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16 Speiseröhre und Magen-Darm-Kanal 16.1 Grundsätzlicher Wandaufbau Der Rumpfteil des Verdauungskanals umfasst den Ösophagus (Speiseröhre) und den Magen-Darm-Trakt. Der Darm gliedert sich in Dünndarm (Duodenum, Jejunum, Ileum) und Dickdarm (Zäkum, Kolon, Rektum). Die Wand ist in allen Ab- schnitten grundsätzlich gleich aufgebaut. Sie besteht von innen nach außen aus folgenden Schichten (Abb. 16.1): Mukosa (Schleimhaut, Tunica mucosa), mit den Unterabteilungen Epithel (Lamina epithelialis), Lamina propria (Lamina propria), Muscularis mucosae (Lamina muscularis mucosae); Submukosa (Tela submucosa); Muskularis (Tunica muscularis), mit den Unterabteilungen Ringmuskelschicht (Stratum circulare) und Längsmuskelschicht (Stratum longitudinale); Serosa (Tunica serosa) mit Subserosa (Tela subserosa), oder Adventitia (Tunica adventitia), wenn der Peritonealüberzug (Serosa) fehlt. Die Mukosa weist die größten regionalen Unterschiede auf. Dies betrit besonders das Epithel und die räumliche Gestalt der Mukosa. Außer am Anfang (Ösophagus) und am Ende (Analkanal) trägt die Mukosa überall einschichtiges Zylinderepithel. Es erfüllt, abgesehen von seinen regional spezifischen Aufgaben, überall die Funk- tion einer Diusionsbarriere junktionale Komplexe mit Tight junctions). Die Lamina propria besteht meist aus zellreichem Bindegewebe mit retikulären Fa- sern. Sie beherbergt terminale Verzweigungen von Blutgefäßen und Nerven sowie Lymphkapillaren und zahlreiche freie Zellen der Abwehr. Die Muscularis mu- cosae ist eine Besonderheit von Ösophagus und Magen-Darm-Trakt und kommt in keinem anderen Hohlorgan vor (wichtig für die histologische Unterscheidung von Hohlorganen). Sie besteht aus glatten Muskelzellen und verleiht der Mukosa eine ei- gene Motilität. Die Submukosa besteht aus lockerem Bindegewebe. Sie führt die größeren Blut- und Lymphgefäße für die Mukosa und enthält ein Nervengeflecht (Plexus submu- cosus, s.u.). Als Verschiebeschicht erlaubt sie der Mukosa eine gewisse Eigenbeweg- lichkeit gegenüber der Muskularis. 16 16.1 Grundsätzlicher Wandaufbau 367 aus: Lüllmann-Rauch, Histologie (ISBN 9783131292438) © 2009 Georg Thieme Verlag KG

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16 Speiseröhre und Magen-Darm-Kanal

16.1 Grundsätzlicher Wandaufbau

Der Rumpfteil des Verdauungskanals umfasst den Ösophagus (Speiseröhre) undden Magen-Darm-Trakt. Der Darm gliedert sich in Dünndarm (Duodenum,Jejunum, Ileum) und Dickdarm (Zäkum, Kolon, Rektum). Die Wand ist in allen Ab-schnitten grundsätzlich gleich aufgebaut. Sie besteht von innen nach außen ausfolgenden Schichten (Abb. 16.1):• Mukosa (Schleimhaut, Tunica mucosa), mit den Unterabteilungen

Epithel (Lamina epithelialis),Lamina propria (Lamina propria),Muscularis mucosae (Lamina muscularis mucosae);

• Submukosa (Tela submucosa);• Muskularis (Tunica muscularis), mit den Unterabteilungen

Ringmuskelschicht (Stratum circulare) undLängsmuskelschicht (Stratum longitudinale);

• Serosa (Tunica serosa) mit Subserosa (Tela subserosa),oder Adventitia (Tunica adventitia), wenn der Peritonealüberzug (Serosa) fehlt.

DieMukosaweist die größten regionalen Unterschiede auf. Dies betrifft besondersdas Epithel und die räumliche Gestalt der Mukosa. Außer am Anfang (Ösophagus)und am Ende (Analkanal) trägt die Mukosa überall einschichtiges Zylinderepithel.Es erfüllt, abgesehen von seinen regional spezifischen Aufgaben, überall die Funk-tion einer Diffusionsbarriere junktionale Komplexe mit Tight junctions).Die Lamina propria besteht meist aus zellreichem Bindegewebe mit retikulären Fa-sern. Sie beherbergt terminale Verzweigungen von Blutgefäßen und Nervensowie Lymphkapillaren und zahlreiche freie Zellen der Abwehr. DieMuscularis mu-cosae ist eine Besonderheit von Ösophagus und Magen-Darm-Trakt und kommt inkeinem anderen Hohlorgan vor (wichtig für die histologische Unterscheidung vonHohlorganen). Sie besteht aus glattenMuskelzellen und verleiht derMukosa eine ei-gene Motilität.

