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Vorlesung Handels- und Gesellschaftsrecht Prof. Dr. Florian Jacoby Folie 52 II. Abweichungen vom BGB AT 1. Zustandekommen von Verträgen Vertragsschluss durch zwei korrespondierende Willenserklärungen, §§ 145 ff. BGB Bloßes Schweigen grds. ohne Erklärungswert - Ausnahme: §§ 516 Abs. 2 S. 2, 545 BGB - Keine Ausnahme: „Beredtes Schweigen“ als konkludente Annahmeerklärung auslegbar (§§ 133, 157 BGB) - Keine Ausnahme: § 151 BGB, der auf Zugang verzichtet - Keine Ausnahme: § 663 BGB, lediglich Ersatz des Vertrauensschadens

1. Zustandekommen von Verträgen€¦ · - einem Kaufmann, der sich dem Antragenden ggü. zur Besorgung solcher Geschäfte erboten hat, geht ein solches Angebot zu - Erbieten: z

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    Folie 52

    II. Abweichungen vom BGB AT

    1. Zustandekommen von Verträgen• Vertragsschluss durch zwei korrespondierende

    Willenserklärungen, §§ 145 ff. BGB• Bloßes Schweigen grds. ohne Erklärungswert

    - Ausnahme: §§ 516 Abs. 2 S. 2, 545 BGB- Keine Ausnahme: „Beredtes Schweigen“ als konkludente

    Annahmeerklärung auslegbar (§§ 133, 157 BGB)- Keine Ausnahme: § 151 BGB, der auf Zugang verzichtet- Keine Ausnahme: § 663 BGB, lediglich Ersatz des Vertrauensschadens

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    II. Abweichungen vom BGB AT

    • Im Handelsrecht ist Schweigen grds. ebenfalls keine Willenserklärung

    • Interesse des Handelsverkehrs an rationaler Geschäfts-anbahnung und Vertrauensschutz erfordern allerdings weitere Ausnahmen

    - Schweigen als Annahme bei Angebot für Geschäftsbesorgung, § 362 HGB

    - Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben

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    Beispiel 12 (BGH NJW 1995, 1281)

    • Bank (Kl.) steht seit Jahren in Geschäftsbeziehungen mit Bekl.• Kredite i. H. v. 4 Mio. DM, schlechte Finanzsituation d. Bekl.• Längere Verhandlungen über Rückzahlung• Abschließende Besprechung: Wenn fristgerechte Ablösung durch

    Bekl., dann Teilerlass i. H. v. 400.000 DM – vorbehaltlich der internen Entscheidung der Kl.

    • Fernschreiben: Bekl. informiert Kl., dass sie ihre Schulden unter Abzug von 400.000 DM fristgerecht ablöse.

    • Bekl. überwies der Kl. Betrag i. H. v. über 3,6 Millionen DM• Zuständiges Gremium der Kl. entschied gegen Teilerlass • Die Kl. fordert deswegen Restbetrag• Die Bekl. meint, Restforderung der Kl. durch wirksamen

    Abschluss des Teilerlassvertrages erloschen

    Ist die Ansicht der Bekl. richtig?

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    Lösung Beispiel 12

    • Keine Vertragsschluss bei Besprechung, sondern Vorbereitung; ausdrücklicher Gremiumsvorbehalt

    • Vertragsabschluss durch nicht widersprochene Überweisung (sog. Erlassfalle)

    - Angebot durch Überweisung nebst Ankündigung, gleichzeitig erkennbarer Verzicht auf eine ausdrückliche Annahmeerklärung (§ 151 BGB)

    • Annahme der Kl. durch widerspruchslose Verbuchung des Überweisungsbetrages. Denn:

    � Zwar ist Stillschweigen auf ein Vertragsangebot auch im Handelsverkehr in der Regel nicht als Zustimmung zu werten.

    � Es muss aber als Zustimmung angesehen werden, wenn nach Treu und Glauben ein Widerspruch des Angebotsempfängers erforderlich gewesen wäre.

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    1. Zustandekommen von Verträgen

    a) Schweigen auf ein Angebot zur Geschäftsbesorgung

    • § 362 Abs. 1 S. 1 HGB: Geschäftsbesorgungskaufmann- Geschäftsbesorgung: selbständige Wahrnehmung fremder

    Vermögensinteressen (z. B. Handelsvertreter, Makler, Kommissionär, Spediteur, Banken),

    - bestehende Geschäftsverbindung (richtet sich nach dem Willen der Parteien).

    - Zugang eines Antrags über die Besorgung solcher Geschäfte

    - angebotenes Geschäft üblich für Gewerbebetrieb, aber nicht üblich für bisherige Geschäfte

    - hinreichendes Angebot (essentialia negotii)

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    1. Zustandekommen von Verträgen

    • Rechtsfolge, § 362 Abs. 1 S. 1 HGB

    - Untätigkeit gilt als Annahme des Antrags (Fiktion),

    - nur reines Schweigen, nicht anwendbar bei unklarer Antwort des Kaufmanns,

    - Vertrag kommt mit Inhalt des Angebots zustande,

    - Grenze ist Bösgläubigkeit des Antragenden.

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    Beispiel 13

    • A hat seit Jahren ein Girokonto bei der B-Bank.

    • A schreibt B, sie solle für ihn 100 Aktien kaufen.

    • Kundenberater K der Bank unternimmt nichts.

    • Der Preis der Aktien steigt.

    • A verlangt von B die Aktien zum alten Preis.

    • B weigert sich mit der Begründung, ihr Schweigen könne sie

    keinesfalls binden.

    Welche Rechte hat A gegen die B?

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    Lösung Beispiel 13

    A gegen B auf Herausgabe der Aktien zum alten Preis • AGL: §§ 675, 631 Abs. 2, 2. HS BGB• Vertrag entstanden?

    • Angebot A durch Brief

    • Annahme B: K hat nichts unternommen

    • Schweigen grds. ohne Erklärungswert

    • Ausn. § 362 Abs. 1 S. 1 HGB• Voraussetzungen erfüllt?

    - Bank z. Ztpkt. d. Zugangs Kaufmann nach § 1 HGB (+)- A braucht gemäß §§ 362 Abs. 1, 345 HGB nicht Kaufmann

    zu sein (einseitiges Handelsgeschäft)

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    Lösung Beispiel 13

    - Bringt Bank-Betrieb Besorgung von Geschäften für andere mit sich?

    � § 675 BGB: Übernahme einer tatsächlichen oder rechtlichen Tätigkeit für jemand anderen außerhalb eines bestehenden Dienstverhältnisses?

    � Bank übt Geschäftsbesorgungen aus, weil sie Zahlungs-, Überweisungs- und Einziehungsaufträge erledigt.

