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1.3. Organisationsmodelle In der Praxis und in Lehrbüchern begegnen einem zahlreiche Strukturabbildungen, Organigramme und Stellenpläne. All diese Abbilder sind Modelle von Organisation, also wie eine Organisation strukturiert ist und funktioniert. Der formelle Bauplan der Organisation und die dazugehörige personelle Besetzung spiegelt sich im Organigramm einer Abteilung bspw. wieder. Auf einer komplexeren Ebene lassen sich auch länderübergreifende Abteilungs- und Zuständigkeitsstrukturen abbilden und miteinander in Verbindung bringen. Die wichtigsten werden hier kurz vorgestellt. Als Berater ist es wichtig, solche Strukturen zu erkennen, um mögliche Redundanzen oder Zusammenhänge frühzeitig zu erkennen und Menschen mit Stellen in Verbindung zu bringen. Die formellen Zusammenhänge spiegeln häufig eine offizielle Darstellung, bedeuten aber keinesfalls ein tatsächliches Funktionieren der Personen miteinander. Deshalb spielt die Beachtung der informellen Struktur eine mindestens ebenso wichtige Rolle. 1.3.1. Aufbau- und Ablauforganisation Zunächst einmal braucht eine Organisation einen Aufbau, bevor Prozesse laufen können. Dieser Aufbau gleicht dem biologischen Körper mit seinen Organen. Bevor das Blut die Organe versorgen kann und durch den Kreislauf gepumpt wird, müssen zunächst einmal Organe vorhanden sein, die versorgt werden können. Sind nun die jeweiligen Zuständigkeiten bspw. durch Abteilungen strukturiert, geht man nun an die Verteilung der Aufgaben, an die Abläufe. Es ist nun klar, wer für welche Aufgabe zuständig ist, jetzt wird ein Prozesskreislauf möglich, Informationen und Daten können nun in Abläufen durch den „Blutkreislauf“ fließen. Ähnlich wie die betriebliche Produktionswirtschaft das Hineingeben von Rohstoffen und dispositivem Faktor in das Unternehmen kennt (Input), durchlaufen nun die Rohstoffe Maschinen und Prozesse (Through-Put) und produzieren einen Output, ein Ergebnis. Gleiches gilt für die Organisation und den menschlichen Körper, bis in die mikroskopisch kleinsten Zelleinheiten. Das Wissen, die Informationen müssen bis in die letzten Ecken und Versorgungseinheiten des Unternehmens dringen, um gute Leistung zu ermöglichen. Diese Beispiele stellen das grundlegende Denken eines Beraters vor, wie ein Organismus, eine Organisation überhaupt funktioniert. Hat er das erkannt, fällt es ihm leichter, Barrieren, „Krankheiten“ oder Unwegsamkeiten lokal oder systemisch zu orten und zu registrieren. Von lokalen Problemen spricht man dann, wenn wirklich eindeutig nur ein abteilungsinternes, lokal registrierbares Problem besteht, das keinerlei Auswirkungen auf andere Abteilungen hat. Von systemischen Problemen spricht man dann, wenn das ganze System erkrankt ist und sich die Krankheitserreger bereits im ganzen Körper symptomhaft erkennen lassen, bspw. eine mangelhafte Kooperationskultur. In der weiteren beraterischen Interventionsarbeit gilt es nun, hinter die Fassaden zu sehen. Jeder Berater ist zunächst versucht, direkt an den Symptomen zu arbeiten, um sie zu beseitigen, übersieht dabei aber die darunter liegenden Systeme und Vernetzungen, die das Symptom hervorgebracht haben. In der systemischen Familientherapie wäre es bspw. ein verhaltensauffälliges Kind als Symptomträger, im Unternehmen evtl. ein sehr schwieriger Mitarbeiter. Zu schnell versuchen Berater nun, am individuellen Träger zu „reparieren“ und übersehen die sozialen Bezüge und Verhaltensmuster der anderen Beteiligten nicht. In der systemischen Arbeit werden solche größeren Bezüge mitgedacht und auch mitbearbeitet, um systemische Lösungen zu generieren. 1.3.2. Linien-Organisation mit/ohne Stab In der Linien- oder auch funktionalen Organisation werden „klassische“ Abteilungen gebildet, die ihre Funktionen für den Gesamtbetrieb des Unternehmens, der Organisation erfüllen: Die Personalabteilung verwaltet und entwickelt Personal, die Marketingabteilung erstelle Marketingkonzepte und bringt das Produkt auf den Markt (Distribution), die

Vorlesung 1.3. Organisationsmodelle

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Page 1: Vorlesung 1.3. Organisationsmodelle

