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Algebraische Strukturen: Gruppen, Ringe, K¨ orper Definition: Verkn¨ upfung 4. Algebraische Strukturen: Gruppen, Ringe, K¨ orper Die bekannten Zahlenmengen besitzen Struktur-Eigenschaften, die wir in abstrakter Form ausdr¨ ucken k¨ onnen. 4.1 Definition: Verkn¨ upfung Eine Verkn¨ upfung auf (oder in) einer Menge M ist eine Vorschrift, die je zwei Elementen a und b aus M (unter Beachtung der Reihenfolge) ein weiteres Element c von M zuordnet, also eine Abbildung : M × M M , (a, b) →∗(a, b). Anstatt (a, b) schreiben wir meistens a b. Notation: Als Symbol f¨ ur eine Verkn¨ upfung verwendet man auch die ¨ ublichen Rechensymbole ‘+’, ‘·’ (bei Zahlenmengen), oder , , . Bei der Multiplikations-Schreibweise a · b asst man den Punkt oft weg. Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 44

4.1 Definition: Verkn¨upfung Eine M ist eine Vorschrift ... · m der Reste modulo m Den Ring der “Restklassen modulo m” beschreiben wir hier in einer vereinfachten Form, die

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Algebraische Strukturen: Gruppen, Ringe, Korper Definition: Verknupfung

4. Algebraische Strukturen: Gruppen, Ringe, Korper

Die bekannten Zahlenmengen besitzen Struktur-Eigenschaften, die wir inabstrakter Form ausdrucken konnen.

4.1 Definition: Verknupfung

Eine Verknupfung auf (oder in) einer Menge M ist eine Vorschrift, die je zweiElementen a und b aus M (unter Beachtung der Reihenfolge) ein weiteresElement c von M zuordnet, also eine Abbildung

∗ : M ×M → M , (a, b) 7→ ∗(a, b).

Anstatt ∗(a, b) schreiben wir meistens a ∗ b.

Notation: Als Symbol fur eine Verknupfung verwendet man auch die ublichenRechensymbole ‘+’, ‘·’ (bei Zahlenmengen), oder , ⊕, ⊙.Bei der Multiplikations-Schreibweise a · b lasst man den Punkt oft weg.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 44

Algebraische Strukturen: Gruppen, Ringe, Korper Definition: Gruppe

4.A Gruppen

4.3 Definition: Gruppe

Eine Gruppe ist eine Menge G zusammen mit einer Verknupfung · auf G ,geschrieben (G , ·), so dass folgende drei Axiome gelten:

(G1) Die Verknupfung ist assoziativ: Fur alle a, b, c ∈ G gilt

a · (b · c) = (a · b) · c .

(G2) Es gibt ein Element e ∈ G mit der Eigenschaft

e · a = a fur alle a ∈ G .

e heißt neutrales Element der Gruppe G .

(G3) Zu jedem Element a ∈ G gibt es ein a′ ∈ G , so dass

a′ · a = e .

a′ heißt inverses Element zu a.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 45

Algebraische Strukturen: Gruppen, Ringe, Korper Satz

Die Gruppenaxiome lassen weitere Schlusse zu, z.B. die Eindeutigkeit vonneutralem Element e und Inversem a′ zu a ∈ G .

4.5 Satz

Es sei (G , ·) eine Gruppe.

a) Das neutrale Element e ∈ G ist eindeutig bestimmt und es gilt

e · a = a · e = a fur alle a ∈ G . (1)

b) Das inverse Element a′ zu a ∈ G ist eindeutig bestimmt und es gilt

a′ · a = a · a′ = e. (2)

Notation:

Bei der Verknupfung ‘+’: Das neutrale Element wird mit 0 bezeichnet, unddas inverse Element von a wird mit (−a) bezeichnet und das Negative von a

genannt. Anstatt a + (−b) schreibt man kurz a− b.

Bei der Verknupfung ‘·’: Das neutrale Element wird oft mit 1 bezeichnet, unddas inverse Element von a wird mit a−1 bezeichnet.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 46

Algebraische Strukturen: Gruppen, Ringe, Korper Satz: Weitere Rechenregeln

4.6 Satz: Weitere Rechenregeln

Es sei (G , ·) eine Gruppe.

a) Fur a, b ∈ G gilt

(a−1)−1 = a, (ab)−1 = b−1a−1.

b) Es gelten die folgenden Kurzungsregeln:

ax = ay ⇒ x = y , xa = ya ⇒ x = y .