Die Submukosa besteht aus lockerem Bindegewebe. Sie führt die größeren Blut-und Lymphgefäße für die Mukosa und enthält ein Nervengeflecht (Plexus submu-cosus, s.u.). Als Verschiebeschicht erlaubt sie der Mukosa eine gewisse Eigenbeweg-lichkeit gegenüber der Muskularis.

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aus: Lüllmann-Rauch, Histologie (ISBN 9783131292438) © 2009 Georg Thieme Verlag KG

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DieMuskularis besteht aus glatter Muskulatur (Ausnahme: die oberen zwei Drit-tel des Ösophagus) und ist in eine innere Ring- und eine äußere Längsmuskel-schicht gegliedert. Zwischen den beiden Schichten liegt ein Nervengeflecht (Plexusmyentericus, s.u.). DieMuskularis ist für Pendel- und Segmentierungsbewegungen(Durchmischung des Nahrungsbreis) sowie Peristaltik (Weiterbeförderung desInhalts) verantwortlich.

Die Serosa ist das Peritoneum viscerale (Bauchfell), von dem die meisten Ab-schnitte des Magen-Darm-Traktes überzogen sind. Die Serosa trägt an der freienOberfläche zur Bauchhöhle hin ein einschichtiges Plattenepithel (Mesothel), dasauf einer dünnen Bindegewebsschicht (Lamina propria serosae) sitzt. Mancherortsist die Serosa durch eine etwas breitere bindegewebige Verschiebeschicht, dieSubserosa (Tela subserosa), von der Muskularis getrennt. Abschnitte, die extraperi-toneal (Teile von Ösophagus und Rektum) oder retroperitoneal liegen (Duodenum,Teile des Kolon) und daher keinen Serosaüberzug haben, sind durch Vermittlungeiner Adventitia aus lockerem Bindegewebe in der Umgebung verankert.

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Abb. 16. 1 Wandschichten des Verdauungskanals (Querschnitte durch die Hauptteile,Schema). Ösophagus, Dünn- und Dickdarm sind regional unterschiedlich entweder vonSerosa oder Adventitia umgeben. Dr, Drüse. Kr, Krypte. Z, Zotte. Entwurf: B. Kurz, Anat.Inst., Kiel.

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Das Peritoneum parietale kleidet die Bauchhöhle (Peritonealhöhle) aus und geht am Me-senterium in das Peritoneumviscerale über. Es ist histologischwie das Peritoneumvisceraleaufgebaut: Mesothel und Lamina propria, darunter Subserosa; diese führt somatosensibleNervenfasern und kann viele Fettzellen enthalten. Das Peritoneum parietale ist außer-ordentlich schmerzempfindlich (heftigste Bauchschmerzen bei Bauchfellentzündung,Peritonitis).

Enterisches Nervensystem (ENS). Ösophagus und Magen-Darm-Trakt besitzen inder Wand ein eigenes Nervensystem (ENS oder intramurales Nervensystem).Seine wichtigsten Bestandteile sind zwei ganglienzellhaltige Nervenfasergeflechte(Abb. 16.2): (1) Der Plexus submucosus ist in zwei unterschiedlicher Teile geglie-dert: (a) Innerer submuköser Plexus (Meissner-Plexus), direkt unter derMuscularismucosae lokalisiert und für die Mukosa zuständig; (b) äußerer submuköser Plexus,der Ringmuskelschicht anliegendund anderen Innervation beteiligt. (2)Der Plexusmyentericus (Auerbach-Plexus) liegt zwischendenbeiden SchichtenderMuskularisund innerviert diese. Für die Motorik des Verdauungskanals sind außerdem dieinterstitiellen Zellen von Cajal (ICC) als Schrittmacher und als Vermittler zwischenENS und Muskulatur wichtig.

16.1 Grundsätzlicher Wandaufbau 369

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Abb. 16. 2 Enterisches Nervensystem. a Aufsicht auf den Plexus myentericus. Häutchen-präparat, Anfärbung der Gliazellen durch immunhistochemische Darstellung von GFAP(S. 30). Der Plexus ist ein Netz aus Nervenfasen, an dessen Knotenpunkten (Pfeil) jeweilsein Ganglion (Ansammlung von Ganglienzellen) liegt. b Ganglion bei höherer Vergrößerung.Der Pfeil weist auf eine Ganglienzelle. Färbung: immunhistochemische Darstellung eines fürenterische Neurone typischen Antigens (protein-gene peptide 9.5). c Ganglion im Schnitt-präparat; Plexus myentericus (zwischen Ring- und Längsmuskulatur, RM, LM) im menschli-chen Kolon. Ganglienzellen (Pfeil) und Zellkerne von Gliazellen sind zu sehen. Azan. Abb. aund b: H. J. Krammer, Med. Klinik, Mannheim. Abb. c: B. Kurz, Anat. Inst., Kiel. Vergr.20fach (a), 200fach (b), 300fach.

