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ZStV 1/2012 1 Herausgeber: Prof. Dr. Olaf Werner (Geschäftsführend), Universität Jena | Prof. Dr. Bernd Andrick, Vorsitzender Richter am Verwal- tungsgericht Gelsenkirchen | Dr. Ralph Bartmuß, Rechtsanwalt und Steuerberater, Dresden | Senator E. h. Lothar Böhler, Stiftungs- direktor der Stiftungsverwaltung Freiburg i.Br. | bundesverband deutscher vereine & verbände e.V., Berlin | Prof. Dr. Christian Fischer, Universität Jena | Prof. Dr. Hans Fleisch, Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, Berlin | Prof. Dr. Kurt-Dieter Koschmieder, Universität Jena | Dr. Peter Lex, Rechtsanwalt, München | Prof. Dr. Gerhard Lingelbach, Universität Jena | Dr. Christoph Mecking, Rechtsanwalt, Berlin | Dr. Evelyne Menges, Rechtsanwältin, München | Prof. Dr. Karlheinz Muscheler, Ruhr-Universität Bochum | Prof. Dr. Ingo Saenger, Universität Münster | Prof. Dr. Andreas Schlüter, Generalsekretär des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft e.V., Frankfurt | Prof. Dr. Martin Schulte, Technische Universität Dresden | Dr. Rupert Graf Strachwitz, Vorstand der Maecenata Stiftung, Berlin | Nikolaus Turner, Lindau/München | Prof. Dr. Klaus Vieweg, Universität Erlangen Schriftleitung: RAin Dr. Almuth Werner (V.i.S.d.P), Jena | StBin Dipl.-Kffr. Alexandra Pauls (Steuern) Redaktionsanschrift: Abbe-Institut für Stiftungswesen an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Carl-Zeiß-Straße 3, 07743 Jena Internet: www.zstv.nomos.de 1 | 2012 10. Jahrgang, Seiten 1 - 40 Recht | Steuern | Wirtschaft | Politik ZStV Zeitschrift für Stiftungs- und Vereinswesen Zum Lehrsatz vom Verbot der Selbstzweckstiftung Teil 1: Grundlagen und kritische Überprüfung Dr. K. Jan Schiffer, Bonn und Matthias Pruns, Bonn* I. Einleitung In der stiftungsrechtlichen Fachliteratur besteht Einigkeit da- rüber, dass Zweck einer Stiftung nicht die bloße Erhaltung, Pflege und Förderung ihres Vermögens sein darf. 1 Dieser Grundsatz wird als „Verbot der Selbstzweckstiftung“ be- zeichnet. Nach Rawert gehört dieses Verbot „zum festen Kernbestand der juristischen Lehre. 2 Die Formulierungen dazu sind teilweise unterschiedlich, treffen sich allerdings in der Kernaussage, dass nur „außerhalb der bloßen Vermö- gensverwaltung liegende Zweck[e] für die Errichtung einer Stiftung in Betracht“ kommen. 3 Über die Reichweite und die praktische Relevanz dieses Ver- bots ist man sich allerdings uneins. Insbesondere wenn das Stiftungsvermögen aus Beteiligungen an einem Unternehmen (Beteiligungsträgerstiftung) besteht oder, was in der Praxis freilich eher selten vorkommt, die Stiftung selbst ein Unter- nehmen betreibt (Unternehmensträgerstiftung), ist umstrit- ten, ob der auf Erhaltung und Förderung des Unternehmens gerichtete Stiftungszweck zulässig ist oder eine unzulässige sog. Unternehmensselbstzweckstiftung als Unterfall der Selbstzweckstiftung vorliegt. 4 Wir wollen in diesem ersten Teil unseres zweiteiligen Aufsat- zes zunächst den Lehrsatz vom Verbot der Selbstzweckstif- * Dr. K. Jan Schiffer ist Gründungspartner der Kanzlei SP§P – Schiffer & Partner, Bonn (www.schiffer.de; www.stiftungsrecht-plus.de). Matthias Pruns ist Rechtsanwalt in eigener Kanzlei in Bonn und Lehrbeauftragter an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. 1 So oder ähnlich Döring, Die Stiftung als Finanzierungsinstrument für Unternehmen, 2010, S. 130 ff.; Hof, in: Seifart/v. Campenhausen, Stiftungsrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2009, § 6 Rn. 319, § 7 Rn. 58; Rawert, Stiftung und Unternehmen, in: Kötz u.a. (Hrsg.), Non Profit Law Yearbook 2003, S. 1, 7 mwN; Schwake, in: Münchener Hand- buch Gesellschaftsrecht, Band 5, 2009, § 79 Rn 80; Staudinger/Hüt- temann/Rawert (2011), Vorbem 8 zu §§ 80 ff; Werner/Saenger, Die Stiftung, 2008, Rn 18.; Erman/Werner, BGB, 12. Aufl. 2008, Vor § 80 Rn. 25. Kritisch jetzt Beuthien, in: Münchener Handbuch Ge- sellschaftsrecht, Band 5, 2009, § 77 Rn. 30, der allein den Fall, dass die Verwaltung eines Stiftungsgeldvermögens Stiftungszweck ist, wegen Unbestimmtheit und Sinnlosigkeit des Stiftungszwecks für unzulässig erachtet (aaO a.E.). 2 Rawert, Stiftung und Unternehmen, in: Kötz u.a. (Hrsg.), Non Profit Law Yearbook 2003, S. 1, 7. 3 Stumpf/Suerbaum/Schulte/Pauli, Stiftungsrecht, 2011, B 1 Rn. 8. 4 Für Letzteres insbesondere Staudinger/Hüttemann/Rawert (2011), Vorbem 150 ff. zu §§ 80 ff. mwN. und zuvor bereits Rawert, Stif- tung und Unternehmen, in: Kötz u.a. (Hrsg.), Non Profit Law Year- book 2003, S. 1 ff.; s. zum Problem ferner Burgard, Gestaltungsfrei- heit im Stiftungsrecht, 2006, S. 148 ff.; Pöllath/Richter , in Seifart/v. Campenhausen, 3. Aufl. 2009, § 12 Rn. 136 ff., insbes. Rn. 142 ff.; Werner/Saenger, Die Stiftung, Rn. 194 ff. jew. mwN. tung näher betrachten. 5 Im zweiten Teil befassen wir uns dann mit dem Lehrsatz vom Verbot speziell der Unterneh-

