20160423 Kurier

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  • 8/18/2019 20160423 Kurier

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    Restitutionskrimi: Autor bis Juni in Haft 

    http://kurier.at/chronik/wien/restitutionskrimi-autor-bis-juni-in-haft/194.510.758 

    Foto: REUTERS/DAVID W CERNYSpätestens am 5. Juni

    wird Templ aus Wiener Gefängnis entlassen. 

    Bedingte Entlassung nach der halben Strafe wurde verwehrt.

    Neue Beweise müssen geprüft werden.

    Ricardo Peyerl 

    23.04.2016, 06:00

    Die österreichische Justiz will im Restitutionskrimi um den Prager Journalisten Stephan

    Templ ein Exempel statuieren. Die bedingte Entlassung nach Verbüßung der Hälfte seiner

    einjährigen Strafhaft wurde vom Landesgericht Wien aus "spezial- und generalpräventiven

    Gründen" abgelehnt.

    Man muss Templ, der in einem Restitutionsantrag seiner Mutter deren Schwester unter den

    Tisch hatte fallen lassen, demgemäß offenbar vor weiteren strafbaren Handlungen abhalten

    und verhindern, dass andere ähnliche Delikte begehen.

    Generalpräventive Gründe dürfen bei der Entlassung nach zwei Drittel der Strafe keine Rolle

    mehr spielen, das Gericht hat sie daher bereits genehmigt. Am 5. Juni wird Templ frei sein.

    Bis dahin könnte ein weiterer Wiederaufnahmeantrag samt Antrag auf Unterbrechung des

    Strafvollzuges die schnellere Enthaftung für den jüdischen Historiker bringen. Sogar die

    Oberstaatsanwaltschaft ist der Ansicht, dass neue Beweise geprüft und eine Zeugin neuerlich

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    einvernommen werden sollten. Das Oberlandesgericht Wien setzte sich zwar zunächst

    darüber hinweg, ein zweiter Antrag muss nun aber bearbeitet werden.

    Sechs Mal genannt

    Templs Anwälte hatten beim Entschädigungsfonds nämlich Dokumente ausgegraben, die

     belegen, dass Templ seine Tante auf früheren Restitutionsanträgen (bezüglich von den Nazis

    enteigneter Lebensversicherungen) insgesamt sechs Mal genannt hatte. Die Beischaffung

    dieser Dokumente hätten Templ im Betrugsprozess vielleicht einen Freispruch gebracht, doch

    wurden sie als unerheblich abgelehnt.

    Die Existenz der weiteren Anspruchsberechtigten war dem Fonds also bekannt. Dennoch

    sagte eine Mitarbeiterin im Betrugsprozess als Zeugin aus, man sei von Templ getäuscht

    worden, weil er seine Tante verschwiegen hatte. Es war dabei um die Entschädigung der

    Erben für das von den Nazis enteignete ehemalige Sanatorium Fürth, eines herrschaftlichen

    Gebäudes in Wiener Rathausnähe, gegangen. Templs Mutter bekam einen höheren Anteil,

    nämlich 1,1 Millionen Euro.

    Templ sagt, die Tante habe zuvor schon seine Mutter um Teile des Erbes gebracht, man sei

    seit Jahren zerstritten. Daher fühlte er sich nicht verantwortlich, auch die Ansprüche seiner

    Tante im Fall Sanatorium Fürth zu wahren. Das wäre eine Frage für das Zivilgericht, im

    Strafprozess wurde die Tante gar nicht als Geschädigte zugelassen. Wer wurde also

    geschädigt? Die Republik Österreich? Die Finanzprokuratur erklärte, dass dem Bund kein

    Schaden entstanden sei.

    Negative Schlagzeilen

    Dass ausgerechnet ein jüdischer Autor kritischer Beiträge über Österreichs schleppende

    Restitutionspolitik in einem Restitutionsfall hinter Gitter musste, hat Österreich weltweit

    negative Schlagzeilen beschert. Eine schon lange im Raum stehende Begnadigung Templs

    könnte einiges wieder gutmachen, sie wird jedoch zwischen Justizministerium und

    Präsidentschaftskanzlei hin- und her geschoben.

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