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4. Oktober 2020 Jukka-Pekka Saraste

4. Oktober 2020 Jukka-Pekka Saraste€¦ · 4 PROGRAMM 5 JUKKA-PEKKA SARASTE Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin Ludwig van Beethoven (1770 – 1827) Sinfonie Nr. 4 B-Dur op. 60 ›

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  • 4. Oktober 2020Jukka-Pekka Saraste

  • 2 BEETHOVEN – SINFONIE NR. 7

    „Ich war nie so finnisch wie in Wien, Italien und Paris und nie so sehr Pariser wie am Pielisjärvi-See.“

    Jean Sibelius, 1921

  • 4 5PROGRAMM

    JUKKA-PEKKA SARASTERundfunk-Sinfonieorchester Berlin

    Ludwig van Beethoven(1770 – 1827)Sinfonie Nr. 4 B-Dur op. 60› Adagio – Allegro vivace› Adagio› Allegro vivace› Allegro ma non troppo

    Jean Sibelius(1865 - 1957)Sinfonie Nr. 3 C-Dur op. 52› Allegro moderato › Andantino con moto, quasi allegretto › Moderato – Allegro ma non tanto

    Liebe Konzertbesucher*innen!

    Schön, dass Sie da sind! Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass das nicht nur so bleiben, sondern bald wieder zur erfreulichen Normalität werden kann! Bitte beachten Sie die allgemeine Hygiene-, Husten- und Nies-Etikette, folgen Sie der besonderen Wegführung innerhalb des Hauses und halten Sie den Mindestabstand von 1,5 Metern ein. Tragen Sie bitte jederzeit und überall im Haus eine Mund- und Nasen-Bedeckung. Erst nachdem die Saaltüren geschlossen worden sind, können Sie auf Ihrem Sitzplatz den Schutz abnehmen. Bitte vergessen Sie nicht, ihn vor dem Verlassen des Platzes wieder anzulegen. Das Konzertprogramm ist an die Coronavorgaben vor, auf und hinter der Bühne angepasst worden. Es findet ohne Pause statt. Aufzüge und Toiletten sind bitte nur im „Notfall“ zu benutzen. Gastronomie-angebote und Garderobendienst stehen leider gegenwärtig nicht zur Verfügung. Bitte legen Sie Ihre Mäntel und Jacken über die gesperrten Plätze neben dem eigenen Sitzplatz. Bleiben Sie gesund!

    Übertragung am 4. Oktober 2020, 20.03 Uhr (heute Abend).Europaweit. In Berlin auf UKW 89,6 MHz; Kabel 97,55; Digitalradio (DAB); Satellit; online und per App.

    4. Oktober 2020Sonntag / 16 UhrPhilharmonie BerlinSinfoniekonzert

    Konzert mit

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    Steffen Georgi

    Sinfonie in Glücks-Dur

    Eroica, Schicksal, Kampf, Moll: Nur ein trotziger Beethoven ist ein echter Beethoven. Man sagt, die Sinfonien mit den ungeraden Nummern 3, 5, 7, 9 seien die eigentlichen, die mit den geraden hingegen die kleinen, unbedeu-tenden. Welche Vermessenheit.Die Zweite aus Mozarts Geist, die Achte ein Durchbruch zum Licht nach langer Dunkelheit, die Sechste Rückbesinnung auf äußeren Frieden, um den inneren zu erlangen – Anlässe, die Beet-hovens inneren Frieden gestört hätten, gab es genug. Um die Sinfonie Nr. 4 von Ludwig van Beethoven machen die Konzertveranstalter gewöhnlich einen verlegenen Bogen. Kein Held, kein Sieg, kein Dennoch; kein menschheitsumspannender Bruderkuss.