10. Jahrgang, Seiten 1 - 40 Autr NJ · PDF file2 ZStV 1/2012 Aufsatz | Schiffer/Pruns ­ Zum Lehrsatz vom Verbot der Selbstzweckstiftung 5 Vertiefte und erweiterte Darstellung unserer

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ZStV 1/2012 1

Titel - Autor | AufsatzRechtsprechung | NJ

Herausgeber: Prof. Dr. Olaf Werner (Geschäftsführend), Universität Jena | Prof. Dr. Bernd Andrick, Vorsitzender Richter am Verwal­tungsgericht Gelsenkirchen | Dr. Ralph Bartmuß, Rechtsanwalt und Steuerberater, Dresden | Senator E. h. Lothar Böhler, Stiftungs­direktor der Stiftungsverwaltung Freiburg i.Br. | bundesverband deutscher vereine & verbände e.V., Berlin | Prof. Dr. Christian Fischer, Universität Jena | Prof. Dr. Hans Fleisch, Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, Berlin | Prof. Dr. Kurt-Dieter Koschmieder, Universität Jena | Dr. Peter Lex, Rechtsanwalt, München | Prof. Dr. Gerhard Lingelbach, Universität Jena | Dr. Christoph Mecking, Rechtsanwalt, Berlin | Dr. Evelyne Menges, Rechtsanwältin, München | Prof. Dr. Karlheinz Muscheler, Ruhr­Universität Bochum | Prof. Dr. Ingo Saenger, Universität Münster | Prof. Dr. Andreas Schlüter, Generalsekretär des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft e.V., Frankfurt | Prof. Dr. Martin Schulte, Technische Universität Dresden | Dr. Rupert Graf Strachwitz, Vorstand der Maecenata Stiftung, Berlin | Nikolaus Turner, Lindau/München | Prof. Dr. Klaus Vieweg, Universität Erlangen

Schriftleitung: RAin Dr. Almuth Werner (V.i.S.d.P), Jena | StBin Dipl.­Kffr. Alexandra Pauls (Steuern) Redaktionsanschrift: Abbe­Institut für Stiftungswesen an der Friedrich­Schiller­Universität Jena, Carl­Zeiß­Straße 3, 07743 Jena

Internet: www.zstv.nomos.de

1 | 2012 10. Jahrgang, Seiten 1 - 40

Recht | Steuern | Wirtschaft | Politik

ZStVZeitschrift für Stiftungs- und Vereinswesen

Zum Lehrsatz vom Verbot der SelbstzweckstiftungTeil 1: Grundlagen und kritische Überprüfung

Dr. K. Jan Schiffer, Bonn und Matthias Pruns, Bonn*

I. Einleitung

In der stiftungsrechtlichen Fachliteratur besteht Einigkeit da-rüber, dass Zweck einer Stiftung nicht die bloße Erhaltung, Pflege und Förderung ihres Vermögens sein darf.1 Dieser Grundsatz wird als „Verbot der Selbstzweckstiftung“ be-zeichnet. Nach Rawert gehört dieses Verbot „zum festen Kernbestand der juristischen Lehre.“2 Die Formulierungen dazu sind teilweise unterschiedlich, treffen sich allerdings in der Kernaussage, dass nur „außerhalb der bloßen Vermö-gensverwaltung liegende Zweck[e] für die Errichtung einer Stiftung in Betracht“ kommen.3

Über die Reichweite und die praktische Relevanz dieses Ver-bots ist man sich allerdings uneins. Insbesondere wenn das Stiftungsvermögen aus Beteiligungen an einem Unternehmen (Beteiligungsträgerstiftung) besteht oder, was in der Praxis freilich eher selten vorkommt, die Stiftung selbst ein Unter-nehmen betreibt (Unternehmensträgerstiftung), ist umstrit-ten, ob der auf Erhaltung und Förderung des Unternehmens gerichtete Stiftungszweck zulässig ist oder eine unzulässige sog. Unternehmensselbstzweckstiftung als Unterfall der Selbstzweckstiftung vorliegt.4

Wir wollen in diesem ersten Teil unseres zweiteiligen Aufsat-zes zunächst den Lehrsatz vom Verbot der Selbstzweckstif-

* Dr. K. Jan Schiffer ist Gründungspartner der Kanzlei SP§P – Schiffer & Partner, Bonn (www.schiffer.de; www.stiftungsrecht-plus.de). Matthias Pruns ist Rechtsanwalt in eigener Kanzlei in Bonn und Lehrbeauftragter an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

1 So oder ähnlich Döring, Die Stiftung als Finanzierungsinstrument für Unternehmen, 2010, S. 130 ff.; Hof, in: Seifart/v. Campenhausen, Stiftungsrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2009, § 6 Rn. 319, § 7 Rn. 58; Rawert, Stiftung und Unternehmen, in: Kötz u.a. (Hrsg.), Non Profit Law Yearbook 2003, S. 1, 7 mwN; Schwake, in: Münchener Hand-buch Gesellschaftsrecht, Band 5, 2009, § 79 Rn 80; Staudinger/Hüt-temann/Rawert (2011), Vorbem 8 zu §§ 80 ff; Werner/Saenger, Die Stiftung, 2008, Rn 18.; Erman/Werner, BGB, 12. Aufl. 2008, Vor § 80 Rn. 25. Kritisch jetzt Beuthien, in: Münchener Handbuch Ge-sellschaftsrecht, Band 5, 2009, § 77 Rn. 30, der allein den Fall, dass die Verwaltung eines Stiftungsgeldvermögens Stiftungszweck ist, wegen Unbestimmtheit und Sinnlosigkeit des Stiftungszwecks für unzulässig erachtet (aaO a.E.).

