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2014 05-25 FNF Brennpunkt pakistan - londoner verhaftung

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Nach mehr als 20 Jahren im Londoner Exil verhaftete die britische Polizei den MQM-Vorsitzenden Altaf Hussain. Dies führte unmittelbar zu Unruhen und gewaltsamen Protesten vor allem in der pakistanischen Provinz Sindh und deren Hauptstadt Karatschi.

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Olaf Kellerhoff

- www.freiheit.org -

Politische Berichte aus aktuellem Anlass

Brennpunkt: Pakistan (30-2014)

Nach mehr als 20 Jahren im Londoner Exil verhaftete die britische Polizei den MQM-VorsitzendenAltaf Hussain. Dies führte unmittelbar zu Unruhen und gewaltsamen Protesten vor allem in derpakistanischen Provinz Sindh und deren Hauptstadt Karatschi.

Londoner Verhaftung führt zu Unruhen in Karatschi

Nun hat sich Großbritannien durchgerungen, den Führer der vierstärksten Partei im pakistanischenParlament, der MUTTAHIDA QUAMI MOVEMENT (MQM), Altaf Hussain, zu verhaften. Schon seitJahren gab es Forderungen aus Pakistan und England, den studierten Pharmazeuten und Politiker derGerichtsbarkeit zuzuführen. Die befürchteten gewaltsamen Reaktionen, die jetzt eintreten, hatten offenbar inder Vergangenheit sowohl Pakistan als auch Großbritannien davon Abstand nehmen lassen.

Altaf Hussain ist wegen des Verdachts auf Geldwäsche festgenommen worden.Sein Haus und Büro wurden durchsucht und seine Konten eingefroren. Dabei wirdHussain allgemein nicht nur der Steuerhinterziehung und der Drahtzieherschaft imMordfall Imran Farooq in seinem Exil verdächtigt, sondern vor allem soll er fürpolitisch motivierte Gewalt und – so die Behauptungen – gezielte politische Mordein seiner Heimat verantwortlich sein.

Sofort nach Bekanntwerden der Nachricht über die Verhaftung des MQM-Gründers und Vorsitzenden kam die 18-Mio.-Metropole durch friedliche wiegewaltsame Proteste zum Erliegen. Der öffentliche Personennahverkehr isteingestellt, selbst kleine Kioske schlossen sofort und manche Bewohner wolltensich durch Hamsterkäufe auf mehrtägige Proteste vorbereiten. Mehrere Autos undBusse wurden angezündet. Es kam zu mehreren Verletzten durch

Schussverletzungen. Die Universitäten haben Prüfungen verschoben und der Karachi Stock Exchange Indexfiel kurzzeitig um 780 Punkte auf 29000. Die Industrie- und Handelskammer Karatschi forderte, die Stadtunter Militärverwaltung zu stellen. "Geschäfte sowie Restaurants verrammelten ihre Türen. Die Straßenwaren voll von Autos und Menschen, die nach Hause hasteten, um sich dort in Sicherheit zu bringen. DieMenschen waren erfüllt von einer Mischung aus Furcht, Angst und extremer Unsicherheit in Hinblick aufeine mögliche Eskalation der Lage.", berichtet der Mitarbeiter der FNF-Partnerorganisation SHEHRI –CITIZENS FOR A BETTER ENVIRONEMNT und Karatschi-Kenner Farhan Anwar.

