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Alter Wein in neuen Flaschen: oci Schriftenreihe Neue Geschäftsfelder für Informationsfachleute August 2009 © 2009 Online Consultants International GmbH. Some rights reserved. Seite 1 von 17 online consultants i nternational © www.istockphoto.com/VeronikaCh Alter Wein in neuen Flaschen Die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors als neues Geschäftsfeld für Information Professionals in Wissenschaft, Verwaltung und Wirtschaft oci Schriftenreihe August 2009 Verfasser: Michael Fanning Geschäftsführer Online Consultants International GmbH Unterreut 6 D-76135 Karlsruhe t +49-(0)721-92 12-909 f +49-(0)721-92 12-913 e [email protected] w http://www.oci-gmbh.com Urheberrechtlicher Vermerk: Diese Veröffentlichung ist unter einer Creative Commons Attribution-No Derivative Works 3.0 Germany Lizenz verfügbar. Version 1.1 vom 31. August 2009

Alter Wein In Neuen Flaschen: PSI für Informationsspezialisten

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Alter Wein in neuen Flaschen

Die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors

als neues Geschäftsfeld für Information Professionals

in Wissenschaft, Verwaltung und Wirtschaft

oci Schriftenreihe

August 2009

Verfasser:

Michael Fanning

Geschäftsführer

Online Consultants International GmbH

Unterreut 6

D-76135 Karlsruhe

t +49-(0)721-92 12-909

f +49-(0)721-92 12-913

e [email protected]

w http://www.oci-gmbh.com

Urheberrechtlicher Vermerk:

Diese Veröffentlichung ist

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Germany Lizenz verfügbar.

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vom 31. August 2009

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„Öffentliche Stellen sind die größten

Informationsproduzenten in Europa, ihre

Informationsbestände bergen ein bedeutendes

Wirtschaftspotenzial.“

Quelle: Begründung zum IWG (BGBL. I S. 2913)

vom 13. Dezember 2006, BR-Dr 358/06, S.6

1. EINLEITUNG

Das Internet hat die Art, wie Organisationen, Unternehmen und Bürger auf Informationen

zugreifen, sie nutzen und weiterverwenden können, drastisch verändert. Die Verfügbarkeit

von Inhalten im digitalen Format ermöglicht es, sie auf neue Weise weiter zu verwenden,

Informationen aus verschiedenen Quellen miteinander zu kombinieren und ihnen einen

Mehrwert hinzuzufügen

Der öffentliche Sektor ist der größte Anbieter von Informationen. Viele Produkte und

Dienstleistungen, die tagtäglich von Information Professionals genutzt werden, basieren auf

der Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors. Beispielsweise leiten alle

etablierten Marken, die als Anbieter von Firmen- und Wirtschaftsinformationen gelten, wie

z.B.: Creditreform, Bürgel, Bundesanzeiger, bedirect, databyte und Schufa ihre Kerndaten

vom Handelsregister ab, das eines der bekanntesten Quellen von Informationen des

öffentliches Sektors darstellt.

Im Rechtsinformationsmarkt leiten die etablierten Namen wie juris, Verlag C.H. Beck, Verlag

Dr. Otto Schmidt, Carl Heymanns Verlag, Haufe, LexisNexis und Recht für Deutschland usw.

die für ihre Produkte und Dienstleistungen relevante Gesetzgebung und Rechtsprechung

vom Parlament als Gesetzgeber, von den Gerichten sowie der Exekutive ab – und das

sowohl auf Bundes- wie Länderebene.

Die Kommunalverwaltung ist ebenfalls eine Quelle von Informationen des öffentlichen

Sektors, die Daten zu regional geltenden Vorschriften, Statistiken, zur Bevölkerung sowie

Geoinformationen liefert.

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Eine von der Europäischen Kommission 2008 durchgeführte detaillierte Analyse

1

der

entsprechenden Märkte zeigt einen gewaltigen Zuwachs der Weiterverwendung von

Informationen des öffentlichen Sektors als Ausgangsmaterial für eine ganze Palette von

Produkten und Dienstleistungen. Die angebotenen Produkte und Dienstleistungen werden

von den Bürgen Europas täglich genutzt. Beispiele hierzu sind Navigationssysteme für

Kraftfahrzeuge, Wettervorhersagen, Finanz- und Versicherungsdienste, Echtzeit-

Verkehrsmeldungen, Wettervorhersagen, die direkt auf Handys übermittelt werden, oder

auch Bonitätsauskunfteien. Solche Produkte und Dienstleistungen, die ganz oder teilweise

auf Informationen des öffentlichen Sektors basieren, generieren neue Geschäftsfelder und

Arbeitsplätze und bieten dem Verbraucher eine größere Auswahl und ein besseres Preis-

Leistungsverhältnis. Die Produkte und Dienstleistungen decken oft mehr als nur einen EU-

Mitgliedstaat ab, denn der Informationsbedarf endet nicht an nationalen Grenzen.

Nach Angaben der Europäischen Kommission wird der Wert dieses Marktes in der EU auf

€27 Mrd. geschätzt, was dem Vierfachen des EU-Marktes für Mobil-Roamingdienste

entspricht.

2

Auch wenn das Potential inzwischen verbreitet als solches erkannt wird, gilt es

dennoch, erhebliche Barrieren zu überwinden, damit sich das Potential im Markt entfalten

kann. Solche Barrieren umfassen die Preisgestaltung, Lizenzvereinbarungen, Verfügbarkeit,

Konkurrenz von Seiten der öffentlichen Einrichtungen. Oft ist den Behörden selbst nur wenig

bewusst, welche Verpflichtungen und Anforderungen auf sie zukommen. Und auch die

Wirtschaft insgesamt hat das Potential, das in der Weiterverwendung von Informationen des

öffentlichen Sektors liegt, noch nicht voll erkannt.

In der Überwindung von Hindernissen in Bezug auf die Weiterverwendung von Informationen

des öffentlichen Sektors und der aus deren Potential resultierenden Nutznießung liegen

zahlreiche Möglichkeiten für Information Professionals. Viele Möglichkeiten wie z.B. die

Schriftgutverwaltung könnte man als “alten Wein in neuen Flaschen” bezeichnen. Andere

wiederum, wie beispielsweise die Überwachung der Informations- und Wissens-

managementaspekte in Bezug auf Compliance innerhalb der rechtlichen

Rahmenbedingungen, die sich um Informationszugangsrechte drehen, könnte man als neue

Geschäftsfelder für Information Professionals (IP) sehen. Neue Geschäftsfelder, für deren

Management - so wird hier argumentiert - sich Information Professionals am besten eignen.

2. DAS THEMA „INFORMATIONSWEITERVERWENDUNG“

Historisch gesehen hat die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors in

Deutschland eine lange Tradition. Es gibt juristische Verlage in Deutschland, die zu den

ältesten in Europa zählen. Der Verlag C.H. Beck wurde 1763 gegründet, der Carl Heymanns

1

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss

und den Ausschuss der Regionen, Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors – Überprüfung der

Richlinie 2003/98/EG vom 7. Mai 2009 (KOM(2009) 212 endgültig). Die Mitteilung wurde vom einem “Commission Staff

Working Paper“ (SEC(2009) 597212 endgültig) begleitet. http://ec.europa.eu/information_society/policy/psi/index_en.htm .

