Kriterien für die anwendung des ertelschen erhaltungssatzes in ionisierten bzw. viskosen medien

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Kriterien fiir die Anwendung des Ertelschen Erhaltungssatzes

in ionisierten bzw. viskosen Medien

Von HEL.UUT PICI-ILER 1)

S u m m a r y - I t is shown t h a t in a gas m i x t u r e con ta in ing charged cons t i t uen t s (ions and free electrons) t he conse rva t ion t h e o r e m of Er te l is val id on cer ta in condi t ions for one of t he charged c o n s t i t u e n t if t he ra t io of t he fr ict ion force be tween t he neu t r a l and charged cons t i t uen t s to t he m a g n e t i c force is small . T he s ame conse rva t ion t h e o r e m is also val id for a v iscous fluid if the R e y n o l d s n n m b e r (ratio of iner t ia l force to t he v iscous force) is large.

Z u s a m m e n f a s s u n g - Es wird gezeigt, dass ftir ein Gasgemisch , das ge ladene K o m p o n e n t e n ent - hg l t n n d yon e inem divergenzfre ien n n d s t a t i ong ren Magne t fe ld d u r c h s e t z t wird, ftir eine geladene K o m p o n e n t e (Ionen oder freie Elekt ronen) nghe rungswe i se der Er te l sche E r h a l t u n g s s a t z gilt, falls u n t e r b e s t i m m t e n V o r a u s s e t z u n g e n das Verh~l tn is der R e i b u n g s k r a f t (innere) zu r m a g n e t i s c h e n Fe ldk ra f t sehr klein verbleibt . Wei te r wurde nachgewiesen , dass derselbe E r h a l t u n g s s a t z n g h e r u n g s - weise auch ftir ein v iskoses M e d i u m gilt, falls die R eyno ld szah l (Verhgl tnis der Tr / ighe i t skraf t zur R e i b u n g s k r a f t (innere)) sehr gross ist. Dies is t bei e inem t u r b u l e n t e n Medium der Fall.

7. Ionisiertes M e d i u m

Bei der Betrachtung eines Gases, das sich aus verschiedenen Komponenten zu- sammensetzt, folgt aus der kinetischen Gastheorie (nach einigen Vereinfachungen) fiir eine einzelne Komponente folgende Bewegungsgleichung f/ir nichtrelativistische Ge- schwindigkeiten (siehe rlJ und E2J2):

d v j i r Ns mj ~ - - : N; mj Aj -- grad p; :- Y ' 0;~ ,~'.~ ~N;(v~ -- v;) . (1) k

Hierbei bedeuten : .u = Teilchendichte der jten Komponente, m~ = Partikelmasse der ?'ten Komponente, v3 = Geschwindigkeit (mittlere) der jten Komponente, At = Volumskr~tfte, pj = Partialdruek der iten Komponente, Oj~ N ~ Na(ve - - v;) - - Wechselwirkung der kten mit der jten Komponente (Kraft pro Volumseinheit); dabei charakterisiert 0;k die Reibung der /?ten mit der jten Kom- ponente.

Ftir die nun folgenden Betrachtungen soll das Gas folgende Zusammensetzung auf- weisen: Neutrale Teilchen, positive und negative Ionen und freie Elektronen. Ferner

1) I n s t i t u t ftir Meteorologie der Un ive r s i t g t V~qen, H o h e W a r t e 38, A-1190 VVien, Oster re ich 2) Die Ziffern in eckigen K l a m m e r n verweisen auf das L i te ra tu rverze ichn is , Seite 184.

