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Allmachtsfantasien und göttliche Ohnmacht Theater | Aufführungen mit vielfältiger Urner Beteiligung in der alten Zementfabrik in Brunnen Urner als Engel, Musiker, Plakatgestalter und Regie- assistenten: Sie alle wirken bei «Big Bang – ein Spekta- kel» in Brunnen mit. Spe- ziell an der Aufführung ist auch der Ort. «‹Big Bang› ist ein einmaliges Thea- terereignis, da muss man einfach da- bei sein.» So erklärt Corinne Gnos, Primarlehrerin aus Erstfeld, warum sie einen Teil ihrer Ferien in der Hal- le 6 der ehemaligen Zementfabrik in Brunnen verbringt. Sie ist eine der 40 Laienschauspielerinnen und -schau- spieler und probt zusammen mit fünf weiteren Urnerinnen und Urnern für die Premiere am 23. August. Corinne Gnos findet, es sei eine einmalige He- rausforderung, in der 100 Meter lan- gen Zement-Kathedrale zu spielen. Sie spielt einen sogenannten «Haupt- Engel», sie gehört in luftiger Höhe zum Hofstaat von Gottvater, Maria, Jesus und Petrus. Damit sie in der grossen Halle sichtbar wird, ist sie, was das Kostüm betrifft, eine aufge- donnerte Engelin. Auch ihre Engels- kolleginnen, die angehende Sozial- arbeiterin Mirjam Gisler und Duygu Cil kommen aus Altdorf. Ihnen ge- fällt, dass bei dem Riesenspektakel al- le Sparten zum Zug kommen, Thea- ter, Video, Tanz und Gesang. Zwei der Laienschauspielerinnen sind im Jugendtheater in Altdorf erstmals auf der Bühne gestanden. Aus der Urner Theaterszene kommt auch Sepp Zieg- ler. Der ehemalige Lehrer war schon bei den Tellspielen und bei Momänt & Co. dabei. Er ist als Engel, Klon und Cern-Mitarbeiter auf der Ze- mentbühne. Carlo Gamma, Saxofo- nist und Berufsmusiker aus Altdorf, gehört zur Livemusik in einem impro- visierten Orchestergraben. Ein weite- rer Urner, Matteo Schenardi, arbeitet als Regieassistent. Er ist Leiter des Kollegitheaters. Sein Bruder, Luca Schenardi, hat das Plakat für die Auf- führung gestaltet. Gott holt den Teufel zu Hilfe «Big Bang – ein Spektakel» von Annet- te Windlin und Gisela Widmer handelt von menschlichen Allmachts-fantasien und göttlicher Ohnmacht. Die Men- schen klonen das Schaf Dolly und ihre eigene Rasse und proben im Cern den Urknall. Weil ihm der Mensch in die Schöpfung pfuscht, ist Gott frustriert und holt den Teufel zu Hilfe. Zementfabrik als Bühne Gespielt wird in der «Zementi», in der bis 2008 in einem Rundofen Kalk auf 1450 Grad Celsius erhitzt und zu Ze- ment gebrannt wurde. Die Fabrik beim Bahnhof Brunnen lieferte einst Zement für den Bau der Gotthard- bahn. Erfolgreich wurde die Firma ab 1882, als sie Zementsäcke statt mit Pferdefuhrwerken mit der Gotthard- bahn zu den Kunden bringen konnte. Das Areal der Fabrik an der Muota ist zehn Fussballfelder gross. Bis im Jah- re 2030 soll dort ein neues Wohn- und Arbeitsquartier entstehen. Das Big- Bang-Spektakel spielt im Rahmen einer Zwischennutzung auf dem Areal. (e) Das Spektakel «Big Bang» wird vom 23. Au- gust bis am 12. Oktober in der alten Zement- fabrik in Brunnen aufgeführt. Tickets gibts im Vorverkauf unter www.BigBangBrunnen.ch oder bei Brunnen Tourismus (Telefon 041 825 00 40). Beim Theaterspektakel «Big Bang» in Brunnen wirken Urner in verschiedensten Funktionen mit: Carlo Gamma, Musiker, Matteo Schenardi, Regieassistent, Corinne Gnos und Mirjam Gisler als Engel und Sepp Ziegler als Engel, Klon und Cern- Mitarbeiter. FOTO: GEORG ANDERHUB BUCHTIPPS Zwischen Bitterkeit und Munterkeit Man muss noch nicht einmal eine besondere Affinität zur deutschen Kulturelite in den vergangenen Jahrzehnten haben, um von diesen Aufzeichnungen begeistert zu sein. Der 1931 geborene Fritz J. Raddatz ist so etwas wie das enfant terrible der Intellektuellen Deutschlands. Und ein Nestbeschmutzer erster Güte. Schonungs- und tabulos pro- tokolliert er seine Kontakte mit Günther Grass und vielen weiteren Grössen des deutschen Kulturbe- triebes und schont sich selber dabei nicht. Die Raddatz zur Verfügung stehenden sprachlichen Formulie- rungen zwischen Bitterkeit und Munterkeit nehmen ein für dieses entlarvende Pamphlet. – Fritz J. Raddatz: Tagebücher – Jahre 1982– 2001, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg, 2012, 941 Seiten, 21.90 Franken. (bgz) Zungen aus Stein Mit 30 Jahren nahm sich die ame- rikanische Schriftstellerin Sylvia Plath (1932–1963) das Leben. Sie schrieb Gedichte, den berühmten Roman «Die Glasglocke» und Er- zählungen mit Kindheitserinnerun- gen, über den ersten Flirt oder von Erlebnissen aus einer Nervenheil- anstalt. Sie betreibt gekonnt die psychologische Analyse des ameri- kanischen Lebens in Vergangenheit und Gegenwart. Wer den Wunsch hat, einmal wieder richtig gute Er- zählungen zu lesen, sollte nach die- sem Buch greifen. Sylvia Plath, Zungen aus Stein, Erzählungen. Frankfurter Verlagsanstalt, Frank- furt am Main, Neuauflage 2012, 266 Seiten, 21.90 Franken (bgz) 12 | KULTUR Urner Wochenblatt | 137. Jahrgang | Nr. 62 | Samstag, 10. August 2013