2

Mitteilung vom 7. Mai 2009 – Überprüfung der Richtlinie 2003/98/EG (Siehe Fn. 1), Seite 2.

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Verlag im Jahr 1818. Creditreform feierte 2004 sein 125-jähriges Jubiläum und auch Bürgel

ist fast 125 Jahre alt. Ähnlich weisen in anderen Marktsektoren, wie im Bereich der

Verzeichnisgeschäfte,

3

Firmen wie G. Braun Telefonbuchverlage, gegründet 1813, und

Schlütersche Verlagsgesellschaft, gegründet 1747, die beide Produkte und Dienstleistungen

aufrecht erhalten, die auf der Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors

basieren, eine lange Tradition als “Weiterverwender” auf.

Diese und andere ähnliche Märkte haben bei ihrer Anpassung an die

Informationsverarbeitung im digitalen Zeitalter von der Europäischen Unionen einen neuen

Impuls in Form der Richtlinie 2003/98/EG des Europäischen Parlaments und des

Europäischen Rates vom 17. November 2003 über die Weiterverwendung von Informationen

des öffentlichen Sektors

4

erhalten.

Ziel der Richtlinie 2003/98/EG ist es, innerhalb der Mitgliedstaaten die rechtlichen Barrieren

im Hinblick auf die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors zu

reduzieren oder ganz abzuschaffen. Durch die Förderung der Prinzipien der Transparenz

und des fairen Wettbewerbs stellt die EU-Richtlinie grundlegende Bedingungen auf, die für

die mögliche Ausnutzung des Potentials innerhalb der Weiterverwendung von Informationen

des öffentlichen Sektors vorhanden sein müssen.

Das gewünschte Ergebnis ist die Herstellung neuer Produkte und Dienstleistungen, die zum

Wachstum und zur Schaffung von Arbeitsplätzen beitragen. Aufgrund der Tatsache, dass

die Leitlinien zur Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors von 1989

wenig Effekt hatten, griff die Europäische Kommission auf die Richtlinie als bestes Mittel der

Umsetzung dieses Ziels zurück.

Artikel 13 der Richtlinie 2003/98/EG verlangt, dass die Europäische Kommission die

Auswirkungen der Richtlinie überwacht. Im Jahr 2008 wurden daher eine Reihe von

Sitzungen

5

und Beratungen

6

abgehalten. Darüber hinaus beauftragte die Europäische

Kommission eine Studie mit dem Titel Assessment of the Re-Use of Public Sector

Information (PSI) in the Geographical Information, Meteorological Information and Legal

Information Sectors. Die Studie wurde von der MICUS Management Consulting GmbH

durchgeführt und von der Europäischen Kommission im Dezember 2008 veröffentlicht.

7

Das Ergebnis der verbindlichen Bewertung erschien als Mitteilung der Kommission an das

Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und

3

The European B2B Information Market, January 2008, Seiten 94 und 95. Herausgeber IRN Research und oci GmbH.

4

Richtlinie 2003/98/EG des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates vom 17. November 2003 über die

Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors, ABl. L 345 vom 31.12.2003, S. 90.

5

Viele wurden durch das ePSIplus Programm koordiniert. Eine Auflistung der Tagungen befinden sich auf der Website

http://www.epsiplus.org. Ein Exemplar des Abschlussberichts (Final Report) und Empfehlungen sind ebenfalls verfügbar.

6

Diese Beratungen wurden von der Europäischen Kommission organisiert und fanden zwischen September und Dezember

2008 statt. Für weitere Einzelheiten siehe http://ec.europa.eu/information_society/policy/psi/background/index_en.htm .

7

Assessment of the Re-Use of Public Sector Information (PSI) in the Geographical Information, Meteorological Information

and Legal Information Sectors, December 2008. Durchgeführt von MICUS Management Consulting GmbH, VCS GmbH

erstellte den meteorologischen Teil der Studie und Online Consultants International GmbH den Rechts- und

Verwaltungsinformationsteil. Siehe http://ec.europa.eu/information_society/policy/psi/background/index_en.htm .

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den Ausschuss der Regionen, Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors

– Überprüfung der Richlinie 2003/98/EG vom 7. Mai 2009.

8

Der Mitteilung war ein Dokument

beigefügt mit der Bezeichnung Commission Staff Working Paper.

9

Dieses Dokument, das nur

in englischer Sprache verfügbar ist, gibt einen umfassenden Hintergrund zum Thema

“Informationsweiterverwendung” sowie eine detaillierte Analyse. Die Mitteilung und das

Commission Staff Working Paper bieten zusammen den derzeit aktuellsten und präzisesten

Überblick über den Stand und die Auswirkung der Weiterverwendung von Informationen des

öffentlichen Sektors in Europa.

2.1. Begriffsbestimmungen

Im Sinne der Richtlinie 2003/98/EG bezeichnet der Ausdruck

„„Weiterverwendung“ die Nutzung von Dokumenten, die im Besitz öffentlicher Stellen

sind, durch natürliche oder juristische Personen für kommerzielle oder nichtkommerzielle

Zwecke, die sich von dem ursprünglichen Zweck im Rahmen des öffentlichen Auftrags,

für den die Dokumente erstellt wurden, unterscheiden. Der Austausch von Dokumenten

zwischen öffentlichen Stellen ausschließlich im Rahmen der Erfüllung ihres öffentlichen

Auftrags stellt keine Weiterverwendung dar“.

10

An dieser Stelle gilt es einige Punkte hervorzuheben. Im Wesentlichen ist die

Informationsweiterverwendung als eine Nutzung von Informationen zu einem anderen Zweck

als dem, wofür sie gesammelt wurden, anzusehen. Die Richtlinie geht davon aus, dass die

Information vorhanden ist. Das heißt, es besteht keine Verpflichtung seitens der Behörde,

Informationen zu erwerben für den besonderen Zweck ihrer Weiterverwendung. Was die

Richtlinie betrifft, so kann die Weiterverwendung für einen kommerziellen wie auch für einen

nicht kommerziellen Zweck erfolgen. Es ist zu betonen, dass die Weiterverwendung nicht

zwangsläufig eine kommerzielle Weiterverwendung beinhaltet, da dies wichtig für die

Entwicklung der Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors in

Deutschland, insbesondere für die akademischen und wissenschaftlichen Bereiche ist.

Da das Rechtsinstrument eine Richtlinie ist, sind die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, die

Gesetzgebung in ihre jeweilige Rechtsprechung umzusetzen. Dies wurde in den einzelnen

EU-Mitgliedstaaten auf unterschiedliche Weise

11

durchgeführt. In Deutschland wurde die

Richtlinie in deutsches Recht übertragen durch das Gesetz über die Weiterverwendung von

Informationen öffentlicher Stellen (Informationsweiterverwendungsgesetz – IWG) vom 13.

Dezember 2006.

12

Federführend für das Informationsweiterverwendungsgesetz

13

und alle

8

Siehe Fn. 1.

9

Siehe Fn. 1.

10

Siehe Hinweis zum Fn 4, Artikel 2 (4).

