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1. Fragestellung 4.4 / 11.4. 1.1 Einführung in das Konzept und Literatur 1.2 Aktuelle Situation - eine professionelle Herausforderung 2. Zur ersten Orientierung 11.4. / 18.4. / 25.4. / 2.5. 2.1 Beobachten im globalen Alltag (Hamm) 2.2 Geprägt im konkreten Alltag (Roth) 2.3 Wissen über urbane Gesellschaft (Winter) 3.Vorgeschichte 2.5. / 9.5. / 16.5. / 23.5. 3.1 Risikogesellschaft (Beck*) 3.2 Verfallsgesellschaft (Sennet)* 3.3 Desintegrationsgesellschaft (Heitmeyer)* 3.4 Ambivalente Moderne (Bauman) 4. Aktuelle Sicht 30.5. / 13.6. / 20.6. 4.1 ”Beste” aller Welten (Gross*, Schulze*) 4.2 “Alles” ist möglich (Goebel/Clermont) 4.3 “Zweite” Aufklärung (Postman*/Welsch*) 5. Die Zukunft (27.6. / 4.7.) 5.1 Weltgesellschaft (Albrow*/Nassehi*) 5.3 Empire (Hardt/Negri) Klausur (11.7.) * sind im Reader von A. Pongs besprochen

1.Fragestellung 1.1 Einführung in das Konzept und … · 3.4 Ambivalente Moderne (Bauman) 4. Aktuelle Sicht 30.5. / 13.6. / 20.6. 4.1 ”Beste” aller Welten (Gross*, ... Die Kritik

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1. Fragestellung4.4 / 11.4.

1.1 Einführung in das Konzept und Literatur1.2 Aktuelle Situation - eine professionelle

Herausforderung2. Zur ersten Orientierung

11.4. / 18.4. / 25.4. / 2.5.2.1 Beobachten im globalen Alltag (Hamm)2.2 Geprägt im konkreten Alltag (Roth)2.3 Wissen über urbane Gesellschaft (Winter)

3.Vorgeschichte2.5. / 9.5. / 16.5. / 23.5.

3.1 Risikogesellschaft (Beck*)3.2 Verfallsgesellschaft (Sennet)* 3.3 Desintegrationsgesellschaft (Heitmeyer)*3.4 Ambivalente Moderne (Bauman)

4. Aktuelle Sicht30.5. / 13.6. / 20.6.

4.1 ”Beste” aller Welten (Gross*, Schulze*)4.2 “Alles” ist möglich (Goebel/Clermont)4.3 “Zweite” Aufklärung (Postman*/Welsch*)

5. Die Zukunft(27.6. / 4.7.)

5.1 Weltgesellschaft (Albrow*/Nassehi*)5.3 Empire (Hardt/Negri)

Klausur (11.7.)

* sind im Reader von A. Pongs besprochen

4.1 ”Beste” aller Welten(Gross*, Schulze*)

Nachdem die Postmoderne soskeptisch eingeschätzt wurde...

...es gibt auch ganz andereAnsätze, die die Situationzwar nicht unkritisch, aberdurchaus offen positiveinschätzen und geradedeshalb zu spannendenKonsequenzen kommen

Ziele von 4.1

Übersicht:1)Bemerkungen zu Gross2)Schulze: “Erlebnis ist alles”3) Wandel der Milieus4)Folgerungen: Die beste aller Welten4)Zu Gerhard Schulze5)Zusammenfassung / Kommentar

(4) Aktuelle Sicht4.1 Beste aller Welten

Seite 80

1.) Bemerkungen zu Peter Gross

a)1994 erscheint im Suhrkamp-Verlag die Arbeit “DieMultioptionsgesellschaft”

Die Idee:Gross geht im Anschluss an Popper von einer Gesellschaft aus, die sich erstmals öffnet und eineenorme Steigerung der Erlebnis-, Handlungs- und Lebensmöglichkeiten ermöglicht: Zukunft ist in niegewesener Weise offen – Steigerung von Teilhabe und Zunahme von Optionen – die Moderne mitihrer Rationalität befreit vom Driften...(MG S.325)

Und so schätzt Gross -– durchaus korrekt – seine Arbeit ein: "Nicht alle können oder wollen sich (...) in eine Ich-Unternehmung verwandeln. (...). Immer mehrMöglichkeiten und immer weniger Gewissheiten. Dieser Punkt steht in der von mir verfassten»Multioptionsgesellschaft« im Vordergrund. Die kolossale Vervielfältigung der Optionen in allenLebensbereichen, von der Badewanne über die Brillenfassungen (18 700 sind an derBahnhofsstrasse 83 in Zürich zu besichtigen) bis hin zu den Möglichkeiten, Partnerschafteneinzugehen oder mittels Reproduktions- und Gentechnologien auf weniger archaische Art als BorisBecker Kinder zu bekommen, zeugt von einer Entfesselung und Freisetzung von Kräften, die invormodernen Kulturen mit starren Gewissheiten undenkbar waren. Ganz zu schweigen von denseitenweise in die Zeitungen gerückten Kontaktinseraten! Erinnern wir uns noch, dass wir in unsererKindheit, in katholischen Elternhäusern, unsere Gedanken und Phantasien zu disziplinieren und zubeichten hatten. Das Internet mit dem von ihm eröffneten Cyberraum ist lediglich der modernsteAusdruck der Multioptionsgesellschaft."St. Galler Tagblatt vom 01.05.2001

