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1 Grundzɒge der Toxikologie Hans Marquardt, Siegfried G. SchȨfer und Holger Barth ZunȨchst sollen hier einige Aufgaben, Entwicklun- gen und Begriffe in der Toxikologie skizziert wer- den. Danach werden einige gesellschaftliche Aspek- te der Toxikologie aufgegriffen. Die Fremdstoffe, denen der Mensch ausgesetzt ist, lassen sich unter- scheiden in Stoffe, die sowohl eine heilende als auch eine toxische Komponente besitzen (Arznei- stoffe), Substanzen, die keine heilende Wirkung ha- ben, bzw. NȨhrstoffe sind. Den beiden ersten Grup- pen bleibt gemeinsam, dass sich ihre ToxizitȨt im Allgemeinen in AbhȨngigkeit von der Dosis entwi- ckelt. Eine Ausnahme kçnnten hier die genotoxi- schen Kanzerogen sein. Die Vielfalt der Anwen- dung oder der Exposition von potenziell toxischen Fremdstoffen fɒhrt dazu, dass sich Wissenschaftler in zum Teil entfernten Disziplinen mit ganz unter- schiedlichen Aspekten der Toxikologie beschȨfti- gen, was die Toxikologie zu einer sehr breit gefȨ- cherten Wissenschaft macht. Die Konsequenz ist, dass es zahlreiche Spezialisten in unterschiedlichen Fachbereichen gibt, wie Lebensmitteltoxikologie, Gewerbetoxikologie, Umwelttoxikologie oder klini- sche Toxikologie. Die Toxikologie teilt sich prinzipiell in zwei gro- ße Teilgebiete auf, die experimentelle Toxikologie erarbeitet Ergebnisse, die einerseits lediglich de- skriptiv sind, andererseits zum VerstȨndnis der Me- chanismen der ToxizitȨt beitragen. Daher finden Studien aus toxikologischen Laboratorien der che- mischen Industrie ebenso Eingang in diese Wissen- schaft wie BeitrȨge aus der Biochemie, Physiologie, Pharmakologie, Zellbiologie oder der pharmazeuti- schen Forschung. Die regulatorische Toxikologie bewertet dagegen die erhobenen Befunde in Bezug auf das potenzielle Risiko fɒr den Menschen. Hier- zu wurde in den letzten Dekaden nicht nur eine Vielzahl von Standarduntersuchungen etabliert, sondern auch eine hohe DatenqualitȨt und -sicher- heit durch die Einfɒhrung und Ƞberwachung der so genannten GLP-(Good Laboratory Practice-)Richt- linien fɒr toxikologische Studien aufgrund der ICH- Richtlinien (International Committee of Harmoni- zation) erreicht (Tab. 1.1). Die Standardisierung und Dokumentation der Untersuchungsverfahren sowie der verwendeten TierstȨmme, Zelllinien oder BakterienstȨmme ist unverzichtbar fɒr die Ver- gleichbarkeit der Daten und die daraus resultierende Bewertung der Ergebnisse. Damit hat die Toxikologie die Aufgabe, Risiken abzuschȨtzen und den Sicherheitsrahmen zu defi- nieren. Das Risiko reprȨsentiert die Wahrschein- lichkeit, mit der eine Substanz einen Schaden verur- sachen kann. Die Sicherheit verhȨlt sich reziprok zum Risiko, das heißt, sie entspricht der Wahr- scheinlichkeit, mit der unter definierten Bedingun- gen kein oder ein akzeptables Risiko zu erwarten ist. Was in diesem Zusammenhang ein akzeptables Risiko ist, ist von Fall zu Fall zu entscheiden. Selbst eine extrem toxische Substanz kann daher weniger gefȨhrlich sein, wenn sie unter kontrollier- ten Bedingungen gehandhabt wird, als ein geringfɒ- gig toxischer Fremdstoff, der unkontrolliert freige- setzt oder aufgenommen wird. Die Inkorporation wird bestimmt von dem Aufnahmepfad, der Matrix, mit der der Fremdstoff aufgenommen wird, den chemischen Eigenschaften und von der Dosis. Die Toxikokinetik schafft die Voraussetzungen, die Bioverfɒgbarkeit, die Verteilung in eventuelle Zielorgane, den Metabolismus und die Elimina- tionskinetik zu beschreiben und zu beurteilen. Bei genauerer Betrachtung dieses Fachgebietes wird sehr schnell deutlich, dass die Meinung „Toxikolo- gie ist die Pharmakologie hoher Dosen“ nicht nur nicht zutrifft, sondern wesentliche Aspekte der To- xikologie unberɒcksichtigt lȨsst. Vielmehr existie- ren eine Vielzahl von Fragestellungen und Metho- den, z. B. die der Mutagenese oder Kanzerogenese, die im Allgemeinen ohne pharmakologische Rele- vanz sind. Sie sind vielmehr im Vorfeld der Prɒfung von Arzneimitteln oder Chemikalien von Bedeu- tung. Aus dem Metabolismus der Fremdstoffe las- sen sich teilweise auch die Mechanismen der Toxi- zitȨt ableiten. Beispiele hierfɒr sind die Hepatotoxi- zitȨt von Paracetamol oder die porphyrinogene Wir- kung von Blei. Die Wirkung einer Substanz wird neben der Do- sis auch von der Dauer und der HȨufigkeit der Ex- position bestimmt. In der Toxikologie unterscheidet man deshalb vier Kategorien: akute, subakute, sub- chronische und chronische Expositionen. Akute Ex- 1

1 Grundzge der Toxikologie - wissenschaftliche … · 2016. 11. 7. · Pharmakologie, Zellbiologie oder der pharmazeuti-schen Forschung. ... „So viele Gifte wer-den benutzt, um

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  • 1 Grundz�ge der Toxikologie

    Hans Marquardt, Siegfried G. Sch�fer und Holger Barth

    Zun�chst sollen hier einige Aufgaben, Entwicklun-gen und Begriffe in der Toxikologie skizziert wer-den. Danach werden einige gesellschaftliche Aspek-te der Toxikologie aufgegriffen. Die Fremdstoffe,denen der Mensch ausgesetzt ist, lassen sich unter-scheiden in Stoffe, die sowohl eine heilende alsauch eine toxische Komponente besitzen (Arznei-stoffe), Substanzen, die keine heilende Wirkung ha-ben, bzw. N�hrstoffe sind. Den beiden ersten Grup-pen bleibt gemeinsam, dass sich ihre Toxizit�t imAllgemeinen in Abh�ngigkeit von der Dosis entwi-ckelt. Eine Ausnahme kçnnten hier die genotoxi-schen Kanzerogen sein. Die Vielfalt der Anwen-dung oder der Exposition von potenziell toxischenFremdstoffen f�hrt dazu, dass sich Wissenschaftlerin zum Teil entfernten Disziplinen mit ganz unter-schiedlichen Aspekten der Toxikologie besch�fti-gen, was die Toxikologie zu einer sehr breit gef�-cherten Wissenschaft macht. Die Konsequenz ist,dass es zahlreiche Spezialisten in unterschiedlichenFachbereichen gibt, wie Lebensmitteltoxikologie,Gewerbetoxikologie, Umwelttoxikologie oder klini-sche Toxikologie.Die Toxikologie teilt sich prinzipiell in zwei gro-

    ße Teilgebiete auf, die experimentelle Toxikologieerarbeitet Ergebnisse, die einerseits lediglich de-skriptiv sind, andererseits zum Verst�ndnis der Me-chanismen der Toxizit�t beitragen. Daher findenStudien aus toxikologischen Laboratorien der che-mischen Industrie ebenso Eingang in diese Wissen-schaft wie Beitr�ge aus der Biochemie, Physiologie,Pharmakologie, Zellbiologie oder der pharmazeuti-schen Forschung. Die regulatorische Toxikologiebewertet dagegen die erhobenen Befunde in Bezugauf das potenzielle Risiko f�r den Menschen. Hier-zu wurde in den letzten Dekaden nicht nur eineVielzahl von Standarduntersuchungen etabliert,sondern auch eine hohe Datenqualit�t und -sicher-heit durch die Einf�hrung und �berwachung der sogenannten GLP-(Good Laboratory Practice-)Richt-linien f�r toxikologische Studien aufgrund der ICH-Richtlinien (International Committee of Harmoni-zation) erreicht (Tab. 1.1). Die Standardisierungund Dokumentation der Untersuchungsverfahrensowie der verwendeten Tierst�mme, Zelllinien oder

    Bakterienst�mme ist unverzichtbar f�r die Ver-gleichbarkeit der Daten und die daraus resultierendeBewertung der Ergebnisse.Damit hat die Toxikologie die Aufgabe, Risiken

    abzusch�tzen und den Sicherheitsrahmen zu defi-nieren. Das Risiko repr�sentiert die Wahrschein-lichkeit, mit der eine Substanz einen Schaden verur-sachen kann. Die Sicherheit verh�lt sich reziprokzum Risiko, das heißt, sie entspricht der Wahr-scheinlichkeit, mit der unter definierten Bedingun-gen kein oder ein akzeptables Risiko zu erwartenist. Was in diesem Zusammenhang ein akzeptablesRisiko ist, ist von Fall zu Fall zu entscheiden.Selbst eine extrem toxische Substanz kann daher

    weniger gef�hrlich sein, wenn sie unter kontrollier-ten Bedingungen gehandhabt wird, als ein geringf�-gig toxischer Fremdstoff, der unkontrolliert freige-setzt oder aufgenommen wird. Die Inkorporationwird bestimmt von dem Aufnahmepfad, der Matrix,mit der der Fremdstoff aufgenommen wird, denchemischen Eigenschaften und von der Dosis.Die Toxikokinetik schafft die Voraussetzungen,

    die Bioverf�gbarkeit, die Verteilung in eventuelleZielorgane, den Metabolismus und die Elimina-tionskinetik zu beschreiben und zu beurteilen. Beigenauerer Betrachtung dieses Fachgebietes wirdsehr schnell deutlich, dass die Meinung „Toxikolo-gie ist die Pharmakologie hoher Dosen“ nicht nurnicht zutrifft, sondern wesentliche Aspekte der To-xikologie unber�cksichtigt l�sst. Vielmehr existie-ren eine Vielzahl von Fragestellungen und Metho-den, z.B. die der Mutagenese oder Kanzerogenese,die im Allgemeinen ohne pharmakologische Rele-vanz sind. Sie sind vielmehr im Vorfeld der Pr�fungvon Arzneimitteln oder Chemikalien von Bedeu-tung. Aus dem Metabolismus der Fremdstoffe las-sen sich teilweise auch die Mechanismen der Toxi-zit�t ableiten. Beispiele hierf�r sind die Hepatotoxi-zit�t von Paracetamol oder die porphyrinogene Wir-kung von Blei.Die Wirkung einer Substanz wird neben der Do-

    sis auch von der Dauer und der H�ufigkeit der Ex-position bestimmt. In der Toxikologie unterscheidetman deshalb vier Kategorien: akute, subakute, sub-chronische und chronische Expositionen. Akute Ex-

    Grundz�ge der Toxikologie 1

  • position ist die einmalige Aufnahme eines Fremd-stoffes �ber weniger als 24 Stunden, unabh�ngigvom Aufnahmepfad. Die �brigen Expositionen be-schreiben eine wiederholte Gabe. Die subakute Ex-position entspricht der wiederholten Applikation biszu 28 Tagen. Die subchronische Exposition erfolgtzwischen einem und drei Monaten. Eine Applika-tion �ber drei Monate hinaus wird als chronischeExposition bezeichnet. Die toxischen Effekte nachakuter Gabe unterscheiden sich oft von der Sympto-matik nach wiederholter Gabe. Beispielsweise f�hrtakute Benzolaufnahme zu zentralnervçsen Wirkun-gen, w�hrend die wiederholte Aufnahme eine Leu-k�mie auslçsen kann. Die Symptomatik einer aku-ten Exposition kann jedoch auch verzçgert auftre-ten, sodass die Effekte eine Einzeldosis erst nachTagen beobachtet werden kçnnen, wie nach einerakuten Paracetamol-Intoxikation. Die Schwere ei-ner solchen Vergiftung kann daher anf�nglich leichtuntersch�tzt werden.Die wiederholte oder kontinuierliche Aufnahme

    kann jedoch auch zu Toleranz f�hren, das heißt zueiner reduzierten Wirkung aufgrund einer vorheri-gen Exposition mit derselben oder einer strukturver-wandten Substanz. Die Toleranz beruht auf zweiunterschiedlichen Mechanismen. Der eine beruhtdarauf, dass weniger toxische Substanz das Zielor-gan erreicht, z.B. nach Induktion des substanzspezi-fischen Metabolismus. Der zweite Grund kann einereduzierte Empfindlichkeit des Zielorgans sein.�ber die Ursachen hierf�r ist nur wenig bekannt.Toleranzen bilden sich zum einen bei einigen

    Arzneimitteln aus, aber auch bei toxischen Fremd-stoffen wie Tetrachlorkohlenstoff. Die wiederholteAufnahme von Tetrachlorkohlenstoff f�hrt zu einerverringerten Produktion von reaktiven Metabolitenwie dem Trichlormethyl-Radikal, das f�r die Hepa-totoxizit�t verantwortlich gemacht wird. Ein ande-res Beispiel ist die wiederholte Aufnahme von Cad-

    mium, das die Synthese von Cadmium-bindendemMetallothionein induziert und auf diese Weise diefreie Cadmiumkonzentration und somit die Cad-miumtoxizit�t reduziert.Eine andere wichtige Frage f�r die Beurteilung

    des toxischen Risikos ist die Frage nach der Rever-sibilit�t der Effekte. Beispielswiese f�hrt die Intoxi-kation durch Carbamate zu einer reversiblen Hem-mung der Acetylcholinesterase-Aktivit�t. Die Wir-kung kehrt daher nach wenigen Stunden zur�ck.Dagegen binden Alkylphosphate irreversibel andasselbe Enzym. Die Vergiftungssymptome sindsehr �hnlich, die Aktivit�t der Acetylcholinesterasekann jedoch grçßtenteils nur durch eine de novo-Synthese des Enzyms wieder hergestellt werden(Erythrozyten-Mauser). Die Vergiftungssymptoma-tik bleibt l�nger erhalten und die therapeutischenMaßnahmen bei einer Intoxikation unterscheidensich daher.Daneben kann die Interaktion von zwei oder

    mehr Fremdstoffen zu einer Verst�rkung oder Ab-schw�chung der Einzeleffekte f�hren. Eine additiveWirkung liegt dann vor, wenn die Symptome nachgleichzeitiger Gabe von zwei Substanzen der Sum-me der einzelnen Effekte entspricht (z.B. Aufnah-me von zwei verschiedenen Organophosphate). Ei-ne synergistische Wirkung ist gegeben, wenn dieSymptome nach simultaner Gabe von zwei Fremd-stoffen sehr viel grçßer sind, als die Summe derEinzelwirkungen erwarten ließe. Zum Beispiel istdie Hepatotoxizit�t von Tetrachlorkohlenstoff inGegenwart von Ethanol sehr viel grçßer, als man�ber eine Summation der Einzeleffekte absch�tzenw�rde. Unter der Potenzierung versteht man die Si-tuation, dass eine Substanz keine toxische Wirkungauf ein bestimmtes Organsystem hat, aber die Toxi-zit�t einer anderen Verbindung deutlich steigert.Beispielsweise ist Isopropanol nicht hepatotoxisch.Wird es jedoch zusammen mit Tetrachlorkohlen-

    2 Grundz�ge der Toxikologie

    Tab. 1.1: Internationale Anforderungen der regulatorischen Toxikologie in verschiedenen Anwendungsgebieten.