    Ludwig van BeethovenSinfonie Nr. 4 B-Dur op. 60

    BesetzungFlöte, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Hörner, 2 Trompeten, Pauken, Streicher

    Dauerca. 35 Minuten

    VerlagBreitkopf & HärtelWiesbaden, Leipzig

    Entstehung1806

    UraufführungMärz 1807Wien

    Ludwig van Beethoven, 1804,Gemälde von Joseph Willibrord Mähler (1778–1860)

  • 8 9

    Die vierte Sinfonie (1806) und mit ihr eine Reihe von Werken aus der Umgebung dieses viel-leicht schaffensreichsten Jahres im Leben des Komponisten (viertes Klavierkonzert op. 58, Rasumowsky-Quartette op. 59, Violinkonzert op. 61) atmen eine heitere Gelöstheit, eine schlanke Klassizität, wie sie vorher oder nachher bei Beethoven nicht wie-der zu finden war. Erfülltes Glück, scheint es, war die Leitidee jener Monate. Dies bedeutet für Beethoven Aktivität und Vitalität, keineswegs konfliktlose Glätte oder Stillstand des Augenblicks im Faustschen Sinne. Beethovens Schönheitsvorstellung leuchtet als Ideal vom gewölbten Sternen-himmel, treibt ihn zu permanen-tem Ringen um Kontur, um Sinn.

    Josephine – Leonore

    Was könnte es gewesen sein, was die Sonderstellung der vierten Sinfonie innerhalb des sinfoni-schen Œuvres von Beethoven ausmachte? Den Schlüssel bieten die 1957 aufgefundenen dreizehn Briefe Beethovens an Josephine Brunsvik (1779-1821), verwit-wete Deym. Beethoven hatte die junge ungarische Adlige 1799 im Haus seine Freundes Franz Brunsvik kennengelernt. Beider

    Schwester Therese galt lange Zeit als eine der zentralen Frauen in Beethovens Leben. Offensichtlich war sie aber nur die geschätzte Freundin und Chronistin der eigentlichen Beziehung zwischen Beethoven und Josephine. Bereits deren Vernunfthochzeit mit dem fast 30 Jahre älteren Grafen Joseph Deym von Stritetz (1750-1804) hatte Beethoven vermutlich kaum verkraftet; Werke wie das Streichquartett op. 18 Nr. 4 spiegeln eine leiden-schaftlich aufgewühlte Seele. Als aber Josephines Mann 1804 starb, schöpfte Beethoven neue Hoffnung. Die dreizehn Briefe stammen aus den Jahren 1804 bis 1807. Zutiefst ernst war es ihm mit seiner Liebe. Was er sich unter Liebe, unter Ehegatten-glück vorstellte, wissen wir aus der Oper „Fidelio“, komponiert 1804/1805. Leonore, die liebende Frau, schlüpft dort in die Männerrolle, um den hilflos gefangenen Gatten zu befreien. Josephine war wie kein anderer Mensch in den Entstehungspro-zess der „Leonore“ eingeweiht, ja eingebunden. In diesem Licht hört sich die vierte Sinfonie wie eine Fortsetzung des Opern-Ge-dankens von erfüllter Gattenliebe an. „Es scheint, dass Geschmack und Haltung der Adressatin auf die Sinfonie wie auf die genannte

    Werkgruppe dieser Zeit nicht ohne Einfluss geblieben sind. Um zu ihr, der einzig Geliebten, die angemessene Zwiesprache in Tönen zu finden, konnte sie gar nicht klassisch genug gefasst sein. Hinter den Namen Florestan und Leonore verbarg sich ein zweites, reales Gestaltenpaar: Ludwig und Josephine.“ (Harry Goldschmidt)

    Ein Kind der Liebe

    Federnder Jubel folgt der vage tastenden Einleitung um so herr-licher. Das dritte Rasumowsky-Quartett, kammermusikalisches Pendant der vierten Sinfonie, beginnt genauso. Und die Schil-lersche Emphase der Sinfonie Nr. 9 wird musikalisch vorweg-genommen: „Wer ein holdes Weib errungen, mische seinen Jubel ein“. Florestan und Leonore um-armen einander mit den Worten: „Wer ein solches Weib errungen, stimm in unsern Jubel ein!“Der zweite Satz verströmt vollkommene Ruhe im Sinne von Ausgeglichenheit und Ge-borgenheit, ein Bild mensch-licher Anbetung. Das Scherzo hingegen enthebt bei aller Leichtigkeit nicht des ständigen fantasievollen Erneuerns einer komplizierten, anspruchsvollen