1.3. Organisationsmodelle

In der Praxis und in Lehrbüchern begegnen einem zahlreiche Strukturabbildungen, Organigramme und Stellenpläne. All diese Abbilder sind Modelle von Organisation, also wie eine Organisation strukturiert ist und funktioniert. Der formelle Bauplan der Organisation und die dazugehörige personelle Besetzung spiegelt sich im Organigramm einer Abteilung bspw. wieder. Auf einer komplexeren Ebene lassen sich auch länderübergreifende Abteilungs- und Zuständigkeitsstrukturen abbilden und miteinander in Verbindung bringen. Die wichtigsten werden hier kurz vorgestellt. Als Berater ist es wichtig, solche Strukturen zu erkennen, um mögliche Redundanzen oder Zusammenhänge frühzeitig zu erkennen und Menschen mit Stellen in Verbindung zu bringen. Die formellen Zusammenhänge spiegeln häufig eine offizielle Darstellung, bedeuten aber keinesfalls ein tatsächliches Funktionieren der Personen miteinander. Deshalb spielt die Beachtung der informellen Struktur eine mindestens ebenso wichtige Rolle. 1.3.1. Aufbau- und Ablauforganisation

Zunächst einmal braucht eine Organisation einen Aufbau, bevor Prozesse laufen können. Dieser Aufbau gleicht dem biologischen Körper mit seinen Organen. Bevor das Blut die Organe versorgen kann und durch den Kreislauf gepumpt wird, müssen zunächst einmal Organe vorhanden sein, die versorgt werden können. Sind nun die jeweiligen Zuständigkeiten bspw. durch Abteilungen strukturiert, geht man nun an die Verteilung der Aufgaben, an die Abläufe. Es ist nun klar, wer für welche Aufgabe zuständig ist, jetzt wird ein Prozesskreislauf möglich, Informationen und Daten können nun in Abläufen durch den „Blutkreislauf“ fließen. Ähnlich wie die betriebliche Produktionswirtschaft das Hineingeben von Rohstoffen und dispositivem Faktor in das Unternehmen kennt (Input), durchlaufen nun die Rohstoffe Maschinen und Prozesse (Through-Put) und produzieren einen Output, ein Ergebnis. Gleiches gilt für die Organisation und den menschlichen Körper, bis in die mikroskopisch kleinsten Zelleinheiten. Das Wissen, die Informationen müssen bis in die letzten Ecken und Versorgungseinheiten des Unternehmens dringen, um gute Leistung zu ermöglichen. Diese Beispiele stellen das grundlegende Denken eines Beraters vor, wie ein Organismus, eine Organisation überhaupt funktioniert. Hat er das erkannt, fällt es ihm leichter, Barrieren, „Krankheiten“ oder Unwegsamkeiten lokal oder systemisch zu orten und zu registrieren. Von lokalen Problemen spricht man dann, wenn wirklich eindeutig nur ein abteilungsinternes, lokal registrierbares Problem besteht, das keinerlei Auswirkungen auf andere Abteilungen hat. Von systemischen Problemen spricht man dann, wenn das ganze System erkrankt ist und sich die Krankheitserreger bereits im ganzen Körper symptomhaft erkennen lassen, bspw. eine mangelhafte Kooperationskultur. In der weiteren beraterischen Interventionsarbeit gilt es nun, hinter die Fassaden zu sehen. Jeder Berater ist zunächst versucht, direkt an den Symptomen zu arbeiten, um sie zu beseitigen, übersieht dabei aber die darunter liegenden Systeme und Vernetzungen, die das Symptom hervorgebracht haben. In der systemischen Familientherapie wäre es bspw. ein verhaltensauffälliges Kind als Symptomträger, im Unternehmen evtl. ein sehr schwieriger Mitarbeiter. Zu schnell versuchen Berater nun, am individuellen Träger zu „reparieren“ und übersehen die sozialen Bezüge und Verhaltensmuster der anderen Beteiligten nicht. In der systemischen Arbeit werden solche größeren Bezüge mitgedacht und auch mitbearbeitet, um systemische Lösungen zu generieren. 1.3.2. Linien-Organisation mit/ohne Stab

In der Linien- oder auch funktionalen Organisation werden „klassische“ Abteilungen gebildet, die ihre Funktionen für den Gesamtbetrieb des Unternehmens, der Organisation erfüllen: Die Personalabteilung verwaltet und entwickelt Personal, die Marketingabteilung erstelle Marketingkonzepte und bringt das Produkt auf den Markt (Distribution), die

