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Wissen, was wirklich Sache ist. DAS JAHR 2015

16 06 06 VZ Jahres Layout 1 - Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz · 2017. 8. 8. · das jahr 2015 vorwort 3 grusswort 5 verbraucherzentrale als marktwÄchter 6 verbraucherrecht 9

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  • Wissen, was wirklich Sache ist.

    DAS JAHR 2015

  • DAS JAHR 2015

    VORWORT 3

    GRUSSWORT 5

    VERBRAUCHERZENTRALE ALS MARKTWÄCHTER 6

    VERBRAUCHERRECHT 9

    TELEKOMMUNIKATION UND DIGITALE MEDIEN 13

    VERSICHERUNGEN 18

    FINANZDIENSTLEISTUNGEN 20

    GESUNDHEIT UND PFLEGE 22

    LEBENSMITTEL UND ERNÄHRUNG 25

    ENERGIE UND BAUEN 30

    LANDESBERATUNGSSTELLE BARRIEREFREI BAUEN UND WOHNEN 37

    NEUES AUS DEN BERATUNGSSTELLEN 39

    ORGANISATORISCHES 42

    • Statistik 42• Öko-Profit 44• Organigramm 45• Etat für das Jahr 2015 46• Vorstand 49• Betriebsrat 49• Verwaltungsrat 49• Mitgliedsverbände 50• Mitarbeit in Gremien 51• Mitgliedschaft in Organisationen 52• Beratungsangebote 53• Anschriften der Beratungsstellen 54• Impressum 55

    Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir in dieser Publikation fast ausschließlich die männliche Form, bei allen personenbezogenen Bezeichnungen sind aber immer beide Geschlechter gemeint.

  • VORWORT

    Liebe Leserinnen und Leser,

    die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz hat in einem ar-beitsreichen Jahr 2015 viel erreicht. Unser Anspruch ist es,den gesellschaftlichen Wandel aufmerksam zu begleitenund mitzugestalten. Umwälzungen wie die Digitalisierungaller Lebensbereiche oder die Energiewende machen sichim Alltag der Verbraucher deutlich bemerkbar. Sie bringenVorteile und Erleichterungen, bergen aber auch Risikenund schüren Ängste. Unser Anspruch ist es, Märkte zu be-obachten, Missstände aufzuzeigen, Probleme anzugehen,Abhilfe einzufordern und Verbraucher bei ihren Alltags -fragen und -problemen informativ und unterstützend zubegleiten.

    Erfreulich:Verbraucherschutz für Flüchtlinge

    Kaum in Deutschland angekommen, müssen sich Flücht-linge in einer zum Teil erheblich anders organisierten Ge-sellschaft orientieren und werden leicht Opfer windigerAnbieter. Immer häufiger suchen sie oder ihre Betreu-er Rat in den Beratungsstellen der Verbraucherzentrale.So sind Orientierungshilfen für das Alltagsleben in derneuen Heimat und Unterstützung gefragt. Als bundesweiterste Verbraucherzentrale können wir durch eine Projekt -förderung des rheinland-pfälzischen Verbraucherschutz -ministeriums präventive Informationen bieten und uns inder Beratung den individuellen Problemen der Flüchtlin-ge widmen. Ein Mitarbeiter tritt als Flüchtlingskoordina-tor im Januar 2016 seine Arbeit bei der Verbraucherzen -trale an und kümmert sich um die drängendsten Heraus -forderungen.

    Verbraucherzentrale ist Marktwächter

    Die Arbeit der Marktwächter nimmt Fahrt auf. Bei der Vor -stellung der ersten Sonderuntersuchung zu Streaming-Diensten haben sich Verbraucherschutzminister HeikoMaas und Ministerpräsidentin Malu Dreyer über die Arbeit des Marktwächters Digitale Welt informiert. Die ers -ten Ergebnisse zeigen: Marktbeobachtung aus Verbrau-chersicht ist mehr als nötig, denn auf komplexen, schnell-lebigen Märkten ist vieles nicht im Lot. Altersvorsorgepro-dukte gehen am Bedarf der Verbraucher vorbei oder dieStandmitteilungen zu Lebens- und Rentenversicherun-

    gen sind für Verbraucher oft nicht verständlich oder hilf-reich.

    Auch jenseits der Marktwächter nimmt die Marktbeobach-tung einen großen Raum in der Arbeit der Verbraucher-zentrale ein, sei es zum Thema digitales Erbe, zur Elemen-tarschadensversicherung, zur Lebensmittelkennzeichnungoder zu Energielabeln.

    Kooperationen schaffen Synergieeffekte

    Um Verbraucherinteressen durchzusetzen, gilt es, Kräftezu bündeln. Oft braucht es vieler vereinter Stimmen, umgehört zu werden. Neben der engen Zusammenarbeit mitden Verbraucherzentralen, legen wir großen Wert auf Kooperationen mit Organisationen wie dem Landeskrimi-nalamt, dem Landesbeauftragten für den Datenschutzund die Informationsfreiheit, den Mitgliedsverbändenaber auch mit Politik und Kommunen. Gemeinsam ver-schaffen wir mit zahlreichen Aktivitäten der Stimme derVerbraucher mehr Gehör.

    Die Verbraucherzentrale wächst

    Durch das neue Team zur Energiekostenberatung und erste Stellen im Marktwächterprojekt ist die Verbraucher-zentrale im letzten Jahr erheblich gewachsen – Ende 2015haben wir fast 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter be-schäftigt. Die neuen Projekte sind eine Auszeichnung fürunsere Arbeit – sie macht deutlich, dass Verbraucher-schutz einen hohen politischen Stellenwert hat.

    Ulrike von der Lühe Vorstand der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz

    | 3

  • Unerfreulich

    Die Unabhängige Patientenberatung Deutschland mussnach zehn Jahren erfolgreicher Arbeit Ende 2015 ihre Ar-beit beenden. In einer europaweiten Ausschreibung ist sieeinem Mitbewerber unterlegen. Bitter für die Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter. Auch das Projekt »Neustart fürsKlima« wurde nicht verlängert und musste nach drei Jah-ren »Neubürgerberatung« und zahlreichen spannendenAktionen Mitte 2015 seine Arbeit einstellen.

    Dank

    Ich danke allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihren engagierten Einsatz für den Verbraucherschutz.Ohne sie wären die erzielten Erfolge nicht möglich ge -wesen. Ebenso danke ich meinen Kolleginnen und Kolle-gen in den Verbraucherzentralen und beim Verbraucher-zentrale Bundesverband für ihr Vertrauen und die gute Zusammenarbeit. Bei den Akteuren in Politik und Ministe-rien bedanke ich mich dafür, dass sie stets ein offenes Ohrfür uns haben und wir sehr konstruktiv zusammenarbei-ten können. Mein Dankeschön gilt auch dem Verwaltungs-rat für die vertrauensvolle Begleitung unserer Arbeit.

    Mit dem vorliegenden Jahresbericht gibt die Verbraucher-zentrale Rechenschaft über ihre Arbeit im letzten Jahr. Unsere Erfolge – auch bei den Abmahnungen – zeigen,dass es sich lohnt, hartnäckig für die Interessen der Ver-braucherinnen und Verbraucher zu kämpfen. Viele The-men und offene Forderungen, die auch weiterhin auf derAgenda stehen, machen aber auch deutlich: es gibt nochviel zu tun.

    Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen Ihre

    Ulrike von der LüheVorstand der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz

    4 | Vorwort

  • GRUSSWORT

    Das Jahr 2015 war ein spannendes und erfolgreiches Jahrfür die Verbraucherzentrale.

    106.200 Beratungs- und Informationskontakte zeigen dengroßen Bedarf an unabhängiger und kompetenter Be -ratung im Land. Ratsuchende haben die unterschiedlich-sten Fragen und Beschwerden, weisen auf Missstände hinund erhalten von fachkundigen Beratern Unterstützungund Tipps. Das Themenspektrum ist breit und reicht vonTelekommunikation und Digitalisierung über Versicherun-gen, Altersvorsorge, Banken, Kredite und Verbraucher-recht bis hin zu Lebensmitteln und Ernährung, Gesundheitund Pflege sowie Energie, Bauen und Wohnen. Die Anfor-derungen an eine kompetente Beratung und Interessen-vertretung sind hoch, das Leistungsspektrum bei knap-pem Budget ist beeindruckend.

    Vorträge und Aktionen sind neben der persönlichen, tele-fonischen und schriftlichen Beratung ein unabdingbaresStandbein für die Verbraucherzentrale. Höhepunkte warendabei die Vorträge im Rahmen der landesweiten Demo-grafiewoche und die Aktionen bei der Landesgartenschau.Auch im Internet und den sozialen Medien ist die Verbrau-cherzentrale mit tagesaktuellen Informationen und Tippsvertreten. Mit zahlreichen Musterbriefen unterstützt sieRatsuchende dabei, berechtigte Ansprüche anzumeldenund durchzusetzen.

    Dank des Marktwächters Finanzen und des Marktwäch-ters Digitale Welt kann die Verbraucherzentrale wichtigeHinweise von Ratsuchenden nun noch systematischerauswerten und bündeln, Verbraucherbelangen bei Auf-sichtsbehörden und in der Öffentlichkeit mehr Gehör ver-schaffen und der Politik wichtige Argumente für ihre Ent-scheidungen liefern. Für Politik und Medien ist die Exper-tise der Verbraucherzentrale von großer Bedeutung. Dieszeigen die Stellungnahmen bei Anhörungen, die Mitarbeitin vielen Gremien, aber auch die beeindruckende Zahl anMedienkontakten.

    Mein herzlicher Dank gilt daher in erster Linie der uner-müdlichen Arbeit und dem engagierten Einsatz der Mitar-beiterinnen und Mitarbeiter, der oft weit über das üblicheMaß hinausgeht. Dieser Dank gilt auch dem Vorstand derVerbraucherzentrale, Ulrike von der Lühe, die im Sommer2015 zur Vorsitzenden des Verwaltungsrats des Verbrau-

    cherzentrale Bundesverbandes gewählt worden ist. Zudiesem neuen Amt gratuliere ich im Namen des Verwal-tungsrates recht herzlich.

    In der Mitgliederversammlung haben die Delegierten derMitgliedsverbände einen neuen ehrenamtlichen Verwal-tungsrat gewählt. Die bisherigen Verwaltungsratsmitglie-der Angelika Stegmann, Frieder Stauder, Thomas Penselund Ilse Wambsganß wurden wiedergewählt. GabrieleWeber vom DGB hat aufgrund ihres Bundestagsmandatsnicht wieder kandidiert. Zu ihrem Nachfolger wurde LukasBläsius vom DGB gewählt. Meinen Mitstreitern im Verwal-tungsrat danke ich für ihr Engagement und ihre konstruk-tiven Anregungen. Wir werden die Arbeit der Verbraucher-zentrale auch in Zukunft gerne begleiten.

    Angelika Stegmann Vorsitzende des Verwaltungsrats

    Grußwort | 5

    Angelika Stegmann, Vorsitzende des Verwaltungsrats derVerbraucher zentrale Rheinland-Pfalz

  • > MARKTWÄCHTER-PROJEKTE HABENIHRE ARBEIT AUFGENOMMENSeit 2015 arbeitet die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz aktiv als »Marktwächter«. Die bundesweiten Projek-te Marktwächter Finanzen und Marktwächter Digitale Welthaben im vergangenen Jahr ihre Arbeit aufgenommen.

    Die Marktwächter sind ein Frühwarnsystem, mit dem derVerbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und die Ver-braucherzentralen den Finanzmarkt und den digitalenMarkt aus Perspektive der Verbraucher beobachten undanalysieren. Die Arbeit der Marktwächter folgt dem Prin-zip »Erkennen – Informieren – Handeln«: Die Verbraucher-zentralen erfassen Probleme der Verbraucher auf Grund-lage von Verbraucherbeschwerden, empirischen Unter -suchungen sowie durch ein interaktives Onlineportal undwerten diese aus. Die Ergebnisse kommunizieren sie an-schließend einer breiten Öffentlichkeit. Als Frühwarnnetz-werk können die Marktwächter zudemMissstände frühzeitig an Aufsichts- undRegulierungsbehörden sowie an diePolitik melden, um auf Verbesserungenhinzuwirken. Bei rechtswidrigem An-bieterverhalten werden die Verbrau-cherschützer durch Abmahnungen odergerichtliche Klärung auch unmittelbarfür Verbraucher tätig.

    An der Arbeit der Marktwächter sindalle Verbraucherzentralen und der Ver-braucherzentrale Bundesverband be-teiligt. Beide Marktwächter-Projektesetzen sich aus je fünf Schwerpunktver-braucherzentralen zusammen, die je-weils ein Handlungsfeld des Finanz-marktes bzw. des digitalen Marktes näher untersuchen. Alle Verbraucher-zentralen arbeiten dem Frühwarnnetz-werk umfangreich zu, indem sie Ver-braucherbeschwerden und Erkenntnis-se aus dem Beratungsalltag liefern.