Anwendung des Ertelschen Erhaltungssgtzes 181

wollen wir die Wechselwirkung durch Reibung der geladenen Teilchen untereinander vernachl/issigen und nur die mit der Neutralgaskomponente in Betracht ziehen. Dabei sol1 diese Wechselwirkung proportional der Stossfrequenz ~j der neutralen Teilchen (Index n) mit den geladenen Teilchen (Index ]) sein. Unter diesen Annahmen ist dann N~ 072 ----- rns Tj und daher

Os~ - ~ N / v k - - v j ) - - U s ms ~ / v ~ - - vs) �9 (2)

Weiters soll das Gasgemisch von einem station~iren und divergenzfreien Magnetfeld durchsetzt werden. Ist B die dem Magnetfeld zugeordnete Induktivit~t, dann folgt aus obiger Voraussetzung

bB = d i v B = 0 . (3) bt

Ffir unser Problem mfissen wir nun noch die Volumskr~ifte genauer spezifizieren :

As ~ q-~j (E + v3" • B) -- g radx . (4) mj

Dabei bedeuten qj- die elektrische Einheitsladung und x das Gravitationspotential. Der elektrische Feldvektor E kann hier durch den Gradienten einer Potentialfunk- tion ~0

E ~ -- grady~ (5) ausgedrfickt werden.

Die Bewegungsgleichung (bezogen auf ein Inertialsystem), lautet dann flit eine ]te Komponente (f = 1, 2, 3; i ~ positive Ionen, 2 = negative Ionen, 3 = freie Elektro- hen)

dvj qj -- (E ~ vs • B) -- gradx -- M~- gradps + '~s u s . (6) dt mj

In (6) wurde ffir den Differenzvektor v~ -- vj- = us und ffir 1/m~ Ns ~ M~ gesetzt. Wendet man nun dieselben Uberlegungen, die ]~RTEL [3~ auf die Bewegung einer

idealen kompressiblen Flfissigkeit relativ zur rotierenden Erde angestellt hat, auf Gleichung (6) an, so folgt zun~ehst (durch Rotationsbildung) :

[ ( q' B)] = gradps • gradMs + rot(Tsus) (7) 0x r o t v j - - r o t vs • ro tv j + ,-~.

Multipliziert man Gleichung (7) mit einer beliebigen skalaren Funktion der Ranm- und Zeitkoordinaten r = r (x, y, z, t), so erhfilt man unter Bezugnahme yon (3) und Verwendung der Kontinuit/itsgleichung

1 dN~ _ d i v v j , (8) Nj dl

d~-d [N@~ (rot v3 +_ ~ q~l B)[grad q~,grad*]gradps,-- ~ 1 grad Mjl (rot vj + + ~ qJ~l B)gradd$dt r rot (Tj u3) . ] 1) (9)

Nj

Setzt man zur Abkfirzung

rot v~ + q-~J B ~ 2 Wvs -]- w m -~. W~, (10) m]

z) [A, B, C] = Spatprodukt,

182 H. Pichler (Pageoph,

wobei wDj den Drehvektor darstellt, der durch rotvj beschrieben wird und w~j ein Vektor ist, der in die Richtung yon qj B weist, sein Betrag aber der Gr6sse der Oyro- frequenz (I w m i = (I qJ !/mj) B m i t ! B i = B), das ist jene Frequenz mit der die ge- ladenen Teilchen die magnetischen Feldlinien umkreisen, entspricht, so l~sst sich (9) schreiben zu

d(l ) i d~ d--t ~ Wj grad ~ -- ~ W~- grad -~-

(11) _ 1 Fgradq~, gradpj, gradM~] _a ~ grad6 rot(Tj uj) .

N j - I N j

G]eichung (11) entspricht - wenn wir zun~ichst Yore letzten Term auf der rechten Seite absehen, der die Reibung der/'ten Komponente mit dem Neutralgas zum Aus- druck bringt - dem Ertelschen Wirbelsatz ffir eine elektriseh geladene Komponente, wobei der Wirbelvektor Wjder Definition laut (10) entspricht.