0418250040). «Dummer August» im Rudenzpark Flüelen · August, von 17.00 bis 22.00 Uhr, finden im Rudenzpark in Flüelen die Musikdarbie-tungen der bekannten Speedy-Band statt

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Page 1: 0418250040). «Dummer August» im Rudenzpark Flüelen · August, von 17.00 bis 22.00 Uhr, finden im Rudenzpark in Flüelen die Musikdarbie-tungen der bekannten Speedy-Band statt

«Dummer August» im Rudenzpark FlüelenFlüelen | Am Freitag, 16. August, sorgt die Speedy-Band für heitere Stimmung

Am Freitagnachmittag, 16. August, von 17.00 bis 22.00 Uhr, finden im Rudenzpark in Flüelen die Musikdarbie-tungen der bekannten Speedy-Band statt.

Der dumme August ist als Zirkus-clown der warmherzige, tölpelhafte Gehilfe des besserwisserischen Weiss-clowns. Die Figur geht, wie der Name August und noch so vieles, auf die An-tike zurück. Der Anlass vom 16. Au-gust im Rudenzpark Flüelen findet wohl im Erntemonat statt, hat jedoch nichts mit Clownerie zu tun. Der Mo-nat August wurde im Jahre 8 vor Christus nach dem römischen Kaiser Augustus benannt, da er in diesem Monat sein erstes Konsulat angetre-ten hatte. Der musikalische Event

vom kommenden Freitag hat nichts mit den Vornamen der Bandmusiker zu tun. Sie hören nämlich auf die Na-men Franz, Poldi, Mäx, Heinz und Michi. Nichts mit August! Schliesslich sei auch noch erwähnt, dass die Spee-dy-Band ihren Namen von der Trick-filmfigur Speedy Gonzales, «der schnellsten Maus von Mexiko», hat. Zweifellos wird diese Formation ab dem frühen Freitagnachmittag für heitere Stimmung sorgen und den Be-weis dafür liefern, dass es sich auch auf dem Kies des Rudenzparks tanzen lässt. Die Musikdarbietungen dauern von 17.00 bis 22.00 Uhr. Anschlies-send wird der Anlass im Rudenzkel-ler fortgesetzt. Es besteht eine Fest-wirtschaft mit Grillstand. (rog)

Bei zweifelhafter Witterung gibt die Webseite www.diavoli.ch Auskunft über die Durchfüh-rung des Anlasses.