2 Rawert, Stiftung und Unternehmen, in: Kötz u.a. (Hrsg.), Non Profit Law Yearbook 2003, S. 1, 7.

3 Stumpf/Suerbaum/Schulte/Pauli, Stiftungsrecht, 2011, B 1 Rn. 8.4 Für Letzteres insbesondere Staudinger/Hüttemann/Rawert (2011),

Vorbem 150 ff. zu §§ 80 ff. mwN. und zuvor bereits Rawert, Stif-tung und Unternehmen, in: Kötz u.a. (Hrsg.), Non Profit Law Year-book 2003, S. 1 ff.; s. zum Problem ferner Burgard, Gestaltungsfrei-heit im Stiftungsrecht, 2006, S. 148 ff.; Pöllath/Richter, in Seifart/v. Campenhausen, 3. Aufl. 2009, § 12 Rn. 136 ff., insbes. Rn. 142 ff.; Werner/Saenger, Die Stiftung, Rn. 194 ff. jew. mwN.

tung näher betrachten.5 Im zweiten Teil befassen wir uns

dann mit dem Lehrsatz vom Verbot speziell der Unterneh-

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Aufsatz | Schiffer/Pruns ­ Zum Lehrsatz vom Verbot der Selbstzweckstiftung

5 Vertiefte und erweiterte Darstellung unserer bereits in NK-BGB, 2. Aufl. 2012, § 80 Rn. 27 niedergelegten Gedanken.

6 S. dazu bereits NK-BGB/Schiffer/Pruns, 2. Aufl. 2012, § 80 Rn. 53 ff.7 BFH, Urteil v. 18.11.2009, Az.: II R 46/07 (einsehbar unter

www.bundesfinanzhof.de).8 FG Berlin-Brandenburg EFG 2008, 470.9 BFH, Urteil v. 18.11.2009, Az.: II R 46/07 (einsehbar unter

www.bundesfinanzhof.de); alle Zitate aus Rn. 18.10 MüKo-BGB/Reuter, 5. Aufl. 2006, §§ 80, 81 Rn. 95 f.11 Pöllath/Richter, in Seifart/v. Campenhausen, Stiftungsrechts-Hand-

buch, 3. Aufl. 2009, § 12 Rn. 142.12 MüKo-BGB/Reuter, 5. Aufl. 2006, §§ 80, 81 Rn. 97.13 Pöllath/Richter, in Seifart/v. Campenhausen, Stiftungsrechts-Hand-

buch, 3. Aufl. 2009, § 12 Rn. 143.14 Schwake (Fn 1), Rn 35: „Stiftungen sind bereits wesensmäßig auf die

Verwirklichung eines außerhalb ihrer selbst liegenden Zweck (sic) gerichtet.“

15 Muscheler, Stiftungsrecht, 2005, S. 360: „... Folge des zivilrechtli-chen Stiftungsbegriffs.“; Rawert (Fn 1), S. 7: „... mit dem Stiftungs-begriff nicht vereinbar.“; ähnlich Hüttemann/Rawert (Fn 1), Rn. 8; Werner/Saenger, Die Stiftung, 2008, Rn. 880: „Der Stiftungsbegriff setzt voraus ...“. MüKo-BGB/Reuter, 6. Aufl. 2012, Vor § 80 Rn. 60 ist der Auffassung, der Lehrsatz vom Verbot der Selbstzweckstiftung konnte vor der Reform des Stiftungszivilrechts im Jahr 2002 nur dem „vorpositiven Stiftungsbegriff“ entnommen werden.

16 Schuck, Die Doppelstiftung, 2009, S. 31.17 Hof, in: Seifart/v. Campenhausen, Stiftungsrechts-Handbuch,

3. Aufl. 2009, § 6 Rn 319.18 Schlehofer, JuS 1992, 572 (576: linke Spalte am Ende und rechte

Spalte am Anfang).

Schon diese beiden Beispiele zeigen, dass sich eine undifferen-zierte Berufung auf den Lehrsatz vom Verbot der Selbst-zweckstiftung verbietet. Zugleich führen die Beispiele zu der Frage, ob das Problem nicht tiefer liegt. Vielleicht ist nämlich bereits der Lehrsatz selbst in sich nicht so schlüssig, wie man allgemein meint! Wenden wir uns deshalb den Begründungs-versuchen für den Lehrsatz zu.

III. Begründungsversuche

Sucht man nach einer Begründung für das Verbot der Selbst-zweckstiftung, so ist das Ergebnis angesichts der Einigkeit im Grundsatz überraschend dürftig.

1. „Wesen“ und „Begriff“ der Stiftung?