Die Funktion ~ kann hier nicht mit der Entropie identifiziert werden, da kein abgesclflossenes System betrachtet werden soll. Mann kann aber eine Zustandsfunktion s = sn(M~, p,,,) + sj(Mj, pj) einfiihren, ffir die

ds - o (12)

dt

und dsn dsj

- - 0 ( 1 3 ) dl dt

gelten soil. Dies ist offenbar dann der Fall, wenn die Energiedissipation dutch die innnere Reibung dutch eine Energiezufuhr von aussen ersetzt wird (<<halb,)-offenes System). Dieselbe lJberlegung gilt aueh ftir (22). Setzt man ftir das ionisierte Medium q~ = s~, so folgt aus (11)

d ( 1 ) t d-Y ~ Wj gradsj, = ~-j. gradsj rot (Tj uj) . (14)

Gleichung (14) besagt, dass der physikalische Ausdruck (1/Nj)Wj grads~ keine konservative Gr6sse ist, sondern diese je nach dem Vorzeichen des <~Reibungsterms~> auI der rechten Seite vermehrt oder vermindert wird. Es gilt daher zu untersuchen, unter welchen Bedingungen n~herungsweise aus Gleichung (14) ein Erhaltungssatz (nach ERTEL [3]) in der Form

t d~- gradsj =- 0 (15)

geiolgert werden kann. Hierfiber kann eine ~< Scale Analysis~ (siehe unter anderen I4~) anschaulich Auskunft geben. Bezeichnet man mit (*) die dimensionslosen Gr6ssen, so folgt aus (14)

d ( ~ . . W* g r a d * s * ) - - P [@r~ grad*s* rot*(z~ u*)] (16) dl*

Dabei ist ftir t* = t Vj/Lj zu setzen und Lj bedeutet die charakteristische L/inge fiir die #e Komponente und Vj die charakteristische Gesehwindigkeit der/ ' ten Kompo- nente. Die dim.ensionslose Zahl P ergibt sich zu

p _ U ~ l ; . v, w ; ' (17)

Vol. 65, 1966/1I[) Anwendung des Ertelschen Erhaltungssatzes 1S3

Hierin bedeuten" Us = charakteristische Geschwindigkeit, bezogen auf den Differenzvektor u~, Ts = charakteristisehe Gr6sse der Stossfrequenz der Neutralteilchen mit den Teil-

chen der ]ten Komponente, Wj = charakteristische Gr6sse des Wirbelvektors Wj.

Ftir P < 1 kann die Gfiltigkeit des Erhaltungssatzes mit hinreichender Genauig- keit angenommen werden. Die Gr6ssenordnung des dimensionslosen Parameters P gibt somit an (hinrieehende und notwendige Bedingung), ob aus Gleichung (16) n~iherungsweise der Erhaltungssatz (15) gefolgert werden kann.

Zur physikalischen Deutung von P wollen wir zunfichst Wj genauer beschreiben. Nach (10) ist Wj = 2 WDS + WHj, daher folgt

Wj = ]//4: t?~j + f2~j + 4 Dvj sQm cos~, (18)

wobei tQoj die charakteristische Gr6sse yon WDS, f2m die charakteristische Gr6sse von wm und ~ der Winkel , den wvj mit w~j einschliessen, bedeuten. Ffihrt man fiir ~QDj ~ m t2m (m > 0) ein, so folgt aus (18)

Wj =- Dnjl/'4 m a + 4 m cos~ + 1 . (19)

Is t nun m ~ 1, so kann man ftir W~ mit hinriechender Genauigkeit Wj ~ Dm schrei- ben und somit folgt ftir P

Uj T 3 (ffir m < 1) . (20) P ~ Vj D~,j

Die Beziehung (20) l~sst sich recht anschaulich deuten. Sie stellt das Verh~ltnis der Reibungskraft zwischen den Teilchen des Neutralgases und den Teilchen der ]ten Komponente (?" = 1, 2, 3) zur magnetischen Kraft , die auf die ~'te Komponente ein- wirkt, dar. In Quotientenform ausgedri~ckt:

Reibui~gskl"aft (innere) (][fir ~$r ~ 1) P ~ Magnetische Kraft

Is t m ~ 1 nicht erfiillt, so muss zur Absch~itzung, ob

1 ( r o t v ~ + q~B) gradsj ~5 ms

eine konservative Gr6sse ist, Relation (17) herangezogen werden. Sie stellt das Ver- h~iltnis der Reibungskraft zur magnetischen plus Inert ialkraft dar.