    Beziehung. Dialoge von heiterem Ernst prägen das Finale, das an das motivische Gedankenspiel des Scherzos auf hohem Niveau anknüpft und auch in Beethovens Musik eine Qualität einführt, die bei Mozart als sogenannte Sere-nität bereits angelegt war. Alle Anflüge von drohender Trübung der klassischen Idylle lösen sich in befreiendem Lachen. Aber die dunklen Wolken sind immer da, sie schweben gefährlich auf einer zweiten Ebene im Hintergrund.1807 stellte Beethoven sein Werben um Josephine ein, zu oft hatte sie in ihrem Bekennen zu ihm gezögert, war ihm in den drei Jahren wieder und wieder aus-gewichen. 1810 heiratete sie zum zweiten Mal und war jetzt Gräfin Stackelberg, unglücklicher als je zuvor. Sie trennte sich von ihrem Mann im Frühjahr 1812. Beetho-ven traf vermutlich Anfang Juli 1812 noch einmal mit Josephine zusammen. Am 8. April 1813 wurde ihre Tochter Minona gebo-ren. Der Name macht Sinn, wenn er rückwärts gelesen wird. Neun Monate vorher hatte Beethoven am 6./7. Juli 1812 in Teplitz den Brief an die Unsterbliche Geliebte geschrieben.

    LUDWIG VAN BEETHOVEN – SINFONIE NR. 4

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    Finnisch, neoklassisch

    „Die dritte Sinfonie war eine Enttäuschung für das Publikum, denn alle erwarteten etwas Ähnli-ches wie die zweite Sinfonie. Als Gustav Mahler mich besuchte, sprachen wir darüber und auch er stellte fest, dass man mit jeder neuen Sinfonie diejenigen verliert, die man mit den voran-gehenden gewonnen hat.“ Jean Sibelius‘ bitteres Resumée, aufgeschrieben 36 Jahre nach dem Ereignis, deckte sich nicht nur mit Gustav Mahlers eigenen Erfahrungen, sondern es betraf ein Werk, das fast zeitgleich mit Mahlers Sinfonie Nr. 7 ent-standen war. In der Tat scheinen sich die beiden so unterschied-lichen Werke auch inhaltlich zu begegnen mit einem überdrehten Ländler, der Mahlers wie Sibe-lius‘ Sinfonie zeitweise aus der Kurve fliegen lässt. Und in der pathetischen Schlussapotheo-se, die anno 1907 längst nach unrealistischem, verzweifeltem Optimismus klingt.

    Jean SibeliusSinfonie Nr. 3 C-Dur op. 52

    Besetzung2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen, Pauken, Streicher

    Dauerca. 30 Minuten

    VerlagRobert Lienau,Berlin

    Entstanden1906/1907

    Uraufführung25. September 1907, HelsinkiOrchester der Philharmonischen GesellschaftJean Sibelius, Dirigent

    Jean Sibelius,1892,Gemälde von Eero Järnefelt (1863-1937)

  • 12 13

    Dabei beginnt alles so harmlos, ja liebenswürdig-heiter. Über einer schlafenden Landschaft dämmert zu Beginn der Sinfonie Nr. 3 das Licht, der Morgen graut. Doch die Sonne geht im Norden langsamer auf als anders-wo, Insekten taumeln zuerst und tanzen viel später, Gräser recken ihre tauschweren Halme den wärmenden Strahlen entgegen. Das Leben in der Natur erwacht. Mancher hat hier einen ähnlich naturalistischen Neoklassizismus herausgehört, wie ihn mehr als zehn Jahre später etwa Sergei Prokofjew in der Symphonie clas-sique pflegen wird. Andererseits nimmt Sibelius im ersten Satz der Sinfonie Nr. 3 auf wundersa-me Weise Leoš Janáček vorweg, namentlich dessen anrührende Szene im Wald am Anfang der Oper „Das schlaue Füchslein“ aus dem Jahre 1921.Die stilistische Einordnung der Sinfonie Nr. 3 gründet sich auf Gedanken von Jean Sibelius‘ Freund Ferruccio Busoni, der wenig später erörterte, was neoklassizistische Musik sein könnte. In dieses Bild passt das reduzierte, klassizistische Orchester, in welchem Tuba, Harfe und Schlagzeug wegblei-ben, sowie die klassische Form, auch wenn in der Dreisätzigkeit der Umstand unkenntlich wird, dass im dritten Satz zwei Sätze vereint sind: Scherzo und Finale.