    - längerfristige Geschäftsbesorgung zwischen A und B

    - Aktienkauf gehört nach der Verkehrsanschauung normalerweise zum üblichen Geschäftskreis einer Bank.

    - keine unverzügliche Ablehnung

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    Lösung Beispiel 13

    • § 275 Abs. 1 BGB: Unmöglichkeit?- Bank kann zwar zu höherem Preis Aktien erwerben- Aber Pflicht aus dem Vertrag ist: Aktien zu bestimmter Zeit

    und zu bestimmten Kurs zu erwerben.

    - Herausgabepflicht der Papiere ist nur gesetzliche Folge, nicht Hauptleistungspflicht des Vertrages, vgl. §§ 667, 675 BGB.

    - Unmöglichkeit (+)

    • Ergebnis:A hat Anspruch auf SchE wegen nachträglicher Unmöglichkeit aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB

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    Beispiel 14

    Ändert sich in Beispiel 13 etwas, wenn der Kundenberater nicht

    für die Aktienkäufe zuständig war und nur vergessen hat, den

    Auftrag an den zuständigen Bankangestellten weiterzuleiten?

    Lösung 14

    Nein, weil nach § 278 BGB der Bank auch das Verschuldenihrer Erfüllungsgehilfen zugerechnet werden kann.

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    1. Zustandekommen von Verträgen

    a) Schweigen auf ein Angebot zur Geschäftsbesorgung• § 362 Abs. 1 S. 2 HGB: Erbieten bestimmter Besorgungen

    - einem Kaufmann, der sich dem Antragenden ggü. zur Besorgung solcher Geschäfte erboten hat, geht ein solches Angebot zu

    - Erbieten: z. B. durch Versenden von adressierten Werbedrucksachen, nicht öffentliche Anzeige oder Aushang

    - Antrag im Rahmen des Erbotenen

    - Essentialia negotii

    - gilt auch, wenn Gewerbebetrieb nicht auf die Besorgung von Geschäften gerichtet ist

    - keine unverzügl. Ablehnung [vgl. § 121 Abs. 1 S. 2 BGB]- analog für kaufmannsähnliche Personen

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    2. Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben

    a) Definition• An anderen Geschäftspartner gerichtetes Schreiben.

    • Bestätigender fixiert zuvor formlos geschlossenen Vertrag mit bestimmten Inhalt.

    • Empfänger muss unverzüglich widersprechen.

    • Ansonsten kommt Vertrag zu den genannten Bedingungen zustande.

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    2. Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben

    b) Herleitung

    • Handelsbrauch, § 346 HGB, der zu einem Vertragsschluss führt, falls nicht unverzüglich widersprochen wird:

    - Mündliche oder fernmündliche Vertragsschlüsse werden im Handelsverkehr zur Kenntnisnahme schriftlich bestätigt,

    - Ausschluss von Missverständnissen

    - Urkundsbeweis, § 416 ZPO

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    2. Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben

    c) Unterschied zu § 362 HGB

    • Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben fingiert Vertragsinhalt, aus Sicht des Bestätigenden liegt Vertragsschluss bereits vor.

    • § 362 HGB fingiert Schweigen als Annahme.

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    2. Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben

    d) Voraussetzungen

    • Persönlicher Anwendungsbereich- Empfänger:

    � Teilnahme an Handelsverkehr zumindest in kaufmannsähnlicher Weise (Schutz desjenigen, von dem kein kaufmännisches Verhalten erwartet wird)

    � z. B. Inso-Verwalter, GmbH-Geschäftsführer, Freiberufler

    � Kleingewerbetreibende im Einzelfall

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    2. Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben

    • Persönlicher Anwendungsbereich- Bestätigender:

    � BGH: Auch Erklärender muss zumindest in kaufmannsähnlicher Weise am Handelsverkehr teilnehmen, da ansonsten kein kaufmännisches Verhalten erwartet wird.

    � a. A.: Es kommt nicht auf die Person des Erklärenden an.

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    2. Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben

    • Vertrag zuvor aus Sicht des Bestätigenden in unförmlicher Weise geschlossen

    [Exkurs: Abgrenzung zur Auftragsbestätigung als besonderer Form der Annahme und Abweichung vom Angebot, die als neues Angebot gilt, § 150 Abs. 2 BGB]

    • Wiedergabe des wesentlichen Inhalts der Vertragsverhandlungen

    • Enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Vorverhandlungen und Zugang des Schreibens

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    2. Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben

    • Unverzüglicher Zugang beim Empfänger- § 130 BGB analog,- Kenntnis des Empfängers nicht erforderlich,

    • Schweigen des Empfängers- Kein unverzüglicher (§ 121 BGB) Widerspruch.- Drei Tage grds. ok, eine Woche grds. verspätet.

    • Schutzwürdigkeit des Bestätigenden (keine Arglist)- Bewusst falsche Wiedergabe,

    - Gravierende Abweichungen, bei denen nach Treu und Glauben nicht mit einer Zustimmung gerechnet werden durfte

    - Ausnahmetatbestand, daher: Beweislast beim Empfänger

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    2. Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben

    e) Rechtsfolge

    Vertrag gilt für beide Parteien als mit dem Inhalt des Bestätigungsschreibens zustande gekommen und es gilt, dass das Schreiben die Parteivereinbarungen vollständig wiedergibt.

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    Folie 72

    Beispiel 15a

    • Rahmenvertrag zwischen U und B; B beliefert U mit Stahl.

    • Am 29.03. kündigt B an, 290 t Stahl zu liefern.

    • U will nicht, weil Produktion überlastet.

    • Verhandlungen über Reduzierung der Liefermenge.

    • Am 08.04. schickt B Schreiben, Inhalt:- Vertrag sei ausgehandelt worden

    - Verhandlungsergebnis: 290 t Stahl

    - Bitte um Gegenzeichnung durch U

    • U reagiert nicht.

    • Ob tatsächliche Menge ausgehandelt wurde, ist streitig.

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    Folie 73

    Lösung 15a

    Vergütungspflicht aus § 433 Abs. 2 BGB –Kaufvertrag geschlossen?

    1. Rahmenvertrag?- (-), Keine Einigung über bestimmten Vertrag, sondern nur

    über allgemeine Bedingungen

    2. Verhandlungen zwischen 29.03. und 08.04.?- (-), keine Vereinbarung getroffen

    3. Kaufmännisches Bestätigungsschreiben?- U und B sind Kaufleute, § 1 HGB- Vertragsverhandlungen mit streitigem Inhalt haben

    zwischen den Parteien stattgefunden.

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    Folie 74

    Lösung 15a

    - Im Schreiben vom 08.04. Vertragsschluss bestätigt?

