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CEO Heiner Kroke sammelte als Manager bei Ebay Erfahrungen, bevor Gründer Christian Wegner ihn vor gut zwei Jahren als neuen CEO zu momox holte. Heute setzt er auf Expansion

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sandkostenfrei verschicken lassen. Fertig. Ist nichts

beschädigt oder verschmutzt, erhält der Verkäufer

ein paar Tage später die zugesagte Summe über-

wiesen. Es sind tagesaktuelle Preise, Angebot,

Nachfrage und Lagerbestand entscheiden.

Re-Commerce statt RecyclingRund 200 Bücher besitzt jeder bundesdeutsche

Haushalt im Schnitt, hat momox von Marktfor-

schern erfragen lassen. Viele überkommt da spä-

testens beim Umzug der Wunsch, das Regal ein we-

nig zu erleichtern. „Aufräumen und helfen“ lautet

das Firmenmotto, denn jedes Produkt, das nicht

in die Tonne wandert, ist auch ein Beitrag zum

Umweltschutz. Oft bringt ein ganzer Pack Bücher,

DVDs oder CDs vielleicht nur 30 Euro, aber besser

als die Recyclingtonne ist das allemal. „Re-Com-

merce“ nennen die Berliner inzwischen ihr Markt-

segment innerhalb der E-Commerce-Branche, denn

eine boomende Branche ist der Wiederverkauf im

Netz längst. Wenige Kilometer entfernt in Neukölln

sitzt der Wettbewerber rebuy.de. Das stört nicht,

sondern fördert nur die Bekanntheit.

momox kauft all das, was auch im regulären

Buchhandel oder in den CD- und DVD-Regalen der

Kaufhäuser stehen könnte. Aber auch nur das. Der

Berliner Online-Händler ist keine Adresse für Samm-

ler seltener Einzelstücke, für Sucher nach Erstaus-

gaben von 1873 oder handsignierter Auktionsware.

Sondern für das, was viele oder zumindest einige

lesen wollen. „Wir sind kein Online- Antiquariat,

 Not, sagt man, macht erfi nderisch. Das

klappt nicht oft. Hier aber schon: Als

Christian Wegner 2003 seine ersten Schrit-

te in die unternehmerische Selbstständigkeit wagt,

steckt er tatsächlich in der Klemme. Der gelernte

Groß- und Außenhandelskaufmann ist Mitte zwan-

zig und arbeitslos. Wegner versucht, daheim in

Kreuzberg mit dem Verkauf gebrauchter Bücher

über Ebay ein wenig zu verdienen. Er kauft bei den

Berliner Antiquaren, bei Haushaltsauflösungen

und Flohmärkten und verkauft online. Das klappt

erstaunlich gut. So gut, dass er wenig später da-

mit anfängt, zwei Websites zu programmieren: die

eine für den Ankauf (momox.de), die andere für den

Verkauf (medimops.de) gebrauchter Bücher. So was

macht zu diesem Zeitpunkt kein anderer weltweit.

Ab da geht es nur noch aufwärts, meist im zwei-

stelligen Prozentbereich pro Jahr. Im Frühjahr 2015

titelt die „SuperIllu“: „Vor 12 Jahren war Christian

arbeitslos. Heute hat er 750 Angestellte.“ Und Weg-

ner ist über den reinen Secondhand-Bücherhandel

längst hinausgewachsen.

Mit gebrauchten Büchern im Netz zu handeln ist

eigentlich nicht neu. Neu ist, dass Wegner dieses

Geschäft verführerisch vereinfacht hat. Und das

geht so: Wer seine Bücher loswerden will, gibt den

jeweiligen Barcode auf der momox-Website ein

und erhält sofort einen tagesaktuellen Kaufpreis

genannt. Oder, noch einfacher, er scannt den Code

mit der momox-App. Dann Kiste packen, Adressauf-

kleber ausdrucken und mit DHL oder Hermes ver-

Jede starke Internet-Idee kommt aus den USA? Stimmt nicht! Der Berliner Online-Händler momox handelt auf medimops.de und momox.de höchst erfolgreich mit Büchern, CDs und DVDs. Nun dehnt er sein Geschäftsmodell auf weitere Produktgruppen aus

Per Mops zum Medium

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ersten Platz in Deutschland. Weltweit ist momox

inzwischen der zweitgrößte Verkäufer bei Amazon

und die Nummer 4 bei Ebay. Und das bedeutet – der

Chef sagt es selbst – eine „ungeheure logistische

Herausforderung“. Rund sechs Millionen Bücher,

DVDs und CDs stehen im Leipziger Großraumlager,

dem ehemaligen Verteilzentrum von Quelle, das

auch deshalb pleiteging, weil es den Internethan-

del verschlief. 60 000 Quadratmeter Lager fl äche, vier

Etagen übereinander, jede 100 mal 100 Meter, vollge-

stellt mit Regalen. Das Gros der Mitarbeiter arbeitet

hier, packt aus und ein, prüft, registriert, verstaut.