    Schließlich seien diejenigen, die in Sibelius den unverbesserlichen Traditionalisten sehen, darauf hingewiesen, wie der Finne an der Rhythmusschraube dreht, da-rin durchaus vergleichbar seinem vermeintlichen Erzantipoden Igor Strawinsky.Sibelius wäre nicht der Meister, der er ist, wenn er sich über fremde Namen definieren lassen müsste. „Als Rimski-Korsakow meine dritte Sinfonie hörte, schüttelte er den Kopf und sagte: ‚Warum komponieren Sie nicht so, wie es üblich ist? Sie werden sehen, dass das Publikum hier nicht mit-kommt und nichts versteht‘. Und heute bin ich sicher, dass meine Sinfonien mehr gespielt werden als seine.“ (Jean Sibelius, 18. Juni 1940)

    Plädoyer für die Natur

    Der erste Satz, forsch und fest angestimmt von Violoncelli und Kontrabässen, wandert von C-Dur aus bald in die Kreuz- und b-Tonarten. Unversehens finden wir uns in Fis-Dur, was zum C im Tritonusabstand steht, ohne dass die schmerzvolle Dissonanz schroff herausgestellt würde. Vielmehr bleibt der Charakter luf-tig, behände, klassizistisch eben. Sibelius scheint auf seinem Mor-genspaziergang vorbeizuschauen

    bei Haydn, dann Beethoven über die Schulter zu blicken, als der an der Sinfonie Nr. 6, der „Pas-torale“, feilt, um schließlich nach Bayreuth zu pilgern, wo gerade Wagners „Parsifal“ studiert wird. Zu Sibelius‘ Personalstil gehören durchlaufende Sechzehntelketten der begleitenden Streichinstru-mente unter kraftvollen, energie-reichen Themenexpositionen der jeweiligen Bläser. Gelegentlich ergreifen aber die Streicher, vor allem die tiefen – Bratschen, Celli, Bässe, auch die melodische Initiative.Wie so oft in der klassischen Musik, avanciert der langsa-me Satz zum geographischen

    und inhaltlichen Zentrum der Sinfonie. In großer Schlichtheit beginnend, wie ein Volkslied, das so oder ähnlich in vielen Kulturen beheimatet sein könnte, schält sich allmählich ein Walzergestus heraus. Sibelius „versteckt“ ihn im 6/4-Takt, so dass der wiegen-de Rhythmus im Laufe jeweils längerer Perioden pulsiert, an-statt als kurzatmiges hm-ta-ta im walzertypischen Dreiertakt auf der Stelle zu rotieren. Das ver-leiht dem Walzer etwas unerhört Kostbares, Zartes. Beim Hören kann sich gar das Gefühl ein-stellen, diese Schönheit brauche Schutz und Fürsorge, damit sie nicht zerbricht.

    JEAN SIBELIUS – SINFONIE NR. 3

    Eero Järnefelt (1863-1937), Landschaft am Berg Koli bei Lieksa, 1930

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    Blechbläserabschnitte von las-tender Choralschwere schneiden den Walzer ab. Aber er wird wie-derkommen, dann als Ländler à la Mahler, weniger zart, aber ge-nauso liebens- und schutzwürdig wie der Walzer. Sibelius gelingt hier ein unvermutet aktuelles Plädoyer für die Schönheit der Natur, fast möchte man sagen für Biodiversität und Lebensrecht der Kleinsten, Schwächsten – für das „Un-Kraut“, das den Bienen und Schmetterlingen, den Vögeln und Fröschen Nahrung und Le-bensraum ist.

    Getragen vom Hymnus

    Insgesamt taucht das wiegende Thema im Dreiermetrum viermal in unterschiedlichen Facetten auf. Rondo? Variationssatz? Sonatensatz? Des Kaiser Bart? Elegant der Übergang zum dritten Satz, der zunächst ganz Scherzo ist, elfenhaft leicht, etwas chaotisch zwar. Dann etabliert sich das Chaos mit zunehmender Gewalt. Motive und Tempi wech-seln beständig, Figuren aus allen vorangegangenen Sätzen tauchen auf, reden wirr durcheinander, überschreien sich, jagen sich, versuchen sich akustisch weg-zubeißen. Zunächst unbemerkt in dem allgemeinen Lärm, hebt ein Hymnenthema an. Längst sind wir mitten im Finale, ohne genau zu wissen, seit wann.