    - Auslegung „Bitte um Gegenzeichnung?“ (§§ 133, 157 BGB) � Entweder (+) wegen „nachstehend aufgeführter Vertrag

    geschlossen“, also bloßer urkundlicher Beweis für Bestätigungsschreiben und Vertragsschluss

    � Oder (-), da „Bitte um Gegenzeichnung“, also Verbindlichkeit nur mit Gegenbestätigung.

    � Stellungnahme: Mitteilung, dass Vertrag geschlossen wurde; keine Gegenzeichnung für Vertragsschluss, sondern zur Beweiserleichterung.

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    Folie 75

    Lösung 15a

    - Enger zeitlicher Zusammenhang.

    - Kein Widerspruch des U.

    - Vertrag zustande gekommen.

    4. Rechtsfolge:Zahlungspflicht besteht, § 433 Abs. 2 BGB

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    Folie 76

    Beispiel 15b (BGH NJW 1973, 2106)

    • Längere Verhandlungen über Kauf eines Wärmehaltesilos: Übereinstimmung über Art und Ausstattung der in Betracht kommenden Anlage sowie über Kaufpreis und Zahlungsweise.

    • Inhaber der beklagten GmbH behielt sich eine endgültige Entscheidung über Vertragsabschluß vor.

    • Dann bestellte die Beklagte die Anlage unter Verwendung ihrer formularmäßigen „Einkaufsbedingungen“:

    „Unsere Aufträge […] erfolgen auf Grund unserer Einkaufsbedingungen. Anderslautende formularmäßige Bedingungen des Auftragsnehmers sind nur dann gültig, wenn sie von uns schriftlich bestätigt werden.“

    • Kl. übersandte der Bekl. dann „Auftragsbestätigung“ mit formularmäßiger Bezugnahme auf beigefügte „Verkaufs- und Lieferungsbedingungen“; Annahme mit Lieferfrist; Nach Verkaufs-und Lieferungsbedingungen der Kl. Waren die Lieferfristangaben lediglich annähernd und unverbindlich; Schadensersatzanspr. wegen verspäteter Lieferung ausgeschlossen.

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    Folie 77

    Beispiel 15b (Forts.)

    • Keine Lieferung in Frist

    • Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf ihren Bestellscheinsetzt Bekl. Kl. in Verzug und verlangt für Lieferung nach bestimmten Termin SE wegen Verzögerung der Leistung.

    • Im Schriftwechsel verwies Klägerin auf ihre Verkaufs- und Lieferungsbedingungen, die Ansprüche auf SE ausschließen.

    • Beklagte beharrte auf ihrem Rechtsstandpunkt.

    • Weit nach dem Eintritt der Fälligkeit wurde Silo ausgeliefert und von der Beklagten in Betrieb genommen.

    • Bekl. behielt von dem vereinbarten Kaufpreis einen Betrag von 30.000 DM als Verzugsschaden ein.

    Ist die Klage auf Zahlung i. H. v. 30.000 DM begründet?

  • Vorlesung Handels- und GesellschaftsrechtProf. Dr. Florian Jacoby

    Folie 78

    Lösung Beispiel 15b

    • Zunächst ist kein Vertrag zustande gekommen.

    • Bestätigung der Bekl. ist kein kaufmännisches Bestätigungsschreiben: Abweichung nach § 150 Abs. 2 BGB ist neues Angebot.

    • Angebot nicht durch bloßes Schweigen durch Kl. angenommen.

    • Inbetriebnahme ist, wegen des ausdrücklichen Hinweises auf AGB, keine konkludente Annahme der Bekl.

  • Vorlesung Handels- und GesellschaftsrechtProf. Dr. Florian Jacoby

    Folie 79

    Lösung Beispiel 15b

    • Vertrag gänzlich ohne AGB: § 306 Abs. 2 BGB -dispositives Gesetzesrecht (battle of the forms)

    • Vertragsschluss aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) oder Dissens (§ 155 BGB).

    Ergebnis:Bekl. hat zu Recht Anspruch aus Verzug aus §§ 280 Abs. 1 u. 2, 286 BGB einbehalten – Klage ist unbegründet.

  • Vorlesung Handels- und GesellschaftsrechtProf. Dr. Florian Jacoby

    Folie 80

    Form des KBS

    • Formarten (Auswahl)- Schriftform, § 126 BGB- Elektronische Form, § 126a BGB- Textform, § 126b BGB- Notarielle Beurkundung, BeurkG, § 128 BGB

    • Form des KBS- Verkörperung erforderlich

    - Beweiskraft des § 416 ZPO/Schriftform nicht nötig- also Textform hinreichend

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    Folie 81

    BGH v. 27.1.2011 - VII ZR 186/09

    Der Vertretene, der auf Einladung zu einem Termin zur Verhandlung über einen bereits geschlossenen Vertrag einen Vertreter ohne Vertretungsmacht entsendet, muss sich dessen Erklärungen nach den zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben entwickelten Grundsätzen zurechnen lassen, wenn er den im über die Verhandlung erstellten Protokoll enthaltenen und unterschriebenen Erklärungen des Vertreters nicht unverzüglich nach Zugang des Protokolls widerspricht.

  • Vorlesung Handels- und GesellschaftsrechtProf. Dr. Florian Jacoby

    Folie 82

    Beispiel 16 (BGH NJW 1954, 105)

    • Vertreter der Kl., L., wollte mit Bekl. über Ankauf von Altmetallbeständen verhandeln.

    • Der Inhaber der Bekl. wie auch L. unterschrieben Schriftstück mit Daten über Ware, deren Preis, Zeit, Art und Weg ihrer Lieferung.

    • Kl. bestätigte später durch Schreiben Kauf der genannten Mengen.

    • Bei Lieferungs- und Zahlungsbedingungen weicht dieses Schreiben wesentlich vom ersten Schriftstück ab.

    • Bekl. hat nicht geantwortet.

    Kann die Bekl. den Vertrag mit der Begründung anfechten, sie habe sich in einem Irrtum über die Rechtsfolgen des Schweigens befunden?