Weit verbreitet ist die Begründung, das Verbot der Selbst-zweckstiftung folge aus dem „Wesen“ der Stiftung14 oder der „Begriff“ der Stiftung setze die Widmung des Stiftungsvermö-gens zur Verfolgung eines außerhalb der Stiftung liegenden Zweckes voraus.15 Bei Schuck kann man sogar lesen (Hervor-hebung nur hier):16 „Der Stiftungsbegriff und das Wesen der Stiftung setzen voraus, dass das Stiftungsvermögen nicht nur sich selbst, sondern einem außerhalb seiner selbst liegenden Zweck gewidmet ist.“Bereits Hof hat darauf hingewiesen, dass solche Begründun-gen inhaltlich und methodisch angreifbar sind.17 Der Grund ist einfach erklärt: In der Sache handelt es sich bei der Beru-fung auf den Begriff der Stiftung oder ihr Wesen um eine Aus-legung der §§ 80 ff. BGB nach „Sinn und Zweck“. Nun gilt aber für die Auslegung nach „Sinn und Zweck“ das, was Schlehofer treffend wie folgt formuliert hat (Hervorhebungen im Original):18 „[S]olange man die Bedeutung eines [gesetzli-chen] Merkmals nicht kennt, kennt man auch Sinn und

mensselbstzweckstiftung.6 Vorab ist die praktische Relevanz des Themas zu klären.

II. Praktische Relevanz

Der BFH hat sich den Lehrsatz vom Verbot der Selbstzweck-stiftung in seiner Ausprägung als Verbot der Unternehmens-selbstzweckstiftung jüngst zu Eigen gemacht, als er über die Frage zu entscheiden hatte, ob eine im Wesentlichen mit Un-ternehmensanteilen ausgestattete Stiftung als Familienstif-tung iSd § 1 Abs. 4 ErbStG einzustufen sei.7

Nach den verschiedenen Fassungen der Satzung war es zwar Zweck der Stiftung, Familienmitglieder des Stifters im in der Satzung näher bestimmten Bedarfsfall finanziell zu unterstüt-zen; der Stifter hatte aber durch die Errichtung einer anderen Stiftung und die recht eng gefasste Formulierung des Bedarfs-falls dafür Sorge getragen, dass die Stiftung in dem für die Einstufung als Familienstiftung relevanten Zeitraum von dreißig Jahren keine Ausschüttungen an die Destinatäre zah-len musste. Das in erster Instanz mit dem Fall befasste FG Berlin-Brandenburg8 war vor diesem Hintergrund durch Aus-legung der Satzung zu dem Ergebnis gekommen, dass eigent-licher und prägender Zweck der Stiftung die Erhaltung des Unternehmens sei.Dem widersprach der BFH insbesondere mit dem Argument, dass „der Erhalt und die Weiterentwicklung des Stiftungsver-mögens“ noch „keinen Stiftungszweck dar[stellen]“ und des-halb, selbst wenn man diesen Zweck durch Auslegung aus der Satzung der Stiftung gewinnen könnte, dieser Zweck nicht zulässig gewesen wäre. „Der Pflege des Stiftungsvermögens könne ... bei der Beurteilung des Stiftungszwecks keine ent-scheidende Bedeutung zukommen.“9

Soweit bekannt, dürfte es sich um den ersten Fall in der Rechtsprechung handeln, in dem auf den stiftungsrechtlichen Lehrsatz vom Verbot der Selbstzweckstiftung abgestellt wurde. Der BFH beruft sich dazu im Wesentlichen auf zwei Fundstellen, nämlich zum einen Reuter10 und zum anderen Pöllath/Richter.11 Tatsächlich haben beide Fundstellen das Problem der Zulässigkeit unternehmensverbundener Stif-tungszwecke zum Thema. Das Ergebnis ist indes bei beiden Fundstellen recht unterschiedlich. Reuter als prominenter Gegner unternehmensverbundener Stiftungen spricht sich deutlich gegen die Zulässigkeit des Stiftungszwecks „Erhal-tung, Pflege und Förderung eines Unternehmens“ aus, diffe-renziert aber auch und erkennt insbesondere als Ausnahme vom Verbot der Unternehmensselbstzweckstiftung den Fall an, dass eine Maschinenfabrik mit dem Zweck, „den Men-schen in einer Region Arbeit und Brot zu verschaffen“, betrie-ben wird.12

Pöllath/Richter teilen diese kategorische Ablehnung nicht. Als Ergebnis ihrer differenzierten Betrachtung kann man zusam-menfassen, dass sie unternehmensverbundene Zwecke nicht per se für unerlaubt halten. Je nach Einzelfall könne auch der Erhalt eines Unternehmens zulässig sein, wenn dadurch ein über das Unternehmen hinausgehender Zweck verfolgt werde und die Innehabung ggf. Führung des Unternehmens Neben-zwecke seien.13

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Zum Lehrsatz vom Verbot der Selbstzweckstiftung ­ Schiffer/Pruns | Aufsatz

19 So insbesondere Rawert, Stiftung und Unternehmen, in: Kötz u.a. (Hrsg.), Non Profit Law Yearbook 2003, S. 1, 7. Zustimmend etwa MüKo-BGB/Reuter, 6. Aufl. 2012, Vor § 80 Rn. 60.

20 Riemer, ZBernJV 116 (1980), 489, 505, zitiert nach Staudinger/ Hüttemann/Rawert (2011), Vorbem 150 zu §§ 80 ff.

21 Hof, in: Seifart/v. Campenhausen, Stiftungsrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2009, § 6 Rn. 319.

22 Rawert, in: Kötz u.a. (Hrsg.), Non Profit Law Yearbook 2003, S. 1, 7.23 Beuthien, in: Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht, Band 5,

2009, § 77 Rn. 30.24 Rawert, in: Kötz u.a. (Hrsg.), Non Profit Law Yearbook 2003, S. 1,

7 mit Fn. 33.