Altaf Hussain lebt seit 1991 in England. Er hatte nach einem Mordanschlag auf ihn 1992 um politischesAsyl gebeten und ist britischer Staatsbürger geworden. Von Nord-London aus hatte er die letzten zweiJahrzehnte nicht nur die Geschicke der Partei, sondern auch politische Geschehnisse per Telefon gelenkt.Sein Stil ist diktatorisch und seine Partei inklusive dazugehöriger gewaltbereiter Gangs gilt als äußerst strikt,innerparteilich undemokratisch und nach dem Führerprinzip aufgebaut. In Pakistan wie England munkelt

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man, dass ein Parteiaustritt nur durch Tod möglich sei. So soll pakistanischen Analysten zufolge auch dasführende MQM-Mitglied und Mitbegründer Imran Farooq geplant haben, sich mit einer Gruppe von derPartei abzuspalten, bevor er ermordet wurde. Schon damals im Juni 2013 hatte die Londoner Polizei AltafHussain in Verdacht, dessen Anwesen durchsucht und dabei eine größere Summe Bargeld gefunden. InKanada hatte 2006 ein Gericht die Partei als terroristische Organisation eingestuft und die Einreise vonMitgliedern verboten.

Der gebürtige Karatschite Hussain hatte 1984 die Partei MQM gegründet, die in erster Linie die Interessender sogenannten muhajir (Arab./Urdu: Auswanderer) vertritt. Dabei handelt es sich um die Pakistanis, die beiStaatsgründung 1947 nach Pakistan gekommen waren. Diese hatten in der Regel keinen Landbesitz undkeine lokalen Bindungen, waren aber oft umso nationalbewusster eingestellt. Sie sahen sich in der neuenUmgebung lange als diskriminiert und unterdrückt an. Die MQM konnte ihnen einen quasi mafiaähnlichenSchutz geben und als Sprachrohr fungieren. Denn seit den späten 1980ern ist die MQM die zweitstärkstePartei in der Provinz Sindh und zudem führend in Karatschi. Bei den letzten Wahlen musste sie jedoch vorallem durch die Partei PAKISTAN TEHREEK-E INSAF (PTI) des Ex-Cricketstars Imran KhanStimmverluste hinnehmen. Dabei wurde auch der Wahlbetrug der MQM offenkundig. Die VerhaftungHussains lasten nun manche MQM-Mitglieder einer Verschwörung von Imran Khan an, der wiederum wieauch andere pakistanische Politiker seine Sympathie mit den MQM-Mitgliedern "in dieser schwierigen Zeit"ausdrückte.

Altaf Hussains Verhaftung könnte nicht nur die Partei selbst in eine ernsthafte Krise bringen, da sie nachdem Führerprinzip aufgebaut ist, sondern infolgedessen auch Pakistans politische Landschaft. Gerüchte umdie Nachfolge tauchten sofort auf. Eine längere Verhaftung und sofortige Verurteilung ist allerdings auchaufgrund von Hussains schlechten Gesundheitszustands eher unwahrscheinlich. Warum die Verhaftunggenau jetzt erfolgte, diese Frage stellt sich bei pakistanischen Medienrezipienten sofort. Dabei ist jedoch ehervon genügend Verdachtsmomenten der Londoner Polizei und einer derzeit politisch ruhigen Zeit in Pakistanauszugehen als von anderen Motiven.

Die Lage in Karatschi entspannte sich am Folgetag etwas – vor allem aufgrund eines entsprechendenAufrufs der obersten MQM-Führung. Nach Urteil des Bürgerrechtsaktivisten Farhan Anwar trugen andereStimmen ebenfalls dazu bei: "Sehr zu begrüßen war die sofortige Forderung des Expräsidenten PakistansAsif Ali Zardar an die britische Regierung, die Angelegenheit behutsam anzugehen, da extreme politischeEmpfindlichkeiten damit verbunden sind. Der Premierminister Nawaz Sharif hat sich mit ähnlichenBedenken geäußert." Nichtsdestotrotz wirkt sich in der Hauptwirtschaftsmetropole des Landes eineStilllegung des öffentlichen Lebens und der wirtschaftlicher Tätigkeiten sofort nachteilig für die ganzeNation und die Wirtschaft aus, die sich gerade mühsam zu erholen sucht.

Olaf Kellerhoff ist Leiter des Referates Asien und Menschenrechte in Potsdam.

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Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNF)Bereich Internationale PolitikReferat für QuerschnittsaufgabenKarl-Marx-Straße 2D-14482 Potsdam

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