Bemerkung:

Man vergleiche die Rechenregel zu (ab)−1 mit Satz 2.25.

Bei einer Gruppe (G ,+) bedeuten diese Regeln

−(−a) = a, −(a+ b) = (−b) + (−a),a+ x = a+ y =⇒ x = y , x + a = y + a =⇒ x = y .

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 47

Algebraische Strukturen: Gruppen, Ringe, Korper Definition

4.7 Definition

Eine Gruppe (G , ·), in der auch das Kommutativgesetz

a · b = b · a fur alle a, b ∈ G

gilt, heißt abelsch a (oder kommutativ).

anach Niels Henrik Abel, 1802–1829, norwegischer Mathematiker

Beispiele:

a) Die Gruppen (Z,+), (Q,+) und (R,+) (mit der ublichen Addition) sind abelsch.

b) Wir setzen Q∗ = Q \ 0 und R∗ = R \ 0. Die Gruppen (Q∗, ·) und (R∗, ·) (mit derublichen Multiplikation) sind abelsch.

c) Die symmetrische Gruppe Sn ist fur jedes n ≥ 3 nicht abelsch.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 48

Algebraische Strukturen: Gruppen, Ringe, Korper Definition: Untergruppe

4.8 Definition: Untergruppe

Es sei (G , ·) eine Gruppe. Eine nichtleere Teilmenge H ⊆ G heißt Untergruppe,wenn mit a, b ∈ H auch ab ∈ H sowie a−1 ∈ H gilt.

Insbesondere enthalt H dann das neutrale Element von G , und (H , ·) ist mit dervorgegebenen Operation selbst eine Gruppe.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 49

Algebraische Strukturen: Gruppen, Ringe, Korper Definition: Homomorphismus

Oft betrachten wir die “strukturerhaltenden” Abbildungen zwischen zwei Gruppen.

4.10 Definition: Homomorphismus

Es seien (G , ·) und (H ,⊙) zwei Gruppen. Eine Abbildung φ : G → H heißtHomomorphismus, wenn fur alle a, b ∈ G

φ(a · b) = φ(a) ⊙ φ(b)

gilt. Ein bijektiver Homomorphismus heißt Isomorphismus.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 50

Algebraische Strukturen: Gruppen, Ringe, Korper Definition: Ring

4.B Ringe und Korper

4.11 Definition: Ring

Ein Ring ist eine Menge R zusammen mit zwei Verknupfungen + und · (genanntAddition und Multiplikation), fur die folgendes gilt:

(R1) (R ,+) ist eine abelsche Gruppe.

(R2) Die Verknupfung · ist assoziativ.(R3) Es gelten die Distributivgesetze

a · (b + c) = a · b + a · c(a+ b) · c = a · c + b · c

fur alle a, b, c ∈ R .

Falls auch die Multiplikation das Kommutativgesetz erfullt, heißt R ein kommutativer Ring.

Eine strukturerhaltende Abbildung φ : R1 → R2 zwischen Ringen (R1,+, ·) und (R2,⊕,⊙)heißt (Ring-)Homomorphismus:

φ(a + b) = φ(a)⊕ φ(b) fur alle a, b ∈ R1,φ(a · b) = φ(a)⊙ φ(b) fur alle a, b ∈ R1.

Ist φ zusatzlich bijektiv, so heißt φ (Ring-)Isomorphismus.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 51

Algebraische Strukturen: Gruppen, Ringe, Korper Definition: Korper

Wenn man den Begriff eines Ringes benutzt, kann man die Definition einesKorpers (vgl. Analysis I) sehr kurz hinschreiben:

Ein Korper K ist ein kommutativer Ring mit Einselement 1 6= 0, in dem jedesElement von K ∗ := K \ 0 ein Inverses bezuglich der Multiplikation besitzt.