    Markku Hartikainen hat heraus-gefunden, dass Sibelius an einem feuchtfröhlichen Januarabend 1906 in Paris auf dem Klavier drei Themen präsentierte: „Trau-ermarsch“ (Surumarssi), „Gebet an Gott“ (Rukous Jumalalle) und „Großes Fest“ (Suuri juhla). Sie waren vorgesehen für ein Orato-rium „Marjatta“ auf ein Libretto von Jalmari Finne. Wie so oft änderte Sibelius seine Pläne, das Oratorium kam nicht zustande, und die Themen gingen in ande-ren Werken auf, so das „Gebet an Gott“ als Hymnus im Finale der Sinfonie Nr. 3. Gleichwohl wäre es verfehlt, für dieses Finale etwa einen Analogieschluss auf den ursprünglichen Inhalt dieses Gebetes zu ziehen. Sibelius machte sich regelmäßig frei von ursprünglichen Sinnzusammen-hängen, wenn er meinte, eine einmal gefundene Musik anders-wo besser verwenden zu können. Das „Gebet“ gibt es dennoch als solches verewigt: in Sibe-lius‘ Haus „Ainola“, wo ein Bild namens „Rukous Jumalalle“ des Malers Oscar Parviainen einen Ehrenplatz über dem Klavier von Sibelius erhielt. Parviainen war an dem bewussten Januarabend in Paris zugegen und fühlte sich beim Erklingen des Hymnus dazu inspiriert, dieses Bild zu malen. Sibelius nannte es gegenüber Gästen „Tod eines Kindes“ oder „Valse triste“.

    Allmählich spielt sich das hymnische Thema im Finale der Sinfonie Nr. 3 in den Vorder-grund, hält dem wütenden Stau der übrigen Melodien, Harmonien und Rhythmen souverän stand und behauptet sich in einem gewaltigen Ausbruch. Danach ist Hatz und Flucht – in der Musik oft Raum für eine komplexe Fuge.

    Auch Sibelius erweist sich als Kontrapunktkönner, zündet in dem sich allmählich ordnenden Chaos eine klingende Wunder-kerze nach der anderen. Am Ende ein erhabener Schlusspunkt aus schierem C-Dur. Spätestens mit der nächsten, der Sinfonie Nr. 4 wird auch Sibelius‘ Welt, die sich auf die Werte der Klassik beruft, aus den Angeln gehoben werden.

    JEAN SIBELIUS – SINFONIE NR. 3

    Oscar Parviainen (1880-1938),Rukous Jumalalle (Gebet zu Gott)

  • 16 17DIRIGENT

    2019 beendete Jukka-Pekka Saraste nach neun Jahren seine Tätigkeit als Chefdirigent des WDR Sinfonieorchesters Köln. Von 2006 bis 2013 war der finni-sche Künstler Musikdirektor und Chefdirigent, seit 2013 ist er Eh-rendirigent des Oslo Philharmo-nic Orchestra. Zuvor bekleidete er Chefpositionen beim Scottish Chamber Orchestra (1987-1991), beim Finnischen Rundfunk-Sin-fonieorchester (1987-2001, danach Ehrendirigent) und beim Toronto Symphony Orchestra (1994-2001), außerdem war er Principal Guest Conductor des BBC Symphony Orchestra (2002-2005). Darüber hinaus wirkte er für drei Jahre als Künstlerischer Berater des Lahti Symphony Orchestra und gründete das Finnish Chamber Orchestra, für das er bis heute als Künstleri-scher Berater fungiert. Für dieses Orchester rief er das jährliche Tammisaari-Festival ins Leben, dessen Künstlerischer Leiter er ebenfalls ist.Als Gastdirigent steht Jukka-Pekka Saraste am Pult der großen europäischen Orchester in London, Paris, Amsterdam, Rotterdam, Stockholm, Kopenha-

