder Eingriff ist einfachgesetzlich

Page 93: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

grundsätzlich erst nach einerrichterlichen Anordnung zugelassen (sosetzt z.B. die „Blutprobe“ grundsätzlicheine richterliche Anordnung voraus, §81a II StPO). In gesetzlich vorgegebenenAusnahmefällen ist dieAnordnungskompetenz jedoch auch denErmittlungspersonen derStaatsanwaltschaft, also den in denBestimmungen der Bundesländeraufgeführten Polizeivollzugsbeamten24),z.B. in Fällen der Gefahr im Verzuge,überlassen (z.B. §§ 81a II und 105 IStPO).

3.2 Aufgaben des

Page 94: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

StrafprozessesDer Strafprozess soll einerseits denStrafanspruch des Staates gewährleisten,andererseits jedoch denRechtsgüterschutz des im EinzelfallBetroffenen garantieren. Hierzu gehörenZeugen, das Opfer der Tat, derTatverdächtige, der Beschuldigte bzw.Angeklagte oder Angeschuldigte und dieAllgemeinheit.25)

3.3 DoppelfunktionalitätstaatlichenHandelns

Neben der Strafverfolgung ist ein

Page 95: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

weiteres Ziel polizeilichen Handelnsauch die Gefahrenabwehr, insbesondereauch die Abwehr von Lebens- undGesundheitsgefahren für die Opfer vonStraftaten, für die einschreitendenPolizeibeamtinnen und -beamten und fürdie Funktionsfähigkeit des Staates oderdie Sicherung zivilrechtlicher Ansprüchevon Tatopfern. Im Interesse derRechtssicherheit des im Einzelfallbetroffenen Adressaten muss das Zielstaatlichen Handelns, also entwederStrafverfolgung oder Gefahrenabwehrmit den entsprechenden Konsequenzenfür die Wahl der gesetzlichen Grundlageund des möglichen Rechtsschutzweges

Page 96: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

über die Amts- oderVerwaltungsgerichte, klar entschiedenwerden.

Die Dominanzentscheidung in einersolchen Gemengelage vonStrafverfolgung und Gefahrenabwehrrichtet sich entsprechend derobergerichtlichen Rechtsprechung nachder Gesamtbetrachtung einesLebenssachverhaltes unter Würdigungaller Umstände. So dient dieDurchsuchung eines flüchtigenTatverdächtigen nach einerMesserstecherei bei seinem Antreffenunmittelbar zunächst der Eigensicherungder einschreitenden Einsatzkräfte,

Page 97: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

ebenso die amtliche Inverwahrungnahmeder Tatwaffe. Die Rechtmäßigkeit dieserMaßnahmen richtet sich daherzweifelsfrei nach demGefahrenabwehrrecht, dieTatbestandsvoraussetzungen dereinschlägigen Polizeigesetze26) müssendazu erfüllt sein.27)

3.4 VerhältnismäßigkeitsprinzipundÜbermaßverbot

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeitund das Übermaßverbot sind immerLeitlinien staatlichen Handelns, sie

Page 98: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

ergeben sich aus demRechtsstaatsprinzip und habenVerfassungsrang.28)

3.5 PolizeilicheZwangsanwendung

Im Einzelfall ist die zwangsweiseDurchsetzung einer Maßnahme trotz derÜberzeugungskraft einereinsatzbegleitenden Kommunikation undder Nutzung taktisch gebotenen,umsichtigen Vorgehens wie derAusnutzung von Überraschungsmomentenoder umfassender begleitender undunterstützender Vorkehrungen

Page 99: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

unumgänglich. Die Strafprozessordnungtrifft keine gesetzliche Regelung zur Artund Weise der zwangsweisenDurchsetzung einer Maßnahme. Dajedoch nicht hingenommen werden kann,dass eine formell und materiellrechtmäßige Maßnahme beientgegenstehendem Willen desAdressaten nicht vollzogen werden kann,richtet sich die Rechtmäßigkeit dieserZwangsanwendung nach denPolizeigesetzen29).30)

Die Thematik wird im Zusammenhangmit der vorliegenden Veröffentlichungnicht weiter vertieft. Zur Erläuterung und

Page 100: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Vertiefung wird auf die einschlägigeFachliteratur verwiesen.31)

3.6 StandardmaßnahmenDie Polizei greift je nach Einzelfall indie Grundrechte des Adressaten wie dieallgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 IGG), das AllgemeinePersönlichkeitsrecht (APR, Recht aufinformationelle Selbstbestimmung, Art.2 I i.V.m. 1 I GG, erstmalig erwähnt im„Volkszählungsurteil“ von 1983)32), diekörperliche Integrität der Person (Art. 2II S. 1 GG), die Freiheit der Person(differenziert nach einerFreiheitsbeschränkung gemäß Art. 2 II S.

Page 101: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

2 GG oder einer Freiheitsentziehunggemäß Art. 2 II S. 2 i.V.m. 104 II GG),die Freizügigkeit (Art. 11 GG), dieIntegrität der Wohnung (Art. 13 GG),das Recht auf Eigentum (Art. 14 GG)ein.

Nachfolgend werden dieStandardmaßnahmen nach ihrem Begriff,ihrer Zielsetzung, ihren besonderenrechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen,im Einzelfall zu beachtendeneinsatztaktischen Erfordernissen undletztlich, sofern erforderlich, hinsichtlichder Anordnungskompetenz und denFormvorschriften dargestellt.

Page 102: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

24) Vgl. z.B. in NRW: § 1 I Nr. II VO über dieErmittlungspersonen derStaatsanwaltschaft vom 30.04.1996 (GV.NRW. S. 180, geändert durch VO vom15.02.2005 (GV. NRW. S. 144).

25) Vertiefend dazu: Rolf Hannich,Karlsruher Kommentar zurStrafprozessordnung, C.H. Beck-VerlagMünchen, 6. Auflage 2008, Einleitung, S.35 ff.

26) Vgl. für NRW: §§ 39, 43 PolG NRW.27) BVerwG, Az. I C 11/73; in: NJW 1975, S.

893 ff. [895], vertiefend dazu:Lisken/Denninger, Handbuch desPolizeirechts, C.H. Beck-VerlagMünchen, 5. Auflage 2012, D 192, S.261.

28) BVerfG, 2 BvR 1150/80, 2 BvR 1504/82,Beschluss vom 08.10.1985; in: NJW

Page 103: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

1986, S. 769.29) In NRW: §§ 57 ff. PolG NRW.30) Vertiefend zur polizeilichen

Zwangsanwendung: vgl.Lisken/Denninger, Handbuch desPolizeirechts, C.H. Beck- VerlagMünchen. 5. Auflage 2012, zu E 789-962, S. 551- 601.

31) Siehe u.a. Tetsch/Baldarelli zu denPrüfungsschemata: 6.1 ZwangsanwendungStrafverfolgung, 6.2 ZwangsanwendungGefahrenabwehr-Normalfall, 6.3Prüfungsschema – Sofortvollzug, S. 845-847.

32) BVerfG, Az. 1 BvR 209/83, Urteil vom15.12.1983; in:http://openjur.de/u/268440.html (Zugriffam 25.04.2014).

Page 104: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

4 Beschlagnahme4.1 Begriff der

BeschlagnahmeDie Beschlagnahme ist die förmlicheSicherstellung eines Gegenstandes durchÜberführung in amtlichen Gewahrsamoder auf andere Weise.33) Das gilt auchin den Fällen, in denen der Beamte, dersie anordnet, den Gegenstand ohnevorherige oder einsatzbegleitendeKommunikation mit demGewahrsamsinhaber sofort inVerwahrung nimmt.

Page 105: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Während nach § 94 StPO eineBeschlagnahme von Gegenständen, dieals Beweismittel für die Untersuchungvon Bedeutung sein können, nurerforderlich ist, wenn der Gegenstandnicht freiwillig herausgegeben wird, istbei Gegenständen, die dem Verfall oderder Einziehung unterliegen, nur dieförmliche Beschlagnahme zugelassen (§111b I StPO).34)

Abweichend von der strafprozessualenDifferenzierung der Begriffe„Sicherstellung“ und „Beschlagnahme“gibt es den Begriff der Beschlagnahmeim Polizeigesetz nicht.35) Eine

Page 106: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

polizeirechtliche Sicherstellung liegtsomit auch bei entgegenstehendemWillen des Adressaten vor.

In jedem Fall wird ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis dannbegründet, wenn eine Behörde durchÜbergabe Besitz an der zu verwahrendenSache erlangt.36) Die öffentlich-rechtliche Verwahrung beginnt ohneweitere vertragliche Bindungen somitunmittelbar mit dem Besitz durch dieBehörde.

Sofern keine herrenlosen beweglichenSachen von der Maßnahme betroffensind (§§ 958 ff. BGB), ist regelmäßig ein

Page 107: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Eingriff in das Eigentumsrecht desGewahrsamsinhabers aus Art. 14 GGoder in Fällen, in denen kein Eigentuman dem Gegenstand erworben werdenkann (z.B. Diebesgut, vgl. § 935 BGB),in die allgemeine Handlungsfreiheit(Art. 2 I GG) gegeben. Auch der Dieb istnicht (grund-) rechtslos.

4.2 Ziel derBeschlagnahme

4.2.1 Beschlagnahme zurBeweisführung

Die Beschlagnahme von Gegenständenals sachliche Beweismittel ist davon

Page 108: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

abhängig, ob sie für das Strafverfahrenvon Bedeutung sein können. Mit demöffentlich-rechtlichenVerwahrungsverhältnis an demGegenstand soll der Verlust der Sacheverhindert und ihre Integrität garantiertwerden, so dass sie imGerichtsverfahren alsAugenscheinsbeweis zur Verfügungstehen. Der Augenscheinsbeweis gibtdem erkennenden Gericht dieMöglichkeit, die besonderen Merkmaleund Spuren an einem Gegenstand undseine Beschaffenheit festzustellen oderwenn es auf das Vorhandensein und dieBeschaffenheit einer Urkunde ankommt

Page 109: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

(§ 86 StPO bzw. § 249 StPO fürUrkunden). Entscheidend ist dieMöglichkeit des erkennenden Gerichts,sich u.a. durch Befühlen und Abtasteneinen persönlichen Eindruck von demGegenstand verschaffen zu können.37)

Beweismittel (§ 94 I StPO) sind allebeweglichen und unbeweglichen Sachen,die unmittelbar oder mittelbar für dieTat oder die Umstände ihrer BegehungBeweis erbringen können.38) ImZusammenhang mit dem E-Mail-Verkehrhat das Bundesverfassungsgericht auchunkörperliche Gegenstände demWortsinn einer „Sache“ nach § 94 StPO

Page 110: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

zugeordnet.39)

Wenn ein Gegenstand potenzielleBeweiseignung hat, muss ersichergestellt werden, wenn dieweitgefassten Voraussetzungenvorliegen.40)

Die Beschlagnahme eines Mobiltelefonsist auch unter dem Aspekt des Eingriffsin Art. 10 GG und dem grundsätzlichenAnspruch des Grundrechtsträgers auf dievertrauliche Nutzung desKommunikationsmediums frei vonstaatlicher Kenntnisnahme zu beurteilen.Das Auslesen der auf der SIM-Kartegespeicherten Daten ergibt Einzelheiten

Page 111: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

der geführten oder nicht angenommenenAnrufe und deren Anschlussinhaber.41)

Allerdings werden die nach Abschlussdes Übertragungsvorganges imHerrschaftsbereich desKommunikationsteilnehmersgespeicherten Verbindungsdaten nichtmehr durch Art. 10 GG geschützt,sondern durch das allgemeine Recht aufinformationelle Selbstbestimmung. DieErmächtigungsgrundlage für dieBeschlagnahme eines Mobiltelefons zumAuslesen von Verbindungsdatenvergangener Telefonate ergibt sich somitaus §§ 94 ff. StPO.42)

Page 112: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Das Beschlagnahmeverbot (§ 97 StPO)knüpft an dieZeugnisverweigerungsrechte nach §§ 52,53, 53a StPO an. Es besteht nur fürbestimmte Beweismittel, jedoch nicht fürDeliktsgegenstände. Der Verdacht derBeteiligung einerzeugnisverweigerungsberechtigtenPerson an der Tat sowie derBegünstigung, Strafvereitelung oderHehlerei lässt das Beschlagnahmeverbotentfallen.43) Dieser Umstand gilt auch fürden Strafverteidiger. Ist er verdächtig,sich an der Tat, die dem Beschuldigtenzur Last gelegt wird, beteiligt zu haben,so können die Schriftstücke aus den

Page 113: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Beziehungen zwischen Beschuldigtemund Verteidiger trotz des Grundsatzesdes freien Verkehrs (§ 148 StPO)beschlagnahmt werden.44)

Ein Beweiserhebungsverbot istgrundsätzlich notwendig, um dasZeugnisverweigerungsrecht zugarantieren und seine Umgehung zuverhindern. Die Entbindung einesBerufsgeheimnisträgers von derSchweigepflicht durch denBeschuldigten (§ 53 II S. 1 StPO)verpflichtet u.a. Verteidiger und Ärzte(alle in § 53 I Nr. 2 bis 3b StPOGenannte) zur Herausgabe der

Page 114: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Beweismittel und hebt dasBeschlagnahmeverbot in vollem Umfangauf.

Beschlagnahmefreie Gegenstände sindgrundsätzlich schriftliche MitteilungenAufzeichnungen, Schriftstücke und Ton-,Bild- und Datenträger, Abbildungen undandere Darstellungen (§ 11 III StGB).Andere Gegenstände wie Fremdkörper,die der Arzt aus dem Körper desBeschuldigten entfernt hat, technischeUntersuchungsbefunde wieRöntgenaufnahmen, Blutbilder,Alkoholbefunde, vom Beschuldigten inAuftrag gegebeneSachverständigengutachten sowie

Page 115: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Buchungs- und Geschäftsunterlagenunterliegen gleichermaßen demBeschlagnahmeverbot.45)

Beschlagnahmefrei sind bei Mitarbeiternvon Presse und Rundfunk auchSchriftstücke, Ton- und andereDatenträger, soweit sie Aufschlüsse überVerfasser, Einsender und sonstigeInformanten und die von ihnengemachten Mitteilungen geben.

Das Beschlagnahmeverbot erstreckt sichauch auf das selbst recherchierteMaterial (§ 53 I S. 1 Nr. 5 StPO).46)

Demgegenüber können an den

Page 116: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Beschuldigten gerichtete Postsendungenund Telegramme, die sich imGewahrsam von Personen undUnternehmen befinden, diegeschäftsmäßig Post- undTelekommunikationsdienste erbringenoder daran mitwirken, beschlagnahmtwerden (§ 99 StPO).

Der strafprozessuale Zugriff auf E-Mails, die nach der Erstellung oder demAbsenden auf dem Rechner desEmpfängers oder Absenders gespeichertsind, richtet sich nach § 94 StPO.47)

Die Beschlagnahme im Zusammenhangmit verfahrensunabhängigen und/oder

Page 117: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

verfahrensintegrierten(steuerstrafrechtlichen)Finanzermittlungen wird hier nichtweiter vertieft.

Beschlagnahme vonBeweismitteln

Page 118: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD
Page 119: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Abb. 5: Amtliche Inverwahrungnahmevon Beweismitteln

Alternative Beschlagnahme vonBeweismitteln

Abb. 6: Übersicht zur alternativenBeschlagnahme von Beweismitteln

4.2.2 Beschlagnahme von

Page 120: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Einziehungsgegenständen

Weiterhin können Gegenstände durchBeschlagnahme nach §§ 111b, 111cStPO sichergestellt werden, wennGründe für die Annahme vorhanden sind,dass die Voraussetzungen für ihrenVerfall oder ihre Einziehung vorliegen.Hintergrund ist die rechtliche Wirkungeiner Beschlagnahme: nur so ergebensich ein Veräußerungsverbot i.S.d. § 136BGB sowie ein Verbot auch alleranderen Verfügungen über denGegenstand (§ 111c V StPO). DerTatverdächtige kann den Zugriff desStaates auf die Sache also z.B. durchSchenkung des Gegenstandes an seinen

Page 121: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Verteidiger oder anderweitigeÜbertragungen des Eigentums an einenDritten nicht mehr abwehren.

Dringende Gründe für die Annahme derEinziehung ergeben sich aus § 74 StGB.

Danach unterliegen Gegenstände, die auseiner vorsätzlich begangenen Straftatunmittelbar hervorgebracht wurden oderzu ihrer Begehung oder Vorbereitungbestimmt oder gebraucht gewesen sind,z.B. gefälschte Urkunden undGeldscheine sowie Werkzeuge, derEinziehung (§ 74 I StGB).

Der Täter muss grundsätzlich Eigentum

Page 122: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

an dem Gegenstand haben, es sei denn,es handelt sich um einen generellgefährlichen Gegenstand (also nachseiner Art und den Umständen dieAllgemeinheit gefährdend, wieSprengstoffe oder radioaktive Stoffe)oder um einen individuell gefährlichenGegenstand (also Gegenstände, die nachihrer Beschaffenheit und derBestimmung nach den Umständen zurBegehung weiterer rechtswidriger Tatendienen werden) (§ 74 II StGB).

Gegenstände, die nicht hinweggedachtwerden können, ohne dass derTatvorwurf entfiele, also dernotwendige Gegenstand der Tat selbst

Page 123: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

(Beziehungsgegenstände bzw.tatnotwendige Mittel, z.B. geschmuggelteWaren oder unbefugt besessene Waffen),werden nicht von § 74 I StGB erfasst.48)

Da der eigentliche strafrechtlicheTatvorwurf also nur aus dem Gebrauchoder der Fertigung des Gegenstandesselbst besteht (z.B. §§ 42, 52 III WaffG:Führen einer Waffe bei eineröffentlichen Veranstaltung oder § 267 IStGB: Herstellung eines gefälschtenFührerscheines), sind die dringendenGründe für die Voraussetzungen einerEinziehung nur im Falle einerbesonderen Vorschrift gegeben, die dieEinziehung trotz des Ausschlusses

Page 124: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

zulässt (§ 74 IV StGB). In denBeispielfällen hat der Gesetzgeber dieseVoraussetzungen geschaffen (vgl. §§ 54WaffG bzw. 282 II StGB).

Im Beispielsachverhalt führt(„Führen“: Anlage 1, Abschnitt 2 Nr. 4WaffG) die im Rahmen der Fahndungangetroffene Person eine Schusswaffe,ohne im Besitz des erforderlichenWaffenscheines zu sein. DieSchusswaffe ist für den Tatvorwurfnach §§ 2 II i.V.m. Anlage 2, Abschnitt2, Unterabschnitt 1, 10 IV, 12 IIIWaffG i.V.m. 52 III Nr. 2a WaffG) eintatnotwendiges Mittel. Die Pistole kannnicht hinweggedacht werden, ohne dass

Page 125: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

der Tatvorwurf entfiele. Somit liegt einAnwendungsfall der Einziehung nach §54 WaffG vor.

Die Einziehung kann strafähnlichen (§§74 II Nr. 1 und 74a StGB) oderSicherungscharakter haben (§ 74 II Nr. 2StGB).

Das Strafgericht entscheidet im Urteilfakultativ über die Einziehung. Mit derRechtskraft der Entscheidung geht dasEigentum an der Sache an den Staat über(§ 74e I StGB).

4.2.3 Beschlagnahme vonVerfallsgegenständen

Page 126: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Das mit dem 2. StRG erstmaligeingeführte Institut des Verfalls (§§ 73-73d StGB) wurde verfahrensrechtlichdurch Art. 21 Nr. 29 EGStGB vom02.03.197449) mit den §§ 111b – 111lStPO eigens ergänzt.

Ziel der Regelung ist die Beseitigungeines Vorteils, dessen Verbleib denTäter zu weiteren Taten verlockenkönnte. Der Verfall ist keineStrafsanktion, sondern eine Maßnahmeeigener Art (§ 11 I Nr. 8 StGB).50)

Wie bei der Einziehung auch (s.Nr.4.2.2) geht das Eigentum an der Sacheoder das verfallene Recht mit der

Page 127: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Rechtskraft der Entscheidung auf denStaat über (§ 73e StGB).

Ist eine rechtswidrige Tat (§§ 11 I Nr. 5,73 StGB) begangen worden und hat derTäter für diese oder aus ihr etwaserlangt, so ordnet das Gericht dessenVerfall an. Liegen Gründe für dieAnnahme vor, dass dieseVoraussetzungen vorliegen, ist dieBeschlagnahme nach §§ 111b, 111eStPO zulässig.

Grundsätzlich unterliegen Gegenständeaus dem Eigentum der Tatopfer nichtdem Verfall (§ 73 I S. 2 StGB). Damitist eine Konkurrenz zwischen

Page 128: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

staatlichem Rückerstattungs- undzivilrechtlichem Schadensersatzanspruchausgeschlossen. Gleichwohl wird indiesem Fall im Interesse derRückgewinnungshilfe der Gegenstandwie ein Verfallsgegenstand zur Wahrungder Ersatz- und Ausgleichsansprüche desOpfers aus der Tat behandelt (§ 111b VStPO).

4.2.4 Beschlagnahme vonFührerscheinen

Rechtswidrige Taten im Bereichaußerhalb der typischenVerkehrsstraftaten können Indizien fürdie Annahme der Nichteignung des

Page 129: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Inhabers einer Fahrerlaubnis liefern.Dann kann eine Beschlagnahme vonFührerscheinen in Betracht kommen. Ausder Anlasstat können Rückschlüsse aufdie Bereitschaft des Täters gezogenwerden, die Sicherheit desStraßenverkehrs seinen kriminellenInteressen unterzuordnen. Eineumfassendere Prüfung der Eignung zumFühren eines Kraftfahrzeuges erfasstsomit auch die allgemein kriminelleAnlasstat, bei der die Klärung desunbestimmten Begriffs rechtswidrigeTat, die „im Zusammenhang mit demFühren eines Kraftfahrzeuges (§ 69 I S. 1StGB)“ 51) zu berücksichtigen ist. 52)

Page 130: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Sofern sich also der Tatverdächtige zumBeispiel auf der Flucht von einem Tatortmit dem Kraftfahrzeug imStraßenverkehr regelkonform verhält,kann eine Ungeeignetheit zum Führeneines Kraftfahrzeuges nicht angenommenwerden und die Beschlagnahme desFührerscheines (zu denTatbestandsvoraussetzungen,Anordnungskompetenzen undFormvorschriften vgl. Schaubild 6)scheidet aus.

Sicherstellung/Beschlagnahmevon Führerscheinen

Page 131: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD
Page 132: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Abb. 7: Schaubild zurSicherstellung/Beschlagnahme vonFührerscheinen

4.2.5 Präventiv-polizeilicheSicherstellung

Mit der Begründung eines öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnisses ander Sache soll eine Gefahr abgewehrtwerden, die von der Sache ausgeht oderihr droht.53) Dieser Umstand ist in denFällen gegeben, in denen die Sache voneiner Person mitgeführt wird, die nachdiesem Gesetz oder anderenRechtsvorschriften festgehalten wird,und die Sache verwendet werden kann,

Page 133: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

um sich zu töten oder zu verletzen, Lebenund Gesundheit anderer zu schädigen,fremde Sachen zu beschädigen oder dieFlucht zu ermöglichen oder zuerleichtern.54)

4.3 Beschlagnahme beiGemengelagenGefahrenabwehr/Strafverfolgung

Die Doppelfunktionalität polizeilichenHandelns (s. Nr., 3.3) erfordert ausGründen der Rechtssicherheit eineeindeutige Entscheidung für dieDominanz der Gefahrenabwehr

Page 134: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

(Verwaltungsrechtsweg) oder derStrafverfolgung (Rechtsweg derordentlichen Gerichte). Die imEinzelfall dominante Zielrichtung derMaßnahme richtet sich nach derGesamtbetrachtung einesLebenssachverhaltes unter Würdigungaller Umstände.55) Bei Betreffen einesTatverdächtigen auf frischer Tat dientdie amtliche Inverwahrungnahmemitgeführter Waffen und Tatwerkzeugezunächst der Eigensicherung und damitder Abwehr von Gefahren für dieGesundheit und ggf. das Leben dereingesetzten Polizeikräfte.56)

Page 135: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

4.4 BeweissichereDurchführung vonBeschlagnahmen

In einem Ermittlungsverfahren wird einehohe Zahl der beschlagnahmtenGegenstände Beweisqualität entfalten.Zunächst ist also stets zu prüfen, ob zubeschlagnahmende Gegenstände alsBeweismittel in den Verfahren vonBedeutung sind, welchen Stellenwert siefür die weitere Beweisführung imVerfahren entfalten können und waskonkret bewiesen werden soll. Andiesen Überlegungen ist das weiterekriminaltaktische Vorgehen auszurichten.

Page 136: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Zu Beginn eines Ermittlungsverfahrensist vielfach noch nicht klar, welcheBeweisqualität von beschlagnahmtenBeweismitteln oder Spurenträgernausgeht und in welchem Umfang zueinem späteren Zeitpunkt Auswertungenerforderlich werden. Es gilt daher derGrundsatz, dass insbesondere am Anfangeines Ermittlungsverfahrens alleMaßnahmen unter dem Vorbehalterfolgen sollen, zunächst keineauswertbaren Spuren zu vernichten.

Um diesem Umstand Rechnung zu tragen,sind aufgefundene Beweismittel zunächstin der Auffindungssituation zufotografieren. Die Schließ-, Zugriffs-,

Page 137: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

und Eigentumsverhältnisse sind imRahmen einer Vernehmung (Befragungnach entsprechender Belehrung 9.Vernehmung) zu klären. Anschließendsind Beweismittel als Spurenträger zuverpacken und verwechslungssicher zukennzeichnen.

Über die Durchführung derBeschlagnahme ist einBeschlagnahmeprotokoll57) zu fertigen.Ergänzend sind die durchgeführteBelehrung der befragten/vernommenenAuskunftsperson und die erlangtenErkenntnisse aus der Vernehmung ineinem Vermerk schriftlich

Page 138: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

niederzulegen.

4.5 Anordnung derBeschlagnahme /Formvorschriften

Der einfachgesetzliche Richtervorbehaltfür die Anordnung der Beschlagnahme (§98 I StPO, im Falle der Beschlagnahmebeweglicher Sachen zur Einziehung – s.Nr. 4.2.2 – oder zum Verfall – s. Nr.4.2.3 –, § 111e I StPO) zielt auf einevorbeugende Kontrolle der Maßnahmein ihren konkreten Voraussetzungendurch eine unabhängige und neutraleInstanz.58) Nur bei der Gefährdung der

Page 139: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Begründung eines öffentlich-rechtlichenVerwahrungsverhältnisses an der Sachedurch die mit der Einholung einerrichterlichen Entscheidungeinhergehenden Verzögerung bestehteine Anordnungskompetenz derStaatsanwaltschaft und – nachrangig –ihrer Ermittlungspersonen. DieStrafverfolgungsbehörden müssen daherregelmäßig versuchen, eine Anordnungdes zuständigen Richters zu erlangen.Nach landesinternenVerwaltungsvorschriften ist dieErreichbarkeit eines zuständigenRichters bei allen Amtsgerichten fürunaufschiebbare Amtshandlungen an

Page 140: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

allen Tagen von 6 bis 21 Uhrsicherzustellen.59)

Die Gefährdung des angestrebten Erfolgsder Maßnahme muss durch denanordnenden Beamten mit Tatsachenbegründet werden, die auf den Einzelfallbezogen und in den Ermittlungsakten zudokumentieren sind.60)

Durchsuchung und Beschlagnahme sindgetrennte Entscheidungsgegenstände.Eine endgültige Beschlagnahme musssich auf konkrete Einzelgegenständebeziehen, deren Beweiseignung undBeschlagnahmefähigkeitgegenstandsbezogen geprüft wird.61)

Page 141: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Beschlagnahmte Gegenstände sind genauzu kennzeichnen und in einemVerzeichnis aufzunehmen (§ 109 StPO).Auf Verlangen ist einem von einerDurchsuchung Betroffenen nach derenBeendigung auf Verlangen einVerzeichnis der in Verwahrung oder inBeschlag genommenen Gegenstände zuübergeben (§ 107 StPO).

Die beiden Formvorschriften gelten auchim Falle der Beschlagnahme vonVerfalls- und Einziehungsgegenständen(§ 111b IV StPO).

Eine bewegliche Sache, die nach § 94StPO beschlagnahmt oder sonst

Page 142: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

sichergestellt worden ist, soll demVerletzten, dem sie durch die Straftatentzogen worden ist, wiederherausgegeben werden, sofern sie für dieZwecke des Strafverfahrens nicht mehrbenötigt wird (§ 111k StPO).

Die Justizbehörden sind jedoch nicht injedem Fall verpflichtet, die Sache demBerechtigten zu bringen. Der Grundsatzder Verhältnismäßigkeit staatlichenHandelns gebietet gegenüberVerfahrensunbeteiligten grundsätzlicheine Bringschuld, gegenüber demBeschuldigten eine Holschuld.62)

Page 143: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD
Page 144: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Abb. 8: Übersicht zur Beschlagnahmevon Beweismitteln, Einziehungs- undVerfallsgegenständen

33) Meyer-Goßner, S. 329, vor § 94, Rz. 3.34) Ebda., S. 474, § 111b, Rz. 11.35) Tegtmeyer/Vahle, S. 338, § 43, Rz. 1.36) BGH, Az. III ZR 126/88; in: NJW 1990,

S. 1230 f. (S. 1231).37) BGH, Az. 4 StR 301/62; in: NJW 1962,

S. 2361.38) Meyer-Goßner, S. 331, § 94, Rz. 5.39) BVerfG, Az. 2 BvR 1027/02, Beschluss

vom 12.04.2005; in:http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20050412_2bvr102702.html(Zugriff am 05.05.2014).

Page 145: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

40) Achenbach, S. 1072.41) BVerfG, Az. 2 BvR 308/04; in: NJW

2005, S. 1639, 1640.42) BVerfG, Az. 2 BvR 2099/04; in: NVwZ

2006, S. 679. Weitere Hinweise zumUmgang mit digitalen Beweismitteln gibtdas BKA:http://www.extrapol.de/Anlage27662/BKA%20KI26%Best%Practice%Guide%20-%20Sicherstellung%20von%20digitalen%Beweismitteln.pdf(VS-NfD).

43) Meyer-Goßner, S. 349, 352, § 97 StPO,Rz. 18, 38.

44) BGH, Az. 1 BJs 6/71 StB 34/73; in: NJW1973, S. 2035.

45) Meyer-Goßner, S. 351, § 97, Rz. 30.46) Ebd., S. 354, 355, § 97, Rz. 45.47) BVerfG, Az. 2 BvR 1027/02, Beschluss

vom 12.04.2005, vertiefend dazu:Krause, „Sicherung von ausländischen E-

Page 146: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Mail-Postfächern durch heimlichesEinloggen- innovativ oder unzulässig?“;in: Kriminalistik, 2014, S. 213- 217.

48) Fischer, S. 728, § 74, Rz. 10.49) BGBl. I 1974, S. 469.50) BVerfG, Az. 2 BvR 564/95; in: NJW

2004, S. 2073 ff. [2074].51) BGH, Az. GSSt 2/04; in: NJW 2005, S.

1957 ff. [1960].52) Hentschel, S. 482.53) Tegtmeyer/Vahle, S. 338, § 43, Rz. 2.54) Tetsch/ Baldarelli, S. 798.55) BVerwG, Az. I C 11/73; in: NJW 1975, S.

893 ff. [895].56) Die Rechtsgrundlage ergibt sich aus den

Polizeigesetzen, in NRW § 43 PolGNRW.

57) Für NRW Vordruck NW 10.

Page 147: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

58) BVerfG, Az. 2 BvR 1992/92; in: NJW1997, S. 2165 ff. [2166].

59) Justizministerium NRW 2043 – I.3 –,Erlass vom 15.05.2007 .JMBl. NRW2007, S. 165.

60) BVerfG, Az. 2 BvR 308/04; in: NJW2005, S. 1637 ff. [1638, 1639].

61) BVerfG, Az. 2 BvR 358/03; in: NJW2003, S. 2669 ff. [2670].

62) Kemper, S. 3682.

Page 148: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

5 Durchsuchung5.1 Begriff und Ziele

der DurchsuchungDer Begriff „Durchsuchung“ ist mit derFrage der zu durchsuchenden Objekteund den angestrebten Ziele dieserMaßnahme verknüpft, insbesondere inden Abgrenzungen zum „Betreten“ undzur „Untersuchung“.

Die Durchsuchung einer Person istzunächst die zielgerichtete Suche nacheinem Gegenstand oder einer Spur inoder unter der Bekleidung des

Page 149: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Betroffenen oder an seinem Körper.Diese Nachschau erfolgt grundsätzlich inden Mantel-, Jacken- undHosentaschen.63) Die Maßnahmeschließt auch die Suche nach Spuren aufder Körperoberfläche und in natürlichenKörperöffnungen ein, sofern sie ohneEingriff mit medizinischen Mittelneinzusehen ist, z.B. in der Mundhöhle.64)

Die Nachschau in intimerenKörperstellen wie Vagina und After sindunter dem Aspekt derVerhältnismäßigkeit nach der Art undWeise der Durchführung bedeutsam.Diese Beurteilung ist insbesondere bei

Page 150: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

der Durchsuchung zur Eigensicherung(§§ 39 I Nr. 1, II PolG NRW) imHinblick auf z.B. versteckt mitgeführteRasierklingen problematisch.

Die Durchsuchung ist begrifflich von derUntersuchung zu unterscheiden. DieUntersuchung einer Person dient derFeststellung der Beschaffenheit desKörpers oder einzelner Körperteile, derFeststellung von Fremdkörpern in dennatürlichen Körperöffnungen oder despsychischen Zustands des Beschuldigten.Die Suche nach Gegenständen im Innerndes Körpers einschließlich der nichtohne weiteres zugänglichenKörperöffnungen stellt eine körperliche

Page 151: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Untersuchung dar (vgl. die §§ 81a und81c StPO).65)

Wohnungen gewährleisten demEinzelnen zunächst einen elementarenLebensraum, in dem er das Recht hat, inRuhe gelassen zu werden.66) DieserSchutz gilt auch für geschäftlich genutzteRäume, die nicht allgemein zugänglichsind.67) Wohnungen und Räume (§ 102StPO) sind Räumlichkeiten, die derVerdächtige innehat, gleichgültig, ob ersie befugt oder unbefugt nutzt oderAllein- oder Mitinhaber ist oder ihm dasHausrecht zusteht.68)

In dem Beispielsachverhalt wird eine

Page 152: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Person im Rahmen derTatortbereichsfahndung angetroffenund überprüft. DiePersonenbeschreibung des Seemannstimmt mit der Täterbeschreibungüberein, zudem wird die Person unterverdachtserregenden Umständenangetroffen. Während der Überprüfungmacht die Person unzutreffendeAngaben. Die Datenabfrage führt zurFeststellung der personengebundenenHinweise „gewalttätig“ und„bewaffnet“. Da Herr Seemannfestgehalten werden darf, dient dieDurchsuchung der Person in derGemengelage vorrangig der

Page 153: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Gefahrenabwehr (§ 39 I Nr. 1 PolGNRW). Weiterhin werden die Personund der Pkw hier zur Auffindung vonBeweismitteln (u.a. Tatbeute, Tatwaffe)nach § 102 StPO durchsucht.

Die Durchsuchung einer Wohnung istsowohl im Strafprozess- (§§ 102, 103StPO) als auch im Polizeirecht (§ 41PolG NRW) vorgesehen.

Begriffsmerkmal der Durchsuchung istim Gegensatz zum bloßen Betreten einerWohnung „das ziel- und zweckgerichteteSuchen staatlicher Organe in einerWohnung, um dort planmäßig etwasaufzuspüren, was der Inhaber der

Page 154: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Wohnung von sich aus nicht offenlegenoder herausgegeben will, etwas nichtklar zutage Liegendes, vielleichtVerborgenes aufzudecken oder einGeheimnis zu lüften; mithin dasAusforschen eines für die freieEntfaltung der Persönlichkeitwesentlichen Lebensbereichs, das unterUmständen bis in die Intimsphäre desBetroffenen dringen kann.“69)

Das bloße Verweilen desPolizeibeamten in der Wohnung,verbunden mit der Inaugenscheinnahmeoffen liegender Gegenstände, stellt somitnoch keine Durchsuchung dar.

Page 155: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

In jedem Fall ergeben sich die Fragennach• dem Durchsuchungszweck• den Objekten der Durchsuchung bzw.

Zielen• den Tatbestandsvoraussetzungen und

• den (Anordnungs-)Kompetenzen.70)

5.2 Durchsuchungbeim Verdächtigen

5.2.1 Ergreifungsdurchsuchung

Der Zweck der Ergreifung (§ 102 StPO)zur Durchführung einer gesetzlichzugelassenen- ggf. auch zwangsweise

Page 156: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

durchzusetzenden Maßnahme umfasstneben den eigentlichen (vorläufigen)Festnahmen nach §§ 127 II i.V.m. 112,112a, 113 StPO auch• die körperliche Untersuchung (§ 81a

StPO)• die erkennungsdienstliche Behandlung

(§ 81b 1. Alternative StPO)• die Vollstreckung eines Haftbefehls (§

457 II StPO) sowie• das Festhalten zum Zwecke einer

Identitätsfeststellung (§ 163b I S. 3, IIS. 2 StPO)71)

Der „Verdächtige“ als Adressat derDurchsuchung (§ 102 StPO) ist hier auch

Page 157: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

der Angeklagte, diese Durchsuchung istdaher auch noch während derHauptverhandlung und desRechtsmittelverfahrens bis zu seinemrechtskräftigen Abschluss zulässig (§157 StPO).72)

Anders als bei der vorläufigenFestnahme eines Beschuldigten (§§ 127II i.V.m. 112 I StPO fordern den„dringenden Tatverdacht“) genügt hierder bloße Verdacht der Begehung einerStraftat. Zur Abwendung der Gefahreiner zu weiten Auslegung derErfolgsvermutung oder gar desMissbrauchs verlangt die

Page 158: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Rechtsprechung die Belegung mittatsächlichen Anhaltspunkten. Derjeweilige Eingriff in die grundrechtlichgeschützte Lebenssphäre des Betroffenenaus Art. 13 GG muss einem bestehendenTatverdacht angemessen begegnen. Esmüssen demnach zureichende undplausible Gründe für die Annahme vonVerdachtsmomenten gegeben sein, umstaatliches Willkürhandelnauszuschließen.73) Allerdings bietet diekriminalistische Erfahrung einehinreichend konkrete Tatsache.74)

5.2.2 Ermittlungsdurchsuchung75)

Die „Beweismittel“ (§ 102 StPO) sind

Page 159: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

neben den Gegenständen nach § 94 StPO(s.o., Nr. 4.2.1) auch Spuren undPersonen, die zu Beweiszwecken inAugenschein genommen werden sollen,jedoch nicht bloße Zeugen.76)

Beweismittel sind auch Mobiltelefoneund andere Datenträger ( Kap. 4.2.1).

Entgegen dem Wortlaut der Vorschriftdes § 102 StPO ist es nach § 111b IVStPO auch zugelassen, nach Verfalls-und Einziehungsgegenständen zu suchen.

In dem Beispielsachverhalt wird dieWohnung des Tatverdächtigen sowohlnach Beweismitteln als auch nachVerfallsgegenständen im Rahmen der

Page 160: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Rückgewinnungshilfe durchsucht.

Die Art und Weise der Durchsuchungmuss wegen des Grundrechts aufIntegrität der Wohnung (Art. 13 I GG)auf das erforderliche Maß begrenztwerden. In einem Fall wurde im Rahmender Durchsuchung der Wohnung eines aneiner Messerstecherei Tatbeteiligtennach der Tatwaffe gesucht. Dabei wurdeauch ein Drogenspürhund eingesetzt. DasBundesverfassungsgericht erkannte ineinem Beschluss vom 28.09.2006 keinensachlichen Grund, zur Suche nach einerTatwaffe nach einer Messerstechereieinen Drogenspürhund einzusetzen.77)

Page 161: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Durchsuchung beim Verdächtigen(§102 StPO)

Page 162: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD
Page 163: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Abb. 9: Übersicht zur Durchsuchungbeim Verdächtigen

5.3 DurchsuchungbeimUnverdächtigen

Zweck der Durchsuchung kann dieErgreifung des Beschuldigten oder dieAuffindung von Gegenständen(Beweismitteln, Verfalls- oderEinziehungsgegenständen) sein,Tatsachen müssen die Annahme derErgreifung bzw. der Auffindung derGegenstände belegen.

Page 164: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Folgerichtig unzulässig ist eine reineErmittlungsdurchsuchung, in derBeweismittel vorher noch nicht konkretbezeichnet werden können. Die Identitätdes Beschuldigten muss allerdings nochnicht feststehen, wenn Maßnahmenergriffen worden sind, die ihn zumBeschuldigten machen, z. B. bereitsdurch die Anordnung der Durchsuchungvon Räumen nach § 103 StPO zu seinerErgreifung selbst.78)

Diese Tatbestandsvoraussetzung giltnicht für die Räume, in denen derBeschuldigte ergriffen worden ist oderdie er bei der Verfolgung betreten hat (§

Page 165: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

103 II StPO). Diese Räume sind wieRäume des Verdächtigen zu beurteilenund können unter den erleichtertenTatbestandsvoraussetzungen des § 102StPO durchsucht werden. Während inFällen des § 102 StPO noch diekriminalistische Erfahrung alsausreichend für die Erfolgsvermutunggilt, muss in Fällen des § 103 StPO dieAnnahme gerechtfertigt sein, dass dieDurchsuchung tatsächlich zur Auffindungdes bestimmten Beweismittels führenwird.79)

Ein Zeugnisverweigerungsrecht desAngehörigen, bei dem nach § 103 StPO

Page 166: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

durchsucht werden soll, steht derAnordnung und Durchführung derMaßnahme nicht entgegen, beiBerufsgeheimnisträgern ist § 160a StPOzu beachten.80)

An Kontrollstellen ist eineverdachtsunabhängige Durchsuchungneben der Identitätsfeststellung beijedermann (Personen und mitgeführteSachen) möglich, sofern bestimmteTatsachen den Tatverdacht nachfolgenden Straftaten begründen (§ 111StPO):Gründung einer terroristischenVereinigung (§ 129a StGB) und

Page 167: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Beteiligung daran, Mord (§ 211 StGB),Totschlag (§ 212 StGB), Völkermord (§6 Völkerstrafgesetzbuch), Verbrechengegen die Menschlichkeit (§ 7Völkerstrafgesetzbuch), erpresserischerMenschenraub oder Geiselnahme (§§239a und 239b StGB), Zerstörungwichtiger Arbeitsmittel (§ 305a StGB),Brandstiftung (§ 306 StGB),Herbeiführung einer Kernenergie- oderSprengstoffexplosion (§§ 307, 308StGB), Missbrauch ionisierenderStrahlen (§ 309 StGB), Herbeiführungeiner Überschwemmung oder einergemeingefährlichen Vergiftung (§§ 313,314 StGB), gefährliche Eingriffe in den

Page 168: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr (§ 315StGB), Störung öffentlicher Betriebe (§316b StGB), Angriffe auf den Luft- undSeeverkehr (§ 316c StGB) oderschwerer Raub (§ 250 I Nr. 1 StGB).

Die Anordnung zur Einrichtung einerKontrollstelle trifft der Richter, beiGefahr im Verzug auch dieStaatsanwaltschaft und ihreErmittlungspersonen (§ 111 III StPO).

Durchsuchung bei anderenPersonen (§103 StPO)

Page 169: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD
Page 170: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Abb. 10: Durchsuchungen bei anderenPersonen

Gebäudedurchsuchungen (§ 103 IS.2 StPO)

Page 171: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Abb. 11: Gebäudedurchsungen

5.4 Durchsuchung beiGemengelagenGefahrenabwehr/Strafverfolgung

Die Doppelfunktionalität polizeilichenHandelns (s. Nr. 3.3) ist beiDurchsuchungen häufig durch dieverschiedenen Ziele gegeben: einerseitsstrafprozessual durch einen begründetenTatverdacht (§ 152 II StPO), z.B. derAuffindung von Beweismitteln, undandererseits durch die Abwehr vonGefahren für Leib und Leben derDurchsuchungskräfte und der

Page 172: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Funktionsfähigkeit des Staates und seinerEinrichtungen, hier der Polizei(Eigensicherung).