Die Speedy-Band spielt im Rudenzpark auf: (vorne, von links) Michi Stadler (Gitarre), Rothenburg; Mäx Schuler (Gesang), Flüelen; Heinz Ziegler (Bass), Flüelen; (hinten, von links) Franz Bär (Orgel), Altdorf; Poldi Mauri (Schlagzeug), Flüelen. FOTO: ZVG

Allmachtsfantasien und göttliche OhnmachtTheater | Aufführungen mit vielfältiger Urner Beteiligung in der alten Zementfabrik in Brunnen

Urner als Engel, Musiker, Plakatgestalter und Regie-assistenten: Sie alle wirken bei «Big Bang – ein Spekta-kel» in Brunnen mit. Spe-ziell an der Aufführung ist auch der Ort. «‹Big Bang› ist ein einmaliges Thea-terereignis, da muss man einfach da-bei sein.» So erklärt Corinne Gnos, Primarlehrerin aus Erstfeld, warum sie einen Teil ihrer Ferien in der Hal-le 6 der ehemaligen Zementfabrik in Brunnen verbringt. Sie ist eine der 40 Laienschauspielerinnen und -schau-spieler und probt zusammen mit fünf weiteren Urnerinnen und Urnern für die Premiere am 23. August. Corinne Gnos findet, es sei eine einmalige He-rausforderung, in der 100 Meter lan-gen Zement-Kathedrale zu spielen. Sie spielt einen sogenannten «Haupt-Engel», sie gehört in luftiger Höhe zum Hofstaat von Gottvater, Maria, Jesus und Petrus. Damit sie in der grossen Halle sichtbar wird, ist sie, was das Kostüm betrifft, eine aufge-donnerte Engelin. Auch ihre Engels-kolleginnen, die angehende Sozial-arbeiterin Mirjam Gisler und Duygu Cil kommen aus Altdorf. Ihnen ge-fällt, dass bei dem Riesenspektakel al-le Sparten zum Zug kommen, Thea-ter, Video, Tanz und Gesang. Zwei der Laienschauspielerinnen sind im Jugendtheater in Altdorf erstmals auf der Bühne gestanden. Aus der Urner Theaterszene kommt auch Sepp Zieg-ler. Der ehemalige Lehrer war schon bei den Tellspielen und bei Momänt & Co. dabei. Er ist als Engel, Klon und Cern-Mitarbeiter auf der Ze-

mentbühne. Carlo Gamma, Saxofo-nist und Berufsmusiker aus Altdorf, gehört zur Livemusik in einem impro-visierten Orchestergraben. Ein weite-rer Urner, Matteo Schenardi, arbeitet als Regieassistent. Er ist Leiter des Kollegitheaters. Sein Bruder, Luca Schenardi, hat das Plakat für die Auf-führung gestaltet.

Gott holt den Teufel zu Hilfe«Big Bang – ein Spektakel» von Annet-te Windlin und Gisela Widmer handelt von menschlichen Allmachts-fantasien und göttlicher Ohnmacht. Die Men-

schen klonen das Schaf Dolly und ihre eigene Rasse und proben im Cern den Urknall. Weil ihm der Mensch in die Schöpfung pfuscht, ist Gott frustriert und holt den Teufel zu Hilfe.

Zementfabrik als BühneGespielt wird in der «Zementi», in der bis 2008 in einem Rundofen Kalk auf 1450 Grad Celsius erhitzt und zu Ze-ment gebrannt wurde. Die Fabrik beim Bahnhof Brunnen lieferte einst Zement für den Bau der Gotthard-bahn. Erfolgreich wurde die Firma ab 1882, als sie Zementsäcke statt mit

Pferdefuhrwerken mit der Gotthard-bahn zu den Kunden bringen konnte. Das Areal der Fabrik an der Muota ist zehn Fussballfelder gross. Bis im Jah-re 2030 soll dort ein neues Wohn- und Arbeitsquartier entstehen. Das Big-Bang-Spektakel spielt im Rahmen einer Zwischennutzung auf dem Areal. (e)

Das Spektakel «Big Bang» wird vom 23. Au-gust bis am 12. Oktober in der alten Zement-fabrik in Brunnen aufgeführt. Tickets gibts im Vorverkauf unter www.BigBangBrunnen.ch oder bei Brunnen Tourismus (Telefon 041 825 00 40).

Beim Theaterspektakel «Big Bang» in Brunnen wirken Urner in verschiedensten Funktionen mit: Carlo Gamma, Musiker, Matteo Schenardi, Regieassistent, Corinne Gnos und Mirjam Gisler als Engel und Sepp Ziegler als Engel, Klon und Cern-Mitarbeiter. FOTO: GEORG ANDERHUB

Schauspieler sind von ihren Rollen begeistertAltdorf | «My Fair Lady» feiert am 6. September Premiere

Nach den Sommerferien wurden die Proben für «My Fair Lady» wieder aufge-nommen. Noch gilt es, ein paar Hürden zu bewältigen.