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Das ENS ist ein kompliziertes System aus erregenden und hemmendenmotorischenNeuro-nen, sensorischen Neuronen und Interneuronen, die alle Abkömmlinge der Neuralleistesind. Als Überträgersubstanzen und Modulatoren dienen u.a. Acetylcholin, Noradrenalin,diverse Peptide, ATP und Stickstoffmonoxid ( = NO, wichtigster inhibitorischer Transmitterim ENS; „nitrerge“ Ubertragung). Das ENS kann als „Gehirn des Verdauungskanals“ ange-sehenwerden und verleiht diesemweitgehende funktionelle Autonomie, z.B. bei der Sekre-tionstätigkeit der Drüsen und der sehr komplexen Koordination der Motorik. Allerdingsuntersteht das ENS dem Einfluss von Sympathikus und Parasympathikus.

Interstitielle Zellen von Cajal (ICC) sind fibroblastenähnliche Zellen, die in der Tunica mus-cularis Netzwerke bilden und über Gap junctions mit glattenMuskelzellen verbunden sind.Sie sind elektrisch spontanaktiv und generieren langsame Depolarisationswellen, auf diesich Aktionspotenziale aufpflanzen können (Ergebnis: Kontraktionswellen). Die ICC wer-den von cholinergen und nitrergen Axonen des ENS innerviert, wahrscheinlich leiten siedie erregenden bzw. inhibitorischen Impulse an die glatte Muskulatur weiter. Zur mikro-skopischen Darstellung der ICC werden immunhistochemische Färbungen benutzt.

Funktionelle Transportstörungen können die Symptome eines Darmverschlussesverursachen (Pseudoobstruktion). Angeborenes Megakolon (Hirschsprung-Krank-heit): Aufgrund gestörter Migration der Neurone während der Ontogenese des ENSkönnen die Ganglienzellen im Rektum oder einem Rektum-Segment völlig fehlen,Agangliose. Folge: Dauerkonstriktion der aganglionären Strecke (wegen fehlender in-hibitorischer Einflüsse auf die glatte Muskluatur); Passage behindert oder unmöglich;monströse Erweiterung des proximal davon gelegenen Kolon. – Auch die verzögerteReifung der ICC bei Neugeborenen oder eine Reduktion der ICC-Zahl oder der enter-ischen Neurone (Hypogangliose) kann mit schweren Störungen der Darmmotilitäteinhergehen.

Enteroendokrine Zellen bildenDarmhormone (Enterohormone), die für die Koordi-nation der komplizierten Funktionsabläufe im Gastrointestinaltrakt und seinenAnhangsdrüsen genausowichtig sind wie die neuronalen Mechanismen. Die ente-roendokrinen Zellen sitzen einzeln verstreut zwischen den Epithelzellen des ge-samtenMagen-Darm-Traktes. IhreHormone sindMonoamine undPeptide, die ent-weder über die Blutbahn (endokrin) ihre Zielzellen erreichen oder auf benachbarteZellen (parakrin) wirken. Einige enteroendokrine Zellen werden im Zusammen-hang mit dem jeweiligen Abschnitt des Verdauungskanals besprochen. Alle ge-hören zum übergreifenden Diffusen Neuroendokrinen System (DNES), das aufS. 438f genauer erklärt wird (Tabelle 18.2, S. 440).

Muzine bilden den Hauptbestandteil des Schleimteppichs, mit dem die Epitheloberflächedes gesamten Verdauungskanals bedeckt ist. Die grundsätzlichen Eigenschaften von Muzi-nen sind auf S. 108 kurz zusammengefasst. Bisher sind – nicht beschränkt auf den Ver-dauungskanal – mindestens 14 Muzin-Gene beschrieben, sie bzw. ihre Genprodukte wer-den in der Reihenfolge der Entdeckung als MUC1, MUC2 usw. bezeichnet. Einige Muzinewerden sezerniert und sind Gel-bildend (z.B. MUC2, 5AC, 5B, 6) oder gut löslich (MUC7),einige andere (z.B. MUC1, 3, 4) sind Transmembranproteine und tragen mit ihrer extrazel-lulärenDomäne zurGlykokalyx bei. Die einzelnenAbschnitte desVerdauungskanalsweisen

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ein jeweils typischesMuster derMUC-Gen-Expression auf (Einzelheiten an entsprechenderStelle).

DieKenntnis desMUC-Musters im Verdauungskanal und seinen Anhangsdrüsen hatpraktische Bedeutung für die pathohistologische Tumordiagnostik. Muzine sindMarker für bestimmte Zellen und Gewebe; Abweichungen vom normalen MUC-Expressionsmuster, die sich im Laufe der Tumorentwicklung herausbilden, sind vondiagnostischer und prognostischer Bedeutung.