Die Durchsuchung einer Person zurEigensicherung dient:• bereits für jede Freiheitsentziehung

(Art. 2 II S. 2, 104 II GG) nachPolizei- und anderenRechtsvorschriften – somit auchstrafprozessual – an sich dem Schutzder festgehaltenen Personen (vorSuizid, Selbstverletzung) aber auchdem Schutz der eingesetztenPolizeibeamtinnen und -beamten81) (inNRW § 39 I Nr. 1 PolG NRW)

Page 173: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

• außerhalb der freiheitsentziehendenMaßnahmen (z.B. Identitätsfeststellungdurch Befragen) nur unter den beidenVoraussetzungen

• wenn es nach den Umständen zumSchutz des Polizeivollzugsbeamtenoder eines Dritten gegen eine Gefahrfür Leib oder Leben erforderlich istund

• nur zur Auffindung von Waffen,anderen gefährlichen Werkzeugen oderExplosionsmitteln (in NRW § 39 IIPolG NRW)

„Aus den Umständen vor Ort muss sicheine Gefahrenprognose ergeben, sodass

Page 174: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

keineswegs vor jederIdentitätsfeststellung eine Durchsuchunggemäß § 39 II PolG NRW zulässig ist.Entscheidend ist die Situation vorOrt.“82)

Die Umstände des Einzelfallesbestimmen damit jeweils diedominierende Zielrichtung derMaßnahme (Gefahrenabwehr/Eigensicherung oder Strafverfolgung).

Herr Seemann wurde unmittelbar nachseinem Antreffen im Rahmen derFahndung durchsucht. DieseDurchsuchung diente zunächstvorrangig der Eigensicherung.

Page 175: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Durchsuchungen an Kontrollstellen sindsowohl zur Gefahrenabwehr83) als auchzur Strafverfolgung (§ 111 I S. 2 StPO)zulässig. Im Falle einerDominanzentscheidung proStrafverfolgung ist bereits der Aufenthaltan einer Kontrollstelle dieTatbestandsvoraussetzung zurDurchsuchung der Person, dieStrafprozessordnung geht hier über dieBefugnisse nach dem Polizeirechthinaus.

Durchsuchungen vonVersammlungsteilnehmern sind fernerunter dem Aspekt eines Eingriffs in das

Page 176: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Grundrecht auf Versammlungsfreiheitaus Art. 8 I GG zu beurteilen.

5.5 EinsatztaktischerAblauf vonDurchsuchungen

Dynamik und Komplexität vonEinsatzverläufen sind prägend für diepolizeiliche Aufgabenwahrnehmung imtäglichen Dienst. Eine wesentlicheVoraussetzung für das angestrebte Zieldes jeweiligen Einsatzes ist dieprofessionelle Abfolge von• Vorbereitung• Aktion

Page 177: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

• Nachbereitung

im Einsatzmodell.84)

In der Einsatzlehre wird dieDurchsuchung als eine „planmäßige,lückenlose Suche nach Personen, Tieren,Sachen, Daten oder Spuren“verstanden.85) Art und Umfang derMaßnahme in der Einsatzlehreentsprechen damit der Rechtsprechung(s.o., Nr. 5.1).

5.5.1 Vorbereitungsphase

Die Vorbereitung der Maßnahme bestehtinsbesondere aus den Komponenten

Page 178: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

– Informationserhebung und -steuerung– Risikobeurteilung– Gefahrenbeurteilung– mentale Vorbereitung– Arbeitsteilung durch Absprache oder

Führungsentscheidung– technische/organisatorische

Maßnahmen86)

In der Beurteilung der Lage sindstrukturiert die• vorhandenen Informationen zu erfassen

und zu benennen,• Informationen zu bewerten und im

dritten Schritt,

Page 179: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

• daraus die nötigen Schlussfolgerungenfür den Einsatz zu ziehen.

Häufig zu beklagendeInformationsdefizite sind insbesonderezur Vorbereitung vonWohnungsdurchsuchungen durchAufklärungsmaßnahmen zu beseitigen.Im Wege der Büroaufklärung könnendurch vielfältige Verbindungsaufnahmenim Einzelfall erforderlicheInformationen erlangt werden:– Einwohnermeldeamt: Gemeldete

Personen und deren Alter, Geschlecht,Beruf

– Ordnungsamt: Steuerrechtlich erfasste

Page 180: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Haustiere, z.B. Hunde– Amtsgericht: Erwirken richterlicher

Durchsuchungsbeschlüsse (vgl.5.7)/Grundbuchamt: Skizze derWohnung, Raumaufteilung

– Objektverantwortliche/Hausverwaltung:Lebensgewohnheiten,Solidarisierungstendenzen mit anderenBewohnerinnen und Bewohnern,Schlüsselübergaben, Zugangs-/Fluchtmöglichkeiten

Bei der Zusammensetzung derDurchsuchungskräfte sollen auch• Geschlecht

Page 181: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

• Sprache• ethnische Herkunft• Alter sowie• zu erwartendes Verhalten der von der

Durchsuchung betroffenen Personenberücksichtigt werden.87)

Der Überraschungseffekt ist anzustreben,dazu ist das verdeckte Heranführen derEinsatzkräfte nach den Umständen zuerwägen.

Für folgende Abläufe sind Regelungenzu treffen:• Freimachen und -halten von Räumen• Zusammenwirken der

Page 182: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Durchsuchungskräfte mit anderen amEinsatz beteiligten Kräften,Durchsuchungsbefehl erstellen

• Verhalten beim Antreffen vonPersonen, Tieren bzw. Gegenständenund Spuren

• Verbringen und den Verbleib vonPersonen, Tieren bzw. Gegenständen

5.5.2 Aktionsphase

Die Aktionsphase besteht inAbhängigkeit von den jeweiligenUmständen der Lage aus denKomponenten– Annäherung an den Einsatzort

Page 183: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

– Einsatzkommunikation– Eingriffstechnik– Hilfsmittel der körperlichen Gewalt

und Waffen– Defensive taktische

Handlungsalternativen bis hin zumtemporären Rückzug88)

Die äußere und die innere (Haus-)Absperrung sind vor dem Beginn derDurchsuchung und ggf. schlagartig zuerrichten.

Flucht- bzw. Versteckmöglichkeiten wieTüren, Fenster, Keller, Dachböden,Treppen, Aufzüge sind grundsätzlich

Page 184: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

abzusperren bzw. zu überwachen.Mobile Objekte sind statisch zu haltenbzw. bewegungsunfähig zu machen. EinÜberwechseln zwischen verschiedenenObjekten, Verstecken oder gar dasFliehen sind zu verhindern.

Gleichzeitig soll die Vernichtung oderBeseitigung von Beweismittelnverhindert oder zumindest dieMöglichkeit dazu eingeschränkt sein.89)

Eine Durchsuchung soll möglichst vonmehreren Kräften durchgeführt werden.Die Einsatzkräfte sind dabei in Ziel undDurchführung der Durchsuchungeinzuweisen.90) Je nach Einzelfall sind

Page 185: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Fachdienste und Objektverantwortlichezu beteiligen. Besondere Gefahren gehenim Regelfall von Tieren, insbesondere(Kampf-)Hunden, und unbekannten,häufig gesundheitsschädlichenMaterialien aus.

Die zwangsweise Durchsetzung derDurchsuchung erfolgt durch unmittelbarekörperliche Einwirkung auf denAdressaten. Andere Maßnahmen wiePlatzverweise und Zutrittsverbote sindzulässig, soweit sie zur Erreichung desDurchsuchungszweckes konkreterforderlich sind.91) Konkrete Störungender Amtshandlung rechtfertigen die

Page 186: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Festnahme des Störenden undMindermaßnahmen im Rahmen des §164 StPO.

Eine vorläufige Festnahme desBetroffenen am Vorabend des Einsatzeszur bloßen Erleichterung derDurchsuchung seiner Wohnung istrechtswidrig.92)

Je nach erwartetem Widerstand undBewaffnung sind Kräfte vonSpezialeinheiten einzusetzen.

Die Durchsuchung muss lückenlos seinund daher systematisch erfolgen.Folgende Grundsätze93) haben sich

Page 187: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

bewährt:– Gliederung von Objekten in

überschaubare Einheiten– Ausrichten im Uhrzeigersinn– Häuser von oben nach unten,

Kellergeschosse und Wasserfahrzeugevon unten zum Erdgeschoss bzw. nachoben

– Geländeabschnitte von der breiten zurschmaleren Seite hin, in Richtung vonWohnbebauung nur, wenn nicht mitWaffengebrauch zu rechnen ist

– Ausreichende Sichtverhältnisseschaffen, ggf. die Sonneneinstrahlungim Rücken garantieren

Page 188: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

– Absperrungen zur Verhinderungunkontrollierter Personenbewegungen

– Einsatz von Diensthunden gegen dieWindrichtung

– Unwegsames Gelände durchPolizeihubschrauberstaffel (in NRWLZPD, Dez. 43) derPolizeifliegerstaffel, bzw. Gewässerdurch PP Duisburg, DirektionWasserschutzpolizei, absuchen lassen

Bei mehreren Objekten ist die zeitlicheAbstimmung zu gewährleisten.94)

Durchsuchte Bereiche sind lageabhängigzu kennzeichnen und entweder

Page 189: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

abzusperren oder zu überwachen.

Der vorgefundene Zustand von Räumen,Personen und Situationen sind ebensowie die Durchsuchungsmaßnahmenselbst zu dokumentieren. AufgefundeneBeweismittel sind, abhängig von ihremjeweiligen Beweiswert, alsSpurenträger zu behandeln. Bei derAuffindung von beweiserheblichenGegenständen ist stets derWohnungsinhaber nach den jeweiligenEigentumsverhältnissen zu befragen. Dasich dies grundsätzlich als Vernehmungqualifiziert, ist stets zu Beginn derDurchsuchung eine, dem jeweiligenverfahrensrechtlichen Status der Person

Page 190: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

entsprechende, Belehrung durchzuführen.

Die Dokumentation des Einsatzes ineinem Ablaufkalender soll insbesondereden allgemeinen Verlauf des Einsatzes,Besonderheiten während der Maßnahmeund den Zustand am Ende derDurchsuchung erfassen. Berichte,Videoaufnahmen und Fotografien sindgeeignete Medien, um einerseits einelückenlose Beweisführung durchAugenschein zu ermöglichen undandererseits etwaigenSchadensersatzforderungen zu begegnen.

Andererseits kann eine Dokumentationdes Polizeieinsatzes durch den von der

Page 191: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Hausdurchsuchung Betroffenen selbstauch durch das Kunsturhebergesetzgerechtfertigt sein, wenn es im Interneteingestellt wird und abrufbar ist: DiePolizeibeamten haben grundsätzlichkeinen Anspruch darauf, völlig anonymund unerkannt ihren Dienst zu leisten.Die Hausdurchsuchung kann nach denUmständen des Einzelfalls auch vonöffentlichem Interesse sein, dabei hatdas Recht am eigenen Bild derbetroffenen Polizeibeamtenzurückzutreten.95)

Notwendige taktische Maßnahmenrichten sich nach Lage und Größe und

Page 192: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

besonderen Eigenschaften des Objektesbzw. des Geländes. Weiterhin sind dasDurchsuchungsziel und die Anzahlerwarteter Personen und ihr Verhaltensowie die öffentliche Anteilnahme andem Einsatz zu bedenken:• Aufklärung/ Observation (ggf. mehrere

Tage vor dem Einsatz)• Verkehrsmaßnahmen• Absperrung• Festnahme und Durchsuchungen

weiterer Personen und Objekte• Gefangenentransportkommando• Beweissicherung

Page 193: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

• Dokumentation• Reserven

Bei der Übergabe an andereEinsatzkräfte ist der jeweilige Stand derDurchsuchungen mitzuteilen.

In allen Fällen ist besonders dieEigensicherung (Leitfaden 371)96) zuberücksichtigen. Dies gilt auch fürPolizeikräfte an der inneren und/oderäußeren Absperrung oder für eigenseingesetzte Sicherungskräfte (Sicherungnach vorn und hinten).

Für nachfolgende (Unterstützungs-)Kräfte sind Zugänge offen zu halten.

Page 194: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Neuralgisch sind bei Durchsuchungenvon Gebäuden die Aufzüge, dieregelmäßig nur benutzt werden sollten,wenn die Versorgungsanlagen mitPolizeikräften besetzt sind.

5.5.3 Nachbereitungsphase

Neben der Fertigung erforderlicher(Durchsuchungs-)Berichte97) undAnzeigen ist die Einsatznachbereitung imtäglichen Dienst unerlässlich.Eigensicherung heißt aus der Erfahrunglernen.98)

In diesem Zusammenhang sindstrukturierte Gespräche zwischen

Page 195: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Mitarbeitern und Führungskraft nach demEinsatz eine geeignete Methode, umeinen Einsatz differenzierter retrograd zubetrachten.

Ablauf einer (Wohnungs-)Gebäudedurchsuchung

Page 196: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD
Page 197: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Abb. 12: Chronologischer Ablauf einer(Wohnungs-)Gebäudedurchsuchung

5.6 BeweissichereDurchführung derDurchsuchung

Die Durchsuchung als Maßnahme istkein Selbstzweck derErmittlungsbehörden, sie dient derAuffindung von Personen oder Sachen,diese haben häufig auch Beweisqualität.Handelt es sich um eine geplanteDurchsuchung, ggf. mit dem Zielbestimmte Beweismittel zu erlangen, soist bei der Vorbereitung der Maßnahme

Page 198: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

bereits entsprechendes Material zurbeweissicheren Durchführung derMaßnahme (Kamera,Verpackungsmaterial etc.) zu beschaffenund zur Durchsuchung mitzuführen.

Im Übrigen wird auf die Ausführungenzur Beschlagnahme ( Kap. 4.4)verwiesen.

Verteidiger haben bei polizeilichangeordneten Durchsuchungengrundsätzlich kein Anwesenheitsrecht,jedoch gebietet sich aus taktischenGründen vielfach eine Gestattung ihrerAnwesenheit.

Page 199: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

5.7 Anordnung derDurchsuchung/Formvorschriften

Der verfassungsrechtlicheRichtervorbehalt für die Anordnung derDurchsuchung von Wohnungen (Art. 13II GG) soll auch die Interessen des –regelmäßig nicht vorher angehörten,unwissenden – Grundrechtsinhabersberücksichtigen. Das setzt eineeigenverantwortliche richterlichePrüfung der Eingriffsvoraussetzungenvoraus, die keine bloße Formsache ist.

Nur bei der Gefährdung desDurchsuchungszweckes durch die mitder Einholung einer richterlichen

Page 200: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Entscheidung einhergehendenVerzögerung besteht eineAnordnungskompetenz derStaatsanwaltschaft und – nachrangig –ihrer Ermittlungspersonen. DieStrafverfolgungsbehörden müssen daherregelmäßig versuchen, eine Anordnungdes zuständigen Richters zu erlangen. InNordrheinWestfalen ist nachlandesinternen Verwaltungsvorschriftendie Erreichbarkeit eines zuständigenRichters bei allen Amtsgerichten fürunaufschiebbare Amtshandlungen anallen Tagen von 6 bis 21 Uhrsicherzustellen.

Die Gefährdung des angestrebten Erfolgs

Page 201: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

der Maßnahme muss durch denanordnenden Beamten mit Tatsachenbegründet werden, die auf den Einzelfallbezogen und in den Ermittlungsakten zudokumentieren sind. Sie muss mitTatsachen begründet werden, die auf denEinzelfall bezogen sind. ReineSpekulationen, hypothetischeErwägungen oder lediglich aufkriminalistische Alltagserfahrungengestützte, fallunabhängige Vermutungenoder die bloße abstrakt-theoretischeMöglichkeit des Nichteintritts desbezweckten Durchsuchungserfolges sindnicht ausreichend.

Die verfassungsrechtlich gebotene

Page 202: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

gerichtliche Kontrolle der Annahme der„Gefahr im Verzug“ (§ 105 I StPO)gebietet eine umfassende Dokumentationder Entscheidungsgrundlagen. Um demZweck der Eilkompetenz gerecht zuwerden, ein schnelles undsituationsgerechtes Handeln zuermöglichen, muss es dem Gericht beiseiner nachträglichen richterlichenÜberprüfung der Maßnahme nach derAktenlage möglich sein, dieentscheidungserheblichen Faktennachzuvollziehen.

Prüfungsschritte gemäß § 105 I S. 1StPO:

Page 203: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

1. Vorherige Einholung einesrichterlichenDurchsuchungsbeschlusses gefährdet den Durchsuchungszweck:

1.1 Zeitspanne bis zum Erreichen deszuständigen Ermittlungsrichters gefährdet den Durchsuchungszweck,oder

1.2 Zeitspanne bis zur Aushändigungder Beschlussfertigung, hilfsweiseder telefonischenDurchsuchungsanordnunggefährdet den Durchsuchungszweck.

1.3 Auf konkrete Tatsachen gestützt

Page 204: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

werden müssen:– die Einschätzung der erwarteten

Zeitspanne;– die Einschätzung der

Wahrscheinlichkeit derGefährdung des Durchsuchungszwecks durch denangenommenen Zeitablauf;

– Kriminalistische Alltagserfahrungund fallunabhängige Vermutungkön nen allenfalls zusätzlichherangezogen werden.

2. Umfassende Dokumentation dero.a. Prüfungsschritte vor bzw. kurznach der Durchführung der

Page 205: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Maßnahme.

Der richterlicheDurchsuchungsbeschluss dient mitseinem Inhalt dazu, die Durchführung derMaßnahme durch dieVollziehungsbeamten messbar undkontrollierbar zu gestalten. Er mussneben einem Tatvorwurf auchgrundsätzlich die Art und denvorgestellten Inhalt der Beweismittel,nach denen gesucht werden soll, sogenau bezeichnen, wie es zumentscheidungserheblichen Zeitpunktmöglich ist.

Spätestens nach Ablauf eines halben

Page 206: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Jahres verliert einDurchsuchungsbeschluss seinerechtfertigende Kraft.

Besondere einschränkende Regelungenzur nächtlichen Haussuchung enthält §104 StPO. Danach dürfen die Wohnung,die Geschäftsräume und das befriedeteBesitztum zur Nachtzeit, die in §104 IIIStPO festgelegt ist, nur bei Verfolgungauf frischer Tat oder bei Gefahr imVerzug oder dann durchsucht werden,wenn es sich um die Wiederergreifungeines entwichenen Gefangenen handelt.Ausgenommen davon sind Räume, diezur Nachtzeit jedermann zugänglich sindoder nach Kenntnis der Polizei als

Page 207: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Treffpunkte und Versammlungsorte vonStraftätern oder als Schlupfwinkel desGlückspiels, des unerlaubten Drogen-oder Waffenhandels oder derProstitution dienen.

Beschlagnahmte Gegenstände sind genauzu kennzeichnen und in einemVerzeichnis aufzunehmen (§ 109 StPO).Auf Verlangen ist einem von einerDurchsuchung Betroffenen nach derenBeendigung auf Verlangen einVerzeichnis der in Verwahrung oder inBeschlag genommenen Gegenstände zuübergeben (§ 107 StPO). Die beidenFormvorschriften gelten auch im Falleder Beschlagnahme von Verfalls- und

Page 208: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Einziehungsgegenständen (§ 111b IVStPO).

Durchsuchungen und Beschlagnahme inDienstgebäuden der Bundeswehr (§§105 III, 98 IV StPO) setzen auch zurWahrung des Geheimschutzes eineVerbindungsaufnahme mit demjeweiligen Dienststellenleiter derBundeswehr voraus.99) AlsDienstgebäude gelten Baulichkeiten, dieeine dienstliche Zweckbestimmunghaben, wie beispielsweise Büros,Waffenkammer, Werkstätten undGemeinschaftsunterkünfte.100) DieSoldaten der Bundeswehr unterliegen

Page 209: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

nach § 1a Wehrstrafgesetz während ihresdienstlichen Aufenthaltes im Auslanddem deutschen Strafrecht.101)

In jedem Fall gebietet der Grundsatz derVerhältnismäßigkeit eine Abwägungzwischen dem Recht des Einzelnen zurfreien Entfaltung seiner Persönlichkeit,speziell in der grundrechtlichgeschützten Lebenssphäre der Wohnungaus Art. 13 I GG, und dem Ziel derMaßnahme. Der Grundsatz ist aus demRechtsstaatsprinzip unmittelbargeltendes Verfassungsrecht (Art. 20 IIIGG), welches in derStrafprozessordnung als

Page 210: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

vorkonstitutionelles Recht nicht direktformuliert ist.

Unter diesem Aspekt kann dieDurchsuchung der Wohnung einesBeamten zur Beweisführung in einemanhängigen Disziplinarverfahren nurdann verhältnismäßig und somit zulässigsein, wenn die Durchsuchung nicht zurBedeutung der Sache und der zuerwartenden Disziplinarmaßnahmeaußer Verhältnis steht. DasBundesverfassungsgericht sieht in einemBeschluss vom 21.06.2006102) in diesemZusammenhang mindestens dieZurückstufung oder die Entfernung aus

Page 211: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

dem Beamtenverhältnis als ausreichend.

Auf Antrag des Betroffenen istentsprechend § 98 II S. 2 StPO derAntrag auf gerichtliche Entscheidunggegen Durchsuchungsanordnungen derStaatsanwaltschaft und ihrerErmittlungspersonen zulässig.

63) Lisken/Denninger, S. 469, Rz. F 569.64) Meyer-Goßner, S. 439, § 102, Rz. 9.65) Nr. 39.02 VV PolG NRW (RdErl. d.

Innenministeriums vom 19.12.2003[MBl. NRW. 2004 S. 82], geändert durchRdErl. vom 17.11.2010 [MBl. NRW2011 S. 22]).

66) BVerfG, Az. 2 BvR 358/03; in: NJW

Page 212: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

2003, S. 2669 ff. [2669].67) Ebd.68) Meyer-Goßner, S. 439, § 102, Rz. 7.69) BVerwG, Az. I C 17/73; in: NJW 1975, S.

130 ff. [131].70) Schroeder, S. 859.71) Ebd., S. 432, § 102, Rz. 12-

eigenartigerweise fehlt bei derDurchsuchung zum Zweck derIdentitätsfeststellung die Möglichkeit derDurchsuchung von Räumlichkeiten (§163b I S. 3 StPO). Die Polizei darf denVerdächtigen und seine mitgeführtenSachen, nicht aber die Räumlichkeitennach seinem Pass oder anderenIdentifikationspapieren durchsuchen.

72) Schroeder, S. 860.73) BVerfG, Az. 2 BvR 417/88; in: NJW

1991, S. 690 f. [691].

Page 213: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

74) BVerfG, Az. 2 BvR 27/04; in: NJW 2004,S. 1517 ff. [1518].

75) Ebd., S. 859.76) Meyer-Goßner, S. 439, 440, § 102, Rz.

13.77) BVerfG, Az. 2 BvR 876/06; in:

http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg06-091.html (Zugriff am 03.09.2014).

78) Meyer-Goßner, S. 442, § 103, Rz. 5.79) BVerfG, Az. 2 BvR 299/06; in: NJW

2007, S. 1804 ff. [1805].80) Ebd.81) Tegtmeyer/Vahle, S. 318, § 39, Rz. 4.82) Tegtmeyer/Vahle, S. 321, § 39, Rz. 13.83) Lisken/Denninger, Rz. E 619, S. 493.84) Leitfaden (LF) 371, Eigensicherung im

Polizeidienst, Nr. 2.85) PDV 100, Nr. 3.6.1 und Anlage 20; in:

Page 214: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Neidhardt, 3.686) PDV 100, Nr.2.1; in Neidhardt.87) Ebd., Nr. 3.6- S. 1.88) LF 371, Nr. 2.2.89) Koch/Schmidt, P., S. 42.90) Neidhardt, 3.6 – S. 1.91) Meyer-Goßner, S. 451, § 105, Rz. 13.92) LG Frankfurt am Main, Az. 5/26 Qs 6/08,

http://openjur.de/u/300041.html (Zugriffam 03.09.2014).

93) PDV 100 Führung und Einsatz derPolizei, Nr. 3.6.2; in: Neidhardt, – 3.6.

94) Koch/Schmidt, S. 43.95) AG Rinteln, Az., 20 Cs 406 Js 3653/08,

http://www.online-und-recht.de/urteile/Kuenstler-Tom-Sackdarf-Hausdurchsuchungs-Video-auf-Google-veroeffentlichen-20-Cs-406-Js-

Page 215: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

3653-08-Amtsgericht-Rinteln-20090408.html (Zugriff am 27.07.12),LG Bückeburg, Az. 4 Ns 406 Js 3653/08(47/09), http://www.tomsack.com/urteil-lg-bueckeburg-24-02-2011.pdf (Zugriffam 03.09.2014).

96) Leitfaden (LF) 371, Eigensicherung (LF371), RdErl. d. Innenministeriums – 41.2– 1593 v. 18.12.2002, SMBl. NRW.

97) Neidhardt, 2.2 – S. 76.98) Ebd., 1.6.2 – S. 183.99) Heinen, S. 193 (mit weiteren

Nachweisen).100) Heinen; S. 194.101) Ebd., S. 197.102) Az. 2 BvR

1780/04;in:http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20060621_2bvr178004.html(Zugriff am 03.09.2014).

Page 216: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

6 Festnahme6.1 Begriff der

FestnahmeDie Festnahme ist die vorläufigeFestnahme ohne vorherige richterlicheAnordnung (§§ 127 – 130 StPO).Verhaftung ist die Festnahme auf Grundeines richterlichen Beschlusses (§§ 114,114a StPO).

§ 163c StPO gestattet die Festnahmeeiner Person, deren Identität festgestelltwerden soll. Im Gesetz wird dieRechtfolge mit dem „Festhalten“bezeichnet (§ 163c I StPO). Diese

Page 217: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Maßnahme ist eine Freiheitsentziehung(Art. 2 II S. 2, Art. 104 II GG, § 163c IIStPO). 103)

Die im Rahmen der Fahndung gestelltePerson wird „festgenommen“. EineFreiheitsentziehung, die derFeststellung der Identität der Personund Ermittlung von Haftgründendienen soll (vgl. Nr. 13, 14 RiStBV:Feststellung der persönlichen undAufklärung der wirtschaftlichenVerhältnisse des Beschuldigten).

Die Polizei kann den Beschuldigtenzunächst zum Zwecke seinerIdentifizierung festnehmen (§§ 163b I S.

Page 218: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

2, c I StPO) und einen Haftbefehlbeantragen, wenn sich auf Grund derIdentifizierung ein dringenderTatverdacht ergibt.104)

Page 219: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD
Page 220: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Abb. 13: Vorläufige Festnahme

6.2 Ziel der vorläufigenFestnahme

Zur Sicherung des Strafverfahrens undder weiteren Ermittlungen ist es vielfachnotwendig, noch vor dem Erlass einesrichterlichen Haftbefehls zurUntersuchungshaft (§ 114 StPO) denBeschuldigten vorläufig festzunehmen (§127 II StPO).

Sofern die Schuldunfähigkeit einesBeschuldigten feststeht (§ 20 StGB) odervermindert ist (§ 21 StGB), kann eine

Page 221: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

einstweilige Unterbringung in einempsychiatrischen Krankenhaus oder einerEntziehungsanstalt als Schutz derAllgemeinheit vor gemeingefährlichenGeisteskranken erfolgen (§ 126a StPO).

6.3 Rechtsgrundlagender vorläufigenFestnahme

Das allgemeine Festnahmerecht aus §127 I StPO hat unter den dort genanntenTatbestandsvoraussetzungen jedermann,allerdings ist die Anwendbarkeit aufBeamte des Polizeidienstes in derLiteratur nicht unumstritten.105)

Page 222: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Die Befugnis zur Festnahme wird fürPolizeibeamte in § 127 II StPOerweitert: Gefahr im Verzug (§ 127 IIStPO) besteht, wenn die Festnahmeinfolge der Verzögerung gefährdet wäre,die durch das Erwirken einesrichterlichen Haft- oderUnterbringungsbefehls eintreten würde.Entscheidend sind die demPolizeibeamten zumentscheidungserheblichen Zeitpunktbekannten Gründe.106)

Die Justiz- und dieGerichtsverwaltungen haben nach derRechtsprechung des

Page 223: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Bundesverfassungsgerichtssicherzustellen, dass derRichtervorbehalt beiGrundrechtseingriffen, hier derFestnahme (Art. 104 II GG) praktischwirksam ist. Dazu gehören auchErreichbarkeiten außerhalb der üblichenDienstzeiten.107)

Die Strafverfolgungsbehörden müssenregelmäßig versuchen, eine Anordnungdes instanziell und funktionellzuständigen Richters zu erlangen. Nur inden Ausnahmefällen, in denen schondieser Versuch den Erfolg derMaßnahme gefährden würde, dürfen sie

Page 224: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

selbst die Anordnung wegen Gefahr imVerzug treffen.108)

Weiterhin müssen im Rahmen dervorläufigen Festnahme dieVoraussetzungen eines Haft- oderUnterbringungsbefehles gegeben sein (§§112 ff. StPO). Dabei sind allebesonderen Umstände des jeweiligenEinzelfalles zu würdigen.109)

Die für den dringenden Tatverdacht (§112 I StPO) erforderliche großeWahrscheinlichkeit liegt nur dann vor,wenn nach dem Stand der Ermittlungeneine andere Person als Tatverdächtigernahezu ausgeschlossen werden kann. Der

Page 225: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

dringende Tatverdacht muss zumZeitpunkt der Festnahme bestehen.

Weitere Voraussetzung für dieRechtmäßigkeit der vorläufigenFestnahme ist das Vorliegen eines odermehrerer Haftgründe (§§ 112 II, III,112a, 113 StPO). Nach Auswertungendes Bundesministeriums der Justiz gibtes in der Praxis nur drei wichtigeHaftgründe (bei gleichzeitig mehrerenbenannten Haftgründen wurden diesemehrfach erfasst):– flüchtig bzw. Fluchtgefahr (93,1, %,

entsprechend 22.666 Fälle)– Wiederholungsgefahr (9,3 %,

Page 226: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

entsprechend 2.257 Fälle)– Verdunkelungsgefahr (5,9 %,

entsprechend 1.446 Fälle)110)

Die Untersuchungshaft soll einerseitsverhindern, dass sich der Beschuldigtedem Verfahren entzieht, und andererseitsinsbesondere im Falle derVerdunkelungsgefahr vor einerschlechteren Beweislage schützen. ImFalle der Wiederholungsgefahr wirdvorrangig die Verhinderung weitererStraftaten betrieben. Bei Jugendlichen(14- bis 17-Jährige) sollen vorrangigvorläufige Anordnungen über dieErziehung oder andere Maßnahmen

Page 227: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

getroffen werden (§ 72 I JGG).

Der Tatverdacht eines der in § 112 IIIStPO genannten Straftatbeständebegründet einen „absoluten Haftgrund“.Grundsätzlich ist in diesen Fällenanzunehmen, dass der dringendTatverdächtige sich bereits angesichtsdes zu erwartenden hohen Strafmaßesdem Strafverfahren entziehen wird.

Die weiteren Haftgründe ergeben sichaus § 112 II StPO und ggf. einerWiederholungsgefahr unter denTatbestandsvoraussetzungen des § 112aStPO: Den Haftgrund „flüchtig“ (§ 112 IINr. 1 StPO) verwirklicht der dringend

Page 228: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Tatverdächtige, der vor Tatbeginn,während oder nach der Tat seineWohnung aufgibt, ohne eine neue zubeziehen, oder sich in das Ausland mitder Wirkung absetzt, dass er für dieErmittlungsbehörden und Gerichteunerreichbar und ihrem Zugriff auchwegen der zu erwartendenStrafvollstreckung entzogen ist.111)

Demgegenüber besteht „Fluchtgefahr“ (§112 II Nr. 2 StPO), wenn die Würdigungder Umstände des Falles eswahrscheinlicher macht, dass sich derBeschuldigte dem Strafverfahrenentziehen, als dass er sich ihm zur

Page 229: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Verfügung halten werde. Abzuwägensind insbesondere familiäre oder anderesoziale und/oder berufliche Bindungengegenüber dem drohenden Strafmaß.Eine hohe Straferwartung alleine kannallerdings noch keine Fluchtgefahrbegründen.112)

„Verborgen“ (§ 112 II Nr. 1 StPO) hältsich, wer unangemeldet, unter falschemNamen oder an einem unbekannten Ortlebt, um sich dem Verfahren dauerndoder auf längere Zeit zu entziehen.113)

Der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr(§ 112 II Nr. 3 StPO) setzt Einwirkungendes Beschuldigten auf sachliche und

Page 230: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

persönliche Beweismittel durchHandlungen voraus, die die Ermittlungder Wahrheit erschweren.114)

Letztlich bietet der Haftgrund derWiederholungsgefahr (§ 112a StPO) beiden dort genannten Delikten einevorbeugende Maßnahme derSicherungshaft. Neben dem dringendenTatverdacht (§ 112a I StPO, s.o. –Ausführungen entsprechend § 112 IStPO) muss die Wiederholungsgefahrbestehen.

Erhebliche Straftaten im Sinne des §112a I StPO sind dabei die Taten, diemindestens dem Bereich der mittleren

Page 231: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Kriminalität zuzuordnen sind.

Der Haftgrund ist gegenüber den zuvorgenannten Haftgründen aus § 112 StPOsubsidiär (§ 112a II StPO).

Im Rahmen der Vorführung vor demErmittlungsrichter mit dem Ziel desErlasses eines Untersuchungshaftbefehlssollten im Vorführbericht zunächsteinmal alle in Betracht kommendenHaftgründe aufgeführt werden, auchwenn der Haftgrund nach § 112 StPOvorrangig ist. Durch den Richter wirdnur geprüft was durch dieErmittlungsbehörden beantragt wird.

Page 232: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Generell ausgeschlossen ist dieUntersuchungshaft, sofern sie zurBedeutung der Sache und der zuerwartenden Strafe außer Verhältnissteht (§ 112 I S. 2 StPO). DieVerhältnismäßigkeit ist keineHaftvoraussetzung, sondern dieUnverhältnismäßigkeit einHaftausschließungsgrund.115)

Im Ordnungswidrigkeitenverfahren isteine Festnahme nach § 46 III OWiGausgeschlossen, ein Festhalten der bzw.des Betroffenen ist unter denTatbestandsvoraussetzungen des § 163bI StPO zulässig.

Page 233: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

6.4 EinsatztaktischerAblauf dervorläufigenFestnahme

Wie bei der Durchsuchung ist auch zureinsatztaktischen Bewältigung einerFestnahme eine strukturierte Bearbeitungunumgänglich (s. Nr. – 5.5).

Die Ausführungen zurVorbereitungsphase (Nr. 5.5.1),Aktionsphase (Nr. 5.5.2) undNachbereitungsphase (Nr. 5.5.3) gelteneinzelfallabhängig auch für dieFestnahme. In vielen Lagen wird die

Page 234: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Durchsuchung ohnehin mit demvorrangigen Ziel der Festnahme desStörers betrieben.

Auch in der Einsatzlehre soll dieFestnahme die Verfolgung von Straftatengewährleisten.116)

Die Festnahme ist unter dem Aspekt derEigensicherung der häufigste Anlass fürÜbergriffe auf die einschreitendenPolizeibeamtinnen und -beamten.117)

6.4.1 Vorbereitungsphase

Die Durchführung freiheitsentziehenderMaßnahmen birgt vielfältige Gefahrenfür eingesetzte Kräfte, Störer und Dritte.

Page 235: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Die Dynamik der Lage erfordert dieBewältigung oft unvorhersehbarerUmstände.118)

Die Vorbereitung der Festnahme mussim Rahmen der zeitlichen Dringlichkeitumfassend erfolgen. Informationsdefizitesind durch Aufklärungsmaßnahmen zubeseitigen. Im Wege der Büroaufklärungkönnen durch vielfältigeVerbindungsaufnahmen im Einzelfallerforderliche Informationen erlangtwerden.

Die richterliche Anordnung vonFreiheitsentziehungen (Art. 104 II GG)ist je nach zeitlicher Dringlichkeit der

Page 236: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Maßnahme im Einzelfall auchfernmündlich vorher einzuholen.

Abhängig von• der Gefährlichkeit des

Festzunehmenden• der Dringlichkeit der Maßnahme• den Lebensgewohnheiten• seinem Umfeld• Ort und Zeitpunkt der Festnahme

(Solidarisierungseffekte im familiärenUmfeld, Freizeitbereiche mitspezifischen Risiken in derEigensicherung usw.)

sind umfassende Vorbereitungen zu

Page 237: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

treffen.119)

Die (verdeckte) Aufklärung undObservation des Festzunehmenden sindunumgänglich, um Erkenntnisse überZahl und Verhalten anzutreffenderPersonen, deren Umgebung, die weitereAnbindung an Wege und Wohnstrukturensowie Lageplänen und Skizzen vonWohnungen und Aufenthaltsorten zuerhalten.

Als Maßnahmen zur Verhinderung derFlucht sind je nach Kräftelage dieUmstellung und Absperrung desGebäudes oder Geländes, in dem sichdie Person aufhält, zu gewährleisten.

Page 238: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Der Festzunehmende befindet sich ineiner psychischen Ausnahmesituation,die ihn auch zu spektakulärenFluchtversuchen ermutigen kann (z.B.Sprünge aus dem (geschlossenen)Fenster, auch aus großer Höhe wie dem5. Stockwerk).120)

Die Anforderung und Bereitstellung vonFührungs- und Einsatzmitteln, die für diespezifische Bewältigung des Einsatzesunumgänglich sind, sind lageabhängig zuveranlassen. Der Einsatz vonSpezialeinheiten ist u.a. bei• Hinweisen auf Bewaffnung• zu erwartendem Widerstand

Page 239: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

vorzubereiten.

Während die Festnahme aus der Sichtder eingesetzten Polizeikräfte eintäglicher (Routine-)Einsatz ist, stellt siefür den Störer wegen drohendemAnsehensverlust, dem Gefühl desAusgeliefertseins oder Angst eineAusnahmesituation dar.121)

Der Überraschungseffekt ist anzustreben,dazu ist das verdeckte Heranführen derEinsatzkräfte nach den Umständen desEinzelfalles zu erwägen. Die Auswahlder Örtlichkeit und die Beobachtung desFestzunehmenden sind unumgänglicheBestandteile eines taktischen

Page 240: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Konzeptes.122)

Für folgende Abläufe sind Regelungenzu treffen:• Maßnahmen zur Fluchtverhinderung• Eigensicherung im Rahmen des

Leitfadens• Bereitstellen von

Gefangenentransportkräften• Verbringen und Verbleib von

Personen, Tieren bzw. Gegenständen ingesicherte Bereiche

6.4.2 Aktionsphase

Eine überraschend und schnell

Page 241: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

durchgeführte Festnahmeaktionminimiert Gelegenheiten für den Täter,Gegenwehr zu leisten oder zu fliehen.

Je nach zeitlichen und örtlichenBedingungen sind dazu erforderlich:• unbemerktes Annähern (leise, gedeckt

oder mithilfe einer Legende) zumAufenthaltsort des Festzunehmenden

• Ablenkung durch anderweitigeMaßnahmen im Nahbereich

• schlagartiges Vorgehen durchvorherige Absprachen, ggf. aufvereinbarte Stichworte hin.

Der Zugriff ist in Fällen mit Besonderer

Page 242: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Aufbauorganisationen wieBedrohungslagen und Geiselnahmenbesonders geregelt. Die entsprechendenPolizeidienstvorschriften 132, VS- Nurfür den Dienstgebrauch, und PDV 100,sowie für Nordrhein-WestfalenLandesteil NRW, Landesteil F, VS- Nurfür den Dienstgebrauch, sind zubeachten.

In allen Fällen ist besonders dieEigensicherung (Leitfaden 371) zuberücksichtigen. Diese Forderung trifftauch auf Absperrkräfte der inneren undäußeren Absperrung oder auf eigenseingesetzte Sicherungskräfte (Sicherungnach vorn und hinten) zu.

Page 243: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Für nachfolgende (Unterstützungs-)Kräfte sind Zugänge offen zu halten.

Der Festgenommene bzw. Gefangene istzur Verhinderung vonSolidarisierungseffekten Unbeteiligtermit möglichen Störungen desPolizeieinsatzes bis hin zuBefreiungsversuchen und zurMinimierung der Gefahr seinerBloßstellung in der Öffentlichkeitalsbald in einen gesicherten Bereich,regelmäßig in das Polizeigewahrsam, zuverbringen.

Für Kinder und Jugendliche gelten

Page 244: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

besondere Bedingungen:• Kinder und Jugendliche dürfen nur aus

strafprozessualen Gründen oder inFällen der erheblichen Störung desDienstbetriebes in einemPolizeigewahrsam untergebrachtwerden.123)

• Kinder sind nicht inGewahrsamsräumen unterzubringen.124)

• Bei Minderjährigen undHeranwachsenden sindfreiheitsbeschränkende und entziehendeMaßnahmen in Schulen, anAusbildungsplätzen oder anArbeitsstellen möglichst zu

Page 245: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

vermeiden.125)

• Die Benachrichtigung desErziehungsberechtigten oder einesgesetzlichen Vertreters ist bei Kindernunverzüglich, bei tatverdächtigenJugendlichen, sobaldVerdunkelungshandlungen nicht bzw.nicht mehr zu befürchten sind, imEinzelfall auch gegen den Willen desMinderjährigen, durchzuführen.126)

Transporte von Trägern ansteckenderKrankheiten und Seuchen sollengrundsätzlich in Sonderfahrzeugen derRettungsdienste erfolgen.127)

Page 246: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

6.4.3 Nachbereitungsphase

Die allgemeinen Grundsätze derNachbereitung einer Durchsuchung (s.Nr. – 5.5.3) gelten sinngemäß auch fürdie Festnahme.

Nach dem Umgang mit Trägern vonInfektionskrankheiten sind die Stellender Hautoberfläche, die mit Blut oderSekreten Kontakt hatten, unverzüglichund gründlich zu reinigen und zudesinfizieren, ebenso ist mitGegenständen zu verfahren.

Bei Verletzungen ist ärztlicher Rateinzuholen.128)

Page 247: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

6.5 Anordnung derFestnahme/Formvorschriften

Die Anordnung vonFreiheitsentziehungen unterliegen einemverfassungsrechtlichen Richtervorbehalt(Art. 104 II GG). Gefahr im Verzug (§127 II StPO) ist nach derRechtsprechung desBundesverfassungsgerichts einunbestimmter Rechtsbegriff, dergerichtlich voll überprüfbar ist und denRechtsanwendern keinenBeurteilungsspielraum eröffnet. Sie mussmit Tatsachen begründet werden, die auf

Page 248: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

den Einzelfall bezogen sind. ReineSpekulationen, hypothetischeErwägungen oder lediglich aufkriminalistische Alltagserfahrungengestützte, fallunabhängige Erwägungenreichen nicht aus.129) Bei einerbeabsichtigten und im Voraus geplantenFestnahme ist nie Gefahr im Verzuggegeben.130)

Der Festgenommene ist unverzüglich,spätestens am Tage nach seinerFestnahme, dem zuständigen Richtervorzuführen (§ 128 StPO). Dabei ist dieGesamtzeit aller freiheitsentziehendenZeiten zu berücksichtigen, also zum

Page 249: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Beispiel auch die Anrechnung einer Zeitder Freiheitsentziehung zum Zwecke derGefahrenabwehr.131)

Der verhaftete Beschuldigte ist zudemnach § 114b StPO unverzüglich undschriftlich in einer ihm verständlichenSprache über seine Rechte u.a. aufAussageverweigerung, Zuziehung einesRechtsbeistandes und Beantragungeinzelner Beweiserhebungen zubelehren. Soweit dadurch die Zweckeder Untersuchungshaft oder der weiterenErmittlungen nicht gefährdet werden, istdem verhafteten Beschuldigten nach §114c StPO die Gelegenheit zu geben,

Page 250: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

einen Angehörigen zu benachrichtigen.

Ablauf einer Festnahme

Page 251: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Abb. 14: Chronologischer Ablauf einerFestnahme

Page 252: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

103) Meyer-Goßner, S. 837, § 163b, Rz. 7.104) Meyer-Mews, S. 207.105) Vertiefend dazu: Wagner, „Das

allgemeine Festnahmerecht gem. § 127 IS. 1 StPO als Rechtfertigungsgrund“; in:Zeitschrift für das Juristische Studium,ZJS: www.zjs-online.com/dat/artikel/2011_6_493.pdf(Zugriff am 04.05.2014).

106) Ebd., S. 605, 606, § 127, Rz. 19.107) BVerfG, Az. 2 BvR 1481/02; in: NJW

2004, S. 1442.108) Meyer-Mews, S. 208.109)

https://www.jurion.de/de/document/show/0.24767.0/(Zugriff am 04.05.2014).

110) Jehle, S. 21.111) OLG Düsseldorf, Az. 1 Ws 1102/85; in:

Page 253: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

NJW 1986, S. 2204, 2205.112) OLG Hamm, Az. 2 Ws 474/98, abrufbar

unter:http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/hamm/j1998/2_Ws_474_98beschluss19981015.html(Zugriff am 03.09.2014).

113) Meyer-Goßner, S. 525, § 112, Rz. 14.114) OLG Köln, Az., 2 Ws 457/96, abrufbar

unter:http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/koeln/j1996/2_Ws_457_96beschluss19960910.html(Zugriff am 03.09.2014).

115) Meyer-Goßner, S. 523, § 112, Rz. 8.116) PDV 100, Nr. 3.8.1; in: Koch/Schmidt, S.