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Buchhaltungsabteilung sorgt für eine steuerrechtlich konforme Verbuchung der Einnahmen und Ausgaben, die Produktionsabteilung produziert Produkte oder Dienstleistungen. So hat jede Abteilung eine spezifische Organisation, die sich darunter beliebig weiter organisieren kann. Jede Abteilung hat ihren jeweiligen Zweck. Linien-Organisationen heißt diese Form deshalb, weil sich die „Abteilungskästchen“ durch Linien verbinden lassen und darunter durch Linien weiter darstellen lassen. Das Bild ist deshalb „linientreu“, funktioniert von oben nach unten. Ein Stab ist nun eine beratende Angliederung an eine Linie. Der Stab oder die Stabsabteilung hat keine disziplinarische Funktion, d.h. führt kein Personal und darf anderen Abteilungen keine Aufgaben vorschreiben. Ein Stab ist beliebig im Organigramm ansiedelbar, sowohl direkt an der Geschäftsführung, aber auch als beratender Stab bei der Marketingabteilung oder einer anderen Abteilung. Solche Abteilungen machen nur dann Sinn, wenn der herkömmliche Betrieb am Laufen gehalten werden soll, allerdings eine strategische Vordenker-Arbeit notwendig ist. Das Management der Abteilung kann dann auf die Vordenker-Arbeit der Stäbe zugreifen und den Stab auch als Reflektor für bisheriges Management nutzen. 1.3.3. Divisionale Struktur

Bei der divisionalen Struktur wird nicht nach Funktionen (Marketing, Buchhaltung, Produktion, etc.) unterteilt, sondern nach Sparten oder Divisionen. Die divisionale oder auch Sparten-Organisation orientiert sich hier an den Produkten oder Dienstleistungen, die erbracht werden. In einem Automobilzulieferer bspw. könnten die Sparten folgendermaßen organisiert und strukturiert sein: Wischblätter, Scheibenheber, Motorenteile, Anhängerkupplungen. Unter diesen Abteilungen kann es nun noch Unterabteilungen geben, bspw. Forschung und Entwicklung (FuE), Produktion und Verkauf. Damit hat dann jede Sparte eine eigene Unterstruktur. Sinnvoll ist dieses Vorgehen, wenn dadurch den speziellen „Needs“ der Abteilungen Rechnung getragen werden kann und eine Organisation durch eine Zentrale Abteilungsstruktur komplizierter ist, als die Angliederung direkt an die zu beliefernde Abteilung. Die Spartenorganisation teilt sich darüber hinaus meist noch Zentralfunktionen wie Personal, Buchhaltung, etc., wenn sie sich logistisch nicht schon unter die Sparte sortiert haben. Wenn Zentralabteilungen gebildet werden, greifen alle Sparten auf deren Dienste zurück. Modern spricht man von „shared services“, die andere Abteilungen nun mit Informationen oder Materiellem beliefern. Die EDV oder IT eines Betriebes wäre ein weiteres Beispiel für einen shared service, da alle Abteilungen notwendigerweise auf diese Dienste zurückgreifen müssen, aber nicht notwendig eine Repräsentanz vor Ort in der Abteilungsstruktur brauchen. 1.3.4. Matrixorganisation

Bei der Matrixorganisation werden nun die funktionale Organisation und die divisionale Organisation übereinandergelegt, was thematisch bereits Konflikte vorprogrammiert. Es bilden sich nun Managementfunktionen für die Beschaffung, Produktion, Absatz, FuE, ebenso für die einzelnen Sparten, für die nun spezielle Produktmanager verantwortlich zeichnen. Durch die Übereinanderlegung erzeugt man nun Spannungen, da unterschiedliche Interessen an einem Tisch gemeinsame, dem Unternehmen zieldienliche Lösungen gefunden werden müssen. An einem Tisch sitzen nun bspw. der Manager für die Produktsparte Anhängerkupplungen dem Manager für Beschaffung/Einkauf gegenüber. Beide vertreten auf grund ihrer Funktion und Sparte unterschiedliche Interessen. Anstelle der Sparten könnten genauso gut Kundengruppen (Großkunden/Key accounts, Mittelständler und Kleinstunternehmen) stehen, ebenso wie Zielgruppen (Unternehmer, Selbständige, Angestellte, Arbeitslose) oder auch Regionen (Süddeutschland, Norddeutschland, etc.). Diese Strukturen sind theoretisch beliebig zu durchdenken und zu variieren. Entscheidend ist, dass