    > MARKTWÄCHTER DIGITALE WELTDer Marktwächter Digitale Welt beobachtet Beschwerdenund Probleme der Verbraucher, die ihnen im digitalenMarkt begegnen – beispielsweise Abo-Fallen im Internet,unverständliche Geschäftsbedingungen oder Abmahnun-gen auf Grund von digitalen Urheberrechtsverletzungen.

    Die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz ist eine von fünf Schwerpunkt-Verbraucherzentralen im Rahmen desMarktwächters Digitale Welt. Ihr Themenschwerpunktsind digitale Güter, also alle immateriellen, nicht physi-schen Güter wie digitale Videos, digitale Musik, E-Books,Online-Spiele oder auch digitalisierte Zeitungen und Zeitschriften. Verbraucher nutzen diese über PC, Smart -phones, Tablets, Smart-TVs oder Spielekonsolen. Film-und Musikproduzenten, Verlage, Soft- und Hardwarean-bieter, Telekommunikationsunternehmen sowie Online-Platt formen wie Amazon verbreiten diese digitalen Güter.

    Gleichzeitig speist die Verbraucherzen-trale Rheinland-Pfalz das Frühwarn-netzwerk des Marktwächters DigitaleWelt mit Fällen aus der Beratungspra-xis, auch jenseits des Schwerpunkts digitale Güter.

    Neben Rheinland-Pfalz beschäftigtensich vier weitere Schwerpunkt-Verbrau-cherzentralen mit Handlungsfelderndes Marktwächters Digitale Welt (siehenebenstehende Grafik).

    VERBRAUCHERZENTRALE ALS MARKTWÄCHTER

  • Start mit Erhebung zu Streaming-Diensten

    Zum Start der Arbeit im Marktwächter Digitale Welt hatsich die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz mit Musik-und Video-Streaming-Diensten beschäftigt. Im Rahmeneiner Erhebung befragte Bitkom Research im Auftrag desVerbraucherzentrale Bundesverbandes 1.007 Verbraucher.

    Ergebnisse der Befragung: Fast vier von fünf Internetusernnutzen Streaming-Dienste. Etwa jeder vierte Nutzer (26

    Prozent) berichtet von Problemen beim Streaming, darun-ter häufige Störungen beim Empfang, Probleme mit Prei-sen und Mitgliedschaft sowie urheberrechtliche Fragen,etwa die Unterscheidung zwischen legalen und illegalenAngeboten.

    Die Umfrage ist Teil eines umfassenden Untersuchungs-berichts, den die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz imRahmen des Marktwächters Digitale Welt erstellt und imFrühjahr 2016 veröffentlichen wird.

    Heiko Maas und Malu Dreyer informierensich in Mainz über die Marktwächter

    Zum offiziellen Start der Arbeit des Marktwächters Digita-le Welt hat die Verbraucherzentrale die Ergebnisse der Befragung zu Streaming-Diensten vorgestellt. Bei der Auf-taktveranstaltung am 2. September 2015 haben sich Bun-desverbraucherschutzminister Heiko Maas, Ministerprä-sidentin Malu Dreyer sowie VerbraucherschutzministerProf. Dr. Gerhard Robbers über die Arbeit des Marktwäch-ters in Rheinland-Pfalz informiert.

    dMehr zum Marktwächter Digitale Welt unterwww.marktwaechter.de/digitalewelt

    »Die Menschen sind zunehmend auf die Produkteaus der digitalen Welt angewiesen, eine gesell-schaftliche Teilhabe ist ohne deren Nutzung kaummehr vorstellbar. Es ist daher besonders wichtigdarauf zu achten, dass Verbraucherrechte und Da-tenschutz von den Unternehmen beachtet werden.Die Marktwächter übernehmen hierfür eine wesent-liche ›Sensorfunktion‹, um frühzeitig Probleme am Markt erkennen zu können. Denn: Rechtzeitige Informationen sind notwendig, damit die Nutzeroder die Politik entsprechend reagieren können.«

    Heiko Maas, Bundesverbraucherschutzminister

    Prominenter Besuch beim Start des Marktwächters Digitale Welt in Mainz Klaus Müller, Vorstand Verbraucherzentrale Bundesverband, Staatssekretär Gerd Billen und Verbraucherschutz -minister Heiko Maas, Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Ulrike von der Lühe und Prof. Dr. Gerhard Robbers, Verbraucherschutzminister Rheinland-Pfalz (v.l.)

    Verbraucherzentrale als Marktwächter | 7

  • > MARKTWÄCHTER FINANZEN Ob überhöhte Kontoführungsgebühren, horrende Bear-beitungsgebühren bei Aufnahme eines Kredits oder eineschlechte Geldanlageberatung – der Marktwächter Finan-zen nimmt Missstände für Verbraucher auf dem Finanz-markt in den Blick.

    Auch hier sind fünf Verbraucherzentralen schwerpunkt-mäßig mit je einem Handlungsfeld betraut (siehe unten-stehende Grafik).

    Die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz arbeitet denSchwerpunkt-Verbraucherzentralen zu, indem sie dasFrühwarnnetzwerk mit Beschwerden und Fällen aus demBeratungsalltag speist und bei Sonderunter suchungenmitwirkt.

    Bedarfsgerechte Geldanlage

    Für die Sonderuntersuchungen des Marktwächters Finan-zen zu bedarfsgerechten Anlageprodukten hat die Ver-braucherzentrale eine Vielzahl von Fällen aus der Be -ratungspraxis beigesteuert. Die Ergebnisse zeigen zwei -erlei: Die Ratsuchenden sind in ihren Finanzanlagenschlecht aufgestellt. Bestehende Geldanlagen und Vor-sorgeverträge weisen viele Optimierungsmöglichkeitenauf. Für fast jedes zweite Produkt gibt es eine bessere Alternative. Bei den aktuellen Empfehlungen der Geld-häuser und Finanzvertriebe zu Anlagemöglichkeiten weistdas Ergebnis eindeutige Missstände bei der Beratung auf:Meist sind die angebotenen Produkte nicht im bestenKundeninteresse. Verbraucher können nach wie vor nichtdavon ausgehen, dass ihnen Geldanlagen angeboten wer-den, die zu ihrem Bedarf passen.

    Standmitteilungen von Lebens -versicherungen

    Auch bei der Erhebung zu Standmitteilungen von Lebens-und Rentenversicherungen hat die VerbraucherzentraleRheinland-Pfalz aktiv zugearbeitet. Das Versicherungsver-tragsgesetz (VVG) schreibt vor, dass Versicherte einmaljährlich Anspruch auf eine Stand- oder Wertmitteilung ha -ben. Dieses Schreiben muss Informationen über den Standder Überschussbeteiligung enthalten sowie darüber, in-wieweit diese Überschussbeteiligung garantiert ist. Wiegenau die Versicherung informiert, ist nicht geregelt.

    Aus ihrer Beratungsarbeit wissen die Verbraucherzentra-len, dass es Versicherten häufig schwer fällt, anhand derjährlichen Standmitteilung zu entscheiden, ob sie die Ver-sicherung behalten oder kündigen sollten. Daher prüfendie Verbraucherzentralen im Rahmen des MarktwächtersFinanzen solche Mitteilungen von Lebens- und Rentenver-sicherungen hinsichtlich ihrer Verständlichkeit und derVerwertbarkeit für Verbraucher. Die Ergebnisse werden in2016 vorgestellt.

    dMehr zum Marktwächter Finanzen unterwww.marktwaechter.de/finanzen

    8 | Verbraucherzentrale als Marktwächter

    »Der digitale Markt bietet eine Vielzahl von Chan -cen. Diese gilt es zu nutzen und zugleich die Risikenim Blick zu behalten. Das tut die Landesregierungmit einer Verbraucherpolitik, die ressortübergrei-fend einen Schwerpunkt auf Verbraucherbildungund -aufklärung setzt. Die Verbraucherzentrale istdabei zentrale Partnerin der Landesregie rung. Als Marktwächter in der digitalen Welt kann sieFehlentwicklungen und Marktprobleme frühzeitigerkennen und Handlungsempfehlungen ableiten.Damit gibt sie wichtige Orientierungshilfen für Verbraucher und Verbraucherinnen.«

    Malu Dreyer, Ministerpräsidentin

  • > DREISTES INKASSO ENDLICH UNTERBINDENBei den Verbraucherzentralen ebben die Beschwerden zuzweifelhaften Inkassoforderungen nicht ab. Unseriöse In-kassobüros setzen Verbraucher massiv unter Druck. Siedrohen mit Zwangsvollstreckung, Schufa-Einträgen undHausbesuchen. Viele Menschen lassen sich von solchenBriefen einschüchtern und zahlen, obwohl die Forderungzweifelhaft oder gar unberechtigt ist.

    Bereits 2011 haben die Verbraucherzentralen Beschwer-den gesammelt und schärfere gesetzliche Regelungen ge-fordert. Der Gesetzgeber hat damals reagiert und erst-mals Informations- und Darlegungspflichten für Inkasso-dienste erlassen. Inkassounternehmen müssen seitherbereits mit der ersten Zahlungsaufforderung detaillierteInformationen wie Name oder Firma des Auftraggebersund den genauen Forderungsgrund nennen. Aber trotz ge-setzlicher Verbesserungen lassen die Anfragen und Be-schwerden in den Beratungsstellen nicht nach.

    Bundesweite Erhebung

    Die Verbraucherzentralen haben 2015 in einer bundeswei-ten Aktion erneut Beschwerden gesammelt, um die Poli-tik auf die nach wie vor vorhandenen Defizite aufmerksamzu machen und weitere Verbesserungen einzufordern.

    Die wesentlichen Ergebnisse der Erhebung: Mehr als dieHälfte der ausgewerteten Forderungen sind mangels ei-ner vertraglichen Grundlage nach wie vor willkürlich. DieHöhe der berechneten Entgelte ist oft unverhältnismäßig.Fast jede fünfte Forderung in der Erhebung stammt von einem Telekommunikationsanbieter. Auch Anbieter vonGewinnspieldiensten, Dating-Portalen und Versandhänd-ler sind oft Ursache für Beschwerden. Die Berechnung derInkassogebühren ist uneinheitlich. Die Aufstellung derEntgelte ist meist unübersichtlich und schwer nachzuvoll-ziehen. Für einfache und standardisierte Zahlungsauffor-derungen sind die Gebühren oft unangemessen hoch.

    VERBRAUCHERRECHT

    »Für die Pflicht informationen aufInkassoschreiben sollte ein ver -bind liches Muster eingeführt wer-den. Dann könnten Verbraucher ein facher prüfen, ob die behaupteteForderung und die Gebühren be-rechtigt sind. Um willkürliche und

    überhöhte Gebührenforderungen der Inkassounter-nehmen zu verhindern, sollte die Höhe von Inkasso-kosten verbindlich ge regelt werden. Wichtig wäre es zudem, die Aufsicht über Inkassounternehmenstärker zu bündeln.«

    Christian Gollner, Rechtsreferent

    Zahlungsaufforderungen von »Risk & Collect Forderungsmanagement (RFC) GmbH«

    Das Inkassounternehmen mit Sitz in Hamburg verschicktmassenweise Briefe und versucht darin, zweifelhafteForderungen aus dem Gewinnspieldienst der EuroMilli-ons Ltd. einzutreiben. Das Inkassounternehmen gibt vor,es seien noch Beträge bei einem telefonisch bestelltenGewinnspieldienst offen, obwohl der in Rechnung ge-stellte Dienst nicht beauftragt war.

    Mahnschreiben der Firma »Global Network Inkasso«

    Die Firma mahnt offene Forderungen in Höhe von 189 Euro an. Die Adresse des Absenders liegt in Ham-burg, die genannten Telefonnummern tragen jedoch dieSchweizer Ländervorwahl. Die Firma droht sogar den Besuch eines Außendienstmitarbeiters an, wenn nichtbezahlt wird. Über den Grund der Forderung wird garnichts angegeben. Das Geld soll auf ein Konto in Rumä-nien überwiesen werden.

    So agieren unseriöse Inkasso-Unternehmen – zwei Beispiele:

  • Die als Aufsichtsbehörden zuständigen Amts- und Land-gerichte haben keine eigenen Maßnahmen eingeleitet,nachdem die Verbraucherzentralen ihnen stichproben -artig auffällige Inkassounternehmen gemeldet haben. Invier Fällen erklärten die Gerichte ausdrücklich, dass siemangels gesetzlicher Grundlage nicht tätig werden kön-nen. Auch bei ausländischen Unternehmen, etwa mit Sitzin der Tschechischen Republik oder Konten in Rumänien,fand keine Kontrolle statt.

    > DER STEINIGE WEG ZU MEHR DATENSCHUTZ Alle Lebenswelten werden immer mehr digitalisiert. In un-serem Alltag halten zunehmend Geräte Einzug, die mitdem Internet vernetzt sind. An zwei Beispielen ist leicht zuerkennen, was das für den Schutz der persönlichen Datenbedeutet.