  • Vorlesung Handels- und GesellschaftsrechtProf. Dr. Florian Jacoby

    Folie 83

    3. Exkurs: Anfechtbarkeit einer Willenserklärung durch Schweigen

    a) Anfechtung nach § 142 BGB – Voraussetzungen• Anfechtungserklärung gegenüber richtigem

    Anfechtungsgegner, § 143 BGB• Anfechtungsgründe in §§ 119, 120, 123 BGB

    - Arglistige Täuschung oder Drohung (§ 123 BGB)- Erklärungsirrtum (§ 119 Abs. 1, 2. Alt. BGB)- Inhaltsirrtum (§ 119 Abs. 1, 1. Alt. BGB)- Eigenschaftsirrtum (§ 119 Abs. 2 BGB)- Übermittlungsirrtum (§ 120 BGB)

    • Anfechtungsfrist nach §§ 121 oder 124 BGB

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    Folie 84

    Lösung Beispiel 16

    • Irrtum über rechtlich bindende Wirkung des Schweigens

    • Nicht anfechtbar, weil Anfechtung von sich aus dem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen Vertrauensschutz wieder durchbrechen würde

    • Ergebnis: Die Bekl. kann nicht anfechten.

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    Folie 85

    3. Exkurs: Anfechtbarkeit einer Willenserklärung durch Schweigen

    b) Irrtum über den Inhalt des Bestätigungsschreibens

    Str.:

    • (-): Bestätigungsschreiben soll Zweifel über Vertragsinhalt ausräumen, deshalb sorgfältig zu lesen.

    • (+): Schweigender kann nicht stärker gebunden werden als derjenige, der ausdrücklich etwas erklärt.

  • Vorlesung Handels- und GesellschaftsrechtProf. Dr. Florian Jacoby

    Folie 86

    4. Allgemeine Handelsbräuche, §§§§ 346 HGB

    a) Definition• Handelsbräuche sind kaufmännische Verkehrssitten (vgl. § 157

    BGB), die auf einer gleichmäßigen, einheitlichen und tatsächlichen Übung der beteiligten Verkehrskreise beruhen.

    b) Rechtsfolge• Keine Rechtsnorm, kein Gewohnheitsrecht, aber rechtliche

    Verpflichtung aus § 346 HGB, auch wenn Parteien sie nicht wollten oder kannten.

    • Verdrängen dispositives, nicht zwingendes Recht.

    • Bedeutung für die Auslegung von Verträgen.

  • Vorlesung Handels- und GesellschaftsrechtProf. Dr. Florian Jacoby

    Folie 87

    4. Allgemeine Handelsbräuche, §§§§ 346 HGB

    c) Vergleich

    Geltung zwi-schen Parteien, verdrängt nur dispositives

    Recht

    Geltung für den Rechtskreis,

    verdrängt nur dispositives

    Recht

    Geltung für den Rechtskreis,

    dispositiv oder zwingend

    Allgemeine Geltung,

    dispositiv oder zwingend

    Rechtsfolgen

    Vertragliche Einbeziehung

    Dauernde Übung der

    Verkehrskreise

    Rechts-überzeugung

    LegislativaktGeltungsgrund

    VertragsklauselKeine Rechts-norm, aber tatsächliche

    Verkehrssitte

    Rechtsnorm kraft dauernder

    Übung

    RechtsnormCharakter

    AGBHandelsbr.GewohnheitsRGesetz

  • Vorlesung Handels- und GesellschaftsrechtProf. Dr. Florian Jacoby

    Folie 88

    4. Allgemeine Handelsbräuche, §§§§ 346 HGB

    d) Beispiele

    • „Nachnahme“ bedeutet, dass der Käufer bei Übergabe der Ware durch Barzahlung zu leisten hat.

  • Vorlesung Handels- und GesellschaftsrechtProf. Dr. Florian Jacoby

    Folie 89

    Beispiel 17 ( BGH NJW 1995, 1959)

    • Die Kl. kaufte von Bekl. tiefgefrorene ungarische Himbeeren

    • Vertrag mit folgendem Passus: „Richtige und rechtzeitige Selbstbelieferung vorbehalten.“

    • Bekl. hatte ihrerseits Beschaffungsvertrag mit Firma F geschlossen.

    • F konnte nicht liefern.

    • Kl. will von Bekl. SE statt der Leistung

    Zu Recht?

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    Folie 90

    Lösung Beispiel 17

    • Verkäufer wird von seiner Lieferpflicht befreit, wenn er ein kongruentes Deckungsgeschäft abgeschlossen hat und sein Lieferant nicht liefert.

    • Kongruent ist das Geschäft, wenn der Verkäufer verbindlichen Einkaufsvertrag abgeschlossen hat, der ihm Erfüllung seiner Lieferpflicht ermöglicht, der auf Waren gleichartiger Menge und Qualität gerichtet ist und dessen Liefertermin auf den Letztvertragabgestimmt ist.

    Ergebnis:

    Selbstbelieferungsvorbehalt schließt SE-Anspruch aus §§ 280Abs. 1, 3, 283 aus

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    Folie 91

    4. Allgemeine Handelsbräuche, §§§§ 346 HGB

    e) International Commercial Terms (Incoterms) der int. Handelskammer in Paris (ICC) – Beispiele

    • FOB (free on board): Der Verkäufer trägt Gefahr und Kosten des Untergangs oder der Beschädigung der Ware bis zur Verladung auf das Schiff.

    • CIF (coast, insurance, freight): Der Verkäufer trägt Kosten, Versicherung und Fracht bis zum Löschen der Ware im Bestimmungshafen.

    • EXW (ex works): Der Verkäufer ist lediglich verpflichtet, die Ware auf seinem Grundstück zur Abholung bereit zu stellen, der Käufer hingegen trägt Gefahr und Kosten, des Abtransport der Ware von dort.

    • DDP (delievered duty paid): Der Verkäufer ist verpflichtet, auf eigene Kosten und Gefahr die Ware verzollt am Bestimmungsort abzuliefern und die Belege dafür zu erbringen.

  • Vorlesung Handels- und GesellschaftsrechtProf. Dr. Florian Jacoby

    Folie 92

    5. Stellvertretung im Handelsrecht

    a) Grundsätze des BGB, §§ 164 ff. BGB

    • Eigene Willenserklärung

    • Im fremden Namen

    • Mit Vertretungsmacht- Umfang kann Vertretener beliebig festlegen.

    - Überschreitung der Vertretungsmacht: Nach § 177 Abs. 1 BGB ist der Vertretene grds. nicht gebunden.

    - Guter Glaube an Vertretungsmacht grds. nicht geschützt, Ausn. in den §§ 170 – 173 BGB.

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    Folie 93

    5. Stellvertretung im Handelsrecht

    • Handelsverkehr fordert rasche Abwicklung, gesteigerten Vertrauensschutz.

    • HGB ergänzt daher das BGB-Stellvertretungsrecht durch typisierte (inhaltlich festgelegte) Vertretungsformen:

    - Prokura, §§ 48 ff. HGB- Handlungsvollmacht, §§ 54 f. HGB- Ladenvollmacht, § 56 HGB

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    Folie 94

    Beispiel 18

    P ist Prokurist des Kaufmanns K. Bei der Erteilung hat K ihn ausdrücklich darauf hingewiesen, er dürfe nur Geschäfte bis zu einem Volumen von 5.000 € ohne Rücksprache mit ihm abschließen.