Im Einzelnen bedeutet dies:

4.14 Definition: Korper

Ein Korper ist eine Menge K zusammen mit zwei Verknupfungen + und ·(genannt Addition und Multiplikation), fur die folgendes gilt:

(K1) (K ,+) ist eine abelsche Gruppe. Das neutrale Element wird mit 0 und dasNegative von a ∈ K mit (−a) bezeichnet.

(K2) (K ∗ = K \ 0, ·) ist eine abelsche Gruppe. Das neutrale Element wird mit1 und das Inverse von a ∈ K mit a−1 oder 1

a bezeichnet.

(K3) Es gelten die Distributivgesetze (R3) in 4.11.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 52

Algebraische Strukturen: Gruppen, Ringe, Korper Das Rechnen modulo m

4.C Der Ring Zm der Reste modulo m

Den Ring der “Restklassen modulo m” beschreiben wir hier in einer vereinfachtenForm, die auch Mittelstufen-Schulern zuganglich ist. Im Abschnitt 5 geben wireine neue Formulierung an, die sich viel starker auf das Konzept der Gruppen undRinge stutzt.

4.16 Das Rechnen modulo m (siehe [F; Abschnitt 1.3])Fur ein m ∈ N mit m ≥ 2 fassen wir die Menge

Zm := 0, 1, . . . ,m− 1 ⊆ Z

als die Menge der Reste modulo m auf (siehe Satz 3.4). Addition undMultiplikation (modulo m) sind definiert durch

x ⊕m y := (x + y) mod m

x ⊙m y := (x · y) mod m

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 53

Algebraische Strukturen: Gruppen, Ringe, Korper Beispiel:

4.17 Beispiel: Addition und Multiplikation in Z6 geben die folgenden Verknupfungstafeln an.

⊕6 0 1 2 3 4 5

0 0 1 2 3 4 5

1 1 2 3 4 5 0

2 2 3 4 5 0 1

3 3 4 5 0 1 2

4 4 5 0 1 2 3

5 5 0 1 2 3 4

⊙6 0 1 2 3 4 5

0 0 0 0 0 0 0

1 0 1 2 3 4 5

2 0 2 4 0 2 4

3 0 3 0 3 0 3

4 0 4 2 0 4 2

5 0 5 4 3 2 1

Den Tabellen entnimmt man, dass 0 neutrales Element der mod-6-Addition und 1 neutralesElement der mod-6-Multiplikation ist.

Das Negative von 1 ist 5 (siehe Tabelle: 1⊕6 5 = 0); dies erkennt man auch beim Rechnenin Z, weil −1 und 5 (in Z) den gleichen Rest bei Division durch 6 liefern.

Man beachte, dass 2, 3 und 4 kein (multiplikatives) Inverses besitzen, denn in derentsprechenden Zeile der Multiplikationstafel tritt die 1 nicht auf.

Hingegen ist 4⊙6 3 = 0. Man nennt daher die Elemente 4 und 3 Nullteiler. Ein weitererNullteiler ist 2. Die Existenz von Nullteilern verletzt ein wichtiges Rechengesetz in Korpern.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 54

Algebraische Strukturen: Gruppen, Ringe, Korper Satz

4.18 Satz

(Zm,⊕m,⊙m) ist ein kommutativer Ring, sein Einselement ist 1.

Beweis:

Das neutrale Element der Addition ⊕m ist 0, das Negative zu a ∈ Zm ist

0 fur a = 0, m− a fur 1 ≤ a ≤ m− 1.

Das neutrale Element der Multiplikation ⊙m (also das Einselement) ist 1.

Die Kommutativgesetze sind klar (wie in Z), Assoziativ- und Distributivgesetze folgen ausdem folgenden Lemma.

4.19 Lemma

Fur a, b ∈ Z gilt

(a + b) mod m = ((a mod m) + (b mod m)) mod m,(a · b) mod m = ((a mod m) · (b mod m)) mod m.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 55

Algebraische Strukturen: Gruppen, Ringe, Korper Beispiel: Verknupfungstafel fur Z5

Gibt es Falle, in denen Zm sogar ein Korper ist, also jedes Element einmultiplikatives Inverses besitzt?