    Beispiel 1: Apple-Watch und Wearables

    Die neue intelligente Uhr aus dem Silicon Valley soll dieBedienung des Smartphones einfacher machen. Nach-richten und Wetter checken, Anrufe annehmen oder dieMusikwiedergabe steuern – alles geschieht im Handum-drehen. Doch die Uhr kann auch die Herzfrequenz messenund Schritte zählen. Die eingebauten Sensoren könnenKörperfunktionen ausforschen. Auf die Sensoren zu ver-zichten geht nicht, denn sie sind in jeder Uhr enthalten.

    In Verbindung mit dem iPhone erlaubt die Apple Watchtechnisch eine umfassende Kontrolle der körperlichen Ak-tivitäten. Spezielle Apps können mit den gesammeltenDaten zum Beispiel nicht nur vage den Kalorienverbrauch

    errechnen, sondern auch Daten zu einer gesunden oderungesunden Lebensweise ermitteln. Das Gleiche gilt fürdie Fitness-Armbänder anderer Hersteller.

    Solche gesundheitsbezogenen Überwachungsfunktionenkönnen nützlich sein, um einen genauen Einblick in die ei-gene körperliche Kondition zu erhalten. Werden diesehöchst sensiblen Daten personenbezogen weitergegebenund ausgewertet, können sie Schaden anrichten. Unter-nehmen könnten ihre Werbung, Angebote und Preise an-hand des Gesundheitsprofils zum Nachteil der Verbrau-cher anpassen oder ihnen wegen des Gesundheitszustan-des gar bestimmte Leistungen verweigern.

    Beispiel 2: Windows 10

    Mit Windows 10 von Microsoft ist ein Betriebssystem aufden Markt gekommen, das den PC in eine Art private Ab-höranlage verwandelt. Für Nutzer der Windows-Vorgän-gerversionen 7 oder 8 ist die neue Software kostenlos,aber sie bezahlen durch die Preisgabe ihrer Daten.

    Die Datenschutzbestimmungen des neuen Windows ma-chen eine umfassende Ausforschung der Nutzer möglich.Microsoft wertet den Namen, die Postadresse, Alter, Ge-schlecht und die Telefonnummer aus. Auch andere Fakto-ren, wie der jeweilige Standort des Gerätes, die in den unternehmenseigenen Apps und Diensten aufgerufenenWeb-Seitenadressen, eingegebene Suchbegriffe, Kontak-te zu anderen Personen und die gekauften Artikel, alsovor allem Apps, Musik oder Filme, sind für Microsoft nütz-lich. Windows 10 gibt dem Rechner sogar eine eindeutigeIdentifikationsnummer für Marketingzwecke, die App-Ent-wickler und Werbenetzwerke nutzen können.

    10 | Verbraucherrecht

    Apple Inc. Microsoft Corporation

  • Mit den erhobenen Verbraucherdaten lässt sich prächtigverdienen, denn sie geben Auskunft über Gewohnheiten,Bedürfnisse, Kaufkraft und vieles mehr. Werbung und An-gebote können damit ganz präzise auf den einzelnen Ver-braucher zugeschnitten werden. Außerdem kann eineWeitergabe der Daten an Dritte erfolgen, wenn dafürebenfalls eine Einwilligung vorliegt.

    Nicht nur Werbung, sondern auch Vertragskonditionen,Preise und Rabatte lassen sich grundsätzlich an die Kon-sum- und Verhaltensprofile anpassen. Die Folge ist eineungleiche Behandlung der Verbraucher am Markt, was dieSuche nach günstigen und passenden Angeboten er -schweren kann. Wer die Datenschutzeinstellungen so einstellt, dass zusätzliche Datenübertragungen nichtmöglich sind, muss dagegen auf einige Funktionen ver-zichten.

    Reform des Datenschutzrechts

    Der beste Datenschutz besteht, indem Daten gar nichterst erhoben werden können. Mit Erfolg setzten sich Ver-braucherschützer gemeinsam mit anderen Interessens-gruppen bei der Reform des EU-Datenschutzrechts füreine Umsetzung der Prinzipien »Privacy by Design« und»Privacy by Default« ein. Danach müssen Geräte undDienste von Grund auf so gestaltet oder zumindest vorein-gestellt sein, dass sie nur die Daten erheben, die für dieNutzung tatsächlich erforderlich sind. Diese Erfordernis-se finden sich im endgültigen Entwurf der kommendenEU-Datenschutzgrundverordnung. Darauf konnte sich dieEuropäische Kommission, der Rat und das Parlament imDezember 2015 nach langwierigen Trilog-Verhandlungenin Brüssel einigen. Die neue Verordnung löst die mehr alszwanzig Jahre alte EU-Datenschutzrichtlinie ab, die sichschon seit langer Zeit als nicht mehr zeitgemäß erwiesenhatte. Innerhalb der gesamten Europäischen Union giltdann ein einheitliches Datenschutzniveau. Auch Unter-nehmen, die keine Niederlassung innerhalb der Europäi-schen Union haben, müssen sich künftig an die europäi-schen Regeln halten. Die Verordnung wird im Jahr 2018 inKraft treten.

    2015 hat der Bundestag das Verbandsklagerecht bei Da-tenschutzverstößen beschlossen. Damit lassen sich dieRechte der Verbraucherinnen und Verbraucher in der digi-talen Welt besser durchsetzen. Bislang mussten Unter-nehmen, die gegen Datenschutzgesetze verstießen, zuselten mit juristischen Folgen rechnen. Das soll sich durch

    die Reform des Unterlassungsklagengesetzes (UKlaG) inZukunft ändern. Ab dem 24. Februar 2016 dürfen Verbrau-cherverbände gegen Datenschutzverstöße vorgehen. DerVerbraucherzentrale Bundesverband hat sich gemeinsammit den Verbraucherzentralen seit Jahren dafür einge-setzt, dass diese Rechtslücke geschlossen wird.

    Eine zentrale Aufgabe sieht die Verbraucherzentrale auchin einer vorbeugenden Aufklärung rund um Datenschutzund Datensparsamkeit. In Vorträgen und Veranstaltungeninformiert sie darüber, wie man sich vor Datenklau schüt-zen kann, welche Konsequenz die umfassende Profil -bildung hat und welche Datenschutzrechte Verbrauche-rinnen und Verbraucher gegenüber den Unternehmen geltend machen können.

    > ERFOLGREICHE ABMAHNUNGAuch im vergangenen Jahr hat die Verbraucherzentralevon der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Unternehmen beiVerstößen gegen das Wettbewerbsrecht abzumahnen.Dadurch konnte zum Beispiel einem großen Ärgernis in ei-nem Einkaufszentrum in Kaiserslautern Einhalt geboten

    Verbraucherrecht | 11

    Grund zur Abmahnung: Irreführende Kennzeichnung eines Geldautomaten

  • werden. Dort ist ein Geldautomat des Bankhauses AugustLenz aufgestellt. Wer an diesem Automaten Geld abhebt,muss üblicherweise ein teures Entgelt an den Betreiberzahlen. Kunden der Kreissparkasse Kaiserslautern sindvon diesem Entgelt befreit. Darauf wurde mit einem gro-ßen Schild hingewiesen. Das Schild hat aber den Eindruckvermittelt, der Automat sei Teil des offiziellen Geldauto-matennetzwerks der Sparkassen, bei dem alle Sparkas-senkunden, ganz gleich bei welcher Sparkasse sie ihrKonto führen, Geld ohne Zusatzkosten abheben können.Etliche Kunden der Stadtsparkasse Kaiserslautern habenjedoch übersehen, dass dieser Automat im Einkaufszen-trum kein offizieller Sparkassenautomat ist und sie fürjede Abhebung zahlen mussten. Die Folge waren zahlrei-che Beschwerden von Betroffenen bei der Verbraucher-zentrale. Die Verbraucherzentrale hat das Bankhaus August Lenz abgemahnt. Dieses hat in der Unterlassungs-erklärung zugesagt, die unklare Kennzeichnung zu unter-lassen. Zwischenzeitlich hat das Geldhaus eine deutliche-re Beschriftung vorgenommen. Dadurch ist die Verwechs-lungsgefahr nun unterbunden.

    > VERBRAUCHERDIALOG SMART HOMEDie Verbraucherzentrale hat beim 4. Verbraucherdialogder rheinland-pfälzischen Landesregierung zum Thema»Smart Home« mitgewirkt. Darunter sind Geräte undDienste zur digitalen Automatisierung von Alltagstätigkei-ten im eigenen Heim zu verstehen. Der Verbraucherdialogist ein Forum, bei dem sich Mitarbeiterinnen und Mitar -beiter des Verbraucherschutzministeriums, des Landes -datenschutzbeauftragten und der Verbraucherzentralemit Vertreterinnen und Vertretern aus Wirtschaft, Wissen-schaft, Organisationen und Behörden zu aktuellen Ent-wicklungen am Markt austauschen. Ergebnis des Dialogssind Empfehlungen für Anbieter und Verbraucher, die so-wohl die datenschutz- als auch verbraucherfreundlicheAusgestaltung und Anwendung von »Smart Home«- Ge -räten und -Diensten betreffen.

    dDetaillierte Ergebnisse unterwww.verbraucherdialog.rlp.de

    12 | Verbraucherrecht

  • > HOHE TELEFONRECHNUNGEN UND PROBLEME BEI DER KÜNDIGUNGBeschwerden und Reklamationen über zu hohe Rechnun-gen von Telekommunikationsdienstleistern sind Dauer-brenner und Spitzenreiter bei den Anfragen in den Be -ratungsstellen der Verbraucherzentrale in diesem Be reich.Die Ursachen sind vielfältig. Überhöhte Telefonrech nun -gen entstehen nicht durch Telefonieren, sondern bei-spielsweise durch Datenverbindungen oder Telefo nate imAusland (Roaming). Immer wieder wird der Fehler ge-macht, die SIM-Card aus dem alten Handy in das neu -gekaufte Smartphone einzulegen und den alten Vertraghinsichtlich der Datennutzung nicht anzupassen. Smart -phones gehen ungefragt ins Internet und verursachen sogroße Datenmengen und somit auch hohe Kosten. Erfolgtdie Abrechnung dann volumenabhängig, entstehen sehrschnell Kosten in Höhe von mehreren hundert Euro.

    Ein anderer Grund für hohe Rechnungen liegt darin, dassDatenflatrates im Ausland, vor allem außerhalb der EU,häufig nicht gelten. Zwar müsste die Datenverbindung ge-kappt werden, wenn ein Betrag von 59,50 Euro erreichtist. Dies ist außerhalb Europas aber technisch nicht immermöglich. Eine entsprechende Warn-SMS kommt häufigzeitverzögert.

    Andere Probleme gibt es häufig bei der Kündigung von Telekommunikationsverträgen. Vielfach akzeptieren dieVertragspartner Kündigungen nicht, weil angeblich dieKündigung zu spät erfolgte oder sie behaupten, der Ver-trag würde zu einem anderen Termin enden.

    Die Verbraucherzentrale schaltet sich bei solchen Rekla-mationen ein, prüft die Rechtslage und vertritt die Inter-essen der Ratsuchenden. In vielen Fällen kann sie dazubeitragen, das jeweilige Problem für die Verbraucher zu-friedenstellend zu lösen.

    > UNLAUTERE MASCHEN> Restposten-Plattformen

    Unzählige betrügerische Geschäftemacher im Internetwerden nicht müde, die Menschen mit immer neuen Maschen über den Tisch zu ziehen. Das Inkrafttreten der»Buttonlösung«, mit der ein Kauf erst durch Anklicken desButtons »Jetzt kaufen« oder »Jetzt kostenpflichtig bestel-len«, wirksam wird, hat die Situation zwar verbessert.Aber viele windige Firmen versuchen nach wie vor, gelten-des Recht mit verschiedenen Tricks zu umgehen. Ein Bei-spiel sind Restposten-Plattformen, auf denen die unter-schiedlichsten Produkte angeboten werden. Zielgruppesind angeblich nur Gewerbetreibende. Somit würden diePlattformen nicht unter die gesetzlichen Regelungen zur»Button-Lösung« fallen. Faktisch richten sich diese Anbie-ter aber an private Endverbraucher, denn sie locken mitFacebook-Werbeanzeigen auf ihre Seiten und Privatper-sonen können sich ohne Gewerbenachweis problemlosanmelden.

    TELEKOMMUNIKATION UND DIGITALE MEDIEN

    Probleme mit dem Urheberrecht

    Ungebrochen hoch ist die Nachfrage von Verbrauchern,die eine Mahnung wegen einer Urheberrechtsverlet-zung im Internet erhalten haben. Ihnen wird vorgewor-fen, urheberrechtlich geschützte Filme oder Musik im Netz angeboten zu haben. Insbesondere Kindernund Jugendlichen ist nicht bewusst, dass sie damit ge -gen Urheberrechte verstoßen. Zunehmend sind auchFlüchtlinge von dieser Problematik betroffen.