Mikroskopierhilfe Verdauungskanal allgemein

Durch Beachtung der Muscularis mucosae lassen sich alle Verwechslungenzwischen den Abschnitten des Verdauungskanals und anderen Hohlorganenvermeiden. Einzelheiten S. 379, 392.

16.2 Ösophagus (Speiseröhre)

DieWand des Ösophagus lässt den Schichtenbau des Verdauungskanals besondersklar erkennen (Abb. 16.3). Die Mukosa ist von mehrschichtigem unverhorntemPlattenepithel bedeckt (Abb. 7.5, S. 103), das durch Bindegewebspapillen mit derLamina propria eng verzahnt ist. Die Lamina propria ist reicher an Kollagenfasern

16.2 Ösophagus (Speiseröhre) 371

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Abb. 16. 3 Ösophagus (Querschnitt) des Menschen. a Übersichtsbild, das die Wand-schichten zeigt: Mu, Mukosa mit Epithel (Ep, unverhorntes Plattenepithel), Lamina propria(Lpr) und Muscularis mucosae (Mm). SMu, Submukosa. Musk, Muskularis mit Ring- undLängsschicht (R, L). Adv, Adventitia, teilweise abgerissen. b Der Ausschnitt aus (a) zeigtmuköse Drüsen (Dr) in der Submukosa. H.E. Vergr. 12fach (a) und 75fach (b).

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und die Muscularis mucosae breiter als in den anschließenden Abschnitten desMagen-Darm-Traktes. Die Bauweise der Mukosa entspricht ihrer hohen mechani-schen Beanspruchung durch vorbeigleitende Speisebrocken. Die Mukosa liegtlängsverlaufenden Falten der Submukosa auf (daher meist sternförmiges Lumenbei Querschnitten durch den Ösophagus); sie dienen als Reservefalten, die dieErweiterung des Lumens erlauben. In der Submukosa liegenmuköseDrüsen (Glan-dulae oesophageae), die Gleitschleim (MUC5B) für die Epitheloberfläche sezernie-ren. DieMuskularis besteht lediglich im unteren Drittel des Ösophagus vollständigausglatterMuskulatur, im oberenDrittel dagegenganz aus Skelettmuskulatur (Aus-läufer der Pharynxmuskulatur). Im mittleren Drittel kommen beide Muskelartennebeneinander vor. Der thorakale Teil des Ösophagus ist von Adventitia umgeben;der kurze abdominale Teil besitzt einen Serosaüberzug. Am Mageneingang wirddie Ösophagusschleimhaut abrupt von der des Magens abgelöst.

Ösophagusvarizen. Bei Pfortaderhochdruck (z.B. infolge Leberzirrhose) wirdviel Blut aus den unpaaren Bauchorganen über Venen der Ösophaguswand indie V. cava superior umgeleitet (portokavale Anastomosen). Die Venen der Laminapropria und Submukosa sind dünnwandig und massiv erweitert. Bei Ruptur(Zerreißung) dieser Venen kommt es zu lebensbedrohlicher Blutung.

Refluxösophagitis. Insuffizienz des Verschlussmechanismus am Übergang Öso-phagus/Magen führt zum Rückfluss (Reflux) von aggressivem Magensaft in denÖsophagus („Sodbrennen“) und zur Schädigung und Entzündung derMukosa (Ösopha-gitis). Bei chronischer Refluxkrankheit kann sich das Plattenepithel des distalen Öso-phagus in Schleim-bildendes Zylinderepithel vom Magen- oder Darmtyp umwandeln(Barrett-Ösophagus) mit stark erhöhtem Risiko der malignen Entartung: Barrett-Karzinom) (ein Adenokarzinom). Das häufigere Plattenepithelkarzinom des Öso-phagus entsteht weiter oral.

Mikroskopierhilfe: Verwechslungsmöglichkeiten Ösophagus

Harnblase und Ureter (S. 104, 464) besitzen Urothel (kein Plattenepithel), keineMuscularis mucosae, keine Drüsen, andere Schichtung der Muskulatur. Der Ureterhat außerdem einen wesentlich kleineren Durchmesser als der Ösophagus.

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16.3 Magen

Der Magen (Gaster) dient der Speicherung, mechanischen und chemischen Aufbe-reitung sowie Portionierung des Nahrungsbreis (Chymus). Die Magenschleimhautist mit einem einheitlichen Schleim-bildenden Oberflächenepithel sowie tubu-lösen Magendrüsen ausgestattet, die regionale Unterschiede aufweisen. DerMagensaft (bis zu 3000 ml pro Tag) ist eine Gemeinschaftsproduktion des Ober-flächenepithels und derMagendrüsen und enthält u.a.Muzine, Salzsäure (maximalpH 1,5) und Pepsine (proteolytische Enzyme). Außerdem werden in der Schleim-haut Hormone und der Intrinsische Faktor (zur Resorption von Vitamin B12 imIleum) gebildet. Die Magendrüsen unterscheiden sich histologisch und funktionellin den einzelnen Magenregionen: Pars cardiaca, Corpus/Fundus, Pars pylorica.

