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Herzlich Willkommen

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1. Überblick: Vorlesungsinhalte

Freitag: 09.01.2009: Einführung und Geschichte der

Bildungspsychologie Voraussetzungen und Folgen von Bildung:

gesundes Aufwachsen: Bindung und Bildungkognitive Entwicklung: Piaget und Wygotski

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1. Überblick: Vorlesungsinhalte

Freitag: 09.01.2009: Voraussetzungen und Folgen von Bildung:

Implikationen für den Unterricht

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1. Überblick: Vorlesungsinhalte

Samstag: 10.01.2009:

Rolle der Gleichaltrigen und Rolle des Fernsehens: Peer-und Mediensozialisation

Werte und Wertentwicklung von jungen Erwachsenen Entwicklung und Förderung moralischer Bildung Kognitive Fähigkeiten, Bildung und Weisheit im Alter

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1. Überblick: Vorlesungsinhalte

Freitag: 23.01.2009: Lernen und Lernstörungen Lern- und Leistungsmotivation in der Schule:

Motivationsförderung Bildung und Erziehung Funktion und Wirkung von Bildungsinstitutionen:

Kindergarten, Schulen, Hochschulen

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1. Überblick: Vorlesungsinhalte

Freitag: 23.01.2009: Schule und Schulleistungsstudien:

PISA TIMMS IGLU

Migrantenkinder und ihr Scheitern am Bildungssystem: Erklärungen und Deutungen

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1. Überblick: Vorlesungsinhalte

Samstag: 24.01.2009: Interventionen bei Lern- und

Leistungsstörungen (Dyslexie, Dyskalkulie) Beratungspsychologie und ihre

Anwendungen Training sozialer Kompetenzen

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Was ist Bildung?

„Bildung hat der, „wer nicht mit der Hand arbeitet, sich richtig anzuziehen und zu benehmen weiß, und bei allen Dingen, von denen in der Gesellschaft die Rede ist, mitreden kann“ (Paulsen, 1903).

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Was ist Bildung?

Was meinen Sie? Ist Bildung nicht etwas Edleres, Höheres?

Etwa Selbstverwirklichung?

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Was ist Bildung? Oder Bildung doch lediglich kulturelles

Kapital, was einem dient, soziale Positionen zu erreichen oder erreichte auch zu behalten?

Ist Bildung nicht ein Disktinktionsmittel? Auch in akademischen Kreisen, um sich von den „Ungebildeten, vom „einfachen Volk“ abzusetzen?

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Was ist Bildung?

Zunächst einige historische und sozialpsychologische Annäherungen an Bildung und Bildungszielen.

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Was ist Bildung?

Unser Bildungsbegriff: deutliche Spuren seines ursprünglich

idealistischen Kontextes: Bildung als Auftrag an die Vervollkommnung des Einzelnen im bürgerlichen Zeitalter.

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Was ist Bildung? Bildung: sowohl Ideal als auch Kapital; Bildung hat sowohl

idealistische, Machtverhältnisse verschleiernde Züge, aber zugleich ist Bildung auch emanzipatorisch eine Ressource;

Bildung: bestens geeignet, gerade solche Ungleichheiten zu erkennen und zu analysieren; exemplarisch hierzu wären bspw.

die Arbeiten (und auch das Leben ) von Pierre Bourdieu.

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Was ist Bildung? Das klassische Bildungsideal des Humanismus: Einverleibung

der Welt in das Leben des Einzelnen; allseitige Entfaltung der Fähigkeiten (Bei Schiller, Herder,

Humboldt; aber auch das Ideal des jungen Marx); Formung des Menschen zur Vollkommenheit in Leib und Seele

(Säkularisierung des theologischen Dogmas der Gottesebenbildlichkeit des Menschen).