  • > Fake-Shops und gefälschte Produkte

    Problematisch sind auch die sogenannten Fake Shops,auf denen Produkte, wie hochwertige Elektronik- und Küchengeräte oder Smartphones, außerordentlich gün-stig gegen Vorkasse angeboten werden, diese aber nacheiner Bestellung und Bezahlung nie beim Kunden ankom-men. Viele Menschen fallen zudem auf gefälschte De -signer-Schuhe, Taschen oder Sonnenbrillen herein, diegünstig in Internetshops angeboten werden. Handelt essich um gefälschte Markenartikel aus dem Ausland, greiftauch der Zoll zu und beschlagnahmt die Waren. In beidenFällen bleiben die Kunden nach dem Bezahlen in der Re-gel auf ihren Kosten sitzen

    > Nachgebaute Facebook–Profile

    Ein zunehmendes Problem stellen auch gehackte odertäuschend echt nachgebaute Facebook-Profile dar. Betrü-ger versuchen, sich auf diesem Weg Zugang zu mobilenBezahldiensten für digitale Dienste oder Güter, wie zumBeispiel Münzen bei einem Online-Spiel, zu erschleichen.Die Abrechnung erfolgt dann über die Mobilfunkrechnungder Opfer.

    Die Betrüger sitzen sehr häufig im Ausland. Das auf die-sem Weg abgebuchte Geld ist in der Regel verloren. Ge-schädigte sollten unbedingt Strafanzeige bei der Polizeierstatten.

    > Kostenfalle Apps

    Viele kostenlose Apps finanzieren sich über Werbung, dieleicht zur Kostenfalle werden kann. Bei einem Klick auf einWerbebanner wird dem Nutzer ohne weitere Nachfra-ge oder Bestätigung ein Abovertrag, beispielsweise fürKlingeltöne oder Spiele, untergeschoben. Dies kann auch passieren, wenn das Werbebanner nur versehentlich an -geklickt wird. Die Kosten liegen meist zwischen 20 und 60 Euro und tauchen als so genanntes WAP-Billing auf dernächsten Mobilfunkrechnung auf. Die Rufnummer wirdautomatisch an den Diensteanbieter übermittelt.

    Die Anbieter vertreten die Auffassung, man habe durchdas Antippen des Werbebanners einen Vertrag geschlos-sen. Zwar hält diese Behauptung einer rechtlichen Über-prüfung nicht stand, ein Vertrag kommt nicht zustan-de. Doch da der Anbieter schon abgerechnet hat, wennder Nutzer die Kosten auf seiner Mobilfunkrechnung ent-

    deckt, gestalten sich der Widerspruch und die Rückforde-rung des gezahlten Betrages oft schwierig. Einen Schutz vor solchen Maschen kann eine Drittanbietersperre bie-ten. Diese richtet der Mobilfunkanbieter auf Anforderungein.

    > Anrufer missbrauchen den Namen Microsoft

    Mit betrügerischen Anrufen versuchen Kriminelle immerwieder, sich aus der Ferne Zugang zu privaten Computernzu erschleichen. Sie geben sich fälschlich als Microsoft-Mitarbeiter aus. Die meist nur englisch sprechenden, falschen Service-Kräfte behaupten, der Rechner sei von einem Virus befallen. Um die Schadsoftware zu entfernen,sei es notwendig, unter ihrer Anleitung bestimmte Schrit-te am PC auszuführen. Wer darauf hereinfällt, verschafftden Gaunern durch die Installation einer Fernwartungs-software Zugriff auf den PC. Damit können sie von außenuneingeschränkt auf den Rechner zugreifen oder die Daten des Benutzers mittels eines Trojaners ausspähen.Die Anrufe erfolgen unter ausländischen Nummern undkönnen kaum zurückverfolgt werden. Das erschwert es,rechtliche Schritte gegen die Betrüger einzuleiten.

    > TELEFON – AUS ANALOG WIRD DIGITAL Bis 2018 will die Telekom ihr gesamtes Telefonnetz auf Internet-Telefonie umstellen und sowohl analoge Telefon-anschlüsse als auch ISDN-Anschlüsse mit DSL kündigen.Sie informiert die Kunden nach und nach darüber, dass ihrAnschluss abgeschaltet wird. Betroffene haben dann aus-reichend Zeit zu entscheiden, ob sie bei der Telekom blei-ben oder den Anbieter wechseln möchten.

    14 | Telekommunikation und Digitale Medien

    »Mir ist ein Fall bekannt, in dem ein Medienberater einer älterenDame einen Komplettanschluss mit Telefon und einer 100 Mbit/s Internetleitung buchstäblich auf -gedrängt hat, obwohl die Damekein Internet nutzte und mit ihrem

    analogen Telefonanschluss bei einem anderen Anbieter zufrieden war.«

    Michael Gundall, Fachberater Telekommunikation und Digitale Medien

  • Bereits jetzt erhält die Verbraucherzentrale Beschwerdenüber Schwierigkeiten bei der Umstellung. Kunden bean-standen unzureichende Information, erhebliche Kostenund einen schlechten Kundenservice. Immer wiederkommt es bei den Telefonanschlüssen auch zu tech -nischen Störungen, teilweise fallen die Telefone sogar wochenlang aus.

    Zudem nutzen verschiedene Telekommunikationsanbie-ter und Medienberater die Umstellung, um neue und teil-weise teurere Telefonverträge zu verkaufen. Gerade weni-ger technikerfahrene Menschen und vor allem Seniorenfallen oft auf das Argument einer »drohenden Abschal-tung« des Telefonanschlusses herein.

    Die Verbraucherzentrale berät Betroffene bei technischenund rechtlichen Fragen und unterstützt sie bei der Durch-setzung ihrer Ansprüche. Für die unseriösen Maschensensibilisiert sie in Vorträgen sowie in Pressemeldungenund bei Telefonaktionen.

    > MARKTCHECKS> Digitaler Nachlass – Was passiert mit

    den Nutzer-Profilen

    Für zahlreiche Aktivitäten im Internet oder in den sozialenNetzwerken ist ein Nutzerprofil mit persönlichen Daten er-forderlich. Doch was passiert im Todesfall mit diesen Daten? Für die Hinterbliebenen ist es meist nicht einfach,die Profile einzusehen und Inhalte zu übernehmen oderzu löschen. In einem Marktcheck hat die Verbraucherzen-trale 18 ausgewählte Internet-Portale auf entsprechendeHinweise analysiert und die Seitenbetreiber befragt, obeine Online-Löschung möglich ist und welche UnterlagenAngehörige beim Anbieter vorlegen müssen. Ergebnis:Die Informationen sind uneinheitlich und oft schwer zufinden. Klare Regelungen existieren bislang nicht.

    Eine begleitende Umfrage bei Verbrauchern ergab, dasssich viele Internetnutzer noch nicht mit ihrem digitalenNachlass beschäftigt und Vorsorge getroffen haben. Zwarhat mehr als die Hälfte der Befragten schon einmal ver-sucht, ein Kundenkonto zu löschen, aber viele finden denAufwand erheblich oder die Kommunikation kompliziert.

    Angesichts der aufgedeckten rechtlichen Lücken gibt esdringenden Handlungsbedarf für den Gesetzgeber. Daraufhat die Verbraucherzentrale Justiz- und Verbraucher-schutzminister Prof. Dr. Gerhard Robbers bei der Vorstel-lung der Ergebnisse des Marktchecks hingewiesen. In vie-len Punkten ist die Rechtslage umstritten und führt zuRechtsunsicherheit.

    Der digitale Nachlass war auch das erste Thema des neu gegründeten Verbraucherbeirats des Ministeriumsder Justiz und für Verbraucherschutz.

    Telekommunikation und Digitale Medien | 15

    »Ein Befragter hatte bis zu 100 Nutzerkonten. Viele Menschen haben gar keinen genauen Über-blick über die Zahl ihrer Konten. Ich kann nur dazu raten, sich früh-zeitig mit dem Thema zu beschäf -tigen und Vorsorge zu treffen.«

    Barbara Steinhöfel, Referentin Telekommunika-tion und Digitale Medien

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  • > Rechnung per Post kostet extra

    Im Oktober 2014 hat der Bundesgerichtshof (BGH, Az.: IIIZR 32/14) entschieden, dass monatliche Rechnungen fürMobilfunkverträge kostenlos per Post zugesendet werdenmüssen, wenn das Unternehmen auch ein Ladengeschäftbetreibt. Die Verbraucherzentrale ist der Auffassung, dassdas Urteil auch auf Internet-, Festnetz- oder TV-Verträgeübertragbar ist. In einer nicht repräsentativen Stichprobehat sie untersucht, ob und wie Unternehmen dieses BGH-Urteil für Mobilfunkverträge auch für TV-Verträge undKombipakete mit Festnetz/Internet/TV umsetzen.

    Ergebnis: Nur drei der acht getesteten Firmen erstellenfür ihre Mobilfunkverträge eine kostenlose Papierrech-nung, bei Festnetz und Internet sind es sogar nur zwei. DieFirmen verwehren eine kostenlose Rechnung unter ande-rem mit der Begründung, das Urteil sei gegen einen ande-ren Anbieter ergangen und nicht übertragbar.

    Der Verbraucherzentrale Bundesverband lässt diese Fra-ge derzeit rechtlich prüfen und hat bereits zahlreicheDienstleister, die keine kostenlose Papierrechnung anbie-ten, abgemahnt. In einigen Fällen hat er bereits Klage er-hoben. Die Verbraucherzentrale hofft, dass dieser Streit-punkt damit grundsätzlich aus der Welt geschafft werdenkann.

    Betroffenen empfiehlt sie, ihren Telekommunikationsan-bieter mit dem Verweis auf das BGH-Urteil anzuschreibenund für die Zukunft eine kostenlose Papierrechnung undgegebenenfalls eine Rückzahlung der gezahlten Entgeltefür die Papierrechnung zu fordern. Als Hilfestellung bietetsie einen Musterbrief an.

    16 | Telekommunikation und Digitale Medien

    Pressegespräch zum Marktcheck »Digitaler Nachlass – Was passiert mit den Nutzer-Profilen?«mit Verbraucherschutzminister Prof. Dr. Gerhard Robbers (stehend)

    »Wo Regelungsbedarf besteht, werden wir demnachkommen. Inwieweit gesetzgeberischer Änderungsbedarf besteht, wird aktuell geprüft.Mögliche Gesetzesänderungen sind dabei nur einTeil der Lösung. Zunächst gilt es, beim Verbraucherdas Problembewusstsein zu schaffen, damit er sein digitales Erbe rechtzeitig regelt.«

    Prof. Dr. Gerhard Robbers, Verbraucherschutzminister

  • > SILVER SURFER UND SILVER TIPPS AUF ERFOLGSKURSSilver Surfer ist eine Erfolgsgeschichte exklusiv aus Rhein-land-Pfalz. Viele ältere Menschen haben ein großes Inter-esse an den neuen digitalen Technologien und integrierensie in ihren Alltag. In keiner Generation wächst der Ge-brauch von Internet und smarten Technologien so starkwie bei den 60- bis 69-Jährigen. Ältere Menschen erken-nen die Vorteile, die die Technologien bieten und nutzensie gern. Gleichzeitig haben sie Respekt vor möglichenGefahren und sind unsicher. Das Projekt Silver Surfer hilftdabei, Ängste abzubauen und die Zielgruppe praxisnah zuinformieren.

    Mit Seminaren und einem Lernbuch wollen die Kooperati-onspartner Landeszentrale für Medien und Kommunika -tion, MedienKompetenzNetzwerk Mainz-Rheinhessen,Verbraucherzentrale und Landesverband der Volkshoch-schulen Senioren dazu befähigen, sich sicher im Internetbewegen zu können. Das Lernbuch »Silver Surfer – sicheronline im Alter« haben sie im zurückliegenden Jahr bereitsin der dritten aktualisierten Version vorgelegt. Die neueAusgabe richtet ihr Augenmerk verstärkt auf mobile An-wendungen. Der Landesbeauftragte für den Datenschutzund die Informationsfreiheit in Rheinland-Pfalz hat am Kapitel Datenschutz mitgewirkt. Gefördert wurde dasneue Buch durch das Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz sowie das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Rheinland-Pfalz.

    Auch am Projekt »Silver Tipps« arbeitet die Verbraucher-zentrale intensiv mit und bringt ihr Expertenwissen ein.»Silver Tipps – sicher online!« ist ein Projekt der InitiativeMedienintelligenz der Johannes Gutenberg-UniversitätMainz und der Stiftung MedienKompetenz Forum Süd-west (MKFS), das gemeinsam mit den Partnern SWR, denLandesmedienanstalten Baden-Württemberg und Rhein-land-Pfalz, den Verbraucherzentralen und Datenschutz -beauftragten beider Bundesländer, dem MedienKompe-tenzNetzwerk Mainz-Rheinhessen, dem BürgersenderOK:TV Mainz, dem Netzwerk für Senior-Internet-Initiati-ven BW e.V. sowie dem Verband der VolkshochschulenRheinland-Pfalz realisiert wird.