    Produktkategorie Kernstudien(akute und chronischeApplikation 1),Mutagenit�t 2))

    Spezielle Untersuchungen

    Repro-duktions-toxikologie

    Kanzero-genit�t

    Hautvert-r�glichkeit

    Immuno-toxikologie

    Neuro-toxikologie

    Toxiko-kinetik

    Arzneimittel (Mensch)Arzneimittel (Tier)PestizideChemikalienNahrungsmittelzus�tzeKosmetik

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    Zeichenerkl�rung:� Routineuntersuchung

    s Teilweise erforderlichd Selten gefordert

    1) Chronische Studien kçnnen bis zu einem Jahr ausgedehnt werden.2) Zwei oder mehr unabh�ngige Tests werden im Allgemeinen gefordert.

  • stoff appliziert, wird die Hepatotoxizit�t des letzt-eren ganz erheblich gesteigert. Die Interaktion zwi-schen einem toxischen Agens und einem so genann-ten Antidot wird dagegen therapeutisch genutzt.Dabei kann das Zustandekommen des „Antagonis-mus“ auf sehr verschiedenen Prinzipien beruhen.Wenn zwei Substanzen ihre Wirkungen durch ent-gegengesetzte Effekte an derselben physiologischenEinheit aufheben, spricht man von einem funktion-ellen Antagonismus. Beispielsweise werden Kon-vulsionen, die bei sehr vielen Vergiftungen beo-bachtet werden, durch die Gabe von Diazepam an-tagonisiert, ohne dass beide Substanzen, z.B. amselben Rezeptor, konkurrieren. Von einem chemi-schen Antagonismus (Inaktivierung) spricht man,wenn eine einfache chemische Reaktion zwischenzwei Substanzen zu einer weniger toxischen Ver-bindung f�hrt. Es ist bekannt, dass Dimercaprol(BAL) Chelate mit Arsen, Blei oder Quecksilberbildet. Dieser Metallkomplex entzieht einerseits dietoxischen Metalle den Zielorganen und bringt sieandererseits schneller zur Elimination. Die Bindungzweier Substanzen an demselben Rezeptor wird alsRezeptor-Antagonismus bezeichnet. Nach diesemPrinzip lassen sich die Morphinintoxikation mit Na-loxon oder die Benzodiazepin�berdosierung mitFlumazenil behandeln, da die Wirksubstanzen undAntidote um dieselben Bindungsstellen an den Re-zeptoren konkurrieren. Dabei muss sichergestelltsein, dass der Antagonist am jeweiligen Rezeptorkeine entsprechende pharmakodynamische Wir-kung aus�bt. Die Gabe von Atropin bei der Organo-phosphatintoxikation ist ein Beispiel daf�r, dass dasAntidot nicht mit dem Gift am Rezeptor konkur-riert, sondern vielmehr den Rezeptor f�r das nat�r-liche Agens, das Acetylcholin, blockiert, das in derIntoxikation akkumuliert.Neben einer Reihe neuer Werkstoffe und Sub-

    stanzen spielen in den letzten Jahren die sogenann-ten Nanopartikel eine zunehmende Rolle in ver-schiedensten Industriezweigen. Zudem werden Na-nopartikel in der çffentlichen Diskussion zum Teilskeptisch gesehen, ohne dass meist die Diversit�tder Substanzen wie der Formen von Nanopartikelnbekannt ist. Beispielsweise werden große Mengenvon „Carbon Black“ (Industrieruß) von der Reifen-industrie verwendet. Neben kohlenstoffhaltigen Na-nopartikeln werden sie synthetisch aus verschiede-nen Metalloxiden oder als Polymere hergestellt. Da-r�ber hinaus kçnnen sie in verschiedenen Formenverwendet werden, zum Beispiel als Nanorçhren.Sie finden zahlreiche unterschiedliche Anwendun-gen, wie in der Medizin, der Elektrotechnik alsHalbleiter oder in kosmetischen Produkten, ohne

    dass im Detail die Wirkung der verschiedenen Na-nopartikel auf den menschlichen Organismus ge-kl�rt ist. Daher wurde in dieser Auflage dieserneuen Substanzgruppe und -form besondere Auf-merksamkeit geschenkt.Seit einigen Jahren gewinnt die regulatorische

    Toxikologie zunehmend an Bedeutung, die sich mitder Beurteilung von genetisch modifizierten Pflan-zen in Lebensmitteln oder mit gentechnisch herge-stellten Arzneimitteln besch�ftigt. Obgleich bereitseine Vielzahl von Pr�fvorschriften existiert, gibt esinsbesondere hier ein hohes Maß an çffentlicherDiskussion („Gen-Food“) und erforderlicher Auf-kl�rung.Die Toxikologie ist eine der wenigen wissen-

    schaftlichen Disziplinen, deren Erkenntnisse einegroße und oft sofortige çffentliche Resonanz habenkçnnen. Zurzeit ist die Furcht vor Sch�digungen derGesundheit und Umwelt durch Chemikalien einewichtiges Thema der çffentlichen Aufmerksamkeit– zumindest in unseren hochzivilisierten Kulturkrei-sen. Diese Angst vor den chemischen Wirkprinzi-pien ist nicht neu. Bereits Plinius der �ltere stellteim 1. Jahrhundert v.Chr. fest: „So viele Gifte wer-den benutzt, um den Wein unserem Geschmack an-zupassen, und wir wundern uns dar�ber, dass unsdies nicht wohl tut.“ Heute aber kann ein massiver„Einbruch der Chemie in den Lebensraum des Men-schen“ nicht geleugnet werden und zwingt zu kriti-scher Auseinandersetzung.In zuk�nftigen Geschichtsb�chern wird die zwei-

    te H�lfte des 20. Jahrhunderts als die �ra der syn-thetischen Chemie und der Biotechnologie Eingangfinden. Beginnend in den 1940er-Jahren haben wireine explosive Entwicklung neuer industriellerTechnologien und eine Integration synthetischerChemikalien in unser persçnliches Leben erfahren.Allein in den USA sind nahezu 600000 chemischeProdukte im Gebrauch, und im t�glichen Leben um-geben uns etwa 70000 dieser Produkte und die Ten-denz ist steigend. Von diesen Substanzen kçnnenqualitativ und quantitativ unterschiedliche gesund-heitssch�dliche Wirkungen ausgehen. W�hrend zu-n�chst diese Chemie in unserem Leben als Gewinnpositiv beurteilt wurde, betrachtet sie die Gesell-schaft – aufgeweckt z.B. durch Rachel Carson„Stummer Fr�hling“ – heute mit Misstrauen. Ob-gleich wir heute ein deutlich l�ngeres und qualitativreicheres Leben genießen, betrachtet die �ffentlich-keit Wissenschaft und Technologie nicht mehr alswertvolle Verb�ndete, sondern mehr oder wenigerals Feinde der Natur.Der Druck der �ffentlichkeit hat zu einer strikten

    Gesetzgebung hinsichtlich chemischer Exposition

    Grundz�ge der Toxikologie 3

  • in der Umwelt und am Arbeitsplatz gef�hrt: Wir al-le kçnnen selbstverst�ndlich gemeinsam nur begr�-ßen und fordern, dass das Wohl von Mensch undUmwelt gesch�tzt wird. Unbestreitbar ist aber auch,dass die Industrie ermutigt werden muss, Forschungzur Entwicklung neuer Materialien zu betreiben, dievon Wert f�r uns alle sind. Die toxikologische Risi-koabsch�tzung, d. h. die Beurteilung des Risikos f�rdie menschliche Gesundheit und Umwelt durch Ex-position gegen�ber Chemikalien, ger�t zum einenzunehmend zwischen die Fronten dieser beidenPostulate und steht zum anderen auf durchaus unsi-cherer wissenschaftlicher Basis. Einerseits ist diemoderne chemisch-analytische Technik heute in derLage, die meisten synthetischen und nat�rlichenchemischen Stoffe in fast unvorstellbar geringenSpuren zu bestimmen. Solche Befunde werden h�u-fig ohne wissenschaftlichen Beweis mit Krankheits-symptomen verbunden, die solche Stoffe bei Ein-wirkung hoher Dosen auslçsen, ohne zu beachten,dass zwischen analytisch ermitteltem Wert undkrank machender Dosis unter Umst�nden viele Zeh-nerpotenzen liegen. Ohne eine derartige quantita-tive Wirkungsbetrachtung und Risikobeurteilungaber ist der analytische Befund bedeutungslos. An-dererseits hat die Toxikologie diesen Fortschrittender Analytik nicht immer folgen kçnnen: Es ist un-bestreitbar, dass trotz großen Erkenntnisgewinns inden vergangenen Jahren unser Wissen um die Me-chanismen der Toxizit�t und unsere F�higkeit zuquantitativer Risikobewertung begrenzt sind.Die Toxikologie als Lehre von den Giften und

    Giftwirkungen beschreibt als angewandte Wissen-schaft die chemisch-biologischen Wechselwirkun-gen mit akuter und chronischer gesundheitssch�dli-cher Auswirkung insbesondere auf den Menschenund versucht diese zu quantifizieren, um die Sch�-den zu erkennen, mçglichst zu verh�ten und even-tuell zu behandeln. Damit ist dieses Fach gefordert,einen wesentlichen wissenschaftlichen Beitrag zurPr�ventivmedizin zu erbringen („The ultimate goalin medicine is to achieve to die young as late aspossible“, E. Wynder). Dies war nicht immer so:Die griechischen Wçrter f�r Bogen und Arzneimit-tel sind „toxikon“ und „pharmakon“, d. h., ein Pfeil-gift war ein „toxikon pharmakon“. Zusammen mitdem „logos“, der Lehre, leitet sich daraus der Be-griff „Toxikologie“ ab.Sicher kann man dar�ber streiten, inwieweit die

    Vermehrung der Chemie – Kosmetika, Waschmitteloder Nahrungsmittelzus�tze – �berfl�ssig ist; einesolche Debatte aber ist irrelevant: Diese Produktesind Teil unseres Lebens und werden dies auch f�rdie vorhersehbare Zukunft bleiben. Die Aufgabe

    der Toxikologie ist es sicherzustellen, dass derMensch keinem unnçtigen Risiko durch Expositiongegen�ber diesen Substanzen ausgesetzt wird. Da-bei ist die Basis in der Toxikologie der Tierversuch,um pr�diktiv im Sinne des vorbeugenden Gesund-heitsschutzes ein Gefahrenpotenzial aufzeigen zukçnnen. So genannte alternative Methoden anschmerzfreier Materie sind seit Jahren ein wertvol-les Hilfsmittel, aber auch nicht mehr. Erst die Ent-wicklung definierter St�mme von Labortieren undMethoden zu ihrer Haltung ermçglichte die Durch-f�hrung reproduzierbarer Experimente und muss alsder eigentliche Beginn der experimentellen Toxiko-logie angesehen werden.Wichtigste Grundlage der Toxikologie ist die Er-

    kenntnis des Paracelsus, dass es keine giftigenSubstanzen gibt, sondern nur giftige Dosierungen(Anwendungen) von Substanzen. In seiner 3. K�rnt-ner Defension hat Paracelsus klar gemacht, dassGift nicht mit Stoff schlechthin definiert werdenkann, sondern dass ein und derselbe Stoff Gift undNicht-Gift sein kann und dass „allein die Dosismacht, dass ein Ding kein Gift sei“. Paracelsus fol-gend muss man heute Gift als ein Wirkprinzip defi-nieren, das an die chemische Materie und an dieDosis gebunden ist. Als Toxikologen sind wir dem-zufolge mit dem Problem konfrontiert, dass – mitAusnahme genotoxischer Verbindungen – eineSubstanz oberhalb einer Schwellenkonzentration to-xisch (selbst 100 g Kochsalz kçnnen tçdlich sein),aber unterhalb dieser Schwelle nicht-toxisch ist.Diese Problematik kann nur durch eine sorgf�ltigeAnalyse der zugrunde liegenden Wirkungsmecha-nismen und Bedingungen, unter denen die Toxizit�tentsteht, gelçst werden. Diese Schwellenkonzentra-tionen werden aus toxikologischen Untersuchungenals so genannte (no-adverse-effect-level) NOAELabgleitet und f�hren unter Ber�cksichtigung von(Un-)Sicherheitsfaktoren aus toxikologischer Sichtzu duldbaren menschlichen Expositionen (zuGrenz- bzw. Richtwerten, z.B. ADI – („accepteddaily intake“).Die heutige Toxikologie mit ihrem Schwerpunkt

    der Erfassung mçglicher Gesundheitsgef�hrdungendurch Belastungen von Wasser, Boden, Luft oderNahrungsmitteln ist vor besonders schwierige Auf-gaben und Probleme gestellt, handelt es sich dabeidoch um die Frage nach biologischen Wirkungenim Niedrigst-Dosis-Bereich. Die Toxikologie be-handelte zun�chst (Orfila, 1814) akute Vergiftungennach relativ hohen Expositionen. Diese Krankheits-bilder sind durch eine mehr oder weniger typischeSymptomatik, charakteristischen Ablauf und klarerkennbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen

    4 Grundz�ge der Toxikologie

  • Substanzaufnahme und Krankheitsbeginn sowiedurch weitgehende Reversibilit�t der Effekte undden eben beschriebenen Begriff des Schwellenwer-tes gekennzeichnet. Die moderne Toxikologie be-fasst sich etwa seit den 1950er-Jahren weitgehendmit der chronischen Intoxikation und den Auswir-kungen der Aufnahme von Spuren kçrperfremderStoffe �ber lange Zeitr�ume. Zu dieser Entwicklunghat wesentlich die Identifizierung eines neuen Typstoxischer Wirkung gef�hrt, n�mlich die Interaktionchemischer Stoffe mit dem genetischen Material.Bei diesen genotoxischen Wirkungen – Mutage-

    nese, Kanzerogenese – handelt es sich um weitge-hend irreversible Sch�digungen, die potenziell be-reits bei geringsten Expositionen auftreten kçnnen.Gerade die (oft mehr theoretische) Mçglichkeit,dass eine Langzeitexposition gegen�ber Minimal-dosen Krebs auslçsen kçnnte, verursacht in der �f-fentlichkeit Furcht und Unsicherheit, w�hrend wiralle wissen und akzeptieren, dass Chemikalien inhoher Dosierung akut giftig sind:

    n 5 von 100000 Kindern sterben j�hrlich an akzi-dentiellenVergiftungen, insbesonderedurchHaus-haltschemikalien: Dieses Risiko ist allgemeinakzeptiert.

    n Die Mehrheit unserer Mitb�rger hat dagegenAngst vor einem Risiko von 5 :1000000 (wenn�berhaupt existent), durch Asbest in einer SchuleKrebs zu entwickeln und verlangt die so genannteAsbest-„Sanierung“, obwohl gerade dadurch erstwirkliche Asbest-Gefahren hervorgerufen werdenkçnnen.