11

Commission Staff Working Paper (Siehe Fn. 1), Seite 13 und Annex.

12

Gesetz über die Weiterverwendung von Informationen öffentlicher Stellen (Informationsweiterverwendungsgesetz – IWG)

vom 13.12.2006, BGBL. I S. 2913.

13

Für Hintergrundinformationen zur Vorgeschichte des IWGs, siehe www.informationsweiterverwendungsgesetz.de .

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Aspekte seiner Umsetzung ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie

(BMWi).

14

Das IWG setzt die EU-Richtlinie 2003/98/EG über die Weiterverwendung von Informationen

des öffentlichen Sektors in nationales Recht um. Das IWG trat am 19. Dezember 2006 in

Kraft. Sie gilt als 1:1 Umsetzung der EU Weiterverwendungsrichtlinie. Das IWG ist ein

Bundesgesetz, basierend auf Art 74 I Nr. 11 GG (Recht und Wirtschaft). Als solches findet es

Anwendung für den Bund, die Länder und die kommunale Verwaltung.

2.2. Informationszugang und Weiterverwendung

Wichtig an dieser Stelle ist, dass das IWG selbst kein Zugangsrecht zu amtlichen

Informationen schafft. Jedoch geht die Anwendung des IWG davon aus, dass ein solches

Zugangsrecht bereits besteht. In den meisten Gerichtsbarkeiten Europas besteht ein

Zugangsrecht zu amtlichen Informationen durch eine Datenschutzgesetzgebung oder,

weiter verbreitet, durch Informationsfreiheitsgesetze bzw. bereichsspezifische

Zugangsrechte wie Zugangsrechte zu Umweltinformationen oder zu Informationen in Bezug

auf den Verbraucherschutz.

Wenn man nur zur Illustration die Informationsfreiheitsgesetzgebung betrachtet, so ist der

Zugang zu amtlichen Informationen in Deutschland ein reines Flickwerk rechtlicher

Vorschriften. Auf Bundesebene setzt das Gesetz zur Regelung des Zugangs zu

Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz – IFG) vom 5. September 2005

15

Informationszugangsrechte um, wenn es um Informationen, die im Besitz von

Bundesbehörden sind, geht. Bis dato haben 11 Bundesstaaten

16

eine IFG-Gesetzgebung

oder deren Äquivalent in Kraft gesetzt. Wenn man die Zeitspanne betrachtet, über die die

einzelnen Bundesländer diese Art der Gesetzgebung verabschiedeten, z. B.: Brandenburg

1998, Hamburg (im zweiten Anlauf) 2009, so gibt es beachtliche Unterschiede zwischen den

einzelnen Umsetzungen. Aus Platzgründen kann an dieser Stelle keine weitere Analyse

gegeben werden, jedoch ist festzustellen, dass es in Deutschland keinen einheitlichen

länderübergreifenden Ansatz im Hinblick auf den Zugang zu amtlichen Informationen gibt,

der ein bundesweites Weiterverwendungsrecht unterstützen würde.

Im Gegensatz zum Informationsweiterverwendungsgesetz (IWG), bei dem das

Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) federführend war, ist das

Bundesministerium des Innern (BMI) die führende Behörde hinsichtlich des

Informationsfreiheitsgesetzes (IFG).

17

14

Siehe http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Technologie-und-Innovation/Informationsgesellschaft/informationen-des-

oeffentlichen-sektors.html

15

Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes vom 5. September 2005, BGBl. I S. 2722.

16

Berlin (1999), Brandenburg (1998), Bremen (2006), Hamburg (2009), Mecklenburg-Vorpommern (2006), Nordrhein-

Westfalen (2001), Rheinland-Pfalz (2008), Saarland (2006), Sachsen-Anhalt (2008), Schleswig-Holstein (2000), Thüringen

(2007).

17

Siehe http://www.bmi.bund.de / Suche „Informationsfreiheitsgesetz“.

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Auch wenn das Thema hier nur kurz gestreift werden kann, so ist doch festzustellen, dass

die Positionierung der jeweiligen Rechtsvorschriften im Verhältnis zueinander wichtige

praktische Konsequenzen für Information Professionals mit sich bringt. Es fällt auf, dass die

Länder in Europa, wie z.B. Großbritannien, Irland und Slowenien, die proaktiv und

systematisch eine Informationsfreiheitsgesetzgebung umgesetzt haben, dadurch auch eine

solide Grundlage für ein Informations- und Wissensmanagement innerhalb ihrer Behörden

schufen. Die Auflage, eine Informationsfreiheitsgesetzgebung umzusetzen, war ein

bedeutender Treiber für ein verbessertes Informationsmanagement innerhalb des

öffentlichen Sektors,

18

wodurch sich diese Mitgliedstaaten in eine gute Lage versetzt haben,

ihr Informationskapital im Sinne einer „Informationsweiterverwendung“ auszuschöpfen.

Eine wesentliche Grundlage für die mögliche Ausschöpfung einer Weiterverwendung von

Informationen des öffentlichen Sektors ist zweifellos eine gute Schriftgutverwaltung. In vielen

EU-Mitgliedstaaten war die Notwendigkeit der Einhaltung von Gesetzesvorschriften zu

Informationszugangsrechten, insbesondere zur Informationsfreiheit, die treibende Kraft für

eine bessere Schriftgutverwaltung und ein verfeinertes Informationsmanagement innerhalb

des öffentlichen Sektors. In Großbritannien ist es bezeichnend, dass die öffentliche Stelle,

die für die Überwachung der Informationsweiterverwendung zuständig ist, das “Office of

Public Sector Information” (OPSI) ein Jahr nach der Gründung den „National Archives“

unterstellt wurde – die Information Professionals par excellence.

19

Es ist auch zu erwähnen,

dass die National Archives ebenfalls für das UK Government Knowledge and Information

Management Network

20

zuständig sind.

3. VORTEILE DER INFORMATIONSWEITERVERWENDUNG

Das Commission Staff Working Paper, das mit der vor kurzem herausgegebenen Mitteilung

der Kommission erschien, lieferte Indizien und Schätzwerte im Hinblick auf das Potential der

Informationsweiterverwendung, und zwar nicht nur in Bezug auf die Wirtschaft, sondern auch

auf die Gesellschaft und das Gemeinwohl als Ganzes.

3.1. Vorteile für die Wirtschaft

Die Analyse der Kommission hob hervor, dass zwar zahlreiche Studien die Ansicht eines

gewaltigen wirtschaftlichen Wertes der Weiterverwendung von Informationen des

öffentlichen Sektors untermauern, jedoch eine genaue Messung dieses Wertes kein

einfaches Unterfangen darstellt. Die von der Kommission beauftragte MEPSIR Studie

18

Siehe Fn. 46 für Hinweise dazu.

19

National Archives merger to create mega government information division, Information World Review, 21st June 2006.

http://www.iwr.co.uk/information-world-review/news/2158778/national-archives-merges

20

http://gkimn.nationalarchives.gov.uk/?source=ddmenu_services8

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(2006)

21

beispielsweise legt die Marktgröße insgesamt für die Weiterverwendung von

Informationen des öffentlichen Sektors innerhalb der Europäischen Union bei €27 Mrd. fest.