57, Nr. 1.8.1.117) Die Festnahme von Straftätern war nach

einer Untersuchung desKriminologischen ForschungsinstitutesNiedersachsen mit 27,5 % der häufigsteEinsatzanlass mit schweren gewalttätigenÜbergriffen auf die eingesetzten

Page 254: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Polizeibeamtinnen und -beamten miteiner mindestens 7 Tage währendenDienstunfähigkeit. 71,5 % aller verletztenBeamtinnen und Beamten waren imStreifendienst tätig. Studie zur Gewaltgegen Polizeibeamte, ZwischenberichtNr. 1, S. 18, abrufbar unter:http://www.kfn.de/versions/kfn/assets/polizeifob1.pdf(Zugriff am 04.05.2014). Die NRW-Studie „Gewalt gegen Polizeibeamtinnenund Polizeibeamte“ in 2013 kommt zuähnlichen Befunden. Diefreiheitsentziehenden Maßnahmen warender vierthäufigste Anlass zu Übergriffenauf die Polizeikräfte, vgl. tabellarischeÜbersicht der Anläse auf Seite 114:https://www.polizei.nrw.de/artikel_7303.html(Zugriff am 04.05.2014).

118) Neidhardt, S. 3.8_9, Rz. 3.8.

Page 255: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

119) Koch/Schmidt, S. 57.120) Neidhardt, S. 3.8_11, Rz. 3.8.121) LF 371, Nr. 3.5.1.122) Neidhardt, S. 3.8_16, Rz. 3.8.123) § 1 II Polizeigewahrsamsordnung für das

Land Nordrhein-Westfalen, RdErl. desInnenministeriums-43.57.01.08 – vom20.03.2009, MBl. NRW 2009, S. 254.

124) PDV 382, Bearbeitung von Jugendsachen,Nr. 6.1.2, RdErl. des Innenministeriums –IV C 2 – 1591 – vom 07.12.1995, SMBL.NRW. 2054.

125) Ebd., Nr. 6.3.1.126) Ebd., Nr. 6.4.1.127) LF 371, Nr. 5.2.2.128) LF 371, Nr. 5.1.3 und 5.2.1.129) BVerfG, Az. 2 BvR 1444/00; in: NJW

2001, S. 1121 ff. [1121].

Page 256: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

130) Meyer-Mews, S. 208.131) BGH, Az., 4 StR 30/87; abrufbar unter:

http://www.servat.unibe.ch/dfr/bs034365.html(Zugriff am 03.09.2014).

Page 257: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

7 ErkennungsdienstlicheBehandlung

7.1 Begriff dererkennungsdienstlichenBehandlung

„Erkennungsdienstliche Behandlung,Kurzform ED-Behandlung, einekriminalpolizeiliche Maßnahme, die imRegelfall die Anfertigung von Finger-und Handflächenabdrücken (KP 1), einesdreiteiligen Lichtbildes (KP 3) und einerGanzaufnahme sowie einerPersonenbeschreibung umfasst.“132)

Page 258: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Die Daktyloskopie beruht auf denGrundsätzen der Einmaligkeit undUnveränderlichkeit derPapillarlinienmuster vonFingerabdrücken. Die Einmaligkeit derPapillarlinien besteht auch bei eineiigenZwillingen.

Die Papillarlinien bleiben in Form undLage zueinander vom Embryonalstadiumbis zur Auflösung des Körpersunveränderlich. Wachstum und Alterungbewirken lediglich eine proportionaleAnpassung. Veränderungen derPapillarleistenbilder sind regelmäßigauf thermische, mechanische oderchemische Einflüsse von außen

Page 259: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

zurückzuführen bzw. die Folge vonspezifischen Krankheiten.133)

7.2 Ziel dererkennungsdienstlichenBehandlung

Ziel der Maßnahme ist die Erlangungvon erkennungsdienstlichen Unterlagen,so u.a. Fingerabdrücke oder Lichtbildereiner Person um, entweder• mittels dieser Unterlagen eine bereits

begangene Straftat weiter aufzuklärenoder

• diese Unterlagen in polizeilicheSammlungen aufzunehmen und dadurch

Page 260: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

die Begehung zukünftiger Straftatendurch bereits einschlägig inErscheinung getretene Personen zuverhindern oder

• von diesen Personen zukünftigbegangene Straftaten mittels dererlangten Unterlagen leichter aufklärenzu können.

7.3 RechtsgrundlagendererkennungsdienstlichenBehandlung

Die anzuwendende Rechtsgrundlagehängt unmittelbar vom Ziel der

Page 261: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Maßnahme ab. Es gibt inunterschiedlichen GesetzenRechtvorschriften, auf die eineerkennungsdienstliche Behandlunggestützt werden kann. In dernachfolgenden Übersicht sind die für diePolizei gebräuchlichstenRechtsvorschriften aufgeführt. Danebengibt es u.a. auch noch entsprechendeRechtsvorschriften im Aufenthaltsgesetzund im Asylverfahrensgesetz, die zurED-Behandlung berechtigen.134)

Page 262: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Abb. 15: Rechtsgrundlagen dererkennungsdienstlichen Behandlung

Page 263: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Sollen die durch dieerkennungsdienstliche Behandlunggewonnenen Unterlagen mehrerenZwecken dienen, so muss zurBegründung der Maßnahme ggf. aufmehrere Rechtsgrundlagenzurückgegriffen werden, da nur so dieUnterlagen einerseits in einemErmittlungsverfahren zur Beweisführungund andererseits in den entsprechendenpolizeilichen Sammlungen genutztwerden dürfen.

Unstrittig ist sicherlich die Ansiedlungvon § 81b StPO 1. Alt. und § 163b IStPO in der Strafprozessordnung, dennZiel der beiden Vorschriften ist

Page 264: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

eindeutig die Ermöglichung derDurchführung eines Strafverfahrens.Ebenso ist § 14 I Nr. 2 zur vorbeugendenBekämpfung von Straftaten folgerichtigim Polizeigesetz NRW angesiedelt.

„Soweit § 81b Maßnahmen fürerkennungsdienstliche Zwecke gestattet,handelt es sich um in die StPOaufgenommenes materielles Polizeirecht.[…] Unter Berücksichtigung derRechtsprechung des BVerfG zu § 81gwird aber hierin eine mit derStrafverfolgung eng verwandte„Strafverfolgungsvorsorge“ gesehen, fürdie der Bund nach Art. 74 Nr. 1 GG die

Page 265: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Gesetzgebungskompetenz hat.“135)

„Die 2. Alt. des § 81b StPO stellt dieGrundlage der Ergänzung undAktualisierung derErkennungsdienstlichen Sammlung derPolizei (früher: „Verbrecherkartei“) dar,deren Einrichtung auf derkriminologisch-kriminalistischenErfahrung des 19. Jahrhunderts beruhte,dass die Polizei es immer mit demgleichen Personenkreis vonBeschuldigten zu tun hatte.“136)

ErkennungsdienstlicheBehandlung nach § 81b StPO

Page 266: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Abb. 16: ED-Behandlung

In der Rechtsvorschrift des § 81b StPOsind Lichtbilder, Fingerabdrücke undMessungen ausdrücklich benannt, sowieähnliche Maßnahmen. Der Umfang dernach der Vorschrift zulässigenMaßnahmen ist somit nicht abschließendbeschrieben. Die Vorschrift gestattet

Page 267: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

somit auch jede weitere, von derEingriffstiefe her vergleichbareMaßnahme, so z.B. die Abnahme vonOhrabdrücken, Fußabdrücken oder dasFotografieren von Tätowierungen.

Begründet werden muss dieNotwendigkeit der Maßnahme. Bei §81b 1. Alt. StPO ist die Notwendigkeitrecht einfach begründbar, wenn amTatort entsprechende Spuren gefundenwurden, die von einem möglichen Täterstammen könnten und für dieseVergleichsmaterial des Beschuldigtenzur Durchführung entsprechenderkriminaltechnischer Untersuchungenbenötigt wird.

Page 268: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Schwieriger gestaltet sich dieBegründung der Notwendigkeit derMaßnahme bei derErkennungsdienstlichen Behandlung zurvorbeugenden Verbrechensbekämpfung.Hier ist eine Prognoseerstellungerforderlich, aus der sich ergibt, dassdie Person auch zukünftig Straftatenbegehen wird und die erlangtenerkennungsdienstlichen Unterlagen zuihrer Aufklärung beitragen oder dazudienen können, die Person von derBegehung von Straftaten zukünftigabzuhalten. EntsprechendePrognosekriterien können u.a. sein:

Page 269: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

• Bisher begangene Straftaten(Deliktsschwere der Taten,zunehmende Deliktsschwere,zunehmende Frequenz derStraftatenbegehung, etc.)

• Motivation der Tatbegehung• Bisheriges Rückfallverhalten nach

Täterermittlung und ggf. Verurteilung• Suchtmitteleinfluss bei Tatbegehung

(herabgesetzte Steuerungsmöglichkeit)• Soziale und wirtschaftliche

Verhältnisse (ergeben sich hieraustatbegünstigende oder tathemmendeFaktoren?)

• Persönlichkeitsstruktur des

Page 270: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Beschuldigten

Eine besondere Bedeutung erlangt dieGewinnung von erkennungsdienstlichenUnterlagen zur vorbeugendenVerbrechensbekämpfung gerade bei denschwer aufklärbaren Delikten derMassenkriminalität (u.a.Einbruchsdelikte), insbesondere beimobilen und häufiggrenzüberschreitendenTätern/Tätergruppen. Eine konsequenteSpurensuche und Spurensicherung amTatort kann nur dann auch zur Ermittlungder spurverursachenden Täter führen,wenn eine entsprechend hohe Zahl vonVergleichsmaterial erkennungsdienstlich

Page 271: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

behandelter Personen inkriminalpolizeilichen Sammlungenvorgehalten wird. Kriminalstrategischwünschenswert und erforderlich ist alsohier die konsequente Ausschöpfung derrechtlichen Möglichkeiten zurerkennungsdienstlichen Behandlung.

Die Erstellung einer Prognose erfordertgrundsätzlich möglichst umfangreicheKenntnisse über die Person desBeschuldigten. Hierbei darf einePrognose nicht auf Spekulationen oderVermutungen aufgebaut werden,vielmehr muss eine Prognose auf Faktenund überprüfbaren Anhaltspunktenbasieren, die auch für Dritte

Page 272: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

nachvollziehbar sind. Für die Erstellungeiner zuverlässigen und überzeugendenPrognose reichen die Daten, die imRahmen eines Ermittlungsverfahrensstandardmäßig erlangt werden vielfachnicht aus. Erforderlich ist vielmehr –soweit der Beschuldigte aussagebereitist – eine entsprechend umfangreicheVernehmung zur Person aus der sich u.a.die prognoserelevanten Aspekte wieTatmotivation, die Lebensumstände, diesoziale Situation u.Ä. ergeben. Bei derPlanung und Vorbereitung einerVernehmung ist daher derInformationsbedarf für die spätereBegründung der ED-Behandlung gleich

Page 273: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

mit zu berücksichtigen undentsprechende Fragen sind vorzuplanen,da gerade bei Ersttätern der Polizeihäufig keine weiteren Erkenntnisse zuder Person vorliegen.

Bei Personen die bereits häufigerpolizeilich in Erscheinung getreten sindwird sich i.d.R. aus der Kriminalakteder Person ein entsprechendabgerundetes Persönlichkeitsbildergeben, das eine Prognoseerstellungzulassen würde. Hierbei ist jedoch zuberücksichtigen, dass im Rahmen einesRechtsbehelfsverfahrens demBetroffenen der Maßnahme diepolizeiliche Begründung der Maßnahme

Page 274: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

und damit auch indirekt der Inhalt vonPolizeilichen Sammlungen bekannt wird.Somit sollten hier nur Daten bzw.Informationen verwendet werden dieauch in der grundlegendenErmittlungsakte selbst enthalten sind.Das können z.B. sein:• Daten früherer Verurteilungen

(Aktenzeichen, erkennendes Gericht,Strafrahmen)

• Frühere StaatsanwaltschaftlicheErmittlungsverfahren und derenAbschluss

• Aussagen zur Person desBeschuldigten, die im Rahmen von

Page 275: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Vernehmungen erlangt wurden• Psychiatrische Gutachten (u.a. zur

Schuld- oder Steuerungsfähigkeit)

Für die Begründung einer ED-Behandlung können zur weiterenInformationsgewinnung zur Absicherungeiner Prognose auch „alteErmittlungsakten“ von derStaatsanwaltschaft zurkriminaltaktischen Auswertungangefordert werden.

„Zuständig für die Anordnung sind imErmittlungsverfahren dieStaatsanwaltschaft und die Beamten desPolizeidienstes, auch wenn sie nicht

Page 276: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Ermittlungspersonen derStaatsanwaltschaft sind.“137) Für dieED-Behandlung zum Zwecke desErkennungsdienstes liegt dieAnordnungsbefugnis gleichfalls bei denBeamten des Polizeidienstes. DieDurchführung der Maßnahmen erfolgtgrundsätzlich durch die Polizei.

„Ungeschriebenes Element einer ED-Behandlung ist, dass sich dieMaßnahmen bei Passivität desBeschuldigten durchführen lässt.“138)

Eine zwangsweise Durchsetzung derED-Behandlung ist grundsätzlichzulässig. „Die Rechtsgrundlage hierfür

Page 277: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

ist § 81b StPO selber.“139) Einezwangsweise Abnahme vonFingerabdrücken ist sicherlich möglichund führt zu verwertbaremerkennungsdienstlichem Material. Diezwangsweise Fertigung von Lichtbildernist hier jedoch kritisch zu sehen, wenn esum Material geht, das im Rahmen vonLichtbildvorlagen später zusammen mitanderen Bildern vorgelegt werden soll.

“Vorschriften der landesrechtlichenPolizeigesetze, dieerkennungsdienstliche Maßnahmen über§ 81b StPO hinaus zulassen, sind imHinblick auf Art. 72 I GG allenfalls

Page 278: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

rechtsgültig, soweit nicht § 81b 2. Alt.StPO aus Anlass eines Strafverfahrensgegen einen Beschuldigten zur Vornahmepräventiv-polizeilicher Maßnahmenermächtigt.“140) Abgrenzungskriteriumzwischen Anwendung derBundesvorschrift (§ 81b StPO) undAnwendung der landesrechtlichenVorschrift (z.B. § 14 PolG NRW) zurErlangung erkennungsdienstlicherUnterlagen für polizeiliche Sammlungenzum Zwecke der vorbeugendenVerbrechensbekämpfung ist der„Beschuldigtenstatus“ dererkennungsdienstlich behandeltenPerson. Wird gegen die Person ein

Page 279: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Strafverfahren zielgerichtet betrieben, soist sie Beschuldigter und somit § 81bStPO (2. Alt.) einschlägig. Ist die Personnicht Beschuldigter in einemStrafverfahren (so z.B. ein 12-Jähriger)so wäre § 14 I Nr. PolG NRW141)

einschlägig.

Die Maßnahmen dürfen von der Polizeinicht nur auf der Dienststelledurchgeführt werden, sondern auch amTatort z.B. unmittelbar nach derErgreifung der Person.

7.4 Durchführung dererkennungsdienstlichen

Page 280: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

BehandlungVon Umfang und Art derdurchzuführenden Maßnahmen hat sichdie erkennungsdienstliche Behandlungmit dem Laufe der Jahre der technischenEntwicklung und denermittlungstaktischen Erfordernissenangepasst. Regelungen zum Umfang derjeweils durchzuführenden ED-Behandlung enthalten zunächst einmaldie erkennungsdienstlichen Richtliniendes Bundeskriminalamtes. Daraufaufbauend gibt es ergänzendelandesrechtliche Regelungen für diekriminalpolizeilicher Sammlungen, die

Page 281: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

u.a. die Aufbewahrungsdauer erlangterErkennungsdienstlicher Unterlagenregeln (so für NRW „Richtlinien für dieFührung kriminalpolizeilicherSammlungen“142).

Der grundsätzliche Umfang dererkennungsdienstlichen Behandlung ist inNordrhein-Westfalen im Erlass über denErkennungsdienst143) näher geregelt.Danach sind grundsätzlich aufzunehmen• Zehnfingerabdrücke (KP 1)• Dreiteiliges Lichtbild (KP 3)• Personenbeschreibung (KP 8)

Von Beschuldigten sind zusätzlich

Page 282: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

abzunehmen• Handflächenabdrücke• Ganzaufnahmen (wenn Beschuldigte

bei der Tatausführung Zeugen oderOpfern persönlich gegenübergetretensind)

Die o.a. erlassmäßigen Regelungenbeinhalten selbst keine Befugnis zurVornahme von Rechtseingriffen. Dieseergeben sich nur aus den gesetzlichenGrundlagen ( vgl. Ziff. 7.3).

Beabsichtigt ist bundesweit dieUmstellung von einem dreiteiligenLichtbild auf ein fünfteiliges Lichtbild.In Nordrhein-Westfalen ist

Page 283: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

zwischenzeitlich in allen Behörden beierkennungsdienstlichen Behandlungendie Fertigung fünfteiliger LichtbilderStandard.

7.5 Verbleib undAufbewahrung dergewonnenenUnterlagen

Der spätere Verbleib der gewonnenenerkennungsdienstlichen Unterlagen istabhängig von der gewählten jeweiligenRechtsgrundlage. Werden die Unterlagenin einem bestimmten Verfahren zu einemgezielten Fingerspurenvergleich zum

Page 284: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Zwecke der Beweisführung erhobenoder zur Identifizierung einer Person,dann sind sie Bestandteil derErmittlungsunterlagen und werden späterder Staatsanwaltschaft übergeben.

Werden die Unterlagen zurvorbeugendenVerbrechensbekämpfung nachlandesrechtlicher Regelung (so z.B. § 14I PolG NRW) oder für Zwecke desErkennungsdienstes nach § 81b 2. Alt.StPO erhoben, dann werden sie zu denKriminalakten der Polizei genommen,bzw. gewonnenes Abdruckmaterial wirdin polizeiliche Sammlungen eingepflegt.

Page 285: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Hierbei werden die gewonnenenFingerabdrücke dem Bundeskriminalamtübermittelt und dort in AFIS(Automatisiertes Fingerabdruck-Identifizierungs-System) eingestellt.

Derzeit enthält die AFIS-Datenbank ca.2,8 Mio. Fingerabdruckblätter und eswerden rund 20.000Personenidentifizierungen, sowie rund24.000 Spurenidentifizierungen pro Jahrerzielt.144) Durch den 2005geschlossenen und 2008 in EU-Rechtüberführten Vertrag von Prüm, bestehtzudem mit den Unterzeichnerstaaten dieMöglichkeit, Fingerabdrücke auch

Page 286: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

grenzüberschreitend abzugleichen.

So führte „[…] der bundesweiteAbgleich von gesichertendaktyloskopischen Tatortspuren inFällen des schweren Diebstahls mit demAutomatischenFingerabdruckidentifizierungssystem(AFIS) in den Jahren 2011 und 2012 inNRW in jedem vierten Fall zurIdentifizierung eines Spurenlegers […].Dies hatte in den beiden Jahreninsgesamt ca. 2.700 AFIS-Identifizierungen […] zur Folgegehabt.“145)

7.6 Rechtsschutzmöglichkeiten

Page 287: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Maßnahmen nach § 81b 1. Alt. StPOsind im Rahmen eines laufendenStrafverfahrens getroffene Anordnungender Polizei, gegen die beim zuständigenGericht Beschwerde eingelegt werdenkann.

Maßnahmen nach § 81b 2. Alt. StPOkönnen auf dem Verwaltungsrechtswegangefochten werden. Gegen dieMaßnahme kann Widerspruch eingelegtwerden, dieser hat eine aufschiebendeWirkung, es sei denn, es wird diesofortige Vollstreckung nach § 80 IIVwGO angeordnet. Hierzu bedarf eseiner schriftlichen Begründung diejeweils auf den Einzelfall argumentativ

Page 288: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

eingeht.

Der Beschuldigte Seemann wird durchdie eingesetzten Polizeibeamtenfestgenommen und zurPolizeidienststelle verbracht. ImRahmen des Tatgeschehens dürftendurch den Beschuldigten u.a. in derTankstelle, an dem Mountainbike, derWaffe im Pkw und an dem nochaufzufindenden Behältnis des GeldesFingerabdrücke hinterlassen wordensein.

Für eine entsprechende Untersuchungob später gesicherte Fingerspuren vomBeschuldigten stammen und ggf. mit

Page 289: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

welchen Fingern in welcherGriffposition die Gegenständeangefasst wurden, wirdVergleichsmaterial vom Beschuldigtengebraucht. Hierzu werdenHandflächenabdrücke und Abdrückealler 10 Finger der Person benötigt.Die Sicherung des Materials erfolgtnach § 81b 1. Alt. StPO, da dieUntersuchungen zur Stärkung bzw.Aufklärung der Beweislage in demlaufenden Strafverfahren dienen. Diegewonnenen Unterlagen, diegesicherten Tatspuren und die späterauf diesem Material erstelltendaktyloskopischen Gutachten sind

Page 290: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Bestandteil der Ermittlungsakten(Gutachten) bzw. Asservate in demanhängigen Strafverfahren(Tatortspuren undVergleichsabdrücke). Die Unterlagenwerden nicht in polizeilicheDatensysteme eingestellt.

Zur Person des Beschuldigten istbislang bekannt, dass er bereitskriminalpolizeilich in Erscheinunggetreten ist. Die personengebundenenHinweise „GEWA“ und „BEWA“lassen erkennen, dass er bereitsStraftaten unter Gewaltanwendungbegangen hat und bereits früher durchdas Mitführen von Waffen aufgefallen

Page 291: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

ist. Zu diesen früheren Taten lassensich aus der Kriminalakte problemlosdie Daten der erfolgten Verurteilungenermitteln, sowie diestaatsanwaltschaftlichen Aktenzeichenweiterer gegen Seemann geführterVerfahren, sowie derenVerfahrensausgang. Da es sich hierbeium reine Verfahrensdaten handelt,bestehen keine Bedenken diese Datenauch aus der Kriminalakte zuverwenden. Aktuell besteht gegen ihnder dringende Tatverdacht einenbewaffneten Raubüberfall mit einerhalbautomatischen Selbstladepistoledurchgeführt zu haben. Hierbei hat er

Page 292: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

in Richtung eines verfolgenden Zeugeneinen Schuss abgegeben. Weiterhin wardie Tat geplant (Maskierung,Fluchtlogistik). Es bestehen deutlicheParallelen zu drei früheren Taten, diemit identischem Modus Operandi, beigleicher Objektauswahl und örtlicherLage im Süden von D-Stadt ausgeführtwurden. Diese Taten wurden alleinnerhalb von vier Wochen, also mithoher Tatfrequenz, verübt. Somitbesteht hier zumindest derAnfangsverdacht bezüglich dieserTaten gegen Seemann. Bei einerderartig hohen kriminellen Energie istzu erwarten, dass Seemann auch

Page 293: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

weiterhin Straftaten ähnlicherDeliktsschwere begehen wird. Daherist eine ErkennungsdienstlicheBehandlung auch nach § 81b 2. AltStPO zulässig. Die gewonnenUnterlagen werden in die polizeilichenSammlungen zum Zwecke dervorbeugenden Bekämpfung vonStraftaten aufgenommen.

•Kriminalakte

Lichtbilder undFingerabdrücke

• Digi-ED Lichtbilder• AFIS Fingerabdrücke

Im vorliegenden Fall ist dieEntscheidung des Haftrichters nicht

Page 294: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

durch die Polizei zu beeinflussen bzw.vorherzusehen. Sollte Seemann dochauf freien Fuß gesetzt werden, so istmit der Begehung weiterer Straftatenerheblicher Art zu rechnen. Bis zurEntscheidung über einen möglichenWiderspruch Seemanns gegen die ED-Behandlung kann mit der Umsetzungder Maßnahme nicht gewartet werden.Mit Blick auf die Tatfrequenz derbisherigen Taten ist die Begehungmehrerer neuer schwerwiegenderStraftaten bis zu einerverwaltungsgerichtlichen Entscheidungzu erwarten. Daher ist die Anordnungder sofortigen Vollziehung nach § 80 II

Page 295: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

VwGO erforderlich. Die Anordnungerfolgt durch die mit den Ermittlungenbetrauten Polizeibeamten. DieGewinnung von Unterlagen nach der 1.und 2. Alt. des § 81b StPO werdeni.d.R. miteinander verbunden undzeitgleich durchgeführt.

132) Wirth, S. 166.133) Frings/Rabe, Bd. I, S. 64.134) Die polizeirechtlichen Vorschriften zur

ED-Behandlung differieren je nachBundesland; hier wurde dieRechtsgrundlage für NRW verwendet.

135) Meyer-Goßner, § 81b, Rz. 3.136) Kramer, S. 191, Rz.184a.

Page 296: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

137) Meyer-Goßner, § 81b, Rz. 13.138) Kramer, S. 191, Rz. 184.139) Meyer-Goßner, § 81b, Rz. 15.140) Meyer-Goßner, § 81b, Rz. 4.141) Bzw. die jeweilige landesrechtliche

Vorschrift des Bundeslandes.142) KPS-Richtlinien, RdErl. des IM vom

25.08.2000 (MBL. S. 1370).143) Erkennungsdienst – RdErl. des IM NRW

vom 19.01.1998 (MBl. NRW. S. 158,Ber. S. 460 (SMBl. 20531), geändertdurch RdErl. vom 17.08.1999 (MBl.NRW. S. 1052).

144)http://www.bka.de/DE/ThemenABisZ/Erkennungsdienst/Daktyloskopie/AFIS/afis_node.html(Zugriff am: 25.04.2014).

145) Pollich/Erdmann/Grutzpalk, Die Polizei5/2014, S. 142.

Page 297: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

8 Entnahme vonKörperzellen

8.1 Begriff derEntnahme vonKörperzellen

Die weitere Untersuchung vonaufgefundenen Beweismitteln erfolgt u.a.auch in molekularbiologischenVerfahren.

Das DNA146)-Profil eines Menschenverändert sich im Laufe eines Lebensnicht. Es kann wegen der individuellenMarkierung für die Identifizierung einer

Page 298: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Person verwendet werden. In einemmolekularbiologischen Verfahren kannaus Gewebeteilen undKöperflüssigkeiten wie Sperma, Blutund Haaren ein genetisches Profil einesIndividuums erstellt werden. Dasspiralförmig angeordneteDoppelstrangmolekül ist in jederkernhaltigen Körperzelle des Menschenvorhanden und enthält das gesamteErbmaterial eines Menschen. Dieindividuelle Abfolge der paarweiseangeordneten Basen Adenin und Thyminbzw. Guanin und Cytosin bestimmen dengenetischen Code des Lebewesens. 5%des menschlichen Genoms bestehen aus

Page 299: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

dem sogenannten codierten Bereich,welche die Gene und damit die gesamtenErbinformationen enthalten. Dieserabsolut geschützte Kernbereich derPersönlichkeit, in den auf Grund einesGesetzes nicht eingegriffen werdendürfte, ist jedoch bei der forensischenUntersuchung nicht betroffen.147)

95 % der menschlichen DNA sind nichtcodiert, dieser Anteil enthältindividuelles Füllmaterial. Die Längeund Reihenfolge der Sequenzabschnittesind – mit Ausnahme eineiiger Zwillinge– so verschieden, dass sie zurUnterscheidung und Identifizierung

Page 300: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

genutzt werden können.148)

Die gesetzlich zugelassene Bestimmungdes Geschlechts (§ 81e I 1 2. HS StPO),also der nach X- bzw. Y-Chromosomenanalysierte DNA-Abschnitt, beinhaltetkeine genetischen Informationen,unterliegt also nicht dem absolutgeschützten Kernbereich derPersönlichkeit. Folgerichtig sind dieErmittlung von Erbanlagen undPersönlichkeitsmerkmalen verboten (§81e I 3, II 2 StPO).149)

Selbst geringste Mengen an DNA-Material können auf Grund einerPolymerasekettenreaktion150)

Page 301: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

vervielfältigt und damit analysefähiggemacht werden. Das Analyseverfahrenbezieht sich auf den nicht-codiertenBereich. Der in Kommentaren undRechtsprechung häufig vertretene Begriffdes „genetischen Fingerabdrucks“151) istinsoweit nicht präzise, da sich gängigeAnalyseverfahren ausnahmslos nicht aufGene beziehen.152)

8.2 Ziel der Entnahmevon Körperzellen

Mit der forensischen DNA- Analysesind zunächst zwei alternative Zieleverbunden:

Page 302: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Die molekulargenetische Untersuchungvon Vergleichs- undTatortspurenmaterial ermöglicht ineinem anhängigen Strafverfahreneinerseits den Ausschluss einesTatverdachts oder bietet ein weiteresIndiz für einen Tatverdacht gegen einebestimmte Person, die so alsSpurenverursacher identifiziert ist (§81e I und II StPO).

Andererseits kann das genetischeIdentifizierungsmuster nach derUntersuchung der Körperzellen vonBeschuldigten und rechtskräftigverurteilten Straftätern zurIdentitätsfeststellung eines

Page 303: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Spurenverursachers in zukünftigenStrafverfahren dienen (§ 81g I und IVStPO, Speicherung derIdentifizierungsmuster in der DNA-Analyse-Datei des BKA)153).

Die hohe Zahl qualitätsgesicherterSachbeweise führte in 2011 und 2012 zu1.100 Identifizierungen von DNA-Spurenlegern in Fällen des schwerenDiebstahls.154)

Außerhalb strafrechtlicherErmittlungsverfahren kann die Polizeizur Identifizierung unbekannter Toter undzur Vermisstensachbearbeitung aufmolekulargenetische Untersuchungen

Page 304: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

zurückgreifen (§ 14a PolG NRW).155)

8.3 Rechtsgrundlagenzur Entnahme vonKörperzellen

Am 22.03.1997 trat dasStrafverfahrensänderungsgesetz in Kraft,mit dem die §§ 81e und f StPO eingeführtwurden.156) Damit wurden diegesetzlichen Grundlagen für die DNA-Analyse in einem anhängigenErmittlungsverfahren geschaffen.

Die DNA-Analyse für die Aufklärungzukünftiger Straftaten wurde zunächstdurch das DNA-

Page 305: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Identitätsfeststellungsgesetz (DNA-IFG)ermöglicht.157)

Eine Modifizierung erfolgte mit demGesetz zur Novellierung derforensischen DNA-Analyse vom12.08.2005:158)

• Der Richtervorbehalt für diemolekulargenetische Untersuchung vonSpuren wird gestrichen.

• Es wird im Gesetz klargestellt, dassbei Einwilligung der betroffenenPerson in eine DNA-Analyse keinegerichtliche Entscheidung erforderlichist.

• Es wird eine ausdrückliche gesetzliche

Page 306: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Regelung zur Durchführung vonReihengentests auf der Basis einerfreiwilligen Mitwirkung derbetroffenen Personen nach einervorherigen richterlichen Anordnunggeschaffen.

• Es wird eine Eilkompetenz derStaatsanwaltschaft und ihrerErmittlungspersonen für die Anordnungder Entnahme von Körperzellen undderen molekulargenetischeUntersuchung vorgesehen.

• Die Voraussetzungen für eine DNA-Analyse zu Zwecken künftigerStrafverfolgung werden so erweitert,dass die Maßnahme auch bei

Page 307: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Beschuldigten zulässig wird, diewiederholt Straftaten auch von jeweilsnicht erheblicher Bedeutung begangenhaben oder diese voraussichtlichbegehen werden.

• Die Überführung der entsprechendenRegelungen für Verurteilte sowie fürdie Speicherung in dieStrafprozessordnung ermöglicht dieAufhebung des DNA-IFG und regeltdamit das Recht der DNA-Analyseeinheitlich und abschließend innerhalbder Strafprozessordnung.

• In sogenannten Umwidmungsfällenwird eine Benachrichtigung desBetroffenen über die Speicherung

Page 308: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

sowie seine Belehrung über dieMöglichkeit gerichtlichenRechtsschutzes vorgesehen.

Eine schriftliche Einwilligung derbetroffenen Person in eine DNA-Analyse macht eine gerichtlicheEntscheidung entbehrlich (§§ 81f I, 81gIII, 81h I StPO):

„Eine entsprechende Einwilligung isthier möglich, da die betroffenenGrundrechte der körperlichenUnversehrtheit (Artikel 2 II GG) und derinformationellen Selbstbestimmung(Artikel 2 I in Verbindung mit Artikel 1 IGG) in dem hier in Frage stehenden

Page 309: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Rahmen der Disposition des jeweiligenGrundrechtsträgers unterliegen. DasBundesverfassungsgericht hat für dasGrundrecht auf informationelleSelbstbestimmung ausdrücklichanerkannt, dass eine entsprechendeEinwilligung wirksam erfolgen kann(vgl. BVerfGE 65, 1, 38 ff.). DieErgänzung in § 81f I bzw. 81g III StPOträgt damit dem Umstand Rechnung, dassdie insoweit divergierendeRechtsprechung der Praxis Unsicherheitin der Rechtsanwendung gebracht hat,die durch die Neuregelung beseitigtwird.

Indem für die Einwilligung die

Page 310: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Schriftform vorgesehen wird und einevorherige Belehrung des Betroffenenüber den Verwendungszweck der zuerhebenden Daten zu erfolgen hat, wirdgewährleistet, dass die zur Mitwirkungan einer DNA-Analyse aufgefordertePerson in nachvollziehbarer Weise undfrei darüber entscheiden kann, ob sie derMaßnahme zustimmt. Dies gilt auch fürPersonen, denen die Freiheit entzogenist. Hier geht bereits das geltende Rechtausdrücklich davon aus, dass Inhaftiertewirksam in die Erhebung und weitereVerwendung persönlicher Dateneinwilligen können (vgl. § 187 StVollzGi.V.m. § 4a I und II BDSG).“159)

Page 311: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Die formgebundene Einwilligung alsEingriffsvoraussetzung kann nichtwiderrufen werden.160)

Die Speicherung der Daten für dieIdentitätsfeststellung in zukünftigenFällen setzt u.a. eine Straftat vonerheblicher Bedeutung voraus und eineGefahrenprognose, die auf den Einzelfallbezogen individuell die bisherbegangenen Straftaten und dieWürdigung der Persönlichkeit desBeschuldigten nachvollziehbaranalysiert (vgl. §§ 81g I, 484 II StPO:Zulässigkeit der Speicherung von Datenbei Annahme weiterer zu führender

Page 312: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Strafverfahren wegen• Art oder Ausführung der Tat,• der Persönlichkeit des Beschuldigten

oder Tatbeteiligten oder• sonstiger Erkenntnisse.

Dabei muss auch auf den Einzelfallbezogen erkennbar werden, dass die Tatden Rechtsfrieden erheblich stört unddas Gefühl der Rechtssicherheiterheblich beeinträchtigt.161)

Dagegen ist es in einem anhängigenErmittlungsverfahren das vorrangigeUntersuchungsziel, frühzeitig einenBeschuldigten zu überführen oder als

Page 313: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Täter auszuschließen. Daher ist wedereine erhöhte Verdachtsstufe noch eineSubsidiaritätsklausel verlangt.162)

An dem von dem Beschuldigten nach §81a StPO entnommenen Material ist dieUntersuchung zulässig, um festzustellen,ob das aufgefundene Spurenmaterial vonihm oder vom Verletzten stammt (§ 81e IStPO). Diese Tatbestandsvoraussetzungist auch erfüllt, wenn die Körperzellenohne einen Eingriff nach § 81a I StPOrechtmäßig erlangt worden sind.163)

An dem von Dritten nach § 81c StPOerlangten Material erfolgt dieUntersuchung unter gleichen

Page 314: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Tatbestandsvoraussetzungen i.d.R. mitdem Ziel, festzustellen, ob dieaufgefundene Sache oder Spur dem Täteroder Tatopfer zugeordnet werden kann.

Parallel dazu erfolgen regelmäßig dieUntersuchungen an dem aufgefundenen,sichergestellten oder beschlagnahmtenSpurenmaterial (§ 81e II StPO).

DNA-Analyse im Strafverfahren

Page 315: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Abb. 17: DNA-Analyse im anhängigenStrafverfahren

Page 316: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

DNA-Analyse für dieIdentitätsfeststellung in

zukünftigen Strafverfahren

Page 317: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD
Page 318: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Abb. 18: DNA-Analyse für zukünftigeStrafverfahren

8.4 Durchführung derEntnahme vonKörperzellen

Die Grundsätze und das Verfahren derEntnahme und molekulargenetischenUntersuchung sind in den Bundesländerndurch Erlass weitergehend geregelt. FürNordrhein-Westfalen ergeben sich u.a.die nachfolgenden Regelungen für denFall der Einwilligung derBetroffenen.164) Anlagen des Erlasses

Page 319: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

sind die Vordrucke zur„Einverständniserklärung DNA“:• bei Beschuldigten, Verurteilten oder

gleichgestellten Personen mitergänzenden Hinweisen zum Verfahren

• bei anderen Personen alsBeschuldigten zum Zwecke derErmittlung des Täters in einemStrafverfahren bei Opfern, Zeugen odergleichgestellten Personen mitergänzenden Hinweisen zum Verfahren

• bei anderen Personen alsBeschuldigten zum Zwecke derErmittlung des Täters in einemStrafverfahren im Rahmen einer DNA-

Page 320: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Reihenuntersuchung gemäß § 81h StPOmit ergänzenden Hinweisen zumVerfahren

und das Protokoll über die Entnahme,Aufbewahrung und Vernichtung einerSpeichelprobe.

Ergänzend zu den gesetzlichenGrundlagen sind auf Wunsch desBetroffenen Kopien derEinwilligungserklärung sowie desHinweisblattes auszuhändigen. DieAushändigung oder der Verzicht sind zudokumentieren, die Aktenhaltung istvorgegeben.165)

Page 321: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen gewährleistet diemolekulargenetische Untersuchung derKörperzellproben und Tatortspuren, dieProben sind u.a. pseudonymisiert an diedortige Untersuchungsstelle zuübergeben.166) Die Beantragung vonmolekulargenetischenSpurenuntersuchungen (DNA-Untersuchungen) beimLandeskriminalamt Nordrhein-Westfalenergeht unter Beachtung einesMerkblattes.167)

8.5 BesonderheitenFür die Zulässigkeit des Eingriffs bei

Page 322: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Dritten (§ 81c StPO) gelten die in den §§81c III, IV und VI StPO genanntenZeugnis- undUntersuchungsverweigerungsrechte.

8.6 Anordnung derEntnahme vonKörperzellen/Formvorschriften

Eine schriftliche Einwilligung desAdressaten macht die richterlicheAnordnung der Maßnahme entbehrlich (

Kap. 8.3).168)

Der grundsätzliche Verzicht auf denRichtervorbehalt bei der DNA-Analyse

Page 323: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

von Tatortspuren muss mit anderenverfahrensrechtlichen Sicherungeneinhergehen.169)

Die Vernichtungsregelung des § 81a IIIStPO gilt auch für das nach § 81e StPOzu untersuchende Material mit Ausnahmeder Tatortspuren.170) Sie ist weiterhinauch in den Fällen der Untersuchungenfür zukünftige Verfahren zu beachten (§81g II StPO).

Ferner bestehen Zweckbindungen (§§81a III S. 1 und 81g II S. 1 StPO) undVerwendungsbeschränkungen (§ 81g VS. 3 StPO).

Page 324: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Wegen der Anordnung der Entnahmedurch die Staatsanwaltschaft oder durchihre Ermittlungspersonen gilt § 98 II S. 2StPO entsprechend.171)

In den Fällen der sogenanntenmolekulargenetischenReihenuntersuchungen (Massengentests)gilt § 81h StPO.172) Einemolekulargenetische Reihenuntersuchung(§ 81h StPO) ist in Verdachtsfällen vonVerbrechen gegen das Leben, diekörperliche Unversehrtheit, diepersönliche Freiheit oder die sexuelleSelbstbestimmung bei den Personen, diebestimmte, auf den Täter vermutlich

Page 325: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

zutreffende Prüfungsmerkmale erfüllen,mit deren schriftlicher Einwilligungmöglich. Sie bedarf einer schriftlichengerichtlichen Anordnung (§ 81h II S. 1StPO). Bei einer schriftlichenEinwilligung von Betroffenen gelten hierbesondere Vorschriften zumRechtsschutz.173)

146) Meyer-Goßner, S. 302, § 81e, Rz. 1:DNA = deoxyribonucleic acid, aufdeutsch: Desoxyribonukleinsäure.

147) BVerfG, Az. 2 BvR 1741/99; in: NJW2001, S. 879 ff. [880, mit weiterenNachweisen].

148) Pommer, S. 622.

Page 326: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

149) Pommer, S. 624, Bäumler, H., Lütkes, A.,S. 88.

150)http://www2.klett.de/sixcms/media.php/8/045649_112_113.pdf(Zugriff am 04.09.2014).

151) Lisken/Denninger, S. 472, Rz. J 472.152) Pommer, S. 622.153) Mit Ablauf des II. Quartals 2013 umfasste

die DNA-Analyse-Datei einen Bestandvon 1.023.067 Datensätzen. DieseGesamtzahl setzt sich zusammen aus791.342 Personendatensätzen und231.725 Spurendatensätzen. Jeden Monatwerden ca. 8.600 neue Datensätze in derDNA-Analyse-Datei erfasst. Aufgrundvon Fristablauf oder aus anderen Gründenwurden seit 1998 etwa 273.500Datensätze wieder gelöscht. SeitErrichtung der Datei wurden 156.327

Page 327: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Treffer erzielt (Stand: 30.06.2013).Hierbei wurde in 32.482 Fällen einTatzusammenhang festgestellt (Spur-Spur-Treffer, d.h. derselbeSpurenverursacher an verschiedenenTatorten). 123.845 mal wurde eineTatortspur einer Person, einemSpurenverursacher, zugeordnet und damitvermutlich eine Tat aufgeklärt.http://www.bka.de/DE/ThemenABisZ/DnaAnalyse/Statistik/dnaStatistik_node.html(Zugriff am 13.09.2013).

154) LKD Wolfgang Gatzke, Direktor LKANordrhein-Westfalen, anlässlich einesSymposiums zum Wohnungseinbruch am06.11.2013 in Gelsenkirchen, FHöVNRW; in: Pollich/Erdmann/Grutzplak,Die Polizei 5/2014, S. 142.

155) Tegtmeyer/Vahle, S. 149, § 14a, Rz. 1.156) BGBl. I S. 543.

Page 328: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

157) BGBl., I 1998, BT-Drucksache 13/10791.158) BT-Drucksache 15/5674, S. 2; Die DNA-

Analyse im Überblick:http://www.bfdi.bund.de/DE/Themen/EinzelneRechtsgebiete/Strafrecht/Artikel/DNA-AnalyseImStrafverfahren.html?nn=409600 (Zugriff am 05.05.2014).

159) BT-Drucksache 15/5674, S. 8.160) Meyer-Goßner, S. 312, § 81g, Rz. 17.161) BVerfG, Az., 2 BvR 1841/00; in: NJW

2001, S. 2320 ff. [2322].162) Meyer-Goßner, S. 303, § 81e, Rz. 7.163) Ebd., Rz. 5.164) Erlass des IM NRW vom 21.08.2006,

Az.: 42-62.09.09 (6403), abgedruckt imPolizeifachhandbuch, 48-3 La/NW.

165) Ebd., Nr. 8 und 9.166) Ebd., Nr. 16.167) Merkblatt des LKA NRW, Az.: 5-KTI-

Page 329: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

62.09.04, Stand: 21.12.2009, abgedrucktim Polizeifachhandbuch, 48-3-1 La/NW.

168) Vertiefend dazu: Finger, Überblick auf S.697.

169) Bäumler/Lütkes, S. 89.170) Meyer-Goßner, S. 313, § 81e, Rz. 10.171) Meyer-Goßner, S. 308, § 81g, Rz. 22

i.V.m. S. 288, § 81a, Rz. 31.172) Vertiefend dazu BGH, Az. 3 StR 117/12;

Urteil in:http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&nr=62631&linked=pm(Zugriff am 05.05.2014).

173) Meyer-Goßner, S. 316, § 81h, Rz. 14.

Page 330: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

9 Vernehmung9.1 Begriff der

VernehmungAuch wenn in der heutigen Zeit dieMöglichkeiten der Kriminaltechnikzunehmend verfeinert werden und anBedeutung gewonnen haben, so kann aufdie klassische Vernehmung nichtverzichtet werden. Vielfach lässt erst dieVernehmung von Zeugen oderBeschuldigten eine Interpretation desBeweiswertes von Tatortspuren zu.Zudem findet in dem Bereich deralltäglichen Diebstahlskriminalitäthäufig keine Spurensicherung statt, sei

Page 331: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

es, dass keine Spuren zu sichern sindoder schlicht aus arbeitsökonomischenÜberlegungen nicht gesichert werden.Eine Aufklärung entsprechenderTatserien ist dann häufig nur durch einesachgerechte Kriminalitätsauswertungund optimale Vernehmungsführungmöglich.