Zweck des Gesetzes nicht. Sein Sinn ergibt sich erst aus sei-nen Merkmalen. Und aus ihnen ergibt sich auch, was es be-zweckt. Sinn und Zweck des Gesetzes sind also das Ergebnis der Auslegung. Dann können sie aber nicht gleichzeitig ihr Mittel sein. Sonst wäre die Auslegung ein circulus in proban-do: Sie würde das zu Beweisende voraussetzen.“Auf unseren speziellen stiftungsrechtlichen Zusammenhang übertragen lässt sich dieser allgemeine Gedanke zur Gesetzes-auslegung wie folgt formulieren: „Ziel der Auslegung muss es sein, den gesetzlichen Stiftungsbegriff oder, wenn man es denn so ausdrücken will, das ‚Wesen’ der Stiftung, wie es im Gesetz geregelt ist, zu ermitteln. Beides, Stiftungsbegriff und Wesen der Stiftung, sind also erst Ergebnis der Auslegung der §§ 80 ff. BGB und ihrer Merkmale. Damit können sie aber nicht gleich-zeitig Mittel der Auslegung der §§ 80 ff. BGB sein.“Aus dem Stiftungsbegriff und dem Wesen der Stiftung folgt also nichts, was den Lehrsatz vom Verbot der Selbstzweck-stiftung stützen könnte. Der Lehrsatz kann nur aus einer Aus-legung des Gesetzes folgen.

2. Wortlaut und Systematik der §§ 80, 81 BGB?

Der soeben dargestellten Zusammenhänge sind sich viele an-scheinend noch nicht bewusst. Wohl auch deshalb finden sich Begründungsversuche, die im Sinne der soeben geübten Kritik bei der Auslegung der §§ 80 ff. BGB ansetzen, weit seltener, als die soeben behandelten Begründungsversuche. Im Wesent-lichen finden sich zwei Argumente.a) Das erste Argument lautet: § 81 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F. schreibt vor, dass der Stifter „ein Vermögen zur Erfüllung eines von ihm vorgegebenen Zwecks zu widmen“ hat. Im Umkehr-schluss zu der gesetzlichen Vorgabe folgert man, dass der Erhalt des Vermögens nicht seinerseits Zweck der Stiftung sein kann.19 Andernfalls entstehe eine rechtliches „perpetuum mobile“.20 In dieselbe Richtung geht die Begründung Hofs, bei einer Selbst-zweckstiftung fehle es an einem genau bestimmten Stiftungs-zweck, womit die Stiftung, mangels Vorliegen aller Vorausset-zungen des § 81 Abs. 1 BGB, nicht anerkennungsfähig sei.21

b) Das zweite Argument lautet: Die Vermögensausstattung muss zur Verfolgung des Zwecks angemessen sein, damit die dauernde und nachhaltige Zweckerfüllung gesichert erscheint, wie es § 80 Abs. 2 BGB vorschreibt. Diese Anordnung, so ar-gumentiert insbesondere Rawert, wäre überflüssig, wenn der Stiftungszweck sich in der Verwaltung des Vermögens er-schöpfen könnte. Andernfalls käme man zu dem absurden Er-gebnis, dass eine solche Stiftung bereits mit einem Vermögen in Höhe von einem Euro gegründet werden könnte.c) Betrachtet man diese Argumente, so deuten sie tatsächlich in die Richtung des beschriebenen Verbots der Selbstzweck-stiftung. Doch schreiben Sie es zwingend vor? Das sei hier anhand eines Beispiels überprüft:Gedacht sei eine Stiftung deren einziger in der Satzung festge-schriebener Zweck wie folgt lautet: „Zweck der Stiftung ist es, ihr Vermögen zu mehren. Das Stiftungsvermögen soll des-halb möglichst gewinnbringend angelegt werden.“aa) Weshalb soll dieses Vermögen nicht einem vom Stifter be-stimmten Zweck gewidmet sein (so das aus § 81 Abs. 1 Satz

2 BGB folgende erste Argument)? Als Stiftungszweck ist im ersten Satz eindeutig „Vermögensmehrung“ definiert. Diesem Zweck dient das bereits vorhandene Vermögen, wie sich aus dem zweiten Satz der fiktiven Zweckregelung ergibt. Der Wortlaut des § 81 Abs. 1 Satz 2 BGB sperrt sich nicht gegen diese Formulierung. Der Zweck ist genau bestimmt und ihm gegenüber nimmt das Vermögen eine dienende Funktion ein.Zwar handelt es sich tatsächlich um „ein Gebilde ohne Nut-zen und Funktion“, aber weshalb die Rechtsordnung ihm „die Anerkennung verweigern muss“,22 ist nicht offensicht-lich. Verweigert werden kann die Anerkennung schließlich nur, wenn der Stiftungszweck das Allgemeinwohl gefährdet, § 80 Abs. 2 BGB. Weshalb das bei der bloßen Vermögensmeh-rung aber der Fall sein soll, erschließt sich nicht auf Anhieb. Beuthien etwa weist darauf hin, dass die Vermögensverwal-tung durch eine GmbH ein nach § 1 GmbHG zulässiger Zweck ist.23 Allerdings, so ist einzuwenden, besteht ein ge-wichtiger Unterschied zwischen der GmbH und der Stiftung. Diese hat ja gerade keine Mitglieder oder Anteilseigner, die von der Mehrung des Stiftungsvermögens profitieren können. Darauf ist sogleich unten (IV. 3.) zurückzukommen. Wenden wir uns aber zunächst dem zweiten Argument zu.bb) Auch dieses ist nicht schlagend. Rawert schreibt: „Wenn der Zweck einer Stiftung lediglich in der Verwaltung eigenen Vermögens bestehen könnte, würde zur dauernden und nach-haltigen Erfüllung des Stiftungszwecks auch ein einziger Euro ausreichen.“24 Das Beispiel des Stiftungskapitals in Höhe von einem Euro ist gut gewählt, weil es einen extremen und dadurch in der Tat absurd anmutenden Fall zum Gegenstand hat. Allerdings deutet es bei näherer Betrachtung gerade in eine andere Rich-tung, als sie der Autor einschlagen will. Denn tatsächlich kann ein Euro zu dem eben beispielhaft skizzierten Stiftungs-zweck der Vermögensmehrung durchaus genügen. Die dauer-hafte und nachhaltige Vermögenssicherung kann dabei, eine erfolgreiche Anlage vorausgesetzt, genauso gewährleistet sein wie die dauerhafte und nachhaltige Erfüllung des Stiftungs-zwecks der Vermögensmehrung. Unsinnig, wie Rawert meint, wäre die Vorschrift des § 80 Abs 2 BGB dennoch nicht, denn alle anderen bekannten Stiftungstypen müssten die dort ge-nannten Voraussetzungen schließlich weiterhin erfüllen. Auch bei ihnen müsste geprüft werden, ob ihr Vermögen den An-sprüchen des Stiftungszwecks gewachsen ist. Anders gewen-det: Eine Selbstzweckstiftung wäre insoweit äußerst an-spruchslos, während z.B. eine Stiftung mit dem Zweck der