Die Probenarbeiten im Theater(uri) seien auf der riesigen Bühne ohne Ku-lissen gar nicht so einfach, wie Beppi Imhof von der Theaterbühne Bürglen meinte. Er spielt normalerweise in Bürglen auf einer wesentlich kleineren Spielfläche, es sei aber sehr interes-sant, einmal in einer solchen Umge-bung mit neuen Leuten zu spielen. Beppi Imhof hat eine ihm angepasste Rolle erhalten. Noch sind einige Hür-den zu meistern, bis alles so läuft, wie es die Regisseurin, Franziska Dahin-den, gerne hätte. Da die «Alpentöne»

bevorstehen, kann die Bühne nicht mit Kulissen ausgestattet werden. Dies ma-che die Sache etwas schwieriger, mein-ten die Akteure. Für die musikalische Unterstützung war Peter Berchtold, Giswil, mit seiner Handorgel im Ein-satz. Bei den Aufführungen wird er mit der gesamten «Obwaldner Huismui-sig» präsent sein. Die Umbesetzung des «Doolittle» mit Markus Ziegler ist vollauf geglückt. Er freut sich auf sei-ne Aufgabe und hofft, dass er die Freu-de bei den Aufführungen aufs Publi-kum übertragen kann. Keine leichte Aufgabe hat Madlen Arnold als Eliza, muss sie doch jeweils von der Alp Met-tenen herunterkommen. Ihre Begeiste-rungsfähigkeit für die Rolle war aber bei den ersten Proben schon spürbar. Die Premiere von «My Fair Lady» fin-det am 6. September statt. (ku)

Auch die Chorproben zu «My Fair Lady» sind in vollem Gange. FOTOS: ROBI KUSTER

Madlen Arnold als Eliza ist schon ganz in ihrem Element.

BUCHTIPPS

Zwischen Bitterkeit und MunterkeitMan muss noch nicht einmal eine besondere Affinität zur deutschen Kulturelite in den vergangenen Jahrzehnten haben, um von diesen Aufzeichnungen begeistert zu sein. Der 1931 geborene Fritz J. Raddatz ist so etwas wie das enfant terrible der Intellektuellen Deutschlands. Und ein Nestbeschmutzer erster Güte. Schonungs- und tabulos pro-tokolliert er seine Kontakte mit Günther Grass und vielen weiteren Grössen des deutschen Kulturbe-triebes und schont sich selber dabei nicht. Die Raddatz zur Verfügung stehenden sprachlichen Formulie-rungen zwischen Bitterkeit und Munterkeit nehmen ein für dieses entlarvende Pamphlet. – Fritz J. Raddatz: Tagebücher – Jahre 1982–2001, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg, 2012, 941 Seiten, 21.90 Franken. (bgz)

Zungen aus SteinMit 30 Jahren nahm sich die ame-rikanische Schriftstellerin Sylvia Plath (1932–1963) das Leben. Sie schrieb Gedichte, den berühmten Roman «Die Glasglocke» und Er-zählungen mit Kindheitserinnerun-gen, über den ersten Flirt oder von Erlebnissen aus einer Nervenheil-anstalt. Sie betreibt gekonnt die psychologische Analyse des ameri-kanischen Lebens in Vergangenheit und Gegenwart. Wer den Wunsch hat, einmal wieder richtig gute Er-zählungen zu lesen, sollte nach die-sem Buch greifen. Sylvia Plath, Zungen aus Stein, Erzählungen. Frankfurter Verlagsanstalt, Frank-furt am Main, Neuauflage 2012, 266 Seiten, 21.90 Franken (bgz)

Teure Blumen von Martin SuterEin Dahliengemälde von Henri Fantin-Latour, einige Millionen wert, wurde entwendet. Die stein-reiche alte Dame, der es gehörte, Dalia Gutbauer, hat ein auffallend emotionales Verhältnis zu diesem Bild. Johann Friedrich von Allmen soll es wiederbeschaffen – um je-den Preis. Fall Nummer drei des notorisch klammen Kunstfahnders führt ihn und Carlos in das Laby-rinth eines heruntergekommenen Luxushotels. Und damit in die Welt der Reichen und Schönen – um-schwirrt von all denen, die auch dazugehören wollen. Martin Suter legt mit «Allmen und die Dahlien» die Fortsetzung der Allmen-Serie vor. Der Schweizer Autor bietet ein spannendes, mit viel Witz erzähl-tes Abenteuer. Und einen unerwar-teten Schluss. (UW)Martin Suter: Allmen und die Dahlien. Dio-genes Verlag, Zürich, 2013. 184 Seiten.

12 | KULTUR Urner Wochenblatt | 137. Jahrgang | Nr. 62 | Samstag, 10. August 2013