„Zum Begriff der Vernehmung im Sinneder Strafprozessordnung gehört, dass derVernehmende der Auskunftsperson (alsodem Beschuldigten, dem Zeugen oderdem Sachverständigen) in amtlicherFunktion gegenübertritt und in dieserEigenschaft von ihr Auskunft (eine

Page 332: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Aussage) verlangt.“174) Grundsätzlich istsomit jede Kommunikation einesPolizeibeamten in amtlicher Eigenschaftmit einem Bürger zurInformationserhebung in einemErmittlungsverfahren, bis auf wenigeAusnahmefälle, als Vernehmunganzusehen. Da auch schon der Bereichdes Ersten Angriffs zumErmittlungsverfahren gehört, sind alsoauch die ersten Gespräche zwischenBeamten des Wach- undWechseldienstes am Tatort mit denGeschädigten und Zeugen bzw.festgenommenen Personen grundsätzlichals Vernehmung einzustufen.

Page 333: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Ausschlaggebend für eine erfolgreicheDurchführung der Vernehmung sindsowohl die Wahl der richtigenVernehmungstaktik, als auch die Wahlder richtigen Vernehmungstechnik.„Vernehmungstaktik (ist die)zielorientierte und zweckmäßigeGestaltung einer Vernehmung […].Bestimmend für die Vernehmung sinddie Rechtsvorschriften […] sowie dieErkenntnisse zum Sachverhalt und zurPersönlichkeit, insbesondere ein zuerwartender Aussagewiderstand.“175)

Vernehmungstechnik sind „Art undWeise der Kommunikation in derVernehmung zur Erlangung möglichst

Page 334: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

realitätsnaher Aussagen.“176)

Von der Vernehmung im Strafverfahrenabzugrenzen ist die polizeirechtlicheBefragung. „Befragen“ im Sinne derPolizeigesetze ist jedes Verhalten, dasauf die Erlangung von Informationendurch Auskunftserteilung zielt. Es ist aufdas Herbeiführen von Äußerungengerichtet.“177) Im Gegensatz zurVernehmung dient die Datenerhebunggefahrenabwehrenden Zwecken. Es wirdauch nicht zwischen Beschuldigten undZeugen unterschieden, weiterhin gibt esauch keine Belehrungspflichten undmögliche Auskunfts- und

Page 335: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Aussageverweigerungsrechte. Vielmehrist der Adressat der Maßnahme zurAuskunftserteilung an die Polizeiverpflichtet, insoweit eine gesetzlicheHandlungspflicht seinerseits besteht.Rechtsgrundlage für die Befragung vonPersonen zu gefahrenabwehrendenZwecken ist in Nordrhein-Westfalen § 9PolG NRW.178)

9.2 Ziel derVernehmung

Gestaltung und Ablauf der Vernehmungsind im Einzelfall u.a. immer abhängigvon der verfahrensrechtlichen Stellung

Page 336: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

der Vernehmungsperson, derenPersönlichkeit und dem Verhalten beifrüheren Vernehmungen, sowie demjeweiligen Ermittlungsstand.

Grundsätzlich kann jedoch festgehaltenwerden, dass es stets polizeiliches Zielist im Rahmen einer Vernehmungmöglichst umfassende undwahrheitsgemäße Angaben zu einemermittlungsrelevanten Geschehen zuerhalten. Die Zielprioritäten könnenhierbei – abhängig von der jeweiligenPhase der polizeilichen Ermittlungen –variieren.

In der Phase des Sicherungsangriffs steht

Page 337: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

sicherlich die Erschließung möglicherBeweismittel (u.a. Tatortspuren, weitereZeugen) im Vordergrund, während imBereich der weiteren Ermittlungen durchdie Fachdienststelle eher die Prüfungund der Abgleich der Beweismittel imVordergrund stehen, um ein möglichstklares Bild des Tatgeschehens und einemöglichst klare Beweislage zu erlangen.Dazu gehört dann die umfassende undwiderspruchsfreie Aufklärung desTatgeschehens u.a. hinsichtlich• der tatbeteiligten Personen• der jeweils zuordnungsfähigen

Einzeltatbeiträge

Page 338: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

• möglicher weiterer begangener odergeplanter Straftaten

• der Absatzwege und Beuteverwertung,bzw. Lagerorte von Diebesgut

• der Gewinnung weiterer Beweismittel.

Die Informationen müssen in derVernehmung so präzise herausgearbeitetwerden, dass eine Prüfung derjeweiligen subjektiven und objektivenTatbestandmerkmale, sowie möglicherRechtfertigungsgründe oderSchuldminderungs- oderSchuldausschließungsgründe durch dieStaatsanwaltschaft und das Gerichtmöglich sind.

Page 339: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Dies bedingt vor Durchführung derVernehmung stets zunächst dieGewinnung von Klarheit über dieangestrebte Vernehmungstaktik undVernehmungstechnik, um zu einemoptimalen Ergebnis zu kommen.

9.3 Differenzierungzwischenpolizeilicher,staatsanwaltschaftlicherund richterlicherVernehmung

Vernehmungen im Ermittlungsverfahrenwerden in den meisten Fällen durch die

Page 340: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Polizei durchgeführt, wenn gleich wederfür Zeugen, Sachverständige oderBeschuldigte eine gesetzlicheVerpflichtung zur Aussage oder zumErscheinen zur Vernehmung bei derPolizei besteht. § 163 III StPO beinhaltetlediglich die Befugnis zur Durchführungder Vernehmung von Zeugen undSachverständigen durch die Polizei,bzw. § 163a IV StPO die Befugnis zurVernehmung von Beschuldigten. Folglichbrauchen weder Zeugen nochBeschuldigte der Vorladung zurpolizeilichen Vernehmung zu folgenbzw. können grundsätzlich auch zu jedemZeitpunkt einer Vernehmung den

Page 341: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Vernehmungsraum verlassen und aus derVernehmung „aussteigen“.

In den letzten Jahren ist bei anstehendenÄnderungen der Strafprozessordnungimmer wieder diskutiert worden, obzumindest für Zeugen eine Erscheinungs-und Aussagepflicht (wenn keineZeugnis- undAuskunftsverweigerungsrechte inAnspruch genommen werden können)auch bei der Polizei in der StPOverankert werden soll.

Anders hingegen ist die Rechtslage beider Staatsanwaltschaft. „Zeugen undSachverständige sind verpflichtet, auf

Page 342: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Ladung vor der Staatsanwaltschaft zuerscheinen und zur Sache auszusagenoder ihr Gutachten zu erstatten.“179)

Beim Nichterscheinen eines Zeugen oderder unzulässigen Verweigerung derAussage eines Zeugen, dessen Aussagefür den Fortgang des Verfahrens wichtigist, wird die Ermittlungsbeamtin/derErmittlungsbeamte einen Antrag an dieStaatsanwaltschaft auf Vorladung desZeugen zur staatsanwaltschaftlichenVernehmung stellen. Wird der dannfolgenden staatsanwaltschaftlichenVorladung nicht Folge geleistet, sokommt die Festsetzung von

Page 343: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Zwangsmitteln durch dieStaatsanwaltschaft oder diezwangsweise Vorführung in Betracht.180)

Sind wichtige Zeugen nicht bereit, beider Polizei zu erscheinen oderauszusagen, obwohl ihnen keinestrafprozessualen Zeugnis- oderAussageverweigerungsrechte zustehen,so genügt meist der Hinweis derermittelnden Polizeibeamten, dass beierneutem Nichterscheinen einestaatsanwaltschaftliche Vorladung derZeugen erfolgen wird und diese auchmittels Zwangsmittel durchgesetztwerden kann.

Page 344: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Auch Beschuldigte haben die Pflicht, aufVorladung bei der Staatsanwaltschaft zuerscheinen, sie sind jedoch zu keinerAussage bei der Staatsanwaltschaftverpflichtet. Gleichfalls zum Erscheinenauf Vorladung und zur Aussage sindZeugen bei der richterlichenVernehmung im Ermittlungsverfahrenverpflichtet.

Schaubild zur Differenzierungzwischen polizeilicher,

staatsanwaltschaftlicher undrichterlicher Vernehmung im

Ermittlungsverfahren

Page 345: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Abb. 19: Polizeiliche,staatsanwaltschaftliche undrichterliche Vernehmung im Überblick

Page 346: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Bei der Festsetzung der Zwangsmittelkann die Staatsanwaltschaft eigenständigein Ordnungsgeld verhängen oder diezwangsweise Vorführung der Person zurVernehmung anordnen. Für dieVerhängung von Ersatzzwangshaft zurHerbeiführung einer Zeugenaussagebedarf es hingegen eines richterlichenBeschlusses auf Antrag derStaatsanwaltschaft.

Der Ermittlungsrichter kann hingegensämtliche Zwangsmittel – bis hin zu 6Monaten Erzwingungshaft – eigenständigfestsetzen.

9.4 Differenzierung

Page 347: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

zwischenSpontanäußerung,informatorischerBefragung undVernehmung

Mögliche Gesprächsformen imStrafverfahren

Abb. 20: Gesprächsformen imStrafverfahren

Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens

Page 348: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

ist davon auszugehen, dass jedesfallbezogene Gespräch zwischen denErmittlungskräften und einer eventuellam Verfahren beteiligten Person zurInformationsgewinnung in diesemVerfahren als Vernehmung einzustufenist. Hierbei stellt bereits das Gesprächselbst die Vernehmung dar, einerSchriftform bedarf es für dieQualifizierung des Gespräches alsVernehmung nicht. Die Protokollierungder Erkenntnisse stellt lediglich einemögliche Form der Dokumentation da.

Gerade in der Anfangsphase einesErmittlungsverfahrens, so beimEintreffen der ersten Funkstreifenwagen

Page 349: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

am Einsatzort, steht die Polizei häufigunter dem Druck, sehr schnelleinsatzrelevante Informationen erlangenzu müssen, so z.B. über dieBeschreibung des Täters, dessenFluchtrichtung, benutzte Fluchtmittelusw. Gerne wird in Einsatzberichten fürdiese Gesprächsführung später dieFormulierung verwendet, dass es sichhierbei um eine erste informatorischeBefragung am Einsatzort gehandelt habe.Dabei wird dann verkannt, dass derBegriff der informatorischen Befragungnur einen genau definierten und zeitlichsehr eng umrissenen Befragungszeitraumumfasst.

Page 350: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Von einer informatorischen Befragungkann nur dann gesprochen werden, wennentweder die Qualität des Sachverhaltesoder der verfahrensrechtliche Status derPerson noch unklar sind. Definiertwerden kann die informatorischeBefragung als eine, der Einleitung desErmittlungsverfahrens vorgelagerte„[…] formlose Befragung zurGewinnung eines groben Bildes, obtatsächlich der Verdacht einer Straftatbesteht und wer als Beschuldigter oderZeuge in Betracht kommt.“181)

Beim Eintreffen des Wach- undWechseldienstes am Einsatzort ist oft

Page 351: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

noch nicht klar erkennbar, ob eineStraftat vorliegt und wer ggf. Zeuge undwer Beschuldigter ist. Bei der danngebotenen schnellen Erlangung wichtigereinsatztaktischer Informationen (z.B.Täterbeschreibung, Fluchtrichtung desTäters) handelt es sich rechtlichbetrachtet um eine Vernehmung, bei derauf die rechtlich gebotene Belehrung –im Rahmen einer einsatztaktischenAbwägung – bewusst verzichtet wurde.Hierbei wird dann in Kauf genommen,dass diese Informationen eventuell alsBeweismittel vor Gericht nichtverwertbar sein könnten.

Im Beispielsachverhalt werden zwei

Page 352: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Streifenwagenbesatzungen zurüberfallenen Tankstelle entsandt.Bereits bei Einsatzvergabe durch dieLeitstelle wird den Kräften mitgeteilt,dass es sich offenkundig um einen Raubauf eine Tankstelle handelt. Mithin istklar, dass es sich um ein Raubdelikthandelt. Sobald nun vor Ort für dieEinsatzkräfte klar ist, dass es sich beiihrer Gesprächspartnerin um das Opferhandelt, ist auch derverfahrensrechtliche Status von FrauMüller als Zeugin klar. LautSachverhalt teilt Frau Müller denBeamten in einem ersten Gespräch eineTäterbeschreibung mit. Dieses erste

Page 353: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Gespräch ist bereits nicht mehr alsinformatorische Befragung sondern alseine Vernehmung unter bewusstemVerzicht auf eine Zeugenbelehrung zuqualifizieren. Diese Entscheidungwurde durch die eingesetzten Kräfteunter Abwägung der einsatztaktischenErfordernisse getroffen. Eine möglicheTäterergreifung geht hier anderenVerfahrensaspekten vor.

Sowohl von der Vernehmung, als auchvon der informatorischen Befragung istdie Spontanäußerung abzugrenzen.„Unter einer Spontanäußerung verstehtman Äußerungen, die der Beschuldigteoder Zeuge ohne Zutun des

Page 354: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Vernehmungsbeamten vor einermöglichen Belehrung spontan abgegebenhat.“182) Hierbei kann es sich nur umeinen kurzen und eng umgrenztenZeitraum zwischen dem Eintreffen amEinsatzort und der Erlangung derInformation handeln. Der Informationdarf insbesondere nicht dieAufforderung zu einer Aussagevorangehen.

Im Beispielssachverhalt ist eineSpontanäußerung nicht ersichtlich.Wäre Frau Müller beim Eintreffen derKräfte des Wach- und Wechseldienstesauf die Beamten zugelaufen und hätte

Page 355: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

z.B. sofort von sich aus dieFluchtrichtung der Person und derenBeschreibung mitgeteilt, dann hättehier bis zu der ersten Nachfrage derBeamten eine Spontanäußerungvorgelegen.

9.5 StrafprozessualeBelehrungspflichtenbei Vernehmungen

Personen, die von Angehörigen derStrafverfolgungsorgane vernommenwerden, sind vor der Vernehmung überihre jeweiligen Rechte und Pflichten zubelehren. Der Hintergrund für diese

Page 356: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Verpflichtung ist u.a., dass derGesetzgeber den rechtsunkundigenBürger gegenüber dem rechtskundigenBürger im Strafverfahren nichtbenachteiligen will. Die Belehrung istvom jeweiligen verfahrensrechtlichenStatus der Person abhängig.

9.5.1 Belehrung von Zeugen

Zeuge ist, wer seine (in derVergangenheit liegenden)Wahrnehmungen über Tatsachen durchAussage kundgeben soll, ohneSachverständiger oder Beschuldigter zusein.183)

Page 357: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Im späteren Gerichtsverfahren ist „derZeuge ein persönliches Beweismittel,eine Beweisperson, die in einem nichtgegen sie selbst gerichtetenStrafverfahren Auskunft über dieWahrnehmung von Tatsachen gibt.“184)

Dies gilt auch für die an denTatortmaßnahmen und Ermittlungenbeteiligten Polizeibeamten. In demspäteren Verfahren werden sie alsZeugen vom Gericht geladen. Dortmüssen sie – wie jeder andere Zeugeauch – zu ihren Beobachtungen,Feststellungen und durchgeführten odervermeintlich unterbliebenen Maßnahmen

Page 358: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

aussagen. Hierbei steht ihnen jedochkeine besondere Rechtsposition zu; siesind in dem Verfahren Zeugen wie alleanderen Zeugen auch und nichtProzesspartei (haben also u.a. keinFragerecht o.Ä.).

Der sogenannte sachkundige Zeuge istnicht Sachverständiger. DerSachverständige wird nach demTatgeschehen durch die Polizei oder dieStaatsanwaltschaft mit bestimmtenUntersuchungen beauftragt – ohne beimTatgeschehen oder unmittelbar danachselbst anwesend gewesen zu sein. DerSachkundige Zeuge ist nichtSachverständiger, hat jedoch im

Page 359: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Zusammenhang mit dem Gescheheneigene Beobachtungen oderFeststellungen gemacht und verfügt übereine besondere Sachkunde, so z.B. derArzt, der über einenUntersuchungsbefund gegenüber demGericht sachdienstliche Angaben macht.

„Soweit zum Beweis vergangenerTatsachen oder Zustände, zu derenWahrnehmung eine besondereSachkunde erforderlich war,sachkundige Personen zu vernehmensind, gelten die Vorschriften über denZeugenbeweis.“185) Daraus folgt, dassim Gegensatz zum Sachverständigen der

Page 360: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

sachverständige Zeuge im Verfahrennicht abgelehnt oder ausgetauschtwerden kann, keine Bewertungen undSchlussfolgerungen vornehmen darf undauch nicht im Auftrag einerProzesspartei aussagt.

Zeugen sind zu Beginn der Vernehmungzur Sache, mit der Aufforderung zurAussage über ihre Rechte nach § 163 IIIStPO i.V.m. §§ 52,55 und 57 StPO zubelehren. Für die Erhebung undFeststellung der Personalien des Zeugenselbst bedarf es noch keiner Belehrung.„Die Belehrung des Zeugen über seinZeugnisverweigerungsrecht nach § 52StPO und sein

Page 361: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55StPO […] ist aktenkundig zumachen.“186)

Häufig findet nach der Erhebung derPersonalien des Zeugen ein sogenanntesVorgespräch mit dem Zeugen statt, umu.a. festzustellen, ob der Zeugeaussagewillig ist, zu welchen Punkten erBeobachtungen gemacht hat oderaussagen kann oder will. DiesesVorgespräch ist bereits Bestandteil derVernehmung zur Sache, also muss dieZeugenbelehrung bereits vor demVorgespräch stattgefunden haben.

Zeugen sind stets einzeln zu vernehmen.

Page 362: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Eine festgelegteVernehmungsreihenfolge gibt es nicht. Inden meisten Verfahren werden zunächstdie Zeugen und zum Abschluss derErmittlungen dann der Beschuldigtevernommen. Über die Abfolge in der diemöglichen Zeugen vernommen werdenentscheidet der Ermittlungsbeamte oderdie Staatsanwaltschaft nach eigenemErmessen – stets orientiert an dem Zielein optimales Ermittlungsergebnis zuerreichen.

„Vor jeder Vernehmung, und zwar vorder Vernehmung zur Sache ist eineBelehrung erforderlich, auch wenn siebereits bei einer früheren Vernehmung

Page 363: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

erfolgt ist.“187)

Zur Zeugnisverweigerung sind u.a.berechtigt, Verlobte, Eheleute (auchnach Ende der Ehe), eingetrageneLebenspartner untereinander bzw. wenndas Versprechen vorliegt, eine solcheeingetragene Lebenspartnerschafteinzugehen. Weiter sind zurZeugnisverweigerung Personenberechtigt, die mit dem Beschuldigten ingerader Linie verwandt oderverschwägert, in der Seitenlinie bis zumdritten Grad verwandt oder bis zumzweiten Grad verschwägert sind oderwaren.188)

Page 364: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Zeugnisverweigerungsrechte *

* Aus Gründen der Übersichtlichkeit ist indieser Übersicht nur der Begriff Ehegatteverwendet worden, dem Ehegatten steht dereingetragene Lebenspartner einergleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaftgleich, genau so steht das ernstgemeinte

Page 365: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Versprechen eine solche Partnerschafteinzugehen dem Verlöbnis gleich.

Abb. 21: Übersicht überZeugnisverweigerungsrechte

Während die Verwandtschaftsgrade überdie Regelungen des BGB klar abzuleitensind, besteht häufig Unklarheit, ob einVerlöbnis besteht oder nicht bzw. einVersprechen zu einer eingetragenenLebenspartnerschaft besteht oder nicht.Der Begriff des Verlöbnisses (§ 52StPO) ist weder im Straf- noch imZivilrecht genau definiert. „EinVerlöbnis setzt ein beiderseitigernstgemeintes Eheversprechen

Page 366: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

voraus.“189)

Ausgeschlossen ist demnach ein„Versprechen“ welches gegen geltendesRecht oder die guten Sitten verstößt.Ausschlaggebend für die Frage ob einZeugnisver-weigerungsrecht in Anspruchgenommen werden kann, ist nicht derVerwandtschaftsgrad bzw. einbestehendes Verlöbnis zum Zeitpunkt derTat, sondern ob derVerwandtschaftsgrad oder das Verlöbniszum Zeitpunkt der Vernehmung besteht.

In der polizeilichen Praxis ist öfter zubeobachten, dass es längereDiskussionen mit zu vernehmenden

Page 367: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Zeuginnen gibt, ob denn berechtigterWeise das Zeugnis verweigert werdenkönnte; man würde ja schon länger mitdem Beschuldigten zusammen wohnen.Bei konkreten Nachfragen stellt sichdann auch häufig heraus, dass dieGründe für den gemeinsamen Hausstandoder das behauptete Verlöbnis vielfältigsind, jedoch ein ernsthaftesEheversprechen nicht erkennbar ist. Diedann bei der Polizei herbeigeführteAussage wird jedoch nicht langeBestand haben, denn ein halbwegsgeschickter Rechtsanwalt wird derZeugin und dem Beschuldigten schnellden Hinweis geben, sich „erkennbar“ zu

Page 368: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

verloben und schon kann sich die Zeuginjetzt auf ein Zeugnisverweigerungsrechtberufen.

Während bei Eheleuten dasZeugnisverweigerungsrecht auch nachder Ehescheidung fortbesteht, entfällt einZeugnisverweigerungsrecht, sobald dasVerlöbnis wieder gelöst wurde. Geradebei Personen im kriminellen Milieu, beidenen ein Verlöbnis (z.B. Zuhälter-Prostituierte) offenkundig ausprozesstaktischen Gründen besteht, isthier Aufmerksamkeit angesagt, denntaucht die nächste Verlobte auf, so kanndas vorherige Verlöbnis ja nur gelöstworden sein und es besteht dann eine

Page 369: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Aussagepflicht in dem früherenVerfahren.

Ist die Belehrung nach § 52 III Satz 1StPO unterblieben oder die Zustimmungnach § 52 II StPO unterblieben, so darfdie Aussage nicht verwertet werden.190)

Eine Unverwertbarkeit derZeugenaussage besteht jedoch nur dann,wenn dem Zeugen auch tatsächlich einZeugnisverweigerungsrecht zugestandenhätte. Stand dem Zeugen keinZeugnisverweigerungsrecht zu und dieBelehrung ist unterblieben oder nichterfolgt, dann liegt zwar ein formalerVerstoß gegen die Belehrungspflicht vor,

Page 370: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

die Aussage ist jedoch vor Gericht alsBeweismittel verwertbar.

Steht dem Zeugen einZeugnisverweigerungsrecht zu und erverweigert das Zeugnis, dann muss seineVernehmung unterbleiben. „DieZeugnisverweigerung eines Angehörigendarf nicht gegen den Angeklagtenverwendet werden“191), so z.B. wenndessen Ehefrau sich auf ihrZeugnisverweigerungsrecht beruft.

Das Zeugnisverweigerungsrecht ist einhöchst persönliches Recht des Zeugen.Daraus folgt, dass sich der Zeuge injeder Phase des Verfahrens auf sein

Page 371: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Zeugnisverweigerungsrecht berufenkann. Der Zeuge kann also bei derPolizei aussagen und erst in derHauptverhandlung von seinemZeugnisverweigerungsrecht Gebrauchmachen. Verweigert ein Zeuge in derHauptverhandlung unberechtigter Weiseseine Aussage, so kann das Gericht denVernehmungsbeamten zu den bei derPolizei gemachten Aussagen vernehmenund die Aussage des Polizeibeamten zurUrteilsfindung verwenden. Hingegengilt, „die Aussage eines vor derHauptverhandlung vernommenen Zeugen,der erst in der Hauptverhandlung vonseinem Recht, das Zeugnis zu

Page 372: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

verweigern, Gebrauch macht, darf nichtverlesen werden.“192) Gleichfalls darf insolchen Fällen auch nicht derVernehmungsbeamte als Zeuge vomHörensagen vernommen werden, dahierdurch § 252 StPO unterlaufen würde.Die Schutzwirkung von § 252 StPOerstreckt sich allerdings nicht aufsogenannte „Spontanäußerungen“.

Will man die spätere Inanspruchnahmedes Zeugnisverweigerungsrechts in derHauptverhandlung als ermittelnderPolizeibeamter umgehen, so bleibt nurdie schnellst mögliche (ermittlungs-)richterliche Vernehmung des Zeugen.

Page 373: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

„Über die frühere richterliche Aussageeines Zeugen, der später von seinemAussageverweigerungsrecht nach § 52StPO Gebrauch macht, darf nur derRichter als Zeuge vernommen werden,nicht eine andere Person, die bei derVernehmung anwesend war.“193)

Wurde zu einem früheren Zeitpunkt eineordnungsgemäße Zeugenbelehrungvergessen oder unterlassen, so reicht esnicht aus, zu einem späteren Zeitpunktden Zeugen nach § 163 III StPO i.V.m.§§ 52, 55 und 57 StPO zu belehren unddann zu vernehmen. Vielmehr muss derZeuge zusätzlich darüber belehrt

Page 374: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

werden, dass die früher (ohneBelehrung) erlangten Erkenntnisse indem Verfahren zur Beweisführung vorGericht nicht verwendet werden dürfen,es ist also eine qualifizierte Belehrungerforderlich.

Da bei polizeilichenErmittlungshandlungen der Rechtsanwaltdes Beschuldigen grundsätzlich keinAnwesenheitsrecht hat, fürVernehmungen die StPO hier auch keineSonderregelung vorsieht, besteht beipolizeilichen Vernehmungengrundsätzlich kein Anwesenheitsrechtdes Verteidigers. Über eine möglicheAnwesenheit oder Nichtanwesenheit

Page 375: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

entscheidet hier der vernehmendePolizeibeamte. Ist das Verfahren bereitsbei der Staatsanwaltschaft anhängig, soempfiehlt sich die Rücksprache mit demzuständigen Staatsanwalt, denn er hat dieSachleitungsbefugnis in dem Verfahren.

Bei Sexualdelikten sind die Opfer durchdie Tat häufig besonders betroffen.Vielfach gestalten sich Vernehmungen imBeisein einer Begleitperson einfacher. Ineinigen Bundesländern gibt es hierzuentsprechende Erlassregelungen.194)

Hierbei ist gleichwohl dem UmstandRechnung zu tragen, dass Zeugen stetsgetrennt zu vernehmen sind. Kann also

Page 376: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

die Vertrauensperson etwas zumSachverhalt aussagen oder beitragen, soist sie zuerst zu vernehmen und darananschließend die Vernehmung derGeschädigten im Beisein derBegleitperson durchzuführen.

Im Sachverhalt treffen die Kräfte desSicherungsangriffs zunächst am Tatortauf die Zeugin Hannelore Müller. FrauMüller schildert den eingesetztenKräften den groben Tatablauf und dieBeschreibung des Täters. Zu diesemZeitpunkt ist für die Beamten bereitsklar, dass es sich bei Frau Müller umdie Geschädigte handelt und einRaubdelikt vorliegt. Das Gespräch ist

Page 377: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

erkennbar eine Vernehmung und nichteine informatorische Befragung. Voneiner spontanen und unaufgefordertenAussage gegenüber den Beamten istauch nicht die Rede, so liegt hier auchkeine Spontanäußerung vor. Mithinhätte eine Belehrung nach § 163 IIIStPO i.V.m. §§ 52, 55 und 57 StPOerfolgen müssen. Zu den Beweggründender eingesetzten Kräfte, hier keineBelehrung durchzuführen sagt derSachverhalt nichts aus. Eventuell istdie Belehrung gezielt unterblieben, ummöglichst schnell fahndungsrelevanteAussagen zur Person zu erlangen, daman sich von der Ergreifung des Täters

Page 378: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

auf der Flucht mit der Beute und derTatwaffe einen höheren Gewinn anBeweismitteln erwartet hat. Sollte FrauMüller mit dem Beschuldigten Seemannweder verwandt noch verschwägertsein (so ist es ja auch in der Praxis fastimmer), so handelt es sich hierbei umeinen folgenlosen Formalverstoß undihre Aussagen wären im späterenVerfahren verwendbar.

Sollte Frau Müller hingegen mit demBeschuldigten verwandt oderverschwägert sein, so wäre ihre ersteAussage vor Gericht nicht verwertbar.Es wäre eine sogennante qualifizierteBelehrung von Frau Müller vor einer

Page 379: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

erneuten Vernehmung erforderlich.

Zu einem späteren Zeitpunkt wird dannFrau Müller vor Ort nochmals von denBeamten der Kriminalwache imRahmen der Tatortaufnahme vor Ortvernommen. Später wird sie einweiteres Mal auf der Dienststelleausführlich zu Protokoll vernommen.Vor Beginn der Vernehmung durch dieKräfte der Kriminalwache ist FrauMüller qualifiziert zu belehren. Dasheißt die vernehmenden Beamtenmüssten in diesem Fall Frau Müllerzusätzlich zu der üblichenZeugenbelehrung auch darüberbelehren, dass die im Rahmen der

Page 380: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

ersten Vernehmung erlangtenErkenntnisse in einemGerichtsverfahren nicht verwendetwerden dürfen. Sollte sich im Rahmender weiteren Ermittlungen weitererKlärungsbedarf ergeben, so ist esdurchaus möglich, dass eineergänzende Vernehmung durch dieBeamten der Fachdienststelle erfolgt.

9.5.2 Belehrung vonTatverdächtigen

Die Strafprozessordnung unterscheidetzwischen Beschuldigten und Zeugen.Häufig liegt allerdings gegen Personennoch keine Beweislage vor, die so

Page 381: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

eindeutig ist, dass sie in dem Verfahrenals Beschuldigte anzusehen sind. AlsZeugen, die mit dem Tatgeschehenzweifelsfrei nichts zu tun haben, könnendie Personen wiederum auch nichtangesehen werden. In diesem Fall wirddie Person als Tatverdächtigerbezeichnet.

„Ist der Täter in einem bestimmtenPersonenkreis zu suchen, so müssennicht von vorneherein alle Angehörigendieser Gruppe als Beschuldigtebehandelt werden.“195)

„Der Status des Zeugen kann auch dannnoch gegeben sein, wenn die Person

Page 382: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

nicht über jeden Tatverdacht erhaben ist,wie etwa der Verursacher vonAnwesenheitsspuren an für ihn allgemeinzugänglichen Orten […]. Entscheidendist die Stärke des gegen ihn gerichtetenVerdachtes im Verhältnis zu denentlastenden Ermittlungsergebnissen.Von Bedeutung ist auch die Frage, obdas Ermittlungsverfahren bereitszielgerichtet gegen diese Person geführtwird.“196)

Tatverdächtige sind also Personen, beidenen die Möglichkeit einer Täterschaftvorliegt, ohne das die Ermittlungenbereits zielgerichtet nur gegen die

Page 383: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Person betrieben werden. „Daher sind,solange es einen Beschuldigten nochnicht gibt, alle in die Ermittlungeneinbezogenen Personen Zeugen, diesofern ein gewisser Verdacht gegen siebegründet ist, nach §§ 163a III i.V.m. 55StPO zu belehren sind.“197)

„Verdichtet sich im Verlauf derErmittlungen ein Verdacht gegen einebestimmte Person so weit, das beipflichtgemäßer Beurteilung im Rahmeneines bestehenden Ermessenspielraumesdurch die Ermittlungsbehörde mehr fürdie Täterschaft der Person spricht alsdagegen, so werden die Ermittlungen auf

Page 384: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

jeden Fall zielgerichtet gegen diesePerson geführt und sie muss dannzwingend als Beschuldigter behandeltwerden.198)

9.5.3 Belehrung vonBeschuldigten199)

Die Strafprozessordnung verwendetzwar den Begriff des Beschuldigten,jedoch beinhaltet sie keine Definitiondieses Begriffes. „Der § 136 StPOzugrunde liegende Beschuldigtenbegriffvereinigt subjektive und objektiveElemente. Die Beschuldigteneigenschaftsetzt – subjektiv – denVerfolgungswillen der

Page 385: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Strafverfolgungsbehörde voraus, dersich – objektiv – in einem Willensaktmanifestiert. Wird gegen eine Person einförmliches Ermittlungsverfahreneingeleitet, liegt darin ein solcherWillensakt. Andernfalls beurteilt sichdessen Vorliegen danach, wie sich dasVerhalten des ermittelnden Beamtennach außen, insbesondere inWahrnehmung des davon Betroffenendarstellt.“200)

Vereinfacht ausgedrückt, „Beschuldigterin einem Strafverfahren ist nach h.M.derjenige, gegen den konkret ermitteltwird“.201)

Page 386: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Der Beschuldigte ist vor derpolizeilichen Vernehmung sowohl überdie ihm zur Last gelegte Tat, als auchüber das Recht auf umfassendeAussageverweigerung und das Recht zurBeantragung von Beweiserhebungennach § 163a IV StPO i.V.m. § 136 StPOzu belehren. Die Vernehmung muss fürden Beschuldigten in einer für ihnverständlichen Sprache und Formerfolgen. Im Gegensatz zur Vernehmungdurch den Staatsanwalt oder den Richterbesteht jedoch keine Pflicht für diePolizeibeamten die in Betrachtkommenden Strafvorschriften einzeln zubenennen. Es genügt hier der historische

Page 387: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Sachverhalt, der für den Beschuldigtenausreichend genau erkennen lassen mussum welche Tat es sich handelt.

„Ist der Vernehmung des Beschuldigtendurch einen Beamten des Polizeidienstesnicht der Hinweis vorausgegangen, dasses dem Beschuldigten freistehe, sich zuden Beschuldigungen zu äußern odernicht zur Sache auszusagen, so dürfenÄußerungen, die der Beschuldigte indieser Vernehmung gemacht hat, nichtverwertet werden.“202) Alleine dieBelehrung nach § 55 II StPO reicht hiernicht aus, denn das umfassendeAussageverweigerungsrecht aus § 136

Page 388: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

StPO ist wesentlich weiter gefasst, sobedarf es überhaupt keiner Begründungwarum der Beschuldigte nicht aussagenwill. Weiter beinhaltet § 55 StPOkeinerlei Hinweis auf das Recht aufVerteidigerkonsultation. Vor einererneuten Vernehmung des Beschuldigtenist dann eine „qualifizierte Belehrung“durchzuführen, d.h., er ist über dieUnverwertbarkeit der ersten Aussage imVerfahren vor Gericht ausdrücklich zubelehren.

Der Beschuldigte ist vor seinerVernehmung weiter darüber zu belehren,dass er vor seiner Vernehmung undjederzeit später einen frei zu wählenden

Page 389: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Verteidiger kontaktieren darf. „DieBelehrung des Beschuldigten vor seinerersten Vernehmung nach § 136 I, § 163aIII Satz 2 StPO ist aktenkundig zumachen.“203) Dieses Recht steht demBeschuldigten demnach auch zu jedemZeitpunkt während der laufendenVernehmung zu. Wünscht derBeschuldigte während der Vernehmungmit einem Anwalt zu sprechen, so mussdie Vernehmung unterbrochen werdenund dem Beschuldigten mussGelegenheit zur Rücksprache mit einemRechtsanwalt seiner Wahl gegebenwerden. „Ein Verwertungsverbot bestehtauch, wenn der Beschuldigte über das

Page 390: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Recht der Verteidigerkonsultation nichtoder nur unzureichend belehrt worden ist[…] oder wenn ihm nach Belehrung überdieses Recht trotz einer entsprechendenBitte eine Rücksprache mit seinemVerteidiger verweigert und er zur Sachevernommen worden ist.“204)

„[…] Der Verteidiger hat kein Recht aufAnwesenheit bei den polizeilichenVernehmungen. […] Das nach geltenderRechtslage kein Anwesenheitsrechtbesteht, bestätigt § 163a III StPO i.V.m.§ 168c I und V StPO, wonach derVerteidiger bei der Vernehmung desBeschuldigten durch die

Page 391: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Staatsanwaltschaft anwesend sein darf,während eine entsprechende Regelungfür die polizeiliche Vernehmung fehlt.Jedoch kann die Polizei auch demVerteidiger die Anwesenheit gestatten,wenn hierfür besondere Gründevorliegen […].“205)

Unstrittig ist, dass spontane Äußerungendes Beschuldigten, die er eigenständigund ohne Redeaufforderung der Polizeivor der Möglichkeit einer Belehrungtätigt, ebenfalls als sogenannteSpontanäußerungen im Verfahrenspäter als Beweismittel verwendbarsind. Verschwiegen werden soll jedoch

Page 392: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

nicht, dass gerade bei Festnahmen vonBeschuldigten durch die Einführung derBelehrungspflicht nach § 114b StPO derZeitrahmen hier sehr eingeschränkt ist.Unter anderem ist der verhafteteBeschuldigte unverzüglich darüber zubelehren, dass er „das Recht hat, sichzur Beschuldigung zu äußern oder nichtzur Sache auszusagen, zu seinerEntlastung einzelne Beweiserhebungenzu beantragen, jederzeit, auch schon vorseiner Vernehmung, einen von ihm zuwählenden Verteidiger befragenkann.“206) Auch wenn hierzu noch keineobergerichtliche Rechtsprechungvorliegt, so sind Äußerungen des

Page 393: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Beschuldigten nicht mehr alsSpontanäußerungen anzusehen, die er beider Polizei ohne Aussageaufforderungmacht (z.B. bei der Durchsuchung imGewahrsam), wenn die Belehrung nach §114b StPO nach der Festnahmepflichtwidrig unterlassen wurde.

„Hat ein Beschuldigter ein Geständnisabgelegt, so besteht die wichtigsteAufgabe in der lückenlosen undsituationsadäquaten Dokumentation derAussage […]. Dabei sind lückenlos alleDetails der Aussage so zu erfassen, dasssie später nach Möglichkeit nicht inZweifel gezogen werden können.Insbesondere trifft das auf solche

Page 394: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Tatsachen zu, die bisher durch dasErmittlungsorgan nicht festgestelltwaren. Diese durch den Aussagendenerstmals offenbarten Geständnisinhaltebeinhalten meistens Täterwissen, überdas bis zu diesem Zeitpunktausschließlich der Beschuldigteverfügte.“207)

Die Gründe für ein falsches oderunvollständiges Geständnis könnenvielfach sein, so u.a.:• Versuch, eine nahestehende Person vor

Strafverfolgung zu schützen (z.B. dieeigenen Kinder)

• Erschöpfung durch stundenlange

Page 395: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Vernehmungen• Hoffnung, dass bei einem

Teilgeständnis in der Sache nicht mehrweiter ermittelt wird und sowesentliche weitere Taten im Dunkelnbleiben (z.B. Subventionsbetrug)

• Geltungsbedürfnis

Nach Erlangung des Geständnisses istdie Aussage des Beschuldigten immerdurch weitere Ermittlungen abzusichern.Hierbei ist anzustreben, dass dieBeweislage hinterher auch eineVerurteilung des Beschuldigten gestattet,ohne dass auf das Geständnis desBeschuldigten zurückgegriffen werden

Page 396: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

muss.

Vergleichende Gegenüberstellungder Belehrungspflichten im

Ermittlungsverfahren

Page 397: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Abb. 22: Übersicht zuBelehrungspflichten

Laut Sachverhalt wurde derBeschuldigte Seemann von den Kräftendes Wach- und Wechseldienstes (WWD)unter verdächtigen Umständen ineinem Fahrzeug im Rahmen derFahndungsmaßnahmen überprüft. DieÜberprüfung erfolgte sowohl inzeitlicher Nähe zur Tatzeit undörtlicher Nähe zum Tatort. Dasmögliche Fluchtmittel (Mountainbike)steht in unmittelbarer Nähe derüberprüften Person. DiePersonenbeschreibung des Täters trifft

Page 398: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

auf die überprüfte Person zu. Mithinrichtet sich das Strafverfahrenzielgerichtet gegen Seemann. Durch dieKräfte des WWD wird Seemann befragt.Aus dem Sachverhalt geht nicht hervor,dass Seemann zuvor als Beschuldigterüber seine Rechte nach § 163a IV StPOund § 136 StPO belehrt wurde. Mithinhat offenbar keine Belehrung derPerson stattgefunden, die gewonnenErkenntnisse können zurBeweisführung vor Gericht nichtverwendet werden.

Vor einer erneuten Vernehmung desBeschuldigten müsste zunächst einesogenannte qualifizierte Belehrung

Page 399: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

erfolgen.

Im Rahmen der Durchsuchung des Pkwwurde eine mögliche Tatwaffegefunden, Seemann wurde, dadringender Tatverdacht vorlagfestgenommen. Aus dem Sachverhaltgeht nicht hervor, dass Seemann u.a.über seine Rechte nach § 114b StPObelehrt wurde. Sollte Seemann währenddes Transportes zur Dienststelle vonsich aus Äußerungen gegenüber denTransportkräften tätigen, so würde essich hierbei nicht um eine im Verfahrenvor Gericht verwertungsfähigeSpontanäußerung handeln können,denn die Beamten haben sich hier über

Page 400: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

die Belehrungspflicht nach § 114bStPO hinweggesetzt.

9.6 PsychologischeAspekte derVernehmung

Aussagepsychologische Überlegungensollen im Rahmen dieses Buches nurkurz und zu ausgewählten Aspektenangesprochen werden. Ansonsten seihier auf die einschlägige Fachliteraturverwiesen.208)

Eine Kernproblematik beiVernehmungen in der Erstphasepolizeilicher Ermittlungen (so u.a.

Page 401: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Sicherungsangriff) ist häufig der Druck,in ausgesprochen kurzer Zeit vonPersonen die für weitere polizeilicheMaßnahmen unabdingbarenInformationen so schnell wie möglich zuerfahren (z.B. Täterbeschreibung,Fluchtrichtung). Für den Polizeibeamtenist der Einsatz im Rahmen derStrafverfolgung eineRoutineangelegenheit, für Zeugen,insbesondere Opfer aber eineAusnahmesituation. Bei Zeugen undGeschädigten besteht an die Polizei einentsprechender Auskunftsbedarf, deraber aus einsatztaktischen Gründenhäufig nicht befriedigt werden kann.

Page 402: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Auch im Bereich desAuswertungsangriffs erfolgt dieVernehmung im Rahmen derTatortaufnahme häufig sehr„zielführend“ durch die Polizei, da auchin dieser Phase der Ermittlungen nur dassehr eingeschränkte Kräftepotential derKriminalwache zur Verfügung steht. Beibestimmten Deliktsfeldern kommen hiernoch mangelnde Fachkenntnisse dereingesetzten Beamten hinzu (so z.B.Brandermittlungen, Umweltdelikte).

In der Phase der weiteren Ermittlungendurch die Fachdienststelle sollte es anden Fachkenntnissen derErmittlungskräfte nicht mangeln. Die

Page 403: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

hohe Vorgangsbelastung derSachbearbeiter (gerade in denDienststellen für Eigentumsdelikte) führtjedoch zu dem Umstand, dass versuchtwird die Vernehmung unterökonomischen Gesichtspunktendurchzuführen, d.h. in möglichst kurzerZeit zugleich möglichst vieleInformationen zu erhalten. Dies gehtdann oft zu Lasten der Qualität und derdamit erlangten Informationen. DieEinplanung eines sachgerechtenZeitansatzes für eine Vernehmung istnicht zu umgehen.

Grundsätzlich ist es Ziel einerVernehmung, von einer anderen Person

Page 404: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Informationen zu erhalten, d.h., am Endeder Vernehmung sollen neueInformationen stehen. DemVernehmenden ist der Umfang derKenntnisse, die ein Zeuge oderBeschuldigter in der Vernehmungpreisgeben kann, i.d.R. vor derVernehmung nicht bekannt. Hierzu mussder Zeuge oder Beschuldigte dieGelegenheit haben, sein Wissen zupräsentieren bzw. zu erzählen. „DerZeuge ist zu veranlassen, dass was ihmvon dem Gegenstand seiner Vernehmungbekannt ist, im Zusammenhanganzugeben. […] Zur Aufklärung und zurVervollständigung der Aussage sowie

Page 405: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

zur Erforschung des Grundes, auf demdas Wissen des Zeugen beruht, sindnötigenfalls weitere Fragen zustellen.“209) Praxis bei polizeilichenVernehmungen ist jedoch, dass ein freierBericht von Zeugen oder Beschuldigtenkaum möglich ist bzw. schon nach kurzerZeit durch den Vernehmenden Fragengestellt werden. Vielfach handelt es sichhierbei dann nicht um „offene Fragen“,sondern um „geschlossene Fragen“.Diese Verfahrensweise widersprichtnicht nur der Regelung des § 69 StPO,sondern auch allenaussagepsychologischenForschungsergebnissen. Danach werden

Page 406: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

durch die Schilderung von Zeugen ineinem freien Bericht deutlich mehrermittlungsrelevante und der Polizei biszu diesem Zeitpunkt nicht bekannteInformationen erlangt, als durch Fragender Ermittlungspersonen an die Zeugen.