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Aufsatz | Schiffer/Pruns ­ Zum Lehrsatz vom Verbot der Selbstzweckstiftung

25 Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Stiftungsrecht, S. 38, abruf-bar unter: http://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/pdfs/ Stiftungsrecht_Bund_Laender_Arbeitsgruppe.pdf?__blob= publicationFile (zuletzt abgerufen am 15.12.2011).

26 BT-Drucks. 14/8765, 9: „Der Begriff ‚Gemeinwohl’ ist traditionell mit der Rechtsfigur Stiftung verknüpft; er spiegelt den für die Stif-tung typischen Klang von Wohltat im Gesetz wieder. Eine Beschrän-kung auf steuerbegünstigte Zwecke ist damit nicht verbunden, wenngleich solche die Stiftungspraxis bestimmen.“

bäude selbst und einen Geldbetrag in Höhe von 1.000.000,- € als Stiftungsvermögen übertragen. Das ist der klassische Fall einer gemeinnützigen (§ 52 Abs. 2 Nr. 6 AO) Stiftung, an deren Zulässigkeit (eigentlich) keiner-lei Zweifel bestehen. Dennoch lohnt es sich zu fragen: Er-schöpft sich hier der Stiftungszweck in der Vermögenserhal-tung und Vermögensbewirtschaftung?Zweck der Stiftung ist es, das denkmalgeschützte Gebäude zu erhalten. Da dieses aber Teil des Stiftungsvermögens ist, dient die Stiftung damit dem Erhalt des Stiftungsvermögens und seiner Bewirtschaftung; sie soll das Gebäude und damit ihr Vermögen erhalten. Bei einer strengen Anwendung des Lehr-satzes hätten wir es also mit einer Selbstzweckstiftung zu tun, der die Anerkennung zu verweigern wäre. Dieses Ergebnis überzeugt offensichtlich nicht. Warum ist das so? Die Stiftung dient doch der „Erhaltung, Pflege und Förde-rung ihres Vermögens“ und kann somit unter die Definition der Selbstzweckstiftung subsumiert werden.Unter Verweis auf § 52 Abs. 1, 2 Nr. 6 AO ließe sich anfüh-ren, dass durch den Erhalt eines denkmalgeschützten Gebäu-des mittelbar die Allgemeinheit im Sinne des Gemeinnützig-keitsrechts profitiert und die Stiftung damit eben nicht nur dem Erhalt ihres Vermögens dient. Auf eine unmittelbare För-derung einzelner Personen durch die Stiftung, auf einen direk-ten Vermögenstransfer kann es dann aber nicht ankommen.Damit sind die Zweifelsfragen tatsächlich aber noch nicht ge-löst. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll es für die Frage nach der Zulässigkeit eines Stiftungszwecks nämlich gerade nicht auf die steuerliche Gemeinnützigkeit des Zwecks oder eine Gemeinwohlförderung ankommen.26 Beschränkte man die Zulässigkeit der Stiftung aus unserem Beispiel allein auf den Fall, dass das zu erhaltende Gebäude denkmalgeschützt ist, so würde der Lehrsatz vom Verbot der Selbstzweckstiftung zur Folge haben, dass man über ihn Wertungen des Gemein-nützigkeitsrechts unzulässigerweise in das BGB „importiert“. Die Begründung über § 52 Abs. 2 Nr. 6 AO ist als Argument mithin nur eine „Krücke“. Die eigentliche Antwort muss eine spezifisch stiftungszivilrechtliche sein. Diese Überlegung ge-winnt zusätzlich an Überzeugungskraft, wenn wir uns das zu erhaltende Gebäude aus dem Beispielsfall als nicht (oder noch nicht) denkmalgeschützt denken. In diesem Fall ist der Nutzen für andere Personen nicht zwingend geringer als im Falle des Denkmalschutzes. Von daher überzeugt es nicht, beide Kon-stellationen stiftungsrechtlich zu unterscheiden.

2. Zwischenbemerkung

Das soeben skizzierte Problem ist bisher durchaus nicht unbe-achtet geblieben und wird unter den Stichworten „Anstaltstif-

Renovierung und des Erhalts eines historischen Gebäudes höhere Ansprüche an die Vermögensausstattung stellt.d) Das Verbot der Selbstzweckstiftung ist also gar nicht so evi-dent, wie man vielfach meint. Die gesetzlichen Vorschriften deuten zwar darauf hin, dass der Gesetzgeber sich als den stif-tungsrechtlichen Normalfall gerade keine Selbstzweckstiftun-gen vorgestellt hat und seine rechtlichen Vorgaben eben ent-sprechend anders ausgerichtet hat. Die bis hierhin untersuch-ten gesetzlichen Vorgaben schließen die Selbstzweckstiftung aber keineswegs zwingend als gesetzlich zulässigen Typus aus.

