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Original Paper UDC 168.5/M. Heidegger Received October 31st, 2007 Vesna Batovanja Davorina Bazjanca 25, HR-10000 Zagreb [email protected] Heidegger und Wissenschaft Zusammenfassung Heidegger war weder Philosoph der Wissenschaft noch Philosoph der Naturwissenschaft. Die Wissenschaft war, wie Carl Friedrich von Weizsäcker gut bemerkt, „weder der Aus- gangspunkt noch das Ziel seines Denkens”. 1 Vielmehr handelt es sich, so von Weizsäcker, um ein gegenseitiges Missverständnis: „Die Naturwissenschaft hat das, was Heidegger ihr zu sagen hatte, bisher nicht verstanden. Heidegger hat umgekehrt, so scheint es mir, die Naturwissenschaft nicht bis auf den Grund durchzudenken vermocht.” 2 Vielleicht wäre es der Sache selbst angemessener zu sagen, dass es sich um kein bloßes Missverständnis han- delt, sondern um die Bemühung Heideggers, das Denken und die Wissenschaft radikal neu zu bestimmen. Schlüsselwörter Martin Heidegger, Philosoph der Wissenschaft, radikale Bestimmung des Denkens Die Wissenschaft denkt nicht Den Radikalismus von Heideggers Denkunternehmung zeigt vielleicht am besten der anstößige Satz (wie Heidegger selber ihn nennt): „Die Wissen- schaft denkt nicht.” 3 Er will nicht nur sagen, dass zwischen dem Denken und den Wissenschaften eine Kluft besteht, sondern auch, dass sie unüberbrückbar ist. Dabei handelt es sich um keinen Vorwurf, sondern um „eine Feststellung der inneren Struktur der Wissenschaft: daß es zu ihrem Wesen gehört, daß sie einerseits auf das, was die Philosophie denkt, angewiesen ist, sie selbst aber das zu-Denkende vergißt und nicht beachtet”. 4 Dasselbe wird prägnant in Was heißt denken? ausgedrückt: „Alle Wissenschaften gründen in der Philosophie, aber nicht umgekehrt.” 5 Den Satz „Die Wissenschaft denkt nicht” erläutert Heidegger ausdrücklich im Film von Richard Wisser und Walter Rüdel Martin Heidegger: Im Denken 1 Carl Friedrich v. Weizsäcker, „Heidegger und Naturwissenschaft”, in: H.-G. Gadamer, W. Marx, C. F. v. Weizsäcker (Hrsg.), Heidegger. Freiburger Universitätsvorträge zu seinem Gedenken, Karl Alber Verlag Freiburg/Mün- chen 1979, S. 63. 2 C. F. v. Weizsäcker, „Heidegger und Natur- wissenschaft”, S. 64. 3 Martin Heidegger, Was heißt denken?, Max Niemeyer Verlag, Tübingen 1984, S. 4. 4 Martin Heidegger, „Im Denken unterwegs. Ein Film vom Richard Wisser und Walter Rü- del”, in: Richard Wisser, Vom Weg-Charakter philosophischen Denkens, Königshausen & Neumann, Würzburg 1998, S. 445. 5 M. Heidegger, Was heißt denken?, S. 90.

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OriginalPaperUDC168.5/M.HeideggerReceivedOctober31st,2007

Vesna BatovanjaDavorinaBazjanca25,HR-10000Zagreb

[email protected]

Heidegger und Wissenschaft

ZusammenfassungHeidegger war weder Philosoph der Wissenschaft noch Philosoph der Naturwissenschaft. Die Wissenschaft war, wie Carl Friedrich von Weizsäcker gut bemerkt, „weder der Aus-gangspunkt noch das Ziel seines Denkens”.1 Vielmehr handelt es sich, so von Weizsäcker, um ein gegenseitiges Missverständnis: „Die Naturwissenschaft hat das, was Heidegger ihr zu sagen hatte, bisher nicht verstanden. Heidegger hat umgekehrt, so scheint es mir, die Naturwissenschaft nicht bis auf den Grund durchzudenken vermocht.”2 Vielleicht wäre es der Sache selbst angemessener zu sagen, dass es sich um kein bloßes Missverständnis han-delt, sondern um die Bemühung Heideggers, das Denken und die Wissenschaft radikal neu zu bestimmen.

SchlüsselwörterMartinHeidegger,PhilosophderWissenschaft,radikaleBestimmungdesDenkens

Die Wissenschaft denkt nicht

DenRadikalismus vonHeideggersDenkunternehmung zeigt vielleicht ambesten der anstößigeSatz (wieHeidegger selber ihn nennt): „DieWissen-schaftdenktnicht.”3Erwillnichtnursagen,dasszwischendemDenkenunddenWissenschafteneineKluftbesteht,sondernauch,dasssieunüberbrückbarist.DabeihandeltessichumkeinenVorwurf,sondernum„eineFeststellungderinnerenStrukturderWissenschaft:daßeszuihremWesengehört,daßsieeinerseitsaufdas,wasdiePhilosophiedenkt,angewiesenist,sieselbstaberdaszu-Denkendevergißtundnichtbeachtet”.4DasselbewirdprägnantinWas heißt denken?ausgedrückt:

„AlleWissenschaftengründeninderPhilosophie,abernichtumgekehrt.”5

DenSatz „DieWissenschaft denktnicht” erläutertHeidegger ausdrücklichimFilmvonRichardWisserundWalterRüdelMartin Heidegger: Im Denken

1

CarlFriedrichv.Weizsäcker,„HeideggerundNaturwissenschaft”, in: H.-G. Gadamer,W.Marx,C.F.v.Weizsäcker(Hrsg.),Heidegger. Freiburger Universitätsvorträge zu seinem Gedenken,KarlAlberVerlagFreiburg/Mün-chen1979,S.63.