Die Anwendung dieser Ergebnisse auf die Verh~iltnisse in der hohen AtmospMre (Ionosphere) bleibt einer weiteren Arbeit vorbehalten.

2. Viskoses Medium

Man kann sich einfach fiberlegen, dass der Ertelsche Erhaltungssatz in der Form

dt mit

d6 r = CLo, p) m l a - 0 (22) dl

184 H. Pichler

n~herungsweise auch ftir ein viskoses Medium mit grossen Reynoldszahlen (Re >> 1) gilt. In (21) bedeuten o die Dichte, v der Geschwindigkeitsvektor, 6 eine skalare Feld- funktion und p der Druck. Diese Behauptung l~isst sich folgendermassen beweisen. Ftir t in kompressibles viskoses Medium gilt folgende Bewegungsgleichung (siehe [5]):

1 dv _ 1 gradp -- g radx + v A v + ~ v g r a d D . (23) dt 9

In (23) ist ~ die kinetische Zfihigkeit ( = #/~o) mit # = Viskosit~it, x das Gravitat ions- potent ial und D ~ d ivv . Mittels der Annahme (22) gelangt man fiir ein viskoses Medium unter Verwendung der Kontinuit~itsgleichung

i d ~ d ivv (34) o dt

nach denselben f3berlegungen, die bereits in Abschnit t 1 durchgefi~hrt wurden (siehe [3], tiir eine ideale kompressible Fltissigkeit) zu

( ) 1 [gradr gradv, g radD . (25) d 1 1 g rad~ ro t (~Av) + 30- d-7 O- r o t v g r a d ~ = ~

Ftihrt man eine (~Scale Analysis>> dutch und bezeichnen wir mit (*) wiederum die dimensionslosen Gr6ssen, so folgt aus (25)

d (_o1,_ rot*v* grad*q~*) -- 1 [ 1 grad*~* rot*(v* A*v*)] /

(26) 1 . 1 ~grad*~*, grad*f* , grad*D* [

@ 3Re 9 ~ ~ -" j

In (24) bedeuten: V == charakterist ische Gesehwindigkeit, L -- charakterist ische L~inge,

= charakteristische kinematische Z~ihigkeit,

VL [ Inertialkraft ] Re = ~ Reynoldszahl -- Reibungskraft (innere) "

Wi t aus (26) leicht ersichtlich ist, geht Gleichung (25) fiir grosse Reynoldszahlen (Re >> 1) n~herungsweise in den Erhal tungssatz (21) fiber. Somit ist ftir t in turbulen- tes Medium (grosse Reynoldszahlen) (1/~) r o t v grad S mit grosser N~iherung eine kon- servative Gr6sse, die ausgetauscht werden kann.

LITERATURVERZEICHNIS

[11 S. C~aPMaN and T. G. COWLZNG, The mathematical t/aeory of ~eon-uniform cases (Cambridge University Press, London 1952). (2nd edition.)

[2] C. O. HINES, I. PAGHIS, T. ]~ HARTZ and J. A. F/;JER, Physics of the earth's upper atmosphere, (Prentice-Hall, Inc., London 1965).

[3~ H. ERTEL, Ein neuer hydrodynamischer Wirbelsata, Met. Z. 59 (1942), 277. [41 N. A. PmLLIPS, Geostrophic motion, Rev. Geophys. 1 (1963), 123. ESJ N. J. KorscI~Ii,~, I. A. KIBEL and N. W. Ros~, Theoretisehe H3,dro~necha~zik, Band 2 (Akademie

Verlag, Berlin 1955).

(Eingegangen am 18. Juli 1966)

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