    gen, Helsinki, Leipzig, München, Dresden und Wien, in den USA in Cleveland, Boston, Chicago, San Francisco, Los Angeles und New York Philharmonic sowie in Tokio. Beim Rundfunk-Sinfonieor-chester Berlin (RSB) war er zum ersten Mal am 24. November 1985 zu Gast, damals dirigierte er ebenfalls die Sinfonie Nr. 3 von Jean Sibelius. Inzwischen hat er beim RSB außerdem u.a. die Sinfonien Nr. 2, 6 und 7 von Sibelius dirigiert. In den letzten Jahren hat er sich verstärkt der Oper zugewandt; nach konzertanten Aufführungen von Strawinskys „Oedipus Rex“, Schönbergs „Erwartung“ und Bartóks „Herzog Blaubarts Burg“ leitete er Anfang 2019 als Diri-gent eine szenische Produktion von Mendelssohns Oratorium „Elias“ in der Regie von Calixto Bieito. Im Herbst 2019 stand die Neuinszenierung von Korngolds „Die tote Stadt“ an der Finni-schen Nationaloper unter seiner musikalischen Leitung.Jukka-Pekka Sarastes Diskogra-phie umfasst sämtliche Sinfonien von Sibelius und Nielsen mit dem Finnischen Rundfunk-Sinfonieor-chester. Der Kölner Zyklus aller

    Beethoven-Sinfonien erschien als Box im Frühjahr 2019 und kann als Vermächtnis seiner Kölner Amtszeit angesehen werden. Jukka-Pekka Saraste erhielt den Pro Finlandia-Preis, die Sibelius-Medaille sowie den finnischen Staatspreis für Musik. Außerdem verliehen ihm die York University

    Toronto und die Sibelius-Akade-mie Helsinki die Ehrendoktorwür-de. Jukka-Pekka Saraste wurde im finnischen Heinola geboren, er begann seine Karriere als Geiger, bevor er an der Sibelius-Akade-mie Helsinki Dirigieren bei Jorma Panula studierte.

    Jukka-Pekka Saraste

  • 18 19RUNDFUNK- SINFONIEORCHESTER BERLIN

    Die erste „Funk-Stunde Berlin“ im Oktober 1923 war die Geburts-stunde des Rundfunk-Sinfonie-orchesters Berlin (RSB). Immer auch im Bewusstsein seiner bald 100-jährigen Tradition arbeitet es seit Herbst 2017 mit dem Chef-dirigenten und Künstlerischen Leiter Vladimir Jurowski. An seiner Seite ist Karina Canellakis seit Herbst 2019 als Erste Gast-dirigentin des RSB tätig.Von 2002 bis 2016 stand Marek Janowski an der Spitze des RSB. Unter den ehemaligen Chef-dirigenten finden sich Namen wie Sergiu Celibidache, Eugen Jochum, Hermann Abendroth, Rolf Kleinert, Heinz Rögner und Rafael Frühbeck de Burgos, sie

    formten einen Klangkörper, der in besonderer Weise die Wechsel-fälle der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert durchlebt hat. Bedeutende Komponisten traten selbst ans Pult des Orchesters oder führten als Solisten eigene Werke auf: Paul Hindemith, Sergei Prokofjew, Richard Strauss, Arnold Schönberg, Igor Strawinsky, Kurt Weill, Alexander Zemlinsky sowie in jüngerer Zeit Krzysztof Penderecki, Peter Ruzicka, Jörg Widmann, Matthias Pintscher, Berthold Goldschmidt, Siegfried Matthus, Heinz Hol-liger, Thomas Adès und Brett Dean. 2019/2020 war Marko Nikodijević „Composer in Resi-dence“ des Orchesters.

    Namhafte junge Dirigent*innen der internationalen Musikszene finden es reizvoll, ihr jeweiliges Berlin-Debüt mit dem RSB zu absolvieren: Andris Nelsons, Yan-nick Nézet-Séguin, Vasily Petren-ko, Jakub Hrůša, Alain Altinoglu, Omer Meir Wellber, Alondra de la Parra, Lahav Shani, Karina Canellakis, Thomas Sønder-gård, Antonello Manacorda, Ariane Matiakh, Edward Gardner, Nicholas Carter. Frank Strobel sorgt weiterhin für exemplarische Filmmusik-Konzerte. Zahlreiche Musiker*innen engagieren sich mit großem persönlichem Einsatz für die Heranwachsenden.Seinen medialen Aufgaben kommt das Orchester als