4.20 Beispiel: Verknupfungstafel fur Z5

⊕5 0 1 2 3 4

0 0 1 2 3 4

1 1 2 3 4 0

2 2 3 4 0 1

3 3 4 0 1 2

4 4 0 1 2 3

⊙5 0 1 2 3 4

0 0 0 0 0 0

1 0 1 2 3 4

2 0 2 4 1 3

3 0 3 1 4 2

4 0 4 3 2 1

Alle Elemente (außer 0) besitzen Inverse:

1⊙5 1 = 1, 2⊙5 3 = 3⊙5 2 = 1, 4⊙5 4 = 1.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 56

Algebraische Strukturen: Gruppen, Ringe, Korper Satz

4.21 Satz

Es sei p ∈ N eine Primzahl. Dann ist der Ring (Zp ,⊕p,⊙p) ein Korper.

Bemerkung: Der endliche Korper Zp ganzer Zahlen spielt in der Codierungstheorieeine wichtige Rolle: z.B. ISBN- und EAN-Nummern, Verschlusselungsverfahren.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 57

Algebraische Strukturen: Gruppen, Ringe, Korper Definition: Charakteristik

In einem Korper K (oder Ring mit Einselement) schreiben wir kurz

ma := a+ a+ · · · a︸ ︷︷ ︸m−mal

, a ∈ K , m ∈ N.

4.22 Definition: Charakteristik

Es sei K ein Korper mit Nullelement 0K und Einselement 1K . Die Zahl

charK :=

0, falls m1K 6= 0K fur alle m ∈ N,

minm ∈ N | m1K = 0K, sonst,

heißt die Charakteristik von K .

Man beachte, dass aus charK = 0 folgt, dass K unendlich viele Elemente besitzt.Das folgende Resultat wird in [F; 1.3.4] bewiesen.

Satz

Es sei K ein Korper. Dann ist entweder charK = 0 oder charK ist eine Primzahl.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 58

Algebraische Strukturen: Gruppen, Ringe, Korper Definition: Polynom

4.D Der Polynomring

Wir verwenden die Variable t und definieren Terme der Form tn mit n ∈ N0, diewir mit den ublichen Potenzgesetzen behandeln. Diese Terme werden formal

betrachtet, sie sind wohlunterschieden. (Wir setzen zunachst keine Zahlen fur dieVariable t ein.) Eine ausfuhrliche Darstellung ist in [F; 1.3.5–1.3.8] enthalten.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 59

Algebraische Strukturen: Gruppen, Ringe, Korper Definition: Polynom

4.23 Definition: Polynom

Ein Term der Form

f =

n∑

j=0

aj tj

mit n ∈ N0 und reellen Zahlen aj fur 0 ≤ j ≤ n heißt reelles Polynom. Die Zahlenaj nennt man die Koeffizienten von f .

Zwei Polynome f =

n∑

j=0

aj tj , g =

m∑

j=0

bj tj sind gleich,

wenn aj = bj fur 0 ≤ j ≤ minm, n sowie aj = 0 fur j > m bzw. bj = 0 furj > n gilt.

Das Polynom f = 0 heißt Nullpolynom.

Fur ein Polynom f =∑n

j=0 aj tj , das vom Nullpolynom verschieden ist, heißt

deg f = maxj | aj 6= 0

der Grad (engl. degree) von f . Fur das Nullpolynom f = 0 setzt mandeg f = −∞.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 60

Algebraische Strukturen: Gruppen, Ringe, Korper Definition: Polynom

Bemerkung: Das Polynom p =∑n

j=0 aj tj ist durch die Koeffizientenfolge

(a0, a1, . . . , an, 0, 0, 0, . . .)

festgelegt. Die Gleichheit von Polynomen p =∑n

j=0 aj tj und q =

∑mj=0 bjt

j istgenau die Gleichheit der Koeffizientenfolgen

(a0, a1, . . . , an, 0, 0, 0, . . .) = (b0, b1, . . . , bm, 0, 0, 0, . . .).

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 61

Algebraische Strukturen: Gruppen, Ringe, Korper Definition: Polynomring

4.24 Definition: Polynomring

Auf der Menge

R[t] :=

n∑

j=0

aj tj | n ∈ N0, aj ∈ R fur 0 ≤ j ≤ n

der reellen Polynome erklaren wir die

Addition:

n∑

j=0

aj tj +

m∑

j=0

bj tj =

max(m,n)∑

j=0

(aj + bj)tj ,

Multiplikation:

n∑

j=0

aj tj

·

m∑

j=0

bj tj

=

m+n∑

j=0

cj tj mit

cj =

j∑

k=0

akbj−k fur 0 ≤ j ≤ m + n.