2

C. F. v.Weizsäcker, „Heidegger undNatur-wissenschaft”,S.64.

3

MartinHeidegger,Was heißt denken?,MaxNiemeyerVerlag,Tübingen1984,S.4.

4

Martin Heidegger, „Im Denken unterwegs.EinFilmvomRichardWisserundWalterRü-del”,in:RichardWisser,Vom Weg-Charakter philosophischen Denkens, Königshausen &Neumann,Würzburg1998,S.445.

5

M.Heidegger,Was heißt denken?,S.90.

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unterwegs.6DieserSatz, der,wieHeidegger selber bezeugt, vielAufsehenerregte,lauteteinfach:

„DieWissenschaftbewegtsichnichtinderDimensionderPhilosophie.Sieistaber,ohnedaßsieesweiß,aufdieseDimensionangewiesen.”7

DasGesagteerklärteramBeispielderPhysik:ObwohlsiesichinRaumundZeitund inderBewegungbewegt,kannsie (dieWissenschaft alsWissen-schaftüberhaupt)nichtentscheiden,wassieansichist.VielmehrkönnenwirmitphysikalischenMethodennichtsagen,wasdiePhysikselberist,darüberkönnenwirnurdenken.

„DiePhysikkannalsPhysiküberdiePhysikkeineAussagenmachen.AlleAussagenderPhysiksprechenphysikalisch.DiePhysikselbstistkeinmöglicherGegenstandeinesphysikalischenExperimentes…DasGesagtegiltfürjedeWissenschaft.”8

Durch die Frage nach dem Sinn von Sein erhalten die positivenWissen-schaftenihreletzteundursprünglichsteFundierung.9

„AlleswissenschaftlicheDenkenistnureineabgeleiteteundalssolchedannverfestigteFormdesphilosophischenDenkens.”10

DiesbedeutetkeineHerabsetzungdeswissenschaftlichenDenkens,daHei-degger dessenWesen imWesen der modernen Technik sucht, das selbernichtsMenschlichesist.Dadurch,dasserinihrnichtnureineErscheinungdermenschlichenKultur sieht,wird sie bei ihmhöher gestellt als bei denüberkommenenAuffassungen.Dieeigentliche„Bewegung”derWissenschaftenfindeter„nichtimständigenAnwachsenihrerpositivenErkenntnisse”,sondern„indermehroderminderradikalenundihrselbstnichtdurchsichtigenRevisionderGrundbegriffe”.11Dasbedeutet, dass sie einerWandlungunterliegen.Grundbegriffe sinddiebegrifflichenBestimmungen,indenendasjeweiligeSachgebiet,eineRegiondesSeienden,zumVerständniskommt.InihnenkommtzumausdrücklichenVerständnis,was dieNatur als solche,was derRaumals solcher,was dasLeben als solches,was die geschichtlicheWirklichkeit als solche,was dieSprachealssolcheist.DieGrundbegriffedergalileischenPhysiksindKörper,Bewegung,Geschwindigkeit,OrtundZeit.In Sein und Zeit (§3) schreibt Heidegger über „Grundlagenkrisen” in denWissenschaften.InderMathematikäußertsichdiese„Grundlagenkrise”imKampfzwischenFormalismusundIntuitionismus.InderBiologierichtetsichderKampfgegendieFassungdesLebenden,wieesimMechanismusundVi-talismusdargestelltwurde,um„dieSeinsartvonLebendemalssolchemneuzubestimmen”.UnterdemEinflussderÜberlieferungundderenDarstellungdrängen die historischen Geisteswissenschaften zur geschichtlichenWirk-lichkeitselbst.AusdemSinndesGlaubensselbstsuchtdieTheologienacheinerursprünglicheren„AuslegungdesSeinsdesMenschenzuGott”.EinesolcheGrundlagenkrise geschieht in der Physik durch dieAufstellung derRelativitätstheorie12 AlbertEinsteins.DurchsiekonzentriertsichdiePhysikaufdasProblemderMaterie,d.h.aufdieFragenachderStrukturihresSach-gebietes.

„DieRelativitätstheoriederPhysikerwächstderTendenz,deneigenenZusammenhangderNa-turselbst,sowieer‘ansich’besteht,herauszustellen.AlsTheoriederZugangsbedingungenzurNaturselbstsuchtsiedurchBestimmungallerRelativitätendieUnveränderlichkeitderBewe-gungsgesetzezuwahrenundbringtsichdamitvordieFragenachderStrukturdesihrvorgege-benenSachgebietes,vordasProblemderMaterie.”13

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AlsVerhaltungendesMenschenhabendie WissenschaftendieSeinsartdiesesSeienden.Aber die wissenschaftliche Forschung ist nicht die einzige undnichtdienächsteSeinsartdesDaseins.14WasamSeiendendasimmerwäh-rendBleibendeist,erkenntdieMathematik.

„WasdurchsieamSeiendenzugänglichist,machtdessenSeinaus.”15

DankderOrientierungamSeinalsständigerVorhandenheiterhältdieMathe-matik eine besondereStelleunterdenWissenschaften.Heideggerschreibt:

„DescartesvollziehtsophilosophischausdrücklichdieUmschaltungderAuswirkungdertradi-tionellenOntologieaufdieneuzeitlichemathematischePhysikundderentranszendentaleFun-damente.”16

In der neuzeitlichen physikalischenTheorie derNatur siehtHeidegger dieWegbereiterindesWesensdermodernenTechnik.Ersagt:

„DieneuzeitlichePhysikistderinseinerHerkunftnochunbekannteVorbotedesGe-stells.”17

DaimGe-stelldasWesendermodernenTechnikberuht,entstehtdertrüge-rischeSchein,alsseisieangewandteNaturwissenschaft.DasGe-stellselberistdasGeschickderEntbergung, aber in ihm ruht zugleichdiewahreGe-fahr.