    Die Beurteilung des Gefahrenpotenzials von Kanze-rogenen ist besonders schwierig: Die Ursachen f�rdie Umwandlung einer Normalzelle in eine Krebs-zelle sind vermutlich vielfach, die zugrunde liegen-den Wirkmechanismen weitgehend unbekannt, dieTest-Assays in vieler Hinsicht inad�quat. Trotzdemgibt es auch hier Grundlagen f�r eine Risikobewer-tung: Nach Paracelsus ist die Exposition gegen�berKonzentrationen unterhalb des Grenzwertes unbe-denklich. F�r einen Teil von Kanzerogenen, sol-chen, die mit dem genetischen Material interagie-ren, kçnnen derartige Grenzwerte z. Zt. nicht defi-niert werden. Hier gilt der experimentell nicht be-wiesene Grundsatz der stochastischen Wirkung. Erbesagt, dass mit sinkender Konzentration einesFremdstoffes zwar die Schadenswahrscheinlichkeitabnimmt, solange aber nicht null wird, wie noch eineinziges Molek�l vorhanden ist. F�r eine große An-zahl so genannter nicht-genotoxischer Kanzeroge-ne, die uns vielfach umgeben, z.B. Saccharin, aber

    auch chlorierte Kohlenwasserstoffe, gibt es jedochkeinen Grund, nicht der Regel des Paracelsus zufolgen. Wir kçnnen nicht mehr zusehen und f�rsinnvoll erkl�ren, dass Testergebnisse, die mit zumTeil exorbitanten Dosen erzielt wurden, in den ppb/ppt-Bereich der normalen Umweltkonzentrationen(ein Zuckerw�rfel aufgelçst im Bodensee) extrapo-liert werden.Die toxikologische Bewertung einer Chemikalie

    und einer bestimmten Situation, bei der Menschengegen�ber Chemikalien exponiert sind, verlangt al-so offensichtlich Sachkenntnis und große Erfah-rung. Die simple �bertragung von tierexperimentel-len Daten auf den Menschen ohne Ber�cksichtigungvon Interspezies-Unterschieden und Wirkungsme-chanismen und ohne quantitative Dosis-Wirkungs-Beziehungen f�hrt zwangsl�ufig zu großer Unsi-cherheit („Extrapolation in toxicology is more thanusing carbon paper“, A.F. Rahde).Die Bewertung des gesundheitlichen Risikos ei-

    ner Exposition gegen�ber Chemikalien kann nurauf der Grundlage gesicherter wissenschaftlicherErkenntnisse erfolgen. Wir kçnnen nicht weiterhinIrrationalit�t beim Umgang mit Chemikalien tole-rieren bzw. kultivieren. Die Chemophobie, die heu-te beim Umgang mit Chemikalien so im Vorder-grund steht, ist h�ufig nicht wissenschaftliche Rea-lit�t. Es wird gewarnt, l�ngst bevor klar ist, wovorgenau gewarnt werden muss; der findet am ehestenGlauben, der ein Risiko am schw�rzesten malt (H.R�diger).Was f�r die Exposition gegen�ber chemischen

    Substanzen gilt, ist gleichermaßen f�r eine Exposi-tion gegen�ber Radioaktivit�t gegeben. In Deutsch-land wurde u.a. aufgrund der Ereignisse in Fukushi-ma der Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen,weshalb die Energiemengen, die auf diese Weise re-duziert werden, durch eine andere Energieform er-setzt werden m�ssen. Das kann durchaus zu einerdeutlich ver�nderten Bodennutzung durch die Land-wirtschaft durch intensiven Anbau von Energietr�-gern wie Mais f�hren, der f�r die Biogasanlagen er-forderlich ist. Zum anderen wird es neben einer an-deren Betrachtung der �kosysteme (großfl�chigerAusbau von Windkraftanlagen) auch zu einer nach-haltigeren Nutzung fossiler Brennstoffe (Kohle,Gas) kommen. Ob dies zu einem Einfluss auf dieBelastung von Bçden oder Grundwasser durch denvermehrten Einsatz von D�ngern und Pestizidenf�hrt, bleibt abzuwarten.Die Verantwortung der Wissenschaft Toxikolo-

    gie f�r den Menschen und die technischen Entwick-lungen in der chemischen Industrie sollten uns er-mutigen, dieses Fach auch weiterhin mit Sorgfalt

    Grundz�ge der Toxikologie 5

  • und kritischem Sachverstand zu entwickeln. Derwissenschaftlich begr�ndeten Risikoabsch�tzungkommt dabei eine besonders große Bedeutung zu.Die dramatischen Entwicklungen der Toxikologiein den vergangenen Dekaden m�ssen Eingang fin-den in die toxikologische Bewertung und vor allem

    der Allgemeinheit vermittelt werden. �rzte, Chemi-ker und andere Naturwissenschaftler m�ssen mehrals bisher mit den toxikologischen Erkenntnissenund den Prinzipien der toxikologischen Bewertungvertraut gemacht werden. Dieser Aufgabe sei diesesBuch gewidmet.

    6 Grundz�ge der Toxikologie

  • 4 Toxikokinetik

    Harald M�ckter, Harald Derendorf und Burckhard Fichtl

    4.1 Einf�hrung

    Die Wirkungen eines Fremdstoffes im Organismusvon Mensch und Tier werden durch seine pharma-kodynamischen und pharmakokinetischen Eigen-schaften bestimmt. Die Pharmakodynamik (griech.farmakon¼Heilmittel;dunamiV¼St�rke)beschreibtdie Wirkungen und Wirkungsmechanismen einerSubstanz, d. h. „was die Substanz mit dem Kçrperanstellt“. Ausmaß und Zeitverlauf der Wirkungenh�ngen aber auch von der Pharmakokinetik (griech.kinein¼bewegen) ab. Sie beschreibt den zeitlichenVerlauf der Konzentrationen einer Substanz im Or-ganismus, die aus dem Zusammenspiel von Resorp-tion, Verteilung und Elimination resultieren. DiePharmakokinetik befasst sich damit, „was der Kçr-per mit dem Pharmakon anstellt“.

    4.1.1 Was ist Toxikokinetik?

    Der Ausdruck „Toxikokinetik“ wurde offenbar zumersten Mal 1937 in einer Publikation eines russi-schen Autors gebraucht (Case 1993). In den vergan-genen Jahren ist dieser Begriff zunehmend popul�rgeworden, sein Gebrauch ist aber recht uneinheit-lich (Tab. 4.1). Es sei hier dahingestellt, ob die An-wendung pharmakokinetischer Prinzipien auf toxi-kologische Fragestellungen die Einf�hrung desneuen Begriffs der Toxikokinetik rechtfertigt. ImFolgenden soll daher der „neutrale“ Begriff „Kine-tik“ verwendet werden. Entsprechend soll unterFremdstoff jede Substanz oder jedes Pharmakonverstanden werden, das im Organismus Wirkungenauslçst, unabh�ngig davon, ob diese als „therapeuti-sche“ oder „toxische“ Wirkungen zu werten sind.

    4.1.2 Pharmako-(toxiko-)kinetischeParameter

    Das Schicksal eines Fremdstoffs im Organismusl�sst sich durch das sogenannte LADME-Schema

    (Abb. 4.1) beschreiben. Unter Umst�nden muss esaus einer Matrix oder einer Wirkstoffzubereitungerst freigesetzt werden (Liberation). Sofern es nichtdirekt ins Blut injiziert wird, muss es zun�chst re-sorbiert werden (Absorption; z.B. aus der Gastroin-testinalfl�ssigkeit, einem intramuskul�ren oder sub-kutanen Depot). Nachdem das Pharmakon in dasBlut gelangt ist, wird es mit dem Blutstrom in dieGewebe verteilt (Distribution). Die meisten Fremd-stoffe werden – in unterschiedlichem Ausmaß – re-versibel an Plasmaproteine und Gewebebestandteilegebunden. Sie kçnnen durch den Stoffwechsel ver-�ndert werden (Metabolismus) und werden schließ-

    Einf�hrung 41

    Tab. 4.1: Was ist Toxikokinetik?

    Definition Quelle

    „Toxicokinetics is … the applicationof pharmacokinetic principles to theinvestigation of toxicity and otheradverse effects of drugs.“

    Yacobi et al. (1989)

    „The primary purpose of toxicokine-tics is to provide information on therate, extent, and duration of exposureof the test animal species to the testcompound during the course of atoxicity study.“

    Chasseaud (1993)

    Toxicokinetics may be defined as „thegeneration of pharmacokinetic dataeither as an integral component inthe conduct of nonclinical toxicitystudies or in specially designedsupportive studies, in order to assesssystem exposure.“

    ICH2 (1993)

    „Toxicokinetics is a unique expansionof the science of pharmacokinetics.The major difference between thetwo disciplines, of course, is that toxi-cokinetic studies are generally carriedout at much higher doses than thoseused in pharmacokinetic studies.“

    Welling (1995)

    „Toxicokinetics is a subdiscipline ofpharmacokinetics dealing with theabsorption, distribution, metabolism,and elimination of xenobiotics atdoses higher than those expected toproduce therapeutic effects.“

    Dahlem et al. (1995)

  • lich – unver�ndert oder als Metabolite – aus demKçrper wieder ausgeschieden (Exkretion). F�r dieEinzelheiten der komplexen Vorg�nge, die imLADME-Schema zusammengefasst sind, muss aufdie Lehrb�cher der Pharmakologie verwiesen wer-den. Ein Aspekt, der in solchen Darstellungen meistzu kurz kommt, soll hier aber genauer betrachtetwerden.

    4.1.3 „Lipophile“ Eigenschaftenvon Pharmaka

    Bei allen Stadien des LADME-Schemas muss einFremdstoff biologische Membranen permeieren.Die F�higkeit zur Membranpermeation wird we-sentlich durch die „lipophilen“ Eigenschaften einerSubstanz bestimmt. In der Diskussion der Stoffei-genschaften, die bei Verteilungsvorg�ngen im Kçr-per eine Rolle spielen, werden vier Begriffspaare(wasserlçslich – wasserunlçslich, polar – unpolar,hydrophil – hydrophob und lipophob – lipophil)h�ufig in derselben Bedeutung verwendet, wenn esum die Verteilung eines Stoffes, seinen Transportdurch biologische Membranen oder seine Freiset-zung aus einer Matrix geht.Wasserlçslichkeit bezeichnet die Lçslichkeit ei-

    nes (Fest-)Stoffs in Wasser und wird in g/100ml(pr�zise: g/100 g Wasser) oder mol/l angegeben.

    Bei schwer lçslichen Salzen wie Blei(II)chlorid(PbCl2) ist die Angabe des Lçslichkeitsprodukts L�blich, das sich aus der Gleichgewichtsbetrachtungzwischen der fl�ssigen Phase und dem ungelçstenBodensatz (PbCl2 (fest)) der Salzlçsung ergibt, z.B.

    PbCl2 ðfestÞ $ Pb2þþ2Cl� ½Pb2þ� ½Cl��2

    ½PbCl2�fest¼Kc

    oder ½Pb2þ� ½Cl��2 ¼LPbCl2In der Literatur wird h�ufig der negative dekadischeLogarithmus (pL) des Lçslichkeitsprodukts angege-ben. Einige Beispiele sind in Tabelle 4.2 zusam-mengestellt.Die Lçslichkeit eines Stoffes h�ngt außer von der

    Art der Komponenten noch stark von der Tempera-tur ab. In der Toxikologie ist das Lçslichkeitspro-dukt einer Substanz f�r das Ausmaß ihrer Resorp-tion wichtig. In manchen F�llen wird allerdings dieBetrachtung der Lçslichkeiten einzelner Ionendurch die Einstellung von komplexen Gleichge-wichten erschwert. So betr�gt beispielsweise dieLçslichkeit von Quecksilberchlorid (HgO) in rei-nem Wasser nur 0,0001mol/l. In Anwesenheit vonChloridionen, z.B. im Magensaft oder im Blutplas-ma, kommt es zur Bildung von basischem Quecksil-berchlorid bzw. Sublimat, dessen Lçslichkeit in Ge-genwart von Alkalichloriden (z.B. Kochsalz) durchBildung von Hg-Komplexen deutlich zunehmenkann:

    42 Toxikokinetik

    Wirkort„Rezeptoren“

    gebunden frei

    KinetischePhase

    Liberation

    Absorption

    Distribution

    Metabolism

    Excretion

    KinetischerParameter

    Bioverfügbarkeit

    Verteilungsvolumen

    Clearance

    Pharmakon in„Arzneimittel“

    (Matrix)

    Resorptionsort

    SystemischerKreislauf

    Gewebe

    gebunden frei

    gebunden

    frei

    Abb. 4.1: Schematische Darstellung des Schicksals eines Fremdstoffs im Organismus (sog. LADME-Schema).