Oft zu beobachten ist auch, dass Zeugenund Beschuldigten Aussagen andererZeugen oder von Mitbeschuldigten zurKlärung von Widersprüchen vorgehaltenwerden oder Teile der polizeilichenTatortbefunderhebung. Hier ist größteVorsicht angeraten. Einerseits kann derVorhalt dazu führen, dass unkritischeZeugen dann den Vorhalt desVernehmungsbeamten bestätigen

Page 407: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

(Denkhaltung des Zeugen könnte sein:„Die Polizei muss es ja wissen“). DerWiderspruch mag ausgeräumt sein, derWahrheit ist man aber auch nichtunbedingt näher gekommen. Weiterhinkann durch diese Vorhalte aber durchden Zeugen oder den Beschuldigtendurchaus in Erfahrung gebracht werden,was die Polizei bislang weiß oder wasdie Polizei derzeit offenbar noch nichtweiß oder wer was oder gegen wenausgesagt hat. Hier muss die Maximeimmer sein, dass die Vernehmung dasZiel hat, für die Ermittlungsbehördeneinen Erkenntnisgewinn zu erlangen undnicht für Beschuldigte oder Zeugen. Mit

Page 408: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Vorhalten aus den Akten sollte daherausgesprochen zurückhaltendumgegangen werden und inZweifelsfällen sollten sie unterbleiben.

Sicherlich steht nicht für jedeVernehmung ein wünschenswert großerZeitansatz zur Verfügung, um von Zeugenund Beschuldigten einen umfassendenmündlichen frei geschilderten Berichtaufzunehmen. Hier ist zu differenzieren,in welchen Verfahren sich derZeiteinsatz lohnt und in welchenVerfahren nicht. Als möglichePrüfkriterien bei Zeugen bieten sich hieru.a. an:

Page 409: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

• Schwere des Delikts• Schadenshöhe• Verletzungsschwere bei Opfern• Sozialschädlichkeit der Tat• Motivation der Tat (z.B.

fremdenfeindlicher Hintergrund?)• Zahl der in Rede stehenden Taten• Kann der Zeuge ggf. den Täter

identifizieren?• Glaubwürdigkeit des Zeugen

(verwandschaftliche/freundschaftlicheVerbindung zum Täter?)

• Wie wichtig sind die von derVernehmungsperson zu erhaltenden

Page 410: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Informationen für das weitereVerfahren?

Als mögliche Prüfkriterien beiBeschuldigten bieten sich u.a. an:• Schwere des Delikts• Schadenshöhe• Verletzungsschwere bei

Körperletzuungs- und Raubdelikten• Sozialschädlichkeit der Tat• Zahl der in Rede stehenden Taten• Vorstrafen des Täters• Motivation der Tat (z.B.

fremdenfeindlicher Hintergrund?)• Bisheriges Aussageverhalten des

Page 411: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Täters in früheren Verfahren• Starke oder schwache sonstige

Beweislage gegen den Täter (ggf.Geständnis zur Überführungerforderlich?)

Gerade im Bereich der schweraufklärbaren Delikte des schwerenDiebstahls begehen Täter häufigSerientaten (z.B. Diebstahl an und ausKfz). In diesem Bereich werden(zumindest in NRW) kaum Spuren an/inden Fahrzeugen gesichert. Mithin istauch heute noch ein Weg zurerfolgreichen Aufklärung von Tatseriendie Ausermittlung von Haftsachen durch

Page 412: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

eine optimale Vernehmung derBeschuldigten.

Rechtlich ist der Zeuge nicht zumErscheinen bei der Polizei und zurAussage dort verpflichtet (siehe oben).Den meisten Zeugen ist diese Rechtslagenicht bekannt und es besteht auch keinerechtliche Verpflichtung, Zeugen daraufhinzuweisen.

Der Beschuldigte ist weder zumErscheinen, noch zur Aussage bei derPolizei verpflichtet. Über sein Recht zurAussageverweigerung und zurVerteidigerkonsultation ist er umfassendaktenkundig zu belehren. Rechtlich

Page 413: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

besteht für den Beschuldigten keinerleiVeranlassung der Vorladung zurVernehmung Folge zu leisten,geschweige denn auszusagen. DiesesDefizit kann der Vernehmungsbeamte nurdurch seine besseren kommunikativenFähigkeiten ausgleichen. EineVernehmung ist keine Kommunikationvon zwei gleichberechtigtenGesprächsteilnehmern auf Augenhöhe,sondern stets eine Form derhierarchischen Kommunikation, in derdie Vernehmungsperson führt. Dies mussjedoch in unauffälliger Art geschehen,denn sonst wird es nicht zu einerAussagebereitschaft des Beschuldigten

Page 414: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

kommen. Für den Beschuldigten muss eseinen Grund geben, warum er bei derPolizei vorsprechen und ggf. aussagensoll.

Erscheint der Beschuldigte zurVernehmung und ist er auch nochaussagebereit, so ist es für denVernehmungsbeamten unabdingbar inErfahrung zu bringen, was sich derBeschuldigte hiervon verspricht bzw.was seine Motivation dafür ist.Natürlich interessieren sichBeschuldigte stets für den polizeilichenInformationsstand zum Tatgeschehen undfür die Beweise, die die Polizei „inHänden hält“. Stehen den Beschuldigten

Page 415: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

zuvor vernommene Zeugen nahe, so darfdavon ausgegangen werden, dass ihmdiese entsprechende polizeilicheVorhalte ihrer Vernehmung berichtethaben. Sobald der Beschuldigte davonausgehen kann, den polizeilichenInformationsstand zum Verfahren und dieentsprechenden Beweismittel zu kennen,besteht für ihn in vielen Fällen keineMotivation zur Aussage mehr.

Ist ein Täter – gerade im Bereich derSerienstraftaten – einmal aussagebereit(und dies passiert selten genug), so kanndas am Folgetag schon wieder ganzanders aussehen. Diese Chance darf mansich nicht entgehen lassen. Aus diesem

Page 416: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Grunde sind dann im Rahmen derVernehmung zunächst einmal diewichtigsten Fragen bzw. dieschwerwiegenden Delikte abzuklärenund Detailfragen zurückzustellen. Häufigerstrecken sich Vernehmungen inumfangreichen Diebstahlsverfahren übermehrere Tage. Hierbei gilt es über dengesamten Zeitraum dieAussagebereitschaft des „Täters“ zuerhalten. Erforderlich ist hierzu dieHerstellung einer persönlichenBeziehung zum Beschuldigten,gleichwohl ohne die professionelledienstliche Distanz zu verlassen. Stetsmuss der Beschuldigte auch noch am

Page 417: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

nächsten Tag daran interessiert sein,wieder zu seinen Taten bei der Polizeiauszusagen.

Nach Abschluss der Vernehmung sinddann die Aussagen des Beschuldigtenstets kritisch zu überprüfen und mit denbislang vorliegenden Beweismitteln undZeugenaussagen abzugleichen.Widersprüche sind hierbeiherauszuarbeiten und durch weitereErmittlungen abzuklären.

9.7 VernehmungsvorbereitungZu unterscheiden ist hier zwischen erstenVernehmungen im Rahmen des

Page 418: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Sicherungsangriffs, Vernehmungen imAuswertungsangriff und Vernehmungenim Rahmen der weiteren Ermittlungendurch Kräfte der Fachdienststelle.

Für erste Vernehmungen im Rahmen desSicherungsangriffs steht häufig so gutwie keine Vorbereitungszeit zurVerfügung und es besteht eine hohezeitliche Dringlichkeit elementareeinsatztaktische Informationen zuerhalten. Eine freie Auswahl dermöglichen Vernehmungsörtlichkeitenbesteht regelmäßig nicht. Sie ergibt sichaus den vorgefundenen Gegebenheitenam Einsatzort. Auch die Möglichkeitenzur Erlangung von Rechts- und

Page 419: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Personenkenntnissen vor derVernehmung bestehen regelmäßig nicht.Ein entsprechendes Grundwissen zu demThema Vernehmung ist daher fürPolizeibeamte unabdingbar.

Vernehmungen im Rahmen desAuswertungsangriffs sind ebenfalls nichtfrei planbar und optimal vorzubereiten.Jedoch besteht hier nicht mehr ein sohoher Zeitdruck und die Kräfte desAuswertungsangriffs werden vor Ortdurch die Kräfte des Sicherungsangriffsin die Lage eingewiesen. Erläutert wirdihnen hierbei auch welcher Zeuge zuwelchen Punkten Angaben machenkonnte. Eine kurze Vorbereitungsphase

Page 420: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

steht hier bereits für Vernehmungen zurVerfügung.

Im Bereich der weiteren Ermittlungendurch die Kräfte der Fachdienststellebesteht hingegen die Möglichkeit, eineVernehmung sachgerecht vorzubereiten.Den Zeitpunkt der Vernehmung bestimmtin der Regel der Sachbearbeiter durchTerminierung in der Vorladung. Für eineoptimale Vorbereitung ist auch wiederein entsprechender Zeitansatzerforderlich. Der Vorbereitungsaufwandwird sich auch hier wieder an Schwere,Sozialschädlichkeit und erwartetemVernehmungsergebnis orientieren.

Page 421: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Dargestellt werden können nichtvollumfänglich alle denkbarenVorüberlegungen zu einerdurchzuführenden Vernehmung, dahereinige wesentliche Überlegungen ausSicht der Autoren:

Page 422: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD
Page 423: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Abb. 23: Vorbereitung einerVernehmung

Eine feste Regelung, zu welchemZeitpunkt in einem Strafverfahren derBeschuldigte zu vernehmen ist, gibt esnicht. Eingebürgert hat sich jedoch,zuerst meist die Zeugen zu vernehmenund erst zum Abschluss des Verfahrensden Beschuldigten zu vernehmen. Vondieser Regelung muss lediglich beiHaftsachen abgewichen werden. Hier istvor der Vorführung beim Haftrichterdem Beschuldigten die Möglichkeit aufrechtliches Gehör zu ermöglichen.

Page 424: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Unstrittig hängen Zeit- undVorbereitungsaufwand einerVernehmung sehr eng mit der Schwereder vorliegenden Straftat, derSozialschädlichkeit, aber auch mit demerhofften Informationsgewinn für dasErmittlungsverfahren zusammen.Zweifellos sindEffektivitätsgesichtspunkte auch in derKriminalitätssachbearbeitung zuberücksichtigen. So wird sich derAufwand für eine Vernehmung wegeneines einfachen Ladendiebstahlsvermutlich in engen zeitlichen Grenzenhalten.

Bei größeren Verfahren, Haftsachen,

Page 425: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Serienstraftaten und Verbrechen wirdjedoch eine sachgerechte Vernehmungerforderlich sein, insbesondere wenn dieSpurenlage schlecht ist oder man sichvon der Aussage des Täters dieAufklärung weiterer Straftaten erhofft.

Der konkrete Vorbereitungsaufwandwird bei einem erfahrenenSachbearbeiter, der das Verfahren selbstkomplett geführt hat, den Tatort selbstaufgenommen hat, die Zeugen bislangalle selbst vernommen hat, stets geringersein als bei einem Sachbearbeiter mitgeringer Erfahrung oder der lediglich zurUnterstützung eine Vernehmung in demVerfahren durchführt.

Page 426: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Aufwändig sind Vorbereitungen, wennfür die Vernehmung noch oder nochmalsder Tatort in Augenschein genommenwerden muss oder ein gezielterFragenkatalog auszuarbeiten ist. Dies istallerdings bei umfangreichenVernehmungen ein geeignetesHilfsmittel, damit nicht wesentlicheFragestellungen vergessen werden. ZurMarkierung bestimmter Textpassagen inAkten haben sich inzwischen Haftzettelbewährt.

Bei der Vernehmung von Beschuldigtendie Tatserien begangen haben undgeständig sind, gestaltet sich bisweilen

Page 427: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

die zweifelsfreie Zuordnung vonTatorten zur Serie als schwierig. Hier istdie Ausführung des Beschuldigten eineprobate Form, um eventuell genauerabklären zu können, ob bestimmteObjekte durch den Beschuldigtenangegangen wurden oder nicht. EineSchwierigkeit besteht hierbei einerseitsin der Bewertung der Glaubwürdigkeitder Aussage des Beschuldigten undandererseits nicht suggestiv auf diePerson einzuwirken. Ist der Beschuldigtefestgenommen, so ist eine entsprechendePersonaldecke für die Bewachung derPerson zu berücksichtigen, denn dieAusführung ist für den Beschuldigten

Page 428: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

nach Eröffnung desUntersuchungshaftbefehls eine derwenigen Möglichkeiten, um sich nochdurch Flucht dem weiterenStrafverfahren zu entziehen.

9.8 VernehmungsdurchführungJe nach verwendeter Literatur gibt esunterschiedliche Verlaufsschemata fürdie Durchführung einer Vernehmung.Unstrittig dürfte jedoch sein, dass eineVernehmung zunächst einmal geplant undvorbereitet werden muss. Mit demBetreten des Büros durch dieVernehmungsperson findet zunächsteinmal ein erster Kontakt zwischen

Page 429: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Vernehmungsperson undVernehmungsbeamten statt. Nach § 69StPO soll dann zunächst einmal dieGelegenheit bestehen, dass dieVernehmungsperson zusammenhängendberichtet und danach dieErmittlungsperson nachfragt.Anschließend wird dasVernehmungsprotokoll verabschiedetund später die Vernehmung ausgewertet.Daraus ergibt sich folgendesAblaufschema:

Page 430: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Abb. 24: Phasen einer Vernehmung

Page 431: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Die Vernehmung stellt einenstrukturierten Kommunikationsprozessauf Zeit dar. Ziel des Kontaktgesprächesist die Förderung derAussagebereitschaft, es sei denn, es istverfahrenstaktisch wünschenswert, dassder Beschuldigte z.B. keine Aussagemachen soll. Das Verhalten gegenüberder Vernehmungsperson sollte so sein,dass sie sich als Mensch angenommenfühlt. Für eine sachgerechte Bewertungder Aussage der Vernehmungsperson isteine neutrale Haltung sowiesounabdingbar. In bestimmtenDeliktsbereichen (z.B. MisshandlungSchutzbefohlener, Sexualdelikte) bietet

Page 432: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

sich u.U. an, dieBeschuldigtenvernehmung zur Wahrungeiner professionellen neutralenGrundhaltung nicht durch den/dieVernehmungsbeamten/Vernehmungsbeamtindurchführen zu lassen, der/die zuvor dieVernehmung des Tatopfers durchgeführthat.

Zu Beginn der Vernehmung erfolgtzunächst einmal die Erhebung derPersonalien der zu vernehmenden Persondurch Vorlage eines amtlichenLichtbildausweises (Reisepass,Personalausweis). Zu Beginn derVernehmung zur Sache soll dervernommenen Person Gelegenheit

Page 433: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

gegeben werden, ihre Kenntnisse ineinem zusammenhängenden Bericht zuschildern.210) Hierzu sind konkreteVorgaben an die Vernehmungspersonerforderlich, welche Zeiträume, Faktenu.Ä. vernehmungsrelevant sind, damitkeine unstrukturierte und ausuferndeErzählung erfolgt. Die Angaben dervernommenen Person sind im O-Ton zuprotokollieren.

Nach dem Abschluss deszusammenhängenden Berichtes derVernehmungsperson kommt es zu einerkonkreten Befragung. Ziel ist dieKlärung noch offener Fragen und die

Page 434: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Abklärung möglicher Widersprüche zuden Aussagen anderer Personen oderzum bislang vorliegenden Sachbeweis.Es sind keine Suggestivfragen, nachMöglichkeit auch keine geschlossenenFragen zu stellen, sondern zunächstoffene Fragen zu formulieren. Vorhalteaus Ermittlungsakten sind nur mitäußerster Vorsicht mitzuteilen. Stets isthierbei zu bedenken, dass dabei auchInformationen über dasErmittlungsverfahren oder denKenntnisstand der Ermittlungsbehördenin dem Verfahren an Dritte preisgegebenwerden.

Das Ziel der polizeilichen Vernehmung

Page 435: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

ist stets der Informationsgewinn für dieErmittlungsbehörden und nicht diePreisgabe von Informationen anBeschuldigte oder Zeugen.

Eine moralischen Be- oderVerurteilungen der Handlungen vonZeugen oder Beschuldigten sollteunterbleiben; dies kann schnell zu einerabnehmenden Aussagewilligkeit derVernehmungsperson oder zu geschöntenAussagen führen.

Zum Abschluss ist die Vernehmungkomplett durch die Vernehmungspersondurchzulesen und zu unterschreiben.

Page 436: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

9.9 Dokumentation derVernehmung

Vernehmungen werden üblicherweiseals Protokollvernehmung durchgeführt.Die Vernehmungsniederschrift soll dieAussage fixieren und den Fallrekonstruieren. Dabei müssenTatbestand, Rechtswidrigkeit und Schulddeutlich erkennbar werden.

Die Vernehmung ist grundsätzlichwörtlich mit den Worten desBeschuldigten oder des Zeugenniederzuschreiben. Gewählte unflätigeWorte oder Beleidigungen sind nicht zubeschönigen, sondern – so wie sie

Page 437: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

geäußert wurden – niederzuschreiben.Aus dem Vernehmungsprotokoll müssensich der Vernehmungszeitraum, derZeitpunkt und die Länge von Pausen,gereichte Getränke und eventuelleSpeisen, anwesende Personen undsonstige wesentliche Begleitaspekteergeben.

Jede Seite der Vernehmung ist durch dieVernehmungsperson zu unterzeichnen;dies beugt dem Vorwurf später vor, esseien einige Seiten der Vernehmungausgetauscht worden. Auf jeder Seite istdie entsprechende Vernehmungszeit zuvermerken.

Page 438: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

In den Fällen wo Beschuldigte bei derPolizei ein umfangreiches Geständnisabgelegt haben und im Zuge desVerfahrens – häufig erst nachAkteneinsicht über einen Verteidiger –festgestellt wird, dass ein guter Teil derangeklagten Taten nur durch die eigeneAussage dem Angeklagten zur Lastgelegt werden kann, wird hinterherhäufig versucht verfahrensrechtlicheMängel geltend zu machen, um vondieser Aussage „wiederwegzukommen“. Obligatorisch sind dannVorwürfe, wie:• Die Vernehmungsniederschrift sei nicht

durchgelesen und blind unterschrieben

Page 439: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

worden.• Der Vernehmungsbeamte habe den Text

formuliert und man sei völlig falschverstanden worden.

• Es seien Seiten in der Niederschriftausgetauscht worden (wenn nicht alleSeiten unterschrieben wurden).

Aus diesem Grunde ist eine möglichstwörtliche Protokollierung in derWortwahl des Beschuldigten zwingenderforderlich sowie eine spätere,optimale ermittlungstechnischeAbsicherung des Geständnisses durchweitere eigenständige Beweismittel.

In einigen Bundesländern ist auch die

Page 440: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Tonaufzeichnung der Vernehmungüblich. Die Vernehmung wird dannspäter von einer Schreibkraftabgeschrieben und durch dieVernehmungsperson bei einem zweitenTermin durchgelesen und unterzeichnet.

Eine neue Möglichkeit derVernehmungsdokumentation ist dieVideovernehmung. Wenngleich dieRechtsvorschrift bereits seit einigenJahren in der Strafprozessordnung zufinden ist, so haben selbstPolizeipräsidien in Nordrhein-Westfalenhäufig nur einen oder zwei Räume, diemit einer entsprechenden technischenAusstattung ausgerüstet sind. Demnach

Page 441: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

beschränkt sich die Zahl derAnwendungsfälle auf einige wenigeVerfahren im Bereich der schwerenKriminalität bzw. der Sexualdelikte.

Auch rechtlich scheint eine sinnvolleBeschränkung geboten. „Durch dieEinschränkung, dass die Aufzeichnungzur Wahrung ihrer schutzwürdigenInteressen geboten sein muss, ist klargestellt, dass die Anwendung derVorschrift in Alltagsfällen regelmäßignicht angezeigt ist.“211)

Unabdingbar für die Durchführung einerauf Video aufgezeichneten Vernehmungist neben der Technik auch eine

Page 442: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

entsprechende Übung und Erfahrung derVernehmungsperson, da jede Geste undjedes Wort aufgezeichnet wird. So istdie Einnahme einer einschüchterndenSitzposition gegenüber demBeschuldigten später vor Gerichtproblemlos nachvollziehbar.Andererseits ist von der Qualität derVernehmungsdokumentation her dieVideoaufzeichnung nicht zu überbieten,da nur so die Vernehmung absolutauthentisch mit Fragestellung undAntwort dokumentiert wird, sowiezeitgleich Gestik, Mimik undAntwortzeiten parallel zur Fragestellungfestgehalten werden.

Page 443: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Aufnahme der Vernehmung aufBild-Ton-Träger gemäß § 58a

StPO

Abb. 25: Aufzeichnungen vonVernehmungen

§ 58a StPO fordert nicht die

Page 444: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

ausdrückliche Zustimmung des Zeugenzur Videoaufzeichnung derZeugenvernehmung. Die Entscheidung istin das Ermessen desVernehmungsbeamten gestellt. Jedochsollte hier ein Einvernehmen mit dervernommenen Person angestrebt werden,denn deren Kooperation ist für denErmittlungserfolg notwendig.

Auch, wenn es in § 58a StPO nichtgefordert ist, so sollte doch in Formeines Vermerks festgehalten werden,warum eine Videovernehmung auf Basisdes § 58a StPO durchgeführt worden istund ob der Zeuge dem zugestimmt hatoder nicht.

Page 445: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

„Die Kopie des Videobands, auf demdie Vernehmung eines Zeugenaufgezeichnet ist, ist Bestandteil derAkten, sie stellt kein Beweismittel i.S.von § 147 IV 1 StPO dar, muss daherauch dem Verteidiger zugänglichgemacht werden.“212) Der Zeuge hatjedoch nach § 58a III Satz 1 StPO einausdrückliches Widerspruchsrecht gegeneine Überlassung derVernehmungsaufzeichnung (oder einerKopie) an Akteneinsichtsberechtigte(z.B. den Verteidiger desBeschuldigten). In diesem Fall ist einschriftliches Protokoll über die

Page 446: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Vernehmung zu fertigen und denBerechtigten zur Akteneinsicht zuüberlassen. Der Zeuge ist auf das Recht,einer Herausgabe der Bild- undTonaufzeichnungen anAkteneinsichtsberechtigte ausdrücklichzu widersprechen, hinzuweisen.213)

Der Verteidiger des Beschuldigten hat,wie bei der „normalen“ polizeilichenVernehmung, auch bei derVideovernehmung keinAnwesenheitsrecht.

Die Regelungen des § 58a StPO geltennicht nur für eine Vernehmung durch diePolizei. Grundsätzlich können auch

Page 447: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

staatsanwaltschaftliche Vernehmungenoder richterliche Vernehmungen aufVideo aufgezeichnet werden.

Die Vervielfältigung derVideovernehmung ist nicht ausdrücklichuntersagt und dürfte daher wie dieVervielfältigung von Ermittlungsaktenzulässig sein. Die Aufzeichnung ist zulöschen, wenn sie für das Verfahrennicht mehr erforderlich ist (§ 58a IIStPO i.V.m. § 101 VIII StPO). EineNiederschrift über die Löschung solltezur Akte genommen werden.

Im vorliegenden Sachverhalt erfolgtzunächst eine Vernehmung der Zeugin

Page 448: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Müller durch die Kräfte des Wach- undWechseldienstes (WWD) in Form einerBefragung. Auch wenn hierbei zunächstaus einsatztaktischen Gründen eineBelehrung über ihre Zeugenrechteunterblieben ist, so erfolgt doch eineNiederlegung der wesentlichenerlangten Erkenntnisse imEinsatzbericht über denSicherungsangriff. Hierbei ist eswichtig, dass die Kräfte des WWDausdrücklich darauf hinweisen, dasskeine Zeugenbelehrung erfolgt ist. Dervorgelegte Bericht gibt die Aussagender Zeugin nur sinngemäß nach demVerständnis und der

Page 449: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Ausdrucksfähigkeit der Beamtenwieder.

Nur so erlangen die Kräfte derKriminalwache Kenntnis von derunterbliebenen Belehrung (oder späterdie Kräfte der Fachdienststelle) undhaben die Möglichkeit hier dieerforderliche qualifizierte Belehrungder Zeugin vorzunehmen. Im Rahmendes Auswertungsangriffs wird zunächstvor Ort durch die Kräfte derKriminalwache eine qualifizierteBelehrung von Frau Müller erfolgen.Dann wird sie dort erneut, aberdetaillierter in Form einer Befragungvernommen. Ist die Kriminalwache

Page 450: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

personell dazu in der Lage, so bietetsich nach Abschluss derTatortaufnahme eine ausführlicheVernehmung von Frau Müller zuProtokoll auf der Dienststelle an.Unmittelbar nach der Tat sind dieErinnerungen an die Tat und dienäheren Umstände noch amfrischesten.

Hierbei soll Frau Müller zunächsteinmal die Möglichkeit erhalten, dieGeschehnisse ab der Wahrnehmung desBeschuldigten auf demTankstellengelände bis zum späterenEintreffen der Polizeizusammenhängend zu schildern. Dieser

Page 451: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Bericht von Frau Müller wird in denvon ihr gewählten Worten wörtlichprotokolliert. Sodann erfolgenNachfragen der Beamten zur weiterenSachverhaltsabklärung. Hierbeiwerden sowohl die Fragen, als auch dieAntworten wörtlich protokolliert. ZumAbschluss wird dasVernehmungsprotokoll ausgedruckt,von Frau Müller durchgelesen undunterzeichnet.

Besteht im Anschluss an dieTatortaufnahme keine MöglichkeitFrau Müller ausführlich zu Protokollzu vernehmen, so müsste dies amfolgenden Tag durch die

Page 452: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Fachdienststelle erfolgen. Frau Müllerist die „Hauptzeugin“ in demVerfahren und ihre Vernehmung mussauf jeden Fall bei der Vorführung desBeschuldigten Seemann beimHaftrichter vorliegen.

Der Beschuldigte Seemann wird amFolgetag, vor der Vorführung beimHaftrichter belehrt und verantwortlichvernommen. Ihm wird gleichfalls dieGelegenheit zu einemzusammenfassenden Bericht gegeben,später werden Nachfragen gestellt.Auch hier ist eine wörtlicheProtokollierung erforderlich. Dieausgedruckte Vernehmung wird

Page 453: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Seemann zum Lesen übergeben.Änderungswünsche sollen durch denBeschuldigten handschriftlichverbessert oder geändert werden. JedeSeite des Vernehmungsprotokolls solldurch den Beschuldigtenunterschrieben werden.

Weitere Zeugen sind gleichfalls zuvernehmen. Auch diese Vernehmungenwerden wie vor protokolliert.Grundsätzlich liegen dieVoraussetzungen zwar vor, dieVernehmung von Frau Müller auch aufVideo aufzuzeichnen, jedoch wird es anden zuvor beschrieben geringenKapazitäten von entsprechend

Page 454: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

ausgestatteten Räumen scheitern.

9.10 Qualität derVernehmung

Die Qualität der Vernehmung vonZeugen und Beschuldigten ist u.a. vonfolgenden wesentlichen Faktorenabhängig:

Page 455: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Abb. 26: Einflussgrößen zumAussageverhalten

Eine wesentliche Voraussetzung für eineverwertbare Aussage, gerade vonZeugen, ist derenWahrnehmungsfähigkeit. Neben den rein

Page 456: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

körperlichen Voraussetzungen bestimmtwesentlich die Aufmerksamkeit, die einVorgang auf sich zieht, ob er bemerktwird oder nicht. AlltäglicheGeschehnisse werden vielfach nichtwahrgenommen. So haben wir sicherlichnach einer Woche kaum noch eineErinnerung daran, wer vor uns an derSupermarktkasse gestanden hat, es seidenn die Person hat unsereAufmerksamkeit auf sich gezogen.

Weiter können die Voraussetzungen derTatörtlichkeit eine präzise Wahrnehmungdes Tatgeschehens erschweren odervereiteln, so z.B. der Blick durch Baum-und Strauchbewuchs auf die

Page 457: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Tatörtlichkeit. Bei für das Verfahrenwesentlichen Zeugenaussagen solltedaher bei den geringsten Zweifeln immervom Beobachtungsstandort des Zeugenaus die „Sichtlinie“ in den Tatortüberprüft und ggf. fotografischdokumentiert werden. Zu prüfen istweiterhin – gerade bei älteren Personen– wie gut ihre Sehfähigkeit und ihrHörvermögen ist.

Auch das Erinnerungsvermögen wirdzunächst einmal deutlich von dem„Aufmerksamkeitswert“ des Vorfalls,aber auch von der eigenen Betroffenheitoder der emotionalen Einstellung zumGeschehen bestimmt. Je länger der

Page 458: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Vorfall zurückliegt, desto mehrverblassen die Erinnerung und dieDetailkenntnis. Aus diesem Grundsollten Vernehmungen wichtiger Zeugenauf keinen Fall auf die lange Bankgeschoben werden. Nicht auszublendenist, dass natürlich auch die geistigenFähigkeiten eines Zeugen seinErinnerungsvermögen bestimmen. Dinge,die uns persönlich besondersinteressieren werden uns auch länger imGedächtnis bleiben als interessanteDinge. So wird sich z.B. der BMW-Faneventuell noch an vielfältige Detailseines Fahrzeuges erinnern mit dem TäterEinbruchswerkzeug gekauft haben.

Page 459: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Weiter ist zu beachten, dass nach einerbestimmten Zeit eine Pause eingelegtwerden muss, damit wieder die vollegeistige Leistungsfähigkeit dervernommenen Person verfügbar ist.Nicht ohne Grund wird nach jeweilszwei Schulstunden eine Pause eingelegt.Dies sollte als Anhalt dienen.

Die Wiedergabefähigkeit einer Personist neben den geistigen Fähigkeiten aucheine Frage der Veranlagung. Es gibtPersonen, die über eine präziseAusdrucksfähigkeit verfügen undeigenständig erzählen können und solche,die es halt nicht können. Im gewissenUmfang lassen sich diese Fähigkeiten

Page 460: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

trainieren, jedoch ist die Zeugenaussagesofort von Nöten und das Geschehen,das der Zeuge beobachtet hat, liegt inder Vergangenheit.

Bei Beschuldigten stellt sich stets dieFrage, inwieweit gemachte Angaben derWahrheit entsprechen. Häufig ist beiBeschuldigten der Hang ausgeprägt, dasseigene Handeln zu relativieren bzw. zuverharmlosen. Die Aussagen vonBeschuldigten sind mit den bislangerlangten Zeugenaussagen und denerlangten weiteren Beweismittelnabzugleichen. Widersprüche sind hierbeiherauszuarbeiten und abzuklären.Geständnisse von Beschuldigten sind

Page 461: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

hinsichtlich ihres Wahrheitsgehaltesmöglichst durch die Erlangungeigenständiger, weiterer Beweismittelabzusichern.

Jedoch nicht nur bei der Vernehmungvon Beschuldigten stellt sich die Frageinwieweit die Aussage der Wahrheitentspricht. Prüfindikatoren sind hier dieAussagen anderer Personen und amTatort gesicherte Sachbeweise. GeradeBeschuldigte neigen doch oft zu einerbeschönigenden oder verharmlosendenDarstellung des Tatgeschehens. Geradewenn es um subjektiveTatbestandsmerkmale geht, wird gernebeschönigt und eine Überprüfung anhand

Page 462: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

von Sachbeweisen ist meist nichtmöglich.

Aber auch bei Zeugen ist zu prüfen, wiesie mit anderen Personen (Beschuldigteals auch Zeugen) in Beziehung und ggf.Abhängigkeiten stehen. Steht im Kern„Aussage gegen Aussage“ so hat derBGH in Fällen, in denen die Aussagedes einzigen Belastungszeugen in einemwesentlichen Detail als bewusst falschanzusehen war, verlangt, dass imÜbrigen Indizien für die Richtigkeit derAussage vorliegen müssen, dieaußerhalb der Aussage selbst liegen.214)

Nicht zu unterschätzen ist letztlich der

Page 463: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Einfluss des Vernehmungsbeamten aufdie erlangte Aussage. Diese ist starkabhängig vom Selbstbewusstsein dervernommenen Person. SchwacheCharaktere werden eher alsselbstbewusste Charaktere vehementvorgetragene Vorhalte beiWidersprüchen resignierend hinnehmenund der vorgetragenen Version desVernehmungsbeamten zustimmen. Zubeachten ist, dass massive Vorhalte,Suggestivfragen oder moralischeVorhaltungen über die Verwerflichkeitder Tat leicht zu falschen Aussagenführen können. Vernehmungen solltengleichfalls nicht zu lange durchgeführt

Page 464: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

werden, denn Ermüdung kann zurResignation der vernommenen Personführen und sie liefert der Polizei „diegewünschten Antworten“, um endlichihre Ruhe zu haben.

Page 465: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

9.11 Vernehmung vonJugendlichen imErmittlungsverfahren

Jugendliche werden genau wieErwachsene im Strafverfahren alsZeugen und Beschuldigte vernommen.Nach Abschluss der Vernehmung wirddie Niederschrift durch die Jugendlichenwie bei der Vernehmung vonErwachsenen unterzeichnet.

Die Ladung von Jugendlichen zurVernehmung als Zeuge oderBeschuldigter ist dabei grundsätzlich anden gesetzlichen Vertreter zu richten.215)

Page 466: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Die notwendige Verstandesreife nach §52 StPO ist bei Jugendlichen in derRegel gegeben.

„Vorgeschriebene Belehrungen desJugendlichen müssen in einer Weiseerfolgen, die seinem Entwicklungs- undBildungsstand entspricht.“216)

Aus kriminaltaktischen Aspekten sollteeine Vernehmung der Jugendlichen nachMöglichkeit ohne den/dieErziehungsberechtigten erfolgen. Diesesind vor und nach der Vernehmung überden Verfahrensgegenstand und dieVernehmungsinhalte in Kenntnis zusetzten. Vorgeschriebene Belehrungen

Page 467: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

sind auch an den „anwesendenErziehungsberechtigten und gesetzlichenVertreter zu richten und müssen dabei ineiner Weise erfolgen, die es diesenermöglicht, ihrer Verantwortung […]gerecht zu werden“.217)

Ein zwingender Ausschluss desErziehungsberechtigten von derVernehmung ist gegen dessen Willennicht durchsetzbar; hierfür gibt es in derStPO oder dem JGG keine Regelung. Einsolcher Ausschluss würde dieverfahrensrechtlichen Mitwirkungsrechtedes Erziehungsberechtigten inunzulässiger Weise einschränken.

Page 468: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Es besteht nicht nur eine Pflicht dengesetzlichen Vertreter oderErziehungsberechtigten zu belehren, denErziehungsberechtigten und dengesetzlichen Vertretern stehen auchaktive Rechte zu. „Soweit derBeschuldigte ein Recht darauf hat, gehörtzu werden, Fragen und Anträge zustellen oder beiUntersuchungshandlungen anwesend zusein, steht dieses Recht auch demErziehungsberechtigten und demgesetzlichen Vertreter zu. […] DieRechte des gesetzlichen Vertreters zurWahl eines Verteidigers und zurEinlegung von Rechtsbehelfen stehen

Page 469: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

auch dem Erziehungsberechtigten zu.“218)

Ein Ausschluss desErziehungsberechtigten von derBeschuldigtenvernehmung gegen dessenWillen führt mit hoherWahrscheinlichkeit zurUnverwertbarkeit desVernehmungsergebnisses vor Gericht. Istder Erziehungsberechtigte freiwilligdamit einverstanden, den Raum zuverlassen, so verzichtet er freiwillig aufseine rechtlichen Einflussmöglichkeiten.

9.12 Anhörung vonKindern im

Page 470: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

ErmittlungsverfahrenKinder sind noch nicht strafmündig,daher können sie in einem Strafverfahrenauch nicht die Stellung einesBeschuldigten haben. Sie werden nichtvernommen, sondern lediglich angehört.Kinder unterschreiben ihre Anhörungnicht selbst, die Niederschrift wird nurvom Vernehmungsbeamten/derVernehmungsbeamtin unterzeichnet.

Kinder sind als Zeugen nicht zuunterschätzen, sie haben oft eineerstaunlich hohe Auffassungsgabe undkönnen Beobachtungen detailreichwiedergeben. Wenn Kinder und deren

Page 471: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Angehörige durch die Straftat nichtgeschädigt wurden und bei der Tat keineGewaltanwendung z.N. einer anderenPerson stattgefunden hat, dann sehenKinder in der Vernehmung durch diePolizei fast „ein Abenteuer“.

Anders sind die Fälle zu beurteilen, indenen Kinder selbst Opfer von Straftatengeworden sind. Besondere Behutsamkeitist in den Fällen gefordert, in denenKinder Opfer vonKindesmisshandlungen oderSexualdelikten durch nahe Angehörigegeworden sind. Hier ist zunächst zuklären, ob die Kinder den Belastungeneiner Vernehmung überhaupt gewachsen

Page 472: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

sind. Ist eine Vernehmungsfähigkeit unterdem frischen Eindruck der Tat nochnicht gegeben, so kann eine Vernehmunghäufig zeitlich geschoben werden. InFällen, in denen Kinder Opfer massiverGewalt- und Sexualdelikte gewordensind, ist eine Sekundärviktimisierungdurch mehrfache Vernehmung zu diesemSachverhalt unbedingt zu vermeiden.219)

Anzustreben ist eine umfassendeVernehmung zum Sachverhalt in der allerelevanten Punkte behandelt werden.Diese Vernehmung ist auf Videoaufzuzeichnen, damit auf eineEinvernahme des Kindes vor Gericht imRahmen der Hauptverhandlung möglichst

Page 473: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

verzichtet werden kann.

Ausübung desZeugnisverweigerungsrechtes bei

Kindern (§ 52 II StPO)

Page 474: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Abb. 27: Zeugnisverweigerungsrechtedes Kindes

„Eine allgemeine Zeugnisfähigkeit gibt

Page 475: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

es nicht. [… ] Zeuge kann auch sein, werkörperliche oder geistige Gebrechen hat,sofern er nur zu Wahrnehmungen undihrer Wiedergabe vor Gericht fähig ist.[…] Kinder können Zeugen sein, wennvon ihnen eine verständliche Aussage zuerwarten ist. […] Dafür gibt es keinefeste Altersgrenze, Kinder unterviereinhalb Jahren werden aber seltenaussagefähig sein.“220)

Ob Kinder selbst über ihre Aussageentscheiden, hängt von ihrerVerstandesreife ab. Die notwendigeVerstandesreife haben Kinder dann,wenn sie erkennen können, dass der

Page 476: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Beschuldigte „[…]etwas Unrechtesgetan habe und dass ihm hierfür eineStrafe drohe, sowie dass ihre Aussagemöglicherweise zu seiner Bestrafungbeitragen werde“.221)

Kinder sagen bei erkennbarerVerstandesreife nach eigenerEntscheidung über dasZeugnisverweigerungsrecht aus. „EineBeweisperson, welche die zumVerständnis ihresZeugnisverweigerungsrechts nach § 52StPO erforderliche geistige Reife nichtbesitzt, darf allerdings grundsätzlich nurmit Zustimmung ihres gesetzlichen

Page 477: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Vertreters, der auch an ihrer Stelleentsprechend zu belehren ist, vernommenwerden.“222) Trotz der Zustimmung desgesetzlichen Vertreters, darf keineVernehmung erfolgen, falls keineAussagewilligkeit des Zeugen besteht.

Eine Entscheidung des gesetzlichenVertreters erfolgt nur, wenn der Zeugevon der Bedeutung seines Rechts keinegenügende Vorstellung hat. Wergesetzlicher Vertreter ist, bestimmt dasbürgerliche Recht. Wenn die Eltern vonder Vertretung ausgeschlossen odergehindert sind, so ist gemäß § 1909 BGBein Ergänzungspfleger zu bestellen.

Page 478: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

„Ein Kind, das die Bedeutung seinesZeugnisverweigerungsrechtes wegenfehlender Verstandesreife nicht begreift,muss darüber belehrt werden, dass estrotz der Zustimmung seines gesetzlichenVertreters zur Aussage nicht auszusagenbraucht.“223)

Wenn beide Eltern die gesetzlichenVertreter des Kindes sind, das Kindnicht die notwendige Verstandesreife zureigenständigen Entscheidung besitzt undein Elternteil nicht in die Aussage desKindes einwilligt, so muss dieVernehmung unterbleiben. Daraus ergibtsich für die Verwertung von Aussagen

Page 479: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

von Kindern bei Entscheidung dergesetzlichen Vertreter über einemögliche Inanspruchnahme desZeugnisverweigerungsrechtes folgendeÜbersicht:

Ist ein Elternteil Beschuldigter einerStraftat zum Nachteil des Kindes, sokann der andere Elternteil, nicht

Page 480: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

eigenständig über Aussage oderNichtaussage des Kindes entscheiden.Auf Antrag der Staatsanwaltschaft istdann vom Vormundschaftsgericht einErgänzungspfleger zu stellen, der überdie Aussage oder Nichtaussage desKindes entscheidet.224)

„In den Fällen des § 52 II Satz 2 StPOwirkt die Staatsanwaltschaft möglichstfrühzeitig auf die Anordnung einerErgänzungspflegschaft (§ 1909 I Satz 1BGB) durch das zuständigeFamiliengericht (§ 152 FamFG) hin.“225)

9.13 Vernehmung von

Page 481: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

ausländischenZeugen undBeschuldigten

„Bei der ersten verantwortlichenVernehmung eines Ausländers istaktenkundig zu machen, ob derBeschuldigte die deutsche Sprachesoweit beherrscht, dass einDolmetscher nicht hinzugezogen zuwerden braucht.“226) Das heißt dieZuziehung eines Dolmetschers zurVernehmung eines ausländischenBeschuldigten ist nicht zwingenderforderlich, sie ist abhängig von seinenSprachkenntnissen und dessen Bedeutung

Page 482: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

für das Verfahren. In einem Verfahrenwegen Diebstahls werden dieAnforderungen an die Sprachkenntnisseum der Vernehmung folgen zu könnensicherlich geringer sein, als in einemVerfahren wegen Anlagebetrugs.

Ein recht guter Indikator zurrealistischen Beurteilung der deutschenSprachkenntnisse ist sicherlich diePrüfung, ob der Beschuldigte inDeutschland einen Schulabschlusserworben hat. In diesem Fall könnenausreichende Sprachkenntnisse stetsunterstellt werden. Ein anderer Indikatorist sicherlich die Überprüfung, ob diePerson in Deutschland einen

Page 483: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Berufsabschluss erworben hat.

Für ausländische Zeugen ist keineRegelung vorgesehen, jedoch ist eineZeugenaussage in einem Verfahrenspäter ohne jeden Wert, wennfestgestellt wird, dass der Zeuge derdeutschen Sprache nicht hinreichendmächtig gewesen ist. DieErmittlungsbehörden würden sich damitselbst schaden.

Haben also Personen keineausreichenden deutschenSprachkenntnisse, so ist bei derVernehmung ein Dolmetscherhinzuzuziehen. Hierbei soll es sich um

Page 484: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

gerichtlich vereidigte Dolmetscherhandeln. Jede Polizeibehörde führthierzu ein entsprechendes Verzeichnis.Dadurch werden auchabrechnungstechnische Schwierigkeitenspäter vermieden, denn die Polizeierstattet nur festgelegte Stundensätze fürDolmetscherleistungen.

Die häufig geübte Praxis, dassBeschuldigte oder ZeugenFamilienangehörige oder Bekannte zurÜbersetzung mit zur Polizei bringen istzwar vordergründig kostenökonomisch,jedoch unprofessionell. Denn wenn einefehlerhafte Übersetzung später moniertwird, dann ist die Aussage im Verfahren

Page 485: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

häufig nicht verwertbar.

Es bietet sich an, bereits mit derVorladung die Vernehmungsperson umRückmeldung zu bitten, ob sie überausreichende Sprachkenntnisse verfügtoder nicht. So können unnützeDolmetscherladung vermieden werden.Wird im Laufe der Vernehmung docheine mangelnde deutsche Sprachkenntnisfestgestellt, dann muss die Vernehmungabgebrochen werden und es ist ein neuerTermin unter Beiziehung einesDolmetschers zu vereinbaren.

Bei Personen, die die deutsche Sprachenicht hinreichend beherrschen, ist bereits

Page 486: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

die Vorladung in einer für dieVernehmungsperson verständlichenSprache abzufassen und zuversenden.227) Hierzu gibt es inNordrhein-Westfalen in derFormularsammlung inzwischen eineVielzahl von landessprachlichenÜbersetzungen, die fast alle Sprachenabdecken.

9.14 Zeugenaussagetrotz ärztlicherSchweigepflicht

Grundsätzlich gilt für den Arzt dieSchweigepflicht. „Der Sinn des § 53

Page 487: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

StPO liegt nicht in einer Privilegierungder genannten Berufsstände, vielmehrsollen Vertrauensbeziehungen geschütztwerden. […] Aus § 53 StPO ergibt sichnur das Recht das Zeugnis zuverweigern, nicht jedoch die Pflicht zurVerschwiegenheit. EineSchweigeverpflichtung ist dagegen inberufsrechtlichen Bestimmungen und in §203 StGB materiell rechtlichbegründet.“228)

Wird der Verschwiegenheitsberechtigte,so also der Arzt, von derSchweigepflicht entbunden, so ist er zurAussage verpflichtet. Ihm steht hier kein

Page 488: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

eigenes Entscheidungsrecht zu; denn esist der Patient der hier geschützt werdensoll und nicht der Arzt.