16.3.1 Wandschichten

Die Mukosa und Submukosa sind in Längsfalten aufgeworfen, die bei starkerMagenfüllung verstreichen. Die Muskularis weist im Korpusbereich außer derRing- und Längsmuskelschicht stellenweise eine zusätzliche Schicht schräg ver-laufender Muskelzellen (Fibrae obliquae) auf. Am Magenausgang (Pylorus) ist dieRingmuskelschicht zu einem Schließmuskel verdickt (M. sphincter pyloricus). DerMagen ist von Serosa überzogen.

16.3.2 Magenschleimhaut

DieMukosa ist etwa 1mmhochundmit einem100–200 μmdicken Schleimteppichbedeckt, der in Routine-Präparaten meist nicht erhalten ist. Er besteht aus zweiMuzin-Typen (MUC5AC, MUC6), die in alternierenden Lagen geschichtet sind. DerSchleimteppich schützt das Oberflächenepithel vor den aggressiven Komponentendes Magensaftes (S. 378).

Bei Lupenvergrößerung weist die Mukosa ein Oberflächenrelief in Form derMagenfelder (Areae gastricae) auf. Diese sind von mikroskopisch kleinen trichter-förmigen Vertiefungen, den Magengrübchen (Foveolae gastricae), durchsetzt. DieBedeckung derMukosa einschließlich der Foveolae besteht in allenMagenregioneneinheitlich aus einem einschichtigen zylindrischen Oberflächenepithel (Abb. 16.4).Dieses bildet das Muzin MUC5AC des Schleimteppichs.

Von den Foveolae aus ziehen tubulöse Magendrüsen in die Lamina propria undnehmen die restliche Höhe der Schleimhaut bis zur Muscularis mucosae ein. DerÜbergang von der Foveola zum Drüsenschlauch wird als Isthmus bezeichnet. DieDrüsen im Corpus und Fundus weisen mehrere Typen von exokrinen Zellen auf,

16.3 Magen 373

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diejenigen von Pars cardiaca und Pars pylorica besitzen jeweils einen einheitlichenmukösen Zelltyp. Außerdemkommen in denMagendrüsen enteroendokrine Zellen(s.u. und S. 370, 439) vor.

Drüsen von Corpus und Fundus

Die Drüsen in den Regionen von Corpus und Fundus (Glandulae gastricae propriae)besitzen Nebenzellen, Parietalzellen (Belegzellen) und Hauptzellen sowie entero-endokrine Zellen. Die exokrinen Zelltypen sind nicht ganz gleichmäßig über denDrüsenschlauch verteilt (Abb. 16.4): Die obere Hälfte (Drüsenhals) enthält vor

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Abb. 16. 4 Magenschleimhaut (Corpus/Fundus). a Aufbau der Foveola (Fo) und Magen-drüse (Schema; die Drüse ist im Verhältnis zur Foveola tatsächlich viel länger). IS, Isthmus.DH und HT, Drüsenhals und Hauptteil der Drüse. OEp, Oberflächenepithel. SZ, Stammzelle.PZ, Parietalzelle. NZ, Nebenzelle. EZ, endokrine Zelle. HZ, Hauptzelle. Lpr, Lamina propria.Mm; Muscularis mucosae. b Histologisches Übersichtsbild (menschlicher Magen, FärbungH.E. und PAS zur Darstellung der Muzine). Die Foveolae nehmen höchstens 1/5 der Schleim-hauthöhe ein. Die Region der Drüsenhälse ist wegen der zahlreichen Parietalzellen azidophil,der Hauptteil wegen der vielen Hauptzellen basophil. c und d Ausschnitte aus (b).Dr, Drüse.Entwurf: B. Kurz, Anat. Inst., Kiel. Vergr. 13fach (b), 150fach (c), 300fach (d).

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allem Nebenzellen und Parietalzellen. In der unteren, gewundenen Hälfte (Haupt-teil) herrschen die Hauptzellen vor.

Die Nebenzellen (engl.: mucous neck cells) tragen durch Sekretion von Muzinen(MUC6) zum oberflächlichen Schleimteppich bei. In üblichen Präparaten (z.B.H.E.-Färbung) sind die Nebenzellen leicht zu übersehen: Sie sitzen als schmale,blass gefärbte Elemente zwischen den dicken Parietalzellen.