  • HgOwenig

    wasserl€oslich

    )�*�þaq

    �aqHgðOHÞ2 )���*�

    þHCl

    �HClHgðOHÞCl )���*�

    þHCl

    �HCl

    HgCl2 )���������*�þ2NaCl

    �2NaCl½HgCl4�2�þ2Naþ

    gutwasserl€oslich

    Mangelnde Wasserlçslichkeit („wasserunlçslich“)impliziert keineswegs, dass ein solcher Stoff danngut lipidlçslich ist und Lipidmembranen leicht pas-sieren kann. So ist z.B. das wasserunlçslicheQuecksilberselenid praktisch nicht neurotoxisch,weil die Substanz, die zu einem Feststoff aggre-giert, in Wasser und in unpolaren Lçsungsmittelnunlçslich ist. In diesem Zustand wird das Quecksil-ber praktisch nicht resorbiert.

    Lipophilie „stellt die Affinit�t eines Molek�ls odereiner Gruppe zu einer lipophilen Umgebung dar.Sie wird �blicherweise durch das Verteilungsver-halten in einem Zwei-Phasen-System gemessen,entweder fl�ssig-fl�ssig oder fest-fl�ssig“ (IUPAC).

    Hydrophobie „ist der Zusammenschluss unpolarerGruppen oder Molek�le in einer w�ssrigen Umge-bung, die sich aus dem Bestreben des Wassers er-gibt, unpolare Molek�le auszuschließen“ (IUPAC).

    Polarit�t: Als unpolar im physikochemischen Sin-ne wird eine Struktur angesehen, wenn ihr Dipol-

    moment gegen „0“ geht (dabei kçnnen einzelneBindungen oder funktionelle Gruppen durchausasymmetrische Ladungsverteilung zeigen, z.B.beim CO2: d

    �O¼Cdþþ¼Od� ) und/oder keine stabile

    Ungleichverteilung elektrischer Ladungen festzu-stellen ist. Von der Polarit�t der betrachteten Teil-chen ist noch die Lçsungsmittelpolarit�t abzugren-zen, die auch als Lçsevermçgen bezeichnet wird,womit die „Aktion aller spezifischen und unspezifi-schen intermolekularen Wechselwirkungen zwi-schen Lçsungsmittelmolek�len und gelçsten Mole-k�len gemeint ist – ausgenommen diejenigen, diedie chemische Natur der Komponenten ver�ndern(also Protonierung, Dissoziation, Oxidation, Reduk-tion, Komplexierung, etc.)“ (IUPAC). LipophileSubstanzen gelten demnach als unpolar, da sie ent-weder ein vernachl�ssigbares Dipolmoment zeigenoder sich in unpolaren Lçsungsmitteln lçsen.Seit 1900 wird zur Beurteilung der Lipophilie

    bzw. Hydrophobie eines Stoffs der Octanol/Wasser-Verteilungskoeffizient P¼Coct=CH2O benutzt, derdas Verh�ltnis der Stoffkonzentrationen in einerw�ssrigen (CH2O) und einer organischen (Coct) Pha-se ausdr�ckt, wenn beide miteinander im Gleichge-wicht stehen. n-Octanol hat eine hydrophobe Al-kankette und eine polare Kopfgruppe und ist daherwie biologische Lipide in der Lage, sowohl Wasser-stoffbr�ckenbindungen (mit hydrophilen Stoffen)auszubilden als auch hydrophobe Wechselwirkun-

    Einf�hrung 43

    Tab. 4.2: Lçslichkeitsprodukte ausgew�hlter Salze (angegeben als pL-Werte bei Raumtemperatur).Zum Verst�ndnis sei das Beispiel FeðOHÞ3 ausgef�hrt: die Tabelle gibt einen pL-Wert von 37,3 an, also LFeðOHÞ3 ¼ 10�37,3.Nach dem Massenwirkungsgesetz gilt

    ½Fe3þ� � ½OH��3½FeðOHÞ3�fest

    ¼ KFeðOHÞ3 bzw. ½Fe3þ� ½OH��3 ¼ LFeðOHÞ3 ¼ 10�37,3.Mit x¼ ½Fe3þ� und y¼ ½OH�� wird die Konzentration an freiem Fe3þ in Lçsung errechnet, indem die Gleichung x � y3 ¼ L¼ 10�37,3nach x aufgelçst wird. Das gelingt unter der Annahme, dass f�r jedes gelçste Fe3þ-Ion 3 Hydroxidionen in der Lçsung erscheinen, also

    y¼ 3x. Aus der Gleichung xð3xÞ3 ¼ 27x4 ¼ LFeðOHÞ3 ¼ 10�37,3 folgt f�r x der Wertffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffiffi10�37,3

    274

    r� 2 �10�10, entsprechend einer

    Fe3þ-Konzentration von rund 0,2 nmol/l.

    Salz (Trivial- od. Mineralname) Formel pL Vorkommen bzw. Verwendung

    Lithiumcarbonat Li2CO3 2,77 Antidepressivum

    Calciumsulfat (Gips) CaSO4 4,62 F�llstoff

    Bleichlorid PbCl2 4,80 obsolet in Schilderfarben (Turners Gelb)

    Bariumsulfat (Schwerspat) BaSO4 8,82 Rçntgenkontrastmittel

    Calciumfluorid (Flussspat) CaF2 9,77 Prismenmaterial

    Silberbromid AgBr 12,3 Fotografische Emulsionen

    Quecksilber(I)chlorid (Kalomel) Hg2Cl2 17,7 Obsolet als Abf�hrmittel

    Zinksulfid (Zinkblende) ZnS 23,9 Leuchtschirme

    Eisen(III)hydroxid FeðOHÞ3 37,3 RostQuecksilbersulfid (Zinnober) HgS 53,8 Rotes Pigment

  • gen (mit lipophilen Stoffen) auszu�ben. Entschei-dend f�r die tats�chliche Verteilung eines Stoffszwischen Octanol und Wasser ist allerdings nichtseine Lçslichkeit in Octanol, sondern die Tendenzder Wassermolek�le, die gelçsten Stoffteilchen aus-zuschließen. Die Bestimmung geht von der Annah-me aus, dass Wechselwirkungen der Lçsungsmittel-molek�le untereinander keinen Einfluss auf dieVerteilung haben und Wechselwirkungen der gelçs-ten Teilchen der Testsubstanz untereinander ver-nachl�ssigbar sind. Letzteres wird theoretisch nurbei unendlicher Verd�nnung erreicht; in der Praxissorgt man daf�r, dass die Stoffkonzentrationen inbeiden Phasen unter 10mmol/l liegen. �blicherwei-se wird der dekadische Logarithmus von P tabelliert(logP). F�r viele Stoffe konnte eine signifikanteKorrelation ihrer logP-Werte und der Bioakkumula-tion, z.B. in Fischen, gezeigt werden. Auch bei derAbsch�tzung der Bindung einer Substanz in Bodenund Sedimenten ist der logP n�tzlich. Ausgew�hltelogP-Werte zeigt Tabelle 4.3.Es hat in der Vergangenheit nicht an Versuchen

    gefehlt, den logP grçßerer Molek�le aus der Struk-turformel oder den Beitr�gen einzelner Fragmenteabzusch�tzen, indem entweder aus verwandtenStrukturen extrapoliert oder aus Fragmenten, derenBeitr�ge zum logP-Wert durch Vergleich ermitteltworden waren, ein logP des großen Molek�ls be-rechnet wurde. F�r weniger komplexe Strukturenwie einfache substituierte Aromaten hat diese Stra-tegie brauchbare Resultate geliefert, aber bei Subs-tanzen wie Oligopeptiden, Oligonukleotiden, Ste-roiden, Tensiden waren die �bereinstimmungen mit

    den empirisch gefundenen Werten unbefriedigend.Als Grund werden zum einen Wasserstoffbr�cken-bindungen genannt, die sowohl zwischen den gelçs-ten Teilchen untereinander als auch zwischen gelçs-ten Teilchen und Lçsungsmittelteilchen auftretenund in den zuvor genannten Ans�tzen praktisch ver-nachl�ssigt werden. Nicht ber�cksichtigt wurdenauch Formfaktoren, die der Tatsache Rechnung tra-gen, dass ein bestimmtes Molek�lvolumen ver-schiedenartige Ausdehnung haben kann (z.B. sph�-risch oder elongiert) und damit unterschiedlicheAngriffsfl�chen f�r Lçsungsmittelmolek�le bietet.Hier hat in den letzten zehn Jahren durch Arbei-

    ten von Abboud, Abraham, Doherty, Kamlet, Pooleund Taft ein neues Konzept Einzug gehalten, dasdurch seine Vielseitigkeit besticht, nicht nur in Be-zug auf die untersuchten Phasensysteme (Octanol/Wasser, Blut/Hirn, Mizellen/Wasser, etc.), sondernauch auf die interessierenden Parameter, die außerLçslichkeiten und Akkumulationsph�nomenen auchpharmakologische und toxische Wirkungen umfas-sen. Es handelt sich um das Konzept der sog. linea-ren freien Energiebeziehungen (LFER) oder der li-nearen Solvatationsenergiebeziehungen (LSER).Dabei wird der Vorgang der Solvatation oder auchdes Phasentransfers als Folge dreier energieabh�n-giger Schritte betrachtet: (a) im Lçsemittel muss einHohlraum gebildet werden, in dem das gelçste Teil-chen Platz findet, (b) ein einzelnes Teilchen mussaus seiner bisherigen Umgebung (gleichartiger Teil-chen) herausgelçst werden, um in dem geschaffe-nen Hohlraum Platz zu finden, und (c) Anziehungs-kr�fte m�ssen zwischen gelçstem Teilchen und derneuen Umgebung existieren, die die gelçsten Teil-chen im Hohlraum festhalten. Der erste Schritt ist�blicherweise endergon, die beiden anderen sindexergon. Solvatation und Phasentransfer kçnnen so-mit als abh�ngig vom Hohlraum (Grçße), polarenWechselwirkungen und Wasserstoffbr�ckenbindun-gen beschrieben werden. Das Konzept kann durchfolgende Gleichung veranschaulicht werden:

    log S¼ cþ rR2þ sp2þ aX

    aH2 þbX

    bH2 þnVx

    Die Deskriptoren R2, p2, a2, b2, und Vx bedeutendie molare Brechung, die Polarisierbarkeit, eine ef-fektive Azidit�t und Basizit�t, mit denen Donor-und Akzeptorwasserstoffbr�cken erfasst werden,sowie das sog. McGowen-Volumen des gelçstenTeilchens, das aus der Molek�lstruktur berechnetwerden kann.Die Verteilung eines Stoffs zwischen zwei Pha-

    sen ergibt sich in dieser Vorstellung aus dem Raum-bedarf der betrachteten Molek�le einerseits und den

    44 Toxikokinetik

    Tab. 4.3: Beispiele f�r Octanol/Wasser-Verteilungskoeffizienten.Angegeben sind die logarithmierten Werte (logP).

    Substanz logP

    Anilin 0,9

    Phenol 1,5

    Anisol 2,1

    Benzol 2,1

    Trichlorethen 2,4

    Atrazin 2,6

    Toluol 2,7

    Naphthalin 3,6

    Biphenyl 4,0

    Lauryls�ure 4,2

    Phenanthren 4,5

    DDT 6,2

  • differenziellen energetischen Wechselwirkungenmit Ursprungs- und der Zielphase andererseits,zweckm�ßig reduziert auf Polarisationseffekte,Wasserstoffbr�cken und hydrophobe Wechselwir-kungen.

    4.2 Grundlegende kinetischeParameter

    F�r die meisten Fremdstoffe besteht eine Beziehungzwischen ihrer Konzentration am Wirkort und ihrerWirkung. Diese Konzentration und auch die Kon-zentrationen in den meisten Geweben des Kçrperssind – zumindest beim Menschen – einer direktenMessung nicht zug�nglich. Zur pharmakokineti-schen Analyse ist man daher im Wesentlichen aufdie Messung der Fremdstoffkonzentrationen inleicht zug�nglichen R�umen wie Blutplasma oderExkreta (Urin, F�zes, Speichel, Muttermilch etc.)angewiesen. Insbesondere dem Plasma kommt einewichtige Rolle als „Referenzfl�ssigkeit“ zu. Sowohlnach direkter Injektion in den Blutstrom wie nachResorption gelangt eine Substanz zun�chst ins Blut-plasma. Von dort kann sie in die Blutzellen eindrin-gen und wird mit dem Blutstrom in die Gewebe ver-teilt.Es mag auf den ersten Blick verbl�ffend erschei-

    nen, dass sich die komplexen Vorg�nge des LAD-ME-Schemas durch wenige grundlegende kineti-sche Parameter quantifizieren lassen. Die Parameterzur Quantifizierung von Resorption, Verteilung,Metabolismus und Exkretion sind die Bioverf�g-barkeit, das Verteilungsvolumen und die Clea-rance. Zur Beschreibung des zeitlichen Verlaufsder Konzentrationen dienen die Halbwertszeit, dieFl�che unter der Konzentrations-Zeit-Kurve AUC(area under the curve) und die maximalen (Cmax)und minimalen (Cmin) Konzentrationen im Blut-plasma. Die den Zeitverlauf beschreibenden Para-meter werden auch als „sekund�re“ kinetische Para-meter bezeichnet, da sie von den „prim�ren“ Para-metern Bioverf�gbarkeit, Verteilungsvolumen undClearance bestimmt werden.Zun�chst sollen die grundlegenden kinetischen

    Parameter und ihr Zusammenspiel besprochen wer-den. In der Praxis basiert die kinetische Analyseweitgehend auf der Messung der gesamten Kon-zentration im Plasma. Idealerweise sollten zur kine-tischen Analyse die Konzentrationen der nicht anPlasmaproteine gebundenen Molek�le, die „freien“

    Konzentrationen im Plasmawasser gemessen wer-den. Wegen des methodischen und zeitlichen Auf-wands zur Bestimmung der freien Konzentration(z.B. durch Ultrafiltration, Dialyse, Gelfiltration)basieren kinetische Untersuchungen �blicherweiseauf den gemessenen Gesamtkonzentrationen. Aufdie sich hierdurch ergebenden Probleme wird nocheingegangen.