    Silver Tipps will zu mehr Klarheit im Umgang mit Internet,Smartphone und Co. beitragen. Das Projekt gibt beispiels-weise Antworten auf die Fragen, wie man ein sicheresPasswort erstellt, was man beim Online-Banking beach-ten sollte oder welche Gesundheitstipps aus dem Internetsinnvoll sind. Regelmäßig steht ein Thema multimedial imFokus. Neben Online-Artikeln, Podcasts oder Videos gibtes auf der Internetseite auch ein Quiz oder Linklisten. Beiallen Themen liegt der inhaltliche Schwerpunkt auf demVerbraucher- und Datenschutz.

    Im letzten Jahr haben knapp 30.000 Menschen die Home-page besucht und rund 116.000 Seiten aufgerufen.

    dWeitere Informationen unterwww.silversurfer-rlp.dewww.silver-tipps.de

    Telekommunikation und Digitale Medien | 17

    Teilnehmerinnen eines Silver Surfers Kurses

  • Aus aktuellem Anlass hat die Verbraucherzentrale im Jahr2015 ihr Hauptaugenmerk im Versicherungsbereich aufdie großen Themenbereiche Wohngebäude- und Elemen-tarschadenversicherung gerichtet und zwei umfangreicheMarktchecks durchgeführt:

    > MARKTCHECK 1 > Wohngebäudeversicherung bei Vermietung

    an Flüchtlinge

    Fordern Wohngebäudeversicherer höhere Prämien, wennPrivathäuser an Flüchtlinge vermietet werden? Das woll-te die Verbraucherzentrale in ihrem ersten Marktcheckwissen. Die Umfrage bezog sich ausdrücklich nicht aufWohnheime oder ähnliche Gemeinschaftsunterkünfte fürFlüchtlinge.

    Insgesamt haben sich knapp drei Viertel der 73 befragtenGesellschaften an der Umfrage beteiligt. 53 haben expli-zit erklärt, die Prämie der Wohngebäudeversicherung beieiner Unterbringung von Flüchtlingen in Privatwohnungennicht zu erhöhen. Diese Gesellschaften bestätigen auch,dass ein Neuabschluss bei ihnen kein Problem ist. Ärger-lich ist aber, dass ein knappes Viertel der angeschriebe-nen Gesellschaften nicht geantwortet hat und die Antwor-ten von vier weiteren Versicherern nicht verwertbar waren. Allerdings haben Berechnungen der Verbraucherzentralesehr große Preis-Unterschiede bei den Gesellschaften er-geben. Bei einem Zwei-Familien-Haus und einem Ver -sicherungsschutz ohne besondere Spezial-Vorgaben lie-gen die Beiträge zwischen jährlich 800 Euro im günstig-sten Fall und 1.600 Euro beim teuersten Versicherer. DieVerbraucherzentrale rät Hauseigentümern daher, unbe-dingt einen Preis-Leistungs-Vergleich durchzuführen.

    dAusführliche Informationen unterwww.verbraucherzentrale-rlp.de/wgb-fluechtlinge

    > MARKTCHECK 2 > Schutz vor Naturkatastrophen – Versicherungs -

    prämien oft nicht erschwinglich

    Mit einer Elementarschadenversicherung können Gebäu-de gegen Naturkatastrophen, wie Überschwemmungen,Erdrutsche und Starkregen abgesichert werden. In Rhein-land-Pfalz wurden in den vergangenen Jahren Regionenvon Starkregen, Überschwemmungen und deren Folgenheimgesucht, die zuvor nicht als Risikogebiete für solcheEreignisse galten. Die dortigen Anwohner, zum Beispielim Donnersbergkreis, hatten daher oft innerhalb ihrer Ge-bäudeversicherung keine Elementarschadenversicherungabgeschlossen. Die Folge: Hauseigentümer mussten dieentstandenen Schäden komplett selbst tragen.

    VERSICHERUNGEN

  • Immer wieder betont der Gesamtverband der deutschenVersicherungswirtschaft, 98 Prozent aller Häuser inDeutschland seien gegen Elementarschäden versicherbar.Diese Angaben kann die Verbraucherzentrale nach einemMarktcheck nicht bestätigen. Sie hat dabei sogar den Ein-druck gewonnen, dass Kunden in Risikogebieten durchexorbitant hohe Beiträge vom Einschluss einer Elementar-schadenklausel in ihre Wohngebäudeversicherung abge-halten werden sollen. 55 in Rheinland-Pfalz tätige Ver -sicherungen hat sie um die Versicherungskonditionen fürsechs verschiedene, vorgegebene Häusersituationen inRisiko- und Nicht-Risikogebieten gebeten. Nur 35 warendazu bereit.

    Häuser in einem sehr guten Zustand, die nicht in einem Risikogebiet für Naturkatastrophen liegen, sind grund-sätzlich problemlos gegen Elementarschäden versicher-bar. Allerdings unterscheiden sich die angebotenen Kon-ditionen für die einzelnen Häuser erheblich. Es gab Zu-schläge bis zu 30 Prozent vom Normalbeitrag.

    Aber das Ergebnis für Häuser in Risikogebieten ist ernüch-ternd: Bei bis zu zehn Gesellschaften waren Häuser in ge-fährdeten Regionen, etwa am Rhein, überhaupt nicht ver-sicherbar. Andere Versicherer verlangen je nach Zustandoder Lage des Hauses Zuschläge von bis zu 300 Prozentder Normalprämie oder Selbstbehalte bis zu 10.000 Euro.Solche Beträge sind für Hausbesitzer kaum erschwinglich.Das System könnte besser funktionieren, wenn es einePflichtversicherung gäbe und die Kosten solidarisch ver-

    teilt würden. Dies fordert neben anderen Bundesländernauch das Land Rheinland-Pfalz, stößt damit aber auf Bun-desebene nach wie vor auf taube Ohren.

    Eines der bewerteten Häuser steht im Donnersbergkreis,der bisher nicht als Risikogebiet galt. Hier kam es 2014durch Starkregen und übertretende Bäche überraschendzu Überschwemmungen und Erdrutschen. Ein Gebäude indieser Region stuften zehn Gesellschaften pauschal als»nicht versicherbar« ein, sieben weitere wollten oderkonnten sich nicht festlegen.

    dAusführliche Informationen unter www.verbraucherzentrale-rlp.de/elementarschaden

    > BERUFSUNFÄHIGKEIT – DAS GROßE RISIKO Ein großes Thema in der persönlichen Beratung ist dasThema Berufsunfähigkeitsversicherungen. Junge Men-schen, die sich vor dem Risiko einer Berufsunfähigkeit ab-sichern möchten, gehören ebenso zu den Ratsuchendenwie Versicherte, die eine bestehende Police auf ihre Taug-lichkeit überprüfen lassen wollen. Vor allem Menschenmit Vorerkrankungen haben es schwer, einen Vertrag zubekommen oder müssen erhebliche Einschränkungen mitweitgreifenden Risikoausschlüssen hinnehmen.

    Regelmäßig informiert die Verbraucherzentrale auch in Vorträgen bei Abschlussklassen von Gymnasien und Realschulen Plus zu diesem Thema, um die Schüler undBerufsstarter für das Thema zu sensibilisieren.

    Versicherungen | 19

    »Im Rahmen unserer Untersuchunghaben wir den Eindruck bekom-men, dass viele Versicherer nichtbereit sind, Gebäude in gefährde-ten Gebieten zu bezahlbaren Tari-fen zu versichern – auch wenn derGesamtverband der Versicherungs-

    wirtschaft gern etwas anderes behauptet. Hier sehen wir insbesondere bei den einzelnen Gesell-schaften vor Ort dringenden Handlungsbedarf. Einnicht versicherter Elementarschaden kann schlimm-stenfalls den Ruin bedeuten. Andererseits: Je weiterdie Versicherung verbreitet ist, desto größer wirddie Solidargemeinschaft. Dies hilft dann auch denGesellschaften, die Risiken zu tragen.«

    Michael Wortberg, Versicherungsreferent

  • > GELD NACHHALTIG ANLEGENImmer mehr Menschen interessieren sich für nachhaltigeGeldanlagemöglichkeiten. Sie wollen ihr Geld nicht nuranlegen, um damit eine möglichst hohe Rendite zu erzie-len. Sie legen auch Wert auf ethische und ökologischeAspekte. Doch der Markt der nachhaltigen Anlageproduk-te ist nicht einfach zu durchschauen. Auch hier gibt esschwarze Schafe, die unter dem »grünen« Deckmäntel-chen fragwürdige Produkte anbieten.

    Seit 2015 bietet die Verbraucherzentrale Beratung zunachhaltigen Geldanlagen an. Das Beratungsspektrumumfasst sowohl einlagengesicherte klimafreundlicheSparanlagen als auch risikobehaftete, ethisch-ökologi-sche Aktienfonds.

    > GUT VERZINSTE BAUSPAR-VERTRÄGE ADEImmer wieder suchen Kunden den Rat der Verbraucher-zentrale, weil Bausparkassen sie aus gut verzinsten Ver -trägen drängen wollen. Die Verträge sind meist schon seitmindestens zehn Jahren zuteilungsreif. Allerdings sind dieKündigungsrechte, auf die sich die Bausparkassen be -rufen, vertraglich nicht vereinbart worden und somit istdie Rechtslage umstritten. Bislang existiert noch keinehöchst richterliche Entscheidung, ob dies recht mäßig ist.Die Verbraucherzentrale erklärt die Hintergründe undnimmt eine rechtliche Bewertung der angeführten Kündi-gungsgründe vor. Für Betroffene hält sie einen Muster-brief bereit, mit dem sie sich gegen angedrohte oderschon ausgesprochene Kündigungen wehren können.

    > KREDITBEARBEITUNGSGEBÜHREN –DIE UNENDLICHE GESCHICHTE Hunderttausende Bankkunden haben Ende 2014 mit Hil-fe der Verbraucherzentralen zu viel bezahlte Kreditbear-beitungsgebühren zurückgefordert. Problematisch war,

    dass ein Großteil der Rückerstattungsansprüche für unzu-lässige Kreditbearbeitungsgebühren zum 31. Dezember2014 verjährte, sodass die Betroffenen schnell handelnmussten. Anfang 2015 haben mehrere Verbraucherzentra-len, darunter auch Rheinland-Pfalz, bei rund 200 Fällenstichprobenartig überprüft, ob die Kreditinstitute die Ge-bühren zurückerstattet haben. Ergebnis: Kreditinstitutehaben in vielen Fällen eine Hinhalte- und Abwimmelungs-taktik gefahren, die Auszahlung der berechtigten Ansprü-che verzögert oder den Betroffenen nur einen Teil des ihnen zustehenden Geldes zurückgezahlt.

    > KOSTENLOSES GIROKONTO ADE?Immer mehr Kreditinstitute verabschieden sich vom Gra-tis-Girokonto. Nach Beobachtung der Verbraucherzentra-le erleben Gebühren beim Girokonto in den letzten Mona-ten eine Renaissance. Einige Banken und Sparkassenschaffen das kostenfreie Modell ganz ab, andere machendie Gebühren von neuen Guthabengrenzen abhängig oderführen Entgelte für einzelne Buchungsposten ein. Ein Bei-spiel ist die Ankündigung der Postbank, ab April für jedenschriftlich eingereichten Auftrag, wie etwa die Papierüber-weisung, ein Entgelt von 0,99 Euro zu verlangen. Kosten-

    FINANZDIENSTLEISTUNGEN

    »Die Geldhäuser haben wohl daraufvertraut, dass die Kunden aufgebenund ihren Anspruch nicht weiterverfolgen werden. Besonders dreistund auffällig war die SantanderConsumer Bank. Sie hatte die zuvorerstatteten Kreditbearbeitungs -

    kosten wieder ins Soll gebucht. Die Antwort auf die Beschwerden: Der Kontoauszug sei aus EDV-tech -nischen Gründen fehlerhaft erstellt worden. AndereKreditinstitute haben in manchen Fällen die An -sprüche erstattet, in anderen Fällen nicht.«

    Josephine Holzhäuser, Referentin für Finanzdienstleistungen

  • los bleibt es, wenn die Kunden Online- oder Telefon-Ban-king beziehungsweise das Service-Terminal in der Filialenutzen. Gerade für viele ältere Menschen ist das aber kei-ne Option.

    Kunden haben kaum Chancen, sich gegen neue Entgeltezu wehren, wenn die Kreditinstitute die formalen Be din -gun gen erfüllen, wie die Änderung der Allgemeinen Ge-schäftsbedingungen, die rechtzeitige Information derKunden sowie einen Hinweis auf das Kündigungsrecht.Zwar können Kunden der Neuregelung auch wider spre -chen, doch dann wird das betroffene Kreditinstitut ver-mutlich das Konto kündigen. Rat der Verbraucher zen tra-le: Nicht lange ärgern, sondern die Bankverbindung wech-seln. Ein Wechsel ist längst nicht so aufwändig, wie vieledenken. Außerdem ist das neue Institut oftmals bei derUmstellung behilflich. Die Verbraucherzen trale bietet alsUnterstützung Musterbriefe und Checklisten.