Rund 100 000 Bücher, CDs und DVDs gehen täg-

lich rein und raus, doch wer bestimmt den Preis?

Wegner, alles andere als ein gelernter Programmie-

rer, hat dazu schon vor Jahren ein eigenes Preis-

fi ndungsprogramm entwickelt und über die Jahre

perfektioniert. Es ist ein spezieller Algorithmus,

heute das wohl wertvollste Geheimnis im Unter-

nehmen. Es ist, sagt Kroke, „unsere Coca-Cola-

Rezeptur“. Ein eigenes Rechenzentrum steht dafür

in Nürnberg, dort fragen die Server mehrmals täg-

lich für alle sechs Millionen Artikel Ankäufe, Lager-

bestand und Verkäufe ab und vergleichen das mit

Preisen und Vorbestellungen bei Ebay, Amazon,

Libri & Co. Und passen die eigenen Preise mitunter

stündlich an, sieben Tage die Woche, rund ums Jahr.

Was momox von anderen Internet-Start-ups un-

terscheidet, ist auch die eher geräuschlose, spar-

sam zurückhaltende Art und Weise, mit der Wegner

sein Unternehmen aufgebaut hat. Das Startkapi-

tal lag bei 1500 Euro, fremde Mittel bei null. Dabei

ist es praktisch bis heute geblieben. Drei externe

Investoren sind inzwischen zwar mit an Bord,

doch Wegner behält die Mehrheit. Ansonsten gilt:

Wachstum wird aus dem Cashfl ow bezahlt. Also

keine Schulden, keine millionenschweren Werbe-

kampagnen, keine coolen Lofts und Chrommöbel.

momox sitzt an der grauen Frankfurter Allee im

Berliner Osten, und sogar das Mobiliar wirkt ein

wenig secondhand. Schick geht anders. Die Formel

„Sparsamkeit mal Innovation“ funktioniert. Wäh-

rend viele Internet-Start-ups über Jahre mit Risiko-

das Privatbibliotheken kauft“, sagt CEO Heiner

Kroke, seit gut zwei Jahren an der Spitze. Sondern

lieber Dan Browns Weltbestseller „Illuminati“, von

dem momox an manchen Tagen bis zu 1000 Stück

auf Lager hält. „Shades of Grey“ oder „Ein ganzes

halbes Jahr“, „Tschick“ oder „Schantall, tu ma die

Omma winken!“ sind jene Bücher, die 2014 am

schnellsten wieder einen Käufer fanden.

Und die kaufen nicht nur auf der medimops-

Seite. Denn die Berliner sind mit eigenen Shops

auch bei den Großen präsent. So hat die Online-

Plattform Web Retailer jüngst die größten Verkäufer

auf Amazon und Ebay ermittelt. Ergebnis: momox

kam mit seinem Shop medimops bei beiden auf den

Mehr als Medien: Mit 200 000 Blusen, Pullovern, Röcken oder Schuhen füllt momox den größten Kleider-schrank Berlins

Serienproduk-tion: Die Fotos aus dem Studio landen direkt im momox-Rechenzentrum – beim Online-Handel zählt Geschwindigkeit

Erfolgsformel: „Sparsamkeit mal Innovation“

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kapital gefüttert werden müssen, ist momox von An-

fang an profi tabel. „Es ist ein Geschäftsmodell, das

überzeugt“, sagt Karsten Scherff von der Deutschen

Bank in Berlin, der das Unternehmen begleitet und

auch den Auslandszahlungsverkehr abwickelt.

