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464 Stadt und Gemeinde 10 2013
www.stadt-und-gemeinde.de
Die neue C-Klasse ist daNeue Aufgabenprofile für Datenmanager in
Städten und Gemeinden der USA
Von Professor Dr. Ines Mergel
Seit dem Amtsantritt von Präsident Barack
Obama verfolgen die Vereinigten Staaten
eine konsequente „Open-Government-
Strategie“. Alle von den Verwaltungs-
behörden gesammelten Daten müssen den
Bürgerinnen und Bürgern in maschinen-
lesbarer Form zugänglich gemacht werden.
Über die Verwendung dieser offengelegten
Datensätze kann die Bevölkerung viel-
fach in sogenannten App-Wettbewerben
mitentscheiden. Gleichzeitig erhöht sich
der Druck auf Städte und Gemeinden,
ihre Daten bestände aufzubereiten und die
vorhandenen Informationen für Innovationen
zu nutzen. Da die meisten Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter in Kommunalverwaltungen
für diese speziellen Anforderungen nicht
ausgebildet sind, haben die Kommunen neue
Stellenprofile eingeführt: Chief Data Officers
und Chief Innovation Officers. Deren Aufgabe
ist es, die entsprechenden Datensätze zu
identifizieren, aufzubereiten und auf deren
Grundlage innovative Dienstleistungen für
die öffentliche Verwaltung zu entwickeln.
K U R Z G E F A S S T
A U T O R I N
Prof. Dr. Ines Mergel ist
Professorin an der Maxwell
School of Citizenship and Pub-
lic Affairs, Syracuse University
im US-Bundesstaat New York
In Städten und Landesbehörden der Verei-nigten Staaten von Amerika hat eine neue „C-Klasse“ Einzug gehalten: Mit der Einfüh-rung von Open Data-Portalen und der hit-zigen Diskussion über Big Data-Analysen, haben vor allem die Bürgermeister in gro-ßen Städten, wie Philadelphia, Boston, Chi-cago oder auch San Francisco Ressourcen freigesetzt, um neue Stellen zu scha�en.
Open Data ist Teil des neu de�nierten Open Government-Konzepts der Obama Regierung: Obwohl Open Government als Idee und Leitlinie schon fast 50 Jahre von mehreren US-Präsidenten praktiziert wurde, hat es mit Beginn der Präsidentscha� von Barak Obama eine neue Dimension erhalten. Alle von Verwaltungsbehörden gesammelten Daten müssen seit dem Jahr 2009 in maschinenlesbarer Form den Bür-gern zur Verfügung gestellt werden.
Umsetzung von Open Government:
Datenportale
Warum ist diese Form des Open Govern-ments erstaunlich und neu? Alle vorheri-gen Präsidenten haben zwar ebenfalls einen Open Government-Plan gehabt, allerdings mussten Bürger die Verö�entlichung der Daten als Teil des „Freedom of Informa-tion Act“ mit einem speziellen Formular
beantragen, dann hat ein Beau�ragter in der
jeweiligen Behörde darüber entschieden ob
sich der Aufwand lohnt und ob das angefor-
derte Dokument vertraulicher Natur ist. All
dies geschah in der jüngsten Vergangenheit,
besonders unter Clinton, in sogenannten
‚e-Rooms‘ auf der Website der jeweiligen
Behörde und wurde dann unter Bush und
dem Terrorismustrauma nach dem 11. Sep-
tember 2001 wieder drastisch zurückgefah-
ren. Für die Bürger war – und ist – es ein
langwieriger und frustrierender Prozess,
der nun mit der Einführung von Open
Data-Portalen vereinfacht werden soll. Die
freiwillige Bereitstellung der Daten soll die
Prozesse innerhalb der Verwaltung vereinfa-
chen und das Vertrauen in die Transparenz
und die Rechenscha�slegung der Verwal-
tung erhöhen. So der Plan, den die Obama-
Regierung gleich in der ersten Amtszeit fest-
gelegt hat und jetzt in der zweiten Amtszeit
krä�ig vorantreibt.
In den Bundesbehörden wurde das Kon-
zept relativ erfolgreich mit dem Datenportal
Data.gov umgesetzt. Die Behörden mussten
innerhalb von 60 Tagen alle Datensätze zur
Verfügung stellen und drei Jahre nach dem
Launch der Seite sind mi"lerweile mehrere
tausend Datensätze frei verfügbar.
Das Datenportal des
Bundesstaates Utah,
USA – Utah.gov/data
Stadt und Gemeinde 10 2013 465
Nutzung von Open Data:
App-Wettbewerbe
Wichtiger als die Bereitstellung ist meiner Meinung nach jedoch die Nutzbarkeit und der Wert der Daten: sind dies überhaupt Datensätze, die von den Bürger genutzt werden können und benötigen die Bürger die Daten überhaupt? Tre�en sie dadurch bessere Entscheidungen, wo sie hinzie-hen wollen, wo Bürgerinitiativen gegen Umweltverschmutzung angeregt werden sollten oder helfen sie jungen Firmen inno-vativer zu sein. Ein schlauer Schachzug war es, diese Überlegungen nicht auf den Schul-tern der Verwaltung zu lassen, sondern mit Hilfe von sogenannten Apps Contests die Bürger entscheiden zu lassen: Bei diesen We"bewerben kommen Programmierer zusammen, nutzen die Daten und entwi-ckeln neue Online-Dienste, basierend auf Verwaltungsdaten.