    4.2.1 Verteilungsvolumen

    Das Verteilungsvolumen eines Fremdstoffs ist defi-niert als Proportionalit�tsfaktor zwischen der im Or-ganismus vorhandenen Menge (A) des Fremdstoffsund seiner Konzentration im Plasma (C), d. h.

    A¼V � C ðGl: 1Þbzw.

    V¼AC

    ðGl: 2ÞAls Proportionalit�tsfaktor zwischen einer Menge(z.B. mg) und einer Konzentration (z.B. mg/l) hatdas Verteilungsvolumen die Dimension eines Volu-mens (l oder bezogen auf das Kçrpergewicht l/kg).In Tabelle 4.4 sind einige Werte f�r Verteilungsvo-lumina zusammengestellt. Die Beispiele zeigen,dass sich die gemessenen Werte �ber mehrere Grç-ßenordnungen erstrecken kçnnen und meist keinemrealen Verteilungsraum entsprechen. Je nachdemwie gut ein Fremdstoff biologische Membranen per-meieren kann, stehen f�r seine Verteilung im Orga-nismus prinzipiell drei Verteilungsr�ume unter-schiedlicher Grçße zur Verf�gung: das Plasma, derExtrazellul�rraum (Plasma plus interstitielle Fl�s-sigkeit) oder das gesamte Kçrperwasser. Das Plas-mavolumen eines „Standardmenschen“ von 70 kgbetr�gt etwa 3 l, entsprechend 0,04 l/kg Kçrperge-wicht. Die meisten Xenobiotika kçnnen sich aberzumindest im Extrazellul�rraum verteilen, dessenVolumen etwa 15 l bzw. 0,2 l/kg betr�gt. Das ge-samte Kçrperwasser betr�gt rund 42 l oder 0,6 l/kg.Wie die Daten aus Tabelle 4.4 zeigen, kann das be-rechnete Verteilungsvolumen diese Werte erheblich�bersteigen. Chlorpromazin hat z.B. ein Vertei-lungsvolumen von 20 l/kg, d. h. 1400 l bei einemKçrpergewicht von 70 kg.Dies erkl�rt sich dadurch, dass sich Fremdstoffe

    nicht gleichm�ßig im Kçrper verteilen. Wenn z.B.ein erheblicher Anteil einer Dosis im Gewebe ge-bunden oder vom Fettgewebe aufgenommen wird,ist die resultierende Plasmakonzentration viel klei-ner, als zu erwarten w�re, wenn sich der Fremdstoff

    Grundlegende kinetische Parameter 45

  • 8 Chemische Kanzerogenese

    Michael Schwarz, Albert Braeuning, Hans Marquardt und Rolf Schulte-Hermann1)lll

    8.1 Einleitung

    Die Erkrankung an Krebs gehçrt ohne Zweifel zuden dringlichsten Problemen der heutigen Medizin.Krebsgeschehen ist ex natura canceris irreversibel,dennoch ist die Diagnose „Krebs“ heute, dank mo-derner Methoden der Fr�herkennung und Therapie,in vielen F�llen nicht mehr unausweichlich gleichbe-deutend mit einem qualvollen Tod. Trotzdem sindKrebserkrankungen nach den kardiovaskul�ren Er-krankungen die h�ufigste Todesursache mit j�hrlichetwa 210.000 Opfern in Deutschland. Das griechi-sche Wort f�r Krebs, „karkinoV“ (karzinos), gehtauf Hippokrates und das lateinische Wort f�r Krebs,„cancer“, auf Celsus zur�ck. „Wie eine Krabbe ihreGliedmaßen aus allen Teilen ihres Kçrpers nach au-ßen streckt, so schwellen bei dieser Krankheit dieVenen auf, breiten sich aus und bilden eine �hnlicheFigur“, sagt Galen. Es wird aber auch behauptet,dass der Krebs seinen Namen daher erhalten habe,dass er den Kçrperteilen, die er ergreift, hartn�ckiganhaftet wie eine Krabbe (Paulus von Aegina).Unter Krebs wird ein bçsartiger Tumor (Ge-

    schwulst) verstanden, dessen Wachstum autonomund �berschießend ist und der gewisse pathologi-sche Charakteristika aufweist, wie Zellatypien, in-vasives Wachstum und h�ufig Metastasierung (Bil-dung von Tochtergeschw�lsten, ein eindeutiges Zei-chen der Malignit�t). Die Wachstumskontrollen desnormalen Organismus sind beim bçsartigen Wachs-tum von Tumorzellen aufgehoben. W�hrend gutar-tige Tumoren aus sich heraus expansiv und verdr�n-gend wachsen, erfolgt das Wachstum bei bçsartigenTumoren invasiv und infiltrativ unter Destruktionder Umgebung. Als Karzinome werden dabei ma-ligne Tumoren epithelialen Ursprungs, als SarkomeTumoren mesenchymalen Ursprungs bezeichnet.

    Obwohl ionisierende Strahlen, infektiçses biolo-gisches Material (zumeist Viren) und erbliche gene-tische Determinanten ebenfalls eine urs�chlicheRolle f�r die Krebsentstehung beim Menschen spie-len, wird heute vermutet, dass chemische Substan-zen in der Umwelt die Mehrzahl der menschlichenTumoren (mit-) verursachen. F�r die Bedeutungexogener Noxen spricht die Tatsache, dass mehr als90% aller Krebse bevorzugt an den epithelialen Ge-weben entstehen, von denen die meisten in direktemKontakt mit der Umwelt stehen (Haut, Magen-Darm-Trakt, Urogenitalsystem, Bronchialbaum).Dies bedeutet allerdings gleichzeitig, dass die Ver-minderung der Exposition gegen�ber exogenenkanzerogenen Substanzen, beispielsweise durch�nderungen unserer Lebensweise, zu einer Reduk-tion der Krebsinzidenz f�hren kann. Die Ge-schlechtsunterschiede in der H�ufigkeit verschiede-ner Tumoren weisen dagegen auf die Rolle endoge-ner Substanzen bei der Kanzerogenese hin.

    8.2 Historischer R�ckblickund Epidemiologie

    8.2.1 Historischer R�ckblick

    Bereits lange vor der Zeitwende, im Papyrus Ebers,findet sich eine recht genaue Beschreibung �ber�tiologie und Klinik des Blasenkrebses der im Nil-tal lebenden Bauern (Bilharziose). Wie wir heutewissen, wird dieser Krebs durch einen Trematoden(Schistosoma haematobium) verursacht. Dabei istbis heute ungekl�rt, ob hier chemische Substanzenoder ein „Reizkrebs“ (Schm�hl, 1981) zugrunde lie-gen. Mit einiger Wahrscheinlichkeit kann davonausgegangen werden, dass Paracelsus (1493–1541)als Erster eine chemische Verbindung, das Realgaroder Rauschrot (As4S4), als Ursache/Mitursache f�rden Lungenkrebs der Bergleute in Schneeberg undJoachimsthal ansah. Ramazzini (1633–1714) be-schrieb 1700 die hohe Inzidenz von Brustkrebs bei

    Historischer R�ckblick und Epidemiologie 159

    1 Das folgende Kapitel basiert auf der vorigen Ausgabedieses Lehrbuchs. Die Autoren danken ihren Kollegin-nen und Kollegen Wolfgang Pfau, Brigitte Marian,Wilfried Bursch sowie Bettina Grasl-Kraupp f�r ihrewesentlichen Beitr�ge zu diesem Kapitel.

  • Nonnen, der englische Arzt, Botaniker und Schrift-steller John Hill (1716–1775) 1761 sechs F�lle vonPolypen und Krebsen der Nasenschleimhaut nachlangj�hrigem Gebrauch von Schnupftabak und Per-cival Pott (1714–1788) 1775 den Ruß als Ursachef�r den Hautkrebs an Skrotum und Oberschenkelnder Londoner Schornsteinfeger. Damit war Pott derErste, der eine chemische Krebsursache bei einerbestimmten Berufsgruppe beobachtete. T. v. Soem-mering (1755–1830), Professor der Anatomie inMainz und M�nchen, publizierte 1795 �ber denLippenkrebs bei Pfeifenrauchern. Im 19. Jahrhun-dert wurde insbesondere die kausale Bedeutung vonberuflicher Exposition gegen�ber chemischen Sub-stanzen f�r den menschlichen Krebs aufgedeckt:Hauttumoren nach Arsen-Exposition (I. A. Paris,1822) und Paraffin bzw. Teer (R. v. Volkmann,1875) sowie Harnblasengeschw�lste bei Fuchsinar-beitern (L. Rehn, 1895).

    8.2.2 Epidemiologie

    Einige Zusammenh�nge zwischen Krebs und exo-genen Noxen sind seit langem bekannt. Heute wer-den epidemiologische Untersuchungen durchge-f�hrt, um weitere Hinweise auf Zusammenh�ngezwischen Tumorerkrankungen und bestimmten Ex-positionen zu erlangen. Die Zusammenh�nge zwi-schen Lungenkrebs und Zigarettenrauchen sowiezwischen Leberkarzinom und Aflatoxin-kontami-nierter Nahrung sind �tiologisch am besten unter-sucht. Bei epidemiologischen Untersuchungen zurTumorentstehung muss allerdings ber�cksichtigtwerden, dass diese erheblich schwieriger durchzu-f�hren sind als �bliche Studien �ber andere toxischeWirkungen, da kanzerogene Effekte infolge der lan-gen Latenzzeit zumeist erst viele Jahrzehnte nachder relevanten Exposition in Erscheinung treten.Relativ einfach sind derartige retrospektive oderprospektive Studien bei Arbeitsstoffen, da hier dasAusmaß der Exposition oft recht groß und bekanntist und lediglich ein umschriebener Personenkreismit ihnen in Ber�hrung kommt. Wesentlich schwie-riger sind diese Studien dagegen f�r Fremdstoffe(Xenobiotika) in unserer Umwelt, also ubiquit�reund in meist �ußerst geringen Konzentrationen vor-kommende Stoffe.Einwandererstudien geben Hinweise auf mçgli-

    che exogene Ursachen von Krebserkrankungen. Sokonnte etwa gezeigt werden, dass sich bei Einwan-derern aus L�ndern mit geringen Brustkrebsraten(Asien, Afrika) nach Israel oder in die USA (mit ei-ner hohen Brustkrebsrate) das Risiko binnen einer

    Generation in etwa an das des Einwanderungslan-des anpasst. Umgekehrt sind dagegen die Verh�lt-nisse beim Magenkrebs. Diese Befunde sind Indi-zien f�r �ußere Einfl�sse (Umwelt oder Ern�hrung)auf die Kanzerogenese. Im Bereich der Arbeitsme-dizin konnte bei Chemiearbeitern der Zusammen-hang zwischen Harnblasenkrebs und Exposition ge-gen�ber polyzyklischen aromatischen Aminennachgewiesen werden. H�ufig wird auch versucht,regionale Unterschiede in der Krebsh�ufigkeit mitlandestypischen Ern�hrungsgewohnheiten zu korre-lieren. Auf diese Weise konnte die Assoziation zwi-schen einer fleischreichen Ern�hrung und einem er-hçhten Dickdarmkrebsrisiko best�tigt werden. Hierwerden verschiedene Ursachen postuliert: Die er-hçhte Exposition gegen�ber verschiedenen Inhalts-stoffen oder Stoffwechselprodukten des Fleisches(heterozyklische aromatische Amine, Ammoniak,Eisen) oder der einhergehende Mangel an pflanzli-cher Kost (Ballaststoffe, Vitamine).Hypothetische Zusammenh�nge lassen sich mit-

    tels retrospektiver Studien untersuchen: Tumorpa-tienten und nicht erkrankte Kontrollpersonen wer-den hinsichtlich der Ern�hrungs- und Lebensge-wohnheiten, beruflicher Exposition, demographi-scher oder anderer Parameter befragt. Problema-tisch an diesen Fall-/Kontroll-Studien sind unter an-derem die Auswahl der Kontrollgruppe und auchdie Beeinflussung der Antworten durch die aufge-tretene Krankheit. Diese Nachteile gelten nicht f�rprospektive Kohortenstudien. In diesen ungleichaufwendigeren Untersuchungen werden große Kol-lektive (bis zu einigen hunderttausend Probanden)erfasst und befragt. Erst nach einigen Jahren kçnnenaufbauend auf diesen Daten in diese Kohorten ein-gebettete Fall-/Kontroll-Studien durchgef�hrt wer-den. Beispielsweise wurden 1976 f�r die US-ameri-kanische Nurses Health Study 122.000 Kranken-schwestern im Alter von 30 bis 50 Jahren erfasstund befragt. Urspr�nglich sollten damit uner-w�nschte Langzeiteffekte oraler Kontrazeptiva un-tersucht werden. Alle zwei bis vier Jahre erhaltendie Teilnehmer Fragebçgen zu Rauchgewohnheiten,Verwendung von Hormonen, menopausalem Statusund Ern�hrungsgewohnheiten. Mithilfe dieser Stu-die konnten eine Reihe von Zusammenh�ngen veri-fiziert (Hormonersatztherapie erhçht das Brust-krebsrisiko, Fols�ure sch�tzt vor Dickdarmkrebs),andere postulierte Zusammenh�nge jedoch nicht be-st�tigt werden (fettreiche Ern�hrung beeinflusst of-fenbar nicht das Dickdarm- oder Brustkrebsrisiko).Die tats�chliche Kausalit�t von Zusammenh�ngenist umso wahrscheinlicher, je mehr der von SirBradford-Hill aufgestellten Kriterien erf�llt werden:

    160 Chemische Kanzerogenese

  • Reproduzierbarkeit in verschiedenen Studien, St�r-ke der Assoziation, zeitlich richtige Reihenfolgevon Ursache und Wirkung, Dosis-Wirkungs-Abh�n-gigkeit, Spezifit�t (fraglich: ein Agens kann auchmehrere Wirkungen auslçsen, z. B. Tabakrauch),�bereinstimmung mit bestehendem Wissen, biolo-gische Plausibilit�t sowie experimentelle Best�ti-gung (Intervention).