Das Geschäft wird skaliert

Dabei sind es oftmals Kleinstbeträge, die momox

pro Transaktion verdient. „Ein Euro pro Artikel ist

viel“, sagt Kroke, die Durchschnittsmarge liege we-

sentlich tiefer. Doch multipliziert mit hohen Stück-

zahlen werden auch Centbeträge zum Millionen-

geschäft. So machte momox Gewinn von Anfang

an, und so sollte es bleiben, bis auf die Jahre 2012

und 2013, als plötzlich die Kosten schneller wach-

sen als der Umsatz. Da spürt Wegner, mehr Tüftler

und Erfi nder, seine Grenzen beim Steuern eines

inzwischen groß gewordenen Unternehmens und

holt den Online-Mann Kroke als CEO an Bord.

Der vormalige Ebay-Manager und Chef des

Schweizer Online-Händlers Ricardo.ch liest und

shoppt online, trägt eine Apple Watch und hat

zu Hause für all die Online-Käufe („der Paketbote

kommt mehrmals täglich“) eine extra Box montiert.

Kroke startet ein hartes Kostenprogramm, beendet

einen kurzen Ausfl ug in die Welt des Einzelhandels

und streicht den zwischenzeitlich begonnenen An-

kauf gebrauchter Unterhaltungselektronik. Wenig

später ist der Laden wieder auf Kurs.

momox ist etabliert, ein externer CEO fest im

Sattel. Im zweiten Stock hat es sich ein Mops als Fir-

menmaskottchen bequem gemacht, die Tiere gel-

ten als fröhlich, unkompliziert und klug. Aus dem

Tagesgeschäft hat sich Wegner verabschiedet, doch

ins Büro kommt er wie immer, segeln sollen ande-

re. Den Titel eines „Chief Visionary Offi cer“ (CVO)

hat er sich gegeben, und den füllt er mit Leben.

Denn seit Kroke an Bord ist, baut er das nächs-

te Geschäftsfeld auf: den Online-Handel mit Mar-

kenkleidung aus zweiter Hand. Taschen, T-Shirts,

Blusen, Pullis, Röcke liegen im Berliner Lager von

ubup.com, mit rund 200 000 Einzelteilen inzwischen

der größte Kleiderschrank der Hauptstadt. Noch

wird hier kein Geld verdient, noch sind die Stückzah-

len verglichen mit dem Mediengeschäft eher klein.

Aber auch hier hat Wegner einen Algorithmus für

die tagesaktuelle Preisfi ndung und Lagerhaltung

geschrieben, auch hier sollen die gleichen Argumen-

te überzeugen: Komfort, Einfachheit, Sicherheit.

Wie geht es weiter? Internet-Start-ups sollten

„skalierbar“ sein, das Geschäftsmodell muss sich

ohne großen Aufwand auf andere Märkte und

Länder übertragen lassen. Das ist der Fall. momox

internationalisiert munter und verkauft seine CDs

inzwischen bis in die USA. Großbritannien und Ös-

terreich sind Märkte im Aufbau, und Frankreich gilt

aktuell als „größter Hoffnungsträger“, so Kroke.

Weitere Märkte sollen folgen. Doch wahrschein-

lich hat der CVO schon zuvor wieder ein neues

Geschäftsmodell und eine weitere Idee. Wegners

Ehrgeiz heißt: „momox weiterdenken.“ Und das

klappt inzwischen ja auch ohne Not ganz gut.

STEPHAN SCHLOTE

Gründer Christian Wegner ist heute „Chief Visionary Offi cer“ bei momox und kümmert sich um den Aufbau der neuen Geschäftsfelder

Anschub für GründerEin Spezialteam der

Deutschen Bank hilft bei

Gründung und Wachstum

Um die Gründung schnell

wachsender junger

Unterneh men unkompli-

ziert zu begleiten, hat die Bank

in Berlin das Team Startups@Berlin

etabliert. Unter nehmer bekommen

von den Spezia lis ten Service aus

einer Hand, auch bei komplexeren

Finanzthemen in späteren Phasen.

Dieses bewährte Modell wird auch

an anderen Standorten der Bank

ausgebaut. Start-ups brauchen nicht

nur eine Geschäftsidee. Um die An-

laufkosten zu stemmen, ist ein durch-

dachtes Finanzierungskonzept nötig.

Der Grün derkredit „StartGeld“ der

Förderbank KfW kommt dabei für

viele Vorhaben in Betracht: Es gibt bis

zu 100 000 Euro für Investitionen, Be-

triebsmittel oder auch den Kauf eines

Unternehmens, und die Deutsche Bank

ist als Finanzierungspartner an Bord.

Weitere Informationen:

www.deutsche-bank.de/startups

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