    Wie ist die Rechtslage, wenn P einen Kaufvertrag über 10.000 € mit dem gutgläubigen Verkäufer V abschließt, den K nicht gegen sich gelten lassen will?

  • Vorlesung Handels- und GesellschaftsrechtProf. Dr. Florian Jacoby

    Folie 95

    5. Stellvertretung im Handelsrecht

    b) Prokura, §§ 48 ff. HGBAllgemeines

    - Die Prokura ist Sonderform der Vollmacht nach § 166 Abs. 2 BGB.

    - BGB gilt subsidiär, etwa : Trennung zwischen Innen- und Außenverhältnis. Erlöschen der Vollmacht ist Ausnahme von diesem Trennungsprinzip, denn mit Erlöschen des zugrunde liegenden Innenvertrags (z. B. §§ 611, 662 BGB) erlischt Vollmacht, § 168 S. 1 BGB.

    - Missbrauchsgefahr durch Typizität: Wenn Vertreter im Innenverhältnis nicht so weitgehend befugt (rechtliches Dürfen), wie die Prokura im Außenverhältnis (rechtliches Können) reicht.

  • Vorlesung Handels- und GesellschaftsrechtProf. Dr. Florian Jacoby

    Folie 96

    Lösung 18

    • V hat einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung gegen K, denn der Kaufvertrag ist wirksam zustande gekommen. Die Beschränkung im Innenverhältnis wirkt nach außen hin nicht, § 50 Abs. 1 HGB.

    • K kann aber aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB gegen P Regress nehmen.

  • Vorlesung Handels- und GesellschaftsrechtProf. Dr. Florian Jacoby

    Folie 97

    5. Stellvertretung im Handelsrecht

    b) Prokura, §§ 48 ff. HGBErteilung

    - Grds. nach den §§ 167 ff. BGB mit Abweichungen.- Nur Kaufleute können Prokura erteilen.

    - Nur ausdrückliche und persönliche Erteilung.

    - Nach § 140 BGB kann eine unwirksam erteilte Prokura in gewöhnliche Vollmacht umgedeutet werden.

  • Vorlesung Handels- und GesellschaftsrechtProf. Dr. Florian Jacoby

    Folie 98

    5. Stellvertretung im Handelsrecht

    • Keine Duldungsprokura

    • Exkurs: Duldungs- und Anscheinsvollmacht- Auftreten von gewisser Dauer und Häufigkeit

    - Im Namen des geschäftsfähigen Geschäftsherrn

    - Dieser kennt und duldet das Auftreten seines Vertreters bzw. könnte es erkennen und verhindern

    - Geschäftsgegner nicht bösgläubig

    - Duldungsvollmacht: Rechtsschein od. konkludente Vollmacht?

    - Anscheinsvollmacht: Haftung auf Erfüllung od. aus c. i. c.?

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    Folie 99

    Beispiel 19

    Autohändler A hat zwei fähige Mitarbeiter: B und C, die er

    keinesfalls verlieren möchte.

    a) Deswegen nimmt er hin, dass B mehrfach Verträge mit „ppa.“ zeichnet. Ist B Prokurist?

    b) Auch entgeht ihm fahrlässig, dass C Verträge mit dem Dritten D mit „ppa.“ unterschreibt. Ist C Prokurist?

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    Lösung 19

    a) Eine Duldungsprokura gibt es nicht, es liegen aber die Voraussetzungen einer Duldungsvollmacht vor.

    b) Weil der gutgläubige D zu schützen ist, verfügt C im Verhältnis zu ihm – und nur zu ihm – über eine Anscheinsvollmacht. Dritte bedürfen dieses Schutzes hingegen nicht.

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    Folie 101

    5. Stellvertretung im Handelsrecht

    b) Prokura, §§ 48 ff. HGBEintragung in das Handelsregister

    - Pflicht zur Eintragung aus § 53 Abs. 1 HGB.- Eintragung nur deklaratorisch.

    - Auch Beschränkungen eintragungspflichtig.

    - Person des Prokuristen

    Nur natürliche Personen, wegen Vertrauensstellung zwischen Prinzipal und Prokuristen – bei jur. Person würde über deren Geschäftsführer Austauschbarkeit eintreten.

    - Zeichnung nach § 51 HGB

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    5. Stellvertretung im Handelsrecht

    b) Prokura, §§ 48 ff. HGBUmfang

    - Im Interesse des Verkehrsschutzes gesetzlich festgelegt.

    - § 49 HGB: Vollmacht für alle Geschäfte, die ein – nicht das bestimmte – Handelsgewerbe mit sich bringt, auch ungewöhnliche und nicht alltägliche Geschäfte.

    - Beschränkungen des Umfangs sind Dritten ggü. grds. unwirksam, § 50 HGB.

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    Folie 103

    5. Stellvertretung im Handelsrecht

    Beispiele:

    Personal anstellen, anderen Angestellten Handlungsvollmacht

    erteilen, Darlehen aufnehmen und einräumen,

    Schenkungen machen und fremde Verbindlichkeiten übernehmen,

    in neue Branchen gehen, auch den alten Geschäftszweig ändern,

    Zweigniederlassungen errichten und schließen, den Geschäftssitz

    verlegen, Unternehmen und Beteiligungen erwerben, Prozesse

    führen, Prozessvollmacht erteilen, Strafantrag in geschäftlichen

    Dingen stellen.

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    Folie 104

    5. Stellvertretung im Handelsrecht

    • Nicht von der Prokura umfasst:

    - Privatangelegenheiten d. Prinzipals (§ 344 HGB analog)- Grundlagengeschäfte: Geschäfte, die nicht dem Betrieb

    dienen, wie seine Veräußerung oder gänzliche Einstellung, sowie die Firmenänderung oder den Gesellschafterwechsel

    - Prinzipalgeschäfte: Geschäfte, die vom Sinn und Zweck dem Geschäftsherrn überlassen bleiben müssen, wie die Prokuraerteilung selbst

    - Veräußerung und Belastung von Grundstücken, § 49 Abs. 2 HGB.

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    Folie 105

    Beispiel 20

    Prokurist P erwirbt zur Erweiterung des Betriebsgeländes ein

    Nachbargrundstück. Der Kaufmann K will das Geschäft seines

    Prokuristen nicht gegen sich gelten lassen.

    Zu Recht?

    Lösung:

    Nein, denn Wortlaut und auch der Sinn und Zweck von

    § 49 Abs. 2 HGB, der nur vor einer Verminderung deswerthaltigen Immobilienvermögens schützen will, gebieten es, den

    Erwerb als von der Prokura umfasst anzusehen.