    8.2.3 Molekulare Epidemiologie

    Die Erkenntnisse �ber die molekularen Mechanis-men der Kanzerogenese ermçglichen es, anhandbiologischer Marker fr�here Endpunkte als die ei-gentliche Krebserkrankung und deren Zusammen-h�nge mit kausalen Faktoren in epidemiologischenStudien zu untersuchen. Dazu gehçren Marker derExposition, wobei die interne, individuelle Dosis ei-nes Kanzerogens (z. B. Metaboliten im Urin, Plas-maspiegel oder kovalente Protein- oder DNA-Ad-dukte im Blut) oder die target-Dosis (DNA-Adduk-te im Zielorgan) als Maß f�r die individuelle Expo-sition und gleichzeitig den Metabolismus der Sub-stanz im Individuum gemessen wird.Außerdem kçnnen die Aktivit�ten relevanter En-

    zyme f�r jedes Individuum biochemisch bestimmtoder anhand genetischer Polymorphismen abge-sch�tzt werden. Dabei sind zahlreiche Enzyme desFremdstoffmetabolismus (metabolische Aktivie-rung oder Entgiftung chemischer Kanzerogene)oder der DNA-Reparatur identifiziert worden, dieeine polymorphe Verteilung in der Bevçlkerungaufweisen. In der Tat konnte bereits in einigen F�l-len ein Einfluss dieser Enzymaktivit�ten auf dasKrebsrisiko beobachtet werden. W�hrend die Be-einflussung des individuellen Krebsrisikos durcheinzelne polymorphe Enzyme meist nur gering ist,wird vermutet, dass das Zusammenspiel der vielenam Prozess der Kanzerogenese beteiligten geneti-schen Faktoren in der Summe einen erheblichenEinfluss auf das Krebsrisiko hat. Die Aufkl�rungder Sequenz des menschlichen Genoms und die mo-dernen Mçglichkeiten der gleichzeitigen Analysediverser Gene mittels Array-Techniken bieten dieMçglichkeit, in der Zukunft individualisierte Risi-koprofile zu erstellen.Die Daten zur Tumorinzidenz in verschiedenen

    Bevçlkerungsgruppen der USA weisen auf einenethnischen Einfluss auf das Krebsrisiko hin. BeiAfroamerikanern werden erhçhte Raten an Tumo-ren der Speiserçhre, Leber, Magen, Lunge, Pank-reas und Prostata sowie an pr�menopausalemBrustkrebs beobachtet. Dagegen ist bei europ�isch-

    st�mmigen US-B�rgern die H�ufigkeit von Mela-nomen, Leuk�mien, Lymphomen, Tumoren des En-dometriums, der Schilddr�se, Harnblase und desGehirns sowie von postmenopausalem Brustkrebshçher. Einerseits wurden in molekular-epidemiolo-gischen Studien entsprechende ethnisch bedingtegenetische Unterschiede in der Enzymausstattungnachgewiesen, anderseits spielen hier aber auchethnische Unterschiede hinsichtlich demographi-scher, sozioçkonomischer und umwelt- oder ern�h-rungsbedingter Faktoren eine Rolle. Dies wurdeauch durch die bereits erw�hnten Studien an Ein-wanderern aus asiatischen L�ndern in die USA oderIsrael deutlich.In der �berwiegenden Mehrzahl der F�lle ist

    Krebs eine Erkrankung des Alters, daher ist die Zu-nahme der Krebserkrankungen im vergangenenJahrhundert auch eine Folge der erhçhten Lebenser-wartung. Vermutlich spielen dabei neben der le-benslangen Akkumulation von L�sionen im Genomauch die Abnahme der DNA-Reparaturkapazit�tund reduzierte Immunfunktionen eine Rolle. Wegender langen Latenzzeit und der komplexen Mecha-nismen der Kanzerogenese wird allerdings vermu-tet, dass urs�chliche Expositionen h�ufig schon inder Jugend liegen. Experimentelle Studien und ne-gative Erfahrungen mit Medikamenten in derSchwangerschaft (Diethylstilbestrol) belegen, dassbereits die transplazentare Exposition in utero dasKrebsrisiko im sp�teren Leben erhçhen kann. Auchkonnte gezeigt werden, dass Kleinkinder relativzum Kçrpergewicht h�ufig erhçhten Dosen an kan-zerogenen Stoffen in der Nahrung oder Umweltme-dien ausgesetzt sind. Expositionen in der pubert�renEntwicklungsphase gelten ebenfalls als besondersentscheidend, weil es hier zur Ausdifferenzierungder Geschlechtsorgane kommt. So war bei �berle-benden der Atombombenabw�rfe im Zweiten Welt-krieg das Brustkrebsrisiko in besonderem Maße er-hçht, wenn die Strahlenexposition in der Pubert�terfolgte. Auch das Zigarettenrauchen gilt in der Ju-gend als besonders gef�hrlich f�r die sp�tere Ent-wicklung von Lungentumoren.Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Tu-

    morinzidenz werden nat�rlich in erster Linie bei Se-xualhormon-abh�ngigen Tumoren (Brustdr�se, En-dometrium, Prostata) beobachtet, aber auch beimLungenkrebs weisen Frauen offenbar eine hçhereEmpfindlichkeit auf als M�nner. So wurden beiweiblichen Zigarettenrauchern langsamere Nikotin-exkretion, hçhere Cytochrom P450-Aktivit�t (wich-tig f�r die metabolische Aktivierung kanzerogenerSubstanzen im Tabakrauch) und hçhere DNA-Ad-duktgehalte in der Lunge beobachtet.

    Historischer R�ckblick und Epidemiologie 161

  • Die genetische Epidemiologie, hier das Studium ei-ner genetischen Pr�disposition f�r Kanzerogenese,ist ein wichtiges Feld aktueller und zuk�nftigerKrebsforschung. Neben heredit�ren Krebs-Syndro-men (Retinoblastom, Wilms-Tumor, Xerodermapigmentosum) gibt es auch genetische/famili�reKrebs-Dispositionen mit bisher unbekannter Ursa-che (bekannte F�lle einer famili�ren Krebsh�ufung

    wie der Magenkrebs in der Familie Napoleons). F�rden Betroffenen ist das Risiko um ein Vielfacheserhçht: So haben Tr�ger erblicher BRCA1-Mutatio-nen ein bis zu 40-fach erhçhtes Risiko, an Brust-krebs zu erkranken, meist in fr�hem Alter. In vielen

    162 Chemische Kanzerogenese

    Tab. 8.1: Substanzen, Mischungen, biologische und physikali-sche Faktoren mit nachgewiesener humankanzerogener Wir-kung (IARC Gruppe 1).

    Substanzen oder Substanz-gruppen

    Arzneimittel

    Aflatoxine4-AminobiphenylArsen und -VerbindungenAsbestBenzolBenzidinBeryllium und -VerbindungenBis(chlormethyl)etherCadmium und -VerbindungenChrom-Verbindungen(hexavalent)ErioniteEthylenoxid2-NaphthylaminNickel-VerbindungenRadon und seineZerfallsprodukteSenfgas (sulfur mustard)Silica, kristallinTalkum mit asbestiformenFasern2,3,7,8-Tetrachlorodi-benzodioxinVinylchlorid

    Analgetische Mischungen mitPhenacetinAristolochia-haltigeArzneimittelAzathioprineN,N-Bis(2-chloroethyl)-2-naphthylamine(Chlornaphazin)1,4-Butandiol-di(methan-sulfonat) (Myleran)Chloroambucil1-(2-Chloroethyl)-3-(4-methyl-cyclohexyl)-1-nitrosoharnstoff(Methyl-CCNU)CyclophosphamidCiclosporinDiethylstilbestrolKontrazeptiva, oralMelphalan8-Methoxypsoralen plusUV-Strahlung

    strogen-Ersatztherapie

    strogene, nichtsteroidal

    strogene, steroidalTamoxifenThiotepaTreosulfan

    Mischungen Biologische undphysikalische Faktoren

    Alkoholische Getr�nkeBetelnuss-KautabakHolzstaubKohlenteerKohlenteer-PechMineralçlRußSchieferçlTabak-Produkte (rauchfrei)Tabakrauch

    Ionisierende Strahlung,32P-Phosphat, 239Pu, 131I,Neutronen, 222Rn, 224Ra,228Ra, 132ThUV-Strahlung, SonnenlichtHepatitis B-VirusHepatitis C-VirusHTLV 1Human immunodeficienyVirusesEpstein-Barr-VirusHuman papilloma Virus(Typ 16 und Typ 18)Helicobacter pyloriOpisthorchis viveriniSchistosoma haematobium

    Tab. 8.2: Substanzen, Mischungen, Arzneimittel, biologischeund physikalische Faktoren mit wahrscheinlich humankanzero-gener Wirkung (IARC Gruppe 2A).

    Substanzen oderSubstanzgruppen

    Arzneimittel

    AcrylamidBenz[a]anthracenBenzidin-Farben1,3-ButadienCaptafola-Chlorierte Toluole (Benzal-chlorid, Benzo-trichlorid,Benzylchlorid, Benzoylchlorid)4-Chloro-ortho-toluidinDibenz[a,h]anthracenDiethylsulfatDimethylcarbamoylchlorid1,2-DimethylhydrazinDimethylsulfatEpichlorhydrinEthylendibromidN-Ethyl-N-nitrosoharnstoffFormaldehydGlycidolIQ (2-Amino-3-methyl-imidazo[4,5-f]chinolin)4,40-Methylenbis(2-chloro-anilin) (MOCA)MethylmethansulfonatN-Methyl-N0-nitro-N-nitroso-guanidin (MNNG)N-Methyl-N-nitrosoharnstoffNitrogen mustardN-NitrosodiethylaminN-NitrosodimethylaminStyrol-7,8-oxidTetrachlorethylenortho-ToluidinTrichlorethylen1,2,3-TrichloropropanTris(2,3-dibromopropyl)-phosphatVinylbromidVinylfluorid

    AdriamycinAndrogene (anabole) SteroideAristolochia-S�urenAzacytidinBischloroethyl-nitrosoharnstoff(BCNU)Chloramphenicol1-(2-Chloroethyl)-3-cyclohexyl-1-nitrosoharnstoff (CCNU)Chlorozotozin (DCNU)CisplatinEtoposid5-MethoxypsoralenPhenacetinProcarbazinhydrochloridTeniposid

    Mischungen Biologische undphysikalische Faktoren

    Kreosot (aus Kohlenteer)Diesel-AbgasHeißer Mate-TeePolychlorierte Biphenyle

    Clonorchis sinensisHuman papilloma-Virus Typ 31Human papilloma-Virus Typ 33Kaposi�s sarcoma herpesvirus/human herpesvirus 8UV-Strahlung AUV-Strahlung BUV-Strahlung C

  • F�llen heredit�rer Krebserkrankungen konnten dieurs�chlichen Gendefekte identifiziert werden. Oftist bei den Betroffenen ein Allel des entsprechendenTumorsuppressorgens defekt. Der Funktionsverlustdes anderen Allels (durch Mutation, Hypermethy-lierung, Allelverlust) kann dann zur Erkrankungf�hren. So konnte gezeigt werden, dass Mutationenin Tumorsuppressorgenen f�r famili�re adenomatç-se Polyposis (APC), medull�re Schilddr�senkarzi-nome (RET), Melanom (CDK4) und f�r Brust- undOvarialkrebs (BRCA1, BRCA2) pr�disponieren. Ins-gesamt gesehen sind diese genetisch bedingtenKrebsformen aber selten, erbliche Formen machennur einen vergleichsweise geringen Anteil allerKrebserkrankungen aus. So werden heute 5% derBrustkrebs-Inzidenz als heredit�r bedingt angese-hen. Im Gegensatz dazu sind genetisch determinier-te Varianten der im Aktivierungsmetabolismus be-teiligten Enzyme h�ufig. Diese Polymorphismenhaben zwar f�r den Einzelnen nur eine geringe Er-hçhung des Krebsrisikos zur Folge, sind aber in Be-zug auf die gesamte Bevçlkerung von erheblicherBedeutung.

    8.3 Das Mehrstufenmodellder Kanzerogenese

    8.3.1 Definition von Kanzerogenen

    Chemische Kanzerogene sind operational definiertals Substanzen, die Krebs induzieren, also verant-wortlich sind f�r:

    n die Induktion von Tumoren, die in nicht-expo-nierten Individuen nicht gesehen werden,

    n die erhçhte Inzidenz von Tumoren, die auch innicht-exponierten Individuen gesehen werden,

    n die fr�here Entwicklung von Tumoren, die innicht-exponierten Individuen erst sp�ter gesehenwerden,

    n die erhçhte Multiplizit�t von Tumoren.

    Nach Applikation eines chemischen Kanzerogensentstehen Tumoren, deren Anzahl und Latenzzeitvon der Dosis des Kanzerogens abh�ngen. Insoferngilt auch f�r Kanzerogene das Gesetz des Paracel-sus, wonach die Dosis �ber die toxische Wirkungentscheidet. Auch die andauernde, chronische Ein-wirkung von sehr geringen Dosen kann die Tumor-rate erhçhen. �ber 500 chemische Substanzen hat-

    ten bereits bis 1962 tierexperimentell kanzerogenesPotential gezeigt. Eine Auswahl der von der Inter-national Agency for Research on Cancer (IARC)der WHO als nachgewiesen oder wahrscheinlichhumankanzerogen eingestuften Substanzen findetsich in den Tabellen 8.1 und 8.2. Tabelle 8.3 gibteinen �berblick �ber die verschiedenen Klassifizie-rungssysteme f�r Humankanzerogene, wie sie vonunterschiedlichen Gremien/Organisationen einge-f�hrt wurden. Die Einstufung der einzelnen Sub-stanzen orientiert sich dabei prim�r an der Verf�g-barkeit und der Qualit�t epidemiologischer (not-wendig zur Einstufung in die jeweils erste Katego-rie) oder tierexperimenteller Daten, nicht an derkanzerogenen Wirkst�rke. Eine Ausnahme stellt dasKlassifizierungssystem der MAK-Kommission derDeutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) dar.