Weitere neuere Zahlen, die vom britischen Office of Fair Trading (OFT) zur Verfügung

gestellt wurden – The commercial use of public information (CUPI) Report

22

– zeigen, dass

der Beitrag der Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors zur britischen

Wirtschaft allein im Jahr 2006 ein Volumen von €730 Mio. aufwies.

Einer der wichtigsten Wirtschaftsmärkte, die in der Weiterverwendung von Informationen des

öffentlichen Sektors ein explosives Wachstum erfahren haben, ist der Sektor mit neuen

Produkten und Dienstleistungen im Zusammenhang mit geographischen Informationen (GI).

Die Nachfrage nach Karten, Navigationsdiensten und ortsgebundenen Dienstleistungen

nimmt täglich zu. Der europäische kartographische Markt, ein Teil des Geoinformations-

markts wurde nach Branchenquellen bereits 2005 auf €1.5 Mrd. geschätzt.

23

Die Studie

Prospects for Business Models of German Companies in the European and Global

Geoinformation Market

24

errechnete 2007 einen Wert für den Geoinformationsmarkt in

Deutschland von €1.5 Mrd., der seit dem Jahr 2000 um ca. 50% gestiegen sei.

Diese Wachstumstrends im GI-Sektor wurden in der im Namen der Kommission

durchgeführten Bewertung der Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen

Sektors bestätigt, in der 46% der öffentlichen GI-Sammelstellen berichteten, dass ihr

Gesamtumsatz seit 2002 gestiegen sei und ebenso 66% der GI-Weiterverwender (private

Wirtschaftsunternehmen) über wachsende Umsätze in den letzten Jahren berichteten.

Der europäische Onlinemarkt für Rechtsinformationen (Recht, Wirtschaft, Steuern) wurde mit

€730 Mio.

25

bewertet einschließlich eines14%igen Zuwachses im Jahr 2005. Das

Groupement Français de l’Industrie de l’Information (GFII) berichtete über einen Wert von

€246 Mio.

26

, einem Zuwachs von 17% im Vergleich zu 2007. Die Wachstumsprognose für

diesen Markt für die kommenden fünf Jahre liegt bei 7% pro Jahr.

27

Im Bereich der Wirtschaftsinformationen, in dem viele Rohdaten aus öffentlichen Quellen wie

z.B. Handelsregister, Nachrichten, Gerichte, gesammelt werden, ist die Zahl neuer Produkte

und Dienstleistungen, die online entworfen und geliefert werden, gewaltig und sie steigt

weiter. Beispielsweise umfasst der Wirtschaftsinformationsmarkt Firmeninformationsdienste,

Betriebsstatistiken, Inkassodienste, Firmenratings und Bonitätsinformationen, die alle

wichtig für das Führen von Geschäften sind. Febis, die European Federation of Business

21

Untersuchung über Informationsquellen des öffentlichen Sektors in Europa - Measuring European Public Sector

Information Resources, MEPSIR , Helm et. al., 6/2006.

http://ec.europa.eu/information_society/policy/psi/docs/pdfs/mepsir/final_report.pdf.

22

The commercial use of public information (CUPI) – Kommerzielle Verwendung von Informationen des öffentlichen Sektors,

OFT, 12/2006. http://www.opsi.gov.uk/advice/poi/oft-cupi.pdf.

23

EuroGeographics 2006 Report. Nicht veröffentlicht.

24

http://www.micus.de/pdf/Press_Release-GIW-study.pdf.

25

The European Online Information Market 2006, Report. IRN Research. May 2006.

26

GFII. L’information électronique professionnelle en France: Le marché en 2007 et les tendances.

27

Wolters Kluwer Ltd estimate. The Future of the Information Industry Conference. August 2006.

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Information Services, bewerteten 2007 den Wirtschaftsinformationsmarkt in Europa mit €1.5

Mrd.

28

Zugang zu und Weiterverwendung von meteorologischen Informationen sind unmittelbar von

Bedeutung für die Geschäfte privater Firmen, da viele Branchen, insbesondere die

Landwirtschaft, Verkehr, Tourismus und die Energiewirtschaft von wetterbezogenen

Ereignissen beeinflusst werden.

29

Temperaturschwankungen – auch wenn sie noch so

gering sind – können einen nachhaltigen Effekt auf das Betriebsergebnis bestimmter

Branchen haben. Die Gesamtgröße des europäischen Marktes für Wetter- und

klimatologische Dienste (einschließlich der Luftfahrt) wurde im Jahr 2006 auf ca. €530 Mio.

30

geschätzt.

Interessanterweise verwies die Kommission auch auf einen jüngsten Bericht von Cap

Gemini. Der Bericht mit dem Titel The Information Opportunity Report: Harnessing

information to enhance business performance,

31

bei dem die Informationen des öffentlichen

Sektors als wichtigen Teil angesehen werden können, stellte große Umsatzverluste aufgrund

einer mangelnden Ausschöpfung von Informationsgütern fest. Der Bericht kam

beispielsweise zu dem Ergebnis, dass eine “broken information culture”

32

innerhalb von

Unternehmen weit verbreitet ist und die Leistung um 29% senkt. In Großbritannien entspricht

dies jährlich €50 Milliarden verpasster Umsätze für den privaten Sektor und analog

Einsparungen bei Verwaltungskosten im öffentlichen Sektor in einer Größenordnung von €23

Milliarden. Wenn man von einer ähnlichen Situation in Deutschland ausgeht und die Zahlen

den entsprechenden Unterschieden zwischen dem Bruttoinlandsprodukt der beiden Ländern

anpasst, würde die Studie bedeuten, dass eine mangelhafte Nutzung der

Informationsressourcen in Deutschland zu einem jährlichen Umsatzverlust im privaten Sektor

von €65 Milliarden und €29 Milliarden zusätzlichen Verwaltungskosten im öffentlichen Sektor

führen könnte.

Dennoch verdeutlichen obige Zahlen, wie real und weitreichend die Auswirkungen und der

Wert von Informationen des öffentlichen Sektors sind und sie bestätigen gleichzeitig das

Wachstumspotential dieser Märkte. Diese Wachstumstrends bestätigten sich in der von der

Kommission beauftragten Bewertung der Weiterverwendung von Informationen des

öffentlichen Sektors. Diese Bewertung hob gleichzeitig die praktischen Probleme hervor, die

eine Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors behindern, wie z.B.

mangelnde Informationen über verfügbare Informationen des öffentlichen Sektors. In

anderen Fällen können sich öffentliche Stellen nicht für die Grundidee einer wirtschaftlichen

Weiterverwendung ihrer Informationen erwärmen oder sie erkennen ihr Wirtschaftspotential

28

http://www.febis.org / Siehe „Business information“.

29

Laut U.S. Department of Energy, ca. 25% des BIP eines Landes.

30

Towards a stronger European market in applied meteorology. Dr R. E. W. Pettifer. Meteorological Applications. Volume 15,

Issue 2, pp. 305-312.

31

http://www.uk.capgemini.com/for_you_to_use/thought_leadership/the_information_opportunity_report_2008/ .