    > ALTERSVORSORGE FÜR JUNGE LEUTE Der Start in das Berufsleben ist auch der erste Schritt indie finanzielle Selbstständigkeit. Aber: Vieles ist zu die-sem Zeitpunkt auch noch ungewiss und niemand kannvorhersagen, welchen Verlauf die berufliche Entwicklungbis zum Rentenalter tatsächlich nehmen wird. Doch einesist jedem Berufsanfänger schon jetzt gewiss: Allein diegesetzliche Rente wird nicht ausreichen, den Lebensstan-dard im Rentenalter zu halten. Umso wichtiger ist es, sichmöglichst frühzeitig um eine zusätzliche Altersvorsorgezu kümmern.

    Die Verbraucherzentrale hat mit zahlreichen Vorträgeninsbesondere junge Leute über die Möglichkeiten einerzusätzlichen privaten Altersvorsorge aufgeklärt.

    Seit längerem fordern führende US-amerikanische Öko-nomen, darunter Kenneth Rogoff und Larry Summers,die Abschaffung des Bargeldes. Auch der Wirtschafts-weise Professor Peter Bofinger macht sich dafür stark. Invielen Mitgliedstaaten der Europäischen Union werdenbereits heute die entscheidenden Weichen für die Ab-schaffung des Bargeldes gestellt. Gemeinsam mit demLandesbeauftragten für den Datenschutz und die Infor-

    mationsfreiheit hat die Verbraucherzentrale dieses The-ma in einer Podiumsdiskussion beleuchtet.

    Mit einem Impulsreferat hat der frühere Chefredakteurder WirtschaftsWoche, Roland Tichy, die Veranstaltungthematisch eröffnet. Er sprach sich deutlich gegen dieAbschaffung des Bargelds aus und lieferte damit dieThesen für die sich anschließende Podiumsdiskussion.Wirtschaftsministerin Eveline Lemke, Hans BernhardBeykirch von Visa Deutschland und Klaus Müller, Vor-stand des Verbraucherzentrale Bundesverbandes, dis-kutierten mit ihm über die Vor- und Nachteile einer bar-geldlosen Zukunft.

    Tenor des Abends: Das bargeldlose Bezahlen ist Aus-druck unserer digitalen Gesellschaft. Aber: Das Selbst-bestimmungsrecht des Einzelnen verlangt, dass beimBezahlen Wahlmöglichkeiten bestehen. Auch der Bar-geldverkehr muss erhalten bleiben, denn andernfallswürde jede Transkation verfolgbare Datenspuren hinter-lassen. Die Bürger müssen die Möglichkeit behalten,Dritten Einblicke in ihr Konsumverhalten zu verwehren.Das Bargeld muss gesetzliches Zahlungsmittel bleiben,damit ein einfacher, günstiger und anonymer Geldtrans-fer für alle möglich bleibt.

    Finanzdienstleistungen | 21

    > VERANSTALTUNG »BARGELD IN DER DIGITALEN GESELLSCHAFT – ANACHRONISMUS ODER GEDRUCKTE FREIHEIT?«

    Lebhafte Diskussion auf dem PodiumHans-Bernhard Beykirch, Visa Europe, Wirtschaftsminis -terin Eveline Lemke, Moderator Dr. Stefan Brink, RolandTichy, Ludwig-Erhard-Stiftung und Klaus Müller, Ver-braucherzentrale Bundesverband.

  • > AUS FÜR DIE UNABHÄNGIGE PATIENTENBERATUNG21 regionale Beratungsstellen der Unabhängigen Patien-tenberatung Deutschland (UPD) müssen im Dezember2015 ihre Beratung einstellen, darunter auch der StandortLudwigshafen in Trägerschaft der VerbraucherzentraleRheinland-Pfalz. Nach zehn Jahren erfolgreicher Arbeitund einem langen engagierten Kampf um eine Weiterfüh-rung der Unabhängigen Patientenberatung unterliegendie drei bisherigen gemeinnützigen Träger SozialverbandVdK, Verbraucherzentrale Bundesverband und VerbandUnabhängiger Patientenberatung bei einer europaweitenAusschreibung einem privatwirtschaftlichen Anbieter –sehr bitter, vor allem für die engagierten Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter. Rund 100 Beschäftigte verlieren zum Jah-resende bundesweit ihren Arbeitsplatz, bei der Verbrau-cherzentrale in Rheinland-Pfalz sind es fünf. Die in vielenJahren aufgebaute und anerkannte Beratungsexpertisegeht verloren. Dies ist umso gravierender, als die UPD- Beratung von allen Seiten, besonders seitens der Nutzer,immer wieder als kompetent, verlässlich und vor allenDingen unabhängig eingestuft wurde.

    Gestartet ist die UPD im Jahr 2006 – zunächst als Modell-projekt und 2011 als Teil der gesetzlichen Regelversor-gung. Alleine in der zweiten fünfjährigen Förderphase hatdie UPD rund 400.000 Beratungsgespräche geführt. Einzentraler Indikator für den Erfolg ist dabei die Zufrie -denheit der Nutzer. In einer Befragung 2014 beurteilten96 Prozent der Patienten die Beratung der UPD mit »sehrgut« oder »gut«.

    Die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD)war in der Vergangenheit immer ein unabhängiger Lotseim Gesundheitswesen. Sie hat Versicherte und Patienteninformiert und beraten. In Ludwigshafen hat eine Mitar-beiterin seit 2013 auch in türkischer Sprache beraten. Die-ses Angebot war innerhalb kurzer Zeit bestens etabliert.

    Themen waren Patientenrechte, Therapien, Kostenüber-nahme durch Krankenkassen und andere Kostenträger,Schwerbehinderung und Betreuungsverfügungen sowiehohe Kosten für eine Zahnbehandlung oder Zahnersatz,aber auch Konflikte mit Ärzten und vermutete Behand-lungsfehler.

    > PORTAL IGEL-ÄRGER Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL), also Selbst-zahlerleistungen beim Arzt, sind ein schnell wachsender,undurchsichtiger Sektor auf dem Gesundheitsmarkt. ImJahr 2014 haben die Verbraucherzentralen Nordrhein-Westfalen, Berlin und Rheinland-Pfalz das Projekt IGeL-Ärger gestartet und das Internetportal www.igel-aerger.deaufgebaut. Diese Seite bietet Patienten neben umfangrei-chen Informationen auch die Möglichkeit, Erfahrungen zuschildern und Beschwerden los zu werden.

    GESUNDHEIT UND PFLEGE

  • Die Projektverantwortlichen nehmen in Marktchecks auchdas Angebot an Individuellen Gesundheitsleistungen beiÄrzten unter die Lupe. Waren es im ersten Projektjahr dieUltraschalluntersuchungen bei Frauenärzten, standen 2015die Sehtests bei Augenärzten im Fokus.

    Das Ergebnis der Umfrage bei 209 Augenärzten in Berlin,Düsseldorf und Mainz war wenig schmeichelhaft: Das Ab-rechnungsverfahren etlicher Praxen ist für Patienten un-durchsichtig und teilweise unzulässig – so das Fazit. Fastdie Hälfte der befragten Ärzte bietet gesetzlich Versicher-ten die von den Kassen bezahlte Leistung mit unzulässi-gen Zusatzkosten an.

    Die Bestimmung der Sehstärke sowie die Mitteilung derDiagnose ist bei medizinischer Notwendigkeit eine Leis -tung, für die die gesetzliche Krankenversicherung auf-kommt. Stellen Augenärzte den Patienten Kassenleistun-gen privat in Rechnung oder händigen sie ihnen die er -mittelten Untersuchungsergebnisse nur gegen einen Zusatzbetrag aus, verstoßen sie damit gegen den Bundes-mantelvertrag, den die Ärzte mit dem Spitzenverband dergesetzlichen Krankenkassen vereinbart haben. Für dieschriftliche Mitgabe der Werte könnten sie höchstens eine

    Gebühr für die Vervielfältigung des Auszugs aus der Patientenakte in Höhe von 0,50 Euro pro Seite erheben.

    Dass diese Regeln von vielen Augenärzten in der Pra-xis ignoriert werden, zeigen die zahlreichen Klagen von Patienten im Beschwerdeportal. Es kann nicht hingenom-men werden, dass gesetzlich Krankenversicherte eine Re-gelleistung der Krankenkassen aus eigener Tasche zahlenmüssen. Die kassenärztlichen Landesvereinigungen sindhier besonders gefordert. Sie müssen eine vertragsärztli-che Versorgung sicherstellen und bei Verstößen diszipli-narisch gegen die betroffenen Ärzte vorgehen. Sie soll-ten ihre Mitglieder in geeigneter Form eindringlich auf dievertragliche Verpflichtungen hinweisen und etwaige Ver-stöße ahnden.

    Solche Fehltritte führen zu einem massiven Vertrauens-verlust in das bewährte Versicherungssystem und dasVerhältnis zwischen Arzt und Patient. Hier müssen auchdie Krankenversicherungen durch Informationskampa-gnen gegensteuern und das Leistungsangebot entspre-chend transparenter darstellen.

    Bilanz ein Jahr IGeL-Ärger Christiane Grote, VZ NRW, Gerd Billen, Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Sabine Strüder, Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz und Wolfgang Schuldzinski, Vorstand VZ NRW (v.l.)

    Gesundheit und Pflege | 23

  • > PFLEGE VOR ORT GESTALTEN2015 hat der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv)gemeinsam mit seinen 28 Mitgliedsorganisationen einForderungspapier für eine neue Verantwortungskultur inder Pflege erarbeitet. Die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz war wesentlich am Gesamtprozess der Erstellungbeteiligt.

    In dem Forderungspapier sprechen sich der vzbv und dieUnterstützerorganisationen dafür aus, die Sozialraumori-entierung in Gesetzgebung und Umsetzung als Grund-prinzip zu verankern. Das heißt unter anderem, dass nichtExperten oder Politiker eine Lösung vorgeben, sondernpflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen bei Ent-scheidungen einbezogen werden.

    Pflegebedürftigkeit bringt eine Reihe rechtlicher Fra-gen mit sich, unter anderem zu Pflegestufen, Leistungs-ansprüchen oder Verträgen mit Pflegeanbietern. Jeder Be troffene muss Zugang zu einer »unabhängigen, kosten-günstigen und qualitativ hochwertigen Pflegerechtsbera-tung« erhalten. Ein flächendeckendes Netz an unabhän-gigen Rechtsberatungsstellen muss aufgebaut werden.Hierfür müssten Länder und Pflegekassen die Träger mitangemessenen Finanzmitteln ausstatten. Das Informati-ons- und Beschwerdetelefon Pflege und Wohnen in Ein-richtungen der Verbraucherzentrale ist ein sehr gelunge-nes Beispiel.

    > INFORMATIONS- UND BESCHWERDE -TELEFON PFLEGE Mit ihrem Informations- und Beschwerdetelefon Pflegebietet die Verbraucherzentrale Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen eine wichtige, unabhängige Anlauf -stelle für Fragen und Beschwerden. Die Anfragen zur so-zialen Pflegeversicherung, zu denen auch die Einstufungbei Pflegebedürftigkeit zählen, liegen an erster Stelle. Beivielen Anfragen geht es aber auch um die geändertenLeis tungen und deren Kombinationsmöglichkeiten imZuge des Pflegestärkungsgesetzes I. Fragen zur Sozialhil-fe insbesondere bei Heimbewohnern nehmen einen wei-teren großen Anteil ein. Unzulänglichkeiten gibt es zudembei der Versorgung mit Inkontinenzprodukten. Aufgrundneuer Verträge bestimmter Krankenkassen kann eine adäquate Versorgung mit diesen Hilfsmitteln nicht mehrerfolgen. Das Abrechnungsverhalten von ambulanten

    Pflegediensten war in etlichen Fällen Anlass für Beschwer-den.

    Mit ihrem Beratungsangebot in diesem Sektor leistet dieVerbraucherzentrale einen wesentlichen Beitrag zu mehrVerbraucherschutz und Kundenkompetenz in der Pflege.

    > WOHN-PFLEGE-GEMEINSCHAFTEN –WOHNMODELL FÜR DIE ZUKUNFTWohn-Pflege-Gemeinschaften (WPG) wollen dem Wunschder Menschen Rechnung tragen, auch dann im gewohn-ten sozialen Umfeld möglichst selbstbestimmt wohnen zukönnen, wenn Alter, Pflegebedürftigkeit oder Behinderun-gen ein Alleinleben nicht mehr zulassen

    Diese Wohnform soll älteren und hilfe- bzw. pflegebedürf-tigen Menschen ermöglichen, gemeinsam zu wohnen undgemeinsam die Unterstützungsangebote zur Bewältigungdes Alltags zu nutzen. Je nach individuellem Bedarf kanndie pflegerische Versorgung dazu kommen. Es ist alsoeine Form der ambulanten Versorgung.