III. Der Wille des Gesetzgebers

Schließen die §§ 80, 81 BGB die Anerkennungsfähigkeit der Selbstzweckstiftung nicht ausdrücklich aus, so könnte sich ein anderes Ergebnis allerdings aus der Auslegung des Geset-zes anhand des Willens des Gesetzgebers ergeben.Aus der Begründung des Regierunsentwurfs zur Reform des Stiftungszivilrechts lassen sich zunächst keine Schlussfolgerun-gen ziehen. Die Selbstzweckstiftung wird dort nicht erwähnt.Dafür war sie aber ausdrücklich Gegenstand der Erörterungen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Stiftungsrecht, auf deren Ar-beit der Regierungsentwurf ausdrücklich Bezug nimmt und auch im Wesentlichen beruht. Der Arbeitsgruppe erschien das Verbot sogar selbstverständlich: Ein ausdrückliches Verbot der „‚reinen’ Selbstzweckstiftung (Stiftung besteht nur zur Vermö-genserhaltung und -bewirtschaftung) … und der reinen Kapi-talstiftung (Stiftung verwaltet nur Kapital und verfolgt eben-falls keine darüber hinausgehenden Zwecke)“ wurde „nicht für notwendig erachtet, da diese beiden Stiftungsformen be-reits aufgrund des Wesens der Stiftung, die immer einem äuße-ren Zweck gewidmet ist, ausgeschlossen werden.“25

Damit scheinen sich die aufgeworfenen Zweifel an der Gül-tigkeit des Verbots zu verflüchtigen. Auch wenn es in den §§ 80, 81 BGB nicht deutlich ausgesprochen, sondern besten-falls angedeutet wird, so ließe sich das Fehlen einer mehr oder weniger ausdrücklichen Regelung des Verbots der Selbst-zweckstiftung eben damit erklären, dass der Gesetzgeber es als dem „Wesen“ der Stiftung immanent betrachtet hat.

IV. Systematische Bedenken

Man könnte sich mit diesem Ergebnis zufrieden geben und alles beim Alten und Hergebrachten belassen. Bei weiterem Nachdenken fällt aber auf, dass die genaue Reichweite des Verbots der Selbstzweckstiftung damit noch bei weitem nicht geklärt ist! Das deutet sich bereits in der Begründung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe an, wenn sie von der „reinen“ Selbstzweckstiftung spricht. Wann genau liegt eine „reine“ Selbstzweckstiftung vor? Wann erschöpft sich der Stiftungs-zweck in der Vermögenserhaltung und Vermögensbewirt-schaftung?

1. Problematisches Beispiel?

Auch diese Frage lässt sich klären. Hierzu folgendes Beispiel:Gedacht sei eine Stiftung, deren Zweck der Erhalt eines denk-malgeschützten Gebäudes ist. Der Stifter hat ihr dazu das Ge-

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Zum Lehrsatz vom Verbot der Selbstzweckstiftung ­ Schiffer/Pruns | Aufsatz

27 S. insbesondere Burgard, Gestaltungsfreiheit im Stiftungsrecht, 2006, S. 148; Staudinger/Hüttemann/Rawert (2011), Vorbem 137 zu §§ 80 ff; MüKo-BGB/Reuter, 6. Aufl. 2012, Vor § 80 Rn. 60.

28 Staudinger/Hüttemann/Rawert (2011), Vorbem 137 zu §§ 80 ff.29 MüKo-BGB/Reuter, 6. Aufl. 2012, Vor § 80 Rn. 60.30 Vgl. Staudinger/Hüttemann/Rawert (2011), Vorbem 137 zu §§ 80 ff.31 Duden, Das Bedeutungswörterbuch, 4. Aufl. 2010, S. 1144.