32

Die Formulierung „broken information culture“ wurde in der begleitenden Pressemitteilung verwendet. Siehe „Failure to

exploit information loses UK economy £67 billion a year”, Capgemini Pressemitteilung vom 3. März 2008 zugänglich unter

http://www.uk.capgemini.com/news/pr/pr1605.

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nicht. Sowohl bei der Ausschöpfung der Informationsgüter wie auch im Hinblick auf die

Überwindung der praktischen Probleme, die eine Informationsweiterverwendung verhindern,

sind Informationsmanagementkenntnisse und Erfahrung gefragt.

3.2. Vorteile für die Gesellschaft und das Gemeinwohl

Das Commission Staff Working Paper sprach auch deutlich eine Wachstumsbranche an, die

bislang etwas verborgen war. Einige Kommentatoren verwiesen auf diese Branche als den

“dritten Weg“ (“Third Way”). Interessenten hier sind private Einzelpersonen oder

Wohltätigkeitsorganisationen, die Informationen des öffentlichen Sektors auf den ersten Blick

für nichtkommerzielle Zwecke weiterverwenden, die jedoch einen kollektiven Vorteil für die

Gesellschaft insgesamt bringen. Der kollektive Vorteil lässt sich in einen direkten

wirtschaftlichen Vorteil umsetzen. Wenn beispielsweise eine Website wie FixMyStreet

33

bewirkt, dass ca. 8.000 gemeldete Probleme, wie zum Beispiel Schlaglöcher, repariert

werden, bedeutet dies eine Kostenreduzierung für kommunale Dienste und Krankenhäuser

sowie in Bezug auf Produktionsausfälle aufgrund von Krankheit und Verletzungen.

34

Ein weiteres Beispiel sind Einzelpersonen, die die Tools sozialer Netzwerke voll

ausschöpfen, wie z.B. von Nutzern erstellte Inhalte, Wikis, Mashups und Blogs, um Inhalte

von verschiedenen Quellen (einschließlich Informationen des öffentlichen Sektors) zu

kombinieren und Web 2.0 Anwendungen produzieren. Die Web-basierte Gemeinschaft

Netmums.com hat 350.000 Nutzer und bietet Informationen über Erziehung von Kindern,

35

weitere Beispiele sind Theyworkforyou.com, Chicagocrime.org oder Planningalerts.com.

Solche Anwendungen haben einen nachweislichen sozialen Vorteil und Wert für das

Gemeinwohl. Ein anderes Beispiel ist die Website über Subventionen für

Landwirtschaftsbetriebe,

36

auf der man nachverfolgen kann, wie die Fördergelder der EU für

die Landwirtschaft (EU Common Agricultural Policy - CAP) ausgegeben werden.

Das rasche Wachstum dieser Art von aufkommenden Aktivitäten zeigen erste Möglichkeiten

eines Wirtschaftswachstums, bei dem die breite Verfügbarkeit öffentlicher Daten für die

Weiterverwendung eine wichtige Rolle im Hinblick auf den geschäftlichen Erfolg von Web 2.0

Anwendungen spielt.

37

Die oben hervorgehobenen Beispiele, die im Commission Staff Working Paper näher

besprochen werden, haben gewaltig zugenommen und sind in ihren entsprechenden

Märkten inzwischen zu etablierten Marktführern geworden. Informationen des öffentlichen

Sektors stellen bei diesen Beispielen ein wertvolles Rohmaterial dar, das von den Beteiligten

weiterverwendet wurde, um Informationsprodukte und Dienstleistungen mit einem Mehrwert

33

http://www.fixmystreet.com

34

Public Sector Intangible Assets – unlocking the potential, Theme 2: Adding value to intangible assets: The need to consider

a broader view of the benefits to society and the economy. Präsentation von Michael Fanning, oci GmbH vor der UK

Intellectual Property Office, NESTA, 14. Januar 2009 in London.

35

http://www.communities.gov.uk/documents/communities/pdf/886123.pdf

36

http://farmsubsidy.org

37

http://ipts.jrc.ec.europa.eu/publications/pub.cfm?id=1565

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zu versehen. Informationen des öffentlichen Sektors haben sich in diesem digitalen Zeitalter

als Treiber für Innovation und Wachstum gezeigt und könnten wesentlich dazu beitragen, die

“Growth and Jobs Strategy”,

38

einer revidierten Fassung des Lissabonprogramms,

umzusetzen.

4. VORTEILE DER INFORMATIONSWEITERVERWENDUNG FÜR IPs

Die Informationsgesellschaft und Wissenswirtschaft entwickeln sich mit rasanter

Geschwindigkeit. Organisationen sowohl aus der Wirtschaft wie auch dem öffentlichen

Sektor erkennen inzwischen die Notwendigkeit, die Macht und den Wert von Information,

Wissen und Know-how in den Griff zu bekommen.

Führende Köpfe sowohl im privaten wie öffentlichen Sektor handeln daher nach der

Voraussetzung, dass Informations- und Wissensmanagement inzwischen von der Rolle als

reines Back Office weg müssen und eine Schlüsselfunktion in Unternehmen einnehmen

sollten, die eine entscheidende und maßgebliche Rolle bei der strategischen Planung,

Geschäftsentwicklung, Compliance und Risikomanagement spielt. Für die Mehrheit der

Organisationen ist ein Verständnis ihrer Geschäfte in informationeller Hinsicht immer noch

ein unerforschtes Terrain. Auch nur die Belange zu erforschen und die Probleme zu

artikulieren ist problematisch.

Trotzdem haben Information Professionals schwer zu kämpfen, um mit dem dynamischen

Voranschreiten der Informationstechnologie, dem Informationsmanagement und dessen

Auswirkungen auf die Organisationen, mithalten zu können.

39

Der scheinbar zum

Gebrauchsgut gewordene Zugang zu Informationen und deren Bereitstellung bedrohen ihren

Status innerhalb ihrer Organisationen. Sie finden sich immer mehr in der Defensive und

müssen Bedrohungen von verwandten Berufssparten oder Zuständigkeiten abwehren,

während sie nur schwer ihren Wert innerhalb der Organisation, für die sie arbeiten, erklären

und demonstrieren können.

Jedoch wächst eine “broken information culture” nicht von selbst wieder zusammen. Wer

wird diese Entwicklung vorantreiben? Am besten platziert sind diejenigen, die Information

verstehen und wissen, wie Informationen in die Prozesse der Entscheidungsfindung und

letztendlich in das Erreichen der organisatorischen Ziele eingepasst werden können. Da

Information eine Rolle auf allen Ebenen spielt, Risiko, Compliance und Geschäftschancen,

können Information Professionals am besten eine systematische und komplementäre

Informationskultur aufbauen, die verifizierbare Produktivitätssteigerungen nachweist. Wie

oben demonstriert wurde, ist die Ausschöpfung von Informationen des öffentlichen Sektors

ein dynamischer, viel versprechender Bereich, in dem der Wert von Informationen

offensichtlich ist und daher ein Forum für Information Professionals bietet, ihren Wert für die

38

http://ec.europa.eu/growthandjobs/pdf/COM2005_024_en.pdf

39

Für eine Darstellung der Problematik, siehe “The Road Ahead - Proposal regarding a Strategic Direction for Information

Professionals in the 21st Century” von Michael Fanning, oci GmbH, Diskussionspapier, Januar 2009, Seite 3.