§ 53 StPO greift immer nur dann, wennes zu einem Arzt-Patientenverhältniskommt, so auch wenn der Notarzt zueinem Unfallopfer kommt und dort dieärztliche Notfallversorgung vornimmt.Kein Arzt-Patientenverhältnis bestehthingegen, wenn der Arzt lediglich zurAusstellung eines Totenscheins gerufenwird und die Person beim Eintreffen desArztes bereits verstorben war.

Einer Belehrung des Arztes oder seinerVerrichtungsgehilfen über ihr

Page 489: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

berufsbedingtes Schweigerecht nach §§53, 53a StPO bedarf es nach derStrafprozessordnung nicht; denn § 163 IIIStPO zählt die Vorschriften über dieZeugen zu belehren sind bzw. die bei derVernehmung von Zeugen zu beachtensind, abschließend auf.

„Mit dem Tod des Geheimnisträgers(z.B. Patienten) gehen weder dasZeugnisverweigerungsrecht, noch diemateriellrechtlicheVerschwiegenheitspflicht automatischunter, angesichts ihreshöchstpersönlichen Charakters befindenauch nicht etwa die Erben oderAngehörigen des Verstorbenen über

Page 490: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

deren Einhaltung.“229)

Der Arzt ist jedoch auch berechtigt, ohneEntbindung von der Schweigepflichtauszusagen. Der Grundsatz der Güter-und Rechtsabwägung greift hier ein, dieAussage ist in der Regel über § 34 StGBabgedeckt (rechtfertigender Notstand).Eine Aussageverpflichtung besteht auchnach § 138 StGB bezüglich geplanterStraftaten.

Setzt sich ein Arzt ungerechtfertigt überberufsbedingte Schweigerechte nach §53 StPO hinweg und gibtpatientenbezogene Informationen preis,so liegt hier regelmäßig eine Verletzung

Page 491: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

von Privatgeheimnissen nach § 203StGB vor.

Wird ein Arzt als Sachverständigerhinzugezogen, so bestehen keinerleiSchweigepflichten, da er im Auftrag derStrafverfolgungsbehörde tätig wird.Damit ist grundsätzlich ausgeschlossen,dass ein den Patienten behandelnderArzt zugleich für die Polizeibehörde alsGutachter in dem der PatientGeschädigter ist, tätig wird. Hier würdeeine unlösbare Interessenkollisionvorliegen.

9.15 Zeugen imöffentlichen Dienst

Page 492: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Angehörige des öffentlichen Dienstesunterliegen grundsätzlich einerAmtsverschwiegenheit. Nach § 54 StPOgelten hierbei jeweils die besonderenbeamtenrechtlichen Vorschriften. „Sollein Richter, ein Beamter oder eineandere Person des öffentlichen Dienstesals Zeuge vernommen werden understreckt sich die Vernehmung aufUmstände, die derAmtsverschwiegenheit unterliegen, soholt die Stelle, die den Zeugenvernehmen will, dieAussagegenehmigung von Amts wegenein.“230)

Page 493: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Das heißt, die Ladung an Personen desöffentlichen Dienstes ist stets an diejeweilige Behörde zu versenden, mit derBitte dem Mitarbeiter eineentsprechende Aussagegenehmigung zuerteilen. In der Regel wird durch denBehördenleiter dann eine sogenannteeingeschränkte Aussagegenehmigungerteilt. Diese wird auch fürPolizeibeamte erteilt, die eine Ladungzur Zeugenaussage vor dem Gerichterhalten haben. Die eingeschränkteAussagegenehmigung gestattet dieAussage zu den fallbezogenen Aspekten,jedoch nicht zu Erkenntnissen, die derGeheimhaltung unterliegen. Für die

Page 494: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Polizei wären das z.B. Namen vonInformanten, verdeckten Ermittlern,Einsatzgrundsätzen von Spezialeinheiteno.Ä.

174) Hermanutz/Litzcke, S. 34 (weiterführendauch Karlsruher Kommentar zur StPO, 6.Aufl., § 136 Rz. 3).

175) Wirth, S. 619.176) Ebd.177) Lisken/Denninger, S. 358 Rz. 196.178) In den anderen Bundesländern gibt es

jeweils ähnliche landesspezifischeVorschriften zur Befragung vonPersonen.

179) § 161a I Satz 1 StPO.180) Vgl. § 161a II StPO.

Page 495: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

181) Meyer-Goßner, § 163, Rz. 9.182) BGH in NJW 90, 461183) Kramer, S. 120, Rz. 121.184) Meyer-Goßner, vor § 48 StPO, Rz. 1.185) § 85 StPO.186) Nr. 65 Satz 1 der Richtlinien für das

Straf- und Bußgeldverfahren.187) Meyer-Goßner, § 52, Rz. 29

(weiterführend NJW 86, 2122).188) Vgl. § 52 I StPO.189) NStZ 198, 84.190) Meyer-Goßner, § 52 StPO, Rz. 32.191) NJW 1968, 1246.192) § 252 StPO.193) NJW 1960, 584.194) Für NRW: RdErl. des IM vom

03.02.2004 (MBl. NRW. S. 229)„Bearbeitung von Straftaten gegen die

Page 496: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

sexuelle Selbstbestimmung“, Ziff. 4.3.195) Meyer-Goßner, Rz. 78 der Einl.196) Mohr/Schimpel/Schroer, S. 7, Ziff. 1.1.197) NJW 1969, S. 777.198) Mohr/Schimpel/Schroer, S. 7, Ziff. 1.1.199) Eine ausführliche Abhandlung zur

Beschuldigtenvernehmung erfolgt in:Mohr/Schimpel/Schroer ‚Lehr- undStudienbrief Kriminalistik/KriminologieBd. 5.

200) Juristische Arbeitsblätter 2/2008, S. 152.201) Westphal, S. 31.202) NStZ, 1992, 504203) Nr. 45 der Richtlinien für das

Strafverfahren und das Bußgeldverfahren(RiStBV).

204) Meyer-Goßner, § 136, Rz. 21.205) Meyer-Goßner, § 163, Rz. 16.

Page 497: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

206) § 114b II Satz 1 Nr. 2 – 4 StPO.207) Ackermann/Clages/Roll, S. 559, Rz. 42.208) So z.B. Hermanutz/Litzcke: Vernehmung

in Theorie und Praxis, 3. Auflage,Boorberg Verlag, Stuttgart 2012;Habschick: Erfolgreich vernehmen, 3.Aufl., Kriminalistik Verlag, Heidelberg2012.

209) § 69 StPO.210) Vgl. § 69 StPO.211) Meyer-Goßner, § 58a, Rz. 6.212) NJW 2003, 767.213) Vgl. § 58a III StPO.214) NStZ 2003, 164.215) Vgl. § 67 II JGG.216) § 70a I JGG.217) § 70a I JGG.218) § 67 I und III JGG.

Page 498: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

219) Vgl. hierzu auch Nr. 19 der Richtlinienfür das Strafverfahren und dasBußgeldverfahren (RiStBV).

220) Meyer Goßner, vor § 48 StPO, Rz. 13.221) NJW 1967, 360.222) NJW 1967, 360.223) BGHSt NJW 1967, 2273.224) § 52 II StPO.225) Nr. 19 III Richtlinien für das Straf- und

Bußgeldverfahren.226) Nr. 181 I RiStBV.227) Vgl. Nr. 181 II RiStBV.228) Kramer, S. 140, Rz. 137.229) Ebd..230) Nr. 66 I RiStBV.

Page 499: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

10 Wiedererkennungsverfahren10.1 Begriff des

WiedererkennungsverfahrensDie „Wiedererkennungsmaßnahme[ist eine] kriminalistische Methode, beider Personen, Sachen oder Örtlichkeitenvon einer Wiedererkennungsperson (Wiedererkennungszeuge)anhandäußererMerkmale( Merkmalsausprägung) identifiziertoder als bekannte Erscheinungausgeschlossen werden.“231)

Die Identifizierung derGegenüberstellungsperson erfolgt bei

Page 500: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Wiederkennungsverfahren regelmäßigdurch Zeugen, die die zu identifizierendePerson zuvor beobachtet haben. Diesebekunden durch Ihre Aussage, ob undggf. warum sie im Rahmen derGegenüberstellung eine Person als Täteridentifiziert oder ausgeschlossen haben.Somit handelt es sich bei derGegenüberstellung um einen Unterfallder Vernehmung.

Bei der Gegenüberstellung sindbegrifflich dieVernehmungsgegenüberstellung und dieIdentifizierungsgegenüberstellung zuunterscheiden. „Bei derVernehmungsgegenüberstellung sollen

Page 501: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Widersprüche zwischen den Angabendes Beschuldigten und Zeugenaussagengeklärt werden […]. Die häufigsteErscheinungsform ist dieIdentifizierungsgegenüberstellung, dieihrerseits zumeist alsWahlgegenüberstellung stattfindet.“232)

Im vorliegenden Kapitel beschränkensich die Autoren aus Gründen derPraktikabilität ausschließlich aufausgewählte Wiedererkennungsverfahrenzur Identifizierung von Personen.Behandelt werden die• Wahlgegenüberstellung• Wahllichtbildvorlage

Page 502: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

• Lichtbildvorzeigekartei• „Phantombilderstellung“• Öffentlichkeitsfahndung

Die Vernehmungsgenüberstellung wirdim nachfolgenden Kapitel nichtbehandelt, da es sich um eine besondereForm der Vernehmung und nicht um eineWiedererkennungsmaßnahme handelt.Kurz angesprochen werden derLichtbildvergleich und die GES-Recherche233), hier handelt es sich eherum eine kriminaltechnischeUntersuchungsmöglichkeit als eine durchden Sachbearbeiter selbst durchführbareWiedererkennungsmaßnahme.234)

Page 503: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

„Das Wiedererkennen soll unterkriminalistischer Zielsetzung• Beweis für die Täterschaft erbringen,• den unschuldigen Verdächtigen

entlasten,• den Tatverdächtigenkreis einengen

oder• Ermittlungs-/Fahndungshinweise nach

dem Tatverdächtigen zur Verfügungstellen.“235)

10.2 RechtsgrundlagenzuWiedererkennungsverfahren

Page 504: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

„Eine Gegenüberstellung mit anderenZeugen oder mit dem Beschuldigten imVorverfahren ist zulässig, wenn es fürdas weitere Verfahren gebotenerscheint.“236) Für das weitere Verfahrengeboten ist eine Gegenüberstellungimmer dann, wenn es zur weiterenSachaufklärung beiträgt, so u.a. wenndadurch ein Beschuldigter identifiziertwerden kann oder eine Person als Täterausgeschlossen werden kann. DieRechtsvorschrift ist im 6. Abschnitt derStrafprozessordnung „Zeugen“angesiedelt. Für Zeugen ist § 58 II StPOsicherlich als Rechtsgrundlage unstrittig.

Page 505: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

§ 58 II StPO reicht jedoch nach h.M. alsRechtsgrundlage nicht aus, um eineGegenüberstellung gegen den Willen desBeschuldigten durchzuführen. DieIntention der Vorschrift, so wirdargumentiert, sei eigentlich eine ganzandere gewesen, als Beschuldigte imRahmen einer Gegenüberstellung durchZeugen identifizieren zu lassen. „DerGesetzgeber hatte bei der Schaffung des§ 58 II StPO nur die sogenannteVernehmungsgegenüberstellung imBlick, die im alten Recht eine großeRolle spielte. Die seit alters gleichfallsbedeutsameIdentifizierungsgegenüberstellung

Page 506: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

wurde ohnehin in jedem Stadium desVerfahrens als zulässig erachtet.“237)

Im Lichte der heutigen Auslegung derGrundrechte wird § 58 II StPOzunehmend kritisch als Rechtsgrundlagefür eineIdentifizierungsgegenüberstellung desBeschuldigten mit Zeugen gegen dessenWillen gesehen. „Nach der Systematikdes Gesetzes regelt § 58 II StPO eineAusnahme von § 58 I StPO und damit nurden Vorgang der Konfrontation (Anm.der Autoren Vernehmungsgegenüberstellung)“238) DieArgumentation ist wiederum schlüssig

Page 507: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

zur Ansiedlung im 6. Abschnitt „Zeugen“der Strafprozessordnung.

„Rechtsgrundlage für die Pflicht desBeschuldigten, sich einem Zeugengegenüberstellen zu lassen, ist nach wohlzutreffender Ansicht § 81a StPO. Hierspricht ein Erst-recht-Schluss dafür,dass die Pflicht zur Duldung einerkörperlichen Untersuchung erst recht dasbloße Dulden der Betrachtung deräußeren Erscheinung erfasst.“239)

Für die Identifizierungszeugen handelt essich bei derIdentifizierungsgegenüberstellung umeine besondere Form der Vernehmung.

Page 508: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Sie haben – spätestens wenn durch dieStaatsanwaltschaft angeordnet (staatsanwaltschaftliche Vernehmung) –die Pflicht zur Teilnahme und zurwahrheitsgemäßen Aussage, es sei denn,ihnen stünde einZeugnisverweigerungsrecht nach § 52StPO zu oder sie könnten sichnachvollziehbar auf einAuskunftsverweigerungsrecht nach § 55StPO stützen.

Der Beschuldigte muss nach denGrundsätzen des „Fair Trail“ nicht aktivzu seiner Überführung beitragen,allerdings ist er verpflichtet zurGegenüberstellung zu erscheinen und die

Page 509: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Maßnahme ohne Störungen über sichergehen zu lassen, da er dort passivesAnschauungsobjekt ist. Wie jede anderestrafprozessuale Maßnahme kann aucheine Gegenüberstellung zwangsweisedurchgeführt werden, jedoch dürfte dasErgebnis vor Gericht kaumbeweiserheblich zu verwerten sein.Liegen die Voraussetzungen für eineerkennungsdienstliche Behandlung desBeschuldigten bereits vor derDurchführung der Gegenüberstellungvor, so sollte die ED-Behandlung auskriminaltaktischen Überlegungen, vorder Gegenüberstellung durchgeführtwerden. Deutet der Beschuldigte bei der

Page 510: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

späteren Gegenüberstellung dann an,dass er die Maßnahme stören wird, sokann dann immer noch auf eineWahllichtbildvorlage ausgewichenwerden, die durch den Beschuldigtennicht gestört und in ihrem Beweiswertnicht beeinträchtigt werden kann.

Sollen von dem Beschuldigten aktiveHandlungen zum Zwecke seinerIdentifizierung vorgenommen werden, soz.B. das Zeigen von Gesten, so ist erüber die Freiwilligkeit dieserHandlungen ausdrücklich zuvor zubelehren.

㤠81a StPO gestattet die zwangsweise

Page 511: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Veränderung der Haar- und Barttrachteines Beschuldigten – bis hin zuEingriffen in die Substanz seiner Haar-und Barttracht – zum Zwecke seinerGegenüberstellung mit Zeugen, wenndiese Maßnahme der Identifizierung desBeschuldigten als Person oder Täterdient und ihm ein Aussehen gegebenwerden soll, das nach dem Stande derErmittlungen demjenigen entspricht,welches er zu einem früheren Zeitpunktfrei gewählt hatte.“240)

Wenn auch Tatzeugen verpflichtetwerden können an einerGegenüberstellung mitzuwirken, so

Page 512: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

besteht grundsätzlich keine Möglichkeit„Vergleichspersonen“ gegen derenWillen zur Mitwirkung an einerGegenüberstellung zu verpflichten. Hiersind die Strafverfolgungsorgane auf dieFreiwilligkeit der möglichenVergleichspersonen angewiesen. BeiPolizeibeamtinnen und Polizeibeamtenbesteht hingegen kein Recht dieTeilnahme als Vergleichsperson an einerGegenüberstellung zu verweigern. AufWeisung des Dienstherren (Anordnung des Vorgesetzten) sind siezur Teilnahme im Rahmen des Dienstesverpflichtet.

Page 513: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

10.3 GegenüberstellungWeder § 58 II StPO noch § 81a StPOenthalten Regelungen, wie eineIdentifizierungsgegenüberstellungkonkret durchzuführen ist und welcheRegelungen zu beachten sind. NähereVorgaben enthält hierzu Nr. 18 derRichtlinien für das Straf- undBußgeldverfahren (RiStBV).

Nr. 18 RiStBV –Gegenüberstellung

Page 514: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Abb. 26: Gegenüberstellung imÜberblick

Page 515: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Identifizierungsgegenüberstellungenkönnen daher nur in Form einerWahlgegenüberstellung durchgeführtwerden, wenn sie für ein späteresgerichtliches Verfahren eineBeweisqualität erhalten sollen. DieAnforderungen von Nr. 18 RiStBV, wasdie Kriterien an die Vergleichspersonenbetrifft, sind hierbei zu beachten.

Eine Einzelgegenüberstellung ist zwarnicht rechtswidrig, hat aber so gut wiekeine Beweisqualität in einemErmittlungsverfahren und ist regelmäßigals kriminaltaktischer Fehler anzusehen.Einer Einzelgegenüberstellung haftetimmer eine stark suggestive Wirkung an,

Page 516: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

die gegenübergestellte Person müssewohl auch der Täter sein.

Da es bei der Gegenüberstellung auf dieIdentifikation des Täters durch denZeugen aufgrund seinesErinnerungsvermögens ankommt, ist eineGegenüberstellung keine wiederholbareMaßnahme. So ist es nicht möglich, nacheiner Einzelgegenüberstellung durchKräfte des Wachdienstes, imunmittelbaren Anschluss an dieFestnahme des möglichen Täters, amFolgetag durch die Kräfte derErmittlungsdienststelle eine (dannkorrekte) Wahlgegenüberstellungdurchzuführen. Hier wird unterstellt,

Page 517: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

dass der Zeuge lediglich die Personidentifiziert, die er bereits (untersuggestiven Bedingungen) am Vortagidentifiziert haben will.

„Die Wiedererkennung anlässlich einer(Wahl-)Gegenüberstellung ist für dieBeurteilung des Tatverdachts im Verlaufdes Verfahrens bis zurHauptverhandlung und in derHauptverhandlung selbst alsvorweggenommener Teil derBeweisaufnahme von entscheidenderBedeutung. […] Daher ist zunächst alleszu vermeiden, was das Erinnerungsbilddes Augenzeugen vom Täter vor derersten Gegenüberstellung beeinträchtigen

Page 518: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

könnte. Dies gilt insbesondere für dieVorlage von Lichtbildern vomTatverdächtigen oder für dieMöglichkeit, ihn als Einzelperson alsVerdächtigen oder unter Umständen, dieihn als Verdächtigen erscheinen lassen,zu sehen.“241)

Eventuell kann es angezeigt sein, wegenbesonderer Umstände dieGegenüberstellung auch am Tatort selbstdurchzuführen (z.B. wegen besondererSicht- oder Beleuchtungsverhältnisse).Gegen die Aufzeichnung derGegenüberstellung mittels Videobestehen keine rechtlichen Bedenken.

Page 519: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Es besteht bei polizeilichen Ermittlungenim Vorverfahren kein Anwesenheitsrechtdes Rechtsanwaltes. Über seineTeilnahme sollte im Einzelfallentschieden werden; vielfach sprechentaktische Aspekte dafür.

10.3.1 SimultaneWahlgegenüberstellung

Auflauf der simultanenWahlgegenüberstellung

Page 520: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD
Page 521: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Abb. 29: SimultaneWahlgegenüberstellung

Einige Problemfelder beiGegenüberstellungen sollen hier nochangesprochen werden. Bei derGegenüberstellung sollen 6 oder 8Personen den Identifizierungszeugengegenübergestellt werden, hierdurch sollein sogenannter. Mittlereffektausgeschlossen werden (d.h. derIdentifizierungszeuge sucht denBeschuldigten aus der Mitte derGegenüberstellungspersonen aus).

Bei den Gegenüberstellungspersonen

Page 522: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

muss für eine „gerichtsverwertbare“Gegenüberstellung vor allem dasGesamterscheinungsbild der Personenstimmen. Es reicht nicht mehr nurPersonen gleichen Geschlechts und etwagleichen Alters und vergleichbarerGröße für die Gegenüberstellung zusuchen. Sowohl die ethnischeZugehörigkeit der Person, ihre Haar- undBarttracht, aber auch der Kleidungsstilund die gesamte persönlicheErscheinung müssen bei der Auswahlund Suche von Vergleichspersonenberücksichtigt werden. Bleibt dann dieFeststellung, dass adäquateVergleichspersonen nicht zu gewinnen

Page 523: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

sind, dann sollte besser auf eineWahllichtbildvorlage mit entsprechenddigital veränderten Lichtbildernausgewichen werden als auf eineverkorkste Wahlgegenüberstellung.

Vor Durchführung der Gegenüberstellungist unbedingt zu vermeiden, dass dieIdentifizierungszeugen im Dienstgebäudemit den Vergleichspersonen (womöglichnoch in Uniform) oder demBeschuldigten (eventuell noch gefesselt)Kontakt haben, bevor dieGegenüberstellung stattfindet.

In dem Raum, in dem dieGegenüberstellung stattfindet, haben

Page 524: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

dann der Beschuldigte und dieVergleichspersonen Aufstellung zunehmen. Hierbei hat der Beschuldigtedie Möglichkeit, seinen Standort in derReihe der Gegenüberstellungspersonenfrei zu wählen. Fortlaufend werden dannentsprechende Nummernkarten an dieGegenüberstellungspersonen verteilt undmittels eines Fotos die Gruppe derPersonen dokumentiert. DiePersonengruppe wird dann für dieDurchführung der Gegenüberstellunginstruiert.

Getrennt wird (i.d.R. durch denSachbearbeiter) dieIdentifizierungszeugin/der

Page 525: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Identifizierungszeuge instruiert.Sodann wird die Gegenüberstellungdurchgeführt. Sollte in der Dienststellekein venezianischer Spiegel vorhandensein und die Zeugin/ der Zeuge derPersonengruppe direkt gegenübertreten,so sollte vor der Personengruppe keineAussage erfolgen, ob die Zeugin/derZeuge eine Person identifiziert hat undggf. welche Person.

Nach Abschluss der Gegenüberstellungwird ein Vermerk über die Durchführungder Gegenüberstellung gefertigt undder/die Identifizierungszeuge/-zeuginzum Ergebnis der Gegenüberstellungvernommen. Hierbei ist besonders zu

Page 526: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

dokumentieren auf Grund welcherAspekte eine Identifikation desBeschuldigten erfolgte.

Im Anschluss an die Maßnahme ist derBeschuldigte verantwortlich zuvernehmen. Hierbei besteht keinerleiVerpflichtung, den Beschuldigten vomErgebnis der Gegenüberstellung inKenntnis zu setzen. Eine bewussteTäuschung des Beschuldigten durchunwahre Aussagen ist jedoch unzulässig.

Festzuhalten bleibt, dass es sich bei derWahlgegenüberstellung um eine sehraufwändige Ermittlungsmaßnahmehandelt. Mit einem deutlich geringeren

Page 527: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Aufwand ist eine Wahllichtbildvorlageverbunden. Aus diesem Grunde wird dieWahlgegenüberstellung nur in Fällen derschweren Kriminalität und in bestimmtenFällen der mittleren Kriminalitätdurchgeführt. In den übrigen Fällen wirdaus verfahrensökonomischen Gründenauf die Wahllichtbildvorlageausgewichen, es sei denn, durch dieStaatsanwaltschaft wird ausdrücklicheine Wahlgegenüberstellung gewünscht.Dann ist dem Wunsch derStaatsanwaltschaft grundsätzlich zufolgen.

Im Beispielssachverhalt hatte dieZeugin Müller den Täter nach dem

Page 528: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Raub zu Fuß verfolgt. Frau Müllerkonnte beobachten, wie der Täter aufein Mountainbike gestiegen ist unddann seine Maskierung in Form einerSkimaske abgezogen hatte.

Zunächst ist einmal zu klären, ob FrauMüller das Gesicht des Täters gesehenhatte und ob sie den Täter im Rahmeneiner Gegenüberstellungwiedererkennen könne. Dieentsprechenden rechtlichenVoraussetzungen nach § 58 II StPO und§ 81a StPO liegen vor, eineGegenüberstellung auch gegen denWillen des Beschuldigten Seemannwäre zulässig.

Page 529: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Da bei Seemann die rechtlichenVoraussetzungen zur Durchführungeiner erkennungsdienstlichenBehandlung nach § 81b 2. Alt. StPOauch vorliegen, sollte Seemann vor derGegenüberstellungerkennungsdienstlich behandeltwerden. So kann, falls Seemannbeabsichtigt die Gegenüberstellung zustören, immer noch auf eineWahllichtbildvorlage ausgewichenwerden.

Es sind dann 7 weitereGegenüberstellungspersonen zusuchen, die von Alter, Größe, Statur,

Page 530: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Haar- und Barttracht, Aussehen undErscheinungsbild dem Beschuldigtengleichen müssen.

Als Vergleichspersonen wird manzunächst versuchen, Polizeibeamte zugewinnen. Sollten sich nichtausreichend Vergleichspersonen in denReihen der Polizei finden lassen(rotblonde Haare), so ist zunächst eineAnfrage bei anderen Behörden (z.B.Ordnungsamt) erfolgversprechend.Nach Gewinnung einer ausreichendenZahl von Vergleichspersonen sind diesezur Dienststelle zuladen und gleichfallsFrau Müller als Identifizierungszeugin.Hierbei ist darauf zu achten, dass es

Page 531: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

vor der Gegenüberstellung keinAufeinandertreffen von Frau Müllerund den Gegenüberstellungspersonengibt.

Die Vergleichspersonen und derBeschuldigte werden dann in denRaum, in dem die Gegenüberstellungstattfindet, geführt. Der Beschuldigtekann dann seinen Standort in derPersonengruppe frei bestimmen.Sodann werden an jede Personfortlaufende Nummern von 1 – 8verteilt (abhängig vom Standort). DiePersonengruppe wird dann fotografiertum die Ähnlichkeit derGegenüberstellungspersonen zu

Page 532: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

dokumentieren.

Zwischenzeitlich wird in einemseparaten Raum Frau Müllerinstruiert. Weiter wird sie als Zeuginnach §§ 52, 55, 57 StPO belehrt.Anschließend wird dieGegenüberstellung – möglichst durcheinen venezianischen Spiegel –durchgeführt. Sollte Frau Müller derPersonengruppe im gleichen Raumgegenübertreten, weil z.B. keinvenezianischer Spiegel vorhanden ist,so sollte sie instruiert werden inGegenwart des Beschuldigten keineAussage zu tätigen, ob und ggf. welchePerson sie identifiziert hat.

Page 533: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Nach der Gegenüberstellung wird FrauMüller zu dem Ergebnis derGegenüberstellung als Zeuginvernommen. Hierbei ist besonders zudokumentieren, ob sie den Täteridentifiziert hat, anhand welcherMerkmale die Identifikation erfolgteund wie sicher sich die Zeugin bei derIdentifikation ist. Über den Ablauf derGegenüberstellung ist ergänzend einVermerk zu fertigen. Das Lichtbild dergegenübergestellten Personengruppeist als Farbausdruck zurErmittlungsakte zu nehmen.

Im Anschluss an die Gegenüberstellung

Page 534: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

ist der Beschuldigte verantwortlich zuvernehmen. Hierbei besteht keinRechtsanspruch des Beschuldigten, ihmdas Ergebnis derWahlgegenüberstellung bekannt zugeben. Ob und in welchem Umfang dasErgebnis der Wahlgegenüberstellungmitgeteilt wird, liegt im Ermessen desErmittlungsbeamten, eine bewussteTäuschung des Beschuldigten darfjedoch nicht erfolgen.

10.3.2 SequenzielleWahlvideogegenüberstellung

In der letzten Zeit wird in der Literaturhäufig statt der simultanen

Page 535: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Gegenüberstellung die sequenzielleWahlvideogegenüberstellungthematisiert. Diese soll gegenüber derbisherigen simultanen Gegenüberstellungeinen höheren Beweiswert haben.

„Die sequentielleWahlvideogegenüberstellung basiertauf Einzelaufnahmen vonVergleichspersonen undTatverdächtigen, die zu einem Videofilmzusammengeschnitten werden. […]Voraussetzung für eine derartigesequenzielleWahlvideogegenüberstellung ist, dassdie Aufnahmen von den einzelnenPersonen unter den gleichen Umständen

Page 536: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

und Bedingungen gefertigt werden.“242)

Es wird für die sequenzielleWahlvideogegenüberstellung mit demArgument geworben, dass es demZeugen bei der simultanenWahlgegenüberstellung möglich ist, ausden verfügbaren Personen die Personauszuwählen, die dem Täter vomAussehen her am meisten gleicht. Da beider sequenziellenWahlvideogegenüberstellung demIdentifizierungszeugen jedoch immer nurein Bild bzw. Videoclip gezeigt würdeund sich der Zeuge direkt entscheidenmüsse, habe er diese

Page 537: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Auswahlmöglichkeit eben nicht. Diejeweiligen Aufnahmen werden demZeugen bei diesem Verfahren nur einmalgezeigt.

Weitere mögliche Vorteile desVerfahrens sind u.a.:• geringerer Koordinationsbedarf bei der

Terminierung von Zeugen,Tatverdächtigen undIdentifizierungszeugen.

• Die Videoaufzeichnung kann an denWohnort des Zeugen verschicktwerden, der Zeuge muss für dieGegenüberstellung nicht anreisen, fallsBeschuldigter und

Page 538: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Identifizierungszeuge weit auseinanderwohnen.

• problemlose Dokumentation desVergleichs für die Hauptverhandlung,da das Video dort abgespielt werdenkann.

• Keine Störung der Gegenüberstellungdurch auffällige Handlungen desBeschuldigten

Kritisch betrachtet erfolgt bei diesemVerfahren jedoch keine direkteInaugenscheinnahme derGegenüberstellungspersonen, sondernnur eine Personenidentifizierung überBildmaterial, das Verfahren kommt

Page 539: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

eigentlich einer Wahllichtbildvorlagenäher als der klassischenGegenüberstellung. Zudem erfordert dasVerfahren eine bestimmte technischeAusstattung der Dienststelle und einenbestimmten Zeitaufwand, um dasBildmaterial aufzuzeichnen undzusammenzustellen. Gerade im Bereichder Haftsachenbearbeitung mangelt esaber häufig am Faktor „Zeit“; denn beider Haftvorführung sollen nicht seltendie Ergebnisse der Gegenüberstellungvorliegen.

Ablauf der sequenziellenWahlvideogegenüberstellung

Page 540: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD
Page 541: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Abb. 30: SequenzielleWahlvideogegenüberstellung

10.3.3 SequenzielleWahlgegenüberstellung

Um die Vorteile der sequenziellenGegenüberstellung mit der Möglichkeitder unmittelbaren Inaugenscheinnahmeder Gegenüberstellungspersonen zuverbinden, bietet sich die Form der(unmittelbaren) sequenziellenWahlgegenüberstellung an. Der Ablaufergibt sich aus dem nachfolgendenDiagramm:

Page 542: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Auflauf der sequenziellenWahlgegenüberstellung

Page 543: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD
Page 544: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Abb. 31: SequenzielleWahlgegenüberstellung

Sind Beschuldigter, Vergleichspersonenund Zeugen an einem Ort und zeitgleichverfügbar, so scheint derzeit die Formder sequenziellenWahlgegenüberstellung die Vorteilebeider o.a. Methoden zu vereinigen, sou.a.:• Es erfolgt eine direkte

Inaugenscheinnahme derGegenüberstellungspersonen durchden/die Zeugen.

• Zeugen müssen sich sofort bei jeder

Page 545: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Person entscheiden, ob es sich hierbeium den Täter handelt, daher hoherBeweiswert der Identifizierung.

• Es entfällt das Vorhalten einerentsprechenden technischenAusrüstung.

• Zeitaufwand für dieses Verfahren istnicht wesentlich höher als bei dersimultanen Wahlgegenüberstellung.

Alternativ könnte imBeispielsachverhalt natürlich aucheine sequenzielleWahlgegenüberstellung durchgeführtwerden. Aufgrund des hohenBeweiswertes, da Frau Müller sich hier

Page 546: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

nach jeder Person entscheiden muss,wäre dies die optimale Durchführungder Gegenüberstellung. DieVorbereitung des Verfahrens erfolgtgrundsätzlich so wie bei der simultanenWahlgegenüberstellung auch. DieGegenüberstellungspersonen werdenjedoch dann Frau Müller immer nureinzeln präsentiert in der Reihenfolgeder gewählten Nummerierung. JedePerson betritt nur einzeln den Raum fürdie Gegenüberstellung und nach jederPerson muss sich Frau Müller äußern,ob es sich hierbei um den Täter handeltoder nicht. Auch wenn Frau Müllerbereits die zweite oder dritte Person

Page 547: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

identifiziert haben sollte, so werdenFrau Müller gleichwohl auch noch alleübrigen Vergleichspersonen gegenübergestellt. Der Abschluss der Maßnahmemit der Vernehmung von Frau Müllerund dem Vermerk zur Durchführungder Gegenüberstellung usw. verläuftwie im vorherigen Beispiel bereitsdargestellt.

10.3.4 IdentifizierungBeschuldigter im RahmenvonFahndungsmaßnahmen

Eine Problemsituation desStreifendienstes soll hier noch

Page 548: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

angesprochen werden. Im Rahmen vonFahndungsmaßnahme nach einemflüchtigen Täter werden öfters Tatzeugenan Bord des Streifenwagens genommen.Im Rahmen der Fahndung kommt es dannzur Identifikation des möglichen Tätersdurch den Zeugen.

Grundsätzlich sollte auf dieUnterstützung des Tatzeugen bei derFahndung nach dem Täter nichtverzichtet werden, auch wennanschließend keineWahlgegenüberstellung mit dem Zeugenmehr möglich ist. Unmittelbar nach derTat wird der Täter häufig noch eineVielzahl von Spuren der Tat und ggf. des

Page 549: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Tatortes an sich haben. Zudem würdedie Person möglicherweise ohne denHinweis des an Bord genommenenZeugen ja noch nicht einmal überprüftund somit dessen Identität nicht bekannt.Um einen möglichst hohen Beweiswertvor Gericht zu erzielen sollte durch dieStreifenwagenbesatzung wie folgtvorgegangen werden:• Belehrung des Zeugen nach §§ 52, 55

und 57 StPO• Dokumentation der abgefahrenen

Straßen / Wegstrecke und derFahndungsdauer

• Dokumentation der Zahl der in

Page 550: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Augenschein genommenen Personen• Keine suggestiven Aussagen der

Wagenbesatzung zu einzelnen Personenoder Überprüfungsorten

• Schriftliche Dokumentation der o.a.Aspekte sowie der Umstände derIdentifikation der tatverdächtigenPerson

Grundsätzlich möglich ist natürlich auchein Stimmenvergleich. Hierbei „müssenfür die Identifizierung einesTatverdächtigen aufgrund einesStimmenvergleichs die für dieGegenüberstellung mit einemAugenzeugen anerkannten Grundsätze

Page 551: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

[…] entsprechend gelten. Daher mussgrundsätzlich sichergestellt sein, dassder Zeuge die Stimme des Verdächtigennicht isoliert, sondern neben anderenStimmen hört.“243)

10.4 Wahllichtbildvorlage„Wahllichtbildvorlagen dienen derIdentifizierung von namentlich bekanntenPersonen als Tatverdächtige durchZeuginnen und Zeugen in strafrechtlichenErmittlungsverfahren.“244)

Da es sich hier um eineMindermaßnahme zurWahlgegenüberstellung handelt, dient als

Page 552: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Rechtsgrundlage für Zeugen § 58 StPO.Zur Fertigung von Lichtbildern vonBeschuldigten ist § 81b StPOeinschlägig.

„Möglich wäre auch, dieWahllichtbildvorlage als zwangsfreien,nicht speziell geregelten Eingriff auf §163 StPO zu stützen.“245)

Bei einer simultanenWahllichtbildvorlage wird denIdentifizierungszeugen zeitgleich eineAuswahl von Lichtbildern vorgelegt undder Zeuge entscheidet sich dannzwischen den unterschiedlichenLichtbildern. Der Nachteil ist hier, dass

Page 553: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

dem Zeugen ermöglicht wird, die Personauszusuchen, die die höchste Ähnlichkeitmit dem Täter hat. Bei der sequenziellenWahllichtbildvorlage wird dem Zeugenjeweils nur ein Lichtbild derGesamtauswahl vorgelegt und er mussnach jedem Lichtbild entscheiden, ob essich bei der gezeigten Person um denTäter handelt. In Nordrhein-Westfalenist dieses Verfahren inzwischenerlassmäßig geregelt (siehe Fußnote245).

„Bildvorlagen können aus taktisch-methodischer Sicht erfolgen, wenn:• sie zur Identifizierung von

Page 554: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Tatverdächtigen dienen, wenn dieserflüchtig ist, sich einerGegenüberstellung entzieht oder zuerwarten ist, dass er eineGegenüberstellung störendbeeinträchtigt,

• andere Maßnahmen einen nichtvertretbaren Aufwand erfordern,

• wenn die zu identifizierende Personkeinerlei Kenntnis erhalten soll, dassgegen ihn ermittelt wird,

• ein Beschuldigter noch nicht bekanntist und er durch Vorlage von Bildernaus der Lichtbildvorzeigekarteiermittelt werden soll,

Page 555: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

• die Wiedererkennung desBeschuldigten durch den Zeugen für dieBeweisführung von nachrangigerBedeutung ist,

• ein unbekannter Toter bereitsbeigesetzt ist.“246)

Beschrieben wird nachfolgend dieDurchführung einer sequenziellenWahllichtbildvorlage in NRW. DerAblauf kann in anderen Bundesländerndifferieren.

Für die Zusammenstellung derWahllichtbildvorlage wird auf das inpolizeilichen Sammlungen (Digi-ED)enthaltene Bildmaterial oder bereits

Page 556: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

entsprechend digital veränderte„Dummy-Lichtbilder“ zurückgegriffen.Hierbei besteht die Möglichkeit einenentsprechenden Bildauswahlvorschlagdurch das Programm erstellen zu lassen,als auch Bilder manuell aus Digi-EDauszuwählen. Aus datenschutzrechtlichenGründen werden die aus denpolizeilichen Sammlungen direktstammenden Bilder digital soverfremdet, dass die ursprünglichabgebildeten Personen nicht mehridentifizierbar sind. Werden „Dummy-Lichtbilder“ verwendet, entfällt dieVerfremdung. Aus sieben digitalverfremdeten Bildern und dem Bild des

Page 557: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Beschuldigten oder Verdächtigen wirddann die Wahllichtbildvorlagezusammengestellt. Hierbei ist nicht zuvermerken, auf welcheOriginallichtbilder zur Herstellung derverfremdeten Vergleichsbilderzurückgegriffen wurde.

Bei der Zusammenstellung derLichtbilder ist darauf zu achten, dass eskeine Abweichungen hinsichtlich derGestaltung der Lichtbilder, desFormates, des Layouts und der Schärfeder Aufnahme gibt. Einmal digitalverfremdete Bilder können anschließendin einer Datenbank recherchefähig fürweitere Lichtbildvorlagen vorgehalten

Page 558: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

werden.

Anschließend werden dem/den Zeugenam Computer die jeweiligen Lichtbilderder Wahllichtbildvorlage einzelngezeigt. Hierbei muss der Zeuge nachjedem Bild entscheiden, ob das gezeigteBild den Täter zeigt oder nicht. Entgegenfrüherer Verfahrensweise sind demZeugen alle Bilder derWahllichtbildvorlage zu zeigen, auchwenn schon eine Identifikation dertatverdächtigen Person erfolgte. Nachder Vorlage ist ein Farbausdruck dergesamten gezeigten Lichtbilder zurErmittlungsakte zu nehmen.247)

Page 559: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Ablauf der Wahllichtbildvorlage

Page 560: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD
Page 561: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Abb. 32: Wahllichtbildvorlage

Im vorliegenden Sachverhalt kommteine Wahllichtbildvorlage nur dann inBetracht, wenn der beschuldigteSeemann• die Wahlgegenüberstellung

verweigert oder zu störenbeabsichtigt,

• keine hinreichende Zahl vonGegenüberstellungspersonengefunden werden kann, die demBeschuldigten hinreichend ähnlichsehen.

In diesem Fall wären aus Digi-ED eine

Page 562: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

hinreichende Zahl von geeignetenVergleichsbildern auszusuchen oderauswählen zu lassen. Soweit es sichnicht um Dummy-Lichtbilder handelt,sind die Bilder dann digital so zuverändern, dass keine Ähnlichkeit mehrmit den Originalaufnahmen besteht.Die Lichtbilder werden dann zu einerLichtbildvorlage zusammengestellt.Hierbei sollte das Lichtbild desBeschuldigten weder als erstes, nochals letztes Lichtbild gezeigt werden.

Nach der Zusammenstellung derLichtbilder ist Frau Müller zurDienststelle zu bestellen. Sie ist alsZeugin nach §§ 52, 55 und 57 StPO zu

Page 563: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

belehren und über den weiteren Ablaufder Lichtbildvorlage zu instruieren.

Sodann werden ihr die Lichtbilder amPC einzeln gezeigt. Nach jedemLichtbild muss sich Frau Müllerentscheiden, ob dieses Bild nun denTäter zeigt oder nicht. Auch wenn FrauMüller auf einem Bild den Tätererkannt haben will, so sind ihr alleacht Bilder der Vorlage zu zeigen.

Nach Abschluss der Lichtbildvorlagewird Frau Müller zu dem Ergebnis derVorlage vernommen. Über den Ablaufund das Ergebnis der Lichtbildvorlageist ein Vermerk zu fertigen und zur

Page 564: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Ermittlungsakte zu nehmen. Gleichfallsist ein Farbausdruck der vorgelegtenLichtbilder zur Akte zu nehmen.

10.5 LichtbildvorzeigekarteiDie Lichtbildvorzeigekartei dienti.d.R. der Ermittlung bislang unbekannterTatverdächtiger. Erforderlich istallerdings nicht nur das Vorliegen einergroben Personenbeschreibung, diemöglichen Identifizierungspersonenmüssen die Person schon von Angesichtzu Angesicht gesehen haben und aufeinem Bild identifizieren können.

Die Aussage lediglich die Statur stimme

Page 565: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

mit einer gezeigten Person überein,reicht für eine Identifikation der Persongrundsätzlich nicht aus. DieLichtbildvorlagekartei kann noch„klassisch“ in einem Vorlageordnergeführt werden oder die Bilder werdenanlassbezogen über Digi-EDzusammengestellt.248)

Die in Digi-ED gespeicherten Bilderwerden auf der Rechtsgrundlage von §81b 2. Alt. StPO für „Zwecke desErkennungsdienstes“ gefertigt oder nachlandesrechtlichen Bestimmungen (so fürNRW nach § 14 PolG NRW). DieVorschriften beinhalten nicht nur die

Page 566: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Befugnis entsprechende Lichtbilderanzufertigen, sondern diese auch durchdie Polizei recherchefähig vorzuhaltenund aufzubewahren.

In der Lichtbildvorzeigekartei werdenLichtbilder von Personen aufgenommen,die• verurteilt oder• einer rechtswidrigen Tat verdächtig

sind und bei denen nach Beurteilungihres bisherigen VerhaltensWiederholungsgefahr besteht.249)

Ablauf der Einsichtnahme in dieLichtbildvorzeigekartei

Page 567: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD
Page 568: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Abb. 33: Einsichtnahme in dieLichtbildvorzeigekartei

Grundsätzlich sind alle vorgelegtenLichtbilder den Ermittlungsaktenbeizufügen.

Ist eine Beifügung der Lichtbilder inAusnahmefällen nicht möglich,beispielsweise weil es sich um eineVielzahl von Bildern handelt – etwa beider von dem Augenzeugendurchgesehenen Lichtbilderkartei derPolizei – so sind die vorgelegtenLichtbilder oder Karteibestandteile sogenau zu bezeichnen, dass sie bei Bedarfbeigezogen und auf diese Weise der

Page 569: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Beurteilung durch das mit der Sachebefasste Gericht zugänglich gemachtwerden können.250)

Aus ermittlungstaktischen Gründen sollteeine Einsichtnahme von Zeugen in dieLichtbildvorzeigekartei immer erst nachBeendigung der Tatortbereichsfahndungoder anderer besonderer Fahndungsartenerfolgen. Mehr als ungünstig ist dieSituation, wenn Zeugen eine möglichetatverdächtige Person in derLichtbildvorzeigekartei identifizierthaben und im Rahmen derFahndungsmaßnahmen durch eineStreifenwagenbesatzung gleichfalls eine

Page 570: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

tatverdächtige Person gestellt wird.Handelt es sich z.B. hierbei um eine unddieselbe Person, so ist die spätereDurchführung einerWahlgegenüberstellung ausgeschlossen.