    8.3.2 Initiation, Promotionund Progression

    Der Beginn des 20. Jahrhunderts kann als der Be-ginn der experimentellen Krebsforschung bezeich-net werden; als ihr Pionier wird der japanische Pa-thologe K. Yamagiwa (1863–1930) mit seinem As-

    Das Mehrstufenmodell der Kanzerogenese 163

    Tab. 8.3: Klassifizierung von Humankanzerogenen.

    IARC (International Agency for Research on Cancer) derWHO

    Group 1 Carcinogenic to humans

    Group 2A Probably carcinogenic to humans

    Group 2B Possibly carcinogenic to humans

    Group 3 Not classifiable

    Group 4 Probably not carcinogenic to humans

    MAK-Kommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft

    Kategorie 1 Nachgewiesen kanzerogen im Menschen

    Kategorie 2 Wahrscheinlich kanzerogen im Menschen

    Kategorie 3A Keine Einstufung (Datenmangel)

    Kategorie 3B Verdachtsstoffe, keine Einordnung in andereKategorie mçglich

    Kategorie 4 Nicht-genotoxischer Wirkmechanismus

    Kategorie 5 Genotoxisch mit geringer Wirkungsst�rke

    Europ�ische Union

    Kategorie 1 Nachgewiesen kanzerogen im Menschen

    Kategorie 2 Wahrscheinlich kanzerogen im Menschen

    Kategorie 3 Mçglicherweise kanzerogen im Menschen

  • 25 Kohlenwasserstoffe

    Albrecht Seidel, Pablo Steinberg, Klaus Appel, Alfonso Lampen,Hermann M. Bolt und G�nter Koss=

    25.1 AromatischeKohlenwasserstoffe

    25.1.1 Benzol

    Benzol ist eine Vorstufe bei der Synthese von Sty-rol, alkylierten, nitrierten und halogenierten Benz-olen, Phenolen, Anilin, Hexachlorcyclohexan, unddarf seit dem Jahr 2000 in Deutschland und L�n-dern der europ�ischen Union nur bis zu 1% im Ot-tokraftstoff enthalten sein. Gem�ß einer Konventionder Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) von1972 ist die Verwendung von Benzol untersagt (au-ßer beim Ottokraftstoff), wenn geeignete Substitu-tionsprodukte zur Verf�gung stehen. Seine Jahres-produktion in der Bundesrepublik betrug 2009 etwa1,65 Mio. t. Benzolemissionen beliefen sich im Jahr1983 auf knapp 70 000 Jahrestonnen in der Bundes-republik (alte L�nder). Davon gingen 80–90% aufden Kraftfahrzeug-Verkehr zur�ck. Seit der Be-schr�nkung des Benzolgehalts im Ottokraftstoffund sch�rferer Abgasnormen sind die kraftverkehrs-bedingten Benzolemissionen r�ckl�ufig. Als nat�r-licher Bestandteil ist es im Erdçl, Erdgas und Stein-kohlenteer enthalten. Ferner ist es Bestandteil desTabakrauches. Seine biogene Entstehung aus Sub-stanzen biologischer Bedeutung (z. B. durch Decar-boxylierung der Benzoes�ure) ist vermutlich zu ver-nachl�ssigen. Sowohl Produktionsumfang und Ver-wendung als auch eine mangelhafte Entsorgungf�hren zu ubiquit�rer Kontamination und infolge-dessen seit Jahrzehnten zu einer kontinuierlicherAufnahme mit der Atemluft sowie �ber Lebensmit-tel und Trinkwasser. Seit dem Jahr 2010 gilt einLuftgrenzwert f�r Benzol von 5 mg/m3. Bereits seit2007 wurden deutschlandweit selbst in Ballungs-r�umen keine �berschreitungen dieses Grenzwertesmehr beobachtet. Die Jahresmittelwerte liegen der-zeit zwischen 1–2 mg/m3.Wichtigste Aufnahmequellen f�r den Menschen

    sind das Rauchen und die Aufnahme mittels konta-minierter Atemluft, w�hrend die Aufnahme vonBenzol aus Nahrungsmitteln und Trinkwasser f�r

    die Belastung des Erwachsenen nur eine unterge-ordnete Rolle spielt. Bei einem Raucher mit einemKonsum von 10 Zigaretten t�glich liegt die inhalati-ve Aufnahme durchschnittlich bei 200 mg Benzol/Tag. Sch�tzungen ergeben, dass der Mensch �berdie verschiedenen Aufnahmepfade etwa 250 mg/Tagaufnimmt. Im Einzelfall kçnnen am Arbeitsplatzgrçßere Benzolmengen inhalativ und dermal aufge-nommen werden.

    Aufnahme, Verteilung, Metabolismus,Ausscheidung

    Nach inhalativer Aufnahme folgt die Benzolresorp-tion einer S�ttigungskinetik. Bei Beginn einer Ben-zol-Exposition werden ca. 80% des Benzols resor-biert. Im Gleichgewicht zwischen Inhalation undExhalation liegt die Resorptionsquote zwischen 40und 50%. Der Zeitpunkt der Gleichgewichtseinstel-lung ist von Ventilationsparametern (Atemminuten-volumen) und der individuellen Aufnahmekapazit�t(Biotransformation, Fettgewebe) abh�ngig. Ruhen-de M�nner (Atemminutenvolumen von 7,4 l/min)resorbieren beispielsweise bei einer Konzentrationvon 3,25 mg Benzol pro m3 Luft etwa rund 0,72 mgBenzol/h, w�hrend sie bei schwerer Arbeit (Atem-minutenvolumen von 43 l/min) 4,2 mg Benzol/h re-sorbieren. Die Geruchsschwelle liegt bei 16 mg/m3

    Luft. Benzol wird dermal gut resorbiert. Diemenschliche Haut kann 400 mg/cm2/h nach Auftra-gen fl�ssigen Benzols resorbieren. Beim Rhesusaf-fen wurde eine Resorption von 7 mg/cm2 und Stun-de ermittelt. Bei epikutaner Applikation einer Lç-sung von Benzol in anderen Lçsemitteln ist dieMenge an Benzol, die resorbiert wird, wesentlichgeringer. Bei Exposition gegen�ber Benzol in derLuft ist die dermale Aufnahme von Benzol prak-tisch ohne Bedeutung.Oral zugef�hrtes Benzol wird nahezu vollst�ndig

    aus dem Gastrointestinaltrakt resorbiert. Nach ora-ler Gabe von 1,5 mg/kg 14C-Benzol (entsprechend16 mg/m3 Luft, 6 h eingeatmet) findet sich beimVersuchstier Radioaktivit�t in Leber, Niere, Blut,Knochenmark, Nasen- und Rachenhçhlen sowie inZymbal- und Brustdr�se. Bei Erhçhung der Dosis

    Aromatische Kohlenwasserstoffe 593

  • auf 15 mg/kg (entsprechend 160 mg/m3 Luft, 6 heingeatmet) reichert sich Radioaktivit�t in der Zym-bal- und Brustdr�se an.Die Verteilung im Organismus h�ngt wegen der

    Lipophilie des Benzols wesentlich vom Lipidgehaltder Organe und Gewebe ab (Tab. 25.1). Das Fettge-webe weist die hçchste Konzentration und Spei-cherkapazit�t auf (Abb. 25.1). Im Blut stellt sich einVerteilungsverh�ltnis von 2:1 zwischen Erythrozy-ten und Plasma ein. Inhalationsstudien an der Rattezeigen, dass die Benzolkonzentration innerhalb von4 h im Blut, innerhalb von 6 h im Fettgewebe undin weniger als 2 h im Knochenmark ein Gleichge-wicht erreichen kann. Die Verteilung von Benzolim Organismus ist weitgehend unabh�ngig von derSpezies und von der Applikationsart.Hepatische Cytochrom-P450-abh�ngige Mono-

    oxygenasen (CYP, vorrangig CYP2E1) katalysierendie Addition eines Sauerstoffatoms an den Benzol-

    ring. Das gebildete Arenoxid ist ein reaktives, kurz-lebiges Intermedi�rprodukt, das in einem tautomerenGleichgewicht mit dem Oxepin existiert und sichnach Aufnahme hoher Benzoldosen nichtenzyma-tisch haupts�chlich in Phenol umlagert. Ein kleinererAnteil des Arenoxids wird durch mikrosomale Epo-xidhydrolase zum trans-Dihydrodiol umgesetzt unddies anschließend durch Dihydrodiol-Dehydrogena-sen ins Katechol �berf�hrt. Alternativ kann dasArenoxid in Gegenwart von Glutathion S-Transfera-sen (GST) mit Glutathion (GSH) konjugiert werden.Das GSH-Konjugat wird anschließend in die nieren-g�ngige Phenylmerkapturs�ure umgewandelt (Abb.25.2). Bei kleineren Benzoldosen (5 ppm in der Luftentsprechend 1,5 mg/kg KG) katalysieren CYP-En-zyme durch Ringoxidation die Bildung von Phenol,Katechol und Hydrochinon sowie von 1,2,4-Trihyd-roxybenzol. Aus dem Gleichgewicht zwischenArenoxid und Oxepin, oder dem trans-Dihydrodiolsowie �ber das Katechol kann nach Ringçffnungtrans, trans-Muconaldehyd entstehen, der durchweitere Oxidation in trans, trans-Mucons�ure �ber-f�hrt wird. In der Leber und zum kleineren Teil auchim Zielorgan der Benzoltoxizit�t, dem roten Kno-chenmark, werden die hydroxylierten Metaboliten inGlucuronide und Sulfatkonjugate umgewandelt.Nichtkonjugierte Metaboliten unterliegen nach

    ihrer Aufnahme in das Knochenmark weiteren Oxi-dationsprozessen. Hier finden sich rund 90% der imKçrper vorkommenden granulozyt�ren Leukozyten.Sie besitzen die F�higkeit zum „oxidative burst“, ei-ner besonderen Form des oxidativen Metabolismus.Dabei kommt es zur Freisetzung verschiedener ly-sosomaler und peroxidativer Enzyme sowie vonOxidanzien einschließlich H2O2 und deren Transferin die Phagosomen und in den Extrazellul�rraum.Zu den Enzymen gehçrt die Myeloperoxidase, diein peripheren neutrophilen Granulozyten bis zu 5%der Trockenmasse ausmacht. In den im Knochen-mark befindlichen, noch nicht ausgereiften Granu-lozyten kann der Gewichtsanteil der Myeloperoxi-dase noch hçher sein. Phenol, Hydrochinon und Ka-techol scheinen potenzielle Substrate dieser Peroxi-dase zu sein. „Oxidativer burst“ stimuliertermenschlicher Leukozyten f�hrt zur Umwandlungvon Phenol in Reaktionsprodukte, die kovalent anzellul�re Strukturen binden. In In-vitro-Studienwurden Biphenole und 4,40-Diphenochinon identifi-ziert. Katalase und Natriumazid unterbinden dieBildung derartiger Reaktionsprodukte vermutlichdurch Entgiftung des H2O2 bzw. durch Hemmungder Myeloperoxidase. Die Bindung wird außerdemdurch GSH und Ascorbins�ure unterbunden. BeideFaktoren haben die Eigenschaft eines Antioxidans,

    594 Kohlenwasserstoffe

    Tab. 25.1: Gemessene Benzolkonzentration in Blut und Gewebeund berechnete Benzolkonzentration im Fett dieser Gewebe vonRatten nach einer 6-h-Exposition gegen�ber 1,62 g Benzol pro m3

    Luft. Es ergibt sich das Bild einer Gleichverteilung. Die Berech-nung erleichtert die Absch�tzung der insgesamt vom Organismusretinierten Benzolmenge, wenn f�r die analytische Erfassung le-diglich Blut verf�gbar ist.

    Benzolgehaltin mmg/g Frisch-g/g Frisch-gewichtgewicht

    Fettgehalt inmg/g Gewebe

    Benzolgehaltin mmg/g Fettg/g Fett

    Blut 11,5 35 329

    Knochen-mark

    37,0 100 370

    Fettgewebe 164,4 600 274

    1000

    100

    10

    μg/g

    Milz

    ZNS

    Leb

    er

    Blu

    t

    Lun

    ge

    Nie

    re

    Kn

    och

    enm

    ark

    Fett

    gew

    ebe

    Abb. 25.1: Benzolkonzentrationen im Fließgleichgewicht bei ei-ner 6-h-Exposition von Ratten gegen�ber 1,62 g Benzol pro m3

    Luft. Die Konzentrationen sind in mg Benzol/g Frischgewicht an-gegeben (nach Rickert et al. 1979).