(4) Aktuelle Sicht4.1 “Beste” aller Welten

1) zu Peter GrossSeite 81

! Die Kritik von Gerhard Schulze ist eindeutig:Zwar bietet die Moderne immer mehr Optionen, doch handelt es sich nur um ein“Steigerungsspiel”

Zwar entsteht immer wieder Neues, aber es entsteht unter den Bedingungenstabiler Transformationsregeln þInsofern bleibt es bei einer immer nur vorläufigen Steigerung der

Möglichkeiten und bei einem offenen Ziel. þAußerdem bleibt das Alte weiter erhalten, insofern gilt Altes neben Neuem

weiter (bW S.115f)

(4) Aktuelle Sicht4.1 “Beste” aller Welten

1) zu Peter GrossSeite 82

b)Von Peter Gross zu Gerhard Schulze

! Der in St. Gallen lehrende Soziologe Peter Gross argumentiert an drei Stellenvöllig anders:1. Die Gesellschaft entwickelt sich Schritt für Schritt und lässt Irrationalität, Zwang,

Rassismus und Klassen hinter sich2. Der Fokus liegt nun nicht mehr auf der Arbeits-, sondern der Lebenswelt3. Nicht mehr der sozial Eingebundene, sondern der real existierende Single ist

angesagt

2)>Erlebnis< ist alles (Schulze)a)Plädoyer für einen konstruktiven Neuansatz

! Die Ausgangsüberlegung:þDie großen Traditionen und die großen Schichten usw. schmelzen, Wissen

hohen Kollektivitätsgrades (gesellschaftliche Bindungen) geht deutlich zurück þan ihre Stelle tritt der Einzelne, der allenfalls noch in kleine Milieus eingebunden

istþWir beobachten eine Ästhetisierung des Alltags und neue milieuspezifische

ExistenzformenþAm Ende steht ein Erlebnismarkt, in dem Gesellschaftspolitik zur Kulturpolitik

mutiert (>mittlere< soziale Bindungen) (EG S.273)

(4) Aktuelle Sicht4.1 “Beste” aller Welten

2) >Erlebnis< ist allesSeite 83

! Das bedeutet:þDas neue Grundmuster: Das Subjekt in der SituationþIn dieser Konstellation gewinnt das Erlebnis entscheidende BedeutungþNeue Gemeinsamkeiten jenseits der Konventionen fügen sich zur Erlebnisrealität

zusammenþEs bilden sich erlebnisorientierte LebenspraxenþAm Ende der (fortgeschrittenen) Individualisierung: das reflektierende SubjektþDie neuen elementaren Alltagserfahrungen liefern die soziale Semiotik für eine

neue Gesellschaft (EG S.88)

b)Die Kernthese

! Wir sind auf dem Weg zueiner Erlebnisgesellschaft

Nach der Restaura-tionsepoche und derKulturkonfliktepochegeht es jetzt darum,sich in der Erlebnis-gesellschaft einzu-richten und die ent-

sprechenden Konse-quenzen zu ziehen

! Erste PhaseVertikale Wirklichkeitsstruktur

Geschichtetes Milieu #Hochkultur

#Trivialkultur

! Zweite PhaseSoziale Milieus provozieren sich gegenseitig

Kulturelle Gegensätze unter den Altersgruppen....

Von Arroganz bzw. Respekt zu wechselseitigerAbgrenzung

! Dritte PhaseKulturen differenzieren nach Genusswert aus:

Laune, Entspannung, Erregung, Unterhaltung, Coolness

Gruppen entstehen in alltagsästhetischer Praxis

(4) Aktuelle Sicht4.1 “Beste” aller Welten

2) >Erlebnis< ist allesSeite 84

c)Was die Gesellschaft noch zusammenhält

! Aus den sozialen Schichten werden Milieus

! Vertraute schichteninterne Differenzierungen nach Alter und Bildung bleiben erhalten(“erinnern” noch an Althergebrachtes) und bilden nun Rahmen, innerhalb derer“kognitive Operationen” milieuspezifische Existenzformen ausbilden (S.23)

!Das Ergebnis sind durch die Alltagsästhetik hervorgebrachte neue Stiltypen

! Die einst ökonomisch erzeugte Integration wird heute durch kognitive Operationenersetzt, die eine neue Einbettung in neue Milieus hervorbringen – in derErlebnisgesellschaft bindet das “Erlebnis”

! Das bedeutet, dass wir ein neues Wissen (Dichte Beschreibungen) benötigen,das anders als in den Naturwissenschaften (Maschinenmodell) aufBedeutungskarten setzt (BW S.356)