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Organisation aufzuzeigen, einen Wert, der sich in harter Währung ausdrückt als

Kostenersparnis oder ein Beitrag dazu oder als Gewinn.

40

5. VORTEILE DER INFORMATIONSWEITERVERWENDUNG FÜR IPs: BEISPIELE

Die vorangegangenen Kapitel haben den Markt für die Weiterverwendung von Informationen

des öffentlichen Sektors beschrieben und sich für eine größere Einbringung der IPs in der

Umsetzung dieser Märkte ausgesprochen. Das folgende Kapitel will ein paar konkrete

praktische Beispiele anführen, wie dies realisiert werden kann.

Die besprochenen Beispiele sind einzelne Fälle für die Wirtschaft, Verwaltung und

Wissenschaft und sollen nur als Indikatoren und Denkanstöße dienen. Trotz des oft

wiederholten Gebrauchs von Ausdrücken wie “Informationsgesellschaft” oder

“Wissenswirtschaft” oder “digitales Zeitalter” usw. gibt es verhältnismäßig wenig Literatur

über die Rolle von Informationen im Hinblick auf den Erfolg einer Organisation. Dies trifft

(überraschend) zu, wenn es sich bei den Organisationen um Unternehmen handelt.

Wenn man die Komplexität von Geschäftsaktivitäten und anderer Aktivitäten bedenkt,

41

die

von gutem Informationsmanagement abhängig sind, empfiehlt sich ein systematischerer

Ansatz, um die Rolle zu bestimmen, die Informationen und deren Management in drei für die

Leitung und den Erfolg einer Organisation wesentlichen Bereichen spielen. Dies sind:

Riskoanalyse

Compliance

Geschäftsentwicklung

In den folgenden Abschnitten werden Beispielszenarien für die drei Bereiche: Wirtschaft,

öffentlicher Sektor und Bildung mittels der “Troika“ Risikoanalyse, Compliance und

Geschäftsentwicklung beschrieben. Der Grund dafür liegt darin, dass unter dem komplexen

Thema der Informationsweiterverwendung viele Bestandteile von Risikoanalyse, Compliance

und Geschäftsentwickelt in gegenseitiger Wechselbeziehung zueinander stehen.

Ein Anreiz für den öffentlichen Sektor beispielsweise, das Thema der

Informationsweiterverwendung einzubeziehen, könnte darin bestehen, dass es ihm eine

Gelegenheit zur Einschränkung des Risikos für die eigene Organisation gibt.

42

Wo jedoch

öffentliche Stellen ihre Compliance gegenüber der Gesetzgebung einsetzen, um aktiv ihre

Informationen gut zu verwalten, erhöhen sie automatisch die Optionen im Hinblick auf die

40

Siehe Fn. 37, Seite 6.

41

Siehe „Informationskompetenz: ein (neues) Leitbild für betriebliche Informationstellen?“ von Marianne Ingold, in Leitbild

Informationskompetenz, 27. Online-Tagung der DGI, Proceedings, Frankfurt am Main, 23. bis 25 Mai 2005, Seite 18.

42

Zur Rolle des Risikomanagements in Bezug auf Informationen als Treiber für das behördeninterne Informations-

management siehe als Beispiel: “The role of Information Asset Registers” by John Sheridan, Office of Public Sector

Information, UK, September 2008.

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Geschäftsentwicklung für die Organisationen, die diese Informationen weiterverwenden

wollen.

5.1. Beispiel aus der Wirtschaft

Das erste Beispiel ist aus der Sicht eines Information Professional (IP) in einer großen

Anwaltskanzlei oder auch in einem Finanzinstitut. Das Beispiel beinhaltet die

Berücksichtigung von Informationen des öffentlichen Sektors zum Zweck der

Geschäftsentwicklung. Während in der Vergangenheit die meisten juristischen Verlage

überwiegend die einheimische Rechtsprechung abgedeckt haben, waren es große

Anwaltskanzleien, die als eine der ersten Organisationen paneuropäische

Rechtsinformationsprodukte entwickelt haben.

43

Unter diesem Gesichtspunkt könnten IPs in

Kanzleien und Banken gegebenenfalls Informationsquellen des öffentlichen Sektors

berücksichtigen, die aktuell von der Europäischen Kommission selbst herausgegeben

wurden, wie das EUR-Lex Webportal und die EU Translation Memories.

EUR-Lex Webportal:

44

Das EUR-Lex Webportal bietet direkten Zugang zu EU-Recht. Das

System ermöglicht die Abfrage des Amtsblatt der Europäischen Union, die EU-Verträge,

Gesetzgebung, Rechtsprechung und Gesetzentwürfe. Es bietet darüber hinaus ausführliche

Suchmöglichkeiten. Das Portal wird vom Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union

verwaltet. Der Zugang zur Website ist völlig kostenfrei und nicht von irgendwelchen

Konditionen abhängig. Eine Reproduktion für persönliche Zwecke oder für eine

nichtkommerzielle Verbreitung an Endnutzer ist autorisiert unter der Voraussetzung, dass ein

Quellennachweis angefügt wird. Ein Herunterladen zu kommerziellen Weiter-

verbreitungszwecken unterliegt den Konditionen, die im Urheberschutzvermerk auf der EUR-

Lex Website aufgeführt sind. Die Übermittlung von Dateien (z.B. im XML Format), und zwar

für die Weiterverwendung und kommerziellen Weiterverbreitung ist abhängig von einer

gebührenpflichtigen Lizenzvereinbarung, die im Auftrag der Europäischen Gemeinschaft

durch das Amt für Veröffentlichungen abgeschlossen wird.

Die Trefferquote auf das EUR-Lex Portal hat kontinuierlich zugenommen, von ca. 678.700

Treffern im Jahr 2007 auf 929.000 täglichen Seitenaufrufen 2008, das ist eine

Wachstumsrate von 37%. Das jährliche Datenvolumen, das ins Portal gestellt wird, bleibt

konstant; 13.265 neue Dokumenteneinheiten wurden 2008 ins Portal gestellt (in

verschiedenen Sprachen), 2007 waren es im Vergleich 14.666. Das jährliche Volumen von

Daten, die vom Portal heruntergeladen wurden, nimmt zu: im Jahr 2008 waren es 330

Millionen Dokumente im Vergleich zu 310 Millionen Dokumenten im Jahr 2007 (7%

Wachstum). Die Anzahl gebührenpflichtiger Lizenzen blieb konstant. (22 im Jahr 2008

gegenüber 23 im Vorjahr 2007).

43

Beispiele hier sind die Linklaters Online Services, deren bekanntester Service die “Blue Flag” Serie ist, siehe:

http://www.linklaters.com/OnlineServices/Pages/Index.aspx oder OUT-LAW.COM von Pinsent Masons

http://www.pinsentmasons.com/Default.aspx?page=351 und auch die Online Services von Allen & Overy

http://www.allenovery.com/AOWEB/OnlineServices/OnlineServicesHome.aspx?contentTypeID=8&prefLangID=410

44

Commission Staff Working Paper (Siehe Fn. 1), Seite 24.