„DieHerrschaftdesGe-stellsdrohtmitderMöglichkeit,daßdemMenschenversagtseinkönn-te, ineinursprünglicheresEntbergeneinzukehrenundsodenZusprucheineranfänglicherenWahrheitzuerfahren.”18

HeideggerführthierHölderlinsWortan: „Wo aber Gefahr ist, wächst Das Rettende auch.”

DasAngeführte will sagen, dass dasWesen derTechnik in sich auch dasWachstumdesRettendenbirgt.

6

R. Wisser, Vom Weg-Charakter philoso-phischen Denkens,S.445.

7

Ibid.

8

Martin Heidegger, „Wissenschaft und Be-sinnung”, in:Vorträge und Aufsätze: Teil I,Neske,Pfullingen1985,S.61.

9

MartinHeidegger,Sein und Zeit,§3.Deron-tologischeVorrangdesSeinsfrage.

10

Martin Heidegger, Einführung in die Me-taphysik, Max Niemeyer Verlag, Tübingen1976,S.20.

11

M.Heidegger,Sein und Zeit,§3,S.9.

12

„Die erste Publikation vonA. Einstein, dieden Terminus ,Relativtätstheorie’ enthält,datiertvon1907.DerAusdruck ,R.’unddieVariante,Relativtheorie’liefenjedochbereitsvorher um. Dies dokumentieren etwa ein

1906publizierterVortragvonM.Planck,der,Relativtheorie’sagt,unddessenDiskussion,in der auch von ,R.’ dieRede ist.” JoachimRitter u.a. (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 8,WissenschaftlicheBuchgesellschaft,Darmstadt2004,S.622.

13

Ibid.,§3,S.9,10.

14

Ibid.,§4.

15

Ibid.,§21.

16

Ibid.,§21,S.96.

17

MartinHeidegger,„DieFragenachderTech-nik”,in:Die Technik und die Kehre,GüntherNeskeVerlag,Pfullingen1996,S.21.Vortraggehalten am 18. November 1953 in Mün-chen.

18

M.Heidegger,„DieFragenachderTechnik”,S.28.

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„JemehrwirunsderGefahrnähern,umsohellerbeginnendieWegeinsRettendezuleuchten,umsofragenderwerdenwir.DenndasFragenistdieFrömmigkeitdesDenkens.”19

Unter dem „Gestell”meintHeidegger keinGerät oder irgendeineArt vonApparaturen,sonderndiegeschickhafteWeisedesEntbergens,nämlichdashervorbringendeEntbergen,ποίησις.Darausfolgt,dassdieTechnikeinBe-reichderEntbergung,d.h.derWahr-heitist.„Wesen”stammtvomZeitwort„wesen”ab,verbalverstandenistesdasselbewie„währen”.DasWährendeberuhtdarin,wasPlatoalsίδέα,AristotelesalsτότιήυέίυαιunddieMeta-physikindenverschiedenstenAuslegungenalsessentiadenkt.DaimSeinselbstdasWesenderTechnikberuht,lässtessichdurchdenMen-schenniemals überwinden.Wenndasmöglichwäre,wäre er derHerr desSeinsanstattderHirtdesSeins.AlsihrWesenhatsichdasSeinindasGestellgeschickt.EshandeltsichumeineEpochedesSeinsselber.

„AllesnurTechnischegelangtnie indasWesenderTechnik.EsvermagnichteinmalseinenVorhofzuerkennen.”20

Dasbedeutet,dassdieWissenschaft auch ihrWesennicht zudurchdenkenvermag.SiekannauchnichtihreigenesWesendurchdenken.„Denn jede Wis-senschaft ruht auf Voraussetzungen, die niemals wissenschaftlich begründbar sind, wohl dagegen philosophisch erweisbar.”21Die Philosophie bestimmtauch allein,was sie selber ist.Ob die Philosophiemöglich ist oder nicht,entscheidetnursie.

Die Wissenschaft als die Theorie des Wirklichen

DieNaturwissenschaftgiltalsdasParadigmaderWissenschaftschlechthin.NichtshatunserAlltagslebenmehrverändertundbestimmtalssie.ImVor-trag„WissenschaftundBesinnung”sagtHeidegger:

„Die Wissenschaft ist eine undzwar entscheidende Weise, in der sich uns alles, was ist, dar-stellt.”22

IndiesemVortragfindenwiraucheinelapidareAntwortaufdieFrage,wasWissenschafteigentlichist:

„DieWissenschaftistdieTheoriedesWirklichen.”23

Aber derSatzmeint, sagtHeidegger, „weder fertigeDefinition, noch einehandlicheFormel”.Ergilt„weder für die Wissenschaft des Mittelalters, noch fürdiejenige des Altertums”.24WissenschaftmeinthierneuzeitlicheWissen-schaftundnichtmittelalterlichedoctrinaoderantikeέπιστήμη.DieseDefini-tionmeintauchnicht,dassdieWissenschafteinenebenanderenTheoriendesWirklichenist,sonderndassnurderWissenschaftdieseBestimmunggehört,eineTheoriedesWirklichenzusein.Aberwirkönnensagen,dassEinsteinsRelativtätstheorieeinezwargrundlegendeTheorienebenanderenTheoriendesWirklichenist.UmdenSatz„die Wissenschaft ist die Theorie des Wirk-lichen” zu verdeutlichen, fragtHeidegger nach derTheorie und nach demWirklichen(wasdieTheorieunddieWirklichkeitselbersind).DasWirklichebedeutet dasWirkendeunddasGewirkte. „Wirken”heißt „tun”.Dabei istTunnichtnuralsmenschlicheTätigkeitgemeint,sondernauchalsWachstum,WaltenderNatur.