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    Folie 106

    Beispiel 21

    Wie ist Beispiel 20 zu beurteilen, wenn Prokurist P sich in

    einem der Form von § 311b Abs. 1 S. 1 BGB entsprechendenKaufvertrag verpflichtet, das Betriebsgrundstück an den Dritten D zu

    veräußern?

    Geschäftsherr G weigert sich und beruft sich auf den Wortlaut von

    § 49 Abs. 2 HGB. D meint, dieser spreche nur von Verfügungen, nicht aber von einem Verpflichtungsvertrag.

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    Folie 107

    Lösung 21

    Der Wortlaut von § 49 Abs. 2 HGB ist im Wege einer teleologischen Extension (Analogie) auf diesen Fall anwendbar. Ansonsten würde der Schutz des Geschäftsherrn aus § 49 Abs. 2 HGB leerlaufen.

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    Folie 108

    Beispiel 22

    Ändert sich in Beispiel 20 etwas, wenn V und P in Kenntnis der Beschränkung einen Vertrag zu den oben genannten Konditionen geschlossen haben?

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    Folie 109

    5. Stellvertretung im Handelsrecht

    b) Prokura, §§ 48 ff. HGBUmfangsbeschränkung (Missbrauch der Vertretungsmacht)

    - Beschränkungen des Umfangs sind Dritten ggü. grds. unwirksam, § 50 Abs. 1 HGB.

    - Beschränkung schlägt aber auf das Außenverhältnis durch, wenn Dritter und Prokurist arglistig zusammenwirken (Kollusion, §§ 138, 826 BGB).

    - oder, wenn Missbrauch erkennbar war oder erkannt wurde

    � e. A.: Objektive Erkennbarkeit für Dritten

    � a. A.: zudem subjektive Kenntnis des Prokuristen

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    Folie 110

    5. Stellvertretung im Handelsrecht

    Rechtsfolge des Missbrauch ist umstritten:

    - e. A.: Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts beliebt unberührt; Prinzipal hat Einrede des Rechtsmissbrauchs und der Sittenwidrigkeit aus §§ 138, 242 BGB

    - a. A.: analoge Anwendung der Regeln für den Vertreter ohne Vertretungsmacht, §§ 177 ff. BGB

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    5. Stellvertretung im Handelsrecht

    Stellungnahme: Wegen Vergleichbarkeit der Interessenlagen und der planwidrigen Regelungslücke sind §§ 177 ff. BGB analog heranzuziehen – Wenn Prinzipal Geschäft will, gibt es keinen Grund die Wirksamkeit abzulehnen:

    - Schwebende Unwirksamkeit, § 177 BGB analog- Dritter kann bis zur Genehmigung widerrufen, § 178 BGB analog- Wenn Dritter wusste, dass Prokurist nicht zur Vornahme des

    Geschäfts bevollmächtigt, § 179 Abs. 3 BGB analog.- Überwachungsverschulden aus c. i. c. kann als Gegenanspruch

    berücksichtigt werden, §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 254 BGB.

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    Folie 112

    Lösung 22

    Entweder man folgt Teilen der Rspr. und versagt es dem Dritten, sich auf die Vertretungsmacht gemäß § 242 BGB zu berufen oder man folgt richtigerweise wegen der Privatautonomie der Lit. und wendet §§ 177 ff. BGB analog an, mit der Folge, dass der Vertrag schwebend unwirksam ist.

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    Folie 113

    5. Stellvertretung im Handelsrecht

    b) Prokura, §§ 48 ff. HGBSonderformen der Prokura

    - Gesamtprokura, §§ 48 Abs. 2 HGB: Sonderform der Gesamtvertretungsmacht - im Außenverhältnis können nur mehrere Prokuristen zusammen handeln.

    - Aktivvertretung: Willenserklärung muss von jedem Gesamtprokuristen abgegeben werden. Einzelermächtigung des einen an den anderen Gesamtvertreter möglich!

    - Passivvertretung: In analoger Anwendung von §§ 125 Abs. 2, S. 3 und Abs. 3 S. 2 HGB ist jeder Gesamtprokurist allein zur Entgegennahme befugt.

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    Folie 114

    5. Stellvertretung im Handelsrecht

    Sonderformen der Prokura (Forts.)

    - Gemischte Prokura: Prokurist kann nur mit einem Gesellschafter zusammen wirken.

    - Filialprokura: Wenn ein Unternehmen mehrere Filialen hat, kann die Prokura sachlich auf eine oder mehrere Niederlassungen beschränkt werden, § 50 Abs. 3 HGB.Beispiel: P ist Prokurist der Zweigniederlassung „Mercedes-Benz Niederlassungsverbund OWL“, einer Zweigniederlassung der Daimler AG.

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    5. Stellvertretung im Handelsrecht

    b) Prokura, §§ 48 ff. HGB• Gründe des Erlöschens der Prokura

    - Tod des Prokuristen, nicht des Prinzipals, § 52 Abs. 3 HGB- Beendigung des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses,§ 168 S. 1 BGB

    - Insolvenz des Prinzipals, § 115 InsO- Widerruf, § 52 Abs. 1 HGB- Einstellung des Handelsgeschäfts

    • Rechtsfolge des Erlöschens- Prokurist ist Vertreter ohne Vertretungsmacht, §§ 177 ff. BGB; Eintragung

    ist nur deklaratorisch.

    - Dritter ggf. über negative Publizität des Handelsregisters (§ 15 Abs. 1 HGB) geschützt (dazu Teil D in der Vorlesung).

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    Beispiel 23 (BGH NJW 1968, 1379)

    • K e. K. erteilt P mündlich Prokura, dieser muss bei Geschäften über 1.000 € mit K Rücksprache nehmen.

    • V bietet P ein MacBook Air für 1.500 € an.

    • V hätte mit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt den Missbrauch der Prokura erkennen müssen.

    • P unterzeichnet bewusst zum Nachteil des K mit seinem eigenen Namen und dem Namenszusatz „ppa“ den Vertrag auf Briefpapier der Firma

    • K will Kaufpreis nicht zahlen:- Laptopkauf nicht typisch für Klempnereigewerbe,

    - K kann das Gerät nicht gebrauchen.

    Wie ist die Rechtslage?

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    Folie 117

    Lösung 23

    • Nach § 50 Abs. 1 HGB kann K dem V die interne Beschränkung der Prokura grds. nicht entgegenhalten, Verkehrsschutz setzt nicht voraus, dass es sich um ein typisches Geschäft für das Handelsgewerbe handelt oder das Gerät eingesetzt werden kann.