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EU Translation Memories:

45

Im November 2007 stellte die Generaldirektion für

Übersetzungen der Europäischen Kommission, in Kooperation mit dem Gemeinsamen

Forschungszentrum (Joint Research Centre - JRC), der Öffentlichkeit einen mehrsprachigen

Übersetzungsdatenspeicher für die Acquis Communautaire (EU Gesetzeskörper) zur

Verfügung. Dabei handelt es sich um eine Sammlung paralleler Texte (Texte und deren

Übersetzung, auch als Bi-Texte bezeichnet) in 22 Sprachen und 432 möglichen

Sprachkombinationen.

Ein Übersetzungsspeicher ist eine Sammlung kleiner Textsegmente und deren Übersetzung.

Übersetzungsspeicher werden zur Unterstützung von Übersetzern genutzt, um

sicherzustellen, dass Texteile, die bereits übersetzt worden sind nicht nochmals übersetzt

werden müssen. Sowohl die Übersetzungsspeicher als auch die parallelen Texte sind eine

wichtige linguistische Quelle, die zu vielerlei Zwecken genutzt werden kann, wie z.B.: dem

Training automatischer Systeme für statistische Maschinenübersetzungen oder zur

Erstellung einsprachiger oder mehrsprachiger lexikalischer und semantischer Quellen wie

Wörterbücher und Ontologien. Wenn man die äußerst fachspezifische Art von juristischen

Übersetzungen berücksichtigt, stellen diese Übersetzungsspeicher eine wichtige und

verbindliche Quelle von Rechtswissen dar.

5.2. Beispiel aus der Verwaltung

Dieses Beispiel ist aus der Sicht einer Person, die für das Informationsmanagement

innerhalb des öffentlichen Sektors zuständig ist. In diesem Fall betrachtet man Informationen

des öffentlichen Sektors im Hinblick auf Compliance mit den Gesetzesvorschriften. Jedoch

könnte dieses Beispiel auch dem Bereich der Risikoanalyse zugeordnet werden – und

langfristig sogar als eine Art „Geschäftsentwicklung“ im Sinne, dass die Behörde effektiver

ihre Ziele erfüllen kann.

Artikel 9 der EU-Richtlinie 2003/98/EG über die Weiterverwendung von Informationen des

öffentlichen Sektors schreibt vor, dass Mitgliedstaaten praktische Vorkehrungen treffen, um

sicherzustellen, dass ihre Informationsgüter der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Das BMWi hat eine Liste von Informationsgütern herausgegeben

46

und einige Behörden in

anderen Bereichen sind sogar einen Schritt weiter gegangen. Beispielsweise ist PortalU

47

das Umweltportal Deutschland. PortalU wird gemeinsam vom Bund und den Ländern

betrieben. Derzeit stellen über 200 Behörden und Organisationen ihre Umweltinformationen

über PortalU bereit. Das Portal bietet einen zentralen Zugriff auf über 2 Millionen

Internetseiten und über 500.000 Datenbankeinträge von öffentlichen Institutionen und

Organisationen.

45

Commission Staff Working Paper (Siehe Fn. 1), Seite 24.

46

Siehe Fn. 14 und auf der Webseite die Option „Weiterführende Informationen“.

47

http://www.portalu.de

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Um diese Veröffentlichungspflichten erfüllen zu können, wird vorausgesetzt, dass die

Behörde sich im Klaren darüber ist, welche Informationen sie hält und wo sie sie finden kann.

In der Tat ist die Behörde verpflichtet, bei einer Anfrage nach Informationen, die unter die

Informationszugangsrechte fallen wie das Informationsfreiheitsgesetz (IFG), den

Antragsteller darüber zu informieren, wer die korrekte Behörde für seine Anfrage ist. Das

heißt, die Behörde muss nicht nur wissen, welche Informationen sie selbst hat, sondern auch

welche Informationen andere Behörden haben. Ob es um Informationsmanagement,

Wissensermittlung, Schriftgutverwaltung oder die Durchführung von Informationsprüfungen

(information audits) geht, es gibt in diesem Fall immer viele Aufgaben für Information

Professionals. Viele Rollen, die verlangen, dass Information Professionals die Führung

übernehmen und ihrer Behörde helfen, ihre eigenen Informationsgüter zu verstehen und sie

in einer Art und Weise zu verwalten, dass sie nicht nur die Vorschriften erfüllt und

Haftungsrisiken reduziert, sondern auch effizient diese Ressourcen verwaltet, damit die

Behörde ihre öffentliche Aufgabe besser erfüllen kann.

Es ist keinesfalls ein Zufall, dass die Auflage, IFG-Gesetzgebung in Großbritannien und

Irland umzusetzen, zu einer steigenden Zahl an Informationsprüfungen führte, die von

Behörden durchgeführt wurden. Eine der beiden Verhaltensregeln (Codes of Practice), auf

die in der britischen Freedom of Information Act 2000

48

Bezug genommen wird, bezieht sich

ausdrücklich auf die Schriftgutverwaltung.

49

In Deutschland haben sowohl das Bundesministerium des Innern (BMI) und der

Bundesdbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Behörden dazu

angehalten, proaktiv Informationen ins Internet zu stellen.

50

51

Dies setzt natürlich voraus,

dass die Behörde ein detailliertes und auf den aktuellen Stand gebrachtes Wissen über die

von ihr gehaltenen Informationen besitzt, die öffentlich zugänglich gemacht werden können

und zu welchen Konditionen dies geschehen soll.

48

http://www.opsi.gov.uk/Acts/acts2000/ukpga_20000036_en_1

49

Die Constitution Unit der University of London (UCL) hat zahlreiche Studien zur Auswirkung der FOIA 2000 auf das

Parlament sowie auf die zentrale und lokale öffentliche Verwaltung durchgeführt. In allen Studien seit 2005 über die lokale

öffentliche Verwaltung wurden immer verbesserte Schriftgutverwaltungspraktiken („ improved records management

practices“) von den Behörden als eine der drei positivsten Aspekte der FOI-Umsetzung angesehen. Siehe “FOIA 2000 and

local government in 2007: The experience of local authorities in England – Third Year Report September 2008” unter

http://www.ucl.ac.uk/constitution-unit/foidp/publications/ . Für eine kritische Bewertung der Auswirkungen der UK Freedom

of Information Act 2000 auf das Informationsmanagement und insbesondere auf die Schriftgutverwaltung im öffentlichen

Sektor, siehe: “Managing The Crowd: rethinking records management for the web 2.0 world“, Steve Bailey, Facet

Publishing, London 2008, insbesondere die Seiten 55-57. Für einen Eindruck über die Auswirkungen der FOIA 2000 auf

Organisationen im Bildungssektor siehe: „Assessing the Impact of the Freedom of Information Act on the FE and HE

Sectors“, Steve Bailey, Ariadne, Issue 42, January 2005, abrufbar unter http://www.ariadne.ac.uk/issue42/bailey/. Ein

Überblick über die ersten Statistiken zur Umsetzung des Informationsfreiheitsgesetzes in Großbritannien auf Deutsch wird

im IFG-Rundbrief 3/2006, Seite 2 gegeben.