    Ensemble der 1994 gegründe-ten Rundfunk-Orchester und -Chöre gGmbH Berlin (ROC) rege nach, wenn es zusätzlich zu den Konzertübertragungen durch Deutschlandfunk Kultur, Deutsch-landfunk, rbbKultur und European Broadcasting Union zahlreiche Studioproduktionen realisiert, oft mit vergessenen oder verdräng-ten Repertoireraritäten. Nach den großen Wagner- und Henze-Edi-tionen mit Marek Janowski hat mit Vladimir Jurowski ein neues Kapitel der Aufnahmetätigkeit be-gonnen. Seit mehr als 50 Jahren gastiert das RSB regelmäßig in Japan und Korea sowie bei deut-schen und europäischen Festivals und in Musikzentren weltweit.

    Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin

  • 20 21

    Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin – Abendbesetzung 4. Oktober 2020

    Violine IRainer Wolters / Erster KonzertmeisterSusanne Herzog / stellv. Konzertmeisterin

    Kosuke Yoshikawa / VorspielerMarina BondasPhilipp BeckertBettina SitteMaria PflügerAnna MorgunowaFranziska DrechselMisa YamadaRichard PolleJuliette Leroux *

    Violine IIMaximilian Simon / stellv. Stimmführer

    Sylvia Petzold / VorspielerinAnne-Kathrin SeidelBrigitte DraganovMartin EßmannJuliane ManyakNeela Hetzel de FonsekaEnrico PalascinoRodrigo BauzaInhwa Hong *

    ViolaAlejandro Regueira-Caumel / Solobratschist

    Gernot Adrion / stellv. SolobratschistChristiane Silber / VorspielerinEmilia MarkowskiAlexey DoubovikovCarolina MontesEkaterina Manafova *Anna Hoffmann *

    Violoncello Konstanze von Gutzeit / Solocellistin

    Jörg Breuninger / VorspielerGeorg BogePeter AlbrechtAndreas WeigleRomane Montoux-Mie *

    Kontrabass Hermann Wömmel-Stützer / Solokontrabassist

    Georg SchwärskyAxel BuschmannIris AhrensVojislav Veselinov *

    FlöteSilke Uhlig / SoloflötistinMarkus Schreiter

    OboeFlorian Grube / stellv. SolooboistGudrun Vogler

    KlarinetteMichael Kern / SoloklarinettistPeter Pfeifer

    FagottMiriam Kofler / SolofagottistinClemens Königstedt

    HornMartin Kühner / SolohornistUwe HoljewilkenAnne MentzenFelix Hetzel de Fonseka

    TrompeteLars Ranch / SolotrompeterJörg Niemand

    PosauneHannes Hölzl / SoloposaunistJózsef VörösJörg Lehmann

    PaukenJakob Eschenburg / Solopaukist

    * Orchesterakademie

  • 22 23

    Neue CD Mahler, Das Lied von der ErdeAm 28. August 2020 ist bei PENTATONE ein neues Album des Rund-funk-Sinfonieorchesters Berlin (RSB) erschien. Unter der Leitung von Vladimir Jurowski hat das RSB Gustav Mahlers Sinfonischen Lieder-zyklus „Das Lied von der Erde“ aufgenommen. Für die Vokalpartien zeichnen die Mezzosopranistin Dame Sarah Connolly und der Tenor Robert Dean Smith verantwortlich. Wenige Tage nach dem Erscheinen der CD sprach der Kritiker David A. McConnell auf dem Konzertblog „The Classic Review“ sein Lob für die Aufnahme aus: „Jurowski and his forces have given us one oft he finest ever recordings of this magnificent work.“ Nach dem seinerzeit für CD aufgenommenen RSB-Konzert im Oktober 2018 hatte Albrecht Selge auf „hundert11.net“ resümiert: „Die Aufführung von Gustav Mahlers ‚Das Lied von der Erde‘ ist mustergültig, das heißt mark-, herz- und welterschütternd. … Heiliger Bezirk, den man mit einem dunklen Urschlag betritt: der ‚Abschied‘. Beim RSB ist, wie das ganze ‚Lied von der Erde‘, auch dieser letzte und höchste Satz frei von jeder sedierenden Schwermut, stattdessen aufgewühlt bis an den Rand des Erträglichen. Jedes Detail klingt genau und aufregend.“ Das Album „Das Lied von der Erde“ ist beim renommierten britischen Musikmagazin „Gramophone“ zum „Gramophone‘s recording of the Month“ im September ausgelobt.