Bildung soll zur Perfektibilität, zu einer Selbstständigkeit im Denken und Urteilen führen

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Was ist Bildung? In Deutschland historisch Humboldt mit seinen

Bildungsreformen berühmt geworden: Als Direktor für Kultus und Unterricht reformierte er das Bildungswesen und führte das „Dreigliedrige Bildungssystem“ ein:

Elementarschule-Gymnasium-Universität; 1810 Gründung der Berliner Universität: Einheit von

Forschung und Lehre in der Hochschule; Freiheit der Lehre.

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Was ist Bildung? Humboldts Ziel, eine Trennung von Allgemeinbildung und

Berufsbildung; deshalb sollten Gymnasien nicht berufsbildend, sondern allgemeinbildend bzw. persönlichkeitsformierend sein.

Alternative Konzeption zum Verhältnis von Bildung und Arbeit bzw. Theorie und Praxis bietet der amerikanische Pragmatismus (James, Peirce, Mead, Dewey): wechselseitige Verschränkung von Wissenschaft und Sozialität;

Bildung direkt auf soziale Bedürfnisse ausgerichtet.

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Was ist Bildung?

Bildung: Sich-Bilden, um Kultur zu verstehen und Kultur zu schaffen;

über Wissenszuwachs natürlich auch Persönlichkeitsentwicklung;

Darüber hinaus: durch Bildung soziale Ungleichheit ausgleichen (egalitaristisches Moment von Bildung).

Bildung deshalb auch immer mit Emanzipation und Demokratie verknüpft.

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Was ist Bildung?

Bildung als Prozess: aktive Auseinandersetzung mit den Kulturgütern;

Ziel der Bildung: Reflexivität und Handlungsfähigkeit. Deshab: Bildung auch bereits im Kindergarten, in der Schule,

im Berufsleben, in den Einrichtungen der Erwachsenenbildung etc.

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Was ist Bildung? Historisch-philosophisch wichtige Kritik am idealistischen

Bildungsbegriff, der eine Orientierung an Kultur, Dichtern und Denkern nahelegt: Adorno/Horkheimer

Scheitern der bürgerlichen Bildung angesichts des Naziverbrechens; Orientierung an einem anderen Bildungsbegriff:

stärkere Befreiung des Einzelnen von kollektiven Abhängigkeiten;

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Was ist Bildung? Autonomie und kritisches Verhältnis des Einzelnen zu

Institutionen als vordringliches Bildungsziel.

Dialektik der Aufklärung erkennen: Kritik des blinden

Machbarkeitswahns, der technologischen Naturbeherrschung, der positivistischen Wissenschaftsgläubigkeit als Ziel der

„Kritischen Theorie“. „Die vollends aufgeklärte Erde strahlt im Zeichen triumphalen Unheils“

(Aus: Dialektik der Aufklärung).

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Was ist Bildung? Bildung zu thematisieren: weder neu noch

spektakulär; sie zieht sich durch die Menschheitsgeschichte

(s. Bibel; Platonische Dialoge (Menon, Theaitet, Staat), Goethes Faust (Am Anfang war das Wort…); Koran 1. Sure).

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Was ist Bildung? Besonders seit den 70-er Jahren des 20. Jh. an Dramatik zugenommen:

im Zuge sozialer Ungleichheitsdiskurse Versuche gestartet, diese über Bildung und Öffnung von Bildungsinstitutionen zu mildern.

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Was ist Bildung?

Egalitäre Gesellschaft über Bildung und Bildungschancen, über Erziehung zu bewerkstelligen (im Gegensatz zu revolutionären, am materiellen Kapital orientierten Ansätzen)

Veränderung der Verteilung des symbolischen Kapitals: dadurch ein gerechterer Zugang zur Verteilung des materiellen Kapitals (über anspruchsvolle Berufe und Tätigkeiten etc.) zu erzielen.

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Was ist Bildung?

Jedoch: Hoffnungen der 70-er Jahre nicht restlos erfüllt;

auch über Schul- und Bildungsreformen (Gesamtschulen, Bafög für ärmere Studenten etc.) ist die Reproduktion sozialer Ungleichheit nicht ganz aufgehoben worden; was bspw. eindeutig die PISA-Daten belegen;

auch im Arbeitsmarkt, so etwa dass zumeist Kinder von Spitzenmanagern wieder Spitzenmanager werden etc.