50

http://www.bmi.bund.de/cae/servlet/contentblob/151502/publicationFile/9191/Anwendungshinweise_BMI_zum_IFG.pdf

51

http://www.bfdi.bund.de/cae/servlet/contentblob/412046/publicationFile/25375/AnwendungshinweiseBehoerdenDown.pdf

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5.3. Beispiel aus der Wissenschaft

Das dritte Beispiel ist aus der Perspektive einer Person, die für das Informations-

management innerhalb einer wissenschaftlichen Einrichtung und insbesondere für das aus

Forschung- und Entwicklungsaktivitäten abgeleitete Informationsmanagement zuständig ist.

Das Beispiel betrachtet Informationen des öffentlichen Sektors unter dem Gesichtspunkt des

Risikomanagements, könnte aber gleichermaßen wie oben auch als Beispiel für Compliance

und wiederum langfristig als „Geschäftsentwicklung“ im Sinne einer effektiveren Erfüllung

ihrer Ziele durch die Institution interpretiert werden.

Wissenschaftliche Informationen werden nicht durch die EU-Weiterverwendungsrichtlinie

abgedeckt. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss empfahl deren

Miteinbeziehung,

52

dies wurde aber in der Endphase des Gesetzentwurfs abgelehnt. In

jüngerer Zeit hat die Organisation for Economic Co-operation and Develeopment (OECD)

jedoch für eine Einbeziehung wissenschaftlicher Daten in die Diskussion um Informationen

des öffentlichen Sektors plädiert.

53

In den folgenden EU-Diskussionen zu diesem Thema

betont die Kommission ausdrücklich, dass wissenschaftliche Daten gleichermaßen wie

Ausbildungs- und Kulturinformationen in die Diskussionen über Informationen des

öffentlichen Sektors miteinbezogen werden sollten.

54

Dennoch bleiben wissenschaftliche Informationen eine wichtige Kategorie bei den

Informationen des öffentlichen Sektors, da sehr häufig Forschungsprojekte von öffentlicher

Hand subventioniert sind und von Universitäten oder Forschungszentren des öffentlichen

Sektors durchgeführt werden. Die Wissenschaftswelt hat ein gut etabliertes System für die

Verbreitung und Ausschöpfung von Forschungserkenntnissen und -ergebnissen. In der

Forschungsgemeinde herrscht überwiegend die Meinung, dass von öffentlicher Hand

subventionierte Forschung einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden sollte,

damit sie von allen genutzt werden kann, und somit ihr Potential maximal ausschöpft. Diese

Ansicht schlägt sich auch in der Kommissionsmitteilung über Wissenschaftliche

Informationen im digitalen Zeitalter (Scientific information in the digital age)

55

nieder.

Gleichzeitig sind Universitätskliniken Hauptzentren medizinischer Forschung und als solche

Hersteller wertvoller wissenschaftlicher Informationen. Ihre Aktivitäten werden überwiegend

aus öffentlichen Mitteln finanziert. Da aber Forschung und Entwicklung im medizinischen

und Gesundheitssektor ein Geschäft ist, das viele Ressourcen benötigt, kommt es immer

52

Stellungnahme des Europäische Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des

Europäischen Parlaments und des Rates über die Weiterverwendung und kommerzielle Verwertung von Dokumenten des

öffentlichen Sektors“, (KOM (2002) 207 endgültig), ABl. C 85 vom 8.4.2003.

53

OECD Recommendation of the Council for enhanced access and more effective use of public sector information. Entwickelt

vom “OECD Committee for Information, Computer and Communication Policy (ICCP Committee)”, und insbesondere von

deren “Working party on the Information Economy”. Die “Recommendation” wurde vom OECD Council auf seiner 1172.

Sitzung am 30. April 2008 übernommen. http://www.oecd.org/dataoecd/0/27/40826024.pdf

54

Siehe Seite 30 des ICT PSP Work Programme 2009. Das Work Programme definiert: “the priorities for calls for proposals,

calls for tender and other supporting actions to be launched in 2009 as part of the EU Information and Communication

Technologies (ICT) Policy Support Programme (ICT PSP)”.

55

http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:52007DC0056:EN:NOT

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häufiger vor, dass Universitätskliniken ermutigt werden – und durch Gesetzesänderungen

auch das Recht erhalten – Partnerschaften mit Dritten zu suchen, insbesondere mit

pharmazeutischen Unternehmen.

56

In dem Bestreben, öffentlich-private Partnerschaften zwischen Universitätsforschungs-

kliniken, die von öffentlicher Hand finanziert werden und privat finanzierten

pharmazeutischen Unternehmen zu fördern, wächst die Sorge, dass vertragliche

Verpflichtungen zwischen den beiden Organisationen dazu führen, dass ein Zugang zu

Forschungsdaten, die weitgehend mit öffentlichen Geldern finanziert werden, verweigert

wird. Der Zugang zu solchen Daten wird auf der Grundlage verweigert, dass es sich dabei

um Firmen- oder Geschäftsgeheimnisse handelt.

Hier gibt es seine Rolle für Informationsspezialisten, eine Gesamtverantwortung für das

Informationsmanagement innerhalb einer solchen Organisation zu übernehmen und eine

Informationspolitik der Institution zu erstellen, umzusetzen und zu beobachten, die von der

Institutionsleitung genehmigt werden kann. Eine solche Informationspolitik muss

systematisch sein, alle Voraussetzungen und Verpflichtungen der Beteiligten verstehen und

fähig sein, die Vor- und Nachteile unterschiedlicher Optionen der Informationsausschöpfung

auszuwerten und darüber hinaus zukünftige rechtliche Barrieren im Hinblick auf den Zugang

und die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors in einer digitalen

Umgebung vorauszusehen, um Vorschläge zu deren Überwindung machen zu können.

6. SCHLUSSBEMERKUNG

Obwohl in den drei oben besprochenen Beispielen unterschiedliche Fachkenntnisse

erforderlich sind, wie z.B.: Informations- und Wissensmanagement, Geschäftsentwicklung,

Kenntnisse über das rechtliche Umfeld, Vertrautheit mit IT, usw., ist der Mittelpunkt, um den

sich alle drehen eine gründliche Kompetenz im Umgang mit Informationen. Information

Professionals sind gut beraten, die Chancen, die sich durch die Weiterverwendung von

Informationen des öffentlichen Sektors bieten, auszuschöpfen.

Durch eine Positionierung als die Fachkräfte mit der besten Qualifikation, wenn es um das

Verständnis im Hinblick auf die Auswirkungen der Informationsweiterverwendung auf die

Organisation, für die sie tätig sind, geht; werden sie in die Lage versetzt, ihren eigenen Wert

besser zu erklären und aufzuzeigen.

Schließlich sind sie hierfür am besten qualifiziert, denn um das Bewusstsein für die

Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors zu schärfen, benötigt man

nicht nur Erfahrung und Können in den Bereichen Informationsmanagement und

Wissenstransfer, sondern vor allem eine verstärkte Aktivität in professionellen Netzwerken

und Verbänden.

56

Ein konkretes Beispiel ist die Kölner Uniklinik, die im Auftrag der Bayer AG forscht. Siehe: “Im Auftrag der

Pharmaindustrie“, taz.de vom 08.01. 2009. http://www.taz.de/1/zukunft/wissen/artikel/1/im-auftrag-der-pharmaindustrie/