„DasWirklicheistdasWirkende,Gewirkte:dasinsAnwesenHer-vor-bringendeundHer-vor-gebrachte.”25

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alsTheoriedesWirklichenistdiemoderneWissenschaft

„…wedereinbloßesGemächtedesMenschen,nochwirdsievomWirklichenerzwungen.WohldagegenwirddasWesenderWissenschaftdurchdasAnwesendesAnwesendenindemAugen-blickbenötigt,dasichdasAnwesenindieGegenständigkeitdesWirklichenherausstellt.”26

Dasbedeutet,dasssiemitderGeschichtedesSeinsselber,mitseinerWand-lung verbunden ist. DasWesen dermodernenWissenschaft gründet, nachHeidegger,imDenkenderGriechen.IhremWesennachkonnteundmusstediegriechischeWissenschaftnichtexaktsein,sohateskeinenSinnzumei-nen,dieneuzeitlicheWissenschaftseiexakteralsdiedesAltertums.DaherkonstatiertHeidegger:

„WollenwirdaherdasWesenderneuzeitlichenWissenschaftbegreifen,dannmüssenwirunszuvorvonderGewohnheitbefreien,dieneuereWissenschaftgegendieälterelediglichgradwei-se,nachdemGesichtspunktdesFortschritts,abzuheben.”27

HeideggerfragtnachdemWesenderneuzeitlichenWissenschaft.Dieneuzeit-licheWissenschaftalsForschungunterscheidetsichwesentlichvonderdoc-trinaundscientiadesMittelalters,aberauchvondergriechischenέπιστήμη.DasWesenderForschungbestehtdarin, dass sichdasErkennen selbst alsVorgehenineinemBereichdesSeiendeneinrichtet.DerGrundvorgangderForschungistgeradedasÖffneneinessolchenBezirkes,dersichdurchEnt-werfeneinesbestimmtenGrundrissesderNaturvorgängevollzieht.Diefrü-hesteundzugleichmaßgebendeneuzeitlicheWissenschaftistdiemathema-tischePhysik,dieineinemvorzüglichenSinneeinebestimmteMathematikanwendet.

„PhysikistallgemeindieErkenntnisderNatur,imbesonderendanndieErkenntnisdesstofflichKörperhafteninseinerBewegung;denndieseszeigtsichunmittelbarunddurchgängig,wennauchinverschiedenerWeise,anallemNaturhaften.”28

AlseinewesentlichmathematischeistdieneuzeitlichePhysikzugleichex-perimentell.DadiegriechischeundmittelalterlicheWissenschaftkeineFor-schungwaren,kommtesdeshalbdortnichtzumExperiment,obwohlAris-toteles erstmals begriffen hat, dass éμπειρία (experientia) das BeobachtenderDingeselbst,ihrerEigenschaftenundVeränderungenunterwechselndenBedingungen ist. Ermeint nicht das Experiment im Sinne der Forschung.WennRogerBacon das Experimentum fordert, verlangt er alsNachfolgerdesAristotelesstattdesargumentumexverbodasargumentumexre,d.h.dieBeobachtungderDingeselbst.DadieneuzeitlicheWissenschaftwesentlichForschungist,wirdderGelehrtedurchdenForscherabgelöst.DieSpeziali-

19

Ibid.,S.36.

20

Ibid.,S.46.

21

M.Heidegger,Was heißt denken?,S.90.

22

MartinHeidegger,„WissenschaftundBesin-nung”,S.41.Vortraggehaltenindervorlie-gendenFassungfüreinenkleinenKreisam4.August1953inMünchen.

23

Ibid.,S.42.

24

Ibid.

25

Ibid.,S.45.

26

Ibid.,S.53.

27

Martin Heidegger, Holzwege, Die Zeit des Weltbildes,Vittorio Klostermann, Frankfurt/M.1980,S.71.

28

M.Heidegger,Holzwege,Die Zeit des Welt-bildes,S.72.

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sierungderWissenschaftendarfmannichtnuralseinunvermeidlichesÜbelbetrachten,sondernauchalseinepositiveFolgedesWesensdermodernenWissenschaft,dasalsTheoriedesWirklichenbestimmt(bezeichnet)wurde.

„DieTheoriedesWirklichenistnotwendigFachwissenschaft.”29

Das Wesen des Menschen und das Sein

DerMenschistbeiHeideggervonGrundaufandersgedacht.DieBezeich-nung:dasDasein30solltediesespezifischeSeinsartdesMenschenbetonen.ImGegensatzzurtraditionellenOntologie,diedenMenschenundDingeaufebendieselbeSeinsartbestimmt,bestimmtHeideggerihnalsdasSeiendesuigeneris.Als seinsverstehendes Seiendes versteht er Dinge und sich selberals„seiend” imLichtedesSeins,das ihn inseinerLichtungwohnen lässt.Menschseinisteinanderesals„bloßesLeben”.„Leben”gebrauchtHeideggeralsBezeichnungdespflanzlichenund tierischenSeienden.DasWesendesMenschenselbstdenktHeideggeralsdemSeinzugehörig.