Im vorliegenden Sachverhalt kommteine Einsichtnahme in dieLichtbildvorzeigekartei nicht inBetracht. Im Rahmen derFahndungsmaßnahme wird durch dieFahndungskräfte der dringendtatverdächtige Seemann festgenommenund zur Wache verbracht. Hier soll amnächsten Tag eineWahlgegenüberstellung mit der ZeuginMüller erfolgen. Da einer

Page 571: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Wahlgegenüberstellung keineLichtbildvorlagen vorausgehen dürfen,um den Beweiswert derGegenüberstellung nicht zubeeinträchtigen, muss eineEinsichtnahme in dieLichtbildvorzeigekartei unterbleiben.

10.6 „Phantombilderstellung“Der Begriff der Phantombilderstellunghat sich zwar im Sprachgebraucheingebürgert, jedoch handelt es sicheigentlich um die Erstellung einessubjektiven Porträts, d.h. um ein „[…]Bildnis eines Menschen mit weitgehendplastischer Darstellung der individuellen

Page 572: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Gesichtszüge für Zwecke der Fahndungnach Straftätern sowie derWiedererkennung von Personenbasierend auf der Personenbeschreibungdurch einen Zeugen. Das subjektivePorträt wird während der Befragung desZeugen durch einen Spezialisten mitHilfe eines Computerprogramms ausgespeicherten Bildelementenangefertigt.“251) Bezeichnet wird dassogenannte „Phantombild“ auch alsvisuelle Fahndungshilfe.

Zur Erstellung visueller Fahndungshilfenoder subjektiver Porträts verwenden dieBundesländer unterschiedliche

Page 573: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Verfahren, häufig ist eine spezielleOrganisationseinheit des jeweiligenLandeskriminalamtes für diese Aufgabezuständig. So erfolgt die Erstellungvisueller Fahndungshilfen in Nordrhein-Westfalen beim Landeskriminalamt mitdem ISIS-Verfahren (InteraktivesSystem zur Identifizierung vonStraftätern). Hierbei handelt es sich umein computergestütztes System, wodurch1994/1995 das bis dahin angewendeteMinolta-Verfahren abgelöst wurde.

Die Erstellung des Phantombildes selbsterfolgt anhand der Aussagen vonTatzeugen, somit ist diePhantombilderstellung als Unterfall der

Page 574: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Zeugenvernehmung anzusehen. Für dieErstellung der Phantombilder und derenpolizeiinterner Nutzung bedarf es keinerspezialisierten Rechtsgrundlage. Füreine Veröffentlichung der Phantombilderim Rahmen der Öffentlichkeitsfahndung,z.B. der Tagespresse oder auf derHomepage der Polizeibehörde, bedarf eseiner spezialisierten Rechtsgrundlage,i.d.R. ist hier § 131b StPO einschlägig.

Exemplarisch wird hier der Ablauf derErstellung einer visuellenFahndungshilfe in Nordrhein-Westfalenmit dem ISIS-Verfahren dargestellt.Ohne große Förmlichkeiten können dieSachbearbeiter des LKA NRW für die

Page 575: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Erstellung eines Phantombildes direktdurch den Sachbearbeiter eines KKtelefonisch angefordert werden. Dieerforderliche Technik wird durch denSachbearbeiter des LKA mit in dieBehörde gebracht und besteht i.d.R. aus:• Notebook (mit Bilddatenbank)• Digitalkamera• Scanner• Drucker.

Über ein interaktives Programm mit freierweiterbarer und definierbarerBilddatenbank können segmentiertenTypenbildern von Männern und Frauenjeder Altersgruppe und jeder ethnischen

Page 576: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Herkunft eingespielt werden. Über einPolygon-Ausschnittverfahren ist dasEinblenden beliebiger Fotodetailsmöglich. Grafik- und Retusche-Toolsermöglichen dann die zeichnerische undindividuelle Bildbearbeitung. Vor Ortkann mit dem Scanner Fotomaterialeingelesen und anschließend bearbeitetwerden. Das abschließendeArbeitsergebnis steht dann derbeauftragenden Dienststelle digital zurVerfügung.

Die Erfolgsquote des Verfahrens lag inden Jahren 2000 – 2009 zwischen ca. 25– 30%.252)

Page 577: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Grundsätzlich ist die Erstellung einervisuellen Fahndungshilfe nur dannerfolgversprechend, wenn auch dierechtlichen Voraussetzungen zurVeröffentlichung der Bilder nach § 131bStPO gegeben sind. Im nächsten Schrittist zu prüfen, ob die Zeugen/der Zeugefür die Erstellung eines „Phantombildes“den Täter ausreichend wahrgenommenhaben. Lediglich allgemeine Aussagenzu einer Person reichen hier nicht aus.Die Beschreibung muss ein möglichstgenaues und detailreiches Phantombildmit einem hohen Ähnlichkeitswertergeben.

Aus taktischen Erwägungen sollte eine

Page 578: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Phantombilderstellung mitPresseveröffentlichung nicht bei Fällender leichten Kriminalität erfolgen. Zuhäufige Veröffentlichungen vonPhantombildern führen in derÖffentlichkeit zu einem„Abnutzungseffekt“. Der Erfolg einesPhantombildes hängt immer von derMitarbeit der Öffentlichkeit ab. Deshalbsollte ein Phantombild immer ins Augefallen.

An logistischen Voraussetzungen wirdlediglich ein Büro mit Stromanschlussund Sitzmöglichkeiten benötigt. Für dieErstellung eines Phantombildes kannkein genormter Zeitansatz gewählt

Page 579: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

werden, der Zeitansatz hängt stark vomjeweiligen Zeugen ab. Zwei bis dreiStunden sollten für die Erstellung desBildes jedoch kalkuliert werden.

Die konkrete Bilderstellung liegt in denHänden des speziell beschultenMitarbeiters/der Mitarbeiterin, derSachbearbeiter der Behörde wirdlediglich zu logistischer Unterstützungund für Rückfragen benötigt.

10.7 ÖffentlichkeitsfahndungÖffentlichkeitsfahndung ist die “Suchenach Personen oder Sachen unterInanspruchnahme der Bevölkerung im

Page 580: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Rahmen der Strafverfolgung und derGefahrenabwehr.“253)

Die Ermächtigungen zurÖffentlichkeitsfahndung im Rahmen derStrafverfolgung ergeben sich aus den §§131 – 131c StPO. Aus taktischenÜberlegungen sollte die Öffentlichkeitbei Fahndungen nicht zu oft in Anspruchgenommen werden, da sonst schnell einAbnutzungseffekt eintreten kann. Umfasstvon §§ 131 ff. StPO ist hier nicht nur dieVeröffentlichung von Bildern in derTagespresse und auf der Homepage derBehörde, denkbar sind auch andereVeröffentlichungsformen wie der

Page 581: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Aushang von Plakaten oder dieVerteilung von Handzetteln mitAbbildungen der gesuchten Person.

Für die Veröffentlichung von gesuchtenGegenständen, wie z.B. sichergestelltenGegenständen nach Unanbringbarkeit,bedarf es grundsätzlich keinerspezialisierten Rechtsgrundlage.

Die Befugnis zur Öffentlichkeitsfahndungin Fällen der Gefahrenabwehr ergibtsich aus den jeweiligenLandespolzeigesetzten, in Nordrhein-Westfalen aus § 29 I PolG NRW.

Öffentlichkeitsfahndung zur

Page 582: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Strafverfolgung

Page 583: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Abb. 34: Öffentlichkeitsfahndung

10.8 Lichtbildvergleich/GES-Recherche

Seit 2008 befindet sich dasGesichtserkennungssystem (GES) desBKA im Wirkbetrieb. EntsprechendeLichtbildvergleiche werden nicht nurdurch das Bundeskriminalamtdurchgeführt, für Nordrhein-Westfalenwerden Lichtbildvergleiche durch dasLandeskriminalamt NRW durchgeführt.

Nur kurz angesprochen werden derLichtbildvergleich und die GES-Recherche, da es sich hier doch eher um

Page 584: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

eine kriminaltechnischeUntersuchungsmöglichkeit als um einedurch den Sachbearbeiter selbstdurchführbareWiedererkennungsmaßnahme handelt.254)

Der Lichtbildvergleich basiert auf derGrundlage, dass die anatomischeIndividualität des Gesichts und desKopfes dem Menschen eine Einmaligkeitverleiht.

Für einen Lichtbildvergleich wird einbrauchbares Vergleichsbild benötigt.Ziel der Untersuchung ist hier, derVergleich eines Bildes mit bereitsvorliegendem Lichtbildmaterial einer

Page 585: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

bestimmten Person (z.B. Lichtbild einesbereits benannten Beschuldigten). Hierzumuss auf beiden Lichtbildern einehinreichende Zahl übereinstimmenderanatomischer Merkmale vorhanden sein.Optimal sind Frontalaufnahmen desGesichts, jedoch sind auch Aufnahmenim Teilprofil verwertbar. Hierbei sollteder Aufnahmewinkel der Bilder keinegroßen Abweichungen aufweisen, diePerson sollte möglichst formatfüllend imBild sein und die Bilder sollten nichtunscharf sein.255) Die natürlicheAlterung kann dieIdentifizierungssicherheitbeeinträchtigen, genau so setzen

Page 586: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Störfaktoren im Bild dieIdentifizierungssicherheit herab.

Zu untersuchende Lichtbilder werdendem BKA oder dem zuständigenLandeskriminalamt mitUntersuchungsantrag zurGutachtenerstellung übersandt. Durchden Gutachter wird dann einBehördengutachten erstellt mit einerentsprechendenWahrscheinlichkeitsaussage zurIdentifizierung.

Bei der GES-Recherche werdenLichtbilder einer bislang noch nichtidentifizierten Person mit einer

Page 587: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Referenzdatenbank beim BKAabgeglichen (so z.B. bei Verdacht derPassfälschung). Hierbei werden die beierkennungsdienstlichen Behandlungenerstellten Lichtbilder automatisch ausder E-Gruppe übernommen, digitalverformelt und in einer recherchefähigenReferenzdatenbank hinterlegt. Derzeitsind in dieser Datenbank ca. 3 Mio.Lichtbilder eingepflegt.

Zu untersuchende Lichtbilder werdenauch hier durch die Behörden mittelsUntersuchungsantrag dem BKA oderdem zuständigen Landeskriminalamtübersandt und dort verformelt. Durchdas Recherchesystem werden dem

Page 588: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Gutachter dann Vorschläge von inBetracht kommenden Personenunterbreitet, die durch den Gutachterweiter geprüft und ausgewertet werdenmüssen. Auch hier wird durch denGutachter dann ein Behördengutachtenerstellt mit einer entsprechendenWahrscheinlichkeitsaussage zurSicherheit der Identifizierung.

231) Wirth, S. 647.232) Möllers, S. 780.233) „Lichtbildvergleich und

Gesichtserkennungssystem (GES).234) Weiterführend sei hier verwiesen auf:

Mohr/Nagel, Lehr- und Studienbriefe

Page 589: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Kriminalistik/Kriminologie, Band 19,Raubdelikte, 2013, Verlag DeutschePolizeiliteratur.

235) Clages, S. 229.236) § 58 II StPO.237) Löwe/Rosenberg, S. 208, Rz. 9.238) Lisken/Denninger, S. 629, Rz. 77.239) Löwe/Rosenberg, S. 209, Rz. 12

(gleichlautend NStZ 85, 434).240) BVerfG NJW 1978, 1149.241) NStZ 1983, 378.242) Ackermann/Clages/Roll, S. 339, Rz.122.243) NStZ 1994, 598.244) RdErl. des IM NRW vom 12.03.2006

(MBl. NRW. S. 283), geändert durchRdErl. vom 05.11.2012 (MBl. NRW. S.690) – Wahllichtbildvorlage imStrafverfahren, Ziff. 1.1.

Page 590: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

245) Kramer, S. 188, Rz. 182.246) Ackermann/Clages/Roll, S. 338, Rz. 119.247) Für NRW: Das Verfahren ist geregelt im

Runderlass des IM vom 12.03.2006(MBl. NRW. S. 283), geändert durchRdErl. vom 05.11.2012 (MBl. NRW. S.690) – Wahllichtbildvorlage imStrafverfahren.

248) Die Begrifflichkeit“Lichtbildvorzeigekartei“ stimmtzumindest für Nordrhein-Westfalen nichtmehr mit dem Stand der Technik überein,denn da die Auswahl undZusammenstellung der gezeigten Bilderüber Digi-ED erfolgt, müsste es korrektLichtbildvorzeigedatei heißen.

249) RdErl. des IM vom 18.09.1986 (MBl.NRW. S. 1540), geändert durch RdErl.vom 04.03.1990 (MBl. NRW. S. 398),

Page 591: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Richtlinien über die Führung derLichtbildvorzeigekartei.

250) NStZ 1983, 378.251) Wirth, S. 547.252) Vgl. (Hrsg.) Landeskriminalamt NRW,

Jahresbericht visuelle Fahndungshilfe2009.

253) Wirth, S.409.254) Weiterführend sei hier verwiesen auf:

Mohr/Nagel, Lehr- und StudienbriefeKriminalistik/Kriminologie, Band 19,Raubdelikte, 2013, Verlag DeutschePolizeiliteratur.

255) Für den zugelassenen Benutzer sei u.a.verwiesen auf die im Intranetveröffentlichten Anforderungen (so fürNRW auf:http://intrapol.polizei.nrw.de/Kriminalität/Kriminaltechnik/Gesichtserkennung

Page 592: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

11 LösungsskizzezumLeitsachverhalt

11.1 Beurteilen Sie denPersonal- und denSachbeweis!

Personalbeweis

Als Zeugen sind bisher bekannt:• Die Geschädigte Hannelore Müller• Problemlos zu ermitteln sein dürfte der

Tankstelleninhaber/-pächter.

Page 593: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Insoweit die Personalien der Zeugennoch nicht feststehen, ist eineIdentitätsfeststellung (§ 163b II StPO)durch Einsichtnahme in einenLichtbildausweis erforderlich. DieZeugen dürften für Ermittlungen amFolgetag zur Verfügung stehen sowie fürerste Vernehmungen durch dieKriminalwache am heutigen Tage.

Den Zeugen steht dasZeugnisverweigerungsrecht (§ 52 StPO)und das Auskunftsverweigerungsrecht (§55 StPO) zu. Aus dem Sachverhalt gehenjedoch keinerlei Ansatzpunkte hervor,die eine Inanspruchnahme dieser Rechtedurch die Zeugen begründen könnten.

Page 594: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Hinweise, die Zweifel an derGlaubwürdigkeit der Zeugen aufkommenlassen, gehen aus dem Sachverhalt nichthervor; die Situation des Tatortes stimmtgrobsichtig mit den Zeugenaussagenüberein. KriminalpolizeilicheErkenntnisse über die Zeugen gehen ausdem Sachverhalt nicht hervor.

Frau Müller kann u.a. folgendewesentliche Auskünfte geben:• Beschreibung des Tatverdächtigen• Beschreibung des Tatablaufs• Schilderung der konkreten Herausgabe/

Übergabesituation des Geldes

Page 595: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

• Höhe des übergebenen Geldbetrages• Angaben zu der konkreten

Schussabgabe(-situation)• Mögliche Videoüberwachung des

Geländes/Verkaufsraumes

Der Tankstelleninhaber/-pächter kannspäter sicherlich u.a. folgende Angabenmachen:• Mögliche frühere Überfälle• Mögliche Videoüberwachung des

Geländes/des Verkaufsraumes• Verdächtige Beobachtungen vor der

Tat – auch durch andere Mitarbeiter/-innen

Page 596: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

• Ggf. Angaben zur Schadenshöhe

Weitere Zeugen können sich aus einerUmfeldbefragung bei Einwohnern in denumliegenden Häusern ergeben.Ergänzende Erkenntnisse könnten u.U.von den Zeugen der vorherigen Delikteerlangt werden, ggf. kann einer vonihnen Seemann als Täter identifizieren.

Der beschuldigte Seemann hat einumfassendesAussageverweigerungsrecht nach § 163aStPO i.V.m. § 136 StPO. Aus demSachverhalt geht hervor, dass Seemanndurch die Beamten anlässlich derFestnahme auch befragt wurde. Die

Page 597: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Formulierung „auf Befragen“ imSachverhalt schließt eineSpontanäußerung Seemanns aus.Gleichfalls kommt eine informatorischeBefragung hier nicht in Betracht, da zumBefragungszeitpunkt der Sachverhalt klarwar und zumindest schon einAnfangsverdacht gegen Seemannbestand. Mithin handelte es sich bei derBefragung um eine Vernehmung, ohnedass eine entsprechende Belehrungerfolgte. Mithin sind die bisher erlangtenAussagen von Seemann in demVerfahren nicht verwertbar. Sieunterliegen einemBeweisverwertungsverbot

Page 598: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Beweismittelverbot). Vor einer erneutenVernehmung ist Seemann zunächstqualifiziert zu belehren.

Im Falle der Aussagewilligkeit könnenvom Beschuldigten umfangreicheAussagen erlangt werden zu:• Tatplanung/Tatobjektauswahl,• Tatdurchführung,• subjektivem Tatbestand bei der

Schussabgabe zu einem möglichenTötungsdelikt,

• weiteren begangenen oder geplantenTaten und zum

• Beuteverbleib.

Page 599: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Hinweise zur möglichenGlaubwürdigkeit eventueller Aussagenvon Seemann gehen aus dem Sachverhaltnicht hervor. Bei Beschuldigten mussjedoch grundsätzlich davon ausgegangenwerden, dass Aussagen geschöntwerden, der eigene Tatbeitragheruntergespielt wird oder ganzeTatkomplexe verschwiegen werden.

Weitere Hinweise können erlangtwerden von den Beamten/Beamtinnendes• Wach- und Wechseldienstes (WWD)• der Kriminalwache• der zuständigen Fachdienststelle der

Page 600: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Direktion Kriminalität.

So sind von ihnen u.a. Auskünfte zuerwarten zu:• eigenen Feststellungen,• veranlassten Maßnahmen,• vorgenommenen Veränderungen am

TO,• erhaltenen Mitteilungen von Zeugen.

Sachbeweis

Der Sachverhalt liefert Hinweise auffolgende Sachbeweise:

Das aus dem Baum zu sicherndeGeschoss ist als Gegenstandsspur

Page 601: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

anzusehen. Das Geschoss kannzweifelsfrei der Waffe zugeordnetwerden bzw. es kann ausgeschlossenwerden, dass dieses Geschoss aus derWaffe von Seemann verschossen wurde(→ Individualbeweis). Für den Fall,dass Spuren an der Waffe zweifelsfreiSeemann zugeordnet werden können unddas Projektil aus dem Baum der Waffezugeordnet werden kann, gilt Seemannals überführt, mit der aufgefundenenWaffe einen Schuss in Richtung derverfolgenden Zeugin abgegeben zuhaben.

Bei völlig zerstörtem Projektil bestehtnur die Möglichkeit, sämtliche

Page 602: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Projektilteile mittels Feinwaageabzuwiegen und deren Gewicht mit demGewicht der Geschosse in der Tatwaffezu vergleichen. Etwa übereinstimmendeGewichte sind als Indiz anzusehen.

Durch den Abgleich der Waffe desSeemann (Vergleichsbeschuss) mit derTatortmunitionssammlung beim BKAkann zweifelsfrei abgeklärt werden, obmit der Waffe weitere Straftaten mitSchussabgabe erfolgten oder nicht.Diese müssen jedoch nicht unbedingtdurch Seemann begangen worden sein,die Waffe kann sich zu dieser Zeit auchim Besitz einer dritten, bislangunbekannten Person befunden haben.

Page 603: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Halbautomatische SelbstladepistoleWalther PPK, Kal. 7,65 mm: An derWaffe können ggf. Fingerspuren desTatverdächtigen sowie an den glattenWaffenteilen und den im Magazinbefindlichen Patronen erwartet werden.Fingerspuren stellen sich als Form- undAbdruckspur dar. Fingerspurenermöglichen aufgrund ihrer Einmaligkeitdie zweifelsfreie Identifizierung einerPerson, falls ein Tatverdacht gegen einebestimmte Person auftaucht oder diePerson bereits wegen einer anderen Taterkennungsdienstlich behandelt wurdeund in AFIS gespeichert ist. Diegesicherten Spuren könnten mit den

Page 604: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Fingerspuren von Seemann oder demAFIS-Bestand und mit den bei denübrigen Taten gesicherten Fingerspurenabgeglichen werden. Für den Fall, dassSpuren an der Waffe zweifelsfreiSeemann zugeordnet werden können unddas Projektil aus dem Baum der Waffezugeordnet werden kann, gilt Seemannals überführt. Insbesondere wenn an dergeladenen Munition oder denMagazinteilen Fingerspuren vonSeemann zu finden sind, besteht gegenihn dringender Tatverdacht und Seemannist in dem Verfahren als Beschuldigteranzusehen.

Eventuell lassen sich an der Waffe

Page 605: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

weitere Anhaftungen (wie Schmutz o.Ä.)sichern, die später die Zuordnung derTatwaffe zu einer Person/einemAufbewahrungsbehältnis/Aufbewahrungsortermöglichen. Der Beweiswert dieserMaterialspuren ist von der Individualitätder jeweiligen Zusammensetzungabhängig.

An den Griffschalen sowie weiterenTeilen der Waffe können ggf.Hautschuppen (Epithelzellen) gesichertwerden, die eine Auswertunghinsichtlich der DNA gestatten. DieseHautschuppen sind Materialspuren.Nicht verunreinigte DNA-Spuren sindals Individualspuren anzusehen. Bei

Page 606: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

zweifelsfreier Zuordnung der Spuren zuSeemann kann bewiesen werden, dassSeemann die Tatwaffe angefasst hat. Diegesicherten Spuren mit der DNA vonSeemann können mit den Spuren derübrigen Taten abgeglichen werden.

Die Waffe selbst ist als Gegenstandsspuranzusehen. Sie gestattet eineHerkunftsermittlung/Verkaufswegfeststellungder Waffe über die Waffennummersowie den Abgleich der Waffennummermit dem Sachfahndungsdatenbestand inINPOL/SIS.

Bei Auffindung der Patronenhülse kannüber individuell der Waffe des Seemann

Page 607: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

zuzuordnenden Spuren von• Ausstoßer• Auszieherkralle• Schlagbolzen

eine zweifelsfreie Zuordnung zur Waffevon Seemann erfolgen (Individualbeweis).

Die aufgefundene Patronenhülseermöglicht den Abgleich mit derTatortmunitionssammlung sowie mitSpuren der vorherigen Taten. Gleichfallslassen sich an der aufgefundenenPatronenhülse auch Fingerspuren vonSeemann finden.

Page 608: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Weitere Fingerspuren sind u.a. zuerwarten• an der Eingangstüre• im Kassenbereich.

Fingerspuren stellen sich als Form- undAbdruckspur dar. Fingerspurenermöglichen prinzipiell diezweifelsfreie Identifizierung einerPerson. Die gesicherten Spuren könntenmit den Fingerspuren von Seemann oderdem AFIS-Bestand sowie bei denübrigen Taten gesicherten Fingerspurenabgeglichen werden. Für den Fall, dassSpuren aus dem Eingangsbereich derTankstelle Seemann zugeordnet werden

Page 609: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

können, kann lediglich das Betreten derTankstelle durch Seemann bewiesenwerden. Können Spuren aus demKassenbereich oder aus demInnenbereich der RegistrierkasseSeemann zugeordnet werden, dann kannbewiesen werden, dass er sich in einemBereich der Tankstelle aufgehalten hat,der dem normalen Kundenverkehr nichtzugänglich ist. In diesem Fall bestehtgegen Seemann ein dringenderTatverdacht, er ist im Verfahren alsBeschuldigter anzusehen.

Am Handrücken des Beschuldigten bzw.an dem Jackenärmel können GSR256)

Page 610: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

(Schmauchspuren) gesichert werden.Schmauchspuren sind als Materialspursowie von ihrer Ausbildung undVerteilung auch als Situationsspurenanzusehen. Bei optimaler Sicherung derSchmauchspuren mittels REM-Tabs undschwermetallfreierSpurensicherungsfolie oder REM-Tabsund PVAL-Verfahren257) ist eine mittelschemischer Analyse der auf den REM-Tabs befindlichen Niederschlägezweifelsfrei nachweisbar, dass dieZusammensetzung des SpurenmaterialsSchmauchspuren-spezifisch ist. Mittelschemischer Analyse der auf derschwermetallfreien Klebefolie

Page 611: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

befindlichen Spuren kann diequantitative Verteilung derSchmauchspuren auf dem Handrückendargestellt werden. So kann nicht nurnachgewiesen werden, dass SeemannGSR an seinem Handrücken hat, sondernauch, dass die Niederschläge einverfeuerungstypischesNiederschlagsbild aufzeigen undkeinesfalls durch eine zufälligeBerührung der Waffe entstanden sind.258)

Je nach Witterung und Bodenbelagkönnen in der TankstelleSchuhabdruckspuren zu erwarten sein.Sie sind als Form- und Abdruckspuren

Page 612: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

anzusehen. Schuhabdruckspuren sindzunächst grundsätzlich alsGruppenbeweis zu bewerten, es seidenn, an den Schuhsohlen sindindividuelle Abnutzungsspuren oderBeschädigungen vorhanden ( dannIndividualbeweis). Die am Tatortgesicherten Schuhabdruckspuren könnenmit den Schuhen von Seemannverglichen und ggf. zweifelsfreizugeordnet werden. Hiermit könntekonkret nachgewiesen werden, dass dieSchuhe von Seemann am Tatort gewesensind, dies legt den Schluss nahe, dassSeemann auch dort gewesen ist, da erkurz nach der Tat mit dem zu sichernden

Page 613: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Schuhwerk gestellt wurde. Eine weitereAbgleichmöglichkeit besteht mitSchuhabdruckspuren von den vorherigenTatorten bzw. mit einer ggf.behördenintern geführtenSchuhabdrucksammlung. Im Falle einerindividuellen Zuordnung derSchuhspuren zu Seemann kann gegen ihnein dringender Tatverdacht begründetwerden.

Das aufgefundene Fahrrad ist gleichfallsSpurenträger, so u.a. von Fingerspurenund DNA-Spuren ( Ausführungen zurBeweiskraft und denAbgleichmöglichkeiten wie zuvor).

Page 614: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Werden an dem Fahrrad DNA- oderFingerspuren gesichert, die Seemannzugeordnet werden können, dann kannbewiesen werden, dass Seemannoffenbar das aufgefundene Fluchtmittelangefasst und wohl auch benutzt hat.

An dem Fahrrad, hier am Sattel, könntenFaserspuren zu erwarten sein.Faserspuren sind als Materialspuranzusehen. Die Verteilung derFaserspuren ist als Situationsspureinzustufen. Grundsätzlich sindFaserspuren zunächst alsGruppenbeweis anzusehen, ggf. ergibtsich ein individueller Beweiswert jenach der Faserspurenzusammensetzung.

Page 615: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Die am Fahrrad gefundenen Faserspurenkönnen mit den Fasern derBekleidungsstücke von Seemannabgeglichen werden. BeiÜbereinstimmung kann bewiesenwerden, dass Seemann bzw. dessenKleidung relevanten Kontakt zumFluchtmittel hatte. Weiter besteht dieMöglichkeit, die bei den früheren Tatengesicherten Faserspuren mit derBekleidung von Seemann abzugleichen.

An dem Fahrrad können ggf.Schmutzspuren (Lehm) undVegetationsspuren gefunden werden. DerBeweiswert ist stark abhängig von derIndividualität der

Page 616: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Spurenzusammensetzung und desVorkommens derSpurenzusammensetzung in der Natur.Die gesicherten Spuren können mitBodenproben/Vegetationsproben vomTatortumfeld/der Fluchtrouteabgeglichen werden.

Bei Sicherstellung der Skimaske istdiese zunächst als Gegenstandsspuranzusehen. Je nach Individualität derSkimaske kann deren Herkunft ermitteltwerden bzw. der Verkaufsweg. DieMaske kann mit der Maskierung derübrigen Taten abgeglichen werden.An/in der Maske können Haaregefunden/gesichert werden. Oftmals sind

Page 617: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

in Maskierungsmitteln Spuren vonSchweiß und Speichel sowieHautschuppen zu finden, die mittelsDNA-Analyse eineIndividualidentifizierung desSpurenlegers erlauben. Sie sind dahervorrangig insgesamt als Spurenträgersicherzustellen. Haare sind zunächst alsMaterialspur anzusehen. Sie gestattenu.a. die Auswertung, ob es sich ummenschliche oder tierische Haare sowieum natürliche Haare oder Kunsthaarhandelt. Weiter lässt sich zuordnen vonwelchem Körperteil das Haar stammt.Anhand der Haare kann weiterhinfestgestellt werden, ob es von einem

Page 618: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Mann oder einer Frau ist und ob dasHaar die echte oder eine künstlicheHaarfarbe zeigt. Anhand einerweitergehenden Analyse lassen sichRückschlüsse auf BtM- oderMedikamentenmissbrauch gewinnen.Unter idealen Bedingungen kann anhanddes Haares die DNA des Spurenlegersermittelt werden ( Individualbeweiswie zuvor).

Die sichergestellten Bilder der Kamerazur Überwachung des Verkaufraums/ desAußengeländes gestatten den Vergleichder Täterbekleidung mit der BekleidungSeemanns. Anhand der Faltenstruktur derNaht an der Jeanshose (falls er eine

Page 619: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

getragen hat) kann die Bekleidungzweifelsfrei zugeordnet werden (Individualbeweis). Mithin kannbewiesen werden, dass die bei Seemanngesicherte Hose vom Täter des Raubesgetragen wurde. Auch dieÜberwachungsaufnahmen von denübrigen Delikten können mit der beiSeemann sichergestellten Bekleidungabgeglichen werden.

Grundsätzlich sind bei maskierten Täternkeine GES-Recherchen(Gesichtserkennungsverfahren) möglich.Für die Individualität der Aussagekraftdes Vergleichsgutachtens kommt es aufdie Zahl der erkennbaren und

Page 620: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

vergleichbarenPersonenidentifizierungsmerkmale imGesicht an. Deren Zahl hängt stark davonab, in welchem Umfang durch dieMaskierung das Gesicht des Tätersverdeckt wurde. Im vorliegendenaktuellen Fall jedoch dürfte derGesichtsausschnitt der Maske hierfür zuklein sein. Zu einer Maskierung bei denanderen möglichen Taten ergeben sichkeine Informationen aus demSachverhalt.

Die Schuhe des Tatverdächtigen zeigenfrische Lehmanhaftungen, diese könnenmit Bodenproben, die längs desFluchtweges oder in der Nähe des noch

Page 621: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

zu findenden Beuteverstecks gesichertwerden, bzw. aus dem Umfeld desTatortes abgeglichen werden. Siestellen, je nach Individualisierungsgrad,ein Indiz für die Anwesenheit Seemannsim Umfeld des Tatortes oder desmöglichen Fluchtweges dar.

Bei Sicherstellung der Diebesbeute sindu.a. daktyloskopische Spuren an derALDI-Tüte zu erwarten ( Beweiswertwie zuvor). Weiter können dieuntergeschobenen registriertenGeldscheine zweifelsfrei als aus derBeute des Raubes stammend zugeordnetwerden. Bei lediglich einem Geldschein,der auch mit größerem Zeitverzug zur

Page 622: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Tat sichergestellt wird, ist derBeweiswert eher gering. Sollte jedochder Gesamtbetrag in einer ALDI-Tütezusammen mit allen registriertenGeldscheinen bei Seemann zeitnah zurTat aufgefunden werden, so ist hierzweifelsfrei von der Auffindung derBeute auszugehen.259)

11.2 Erläutern Sieausführlich dieMaßnahmen, die imRahmen desAuswertungsangriffsdurch die

Page 623: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Kriminalwachedurchzuführen oderzu veranlassensind!

Der Tatort in der Tankstelle und amFestnahmeort ist durch die Kräfte desAuswertungsangriffs von den Kräftendes Sicherungsangriffs zu übernehmen.Im Rahmen des Auswerteangriffs durchdie Kräfte der K-Wache sind u.a.folgende Maßnahmen zwingenderforderlich:

Die geschädigte Frau Müller ist – soweitsich Anzeichen eines Schocks zeigen –

Page 624: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

ärztlich zu versorgen bzw. versorgen zulassen. Für den Fall eines Schocks mussvor weiteren polizeilichen Maßnahmendie ärztliche Entscheidung über dieVernehmungs- bzw. Befragungsfähigkeitvon Frau Müller eingeholt werden.Sollte Frau Müller weiterhinvernehmungsfähig sein, so ist siezeugenschaftlich nach § 163 III StPOi.V.m. §§ 52, 55 und 57 StPO zubelehren. Nach erfolgter undverständlicher Belehrung ist Frau Müllerumfänglich zum Tatablauf zu Protokollauf der Kriminalwache zuvernehmen.260) WesentlicheVernehmungsschwerpunkte sind u.a.:

Page 625: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

• Beschreibung des Tatverdächtigen• Beschreibung des Tatablaufs• Schilderung der konkreten Herausgabe/

Übergabesituation des Geldes• Angaben zu der konkreten

Schussabgabe(-Situation)• Mögliche Videoüberwachung des

Geländes/Verkaufsraumes

Weiterhin sind von Frau Müller nochVergleichsfingerabdrücke und eineSpeichelprobe zu nehmen.

Der Tankstelleninhaber ist zu ermittelnund zu veranlassen, unverzüglich zurTankstelle zu kommen. Er ist

Page 626: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

zeugenschaftlich nach § 163 III StPOi.V.m. §§ 52, 55 und 57 StPO zubelehren und u.a. zu folgenden Punktenzu vernehmen:• Mögliche frühere Überfälle• Mögliche Videoüberwachung des

Geländes/Verkaufsraumes• Verdächtige Beobachtungen vor der

Tat – auch durch andere Mitarbeiter/-innen

• Ggf. Angaben zur Schadenshöhe

Zur Suche und Sicherung weiterermöglicher Zeugen ist – soweit nichtumfänglich durch den Wach- undWechseldienst geschehen – eine

Page 627: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Nachbarschaftsbefragung durchzuführen.

Zur Sicherung des objektivenTatbefundes ist eine intensiveTatortaufnahme durchzuführen. Dergesamte Tatort ist durch Übersichts- undDetailaufnahmen umfänglich zudokumentieren. Die Bilder sind später inForm eines Bildberichts – mitentsprechenden Erläuterungen – zu denVerfahrensunterlagen zu nehmen. Je nachLage der Gegebenheiten ist eine Skizzeder Tatörtlichkeit und derAuffindungssituation am Parkplatz zufertigen. Die Feststellungen/Erkenntnisseder Befunderhebung sind in Form einesTatortbefundberichts nach einem

Page 628: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Gliederungsschema niederzulegen.Sichergestellte/beschlagnahmteGegenstände sind zu kennzeichnen undsicher zu asservieren.

Vor Sicherung der Tatspuren sind derkomplette Verkaufsraum und möglicheBeobachtungsstellen von außerhalb derTankstelle (große Fenster) nachmöglichen Spuren abzusuchen. Hierbeiist Spurenschutzkleidung zu tragen. Beider Sicherung möglicher Spuren istgrundsätzlich nach der Regel „Auge Kamera Hand“ vorzugehen.

Die Filme/das Aufzeichnungsmediumder Überwachungskameras ist durch

Page 629: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

einen Berechtigten (Tankstellenpächter)zu entnehmen und anschließend alsBeweismittel sicherzustellen. Über dieSicherstellung ist eine Niederschrift zufertigen, diese ist einem Berechtigtenauszuhändigen.

Die Skimaske ist als Beweismittel nach§§ 94, 98 StPO und als Einziehungs- undVerfallsgegenstand §§ 74 StGB i.V.m. §111b, 111e StPO zu beschlagnahmen.Die Maske ist als Beweismittel in einerPapiertüte zu verpacken undverwechslungssicher zu kennzeichnen.

Das Projektil aus dem Baum ist alsBeweismittel sicherzustellen, hierzu ist

Page 630: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

ggf. ein Holzstück mit dem Projektil ausdem Baum herausschneiden (nicht mitMetallgegenständen versuchen, dasProjektil herauszuhebeln) bzw. durchFachpersonal zu sichern.

Der Pkw des Beschuldigten ist zurAuffindung von Beweismitteln zudurchsuchen und der Pkw alsBeweismittel zu beschlagnahmen (§§ 94,98, 102 und 105 StPO). Der Pkw ist zurweiteren Spurensicherungeinzuschleppen und auf demSicherstellungsgelände derPolizeibehörde überdacht oder in einerHalle abzustellen. Gegebenenfalls istder Pkw auch als Tatmittel nach §§ 74

Page 631: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

StGB i.V.m. § 111b, 111e StPO zubeschlagnahmen.

Die Schuhe des Beschuldigten sind alsBeweismittel nach §§ 94, 98 StPOsicherzustellen oder zu beschlagnahmenund mit den daran befindlichenLehmanhaftungen in Papiertüten zuverpacken, um entsprechendeVergleichsuntersuchungen durchführenzu können.

Die Pistole ist als Beweismittel nach §§94, 98 StPO und alsEinziehungsgegenstand nach § 54 WaffGi.V.m. §§ 111b i.V.m. § 111e StPO zubeschlagnahmen. Die Waffe ist

Page 632: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

(Einweghandschuhe zum Spurenschutztragen) zu entladen und als kompletterSpurenträger in einer Kunststofftüte zusichern. Die Munition und das Magazinist getrennt ebenfalls in Kunststofftütenzu verpacken. Die Spurensuche erfolgtmittels Cyanacrylatbedampfung auf derDienststelle.261)

Je nach konkreter Erkenntnislage ist zuprüfen, ob beim Beschuldigten eineWohnungsdurchsuchung zum jetzigenZeitpunkt taktisch geboten ist. LiegenErkenntnisse vor, dass der Beschuldigtenicht alleine wohnt oder aus anderenGründen eine unmittelbare Durchführung

Page 633: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

der Maßnahme geboten ist, dann istzunächst zu versuchen, hierzu einerichterliche Anordnung zu erlangen.Wenn keine richterliche Eilanordnungeingeholt werden kann, ist dieAnordnung bei Gefahr im Verzuge durchErmittlungsbeamte derStaatsanwaltschaft §§ 102, 105 StPO zuerlassen. Seemann kommt imvorliegenden Sachverhalt für weitereTaten in Betracht. Es ist damit zurechnen, dass Beweismittel zu denfrüheren Taten, so z.B. Beute(teile),Skizzen von Tatörtlichkeiten u.Ä,.gefunden werden können.

Sollten Erkenntnisse vorliegen, dass der

Page 634: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Beschuldigte alleine wohnt und nicht zubefürchten ist, dass Beweismittelbeseitigt werden, sollte ausermittlungstaktischen Gründen(Fachdienststelle hat im Gegensatz zurKriminalwache den komplettenErkenntnisstand bezüglich der früherenTaten) die Durchsuchung derFachdienststelle am Folgetag überlassenwerden.

Durch weitere Kräfte ist eine genaueAbsuche im Umfeld der Bank nachSpuren der Tat/des Täters, insbesonderenach der abgefeuerten Patronenhülse,durchzuführen. Bei deren Auffinden sinddiese als Beweismittel nach §§ 94, 98

Page 635: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

StPO sicherzustellen.

Das Fahrrad ist als Beweismittel gemäߧ§ 94, 98 StPO sowie als Tatmittel(Einziehungsgegenstand) nach §§ 74StGB i.V.m. § 111b, 111e StPO zubeschlagnahmen. Sollte eineFaserspurensicherung beabsichtigt sein,so wird der Sattel vor Ort mittelsMikrospurenfolie abgeklebt werden.Eine Fingerspurensicherung kann dannentweder vor Ort mittels Rußpulver oderbeim Erkennungsdienst mittelsCyanacrylatbedampfung vorgenommenwerden.

Aus dem Bereich des Waldgebietes

Page 636: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

zwischen Sparkasse und Parkplatz(gelblicher Lehmboden) sind für späterevergleichende UntersuchungenBodenproben zu nehmen, soweit dieKräftelage dies zulässt (; ansonstenMaßnahme der KriminaltechnischenUntersuchungsstelle am Folgetag).

Mögliche Schuheindruckspuren auf demParkplatz sowie Schuheindruckspurenund Reifeneindruckspuren einesMountainbikes sind zu vermessen,mittels angelegtem Maßstab zufotografieren und anschließend mit Gipsauszugießen.

Der Parkplatz Grüner See, Volkardeyer

Page 637: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Straße, als auch dessen Umfeld sowieder Bereich zwischen Parkplatz undSparkasse sind mittels Mantrailer(Personenspürhund) abzusuchen, um soden Fluchtweg des Beschuldigtenmöglichst nachvollziehen zu können unddort eventuell die Beute (oderBeuteteile) sowie ggf. weitere beseitigteoder verlorene tatrelevante Gegenständeaufzufinden.

Auf der Dienststelle sind die getroffenenbzw. veranlassten Maßnahmenumfassend zu dokumentieren. So sindexemplarisch hier für Nordrhein-Westfalen folgende schriftliche Arbeitendurchzuführen oder zu veranlassen:

Page 638: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

• IGVP-Grundeintrag• NW 1 [ Festnahmeanzeige]• Durchsuchungsbericht• NW 10

• WE-Meldung262) durchLvD/PvD263)

11.3 Erläutern Sie dieMaßnahmen, die imRahmen derSachbearbeitungbis zurHaftvorführung desBeschuldigten

Page 639: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

durch dieFachdienststelle zuveranlassen oderdurchzuführensind, nennen Siedie absehbarweiteren zuveranlassendenbzw.durchzuführendenMaßnahmen!

Im Rahmen der Fahndungsmaßnahmenwurde eine dringend tatverdächtige

Page 640: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Person festgenommen. Vordringlich sindzunächst die Ermittlungen durchzuführen,die für die richterliche Entscheidungüber einen Untersuchungshaftbefehl vonbesonderer Bedeutung sind. Seemann istbis zum Ende des Tages nach derFestnahme dem Ermittlungsrichtervorzuführen, falls durch dieStaatsanwaltschaft Antrag auf Erlasseines Haftbefehls gestellt wird. In derPraxis bedeutet dies, dass diewesentlichen Ermittlungen bis ca. 14.00Uhr abgeschlossen sein müssten.

Es ist daher sicherzustellen, dassSchriftstücke zu allen wichtigenErmittlungshandlungen zeitgerecht

Page 641: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

vorliegen, ggf. fehlende Schriftstückesind nachzufordern. VorliegendeAsservate sind mit dem Sicherstellungs-und Beschlagnahmeprotokoll264)

abzugleichen und auf Vollzähligkeit zuprüfen.

Sämtliche Personen, die bislang nichtoder nur unzureichend als Zeugenvernommen wurden, sind nun zuProtokoll zu vernehmen. Zeugen sindzuvor nach § 163 III StPO i.V.m. §§ 52,55 und 57 StPO zu belehren. Hierbeisind – insbesondere bei eingeschränkterKräftelage der sachbearbeitendenDienststelle – Prioritäten zu setzen, da

Page 642: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

es sich um eine Haftsache handelt.Zunächst sind die wesentlichen Zeugenzu vernehmen; nicht vorführrelevanteVernehmungen sind zurückzustellen.Unzweifelhaft relevant ist hierbei dieVernehmung von Frau Müller, soweitdiese nicht in ausreichender Form durchdie Kräfte der Kriminalwache erfolgtist. Vor Beginn der Vernehmung istjeweils abzuklären, ob bereits zuvorGespräche der Zeugen mitPolizeibeamten erfolgten und diesenjeweils eine Belehrung vorausgegangenist, sonst ist in jedem Fall einequalifizierte Belehrung durchzuführen.

Dokumentation der

Page 643: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Registriergeldscheine bei der Beute(Fotos). Die Aufzeichnungen desInhabers, aus denen sich dieRegistrierung der Geldscheinnummernergibt, sind sicherzustellen und zur Aktezu nehmen. Der Inhaber ist hierzu unterVorlage der Geldscheine und seinerAufzeichnungen als Zeuge zu vernehmen.Soweit noch nicht geschehen, ist dieKassenrolle/Kassenaufzeichnungsicherzustellen, um die exakteSchadenshöhe zu ermitteln.

Soweit noch keine Durchsuchung derWohnung des Beschuldigten erfolgte, istdie Durchführung einerWohnungsdurchsuchung mit richterlicher

Page 644: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Anordnung nach § 102 StPO i.V.m. §105 StPO erforderlich. Zuvor solltendann die Akten, die gewonnenenErkenntnisse sowie die bislangsichergestellten Gegenstände der übrigenFälle ausgewertet werden.

Weiterhin ist die Auswertung der beimBeschuldigten, in seinem Pkw und inseiner Wohnung sichergestelltenBeweismittel sowie die Durchführungvon zunächst unaufschiebbarenErmittlungen zu den Beweismitteln, dievorführrelevant sind, vorzunehmen.Nicht relevante Ermittlungen sindzurückzustellen. Sie können spätererfolgen.