    • V hätte aber erkennen müssen, dass P mit ihm keinen Vertrag schließen durfte

    - Lit.: Keine Genehmigung des schwebend unwirksamen Vertrags,§ 177 Abs. 1 BGB.

    - Rspr.: Wirksamer Vertrag, aber Einrede der Rechtsmissbräuchlichkeit,§ 242 BGB

    • Gegen P hat V aus § 179 Abs. 1 BGB keine Ansprüche: V handelte grob fahrlässig, § 179 Abs. 3 S. 1 BGB

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    Folie 118

    5. Stellvertretung im Handelsrecht

    c) Handlungsvollmacht, § 54 HGB• Definition

    - Handlungsvollmacht ist jede Vollmacht, die vom Kaufmann im Rahmen seines Handelsgewerbes erteilt wird, die nicht Prokura ist.

    - Beispiele: Filialleiter, Ein- o. Verkäufer, Kassierer, Kellner

    • Zeichnung mit i. V. oder i. A., § 57 HGB• Erteilung

    Die §§ 167, 171 BGB gelten ohne Modifikationen; auch konkludent und formlos; auch an jur. Personen

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    Folie 119

    5. Stellvertretung im Handelsrecht

    c) Handlungsvollmacht, § 54 HGB• Umfang

    - Typisierte Vollmacht mit dem Umfang des § 54 Abs. 1 HGB- Vermutungsregel, die sich auf den Inhalt, nicht auf das

    Bestehen der Vollmacht bezieht – drei Vollmachtstypen:

    � Generalhandlungsvollmacht

    „Kleine Prokura“, die zu sämtlichen branchenüblichen Geschäften, die der gesamte Betrieb des bestimmten Handelsgewerbes gewöhnlich mit sich bringt, ermächtigt.

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    Folie 120

    5. Stellvertretung im Handelsrecht

    � Arthandlungsvollmacht

    Ermächtigung zu gewöhnlichen und arttypischen Geschäften, die der Betrieb des bestimmten Handelsgewerbes gewöhnlich mit sich bringt,

    z. B. Schalterangestellter einer Bank.

    � Spezialhandlungsvollmacht

    Ermächtigung zu allen Rechtsgeschäften, die ein einzelnes und bestimmtes Geschäft gewöhnlich mit sich bringt.

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    Folie 121

    5. Stellvertretung im Handelsrecht

    • Einschränkungen

    - Geschäfte, die in einem derartigen Handelsgewerbe gewöhnlich vorkommen, sind branchenübliche Geschäfte.

    - Beurteilung der Branchenüblichkeit richtet sich danach, ob das Geschäft öfters vorkommt und danach, ob es sich im finanziellen Rahmen des bestimmten Handelsbetriebs hält.

    - Beispiel: Die Handlungsvollmacht berechtigt daher nicht zum Verkauf der Ladenausstattung eines gewöhnlichen Einzelhandelsgeschäfts.

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    Folie 122

    5. Stellvertretung im Handelsrecht

    • Einschränkungen nach Abs. 2

    - Keine Veräußerung und Belastung von Grundstücken,

    - Keine Eingehung von Wechselverbindlichkeiten,

    - Keine Darlehensaufnahme,

    - Keine Prozessführung.

    - Einschränkungen der Prokura entsprechend: Privat-, Prinzipal-, und Grundlagengeschäfte.

    - Aber: Keine analoge Heranziehung der Vorschrift für ähnlich gefährliche Geschäfte, z. B. Bürgschaft, §§ 765 ff. BGB.

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    Folie 123

    5. Stellvertretung im Handelsrecht

    • Einschränkungen nach Abs. 3

    Weitergehende, rechtgeschäftliche Beschränkungen der Handlungsvollmacht muss ein Dritter nur gegen sich gelten lassen, wenn er sie kannte oder kennen musste.

    • Erlöschen nach den allgemeinen Regeln des BGB

    • Weiterer Anwendungsbereich- § 55 HGB erweitert auf Abschlussvertreter im Außendienst,- Analoge Anwendung auf kaufmannsähnliche Personen, str.

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    Folie 124

    Beispiel 24

    A ist Arthandlungsvollmacht mit einer Beschränkung auf Abschlüsse bis 10.000 € erteilt worden. Muss sein Prinzipal P ein Geschäft mit dem Volumen von 100.000 €gegen sich gelten lassen?

    Lösung:

    Anders als bei der Prokura wird die Vollmacht ausdrücklich von § 54 Abs. 3 HGB auch im Außenverhältnis eingeschränkt. Ein Dritter muss dies nach § 54 Abs. 3 HGB nur gegen sich gelten lassen, wenn er die Beschränkung kannte oder kennen musste, wobei bereits (vgl. § 122 Abs. 2 BGB) leichte Fahrlässigkeit schadet.

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    Folie 125

    Vergleich Handlungsvollmacht und Prokura

    - Erteilung auch konkludent,- auch durch Vertreter,- keine Eintragung,- einzelne, der Art nach bestimmte oder alle branchenüblichen Geschäfte, die der Betrieb des Handelsgewerbes mit sich bringt- Beschränkungen nach § 54 Abs. 2 und § 49 Abs. 2, auch extern, aber Gutglaubensschutz bzgl. Mindest-umfang nach § 54 Abs. 3,- Übertragbar mit Zustimmung, § 58

    - Erteilung nur ausdrücklich,- nur persönlich,- Deklaratorische Eintragung in HR,- alle gerichtlichen und außer-gerichtlichen Geschäfte und Rechts-handlungen, die der Betrieb des Handelsgewerbes mit sich bringt,- Beschränkungen nach § 49 Abs. 2,nur interne Beschränkungsmög-lichkeit,

    - Keine Übertragbarkeit nach § 52 Abs. 2.

    HandlungsvollmachtProkura

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    Folie 126

    5. Stellvertretung im Handelsrecht

    d) Ladenvollmacht, § 56 HGB• Sinn und Zweck

    Schutz desjenigen, der in einem öffentlichen Geschäftsraum einen Vertrag schließt oder eine Rechtshandlung vornimmt

    • Unterschiede zu § 54 HGB- § 54 HGB stellt widerlegliche Vermutung für einen bestimmten Inhalt der

    Vollmacht auf

    - § 56 HGB ist nach h. L. eine gesetzlich normierte und unwiderlegliche Anscheinsvollmacht, die subsidiär zur erteilten Vollmachten greift:

    � Wenn Vollmacht erteilt wurde, dann wird bestimmter Inhalt vermutet,

    � Wenn keine Vollmacht erteilt wurde, besteht eine Rechtsscheinvollmacht.