„DasgroßeWesendesMenschendenkenwirdahin,daßesdemWesendesSeinszugehört,vondiesemgebrauchtist,dasWesendesSeinsinseinerWahrheitzuwahren.”31

DieSpracheistdieanfänglicheDimension,innerhalbderendasMenschen-wesenerstvermag,demSeinunddessenAnspruchzuentsprechenundimEntsprechendemSeinzugehören.InderGefahr,diedasWesendesGestellsdarstellt,kommtdasSeinindieVergessenheitseinesWesensundkehrtsichzugleich gegen dieWahrheit seinesWesens. Sie ist dieEpoche des Seins,wesend als dasGestell.Aber in ihrwest dieGunst derKehre derVerges-senheitdesSeinsindieWahrheitdesSeins.Waseigentlichist,ist dasSein,nichtdiesesoderjenesSeiende.ImWesenderTechniksiehterdenBlitzdesSeins.DaerdasWesenderheutigenWissenschaftimWesendermodernenTechniksucht,istsiebeiihmhöhergestelltalsbeidenüberkommenenAuffassungen,dieinihrnureineErscheinungdermenschlichenKultursehen.32DieFrageist,obderheutigeMenschdaraufvorbereitetist,diejenigenMächtezuver-walten,dieausderEntfaltungdesWesensdermodernenTechnikfolgen.33

„Nietzsche stellt alsersterdiedenkende,d.h.hier imMetaphysischenansetzendeunddahinzurückweisende Frage, der wir folgende Fassung geben: ist der jetzige Mensch in seinemmetaphysischenWesen dafür vorbereitet, dieHerrschaft über die Erde imGanzen zu über-nehmen?”34

Darauf antwortet Nietzsche negativ. Heidegger unterscheidet das Planeta-rische der Metaphysikvollendung von den historisch nachweisbaren Ab-wandlungenbeiVölkernundaufdenKontinenten.DemMenschentumderMetaphysikistdieWahrheitdesSeinsverborgen.DenBeginnderVollendungderMetaphysiksiehtHeideggerinHegelsMetaphysik.IhreÜberwindungistdasVorzeichen der anfänglichenVerwindung derVergessenheit des Seins.DieseÜberwindung selber ist positiv gedacht – als ihreÜber-lieferung ineigeneWahrheit.IhreVollendungbezeichneteralsUntergangderWahrheitdesSeienden.

Die Frage nach dem Nichts

DieFrage,dieinnerhalbderWissenschaftennichtgestelltwerdenkann,istjenedesNichts.DieFragenachdemNichtsunddieAntwortaufsiesindin

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gleicherWeiseinsichwidersinnig.DadasDenkenimmerdasDenkenvonetwasist,müsstealsDenkendesNichtssichselbstwidersprechen.

„Denn das Nichts ist die Verneinung derAllheit des Seienden, das schlechthin Nicht-Sei-ende.”35

Wasnichtentschiedenist, istderZweifel:GibtesdasNichts,weilesdasNicht,d.h.dieVerneinuggibt,oderumgekehrt,weilesdasNichtsgibt,gibtes dieVerneinung. NachHeidegger ist das Nichts ursprünglicher als dasNichtunddieVerneinung.36DasNichtsoffenbartsichinderAngst.37Inihristeinemunheimlich.SieverschlägtunsdasWort.DasNichtsermöglichtdieOffenbarkeitdesSeiendenalseinessolchenfürdasmenschlicheDasein.DawirunsandasSeiendeverlieren,istunsdasNichtsinseinerUrsprüng-lichkeitverstellt,dessenFolge ist,dassdieAngst seltengeschieht.DurchdieAngstalsdieErfahrungdesNichtskannderGegensatzvonNichtsundSeingefasstwerden.DaherlautetdieentscheidendeFragederMetaphysik:Warum ist Seiendes und nichtvielmehr Nichts?38SieistdemRangenachdieersteFrage.Alsdieamweitestengreifende,dasiesogardasNichtsselbsteinschließt, istsiezugleichdie tiefsteunddieursprünglichsteFrage.Hei-deggernenntsie„Warumfrage”,diegegenüberjederanderenunvergleich-lichist.39SieistdieursprünglichsteFrage,weilsie„allemechtenFragendenGrunder-springtundsoUr-sprungist…”40AusdenangeführtenGedankenwurdeklar:WervomNichtsredenwill,mussnotwendigunwissenschaftlichwerden.

29

M. Heidegger, „Wissenschaft und Besin-nung”,S.55.

30

„UmsowohldenBezugdesSeinszumWesendesMenschenalsauchdasWesensverhältnisdesMenschenzurOffenheit(‚Da’)desSeinsalssolchenzugleichundineinemWortzutreffen,werdefürdenWesensbereich,indemderMenschalsMenschsteht,derName‚Da-sein’gewählt.”M.Heidegger,Was ist Meta-physik?,11.durchgeseheneAuflage,VittorioKlostermann,Frankfurt/M.1975,S.14.

31

MartinHeidegger,„DieKehre”,in:Die Tech-nik und die Kehre, Günther Neske Verlag,Würzburg1996,S.39.

32

NachHeideggerwarbereitsfürdieGriechendieWissenschaftkein„Kulturgut”,„sonderndie innerst bestimmende Mitte des ganzenvolklich-staatlichen Daseins”. –Die Selbst-behauptung der deutschen Universität, Das Rektorat 1933/34, Vittorio Klostermann,Frankfurt/M.1983,S.12.

33

DieGriechenbenennenmitdemselbenWortτέχυη sowohldieKunst als auchdas Hand-werk.

34

M.Heidegger,Was heißt denken?,S.64.

35

M.Heidegger,Was ist Metaphysik?,S.28

36

Ibid.,S.29.