Die Parietalzellen (Belegzellen) sezernieren Protonen und Chlorid-Ionen (→ Salz-säure) sowie den Intrinsischen Faktor, ein Glykoprotein, das für die Resorptionvon Vitamin B12 im Ileum erforderlich ist. Die Salzsäure wirkt bakterizid, denatu-riert die Nahrungsproteine und ist Voraussetzung für die Aktivität der Pepsine(s.u.). Die Parietalzellen sind wegen ihres Reichtums an Mitochondrien azidophil.Ihre Basis buckelt sich in die Lamina propria vor, die Zellen wirken wie basal aufge-lagert (daher „Belegzellen“). Die apikale Plasmamembran ist unter Bildung von„intrazellulären Canaliculi“ eingestülpt (Abb. 16.5). Diese Membran ist Sitz einerProtonenpumpe (H+/K+-ATPase), die (im Austausch gegen K+-Ionen) Protonengegen ein riesiges Konzentrationsgefälle aus der Zelle (pH 7) in den Magensaft(maximal pH 1,5) transportiert (Abb. 16.6). Bei sekretorisch aktiven Parietalzellenist die apikale Plasmamembran im Bereich der Canaliculi durch Mikrovilli enormvergrößert. Beim Übergang in den ruhenden Zustand wird ein Großteil des Mem-branmaterials in den Intrazellulärraum zurückgenommen, hier in Form von Tubuliund Vesikeln gelagert und bei erneuter Aktivierung wiederum nach Art der Exozy-tose in die Plasmamembran eingefügt (S. 59).

Für die sehr komplexe Regulierung der Säuresekretion sind das vegetative Ner-vensystem, das intramurale ENS und Enterohormone verantwortlich. Stimuliertwerden die Parietalzellen u.a. durch Acetylcholin (Parasympathikus), Histaminaus benachbarten ECL-Zellen (enterochromaffin-like cells, S. 440) und Gastrin ausden G-Zellen der Pylorusdrüsen und des Duodenum. Gastrin und Acetylcholin be-wirken durch Aktivierung der ECL-Zellen zusätzlich indirekt eine Stimulierung derParietalzellen. Genau so wichtig sind inhibitorische Faktoren: z.B. Somatostatin(aus den D-Zellen der Magenmukosa) senkt die Säureproduktion direkt durchHemmung der Parietalzellen und indirekt durch Hemmung der G- und ECL-Zellen.Auch Prostaglandin E2 (aus Stromazellen der Mukosa) und ein Peptidhormon (GIP,s. Tabelle 18.2, S. 440) aus der Duodenalschleimhaut wirken inhibierend. Näheres s.Physiologie-Bücher.

Zur Drosselung der Säuresekretion werden Arzneistoffe verwendet, die entwederdie Histaminrezeptoren der Parietalzellen blockieren oder selektiv die Protonen-pumpe hemmen (z.B. Omeprazol). – Verlust der Parietalzellen (z.B. durch Autoanti-körper gegen die H+/K+-ATPase) führt (a) zumMangel an Magensäure (Anazidität) und(b) wegen des Fehlens von Intrinsischem Faktor zu einer speziellen Störung der Blut-

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Abb. 16. 5 Ultrastrukturvon Parietalzelle (PZ) undHauptzelle (HZ) (Schema).Bei der aktivierten Parietal-zelle sind die intrazellulärenCanaliculi (iC) von Mikrovilligesäumt, in deren Membrandie H+/K+-ATPase sitzt (rot).Bei der ruhenden Zelle ist einGroßteil dieser Membranenin den Intrazellulärraum ver-lagert (rote Tubuli). DieHauptzelle zeigt die Merkmaleeiner Protein-sezernierendenZelle. Go, Golgi-Apparat. Mi,Mitochondrium. N, Nukleus.rER, raues endoplasmatischesRetikulum. tj, Tight junction.Entwurf: B. Kurz, Anat. Inst.,Kiel.

H+ pH1,5

pH7HCO3

HCO3–

OEp

NZ

PZ

Blut

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Mi

H+

K+

Cl–

H2O + CO2

H2CO3

Cl–

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H+ HCO3–

Gastrin

HistaminACh

PGE2

CAH

Somatostatin

Abb. 16. 6 HCl-Produktion und Schutz-mechanismen (vereinfachtes Schema).Die Parietalzelle (PZ) pumpt Protonen ent-gegen einem starken Gefälle (pH 7 gegenpH 1,5) ins Drüsenlumen (H+/K+-ATPase,rote Kreise, in der apikalen Membran). Cl–-Ionen folgen durch Vermittlung eines Anio-nenaustauschers in der basalen Membran(grüne Kreise) und eines Cl–-Kanals in derapikalen Membran. K+ strömt durch einenKanal in der apikalen Membran wieder aus(nicht gezeigt). Für die Bereitstellung vonH+ und HCO3

– ist das Enzym Carboanhydrase(CAH) verantwortlich. Stimulierung derHCl-Sekretion durch Acetylcholin, Histamin,Gastrin; Hemmung durch Somatostatinund Prostaglandin E2 (PGE2). Nebenzellen(NZ) und Oberflächenepithel (OEp) bildeneinen Schleimteppich. Die Muzinsekretionwird u.a. durch PGE2 stimuliert. HCO3

wirdmit demBlutstrom demOEp zugeführtund von diesem in die aufliegende Schleim-schicht sezerniert (Abpufferung der Proto-nen innerhalb der Schleimschicht). Mi, Mi-

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zellbildung (Perniziöse Anämie); diese ist Folge der mangelhaften Resorption von Vita-min B12 (S. 387), das für die Blutzellbildung unentbehrlich ist.