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Was ist Bildung?

Deutlich:

nicht nur Bildungszertifikate, sondern auch eine Vertrautheit mit bestimmten Lebensstilen, Entwicklung eines bestimmten Habitus, Netzwerke (Granovetter: „Stärke schwacher Bindungen“ für die Karriere), Empfehlungen etc. auch wichtige Kriterien des Erfolges im Leben.

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Was ist Bildung?

Nicht nur eine schichtspezifische Verzerrung bei der Verteilung gesellschaftlichen Reichtums, sondern auch eine interkulturelle Dimension; so sind bspw. Kinder aus Zuwandererfamilien nach wie vor mit deutlich schlechteren Ausbildungschancen konfrontiert.

S. Bsp. Experiment mit den variierten Namen bei der Bewerbung.

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Was ist Bildung?

Etwas zugespitzt könnte man sagen: Aus dem klassischen Topos:

„Das katholische Arbeitermädchen vom Lande“

ist heute der

„muslimische Junge in der Großstadt“

als Typus des Bildungsverlierers geworden

(zumindest in Deutschland: Wie ist es hier?).

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Bildung und soziale Ungleichheit:

Bildung auch ein Feld, über das soziale Ungleichheiten reproduziert werden: Während sich die früheren konfessionellen und Stadt-Land-

Disparitäten in Bezug auf Bildungsbeteiligung weitestgehend nivelliert haben, sind diese Unterschiede beim Besuch auf weiterführende Schulen noch vorhanden.

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Bildung und soziale Ungleichheit:

Zwar ist im historischen Trend der Anteil von Gymnasiasten von Arbeiterkindern gestiegen (so etwa von 7% auf etwa 12%

im Zeitraum von 1976 bis 1989), diese Steigerung jedoch bei Kindern der Mittelschicht bzw.

Angestelltenfamilien noch deutlicher (so etwa von 30% auf 40% im Zeitraum von 1976 bis 1989);

durch die Bildungsreform haben bei Angestelltenfamilien etwa ca. 9% mehr Kinder das Gymnasium, bei den Arbeiterfamilien etwa 5% mehr das Gymnasium besucht.

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Bildung und soziale Ungleichheit: Klassenspezifische soziale Ungleichheit wird heute

konsensuell fast in allen Bildungsstudien festgestellt. Bildungsarmut scheint sich auch von einer Generation zur

nächsten zu reproduzieren. Studien von Allmendinger (1999): 15 % der Söhne und 26%

der Töchter, deren Vater keinen Schulabschluss hatten, hatten auch selbst keinen Schulabschluss.

Hatte der Vater keinen Berufsabschluss, dann hatten 21% der Söhne und 54% der Töchter auch keinen beruflichen Abschluss.

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Herstellung sozialer Ungleichheit über die Konstruktion von Geschlecht

Bspw.: Schulbuchanalysen: Wie wird Weiblichkeit und Männlichkeit im Erwerbs- und Bildungsbereich diskutiert?

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Herstellung sozialer Ungleichheit über die Konstruktion von Geschlecht

Schulbuchanalysen: „Mädchen und Frauen werden in Abbildungen und Texten seltener

repräsentiert als Jungen und Männer; Frauen werden überwiegend als Hausfrau und Mutter dargestellt; Darstellungen berufstätiger Frauen beschränken sich auf sorgende und pflegende Berufe; dargestellte Frauen verfügen über geringere Entscheidungskompetenzen und materielle Ressourcen als dargestellte Männer; bereits Kinder werden mit scheinbar typisch weiblichen und männlichen Persönlichkeitsattributionen dargestellt, zum Beispiel Mädchen als lieb und sorgend, Jungen als aggressiv und durchsetzungsfähig“ (Löw, S. 71f.).