37

„Angst ist grundverschieden von Furcht.Wirfürchtenunsimmervordiesemoderje-nembestimmtenSeienden,dasunsindieseroderjenerbestimmtenHinsichtbedroht.DieFurchtvor…fürchtetjeweilsauchumetwasbestimmtes… Im Streben, sich davor – vordiesem Bestimmten – zu retten, wird er inbezugaufAnderesunsicher,d.h. imGanzen,kopflos’.DieAngst läßteinesolcheVerwirrungnichtmehr aufkommen.Weit eher durchzieht sieeineeigentümlicheRuhe.ZwaristdieAngstimmerAngst vor…, aber nicht vor diesemoderjenem.DieAngstvor…istimmerAngstum…, aber nicht um dieses oder jenes.”–Ibid.,S.31–32.

38

„Warum ist überhaupt Seiendes und nichtvielmehrNichts?”–Einführung in die Meta-physik,S.1.

39

Ibid.,S.4.

40

Ibid.,S.5.

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„VomNichts zu reden, bleibt für dieWissenschaft alle Zeit einGreuel und eine Sinnlosig-keit.”41

EswäreeingroßesUnglück,wenndaswissenschaftlicheDenkendaseinzigeundeigentliche,strengeDenkenwäreundwennsichdiePhilosophienichtineinemganzanderenBereichundaufeinemganzanderenRanggeistigenDaseins bewegenwürde. Sie ist denWissenschaften nicht gleichgeordnet,sondernvielmehrvorgeordnet.Nichtnur,dassdieWissenschaftfürHeideggernichtzumMaßstabdesphilo-sophischenDenkensgemachtwerdenkann,sondernumgekehrtistjedeswis-senschaftlicheDenken die abgeleitete Formdes philosophischenDenkens.Dies, um es nochmals zu unterstreichen, bedeutet in der SichtHeideggerskeineHerabsetzungderWissenschaft,sondernihrewahreFundierung.

Ein Unterschied: Heidegger – Cassirer

Heidegger hat kein Interesse daran gehabt, zur wechselseitigenVerständi-gung zwischenPhilosophen undWissenschaftlern oder, genauer, zwischenPhilosophenundPhysikernbeizutragen,wasz.B.daserwünschteZielErnstCassirerswar,42sonderndenRangderbeiden,derPhilosophieundderWis-senschaftklarzubestimmen.Erdringtnichtsopräzis indiewissenschaft-lichePhysikeinwieCassirer,dersichbemüht,innächsterBerührungzuihrzubleiben.Beispielsweiseuntersucht er die empirischenundbegrifflichenGrundlagenderRelativitätstheorie;dasVerhältnisderRelativitätstheoriezumphilosophischenWahrheitsbegriffoderzumProblemderRealität.Ihmzufol-gebringtdieRelativitätstheoriedieFormdesphysikalischenDenkenszuei-nerletztenKlarheit.Erhatversuchtzuzeigen,wiederneueNaturbegriffundGegenstandsbegriff,densieaufstellt,indieserFormbegründetist.DasZieldesphysikalischenDenkensistnur,denGegenstandderNaturzubestimmenundauszusprechen.DieEntwicklungdertheoretischenPhysikistseitPlanckdurchdieEmanzipationvondenanthropomorphenElementengekennzeich-net,dienicht,soCassirer,ineinembeschränktpsychologischen,sondernineinem allgemein kritisch-transzendentalen Sinne verstanden werden soll.Kurzausgedrückt:DieTrennugderPhysik„vonderindividuellenPersönlich-keitdesPhysikers”.43DenallgemeinstenInhaltderWirklichkeitdrücktdiePhysikdurchdieBegriffevonRaumundZeit,vonZahlundGrößeaus,unddiesesindnurdurchdieAusschaltungdersinnlichenUnmittelbarkeitunddersinnlichenBesonderungdereinzelnenWahrnehmungsqualitätenmöglich.

„AllePhysikbetrachtetdieErscheinungenunterdemGesichtspunktundderVoraussetzungih-rerMeßbarkeit.SiesuchtdasGefügedesSeinsunddesGeschehenszuletztineinreinesGefüge,ineineOrdnungvonZahlenaufzulösen.GeradedieRelativitätstheoriehatdieseGrundtendenzdesphysikalischenDenkensaufihrenschärfstenAusdruckgebracht.NachihrbestehtdasVer-fahren jederphysikalischen ‚Erklärung’desNaturgeschehensdarinunderschöpft sichdarin,jedemPunktedesraum-zeitlichenKontinuums‚vierZahlenx1,x2,x3,x4zuzuordnen’,diegarkeineunmittelbarephysikalischeBedeutungbesitzen,sondernnurdazudienen,diePunktedesnumerieren’.”44zuWeisewillkürlicheraberbestimmter,‚inKontinuums׀

AlleQualitäten,wiediedesreinenRaumesalsauchdiederreinenZeit,sindinreineZahlwerteumgesetzt.DieRelativitätstheoriesuchtauchalleDiffe-renzen,nichtnurdiederEmpfindung,sondernauchdiederräumlichenundzeitlichenBestimmung, indieEinheitderZahlbestimmungemporzuheben.DiespezifischeErkenntnisaufgabedermathematischenPhysikist

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„…allesZählbareindiereineZahl,alleQualitätindieQuantität,allebesondereGestaltungineinallgemeinesOrdnungsschemaumzusetzenundeskraftdieserUmsetzungerstwissenschaft-lichzu‚begreifen’.”45

VondemphysischenKontinuum,dasaufdasmathematische,aufdasKon-tinuumderreinenZahlenbezogenist,unterscheidetCassirerdas„metaphy-sische”KontinuumdersubjektivenErlebnisform.ImUnterschiedzuBergson,derLetzteremdenVorrangunddieUrsprünglichkeitzuschreibtundNewtonsAuffassungablehnt,dassdiemathematischeZeitdie„wahre”ist,indemalleempirischgegebeneZeitbestimmungnurdessenAbbildungist.ImGegensatzzudenbeidenvertrittCassirerdieMeinung,dassessichumkeinenVorranghandelt,dadiebeidenGesichtspunktesinnvollundnotwendigsind.WährendHeidegger das Verhältnis Philosophie–Wissenschaft auf der ontologischenEbenethematisiert,46behandeltCassirereserkenntnistheoretisch.