Die Hauptzellen sezernieren Pepsinogene. Dies sind inaktive Vorstufen („Zymo-gene“) von verschiedenen proteolytischen Enzymen des Magensaftes, die alsPepsine zusammengefasst werden. Die Hauptzellen sind reich an rauem ER (LM-Äquivalent: basophiles Zytoplasma). Bis zur Exozytose werden die Pepsinogene inSekretgranula (Zymogengranula) gelagert, nach der Ausschüttung werden sie imsauren Milieu des Magensaftes durch Abspaltung einer Peptidkette aktiviert. DieHauptzellen werden vor allem durch den Parasympathikus sowie durch Gastrinstimuliert.

Zellerneuerung. Die Zellen des Oberflächenepithels haben eine Lebensdauer vonnur 3–6 Tagen. Der kontinuierliche Nachschub von Ersatzzellen geht von undiffe-renzierten Stammzellen aus, die im Isthmus und im obersten Teil des Drüsenhalsessitzen. Auch die Drüsenzellen müssen ersetzt werden, allerdings leben sie länger(Wochen) als die Oberflächenzellen.

Drüsen der Pars cardiaca und Pars pylorica

AmMageneingang liegt eine 1–3 cm schmale Zone (Pars cardiaca), deren Schleim-haut spezielle Drüsen besitzt: Kardiadrüsen. Sie enthalten nur einenTyp vonmukö-sen Zellen, die für eine Schleimbarriere zwischen dem sauren Magenmilieu unddem Ösophagus sorgen.

Dem Magenausgang ist eine breitere Zone (Pars pylorica) mit ebenfalls reinmukösen Drüsen vorgelagert: Pylorusdrüsen (Abb. 16.7). Die Schleimhaut derPars pylorica ist durch folgende Merkmale von derjenigen in Corpus/Fundus zuunterscheiden: (a) Die Foveolae sind wesentlich tiefer, sie können fast die halbeHöhe der Mukosa einnehmen; (b) die Drüsen sind stark gewunden (viele Quer-schnitte von Drüsenschläuchen) und enthalten nur einen Typ von mukösen Zellen(Produktion von MUC6); (c) in der Lamina propria liegen häufig einzelne Lymph-follikel. Mit geeigneten Methoden lassen sich in den Drüsen außerdem endokrineZellen (G-Zellen, S. 440) darstellen. Sie sezernieren Gastrin, ein Peptidhormon, dasüber den Blutweg die ECL-, Parietal- und Hauptzellen erreicht und stimuliert. DieG-Zellen ihrerseits werden durch das ENS (S. 369) und chemische Reize aus demMagenlumen (Proteinbruchstücke) stimuliert.

Lymphfollikel sind zwar häufig in der Pylorus-Mukosa zu beobachten. Nach heutiger Kennt-nis enthält die Mukosa des gesunden Magens jedoch keine Lymphfollikel. Ihr Vorkommenist vielmehr Folge einer Infektion mit Helicobacter pylori, einem Bakterium, das zwischenSchleimteppich und Oberflächenepithel lebt und sich an die im Magen herrschenden Ext-rembedingungen angepasst hat (s.u.).

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Schutzmechanismen der Magenschleimhaut

Für den Schutz derMukosa vor den aggressiven Komponenten (Säure, Pepsine) desMagensaftes sind mehrere Faktoren verantwortlich: (a) Intakte Regulierung derDrüsenaktivitäten durch neuronale Einflüsse und Enterohormone; (b) lokale Fak-toren wie der bedeckende Schleimteppich, der Blutfluss in den Propria-Gefäßen,die Sekretion von Bikarbonat und die kontinuierliche Zellerneuerung.

Der Schleimteppich wird oben „abgenutzt“ und von unten durch Oberflächenepithel undDrüsenzellen kontinuierlich nachgeliefert . Er stellt eine „ruhige Zone“ dar, in der die Proto-nen durch Bikarbonat (Abb. 16. 6) abgepuffert werden, ehe sie das Oberflächenepithel er-reichen. Außerdemwirkt das molekulare Netz der Muzine als Diffusionshindernis für Pep-sine, sodass diese nicht bis zum Oberflächenepithel vordringen. Die Schleimproduktionwird u.a. durch das Darmhormon Sekretin sowie Prostaglandin PGE2 stimuliert (daherdie Möglichkeit von Magenschleimhaut-Läsionen bei Einnahme von Prostaglandinsyn-these-Hemmern, z.B. Acetylsalizylsäure, ASS).