  • wodurch beispielsweise das Phenoxy-Radikal zuPhenol reduziert wird. In gleichen Tests wurde dieoxidative Umwandlung von Hydrochinon in 1,4-Benzochinon beobachtet. Auf die Myeloperoxida-se-abh�ngige Hydrochinonoxidation kann Phenolstimulierend einwirken. Neben der Myeloperoxida-se spielen vermutlich auch andere Peroxidasen so-wie die Hydroperoxidase-Komponente der Prosta-glandinsynthase eine Rolle bei der Hydrochinon-Aktivierung. Die Beeintr�chtigung der metaboli-schen Umwandlung von Benzol in der Leber durchandere Substanzen sowie eine partielle Hepatekto-

    mie mindern das Ausmaß Benzol-induzierter Effek-te. Toluol antagonisiert die h�matotoxischen undgenotoxischen Effekte von Benzol durch kompetiti-ve Hemmung mikrosomaler Biotransformationspro-zesse. Andererseits zeigen Tierexperimente auch,dass die Zufuhr beider Substanzen zu grçßeren neu-rotoxischen Effekten (Konzentrationserhçhung beibiogenen Aminen in verschiedenen ZNS-Regionen)f�hren als die Zufuhr der einen oder der anderenSubstanz allein. Ursache ist vermutlich die einge-schr�nkte Biotransformation, die sich daraus erge-bende verl�ngerte Halbwertszeit und zunehmende

    Aromatische Kohlenwasserstoffe 595

    6

    5

    1 2 3

    8

    7

    9 10 11 9

    4

    OH

    OO

    OH

    OH

    H

    O

    H

    O

    OH

    SG

    HOS

    OH

    O

    HO

    O

    OH

    OH

    OH

    GSH

    OSO3-

    NIH-shift

    OH

    OOH

    OHO

    COOH

    SULT UDP-GT

    EPHX1

    O

    OO

    O

    OH

    OH

    OH

    OHOH

    OH

    Cys – NHAc

    [Ox][Ox]

    [Red] [Red]

    Umlagerung

    CYP

    CYP CYP

    AKR

    Abb. 25.2: Biotransformation von Benzol in der Leber des S�ugetiers einschließlich reaktiver Intermedi�rprodukte und identifizierterMetaboliten. Wie am Beispiel des Phenols selbst gezeigt, werden phenolische Metaboliten in ausscheidbare Glucurons�ure- *11 undSchwefels�urekonjugate � umgewandelt. Benzol wird besonders durch CYP2E1 zum Arenoxid � oxidiert, das im tautomeren Gleichge-wicht mit dem Oxepin ` steht und nichtenzymatisch in Phenol oder durch mikrosomale Epoxidhydrolase (EPHX1) in das trans-Dihydro-diol ´ umgewandelt wird. Die Metaboliten 2 und 3 sowie Katechol ergeben nach Ringçffnung den trans,trans-Muconaldehyd ˆ, derzur trans,trans-Mucons�ure oxidiert wird. Das Arenoxid wird außerdem durch Glutathion S-Transferasen mit Glutathion konjugiert ˜.Aus dem Glutathionkonjugat (Pr�-Merkapturs�ure) entsteht Phenylmerkapturs�ure ¯. Die aus Phenol entstehenden Metaboliten 1,4-Hydrochinon und Katechol gehen durch schrittweise Oxidation in p- ˘ und o-Benzochinon ˙ �ber und bilden durch weitere Oxidationgemeinsam das 1,2,4-Trihydroxybenzol ¨. In der Maus zeigen sich nach Inhalation von 16 mg Benzol/m3 Luft unverh�ltnism�ßig hoheKonzentrationen an Hydrochinonkonjugaten und Mucons�ure, w�hrend nach Inhalation von 1900 mg Benzol/m3 vermehrt GSH- undPhenylsulfatkonjugate nachweisbar sind.

  • Konzentration beider Aromaten im ZNS. Die be-obachtete Neurotoxizit�t wird auf die Muttersubs-tanzen zur�ckgef�hrt. Die gleichzeitige Zufuhr vonBenzol und Blei oder Alkohol f�hrt zu einer Beein-tr�chtigung der H�m- und Proteinsynthese bei denVorstufen der roten Blutzellen.Die Eliminationskinetik des Benzols wird durch

    die hohe Biotransformationsrate und durch den ho-hen Dampfdruck (157,8 mbar bei 30 �C) bestimmt.Die Eliminationshalbwertszeit der unver�ndertenSubstanz in den Geweben der Ratte liegt zwischen0,4–0,8 h (Blut, Knochenmark, Leber, Lunge, Nie-re, Milz und ZNS) und 1,6 h (Fettgewebe). Die Eli-minationshalbwertszeit des Hauptmetaboliten Phe-nol im Blut betr�gt rund 1h. Im Gegensatz dazubleiben die Konzentrationen von Catechol und Hyd-rochinon im Blut �ber einen weiten Zeitbereichnach Expositionsende (9 h) nahezu unver�ndert.Die Ausscheidung des unver�nderten Benzols (ca.50%) erfolgt haupts�chlich �ber die Lunge (Exhala-tion). Im Tierexperiment zeigen sich mehrere Pha-sen mit zunehmender Halbwertszeit (Abb. 25.3).Die Halbwertszeit der initialen pulmonalen Elimi-nation entspricht derjenigen der Benzoleliminationim Blut. Sp�tere Eliminationsphasen haben deutlichl�ngere Halbwertszeiten. Ursache kçnnte ein nichtn�her charakterisiertes tiefes Kompartiment sein.

    Mit dem Urin werden haupts�chlich Phenol und invergleichsweise geringerer Menge Hydrochinon,Catechol, Trihydroxychinon, Mucons�ure in freierwie auch in konjugierter Form sowie Phenylmer-kapturs�ure ausgeschieden. Spuren des retiniertenBenzols erscheinen als CO2 in der abgeatmeten Luftund in metabolisierter Form in der Galle.

    Akute und chronische Toxizit�t

    EineBenzolkonzentration von rund2300 mg/m3Luftf�hrt nach 30–60 min zur Bewusstlosigkeit.65 000 mg/m3Luftkçnnenbereitsnach5–10mintçd-lich sein.ZentraldepressorischeWirkungenstehen imVordergrundderVergiftung.LeichtereFormenderIn-toxikation sind durch subjektive Befindlichkeitsstç-rungen (Schwindel, Benommenheit, Kopfschmerz,Brechreiz, Trunkenheitsgef�hl sowie Rauschzust�n-de und euphorische Gef�hle) gekennzeichnet. Bei la-biler Persçnlichkeitsstruktur kann aufgrund der eu-phorischenWirkungdieGefahr einerBenzolsuchtge-gebensein.SchwereFormenderVergiftungsind�ber-wiegend durch objektivierbare Stçrungen charakte-risiert (Tab. 25.2). In deren Verlauf kann ein Blutge-halt von 1–20 mg Benzol/l auftreten. Mikroskopischerkennbare Ver�nderungen des Blutbildes sind dabeinicht zu erwarten (kurze Expositionsdauer). Bei Auf-nahme großer Benzolmengen sind Sch�digungen vonLeberundNierenichtauszuschließen.Die chronische Exposition gegen�ber Benzol

    f�hrt zu einer Beeinflussung des h�matopoetischenSystems auf drei Ebenen, der Erythropoese, Leuko-poese und Thrombopoese (Tab. 25.3).Kasuistiken aus dem gewerblichen Bereich bele-

    gen bei l�ngerfristiger Exposition benzolinduzierteH�mopathien mit unterschiedlichem Schweregradund Verlauf. Die diagnostischen Kriterien �berlap-pen sich und kçnnen zeitbedingten faktischen �n-

    596 Kohlenwasserstoffe

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    t1/2 = 0,7 h

    5 10 15 20 25 30 35

    Zeit in Stunden

    t1/2 =13,1 h

    Abb. 25.3: Abnahme der von Ratten nach Beendigung der Expo-sition gegen�ber Benzol (6 h, 1,62 g/m3) retinierten Benzolmengedurch Abatmung (nach Rickert et al. 1979).Der biphasische Verlauf der Benzolelimination ist mathematischals 2-Kompartiment-Modell anzusehen. Das 1. Kompartiment ausBlut, Knochenmark, Leber, Lunge, Niere, Milz und ZNS eliminiertBenzol mit einer Halbwertszeit von t1=2 ¼ 0,7 h. Das 2., so ge-nannte tiefe Kompartiment aus Fettgewebe und Lipiden in ver-schiedenen Organen eliminiert Benzol mit einer Halbwertszeitvon t1=2 ¼ 13,1 h.

    Tab. 25.2: Symptomatik einer schweren Benzolvergiftung.

    Schwindel

    Schweißausbruch

    Kammerflimmern

    Absolute Arrhythmie

    Erbrechen

    Kr�mpfe

    Pupillenstarre

    L�hmungserscheinungen

    Kreislaufversagen (Todesursache)

  • derungen unterliegen. Als folgenschwere Zeichender Benzolvergiftung werden Panmyelophthise(Aplastisches Syndrom), Panmyelopathie und Pan-zytopenie sowie isolierte Zytopenien der drei h�ma-topoetischen Teilbereiche beschrieben. Die Unter-funktion des erythro-, leuko- oder thrombopoeti-schen Systems kann mit der �berfunktion eines an-deren Systems einhergehen. Andererseits kann dieBenzolexposition als erste Reaktion eine Prolifera-tionszunahme („initialer Reizzustand“) im erythro-poetischen oder leukopoetischen System auslçsen,der eine Unterfunktion folgt. Jedoch ist weder einebestimmte Reihenfolge noch eine Kombination derKnochenmarksch�digungen regelhaft zu erkennen.Myeloproliferative Ver�nderungen, denen gelegent-lich eine chronische Panzytopenie vorangeht, kçn-nen zur malignen Erkrankung, d. h. zu eine Leuk�-mie vom akuten myelogenen Typ f�hren. Bereits1977 wurde Benzol aufgrund seiner leuk�mogenenWirkung als Kanzerogen eingestuft.Expositionsdauer und -dosis sowie die Latenzpe-

    rioden bis zum Auftreten h�matotoxischer Effektesind nicht eindeutig zu quantifizieren. Eine Depres-sion der Blut bildenden Systeme kann sich bereitsinnerhalb weniger Monate manifestieren. Dabeikann die auslçsende Benzoldosis dem w�hrend derArbeitsschicht auftretenden Konzentrationsbereichvon 6,5 bis 81 mg/m3 entsprechen. Leukosen (Leu-k�mien) traten nach einer Expositionsdauer von 1,5bis 15 Jahren und einer Latenz von bis zu 12 Jahrennach Expositionsende auf. Die damit im urs�chli-chen Zusammenhang stehenden Benzolkonzentra-tionen erstreckten sich �ber den Bereich von durch-schnittlich 513 bis 1594 mg/m3. In einem Fall(chronische Leukose) wurde der untere Konzentra-tionsbereich mit 52 mg/m3 angegeben.

    Bei ausreichend hoher Benzolexposition vonVersuchstieren (Ratte, Maus) zeigen sich Verzçge-rungen im Zellzyklus und Ver�nderungen der mito-tischen Indizes im Knochenmark, Untergang vonStammzellen in spezifischen Phasen des Zellzyklus,Hemmung der zellul�ren Funktionen und Sch�denim funktionalen Aufbau des Knochenmarks, wo-durch Stammzellenproliferation und -differenzie-rung gestçrt werden. Die hemmende Wirkung vonBenzolmetaboliten auf die Zellteilung von Promye-lozyten, Myelozyten, Erythroblasten und Pronor-moblasten f�hrt zur Abnahme der Zellzahl. Hier-durch werden Stammzellen �ber Signalmechanis-men zur Differenzierung angeregt, was l�ngerfristigzu einer Verminderung des multipotenten Stamm-zellenpools (colony forming unit stem cell) f�hrenkann. Knochenmarkmakrophagen, die durch Pro-duktion h�matopoetischer Wachstumsfaktoren (In-terleukin 1 und 6, Erythropoetin) Stammzellenproli-feration auslçsen kçnnen, werden als Zielzellenmyelotoxischer Effekte des Hydrochinons und an-derer Benzolmetaboliten angesehen.In-vitro-Studien an Knochenmarkzellen von

    M�usest�mmen unterschiedlicher Empfindlichkeitgegen�ber Benzol (Atemluft) belegen eine hohe zy-totoxische Wirksamkeit von Benzochinon und Hyd-rochinon gegen�ber einer fr�hen Vorstufe derErythrozyten (colony forming unit-erythroid [CFU-e]). Deutlich geringer ist die Wirksamkeit des Cate-chols, der Mucons�ure und des Phenols. Die zytoto-xischen Effekte manifestieren sich besonders in dersp�ten DNA-Synthese (S) oder in der pr�mitoti-schen Ruhephase (G2) des Zellzyklus.

    Spezielle Toxikologie

    Reproduktionstoxizit�t

    Die subkutane Applikation von 3 ml Benzol/kg am13. Tag der Schwangerschaft f�hrt bei M�usen zuGaumenspalten und Kiefermissbildungen. Sechs-st�ndige Expositionen vom 6. bis zum 15. Tag derSchwangerschaft gegen�ber 950 bzw. 6900 mg/m3

    Luft verursachen bei Ratten eine verzçgerte Ossifi-kation, wovon weibliche Feten in grçßerem Aus-maß betroffen sind als m�nnliche Feten. Diese Ef-fekte wurden nicht beobachtet, wenn die Tiere ge-gen�ber etwa 320 mg/m3 exponiert waren. In denKeimzellen m�nnlicher Tiere ruft Benzol nach ein-maliger oraler Dosis (1 ml/kg) clastogene Ver�nde-rungen hervor. Trotz teratogener Eigenschaft gibtes keinen Hinweis auf einen Einfluss des Benzols

    Aromatische Kohlenwasserstoffe 597

    Tab. 25.3: H�matopoetische Stçrungen nach chronischer Ben-zol-Exposition.

    Benzol-induzierte Ver�nderungen des

    ErythropoetischenSystems

    LeukopoetischenSystems

    Thrombopoeti-schen Systems

    An�mie (aplast.) Neutropenie Thrombozyto-penie

    ErythroblastischeMyelose,akute Erythr�mie

    LeukopenieLeukozytoseLeukose (akute myelo-gene, akute myelo-blastische, chronischemyeloische, chroni-sche lymphatische)Lymphozytose

    Granulothrombopenien

  • auf die Zahl der Implantationen und Lebendgebur-ten.Bei Exposition gegen�ber 6900 mg/m3 (6 Stun-

    den t�glich vom 6. bis zum 15. Tag der Schwanger-schaft) sind Gewicht und L�nge der Feten stark be-eintr�chtigt. Diese Beeintr�chtigungen treten nichtbei Konzentrationen von 950 mg/m3 Luft und weni-ger auf. Es ist ungekl�rt, ob die fetotoxischen Effek-te durch eine reduzierte Futteraufnahme bei denMuttertieren verursacht werden.

    Mutagenit�t

    Durch kovalente Bindung reaktiver Benzolmetabo-liten (Hydrochinon, p-Benzochinon) an Zellkern-DNA (Deoxyguanosin) kçnnen biologisch stabileSch�den in somatischen Zellen gesetzt werden.Punktmutationen sowie chromosomale Deletionen,Inversionen oder Translokationen kçnnen ebenfallsbei Benzolexposition auftreten und zur Tumorent-stehung beitragen. Chromosomale Ver�nderungen,in die DNA-Segmente einbezogen sind, die grçßerals ein Gen sind, kçnnen Proto-Onkogene aktivierenoder Tumorsuppressorgene deaktivieren. Genotoxi-sche Sch�den, vermutlich ohne urs�chlichen Zu-sammenhang mit der Auslçsung von Krebs, schlie-ßen die Induktion von Mikronuklei in peripherennormochromatischen und polychromatischen Eryth-rozyten u