    Die Verbraucherzentrale erhält immer wieder Fragen zuden erforderlichen Verträgen. Daher hat sie für Initiatorenvon Wohn-Pflege-Gemeinschaften sowie die potentiellenBewohner und deren Angehörige ein Nachschlagewerk er-arbeitet, das über wichtige vertragsrechtliche Aspekte un-ter Berücksichtigung des Verbraucherschutzes aufklärt.Außerdem informiert die Broschüre auch über Regeln, dieBewohner zur Gestaltung ihres Zusammenlebens und ih-rer Rechtsbeziehungen untereinander aufstellen sollten.

    24 | Gesundheit und Pflege

  • > HERAUSFORDERUNG TTIPDie politische, meist kontroverse Debatte zum transatlan-tischen Handelsabkommen TTIP hat 2015 deutlich anFahrt gewonnen. Auch nach den letzten Verhandlungsrun-den liegen die Positionen von EU und USA noch weit aus-einander. Die Verbraucherzentralen fordern eine weitrei-chende Korrektur des Abkommens, um es aus Verbrau-chersicht zustimmungsfähig zu machen. Mit einem »TTIPlight« sollte das Abkommen auf das Machbare beschränktwerden, um in der internationalen Handelspolitik deutli-che rote Linien für einen starken Verbraucherschutz zuziehen. Es darf keinen kleinsten Harmonisierungsnennerauf Kosten von Verbraucher- und Gesundheitsschutz ge-ben. Das Abkommen sollte sich auf Zölle, Zollkontingen-te und die Harmonisierung technischer (Industrie-)Nor-men beschränken. Schon bei diesen Punkten sind die Herausforderungen in den Verhandlungen hoch. BeimVerbraucherschutz müssten Europa und die USA vonein-ander lernen und TTIP sollte sich am jeweils höherenStandard orientieren. Bei verschiedenen Podiumsdiskus-sionen hat die Verbraucherzentrale diese Position vertre-ten und erläutert.

    > BUNDESWEITE MARKTCHECKSLebensmittel mit Gesundheitsversprechen– wirklich gesünder?

    Aussagen zu Gesundheit und Wohlbefinden auf Lebens-mittelverpackungen, die sogenannten »Health Claims«,unterliegen strengen europarechtlichen Vorgaben. Rund250 Claims sind bislang erlaubt. Die Verbraucherzentra-len haben 46 Lebensmittel mit Gesundheitsversprechenaus deutschen Supermärkten überprüft. Ergebnis: VieleHersteller nutzen Schlupflöcher der Health Claims Ver -ordnung aus oder missachten die Vorgaben.

    > Typische Beispiele: Nicht zugelassen, aber trotzdem auf dem Etikett

    Fast die Hälfte der überprüften Produkte weisen Claimsauf, die aus Sicht der Verbraucherzentralen nicht zugelas-sen sind. Beispielsweise werden probiotische Keime fürein »gesundes Wachstum« aus -gelobt, obwohl es dafür keinenerlaubten Claim gibt.

    LEBENSMITTEL UND ERNÄHRUNG

    »Verbraucherschutzstandards sind keine Handelshemmnisse und dürfen durch das Abkommennicht beeinträchtigt werden. Aus Verbrauchersicht ist es vonzentraler Bedeutung, dass TTIP die Anwendbarkeit des Vorsorge-

    prinzips unangetastet lässt.«

    Waltraud Fesser, Referentin Lebensmittel und Ernährung

  • > Erlaubter Wortlaut stark verändert

    Auf zahlreichen Produkten wird der Wortlaut so verstärkt,dass zum Beispiel aus einem »trägt zu einer normalenFunktion des Immunsystems bei« ein vielversprechendes»leis ten einen wichtigen Beitrag zum Aufbau und derFunktionsfähigkeit der körpereigenen Abwehrkräfte«wird. Das ist aus Sicht der Verbraucherzentralen nicht zu-lässig.

    > Zucker- und Fettbomben mit Gesundheits -versprechen

    Zugaben von Vitamin- und Mineralstoffen sind billig undverpassen so manchem kalorienreichen Lebensmittel zuUnrecht ein gesundes Image. Hier muss die EU unbedingtmit Nährwertprofilen nachbessern, damit nicht auf einerentsprechend angereicherten Kinderwurst, die zu einemViertel aus Fett besteht, ein Gesundheitsversprechen wie»Calcium wird für die Erhaltung normaler Knochen undZähne benötigt« ausgelobt werden darf. Wie zu erwarten,laufen die Anbieter Sturm gegen diese Maßnahme undder EU-Kommission fehlt offenbar der Mut, dieses wichti-ge Herzstück der Verordnung umzusetzen.

    > Kein Vitamin-C-Mangel in Deutschland

    Die Anbieter nutzen den Mythos Vitaminmangel für eingutes Geschäft. Beispielsweise werben sie auf angerei-cherten Lebensmitteln mit dem Claim »Vitamin C leisteteinen wichtigen Beitrag zum Aufbau und der Funktions -fähigkeit der Abwehrkräfte«. Obwohl die gesamte Bevöl -kerung gut mit Vitamin C versorgt ist, wird es laut Studieam häufigsten zugesetzt.

    > Überzogene Gesundheitsversprechen bei Kinderlebensmitteln

    Kinderlebensmittel schneiden besonders schlecht ab. 75Prozent tragen aus Sicht der Verbraucherzentralen über-triebene oder falsche Gesundheitsversprechen auf demEtikett.

    > Fehlende Claims bei Pflanzenstoffen

    Für Pflanzenstoffe, wie Ginkgo, gibt es noch gar keine zu-gelassenen Claims, obwohl diese dringend erforderlichwären.

    Die Verbraucherzentralen fordern von der Lebensmittel -industrie, ihre Verantwortung ernst zu nehmen und diebestehenden Regelungen einzuhalten. Von der Lebens-mittelüberwachung erwarten sie, dass sie Verstößen kon-sequent begegnet.

    Verpackte Lebensmittel –Sicherheit und Transparenz geht vor

    Kunststoffverpackungen von Lebensmitteln geraten im-mer wieder in die Kritik, weil unerwünschte und mög -licherweise gesundheitsschädliche Bestandteile in dieProdukte übergehen können. Es gibt zwar rechtliche Re-gelungen für Rückstände aus Verpackungen, dennochsind die gesundheitlichen Risiken vieler Inhaltsstoffenoch unerforscht und damit auchin den Regelungen nicht erfasst.Beim Einkauf sind Qualitäts -unter schie de der Materialienund mögliche Risi ken meistnicht zu erkennen.

    26 | Lebensmittel und Ernährung

  • Es gibt Verpackungen, in denen Lebensmittel auch erhitztwerden können. Allerdings nimmt mit steigenden Tem -peraturen in der Regel der Stoffaustausch zwischen Ver-packung und Lebensmittel zu. Andererseits sind aktiveVerpackungen auf dem Markt, die die Haltbarkeit von Le-bensmitteln verlängern sollen. Sie enthalten Elementewie Absorber und beeinflussen »aktiv« das Lebensmit-tel und seine Umgebung. Über die Eigenschaften dieser Materialien erfahren Konsumenten nichts.

    In einer stichprobenartigen Befragung bei 25 Herstellernhaben die Verbraucherzentralen nur wenig Auskunft zurSicherheit und korrekten Handhabung der Verpackungenerhalten. Für Kunden sind diese Informationen im Sinneeines gesundheitlichen Verbraucherschutzes aber unent-behrlich.

    Die Verbraucherzentralen fordern mehr Transparenz sowieklare und eindeutige Informationen über einen sicherenUmgang mit Verpackungen. Die Politik muss die Rahmen-bedingungen für strenge Sicherheitsanforderungen schaf-fen und eine effektive Kontrolle sicherstellen.

    In einem Faltblatt »Lebensmittelverpackungen aus Kunst-stoff« sowie im Internet haben die Verbraucherzentralenwichtige Informationen und Tipps für Verbraucher zusam-mengestellt.

    Geschirr aus Kunststoff und Silikon – Kennzeichnung mangelhaft

    Backformen und Mikrowellengeschirr aus Silikon oderKunststoff sind zum Backen, Aufwärmen in der Mikrowel-le oder Kochen und Braten sehr beliebt. Doch nicht jederKunststoff verträgt heiße Temperaturen, ohne gleichzei-tig unerwünschte Stoffe an die Lebensmittel abzugeben.Sicher sind die Produkte nur innerhalb eines bestimmtenTemperaturbereichs.

    In einer weiteren bundesweiten Aktion haben die Verbrau-cherzentralen deshalb überprüft, ob Angaben zum Mate-rial vorhanden und die Temperatur- sowie Verwendungs-hinweise vollständig sind. Ergebnis: Meist fehlen die Angaben ganz oder sind unzureichend. Keines der unter-suchten Produkte hat die Anforderungen an Vollständig-keit, Lesbarkeit, Verständlichkeit und Dauerhaftigkeit derKennzeichnung erfüllt. Es gibt viele unterschiedliche Pik-togramme. Diese sind aber häufig nicht deutlich lesbaroder nicht verständlich. Ergänzende Hinweise sucht manin vielen Fällen vergeblich.

    Die Verbraucherzentralen fordern einheitliche Piktogram-me für verschiedene, die Sicherheit gefährdende Anwen-dungen, wie beispielsweise »nicht für die Mikrowelle ge-eignet«, »nicht für den Geschirrspüler geeignet« oder»nicht in der heißen Pfanne liegen lassen«. Die sicher-heitsrelevanten Angaben sollten nicht allein auf Aufkle-bern, Anhängern und Verpackungen stehen dürfen. Siemüssen dauerhaft und gut lesbar auf dem Produkt einge-stanzt zu finden sein. Die amtliche Lebensmittelüber -wachung ist gefordert, unzureichende, missverständlicheoder fehlende Kennzeichnungen konsequent zu ahnden.

    > LANDESWEITE MARKTCHECKSMiserable Kennzeichnung von frischem Geflügel

    Frisches, unverarbeitetes Geflügelfleisch verdirbt schnell.Daher muss seit 2013 beim Verkauf das Verbrauchsdatumangegeben werden. Bereits im Jahr 2014 hat die Verbrau-cherzentrale die Kennzeichnung von lose angebotenemGeflügel auf Wochenmärkten, in Fleischerfachgeschäftenund Supermärkten überprüft und große Defizite festge-stellt. In 2015 wurde der Marktcheck wiederholt. Das Er-gebnis ist nach wie vor miserabel. In 14 von 18 Einkaufs-stätten fehlt bei lose angebotenem, frischem Geflügelnoch immer das Verbrauchsdatum.

    Die Verbraucherzentrale erwartet, dass die Lebensmittel-überwachung jetzt endlich reagiert. Bereits nach dem er-sten Check im Jahr 2014 hat sie die Überwachungsbehör-den über die Missstände informiert und eine Überprüfungeingefordert.

    Lebensmittel und Ernährung | 27

  • Veggie-Wurst

    Für weniger Fleisch auf dem Teller gibt es gute Gründe:Klima- und Tierschutz, die eigene Gesundheit oder auchreligiöse Motive. Eine vegetarische oder vegane Lebens-weise ist immer mehr Menschen wichtig. Der Handelkommt diesem Trend nach und bietet eine zunehmendeVielfalt an fleischlosen Alternativen an. Der Umsatz vonvegetarischen und veganen Lebensmitteln wächst proJahr durchschnittlich um 17 Prozent.

    In einem Marktcheck hat die Verbraucherzentrale mit ei-nem »Ampelcheck« die Nährwerte für 77 fleischlose Alter-nativen für Brat- und Brühwürste sowie Aufschnitt undStreichwurst unter die Lupe genommen. Ergebnis: Vege-tarische und vegane »Wurst«-Alternativen sind meist fet-tärmer und enthalten mehr ungesättigte Fettsäuren alsdie tierischen Originale. Überraschend allerdings: Mehrals drei Viertel der Wurstersatzprodukte haben einenebenso hohen Salzgehalt wie fleischhaltige Wurst.

    Zu finden ist diese »Veggie«-Wurst meist in separaten Re-galen, selten im normalen Wurst-Sortiment. Allerdings er-innern die Produktnamen oft an das Original. Ein deutli-

    cher Hinweis auf der Vorderseite, dass die Ware vegeta-risch oder vegan hergestellt wurde, fehlt im Check beizehn der 77 Produkte. Auch wird lediglich bei etwa derHälfte der Produkte auf einen Blick erkennbar, ob Weizen-eiweiß, Tofu oder andere Zutaten das Fleisch ersetzen. DieAngabe der Imitat-Zutat nahe beim Produktnamen istaber vorgeschrieben, damit Kunden sich beim Einkaufbesser orientieren können und keine Fehlkäufe tätigen.

    Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten zu Rechteine klare und eindeutige Kennzeichnung bei vegetari-schen und veganen Lebensmitteln. Daher sollten die Be-griffe »vegetarisch« und »vegan« verbindlich definiertwerden. Ein staatlich geschütztes Siegel für vegetarischeLebensmittel und die unabhängige Kontrolle der Einhal-tung der damit verbundenen Kriterien sind notwendig. DieHersteller sind gefordert, den Salzgehalt ihrer Produktezu reduzieren.