Fassen wir zusammen

Obwohl sich inderEntwicklungdesWissenschaftsbegriffesbeiHeideggereinigePhasenunterscheidenlassen,istdasfürseineAuffassungdesVerhält-nissesvonPhilosophieundWissenschaftnichtwesentlich.Entscheidendistfürihn,denUnterschiedzwischendenbeidenklarzumachen.InderAbgren-zungvonderÜberlieferungfasstHeideggerPhilosophienichtmehralsWis-senschaftauf,egalobessichumihreallgemeine,absoluteoderstrengeFormhandelt.DerbekannteSatz,die Wissenschaft denkt nicht,deroftalswissen-schaftsdistanziertundwissenschaftskritischinterpretiertwordenist,bedeutetnachHeideggernur,dasssienichtinderWeisederPhilosophiedenkt.DieFrage,obdiePhilosophieüberhauptWissenschaftsei,tauchtgerademitderEntwicklungderneuzeitlichenWissenschaftauf,diealsForschunginvollemSinnezumAusdruckkommt.DieAufgabederPhilosophiestelltHeideggerunterdieThese„Philosophie ist nicht Wissenschaft”,diedurchdenTitelsei-nesBuchesSein und ZeitzumAusdruckgebrachtwurde.47Erveranschaulichtuns,dassdas innersteProblemderabendländischenPhilosophiedie Frage

41

M.Heidegger,Einführung in die Metaphysik,S.20.

42

ErnstCassirer,Gesammelte Werke,Hambur-ger Ausgabe, Band 10: „Zur EinsteinschenRelativitätstheorie”, Vorwort, Wissenschaft-liche Buchgesellschaft, Darmstadt 2001.– „Das Ziel dieser Schrift wäre erreicht, wenn es ihr gelänge, in Fragen, über welche das Urteil der Philosophen und der Physiker noch weit auseinandergeht, eine wechselsei-tige Verständigung zwischen beiden anzu-bahnen.”

43

MaxPlanck,Acht Vorlesungen,Hirzel,Leip-zig1910,S.7.

44

E.Cassirer,Gesammelte Werke,S.114.Vgl.AlbertEinstein,Über die spezielle und allge-meine Relativitätstheorie.

45

E.Casirrer,Gesammelte Werke,S.116.

46

„Ob die Philosophie die Wissenschaft undüberhauptWissenschaftsei,läßtsichnichtausirgendeinemErkenntnisidealherentscheiden,sondern allein aus dem Sachgehalt und deninneren Notwendigkeiten ihres ersten undletztenProblems,derFrage nach dem Sein.WenndiePhilosophienichtdieWissenschaftseinundbleibendarf,dannistsiedamitnichtderWillkürausgeliefert,sondernnurfrei ge-wordenfürdieAufgabe,dieihrjederzeitauf-gegebenist,wosiezumWerkundzurWirk-lichkeitkommenwill:Sieistfreigeworden,daszusein,wassieist–Philosophie.”–Mar-tin Heidegger, Hegels Phänomenologie des Geistes, Vittorio Klostermann, Frankfurt/M.1988,Band32,S.18,19.

47

„InWahrheitreichtdieneuzeitlicheundheu-tigeWissenschaftunmittelbarnirgendsindasFeld der Entscheidung über dasWesen desSeyns.”MartinHeidegger,Beiträge zur Phi-losophie (Vom Ereignis), Band 65, VittorioKlostermann,Frankfurt/M.1980,S.141.

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nach dem Sein ist.InihrwirddasProblemderOntologieneugestellt(oder:InihrwurdedasProblemderOntologieneugestellt.)Damitwurdesiefrei,daszusein,wassieist–Philosophie.AlsdasFragennachderWahrheit des SeinsistsieherrschaftlichesWissen.DiesesFragenschließtinsichdieAus-einandersetzungmitdergesamtenabendländischenPhilosophieein,diedasProblemderWahrheitalseinProblemderLogikerörtert.48DerSatzvonderArt:„Der Stein ist hart”,sagtetwasüberdasSeiendeaus,wasesistundwieesist.Wenndadurchausgesagtwird,wasundwiedasSeiendewirklichist,istderSatzrichtig.InderRichtigkeit der AussagewirdvonaltersherderOrtderWahrheitgesucht.AbersiekannauchderOrtderUnwahrheit,FalschheitundLügesein.SostelltsichdasWahrheitsproblemderLogikauf,oderderEr-kenntnistheorie,wiesieinletzterZeitgennantwird.49DasWahrheitsproblemerörtertHeideggernichtalseinProblemderLogik,sondernalsdieGrund-fragederPhilosophie,indemerdieFragenachderWahrheit desSeins alsdieGrundfragedesDenkensbezeichnet.WasdieBeurteilungderPhilosophieanbelangt, so ist sie,nachHeidegger,immerverschätzt,dasbedeutetentwederüberschätztoderunterschätzt.Sieist überschätzt,wennmanvon ihr eineunmittelbarnutzbringendeAuswir-kungerwartet,oderunterschätzt,sofernmaninihrenBegriffennur„abstrakt”wiederfindet,wasdurchdieErfahrungüberdieDingesichergestelltist.AllesBemühenHeideggerszieltdarauf,dasDenkenzubegründen,daswederMe-taphysiknochWissenschaftwäre.HeideggersRedevomEndederPhiloso-phiebedeutetdieVollendungderMetaphysik,d.h.ihreVersammlungindenäußerstenMöglichkeiten.NureinverwandeltesDenken,dasheißtjenes,dasschonindieÜberwindungderMetaphysikeingegangenist,kannjenesderMetaphysikbestimmen.SogehörtbeispielsweisedieLoslösungderWissen-schaftenvonderPhilosophiezuihrerVollendung.HeideggerstelltdieFra-ge:

„WelcheAufgabebleibtdemDenkenamEndederPhilosophienochvorbehalten?”50

DielapidareAntwortwäre,dieSachedesDenkensneuzubestimmen.SeinVortrag„DasEndederPhilosophieunddieAufgabedesDenkens”schließtmitdenWorten:

„DieAufgabedesDenkenswäredanndiePreisgabedesbisherigenDenkensandieBestimmungderSachedesDenkens.”51

DasSeinistdieSachedesHeidegger’schenDenkens.EsseidasbisherUnge-dachtederMetaphysik.DieSachedesDenkensdrängtdasDenkenzuseinerSache,bringtesundvondieserherzuihmselbst.

Vesna Batovanja

Heidegger i znanost

SažetakHeidegger nije bio ni filozof znanosti niti filozof prirodne znanosti. Znanost nije za njega bila, kako dobro primjećuje Carl Richard von Weizsäcker, »ni izlazište niti cilj njegova mišljenja«. Štoviše, prema Weizsäckeru, riječ je o obostranom nerazumijevanju: »Znanost do sada nije razumjela što joj je Heidegger htio reći, dok Heidegger obratno, tako mi se čini, nije mogao temeljito promisliti prirodnu znanost.« Možda bi bilo primjerenije samoj stvari reći, da nije riječ o pukom nerazumijevanju, već o naporu Heideggera da mišljenje i znanost radikalno novo odredi. Radikalnost njegova poduhvata pokazuje možda najbolje uvredljiva rečenica (kako je sam Heidegger imenuje): »Znanost ne misli.« Ona ne želi samo reći da postoji jaz između miš-

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ljenja i znanosti, već također da je on nepremostiv. Pritom nije riječ o nikakvom prigovoru, već o »utvrđivanju unutarnje strukture znanosti: da je u njezinoj biti, da je s jedne strane upućena na to, što misli filozofija, no sama se ne osvrće na to što treba misliti i zaboravlja ga.«

Ključne riječiMartinHeidegger,filozofznanosti,radikalnoodređenjemišljenja

Vesna Batovanja

Heidegger and the science

AbstractHeidegger wasn’t a philosopher of science, nor a philosopher of natural science. In Carl Richard von Weizsäcker’s remark, science in Heidegger’s opinion wasn’t “the source nor the objective of his thinking”. In fact, according to Weizsäcker, the point is in mutual misunderstanding. “Until now the science hasn’t understood what Heidegger meant to say to it, while on the other hand, as it seems to me, Heidegger couldn’t thoroughly think the nature science through.” Maybe it would be more to the point to say that it wasn’t just about misunderstanding, but more about Heidegger’s effort to define thinking and science in a radically new approach. The radicalism of his endeavor is, maybe, best shown in his insulting sentence (the way Heidegger names it): “Science doesn’t think.” That doesn’t mean only that there’s a gap between thinking and sci-ence, but also that this gap is unsurmountable. Thus, the point isn’t in any kind of an objective, but in “establishing the inner structure of science: that in its essence it is to be, on one level, in reference to what philosophy thinks, but in itself is not concerned about what it is supposed to think and forgets about it”.

Key wordsMartinHeidegger,philosopherofscience,radicaldeterminationofthinking

Vesna Batovanja

Heidegger et la science

RésuméHeidegger n’était ni un philosophe de la science ni un philosophe de la science de la nature. Pour lui, la science n’était, comme l’a justement remarqué Carl Richard von Weizsäcker, « ni le point de départ ni la finalité de sa pensée ». De surcroît, selon Weizsäcker, il s’agit d’une incom-préhension mutuelle : « La science, jusqu’à présent, n’a pas compris ce que Heidegger souhaitait lui dire ; à l’inverse, Heidegger, il me semble, n’a pu approfondir la science de la nature. » Peut-être serait-il plus approprié de parler, non pas d’une simple incompréhension, mais de l’effort de Heidegger de déterminer la pensée et la science d’une façon radicalement novatrice. « La science ne pense pas » : cette phrase, offensante, comme l’a désignée Heidegger lui-même, illustre peut-être le mieux la radicalité de sa démarche. Non seulement elle indique qu’il existe, entre la pensée et la science, un hiatus, mais affirme, en plus, que celui-ci est infranchissable. Ce n’est pas une objection ; il s’agit en fait de « déterminer la structure intrinsèque de la science : que dans son essence, elle soit portée vers ce que pense la philosophie, sans toutefois mettre en question elle-même ce qu’il faut penser et en l’oubliant ».

Mots-clésMartinHeidegger,unphilosophedelascience,déterminationradicaledepenser

48

MartinHeidegger,Grundfragen der Philoso-phie,Band45,V.Klostermann,Frankfurt/M.1984,S.11.

49

Ibid.,S.3.

50

MartinHeidegger,„DasEndederPhilosophieunddieAufgabedesDenkens”,In:Zur Sache des Denkens,Max NiemeyerVerlag Tübin-gen1988,S.66.

51

Ibid.,S.80.