Was sich so einfach anhört, hat jedoch teilweise dramatische Auswirkungen auf Städte- und Gemeindeverwaltungen in den USA: Der Druck von Seiten der Bür-ger erhöht sich und die Rufe nach mehr Innovation werden lauter. Jedoch gehört Open Government nicht zur Kernaufgabe jeder Behörde und Mobilphone-We"be-werbe sind nicht Teil der Grundausbil-dung von Verwaltungsfachangestellten. Wie reagieren nun die Behörden und Ämter auf der lokalen Ebene auf diese neuesten Herausforderungen?
Die neue C-Klasse: Chief Data
Officers
Eine Antwort ist die Einführung neuer Positionen: Chief Data O%cers und Chief Innovation O%cers – die neue C-Klasse in der ö�entlichen Verwaltung. Anders als die bereits bekannten Chief Information oder Chief Technology O%cers haben die Chief Data O%cers weniger Verantwortung für IT-Analyse, -Anscha�ung und -Einsatz, son-dern fokussieren sich darauf in den Fachab-teilungen „high value“ (also hochwertige) Datensätze zu identi�zieren, zu reinigen und in maschinenlesbarer Form auf Datenporta-len den Bürgen zur Nutzung bereitzustellen.
In den USA gibt es in der Zwischenzeit eine Unmenge dieser Positionen und o�-mals sind die Aufgaben auf Datenverwal-tung beschränkt. Allerdings gibt es auch einige herausragende Beispiele, wie etwa in San Francisco, Boston, Chicago oder Phila-
delphia, wo die Chief Data O%cers dazu beitragen, auf den bereitgestellten Daten-sätzen innovative Dienstleistungen für die ö�entliche Verwaltung zu entwickeln. Ihre Position wird daher o�mals als Chief Inno-vation O%cer beschrieben.
Aufgabengebiete
Die Aufgabe der neuen Chief Data O%cers bezieht sich sowohl auf die internen als auch auf die externen Stakeholder der ö�ent-lichen Verwaltung.
Intern sind Chief Data O%cers vor allem Übersetzer und Change Agents: Sie müssen die politischen Richtlinien vermi"eln und diese gleichzeitig an die lokalen Besonder-heiten anpassen, so dass Fachabteilungen bereit sind, ihre Daten zur Verfügung zu stel-len. Es ist vor allem viel Überzeugungsarbeit notwendig, da besonders in den USA Auf-gabengebiete wegfallen und damit Abtei-lungsleiter die Befürchtung haben, dass ihnen dann auch Personal gestrichen wird. Freigabe der Daten in maschinenlesbarer Form heißt jedoch nicht unbedingt, dass Stellen abgebaut werden und die Aufgabe der Chief Data O%cers ist es durchzuden-ken, wie Aufgaben neuverteilt werden kön-nen. Hier ist ein Umdenken notwendig: Je e%zienter die Bürokratie arbeitet, umso weniger Redundanz produziert die Verwal-tung und Anfrager können direkt auf die neuen Datenportale verwiesen werden.
Dann müssen auch die Bürger davon überzeugt werden die Daten zu nutzen und für sich selber, aber auch für die Städte und Gemeinden einen Mehrwert zu scha�en. In den USA gibt es das schöne Sprichwort: „Just because you built it, doesn’t mean they use it.“ – Frei übersetzt: Nur weil die Daten und Portale zur Verfügung stehen, heißt es
nicht dass Bürger sich sofort darauf stürzen. Im Gegenteil: Chief Data O%cers müssen die Verbindungen zu sogenannten civic hackern herstellen, Anreize für die Nutzung in Form von App-We"bewerben scha�en sowie die hochwertige Anwendungen auch publizieren und für deren Nutzung werben.
Notwendige Voraussetzungen
Um all dies zu bewältigen, ist Top Manage-ment-Unterstützung notwendig. Nur wenn auf der höchsten politischen und Manage-mentebene eine klare Entscheidung für die Umsetzung von Open Data getro�en wird, können auch Ressourcen für neue Funktio-nen wie die neue C-Klasse der Chief Data oder Chief Innovation O%cer zur Verfü-gung gestellt werden. Niemand will als ers-ter den Stab ergreifen. Wir brauchen also noch viele gute Beispiele an denen es sich lohnt, sich in der ö�entlichen Verwaltung zu orientieren, um den gewünschten E�ekt zu erzielen. ■
Gemeinsam mit weiteren Autoren hat Prof. Dr. Ines Mergel im August 2013 das erste deutschsprachige Buch zu dem &ema verö�entlicht: Pra-xishandbuch Soziale Medien in der ö�entlichen Verwaltung. Springer Ver-lag, Heidelberg. Weitere Informatio-nen zu ihren Forschungsschwerpunk-ten �nden sich in ihrem Blog unter h"p://inesmergel.wordpress.com
I N F O R M A T I O N
Technically
Philly und Code
for America
inspirieren die
Nutzung von
Verwaltungs-
daten durch
private Nutzer
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