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    Folie 127

    5. Stellvertretung im Handelsrecht

    d) Ladenvollmacht

    • Voraussetzungen- Laden oder offenes Warenlager

    = Jede zum Verkauf benutzte Räumlichkeit, die eine gewisse Dauerhaftigkeit aufweist

    Beispiele: Dies sind Supermarkt, Messestand oder Weihnachtsmarktbude; nicht aber ein Bauchladen.

    - eines Kaufmannes od. sonst. Kleingewerbetreibenden

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    Folie 128

    5. Stellvertretung im Handelsrecht

    • Voraussetzungen (Forts.)- Angestellt ist jede mit Wissen und Wollen des Prinzipals im

    Laden zum Kontakt mit Kundschaft beschäftigte Person.

    - Arbeitsvertrag im Innenverhältnis irrelevant.

    Beispiele: Dies sind nicht Packer, Putzpersonal oder Personen der Buchführung, wohl aber Kinder des Prinzipals, die ausnahmsweise aushelfen müssen.

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    Folie 129

    5. Stellvertretung im Handelsrecht

    • Voraussetzungen (Forts.)- Übliche Verkäufe und Empfangnahmen:

    � Üblichkeit richtet sich nach Branche und Ladentyp

    � Verkäufe sind z. B. auch Abschluss eines Leasingvertrags; auch dingliche Verträge; Nebenabreden wie Ratenvereinbarung; Entgegnnahme von Mängelanzeigen; Werkverträge (str.)

    � Entgegennahmen von Sachen wie Bargeld und auch Willenserklärungen.

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    Folie 130

    Beispiel 25: Örtlicher Zusammenhang

    Ist § 56 HGB anwendbar, wenn Käufer K zwar Kontakt imAntiquitätengeschäft mit dem Angestellten A aufgenommen hat,

    ein Kaufvertrag aber erst in der Wohnung des K geschlossen

    wird, weil K den edlen Biedermeier-Spiegel vor Ort hängen

    sehen wollte?

    Lösung:

    Für den Verkehrsschutz ist es nötig, eine Erweiterung

    (teleologische Extension) des Wortlauts vorzunehmen.

    Es muss unabhängig vom Ort des Vertragsschlusses eine

    Vollmacht gelten, wenn der Käufer ansonsten den Laden und

    damit dessen Personal als vertretungsbefugt ansieht.

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    Folie 131

    5. Stellvertretung im Handelsrecht

    • Voraussetzungen (Forts.)- Gutgläubigkeit des Kunden analog § 54 HGB

    Durch z. B. Aushänge im Laden kann der Prinzipal

    vermeiden, dass sein Personal als bevollmächtigt gilt.

    Beispiel: Gilt nach § 56 HGB ein Ladenangestellter in einem Kaufhaus als bevollmächtigt, Geld zur Kaufpreiszahlung anzunehmen?

    Lösung: Das kommt darauf an. Gibt es eine Kasse, dann ist nur der Kassierer zur Geldannahme ermächtigt.

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    Folie 132

    Beispiel 26 (BGH NJW 1988, 2109): Ankauf

    • Bekl. ist Opel-Händler • Kl. und ein Angestellter der Bekl. unterzeichneten einen Vertrag,

    nach dessen Inhalt der Kl. seinen gebrauchten Pkw an die Bekl. verkaufte.

    • Der Angestellter sei zum Ankauf eines Gebrauchtfahrzeuges nur im Falle des gleichzeitigen Verkaufs eines anderen Wagens an den Kunden bevollmächtigt gewesen; dies sei dem Kl. auch erklärt worden.

    • Das LG hat Klage mit der Begründung stattgegeben, die Bekl. müsse das Handeln des F nach den Grundsätzen über die Duldungsvollmacht gegen sich gelten lassen.

    • Die Berufung der Bekl. hat das OLG zurückgewiesen.• Die - zugelassene - Revision führte zur Aufhebung und

    Zurückverweisung.Warum?

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    Folie 133

    Lösung Beispiel 26

    • „Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesbestimmung ist der in ihr zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang, in den sie hineingestellt ist, ergibt.

    • Wortlaut § 56 HGB: „Verkäufen“ nicht auch „Ankäufe“Allgemeiner und Sprachgebrauch des Gesetzes (§ 433 Abs.1 S. 1 BGB) ist der Verkauf von Waren die Übernahme der Verpflichtung, dem Vertragspartner gegen Entgelt Besitz und Eigentum an der Sache zu verschaffen Ausdrückliche Regelungen in §§ 376 Abs. 3 u. 4, 383, o. 93 Abs. 1 HGB

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    Folie 134

    Lösung Beispiel 26 (Forts.)

    • Entstehungsgeschichte: Kein abweichender Wortsinn des Ausdrucks „Verkäufe“

    • Gesetzeszusammenhang: Vergleich mit Bestimmungen im gleichen Abschnitt zu Prokura und Handlungsvollmacht machen unterschiedliche Abstufung deutlich.

    • Analogie: „Sonderbestimmung“ einer analogen Anwendung ohnehin nicht ohne weiteres zugänglich und Voraussetzungen liegen nicht vor:

    - Eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes liegt nicht vor

    - Tatbestände des Verkaufs und des Ankaufs sind nicht gleich zu bewerten; beim Verkauf hat Prinzipal den Preis bereits festgelegt, beim Ankauf müsste Vertreter den Preis bestimmen.

    • Ergebnis: Ankäufe nicht von § 56 HGB umfasst.

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    6. „Besonderheiten“ bei der AGB-Kontrolle

    • AGB – Definition in § 305 Abs. 1 BGB:Für eine Vielzahl von Vertragsschlüssen vorformulierte Vertragsbedingungen, die vom Verwender gestellt werden

    • § 310 Abs. 1 S. 1 BGB: Keine Anwendung der §§ 308, 309, 305 Abs. 2 u. 3 BGB bei AGB, die gegenüber einem Unternehmer (§ 14 BGB) verwendet werden:

    - Einbeziehung der AGB konkludent möglich, wenn der Unternehmer von ihnen wusste und der Vertragsschluss erkennbar war.

    - Inhaltskontrolle: Indizfunktion der Klauselverbote.

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    6. „Besonderheiten“ bei der AGB-Kontrolle

    • Verschärfung bei Klauseln, die gegenüber einem Verbraucher (§ 13 BGB) gestellt werden:

    - Gelten als vom Unternehmer gestellt, §§ 310 Abs. 3 Nr. 1, 305 Abs. 1 S. 1 BGB.

    - Bei Inhaltskontrolle auch Berücksichtigung der den Vertragsschluss begleitenden Umständen, z. B. Überrumpelung, §§ 310 Abs. 3 Nr. 3, 307 Abs. 1 u. 2 BGB.