Page 645: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Vernehmung des Beschuldigten zuProtokoll nach vorheriger Belehrungnach § 163a IV StPO i.V.m. § 136 StPO.Vernehmungsschwerpunkte sind u.a.:• Wo war der Beschuldigte zu den

Tatzeiten?• Welche Taten gibt er zu?• Schilderung der Tatabläufe möglichst

ohne Vorhalte und Preisgabe von„Täterwissen“.

• Beutehöhe und Verbleib der Beute?

Auswertung der Aufnahmen derÜberwachungskameras der Tankstelleaus dem Innen- und dem Außenbereich

Page 646: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

zur Erlangung weiterer Details zumTäter und ggf. neuer Erkenntnisse zumTatablauf. Abgleich derVideoaufnahmen mit den Aussagen derZeugin Frau Müller und der Aussage desbeschuldigten Seemann.

Zu einem späteren Zeitpunkt besteht ggf.die Möglichkeit, durch ein Gutachten dieBekleidung auf dem Foto der Bekleidungdes Tatverdächtigen zuzuordnen.(Zuordnung ist z.B. bei Jeanshosenanhand der individuellen Faltenstrukturder Jeanslängsnähte durch Gutachtenmöglich.)265) Weiterhin: Abgleich mitden Überwachungsvideos der vorherigen

Page 647: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Taten. Zu diesem Zweck ist dieBeschlagnahme der Jeanshose desBeschuldigten als Beweismittel nach §§94, 98 StPO erforderlich.

Kontaktaufnahme mit denRaubsachbearbeitern der umliegendenBehörden und Abgleich derErkenntnislage nach der Festnahme vonSeemann.

Der Beschuldigte ist, soweit nicht vorkurzem aktuelles ED-Material erlangtwurde, erkennungsdienstlich zubehandeln (§§ 81b 1. und 2. Alt. StPO).Weiter ist zur Sicherung vonSpurenmaterial und Einstellung in die

Page 648: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

DNA-Analysedatei (§§ 81a, 81e, 81fund 81g StPO) eine Speichelprobe zuentnehmen.

Kontaktaufnahme mit dem Eildienst derzuständigen Staatsanwaltschaft mit demZiel eine Vorführung des Beschuldigtenbeim Ermittlungsrichter zum Erlass einesUntersuchungshaftbefehls zu beantragen.Sollte der Eildienst derStaatsanwaltschaft einen entsprechendenAntrag stellen, folgt die Fertigung desVorführvorgangs und desVorführberichtes.

Erfassung des Vorgangs in derPolizeilichen Kriminalstatistik.

Page 649: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Nach der Vorführung des Beschuldigtensind die nachfolgend angeführtenErmittlungshandlungen durchzuführen;die Ausführungen müssen fallbezogen jenach Bundesland präzisiert werden.Exemplarisch wurden hierbei diejeweiligen Abläufe des LandesNordrhein-Westfalen zu Grunde gelegt,diese können zu anderen Bundesländerndifferieren.• Eingabe der Falldaten des

Sachverhaltes in den DatenbestandFINDUS-Land und Recherche derFalldaten in FINDUS.

• Auswertung der daktyloskopischenSpuren, Abgleich mit berechtigten

Page 650: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Spuren der Angehörigen, gezielterVergleich mit den FingerabdrückenSeemanns durch Erkennungsdienst dereigenenBehörde/Nachrichtensammelstelle.

• Auswertung der serologischen Spurenhinsichtlich der DNA desBeschuldigten Ein Spurengutachtenist über den Erkennungsdienst beimLandeskriminalamt zu beantragen.

• Eine kriminaltechnische Untersuchungdes sichergestellten Projektils aufÜbereinstimmung der Geschossspurenmit der sichergestellten Schusswaffeund Abgleich mit derTatortmunitionssammlung beim

Page 651: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Bundeskriminalamt ist über dasLandeskriminalamt und den örtlichenErkennungsdienst zu beantragen.Hierbei erfolgt der Vergleichsbeschussmit der Tatwaffe durch dasLandeskriminalamt NRW. Die Waffewird zu diesem Zweck mit demVordruck KP 27 demLandeskriminalamt über denErkennungsdienst übersandt.

• Gleichfalls wird einekriminaltechnische Untersuchung derggf. sichergestellten Patronenhülse aufÜbereinstimmung derSchlagbolzenspuren und Spuren desAusstoßers der beschlagnahmten

Page 652: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Walther PPK mittels KP 27 beantragt.• Eine Überprüfung der Skimaske auf

serologische Spuren und derenÜbereinstimmung mit der DNA desBeschuldigten wird mittels KTU-Antrag266) über den örtlichenErkennungsdienst beimLandeskriminalamt beantragt. Weiterwird ein Abgleich eventueller DNA-Spuren der übrigen Taten mit der DNAdes Beschuldigten beantragt.

• Vergleichsuntersuchung derLehmanhaftungen an den Schuhen desTV mit Vergleichsspuren aus demWaldgebiet durch dasLandeskriminalamt. Der KTU-Antrag

Page 653: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

ist über den Erkennungsdienst derBehörde dem Landeskriminalamtzuzuleiten.

• Es ist ein Abgleich der Spuren bzw.der Vernehmungen mit denErkenntnissen zu den übrigen dreiTaten durchzuführen.

• Ggf. Vergleich von Schuhabdrücken(Gipsabdruck) am Fundort des Geldesmit den Schuhen des TV durchED/KTU der Behörde.

• Spurensicherung am Fahrradlenker zurUntersuchung/Abgleich mit der DNAdes TV.

• Durchführung einer Tatrekonstruktion

Page 654: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

mit dem Beschuldigten, hierbei soll derBeschuldigte von sich aus ohneergänzende Hinweise die Beamten zueventuellen Tatorten bzw.Beuteverstecken führen bzw. schildern,wie sich die Tat zugetragen hat.

• Konsequente Finanzermittlungen undGewinnabschöpfung im Hinblick aufdie drei Vortaten.

• Fertigung eines Merkblattes für dieKriminalakte.

Lösungsbeispiel mit weiteren Bezügenzur Einsatzlehre bzw. zueingriffsrechtlichen Problemkreisenund ergänzenden Fragestellungen zum

Page 655: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Sachverhalt:

Kräfte der PI- Nord richten auf derTheodorstraße/ Auffahrt BAB A 52 eineKontrollstelle ein. Alle PKW-Fahrer ausRichtung Oberrather Straße werdenangehalten, ihre Identität wirdfestgestellt und die Personen und derenPKW durchsucht.

Nach Auswertung der täglichenLagemeldungen der Kreispolizeibehörde(KPB) ergeben sich Tatzusammenhängezu den drei ähnlichen Taten imStadtgebiet, die in den letzten 6 Wochenverübt wuren. Auch bei diesen Tatenhatte ein Einzeltäter wie in diesem Fall

Page 656: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

in den Abendstunden andere STERN-Tankstellen überfallen und Bargelderbeutet.

Daraufhin durchsuchen Beamte derKriminalwache (K-Wache), Düssel94/42, die Wohnung des Herrn Seemann.Dabei werden 5.630 € Bargeld inkleiner Stückelung (5-, 10-, 20- und 50-Euroscheine) aufgefunden und eineVorderschaft-Repetierflinte mitPistolengriff („Pumpgun“). Bargeld undSchusswaffe werden beschlagnahmt.

Aufgaben zur Lagefortschreibung:

A Begutachten Sie dieRechtmäßigkeit des Einrichtens

Page 657: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

einer Kontrollstelle auf derTheodorstraße!

B1 Prüfen Sie die Durchsuchung derWohnung des Herrn Seemann (S.)aus dem Blickwinkel derEinsatzlehre nach demEinsatzmodell:

- Vorbereitungsphase

- Aktionsphase

- Nachbereitungsphase.

B2 Begutachten Sie dieRechtmäßigkeit der Durchsuchungder Wohnung des S.

C … die Rechtmäßigkeit der

Page 658: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Beschlagnahme der Beweismittel.

D … die Rechtmäßigkeit derBeschlagnahme der „Pumpgun“als Einziehungsgegenstand.

E … die Rechtmäßigkeit derBeschlagnahme von Bargeld imRahmen der Rückgewinnungshilfe.

Lösungsskizze zur Orientierung:

A Einrichten einer Kontrollstelle

B1 Durchsuchung der Wohnung desHerrn Seemann (S.) aus demBlickwinkel der Einsatzlehre nachdem Einsatzmodell:

Page 659: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

- Vorbereitungsphase

- Aktionsphase

- Nachbereitungsphase

B2 Begutachtung der Rechtmäßigkeitder Durchsuchung der Wohnungdes S.

C Beschlagnahme von Beweismitteln

D Beschlagnahme der „Pumpgun“als Einziehungsgegenstand

E Beschlagnahme von Bargeld imRahmen der Rückgewinnungshilfe

A Einrichten einer Kontrollstelle

I Vorüberlegungen

Page 660: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

1. Die späteren Grundrechtseingriffesind zum Zeitpunkt der Anordnungund der Einrichtung derKontrollstelle hinsichtlich ihrerAnzahl der betroffenen Personen unddes Ausmaßes noch unbestimmt. DieDuldungsverpflichtung ergibt sichjedoch bereits aus der Einrichtungder Kontrollstelle selbst. EinGrundrechtseingriff erfolgt erstdann, wenn Personen angehaltenoder nicht öffentlich zugänglicheFlächen ohne Zustimmung derBerechtigten zur Einrichtung derKontrollstelle genutzt werden.

Page 661: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

2. Der Anfangsverdacht einer Straftatist nach Aussagen der GeschädigtenMüller gegeben (§ 152 II StPO).Unter Vorhalten einer Schusswaffewurden ca. 3.000 € Bargeld an denflüchtigen Einzeltäter ausgehändigt(schwere räuberische Erpressunggemäß §§ 253, 255 i.V.m. § 250 IINr. 1 StGB). Nach dem Wortlautdes § 111 StPO scheidet dieräuberische Erpressung (§§ 253, 255StGB) zwar aus, allerdings ergibtsich das Strafmaß aus § 250 StGB.Deshalb kann vom Anfangsverdachteiner Anlasstat i.S.d. § 111 StPOausgegangen werden.

Page 662: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

3. Die Einrichtung der Kontrollstelledient vorrangig nicht der Verhütungvon Straftaten, sondern um einebereits begangene und bestimmteStraftat zu verfolgen. Die bloßeEinrichtung der Kontrollstelle alseine Fahndungsmaßnahme istschlicht-hoheitliches Handeln.

II Formelle Rechtmäßigkeit

1. Sachliche Zuständigkeit

Die sachliche Zuständigkeit ergibtsich aus §§ 10, 11 I Nr. 2 POGNRW i.V.m. § 163 I S. 1 StPO.

2. Örtliche Zuständigkeit

Page 663: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Die örtliche Zuständigkeit istgegeben (§ 7 I POG NRW). DieZuständigkeit einerKriminalhauptstelle ist nichtersichtlich (§§ 2, 4 KHSt-VO).

III Die Einrichtung der Kontrollstellewar aus den genannten Gründenrechtmäßig.

B1 Durchsuchung der Wohnung desHerrn Seemann (S.) aus demBlickwinkel der Einsatzlehre

Vorbereitungsphase

Die Streifenbesatzung der K-Wache,Düssel 94/42, richtet ständig

Page 664: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

aktualisierte Lagemeldungen und denEinsatzanlass an die Leitstelle, CFMS-Status 4.

Die richterliche Anordnung derWohnungsdurchsuchung ist im Einzelfallbereits vorher fernmündlich eingeholtworden (fernmündliche Absprache mitdem Bereitschaftsdienst desAmtsgerichts).

Vorliegende Informationen sindinsbesondere im Hinblick auf Gefahrenund Risiken zu bewerten.

Die Aufklärung über Personen, die sichzur Nachtzeit in der Wohnung aufhalten

Page 665: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

(über Leitstelle Abfrage der Daten desEinwohnermeldeamt zur Meldeanschriftdes S.) und die Person des S. ist zubetreiben. Ferner sind Informationenüber die Gebäudeaufteilung/Grundrissder Wohnung (über Leitstelle ggf. ausCEBIUS Einträgen zurückliegenderEinsätze, Befragung derHausverwaltung, Erlangung einesErsatzwohnungsschlüssels) zu erlangen.

Die Einstimmung (persönlich und imTeam) auf den Einsatz ist unterBerücksichtigung möglicher alternativerLageentwicklungen (z.B.kommunikativer Einsatzbewältigungdurch Einsicht angetroffener Personen,

Page 666: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Verweigerung der Kooperation mit derPolizei oder offene Aggressiongegenüber den eingesetzten Kräften)differenziert zu betreiben.

Absprachen über das taktische Vorgehenin der Aktionsphase und die dabeivorzunehmende Arbeitsteilung sowieStichworte innerhalb derFunkstreifenbesatzung sind erforderlich.

Zur Ausnutzung einesÜberraschungsmomentes sind verdecktesAbstellen des FuStKw und verdeckteAnnäherung an die Wohnung, dabeiAufklärung nach Deckungs- undRückzugsmöglichkeiten, zu bedenken.

Page 667: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

In der Vorbereitungsphase sindabschließend die Führungs- undEinsatzmittel vorzubereiten, anzulegenund/oder zu prüfen, hier:Handfunkgeräte, Funkverbindung zur K-Wache/Leitstelle über 2-m-Kanalüberprüfen, Taschenlampen, RSG fürsichernden Beamten, Handschuhe,Handfessel mitführen, Tragen derSchutzweste.

Aktionsphase

Im Nahbereich der Wohnung des S. istAufklärung in Bezug auf Verhalten vonPersonen (Geräusche) aus der Wohnungzu betreiben.

Page 668: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Die Sicherungsstellung (LF 371) istneben dem Wohnungseingangeinzunehmen.

Die Kriminalbeamten sollen sich alsPolizei zu erkennen geben, klare undeindeutige Verhaltensanweisungen gebenund ggf. in der Wohnung anwesendePersonen auffordern, vor dieWohnungstür zu treten.

Nach dem Öffnen der Eingangstür istsich zunächst ein Überblick zuverschaffen, schnell einzudringen undggf. Deckung zu suchen.

Von angetroffenen Personen mitgeführte

Page 669: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Gegenstände sind außerhalb desZugriffsbereiches der Person ablegen zulassen. Für den Fall des Nichtbefolgenssollen Konsequenzen aufgezeigt werden(Androhung der Anwendungunmittelbaren Zwanges, insbesondereder Fesselung). Falls eine Fesselungerforderlich sein sollte, ist die Person inder Bodenlage zu durchsuchen.

Die Belehrung anwesender Personenerfolgt ihrem Status (Tatverdächtiger,Zeuge, sonstiger Dritter) entsprechend.Die eigentliche Durchsuchung derWohnung erfolgt im Uhrzeigersinn,Beschlagnahme des Diebesgutes zurBeweissicherung und im Rahmen des

Page 670: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Verfalls zur Rückgewinnungshilfe.

Ein Sicherstellungsprotokoll ist aufVerlangen auszufertigen undauszuhändigen. BeschlagnahmteGegenstände werden gekennzeichnet.

Bei weiterer Eskalation bzw.unmittelbar bevorstehender Eskalationder Situation sind auf Stichwortanwesende Personen unter Anwendungangemessener Eingriffstechniken undeingriffsbegleitender Kommunikation inGewahrsam zu nehmen. DieDurchsuchung selbst ist zudokumentieren.

Page 671: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Zu Einsatzende erfolgt dieAbschlussmeldung an die Leitstelle,Dokumentation des Einsatzendes.

Nachbereitungsphase

Der Einsatz wird grundsätzlichvereinfacht im Team nachbereitet(Landesteil NRW PDV 100 – Teil C).Andere Organisationseinheiten wie derzuständige Wachdienst sind zuinformieren, wichtige Erkenntnissemitzuteilen. Aufgefundene Gegenständewerden asserviert.

B2 Begutachtung der Rechtmäßigkeitder Durchsuchung der Wohnung

Page 672: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

des S.

I Vorüberlegungen

1. Die Durchsuchung der Wohnung istein Grundrechtseingriff (Art. 13GG).

2. Die Zielrichtung ist einerseits Schutzder bisherigen Tatopfer vor demVerlust des Eigentums an derTatbeute (Sicherung zivilrechtlicherAnsprüche gemäß § 1 II PolGNRW), andererseits die Verfolgungder Straftaten. Entgegen demWortlaut des § 102 StPO ist dieDurchsuchung auch zur Auffindungvon Verfallsgegenständen zulässig

Page 673: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

(Rückschluss aus § 103 StPO – beimUnverdächtigen wäre diesesDurchsuchungsziel ausdrücklichgegeben – und § 111b IV StPOverweist auf die Anwendung des §102 StPO bei der Beschlagnahmevon Verfallsgegenständen).

Dominanzentscheidung fällt proStrafverfolgung aus.

II Formelle Rechtmäßigkeit

1. Die sachliche Zuständigkeit derKPB zur Strafverfolgung nach §§ 10,11 Nr. 2 POG NRW ist gegeben.(Zureichende tatsächlicheAnhaltspunkte liegen für den

Page 674: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Verdacht einer Straftat nach §§ 152II, 163 I Satz 1 StPO vor- vgl. AI.2.)

2. Die nach den Umständenangetroffenen Personen sind ihremStatus gemäß zu belehren (§§ 163 IIIbzw. nach 163a IV StPO).

III Materielle Rechtmäßigkeit

1. Tatbestandvoraussetzungen (§ 102StPO)

1.1 Ermittlungsdurchsuchung

Ziel ist das Auffinden vonDiebesgut, welches nach Stückelungoder besonderer Art und Weise derAufmachung forensischen Wert

Page 675: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

erlangt.

Die Gegenstände haben zugleich denCharakter von VerfallsgegenständenEntgegen dem Wortlaut derVorschrift (§ 102 StPO) ist dieDurchsuchung auch zur Auffindungvon Verfallsgegenständen zulässig(Rückschluss aus § 103 StPO –beim Unverdächtigen wäre diesesDurchsuchungsziel ausdrücklichgegeben – und § 111b IV StPOverweist auf die Anwendung des §102 StPO bei der Beschlagnahmevon Verfallsgegenständen).

1.2 Erfolgsvermutung

Page 676: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Aufgrund der offenkundigenTatzusammenhänge besteht diebegründete Annahme, S. habe in derverbliebenen Zeit die Tatbeute undandere mögliche Beweismittel inseiner Wohnung versteckt.

1.3 Einschränkung durch die Nachtzeit

Es handelt sich um eine nächtlicheHaussuchung (§ 104 StPO). DieNachtzeit gilt hier von 21.00 Uhr-06.00 Uhr morgens (§ 104 III StPO).Zu problematisieren ist hier dasZuwarten bis zum Ablauf derNachtzeit. In mehr als sechs Stundenhätten Dritte ausreichend Zeit und

Page 677: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Gelegenheit, Spuren der Tat und dasDiebesgut selbst zu beseitigen oderden Zugriff staatlicher Organedarauf zu erschweren. Damit würdedie Beweisführung wesentlicherschwert. Es liegt somit Gefahr imVerzug (§ 104 I StPO) vor.

2. Adressat

S. ist Tatverdächtiger und derInhaber der Wohnung.

3. Anordnungskompetenz

Ermittlungspersonen der StA beiGiV (§ 105 I S. 1StPO).

Die Gerichte müssen einenBereitschaftsdienst einrichten

Page 678: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

(verfassungsrechtlicherRichtervorbehalt aus Art. 13 GG).Ist der richterlicheBereitschaftsdienst ausnahmsweisenicht zur Nachtzeit erreichbar, istGefahr im Verzug zu bejahen. InEilfällen darf der Richter auchfernmündlich entscheiden.

Die Bemühungen um die Einholungder richterlichen Anordnung sind zudokumentieren, bei Durchsuchungennach Gefahr im Verzug ohnerichterliche Anordnungen sind diefür den Eingriff bedeutsamenErkenntnisse und näheren Umstände

Page 679: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

nachvollziehbar für eine richterlicheNachprüfbarkeit darzulegen.

4. Formvorschriften

4.1 Die Zuziehung von Zeugen (§ 105 IIStPO) ist eine wesentlicheFörmlichkeit, allerdings muss dieZuziehung auch möglich sein;unmöglich ist sie auch, wenn dereintretende Zeitverlust den Erfolgder Durchsuchung vereiteln würde.Die Entscheidung darüber treffennach pflichtgemäßem Ermessen dieeingesetzten Beamtinnen undBeamten.267)

Page 680: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

4.2 Zuziehung des Inhabers,Bekanntgabe desDurchsuchungszweckes

§ 106 StPO.

4.3 Schriftliche Mitteilung bzw.Beschlagnahmeverzeichnis aufVerlangen,

§ 107 StPO.

4.4 Kennzeichnung beschlagnahmterGegenstände,

§ 109 StPO.

5. Verhältnismäßigkeit

Zu erwartende Strafe(Mindeststrafandrohung von einem

Page 681: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Jahr Freiheitsstrafe, §§ 249, 250,255 StGB) und das öffentlicheInteresse an einem beweiskräftigenErmittlungsverfahren stehen inkeinem erkennbaren Missverhältniszu dem Grundrechtseingriff(unmittelbar geltendesVerfassungsrecht, Ausfluss aus demRechtsstaatsprinzip, Art. 20 III GG).

IV Ergebnis

Die Durchsuchung war rechtmäßig.

C Beschlagnahme vonBeweismitteln

I Vorüberlegungen

Page 682: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

1. Es ist ein Grundrechtseingriff in dieallgemeine Handlungsfreiheit (Art.2 I GG) zu konstatieren, einEigentumserwerb an Diebesgutscheidet aus (Art. 14 GG i.V.m. §935 BGB). Im Einzelfall ist einEigentumsrecht an der Schusswaffenicht auszuschließen (Art. 14 GG).

2. Der Anfangsverdacht nach § 152 IIStPO i.V.m. §§ 249, 250 StGBdurch offenkundigeTatzusammenhänge mitzurückliegenden Taten ist gegeben.Ferner ist der Tatverdacht einesVerbrechens (§ 2 III i.V.m. Anlage2, Abschnitt 1, Nr. 1.2.1.2 WaffG

Page 683: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

i.V.m. § 51 I WaffG) durch Besitzder verbotenen Schusswaffebegründet. In der Gemengelage(Strafverfolgung undGefahrenabwehr) ist hier dieDominanzentscheidung zu treffen.Der Schwerpunkt der Maßnahmeliegt in der Verfolgung bereitsbegangener und bestimmterStraftaten, da mit der amtlichenInverwahrungnahme auch der Schutzzivilrechtlicher Ansprüche (§ 1 IIPolG NRW) und die Verhütungweiterer Waffendelikte (§ 1 I S. 1, 2PolG NRW) gewährleistet wird.

Page 684: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

II Formelle Rechtmäßigkeit

sachliche Zuständigkeit (Verweisauf B 2 II)

III Materielle Rechtmäßigkeit

1. Ermächtigungsgrundlage

Tatbestandsvoraussetzungen

Eine bewegliche Sache wird nichtfreiwillig herausgegeben oder mussin sonstiger Weise sichergestelltwerden.

Der Anfangsverdacht einerverfolgbaren Straftat (§ 152 IIStPO- Ausführungen zu B 2 I 2) istgegeben. Die Stückelung der

Page 685: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Tatbeute und ggf. weitere Tatmittelwie Waffen oderVermummungsgegenstände sind alsBeweismittel für die Untersuchunggeeignet und von Bedeutung(vergleichende Untersuchung deraufgefundenen Gegenstände mit denin den zurückliegendenErmittlungsakten ausgeführtenZeugenaussagen und/oderUntersuchungsergebnissen). Dietechnischen Besonderheiten derSchusswaffe ermöglichen denTatbeweis (vgl. § 2 III i.V.m.Anlage 2, Abschnitt 1 Nr. 1.2.1.2WaffG).

Page 686: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

2. Adressat

Der Wohnungsinhaber (S.) istGewahrsamsinhaber (§ 95 I StPO)und somit Adressat derBeschlagnahme.

3. Rechtsfolge

Die Herausgabe desBeweisgegenstandes bzw. dieAuffindung bei der Durchsuchungermöglicht die Begründung einesamtlichen Verwahrungsverhältnisses(§§ 133, 136 StGB).

4. Anordnungskompetenz

Nach § 98 I StPO (i.V.m. VO über

Page 687: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

die Ermittlungspersonen der StA)bei Gefahr im Verzug auch dieeingesetzten Kriminalbeamten: EinAbwarten einer richterlichenEntscheidung würde den Erfolg derMaßnahme in Frage stellen, dieUmstände dieser Annahme müssendokumentiert werden (§ 98 I StPO).Allerdings ist nach diesenUmständen eine zeitnahe(fernmündliche) richterlicheAnordnung zu erwarten.

6. Formvorschriften

– Mitteilung/ Verzeichnis (§ 107 S.2 StPO)

Page 688: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

– Kennzeichnung der Asservate (§109 StPO)

– Belehrungspflicht (§ 98 II S. 7StPO)

– Herausgabepflicht (§ 111k StPO –scheitert bei der Schusswaffe an derspäteren Beschlagnahmezur Einziehung- vgl. D).

7. Verhältnismäßigkeit

Der Grundsatz derVerhältnismäßigkeit ist unmittelbargeltendes Verfassungsrecht ausRechtsstaatsprinzip (Art. 20 III GG)– vgl. entsprechende Ausführungenzu B 2. III. 5.

Page 689: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

IV Ergebnis

Die Beschlagnahme derBeweismittel war rechtmäßig.

D Beschlagnahme der „Pumpgun“als Einziehungsgegenstand

I Vorüberlegungen

Wie zur Beschlagnahme alsBeweismittel – s.o. B. I.

Nach den Umständen ist einEigentumsrecht an der Waffegegeben (Art. 14 GG).

II Formelle Rechtmäßigkeit

Wie vor – s.o. B 2.II.

Page 690: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

III Materielle Rechtmäßigkeit

1. Ermächtigung/Tatbestandsvoraussetzungen

Tatsachen zur Annahme derVoraussetzungen der Einziehung (§111b I StPO) könnten sich aus § 74 IStGB ergeben.

Zunächst ist eine vorsätzlicheStraftat (§ 74 I HS 1 StGB, ggf.i.V.m. § 74 III StGB bei schuldloserHandlung) hier begründet (s.o.,C.I.2, Besitz einer verbotenenSchusswaffe, ggf. auch Führen derWaffe bei der Begehung vonRaubstraftaten).

Page 691: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Die Schusswaffe ist auch nach denUmständen zur Tatbegehunggebraucht oder bestimmt gewesen.

Sofern die Pumpgun dem S. gehörtoder ihm zusteht (§ 74 II Nr. 1StGB), ist der Tatbestand erfüllt,andernfalls handelt es sich bei derWaffe aber auch um eineSchusswaffe, die an sich schonverboten ist, und jeglicher Besitzoder Umgang damit stellt bereitseine rechtswidrige Tat dar (§ 74 IINr. 2 StGB).

Die Tatbestandsvoraussetzungen zurAnnahme von Einziehungsgründen

Page 692: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

sind somit unabhängig von denEigentumsverhältnissen erfüllt.

2. Adressat

Betroffener i.S.d. § 111e II S. 3StPO, hier: Gewahrsamsinhaber,also der S. als Wohnungsinhaber.

3. Rechtsfolge

Beschlagnahme (§§ 111b, 111c IStPO)- amtlicheInverwahrungnahme einerbeweglichen Sache:

Wirkung eines Veräußerungs- undVerfügungsverbotes i.S.v. § 136BGB (§ 111c V StPO).

Page 693: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

4. Verhältnismäßigkeit

Unmittelbar geltendes Recht ausRechtsstaatsprinzip (Art. 20 IIIGG)-Erforderlichkeit undAngemessenheit: Abwägung desStrafverfolgungsinteresses desStaates (Höhe der zu erwartendenStrafe, Freiheitsstrafe vonmindestens einem Jahr – §§ 249,250 StGB, 51 I WaffG) mit demSchutzbedürfnis des Eigentümers(Art. 14 GG) bzw. seinerHandlungsfreiheit als Besitzer einerverbotenen Schusswaffe (Art. 2 IGG), der seine Rechte allerdingszur Begehung von Straftaten nutzt.

Page 694: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

5. Anordnungskompetenz

§§ 111e I, 111f I StPO (i.V.m. VOüber die Ermittlungspersonen derStA), da hier Gefahr im Verzuginsoweit anzunehmen ist, dass jedezeitliche Verzögerung eineramtlichen Inverwahrungnahme eineweitere Begehung von Straftaten mitder verbotenen Waffe bedeutenwürde. Die Schusswaffe istzweifellos ein beweglicherGegenstand.

6. Formvorschriften

Vgl. C III 6, eine Herausgabepflicht

Page 695: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

(§ 111k StPO, scheitert an derWirkung der Einziehung im Falleder richterlichen Entscheidunggemäß § 74e StGB).

IV Ergebnis

Die Beschlagnahme der „Pumpgun“als Einziehungsgegenstand warrechtmäßig.

E Beschlagnahme von Bargeld imRahmen der Rückgewinnungshilfe

I Vorüberlegungen

Wie zur Beschlagnahme vonBeweismitteln – s.o. C. I.2.

Besonderheit zur Zielrichtung der

Page 696: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Maßnahme: Sie dient eigentlich derSicherung zivilrechtlicherAnsprüche der Tatopfer (§ 1 II PolGNRW), die Maßnahme wird jedochim Zusammenhang mit demStrafverfahren betrieben und ist indiesem Zusammenhang eineMaßnahme zur Strafverfolgung.

II Formelle Rechtmäßigkeit

(Verweis auf B 2. II)

III Materielle Rechtmäßigkeit

1. Ermächtigung/Tatbestandsvoraussetzungen

Die Tatbestandsvoraussetzungen zur

Page 697: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Annahme von Tatsachen für einenVerfallsgrund (§ 111b I StPO)könnten sich aus § 73 I StGBergeben.

Eine rechtswidrige Tat (§ 11 I Nr. 5StGB) liegt vor (s.o. C I.2,zurückliegende Raubstraftaten).

Die Bargeldsumme ist als ein ausder Tat erlangter Vorteil (hier dieTatbeute) anzusehen.

Allerdings ist die Annahme desVerfalls ausgeschlossen, wenn einHerausgabeanspruch des Verletztenbesteht (hier die Tatopfer dervorausgegangenen Raubstraftaten).

Page 698: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Gleichwohl wird die Tatbeutezunächst wie ein Verfallsgegenstandbehandelt (§§ 111b V StPO i.V.m.73 I S. 2 StGB).

2. Adressat

Betroffener i.S.d. § 111e II S. 3StPO, hier: Gewahrsamsinhaber

3. Rechtsfolge

Beschlagnahme (§§ 111b, 111c IStPO) – amtlicheInverwahrungnahme einerbeweglichen Sache:

Wirkung eines Veräußerungs- undVerfügungsverbotes i.S.v. § 136

Page 699: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

BGB (§ 111c V StPO)

4. Verhältnismäßigkeit

Unmittelbar geltendes Recht ausRechtsstaatsprinzip (Art. 20 IIIGG)-Erforderlichkeit undAngemessenheit: Abwägung mitdem Strafverfolgungsinteresse desStaates. Überlegung, dass niemanddurch die Begehung von Straftatenbesser gestellt werden soll undOpfer von Straftaten aufZivilrechtswege zurWiedererlangung ihres Eigentumsverwiesen werden sollen, wennbereits amtliches Gewahrsam an der

Page 700: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Tatbeute besteht gegenüber dem echtdes Tatverdächtigen auf Umgang mitdem erbeuteten Gut.

5. Anordnungskompetenz

§§ 111e I, 111f I StPO (i.V.m. VOüber Ermittlungspersonen der StA)– vgl. D.III.5.

6. Formvorschriften

vgl. C III 6 (Maßnahmen i.V.m. §111b IV StPO),

Herausgabe an die Tatopfer nach §111k StPO.

IV Ergebnis

Page 701: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Die Beschlagnahme des Bargeldesals Verfallsgegenstand im Rahmender Rückgewinnungshilfe warrechtens.

256) GSR = gunshot residues.257) PVAL = Polyvinylalkohollösung.258) Vgl. weiterführend hierzu: Frings/Rabe,

Lehr- und StudienbriefeKriminalistik/Kriminologie, Band 17,Grundlagen der Kriminaltechnik II, 2013,Verlag Deutsche Polizeiliteratur, S. 65-71.

259) Weiter Ausführung zu weiterenmöglichen Aspekten des Sachbeweisessind sicherlich möglich, jedoch wurdenhier die Ausführungen auf die

Page 702: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

wesentlichen Aspekte beschränkt.260) Protokollvernehmung ist hier

erforderlich, da Seemann bis zum Endedes Folgetages dem Haftrichtervorgeführt werden muss.

261) Rußpulver ist nicht die erste Wahl zurSicherung von Fingerspuren aufMetallteilen, eine Bedampfung vor Ortscheidet aus.

262) Siehe für NRW: Meldung wichtigerEreignisse, RdErl. des IM vom01.07.2008 (MBl. NRW. S. 432).

263) LvD/PvD = Leiter vomDienst/Polizeiführer vom Dienst.

264) Für NRW: Formular NW 10.265) Die Erstellung eines entsprechenden

Gutachtens erfolgt in Nordrhein-Westfalen durch das Landeskriminalamt.

266) KTU = Kriminaltechnische

Page 703: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Untersuchung.267) Vgl.: Meyer-Goßner, zu § 105 StPO, Rz.

11.

Page 704: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Zu den AutorenDetlef Averdiek-Gröner,Polizeidirektor

Dozent an der Fachhochschule füröffentliche Verwaltung NRW,Verbundabteilung Münster, fürEinsatzlehre, Eingriffsrecht undFührungslehre

Seit 1978 Polizeivollzugsbeamter inlangjährigen Verwendungen der dreiLaufbahnabschnitte in Polizeipräsidien,Landratsbehörden, einerLandesoberbehörde und derBezirksregierung:

Page 705: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

• Posten- und Streifendienste,Sachbearbeitungen

• Dienstgruppenleitungen, Leitungen vonDienststellen

• Leitungen von Unterabteilungen,Abteilungsstab/-stabsdienststellen

• Dezernatsleitung und

seit 2008 hauptamtlicher Dozent fürEinsatzlehre, Eingriffsrecht undFührungslehre an der FHöV NRW,Verbundabteilung Münster.

Christoph Frings, Kriminaldirektor

Dozent an der Fachhochschule für

Page 706: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

öffentliche Verwaltung NRW, AbteilungDuisburg, für Kriminalistik undKriminaltechnik.

Seit 1981 Polizeivollzugsbeamter, 1983– 1986 Verwendung in derEinsatzhundertschaft und im Wachdienstdes Polizeipräsidiums Wuppertal, 1986– 1989 Ausbildung zum gehobenenDienst (Kriminalpolizei), 1989 – 1990Kriminalpolizeilicher Sachbearbeiter fürEigentumsdelikte im PolizeipräsidiumKöln, 1990 – 1995Kriminalpolizeilicher Sachbearbeiter fürSexualdelikte, Waffendelikte undTodesermittlungen in Solingen, 1995 –1997 Ausbildung für den höheren

Page 707: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Polizeivollzugsdienst an derPolizeiführungsakademie (jetzt:Deutsche Hochschule der Polizei) inHiltrup, 1997 – 2002 Leiter derPolizeiinspektion Süd im LandratMettmann. Seit 2002 Dozent an derFHöV NRW, Abteilung Duisburg, fürKriminalistik und Kriminaltechnik undörtlicher Fachkoordinator für die FächerKriminalistik und Kriminaltechnik.

Page 708: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Literaturverzeichnis

Achenbach: Verfahrenssichernde undvollstreckungssicherndeBeschlagnahme im Strafprozess; in:NJW 1990, S. 1068- 1072

Ackermann/Clages/Roll: Handbuch derKriminalistik, 4. Auflage, BoorbergVerlag, Stuttgart 2011

Bäumler/Lütkes: DNA-Analysen zureffektiven Strafverfolgung; in: Zeitschriftfür Rechtspolitik 2004, Heft 3, S. 87-89

Bundeskriminalamt:http://www.bka.de/DE/ThemenABisZ/Erkennungsdienst/Daktyloskopie/AFIS/afis_node.html(25.04.2014)

Page 709: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Clages (Hg.): Der rote Faden, 12Auflage, Kriminalistik VerlagHeidelberg 2012

Die Polizei: (zitiert nach Jahr und Seite)

Durner: Auflage der polizeilichenDurchsuchung sämtlicher Teilnehmereiner Versammlung; in: JuristischeAusbildung 2010, S. 839-840

Fischer: Strafgesetzbuch undNebengesetze, 61. Auflage, Verlag C.H.Beck, München 2014

Finger: Einwilligung in die Entnahmeund Untersuchung von Körperzellen; in:Kriminalistik 2006, S. 696-700

Page 710: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Frings/Rabe: Grundlagen derKriminaltechnik I, Lehr- undStudienbriefeKriminalistik/Kriminologie, Band 16,Verlag Deutsche Polizeiliteratur, Hilden2011

Frings/Rabe: Grundlagen derKriminaltechnik II, Lehr- undStudienbriefeKriminalistik/Kriminologie, Band 17,Verlag Deutsche Polizeiliteratur, Hilden2011

Hannich: Karlsruher Kommentar zurStrafprozessordnung, 6. Auflage, VerlagC.H. Beck, München 2008

Page 711: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Heinen: Durchsuchungen in Kasernender Bundeswehr; in: Die Polizei 2008,S. 193-198

Hentschel: Die Entwicklung desStraßenverkehrsrechts im Jahre 2005;in: NJW 2006, S. 477-486

Hermanutz/Litzcke: Vernehmung inTheorie und Praxis, 3. Auflage,Boorberg Verlag, Stuttgart 2012

Jehle in: Bundesministerium der Justiz,Strafrechtspflege in Deutschland Faktenund Zahlen, 5. Auflage, 2009

Jugendgerichtsgesetz: in der Fassung derBekanntmachung vom 11.12.1974

Page 712: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

(BGBl. I S. 3427), zuletzt geändert durchGesetz vom 26.06.2013 (BGBl. I S.1805)

Juristische Arbeitsblätter: (zitiert nachJahr und Seite)

Juristische Ausbildung: (zitiert nach Jahrund Seite)

Justizministerium NRW – 2043 – I.3 –,Bereitschaftsdienst bei den Gerichtender ordentlichen Gerichtsbarkeit und beiden Staatsanwaltschaften, AV vom15.05.2007- JMBl. NRW 2007, S. 165

Kemper: Rückgabe beschlagnahmterGegenstände- Bringschuld oder

Page 713: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Holschuld?; in: NJW 2005, S. 3679-3682

Koch/Schmidt: Einsatzlehre der Polizei,Band 2, Taktische Maßnahmen, 7.Auflage, Boorberg Verlag, Stuttgart2008

Kramer: Grundbegriffe desStrafverfahrensrechts, 7. Auflage, VerlagW. Kohlhammer, Stuttgart 2009

Krause: Sicherung von ausländischen E-Mail-Postfächern durch heimlichesEinloggen- innovativ oder unzulässig?;in: Kriminalistik 2014; S. 213-217

Landeskriminalamt Nordrhein-

Page 714: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Westfalen (Hg.): Jahresbericht 2009,Visuelle Fahndungshilfen NRW

Lisken/Denninger: Handbuch desPolizeirechts, 5. neu bearbeitete underweiterte Auflage, Verlag C. H. Beck,München 2012

Löwe/Rosenberg: DieStrafprozessordnung und dasGerichtsverfassungsgesetz, 26. neubearbeitete Auflage, De Gruyter Recht,Berlin 2008

Maier (Hg.): Neues Polizeiarchiv,Loseblattsammlung, Boorberg Verlag,Stuttgart

Page 715: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Meyer-Goßner: Strafprozessordnung,Kommentar, 56. Auflage, Verlag C.H.Beck, München 2013

Meyer-Mews: Das Festnahmerecht- EinÜberblick; in: Juristische Arbeitsblätter,Köln, 38. Jahrgang, 2006, S. 206- 211

Ministerium für Inneres undKommunales NRW: Bearbeitung vonStraftaten gegen die sexuelleSelbstbestimmung, RdErl. des IM NRWvom 03.02.2004 (MBl. NRW. S. 229)

Ministerium für Inneres undKommunales NRW: Leitfaden 371,Eigensicherung im Polizeidienst, VS-

Page 716: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Nur für den Dienstgebrauch, Ausgabe2011

Ministerium für Inneres undKommunales NRW:Polizeidienstvorschrift 100-Führung undEinsatz der Polizei, (teilweise VS- Nurfür den Dienstgebrauch), MIK NRW,413- 60.26.08, Erl. v. 03.08.2012

Ministerium für Inneres undKommunales NRW:Polizeidienstvorschrift 382 –Bearbeitung von Jugendsachen, RdErl.IM IV C 2- 1591 v. 07.12.95, SMBl.NRW 2054

Page 717: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Ministerium für Inneres undKommunales NRW:Polizeigewahrsamsordnung für das LandNordrhein-Westfalen, RdErl. d.Innenministeriums – 43.57.01.08 – vom20.03.2009, MBl. NRW 2009, S. 254

Ministerium für Inneres undKommunales NRW: Richtlinien für dieFührung Kriminalpolizeilicherpersonenbezogener Sammlungen (KpS),RdErl. des IM NRW vom 25.08.2000(MBl. NRW. S. 1370),

Ministerium für Inneres undKommunales NRW: Verfolgung vonStraftaten – Inanspruchnahme von

Page 718: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Informanten, Einsatz von V-Personenund Verdeckten Ermittlern und sonstigennicht offen ermittelnden Polizeibeamten– Gem. RdErl. d. JM. u. d. IM vom17.02.1986 (MBl. NRW. S. 203), zuletztgeändert durch RdErl. vom 22.09.2011(MBl. NRW. S. 384)

Ministerium für Inneres undKommunales NRW:Wahllichtbildvorlage im Strafverfahren,RdErl. des IM NRW vom 12.03.2006(MBl. NRW. S. 283), geändert durchRdErl. vom 05.11.2012 (MBl. NRW. S.690)

Mohr/Schimpel/Schroer: Die

Page 719: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Beschuldigtenvernehmung, Lehr- undStudienbreifeKriminalistik/Kriminologie Band 5,Verlag Deutsche Polizeiliteratur, Hilden2006

Möllers (Hg.): Wörterbuch der Polizei,2. neu bearbeitete Auflage, Verlag C.H.Beck, München 2010

Neidhardt (Hg.): Handbuch für Führungund Einsatz der Polizei, Kommentar zurPDV 100, Loseblattsammlung, BoorbergVerlag, Stuttgart, Stand: Oktober 2013

Neue Juristische Wochenzeitung NJW:(zitiert nach Jahr und Seite)

Page 720: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Neue Strafrechtszeitung: (zitiert nachJahr und Seite)

Nimtz: Strafprozessrecht fürPolizeibeamte, Verlag DeutschePolizeiliteratur, Hilden 2012

Pollich/Erdmann/Grutzpalk:Tagungsbericht SymposiumWohnungseinbruch; in: Die Polizei5/2014

Pommer: Die DNA-Analyse imStrafprozess- Problemfelder der §§ 81eff. StPO; in: Juristische Ausbildung,2007, S. 621- 627

Richtlinien für das Strafverfahren und

Page 721: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

das Bußgeldverfahren (RiStBV) vom01.01.1977, zuletzt geändert mitWirkung vom 01.04.2012 (BAnz AT02.05.2012 B1)

Schroeder: Die Durchsuchung imStrafprozess; in: Juristische Schriften2004, S. 858-862

Strafprozessordnung in der Fassung derBekanntmachung vom 07.04.1987(BGBl. I S. 1074; 1319), zuletztgeändert durch Gesetz vom 23.04.2014(BGBl. I S. 410)

Tegtmeyer/Vahle: PolizeigesetzNordrhein-Westfalen, 10. Auflage,

Page 722: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Boorberg Verlag, Stuttgart 2011

Tetsch/Baldarelli: Polizeigesetz desLandes Nordrhein-Westfalen, Stand:September 2013, Verlag DeutschePolizeiliteratur, Hilden 2011

Verordnung über dieErmittlungspersonen derStaatsanwaltschaft vom 30.04.1996(GV. NRW. S. 180), geändert durch VOvom 15.02.2005 (GV. NRW. S. 144)

Volk: Grundkurs StPO, 6. überarbeiteteAuflage, C.H. Beck, München 2008

Westphal: Der kriminalistische Beweis,Lehr- und Studienbriefe Kriminalistik/

Page 723: Standardmaßnahmen im ermittlungsverfahren_DocAciD

Kriminologie Band 14, Verlag DeutschePolizeiliteratur, Hilden 2010

Wirth (Hg.): Kriminalistik Lexikon, 4.Auflage, Kriminalistik Verlag,Heidelberg 2011