    In Mitmach-Aktionen hat die Verbraucherzentrale darüberhinaus über vegetarische und vegane Lebensmittel infor-miert. Unter dem Motto »Bunte Vielfalt genießen – weni-ger Fleisch ist mehr« war die Ernährungsberatung in ver-schiedenen Städten unterwegs.

    28 | Lebensmittel und Ernährung

    Mitmachaktion auf dem Mainzer Gutenbergplatz

  • > VERPFLEGUNG IN SENIOREN -EINRICHTUNGEN

    In Rheinland-Pfalz leben ca. 80.000 ältere Menschen mitDemenz. Schätzungen gehen von einer Verdopplung derErkrankungszahlen in den nächsten 20 Jahren aus. FürMenschen mit Demenzerkrankung bildet eine schmack-hafte und ausgewogene Ernährung eine Brücke des Erin-nerns und somit Sicherheit und Orientierung. Gemeinsammit dem Qualitätszirkel Ernährung Rheinland-Pfalz bietetdie Verbraucherzentrale für Mitarbeiter der Altenhilfe seit2014 erfolgreich die Fortbildung »Gut versorgt bei De-menz« an. In diesen Schulungen geben die ReferentenEinblick in die »Ess-Welten« demenzerkrankter Menschenund zeigen mit praktischen Elementen, wie beispielswei-se Fingerfood oder »Eat by Walking«, auf, wie man dieSinne von demenzerkrankten Menschen anregen und ihreSelbstständigkeit beim Essen und Trinken unterstützenkann.

    Die Verbraucherzentrale führt in den Senioren-Einrichtun-gen auch Speiseplanchecks durch. Die freiwilligen Checksbasieren auf den Qualitätsstandards der Deutschen Ge-sellschaft für Ernährung. Nach Auswertung der Speise -pläne zeigt die Ernährungsexpertin den Einrichtungen inGesprächen konkrete, praktikable Möglichkeiten auf, dasjeweilige Speisenangebot zu verbessern.

    > PROJEKT NEUSTART FÜRS KLIMASechs Verbraucherzentralen, darunter auch die Verbrau-cherzentrale Rheinland-Pfalz, und das Öko-Institut habenim vom Bundesumweltministerium geförderten Projekt»Neustart fürs Klima« zwei Jahre lang einen geballten Er-fahrungsschatz an bürgernaher Klimaschutzkommunika-tion in den Modellkommunen Alzey und Wörrstadt, Bonn,Dillingen an der Saar, Hamburg, Halle an der Saale undKassel gesammelt. Diese Erfahrungen haben sie zum Ab-schluss des Projekts in den Leitfaden »Gelegenheiten nut-zen! Neubürger beim Klimaschutz mitnehmen« einfließenlassen. Auf 70 Seiten gewährt das Projekt nun interessier-ten Kommunen einen Einblick in die angewandten Kon-zepte und liefert zahlreiche praxistaugliche Ideen zumNachahmen.

    Bei wichtigen Alltagsfragen zum Klimaschutz, etwa wel-che nachhaltigen Verkehrsmittel zur Arbeit oder zum Ein-kaufen führen, wie sich effizient im neuen Zuhause Stromsparen lässt oder wo es vor Ort regionale Produkte zukaufen gibt, standen die Beraterteams der Verbraucher-zentralen Neubürgerinnen und Neubürgern mit dem pas-senden Rat zur Seite. Hinzu gesellten sich in der jeweili-gen Stadt zahlreiche Wegweiser-Angebote zum Erkundenund Ausprobieren. Der Leitfaden »Gelegenheiten nutzen«bündelt diese Erfahrungen, um sie anderen Kommunal-verwaltungen zu vermitteln. Engagierte Klimaschutz- Akteure können sich aus dem Fundus bedienen und ei ge -ne, passende Ideen entwickeln. Besonders praxistauglichund nachahmenswert wird der Leitfaden durch nützlicheChecklisten für eine Standort- und Zielgruppenanalyse,Vorlagen für Medien und Aktionsmaterialien und Aktions-steckbriefe.

    dLeitfaden unter www.neustart-klima.de/service

    Lebensmittel und Ernährung | 29

  • > BERATUNG ZUR ENERGIEARMUT LANDESWEIT AUSGEDEHNTSeit drei Jahren unterstützt das Projekt »Energiearmutvorbeugen« in Mainz in Not geratene Menschen, die ihreEnergierechnung nicht mehr bezahlen können oder schonSchulden haben. Hohe Nachforderungen sind in vielenFällen der Auslöser für Zahlungsschwierigkeiten. Die Pro-bleme dieser Menschen können mit einer einmaligen Be-ratung meist nicht gelöst werden. Als Mediatorin be gleitetdie Fachberaterin die Ratsuchenden oft über einen länge-ren Zeitraum, bis die Verhandlungen mit dem Energiever-sorger oder den Sozialbehörden abgeschlossen sind undBetroffene einen Weg aus der Misere finden.

    Das Mainzer Pilotprojekt war so erfolgreich, dass die Pro-jektförderung aufgestockt wurde und die Beratung imHerbst 2015 landesweit ausgeweitet werden konnte. Seit-her gibt es auch in den Beratungsstellen Kaiserslautern,Koblenz, Ludwigshafen, Pirmasens und Trier regionaleEnergiekostenberater, die sich um Ratsuchende kümmern,deren individuelle Situation analysieren, Spielräume aus-loten, bei Bedarf eine ergänzende rechtliche Überprüfungvorhandener Verträge in die Wege leiten oder bei einemerhöhten Energieverbrauch eine Vor-Ort-Beratung durcheinen Energieberater der Verbraucherzentrale veranlas-sen. Sie sind von Fall zu Fall auch dabei behilflich, einenAntrag für einen Zuschuss bei den Sozialleistungen zu

    stellen. Die Berater verhandeln außerdem mit den Versor-gern, um bessere Zahlungsmodalitäten zu erreichen, einedrohende Stromsperre abzuwenden oder eine bereits ver-hängte Versorgungsunterbrechung aufzuheben.

    Über einen längeren Zeitraum üben sie gemeinsam mitden Ratsuchenden ein neues Verhalten im Umgang mitRechnungen, Energieverbrauch und Prioritätensetzungein oder suchen – teilweise mit Hilfe einer Schuldnerbera-tung oder psychosozialen Betreuung – eine Lösung. DieBeratung ist auch für Flüchtlinge von großer Bedeutung,die mit der ersten eigenen Wohnung in Deutschland häu-fig auch Probleme mit hohen Energiekosten bekommen.

    Da der Umgang der Behörden und Versorger mit Energie-schuldnern regional sehr unterschiedlich ist, sammeln dieBerater Best-Practice-Beispiele. Ziel dabei ist es, dieseauch anderen Organisationen und Versorgern vorzustellen

    ENERGIE UND BAUEN

    »Die Hintergründe von Energie-schulden sind höchst unterschied-lich. Viele Menschen verlieren inKrisensituationen den Überblicküber ihre Finanzen oder sind überfordert. Besonders betroffen sind Alleinerziehende, Menschen

    mit Migrationshintergrund, Analphabeten sowiepsychisch oder körperlich Erkrankte.«

    Antje Kahlheber, Leiterin

    Projekt Energiekostenberatung

  • und damit Anstöße für Verbesserungen zu geben. Wichtigist auch die regionale Vernetzung mit Multiplikatoren, Ver-bänden, Behörden und anderen lokalen Akteuren.

    Nach den Erfahrungen der Verbraucherzentrale wäre vie-len Ratsuchenden schon mit kundenfreundlichen Raten-plänen geholfen. Manche Versorger sehen diese Optionjedoch überhaupt nicht vor oder erst ab einer sehr hohenSumme. Eine Energiesperre hingegen verhängen sie oftschon ab hundert Euro Zahlungsrückstand. Das ist unver-hältnismäßig. Auch kürzere Abrechnungszeiträume wärenfür viele Betroffene eine große Hilfe, denn viele Rat -suchende können nicht abschätzen, welche finanziellenBelastungen mit der Jahresabrechnung auf sie zukom-men.

    An Grenzen stößt die Beratung, wenn strukturelle Proble-me Ursache für die Zahlungsschwierigkeiten sind. HoheStrompreise spielen dabei nicht die einzige Rolle. Defizi-te, wie eine schnell veranlasste oder unzureichend ange-kündigte Energiesperre oder die Unterdeckung der Ener-giekosten durch Transferleistungen wie Arbeitslosengeldkönnen nicht allein durch die Beratung gelöst werden.

    > ENERGIELABEL VERSTEHEN - MARKTCHECK IM ONLINEHANDELFür mehr Durchblick im Dickicht der Energielabel will die Verbraucherzentrale mit ihrem Projekt zur Energiever-brauchskennzeichnung sorgen. Seit Jahresbeginn müssenauch bei Onlineverkäufen für alle neuen Geräte Energie-label angezeigt werden. In ihrem vierten Marktcheck hatdie Verbraucherzentrale die neuen Vorgaben zur Energie-kennzeichnung im Onlinehandel unter die Lupe genom-men.

    > Das Energielabel soll endlich verständlicher werden

    Im Juli 2015 hat die Europäische Kommission nach langenDiskussionen einen ersten Vorschlag für ein transparen-teres Energielabel vorgelegt. Verbraucherschützer konn-ten sich erstmals mit ihrer Forderung durchsetzen, zu einer einheitlichen Skala von A bis G zurückzukehren. Vor-ausgegangen war eine Invasion der Pluszeichen: Auf Afolgte A+ bis hin zu A+++.

    Nach dem VW-Skandal bekommt auch die praxisnahe Er-mittlung der Verbrauchswerte von Haushaltsgeräten end-lich genügend Aufmerksamkeit. Auch hier sollen in Zu-

    > Auszüge aus der Evaluation des Pilotprojektes in Mainz

    Die Evaluation des Mainzer Pilotprojekts im Frühjahr2015 war sehr positiv: Viele Betroffene können ihre In-teressen gegenüber Energieversorgern und sozialenBehörden allein nicht durchsetzen. Mit Unterstützungder Verbraucherzentrale wurden jedoch über 80 Pro-zent der Strom- und Heizsperren aufgehoben und fürfast alle Ratsuchenden konnte eine langfristige Ver-besserung ihrer finanziellen Situation erreicht wer-den.

    Jeder zweite beratene Haushalt musste mindestens 10Prozent seines Einkommens für Energiekosten auf-wenden, ein Drittel der Ratsuchenden sogar mehr als15 Prozent. Doch nur knapp die Hälfte der Haushaltehatte einen erhöhten Energieverbrauch. Teure Strom-tarife, elektrische Beheizung, separate Warmwasser-bereitung oder nachteilige Heizwärmeverträge triebendie Energiekosten in die Höhe.

    Ein halbes Jahr nach der Beratung hatten die meis-ten Haushalte keine Zahlungsschwierigkeiten mehr.Dies zeigt die nachträgliche Befragung von 48 Ratsu-chenden. 80 Prozent der Befragten gaben an, dass dieEnergie kos tenberatung maßgeblich dazu beigetragenhat, ihr Problem zu lösen. Sie empfinden die verbes-serten Zahlungsbedingungen, die Klärung des Kon-flikts mit dem Versorger und den Einsatz der Verbrau-cherzentrale als äußerst hilfreich.

    Energie und Bauen | 31

    »Der Marktcheck deckt zahlreicheDefizite auf: Rund drei Monate nachEinführung der neuen Vor gaben wird nur bei etwa einem Drittel derkennzeichnungspflich tigen Pro -dukte das Energielabel nach demAnklicken des farbigen Pfeils ange-

    zeigt. Bei einem weiteren Drittel ist die Um setzungmangelhaft und beim letzten Drittel ist gar kein Label zu finden.«

    Elke Dünnhoff, Leiterin des Projekts

    Energieverbrauchskennzeichnung

  • kunft Anpassungen erfolgen, damit besonders effizienteGeräte unterm Strich auch wirklich Strom sparen. Die Ver-braucherzentrale hat zusammen mit dem Verbraucherzen-trale Bundesverband und dem europäischen Dachver-band BEUC den Revisionsprozess verfolgt und mit zahlrei-chen Stellungnahmen zugearbeitet.

    > Neues Energielabel für Heizkessel und Warmwassererzeuger

    Seit September 2015 erhalten auch Heizkessel und Warm-wasserbereiter ein Energielabel. In zwei neuen Informati-onsblättern erklärt die Verbraucherzentrale die Label underläutert, worauf Hausbesitzer bei der Anschaffung einerneuen Heizung und eines Warmwassererzeugers achtensollten.

    > Ausstellung tourt weiter durchs Land

    Die Wanderausstellung »Stromkosten runter« macht 2015in 17 verschiedenen Orten von Alzey bis Wittlich Station.Außerdem war sie auf der Rheinland-Pfalz-Ausstellung inMainz, bei der Nacht der Nachhaltigkeit in