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Herstellung sozialer Ungleichheit über die Konstruktion von Geschlecht

Darüber hinaus: Forschung zum Arbeitsmarkt: Einkommensdifferenzen zwischen Männern und Frauen sind erheblich größer als Qualifikationsunterschiede: Frauen verdienen in allen Klassen weniger als Männer.

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Was ist Bildung?

Thematisierung von Bildung: historisch als ein humanistisches Projekt, als eine Selbstvervollkommnung des Menschen begriffen,

jedoch: hinter dem Bildungsdiskurs ganz stark auch ein wirtschaftliches Interesse:

Deutschland und auch Österreich als ein eher rohstoffarmes Land, das in Bildung als Ressource investieren muss; Bildung wird also auch als ein Konjunkturfaktor verstanden.

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Was ist Bildung?

Große Bildungsoffensiven in den USA bspw. ab Ende der 50-er Jahre auch in erster Linie über einen Wettbewerb um Vorherrschaft:

Sputnik-Schock, der zu einer groß angelegten Veränderung und Erneuerung der Bildungstechnologie führte; Abkehr von reformpädagogischen Ideen; hin zu technischer, kompetitiv ausgerichteter Exzellenzinitiativen.

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Was ist Bildung?

Gegenwärtig: der große Schub um Bildung durch die Veröffentlichung der PISA-Ergebnisse

Die Erkenntnis, dass ein Land wie Deutschland nur Mittelmaß ist, dass die Kinder eher leistungsschwach sind und eine starke Benachteiligung vor allem von Kindern aus ärmeren Familien groß ist und letztlich dadurch gesellschaftliche Ressourcen ungenutzt werden: Diskussion um eine Veränderung und Verbesserung.

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Was ist Bildung? An wirtschaftlichen Zielsetzungen orientierte Bildungspolitik:

Ziele der Bildung klar thematisiert (erfolgreicher Eintritt in das Wirtschaftsleben über den Erwerb notwendigen Wissens und der Kompetenzen),

jedoch Bestimmung des Wissens von wirtschaftlichen Zyklen und auch internationalen Verflechtungen der einzelnen Länder abhängig (z.B. gegenwärtig eine Aufwertung der Sinologie durch starke wirtschaftliche Beziehungen mit China; früher nur ein klassisches Orchideenfach)

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Was ist Bildung?

Druck internationaler Konkurrenz führt dazu, dass Bildung zu einem messbaren Gut mit internationalen Standards mutiert und nur noch marktrelevantes Wissen angestrebt wird.

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Ambivalenzen des Bildungssystems:

Bildungssystem vergibt Titel und Zertifikate, mit denen Zugangsberechtigungen und materielle Gratifikationen und Entlohnungen zu erwarten sind; es verschafft „kulturelles Kapital“;

Mit dem Anwachsen von Bildungsteilnehmern tritt auch eine relative Entwertung und Bedeutungsverlust der Diplome selbst ein, weil mit ihnen, durch die verschärfte Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt, an Titel nicht zugleich auch Stellen gebunden sind.

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Ambivalenzen des Bildungssystems: Demokratisierung der Bildungsabschlüsse: relative

Entwertung (heute insbesondere der Abschluss der Hauptschule).

Deshalb werden, neben dem kulturellen Kapital, um Zugang zum „höheren System“ zu bekommen, um den wirklichen Durchbruch zu schaffen, so Bourdieu, die „feinen Unterschiede“ relevant;

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Ambivalenzen des Bildungssystems:

Die „feinen Unterschiede“: neben dem kulturellen Kapital die Beherrschung bestimmter Lebensstile, aber auch materielles Kapital, damit Eltern ihr Kind nicht in das nächstbeste, sondern in das „allerbeste“ Gymnasium der Stadt schicken können; damit nicht irgendein Diplom, sondern bspw. in den USA von einer Elite-Universität (Harvard, Yale, Stanford, MIT etc.) erworben wird.

Nicht die Akkumulation kulturellen Kapitals, sondern verschiedener Kapitalsorten ist erforderlich, um die begehrten Spitzenspositionen zu bekommen.

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