Ulkus. Eine Läsion, die über die Muscularis mucosae hinaus bis in die Submukosareicht, ist ein Ulkus (Geschwür); im Gegensatz zu einer Erosion, die auf die Mukosabeschränkt ist. Ulzera bilden sich nicht nur im Magen sondern fünfmal häufiger im

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tochondrium. tj, Tight junction.

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Abb. 16.7 Pars pylorica. a Übergang Pylorus/Duodenum (Mensch). Grenze durch senk-rechte gestrichelte Linie markiert. Der Verlauf der Muscularis mucosae (Mm, gestrichelt)zeigt die Grenze zwischen Mukosa (Mu) und Submukosa (SMu) an. In der Pylorus-Schleimhautnehmen die Foveolae (Fo) fast die halbe Schichthöhe ein, die Pylorus-Drüsen (PyDr) sind ge-knäuelt und bestehen aus mukösen (hellen) Zellen (alles Unterscheidungsmerkmale gegen-über der Fundus/Corpus-Schleimhaut). Die Brunner-Drüsen (BDr) des Duodenum liegen über-wiegend in der Submukosa. LyF, Lymphfollikel. RM, Ringmuskelschicht. Z, Zotten (verbogen).H.E. b Gastrin-Zellen (GZ, braun gefärbt) in Pylorus-Drüse (Ratte). ImmunhistochemischeDarstellung von Gastrin, Hämalaun. Vergr. etwa 15fach (a), 320fach (b).

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Duodenum (S. 386). Die Ulkusentstehung beruht stets auf einem Ungleichgewichtzwischen den aggressiven und den protektiven Kräften. Ein Faktor, der besonderszum Ulcus duodeni beiträgt, ist die Infektion der Magenmukosa mit Helicobacterpylori. Das Bakterium induziert Entzündungsvorgänge, die z.B. verstärkte Säurebil-dung nach sich ziehen (u.a. wegen fehlender Inhibition durch Somatostatin nach Un-tergang von D-Zellen). Folge: Überflutung des Duodenummit Magensäure. Therapie:Drosselung der Säureproduktion (z.B. mit Hemmstoffen der Protonenpumpe) undAusrottung („Eradikation“) der Infektion mittels Antibiotika.

Mikroskopierhilfe: Zuverlässige histologische Merkmale zur Unterscheidungder Magenregionen

Corpus/Fundus: Drüsen mit verschiedenen Zelltypen: Nebenzellen blass, Parietal-zellen azidophil und nach basal vorgebuckelt, Hauptzellen basophil.Kardia: Drüsen mit nur einem Typ von mukösen (blassen) Zellen.Pylorus: Foveolae tiefer als in den anderen Magenregionen, Drüsen geknäuelt undmit nur einem Typ vonmukösen (blassen) Zellen versehen. Dicke Ringmuskelschicht.

Verwechslungsmöglichkeiten

Pylorus (Py)/Duodenum (Duod) (Pars superior): Tiefe Foveolae (Py) und Zwischen-räume zwischen den Zotten (Duod) nicht verwechseln! Lage der Drüsen beachten!Py: Drüsen oberhalb der Muscularis mucosae, d.h. in der Schleimhaut. Duod: Brun-ner-Drüsen überwiegend unterhalb der Muscularis mucosae, d.h. in der Submukosa.Besonders bei Präparaten, die Pylorus und Duodenum enthalten (vgl. Abb. 16.7), istdie Identifizierung der Muscularis mucosae wichtig für die histologische Analyse.Derartige Präparate kommen in der Pathohistologie öfters vor, da dieser Bereichder häufigste Sitz von Magen- bzw. Duodenalulzera ist.

16.4 Dünndarm

Der Dünndarm (Länge ca. 3 m) dient der Verdauung und Resorption der Nah-rungsstoffe. Er beginnt jenseits des Pylorus, gliedert sich in Duodenum (Zwölf-fingerdarm), Jejunum und Ileum. Die Verdauung, also die enzymatische Spaltungder in der Nahrung enthaltenen Makromoleküle zu kleineren Bruchstücken, spieltsich zunächst im Lumen des Dünndarms ab. Die letzten Spaltungsschritte zur Frei-setzung der Einzelbausteine sowie deren Resorption (selektive Durchschleusungdurch die Epithelbarriere) laufen an der Oberfläche der Schleimhaut ab. Dieseist durch Falten, Zotten und Mikrovilli enorm vergrößert und wird auf 100–200 m2 geschätzt. Der Dünndarm ist von einschichtigem Zylinderepithel mitBürstensaum (Enterozyten) und Becherzellen ausgekleidet.

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