V. Fazit

Das Verbot der Selbstzweckstiftung folgt nicht etwa aus einem vorpositiven Stiftungsbegriff und auch nicht aus dem Wesen der Stiftung. Nur eine methodengerechte Auslegung des Geset-zes führt uns hier weiter. Wortlaut und Systematik der §§ 80, 81 BGB deuten zwar auf ein Verbot der Selbstzweckstiftung, so wie es allgemein verstanden wird, hin, schreiben es aber nicht zwingend vor. Der Rückgriff auf die Gesetzgebungsmate-rialien zeigt, dass auch der Gesetzgeber das Verbot der Selbst-zweckstiftung als der Stiftung immanent erachtet hat. Die landläufige Formulierung als Verbot der bloßen Erhaltung, Pflege und Förderung des Stiftungsvermögens führt aber den-noch zu Friktionen in den allgemein als zulässig erachteten Fällen der sog. „Anstaltstiftung“ oder des „Stiftungszweckbe-triebs“. Auch die Formulierung als Verbot der bloßen Vermö-genserhaltung und Vermögensbewirtschaftung führt hier nicht weiter. Unmittelbar erschöpft sich die Tätigkeit solcher Stiftun-gen nämlich genau in der Vermögenserhaltung und Vermö-gensbewirtschaftung. Erst die systematische Gesamtschau unter Berücksichtigung des § 87 Abs. 2 S. 1 BGB öffnet den Blick für die entscheidende Voraussetzung, nämlich die, dass die Erträge des Stiftungsvermögens einem bestimmten Perso-nenkreis zustatten kommen müssen. Das kann allerdings auch dann ohne weiteres der Fall sein, wenn die Erträge des Stif-tungsvermögens zur Erhaltung und Pflege des Stiftungsvermö-gens verwendet werden, nämlich aufgrund der Struktur des Stiftungsvermögens, an dem andere teilhaben können.Dieses Ergebnis mag zunächst als ein Spiel mit Worten anmu-ten. Doch schon die Fälle der sog. „Anstaltstiftung“ oder des „Stiftungszweckbetriebs“ zeigen, dass mit diesem Kriterium besser erfasst werden kann, was gemeint ist, als mit der gän-gigen Formulierung des Lehrsatzes vom Verbot der Selbst-zweckstiftung. Die praktische Relevanz der hier herausgearbeiteten Unter-scheidung gerade für die Beurteilung der Fälle der unterneh-mensverbundenen Stiftungen werden wir im zweiten Teil die-ser Aufsatzreihe näher beleuchten. Eine erste Vorschau sei aber schon gestattet: Der BFH hätte sich in seinem eingangs genannten Urteil aus dem Jahre 2009 nicht mit der Feststel-lung begnügen dürfen, dass „der Erhalt und die Weiterent-wicklung des Stiftungsvermögens“ noch „keinen Stiftungs-zweck dar[stellen]“. Auch dass „[d]er Pflege des Stiftungsver-mögens... bei der Beurteilung des Stiftungszwecks keine ent-scheidende Bedeutung zukommen“ könne, ist für sich ge-nommen nicht richtig. Richtig gestellt wäre vielmehr die Frage gewesen, ob die Verwendung der Erträge des Stiftungs-vermögens zur Erhaltung und Pflege desselben einem von der Stiftung verschiedener Personenkreis zustatten kommt. Nur wenn diese Voraussetzung fehlt, haben wir es tatsächlich mit einer unzulässigen Selbstzweckstiftung zu tun.

tung“ oder „Stiftungszweckbetrieb“ (in Abgrenzung zum Zweckbetrieb nach § 65 AO) diskutiert.27 Gemeint sind damit etwa die Fälle des einer Stiftung gewidmeten Krankenhauses28 oder eines Museums29. In diesen Fällen soll das Verbot der Selbstzweckstiftung gerade nicht gelten, wobei aber unklar bleibt, ob es sich um eine Ausnahme von dem Verbot handelt oder von vornherein schon keine Selbstzweckstiftung vorliegt.30 Bezeichnend ist allerdings, dass als Beispiele immer solche ge-wählt werden (Krankenhaus, Museum), die typischerweise ge-meinnützige Gestaltungen zum Gegenstand haben. Auf eine ge-meinnützige Gestaltung kann es aber, wie vorstehend gezeigt, auch nach dem Willen des Gesetzgebers gerade nicht ankommen.

3. Lösung

Das Verbot der Selbstzweckstiftung nur negativ als Verbot der Vermögenserhaltung und Vermögensbewirtschaftung zu definieren, genügt nach alldem also nicht. Es muss ein ande-res Kriterium gefunden werden, um unseren Beispielsfall der Stiftung zur Erhaltung eines historischen Gebäudes, das im Eigentum der Stiftung steht, angemessen zu lösen.Hier kommt nun eine Vorschrift ins Spiel, die bei der Erörte-rung des Verbots der Selbstzweckstiftung, soweit ersichtlich, noch nicht in Betracht gezogen wurde, nämlich § 87 Abs. 2 Satz 1 BGB. Die Vorschrift lautet (Hervorhebung durch die Verf.): „Bei der Umwandlung des Zweckes soll der Wille des Stifters berücksichtigt werden, insbesondere soll dafür ge-sorgt werden, dass die Erträge des Stiftungsvermögens dem Personenkreis, dem sie zustatten kommen sollten, im Sinne des Stifters erhalten bleiben.“Der Gesetzgeber hat hier ausdrücklich nur eine Aussage zur Zweckänderung getroffen. Indem er dabei aber auf den bisherigen Zweck Bezug nimmt, trifft er auch eine Aussage über diesen. Die Aussage lautet, dass durch den der Stiftung ursprünglich gegebenen Zweck die Erträge des Stiftungs-vermögens einem Personenkreis zustatten kommen sollen. Dieser Personenkreis muss ein von der Stiftung verschiedener Personenkreis sein, damit § 87 Abs. 2 S. 1 BGB Sinn macht. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass es sich nicht zwingend um mehrere Personen („Personenkreis“) handeln muss, sondern auch eine (ggf. juristische) Person Nutznießer sein kann.Wir können also als Voraussetzung für den Stiftungszweck wie folgt positiv formulieren: Der Stifter muss der Stiftung ein Vermögen zur Erfüllung eines von ihm vorgegebenen Zweckes übertragen, so dass die Erträge des Stiftungsvermö-gens einer oder mehreren von der Stiftung verschiedenen Per-sonen zustatten kommen.Bemerkenswert ist die Wahl der Formulierung „zustatten kom-men“ durch den Gesetzgeber. „Zustatten kommen“ bedeutet für jemanden oder etwas „nützlich, hilfreich, von Vorteil sein“.31 Erforderlich ist also nicht, dass die Stiftung die Erträge aus dem Stiftungsvermögen auszahlt. Sie kann sie durchaus wieder zur Pflege des Stiftungsvermögens verwenden, wenn das anderen Personen als der Stiftung selbst zustatten kommt. Genau das ist in unserem Beispielsfall des Erhalts eines zum Stiftungsvermögen gehörenden historischen Gebäudes der Fall. Für die Besucher („Nutzer“) des Gebäudes ist sein Erhalt durch Investition der Erträge des Stiftungsvermögens von Vorteil.