Können wir dann noch von einer Gesellschaft sprechen?Trotz der Individualisierung und der an sie anschließenden Ästhetisierung des Alltagslebensbleiben Reste eines gemeinsamen Prozesses erhalten, die ausreichen, um weiter mit einerordnungserzeugenden gesellschaftlichen Wirklichkeit rechnen zu können (EG S.78)

(4) Aktuelle Sicht4.1 “Beste” aller Welten

2) >Erlebnis< ist allesSeite 85

3.) Wandel der Milieus (siehe: EG Kap.6)

Alter

1. (S.321)Selbstverwirk-

lichungs-milieu

1. jünger und distanziert,kulturszene-, actionorientiert,antikonventionell, selbstinszenierend

2. (S.330)Unterhal-

tungs-milieu

2. jünger, sport/autofanatisch,action-narzißmuszentriert, lokal,privatistisch, handarbeitend

3. (S.291)Niveau-milieu

3. älter, quasi klassisch, kulturellengagiert, hierarchisch denkend...

4. (S.311)Integrations-

milieu4. mittelalt, beamtet, gemütlich,perfekt, pol. interessiert...5. (S.300)

Harmonie-milieu

5. verrentet, angestellt, religiös, medienunter-haltungsorientiert

(4) Aktuelle Sicht4.1 “Beste” aller Welten

3) Wandel der MilieusSeite 86

4)Folgerungen: Die beste aller Welten

! Alte Strukturierungen treten unter dem Eindruck des Erlebnismarktes und derdamit verbundenen Ästhetisierung des Alltags zurück

! An die Stelle von Schichten rücken neuartige Milieus, die sich erlebnisgeneriert inder Form von lokalen Szenen durchsetzen

! Der Einzelne erscheint jetzt eher locker in die Gesellschaft eingebunden, obwohlnunmehr die Milieus den Rahmen bilden und den Kontext für neue Orientierungenabgeben

! Schulze interpretiert schon das klassische Klassen-/Schichtenmodell als Schritt in Richtung Aufsplitterung

! Die Individualisierung und die heutige Ästhetisierung treibendiesen Prozess der Aufsplitterung auf die Spitze underzeugen eine neue Semantik mit dem Ergebnis einermilieuspezifischen Neuverteilung von Existenzformen (BWS.352)

(4) Aktuelle Sicht4.1 “Beste” aller Welten

4) FolgerungenSeite 87

Die Gesellschaft splittert in Milieus und die Milieus splittern in Szenen auf.

5)Zu Gerhard Schulze

a) ad personam

geboren 1944, Studium derSoziologie in München undNürnberg, Habilitation fürSoziologie in NürnbergProfessor für Methoden derempirischen Sozialforschungund Wissenschaftstheorie ander Universität BambergArbeitsschwerpunkte:Sozialer und kulturellerWandel, Zeitdiagnosen undzukünftige Entwicklungen

Wichtigste Veröffentlichungen:Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart.

Frankfurt 1992/2005 (EG)Wozu heute noch Soziologie? Opladen 1996Kulissen des Glücks. Frankfurt 1999Die Beste aller Welten. Frankfurt 2004/2006 (BW)

(4) Aktuelle Sicht4.1 “Beste” aller Welten

5) ad personamSeite 88

5)Zusammenfassung / Kommentar

a)Zusammenfassung der Thesen von Schulze

1. In welcher Gesellschaft leben wir eigentlich?... in einer Freizeit- und Erlebnisgesellschaft

2. Was ermöglicht uns das Zusammenleben?... die Ausprägung erlebnisgesättigter neuer Existenzformen

3. Welche Chancen, Probleme und Risiken sind erkennbar ?... Die Schaltstelle für die neuen Existenzformen ist ein entwickeltes

Bewusstsein

4. Wie können wir uns in dieser Gesellschaft arrangieren ?... Vom Erlebnisangebot zum Erlebnismarkt und zu neuen Existenzformen

5. Welche Rolle spielen hier Wissen, Erziehung und Bildung ?...Erlebnispädagogik???

6. Und welche Möglichkeiten gibt es bei Konflikten und sozialen Verwerfungen?....Die erlebnisorientierte Gesellschaft überwindet die Kulturkonfliktgesell-schaft, wie diese bereits die Restauration bis zu den 60ern überwunden hatte

(4) Aktuelle Sicht4.1 “Beste” aller Welten

6) ZusammenfassungSeite 89

b)Kommentar: Für wen gilt das?

Bei Schulze wird diemitteleuropäische

Lebensweltperspektive“verabsolutiert”

(4) Aktuelle Sicht4.1 “Beste” aller Welten6) ZusammenfassungSeite 90

! Wenn soziales Handeln kontext-orientiert gilt (das hier beschriebeneMilieu also allenfalls im spezifischenKontext der Freizeit gilt, wo derindividuelle Spielraum erheblich ist)dann bietet Schulze hier keinegenerelle Beschreibung einerGesellschaft

! Brisant wird diese Reduzierung desAlltags auf die Lebenswelt vor allemaus politischer Sicht, weil wichtigegesell-schaftliche Situationen undHerausforderungen (z.B. einerRisikogesellschaft) schlicht ignoriertwerden