    RSB-CD gewinnt Schallplattenpreis

    OPUS KLASSIK hat am 2. September 2020 seine Preisträger bekannt gegeben. Die Aufnahme von drei Klavierwerken des Komponisten Viktor Ullmann, interpretiert von der Pianistin Annika Treutler und dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB) unter der Leitung von Stephan Frucht, wird in der Kategorie „Konzerteinspielung (Klavier)“ ausgezeichnet. Der Komponist schrieb seine letzten Werke im Lager Theresienstadt und wurde 1944 in Auschwitz ermordet.

    Rundfunk-Sinfonieorchester BerlinNachrichten und Empfehlungen

    Das Konzert im Radio

    KonzertSonntag bis Freitag20.03 Uhr

    OperSamstag19.05 Uhr

    Aus Opernhäusern,Philharmonienund Konzertsälen.Jeden Abend.

    bundesweit und werbefrei UKW, DAB+, Online und in der Dlf Audiothek Appdeutschlandfunkkultur.de

  • 24 VORSCHAU

    DEINE OHREN WERDEN AUGEN MACHEN.IM RADIO, TV, WEB.

    ANTONELLO MANACORDA

    Ludwig van BeethovenSinfonie Nr. 7 A-Dur op. 92Johannes BrahmsSinfonie Nr. 4 e-Moll op. 98

    Einführung von Steffen Georgi als Videoaufzeichnung auf rsb-online.de

    15. November 2020Sonntag /16 UhrKonzerthaus BerlinAlternativkonzert

    Konzert mit

    SYLVAIN CAMBRELING

    Franz SchubertSinfonie h-Moll D 759 („Unvollendete“)Anton BrucknerSinfonie Nr. 4 Es-Dur WAB 104 („Romantische“)

    Einführung von Steffen Georgi als Videoaufzeichnung auf rsb-online.de

    13. Dezember 2020Sonntag /16 UhrPhilharmonie BerlinAlternativkonzert

    KARINA CANELLAKIS

    Ludwig van BeethovenSinfonie Nr. 8 F-Dur op. 93Jean SibeliusSinfonie Nr. 5 Es-Dur op. 82

    Einführung von Steffen Georgi als Videoaufzeichnung auf rsb-online.de

    29. November 2020Sonntag /16 UhrPhilharmonie BerlinAlternativkonzert

    Konzert mit

  • 26

    Impressum

    Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB)

    Chefdirigent und Künstlerischer Leiter Vladimir Jurowski

    OrchesterdirektorinClara Marrero

    Ein Ensemble der Rundfunk-Orchester und -Chöre gGmbH Berlin

    GeschäftsführerAnselm Rose

    KuratoriumsvorsitzenderErnst Elitz

    GesellschafterDeutschlandradio, Bundesrepublik Deutschland, Land Berlin, Rundfunk Berlin-Brandenburg

    Text und RedaktionSteffen Georgi

    Bildnachweise:S. 7, 11, 13, 15 gemeinfreiS. 17 Felix BroedeS. 18/19 Simon Pauly

    Gestaltung und RealisierungGRACO GmbH & Co. KG

    DruckH. Heenemann GmbH & Co, Berlin

    Redaktionsschluss29. September 2020

    Ton- und Filmaufnahmen sind nicht gestattet. Programm- und Besetzungs änderungen vorbehalten!

    © Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, Steffen Georgi

    Programmheft kostenfrei

    DEUTSCHLANDSBESTES KINOFÜR EIN KULTURELL HERAUSRAGENDES KINOPROGRAMMFÜR EIN KULTURELL HERAUSRAGENDES KINOPROGRAMM

  • Besucherservice des RSBCharlottenstraße 56. 10117 Berlin

    Montag bis Freitag 9 bis 18 UhrT 030 202 987 15F 030 202 987 29

    [email protected]

    ein Ensemble der