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die Logik zum Markt und zum Unternehmen passt und langfristig auch trägt. Die externe Komplexität des Marktes fordert das Unternehmen eine ebenso komplexe Struktur auszubilden, um mit den Anforderungen der Realität umgehen zu können. 1.3.5. Tensororganisation

Bei der Tensororganisation wird es nun noch komplexer. Neben die bisher schon bekannte Form der funktionalen Abteilungen und den Sparten wird eine dritte Struktur eingezogen, bspw. Regionalmanager für bestimmte Regionen (bspw. Nordamerika, Südamerika, Europa, Asien, Afrika und Australien). So sitzen nun drei Manager an einem Tisch: Der Einkäufer, der Kupplungsmanager und der Australienverantwortliche. Wie unübersichtlich und hochkomplex sich solche Strukturen ausbilden und auch dazu führen können, dass die kybernetischen Kreisläufe redundant sind oder nicht mehr funktionieren, lässt sich leicht logisch schließen. An dieser Stelle mag der Komplexitätsgrad genügen. Die nächsthöhere Stufe wäre eine Hybridorganisation oder eine Mehr-Matrix-Organisation. 1.3.6. Linking-Pin-Modell

Reduzieren wir die Komplexität wieder und beschränken uns auf einfachere Modelle, wie das Linking-Pin-Modell. Die einzelnen Personen des Systems werden als Pins bezeichnet. Als „Stecknadeln“ sind sie verortet und fungieren nun mit anderen anderen Pins aus dem System zusammen. Sie treffen sich mit Pins auf der vertikalen Ebene zusammen, besprechen mit horizontalten Pins Ergebnisse aus den anderen Besprechungen, kommunizieren mit nächstniedrigeren Pins, nach oben und zur Seite. Auf diese Weise wird das Unternehmen top-down und buttom-up mit Informationen versorgt, das „Wissensblut“ gelangt in dieser biologischen-medizinischen Metapher in die entlegensten Stellen; das Blut zirkuliert: Der Organismus lebt. 1.3.7. Broker-Modell der strategischen Allianzen

Beim Broker-Modell bilden sich strategische Allianzen. Strategisch vorteilhaft ist die Zusammenarbeit mit juristisch eigenständigen und voneinander rechtlich unabhängigen Unternehmen dann, wenn gemeinsam Markt-, Produktions-, Absatz- und andere Ziele wie Kostenvorteile und Größenmengenvorteile beim Einkauf realisiert werden können. Solche Symbiosen halten sich solange, bis die Vorteile für den Gesamtorganismus funktionieren und von einem Broker als zentraler Vermittlungsagent aufrechterhalten werden. Sind die Vorteile nicht mehr existent, löst sich dieser Verbund wieder auf und bildet neue Allianzen, die vielversprechender sind. Der jeweils eigene Vorteil ist in diesem Modell Voraussetzung für eine attraktive Zusammenarbeit und einem gegenseitigem Nutzen. Die Symbiose muss sich rechnen. Das Zusammenleben (Sym=zusammen, bios=leben) muss das eigenen Überleben garantieren, dann bleiben solche Netzwerke bestehen. 1.3.8. Der Palast und das Zelt

In der Literatur findet sich oft auch eine Unterscheidung in Palastorganisation und Zeltorganisation. Was damit ausgedrückt werden soll, ist deren Beweglichkeit. Ein Palast lässt sich nicht so schnell andernorts wieder abbauen. Er ist immobil und deshalb sehr schwerfällig. Ein Zelt, in dem auch nur wenige Personen Platz haben, lässt sich bequem, leicht und schnell wieder abbauen und andernorts ebenso wieder aufbauen. Angespielt wird in dieser Methapher auf die jeweiligen Vorteile: Eine Palastorganisation hat mehr Finanzvolumen, größeren Absatz, mehr Humanressourcen, Einkaufsvorteile (economy of scale), etc. Eine Zeltorganisation hingegen ist wendiger, schneller, dafür aber weniger kapitalintensiv und mächtig. In der Praxis findet sich bei Palästen oft auch ein Wintergarten, der zwar nicht so schnell abgebaut werden kann, aber dem Zelt doch nahe kommt. Manche Zelte finden sich auch im Garten des Palastes, die über die Palastgrenze auch hinausgehen

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und Neuland erschließen und im Palast selbst finden sich viele Zeltstrukturen, die intern doch etwas bewegen, aber den Koloss der Palastorganisation an sich von außen gesehen nicht berühren. Es gilt also, in der Beratung genau hinzusehen, wo solche aufgeblähten Strukturen zu finden sind, ob sie Sinn machen, funktionieren oder durch alternative Strukturen abgelöst und vereinbart werden können.