Auf der rechten Seite wird aj = 0 fur j > m bzw. bj = 0 fur j > n gesetzt.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 62

Algebraische Strukturen: Gruppen, Ringe, Korper Definition: Polynomring

Bemerkung: Die Multiplikation entspricht dem ublichen Zusammenfassen gleicher Terme unter

Berucksichtigung der Regel tk · t j−k = t j .

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 63

Algebraische Strukturen: Gruppen, Ringe, Korper Satz

Im folgenden Satz fassen wir (ohne Beweis) die Rechenregeln fur Polynomezusammen.

4.25 Satz

(R[t],+, ·) ist ein kommutativer Ring mit Einselement. Es gelten alsoKommutativ-, Assoziativ- und Distributivgesetze fur die Addition und dieMultiplikation.

Sein Nullelement (=neutrales Element der Addition) ist f = 0 (dasNullpolynom).

Sein Einselement (=neutrales Element der Multiplikation) ist f = 1.

Fur Polynome f , g ∈ R[t] \ 0 gilt die Gradformel

deg(f · g) = deg f + deg g .

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 64

Algebraische Strukturen: Gruppen, Ringe, Korper Erlauterungen

4.26 Erlauterungen

a) Es sei x ∈ R fest. Die Abbildung

φx : R[t] → R, φx

n∑

j=0

aj tj

=

n∑

j=0

ajxj

ist ein Ringhomomorphismus von (R[t],+, ·) nach (R,+, ·), der sog.Einsetz-Homomorphismus.

b) Die Abbildung

˜ : R[t] → Abb(R,R), f =

n∑

j=0

aj tj 7→ f : R → R mit f (x) =

n∑

j=0

ajxj

ist ein Ringhomomorphismus von (R[t],+, ·) nach (Abb(R,R),+, ·).Dieser Homomorphismus ist injektiv: das Polynom f ∈ R[t] und dieAbbildung f : R → R werden daher oft identifiziert. Die Schreibweisenf (x) := f (x) = φx (f ) fur ein x ∈ R fuhren also zu keiner Verwirrung.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 65

Algebraische Strukturen: Gruppen, Ringe, Korper Erlauterungen

c) Die Zahl λ ∈ R heißt Nullstelle des Polynoms f ∈ R[t], wenn f (λ) = 0 gilt;dies ist aquivalent zu φλ(f ) = 0.

d) Fur einen beliebigen Korper K ist K [t] die Menge der Polynome mitKoeffizienten in K .VORSICHT: Fur endliche Korper K ist die Abbildung f 7→ f nicht injektiv:dort muss zwischen dem Polynom f ∈ K [t] und der (induzierten) Abbildungf : K → K strikt unterschieden werden. Siehe hierzu Beispiel 1.3.5 in [F].

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 66

Algebraische Strukturen: Gruppen, Ringe, Korper Satz: Division mit Rest im Polynomring

Die Grad-Abbildung in 4.23 definiert eine “Ordnung” im Polynomring, mit derenHilfe sich eine Division mit Rest ahnlich zu den ganzen Zahlen einfuhren lasst. Derfolgende Satz ist als Analogon zum Satz 3.4 zu verstehen.

4.27 Satz: Division mit Rest im Polynomring

Es seien f , g ∈ R[t] Polynome, g sei nicht das Nullpolynom. Dann gibt eseindeutig bestimmte Polynome q, r ∈ R[t] derart, dass

f = q · g + r und deg r < deg g (3)

gilt.

q heißt der Quotient und r heißt der Rest von f bei Division durch g .

f heißt teilbar durch g , falls in (3) r = 0 gilt, falls also f = qg mit einemPolynom q gilt.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 67

Algebraische Strukturen: Gruppen, Ringe, Korper Satz

4.28 Satz

Fur jedes Polynom f ∈ R[t], das vom Nullpolynom verschieden ist, gilt:λ ∈ R ist genau dann eine Nullstelle von f , wenn es ein Polynom g ∈ R[t] gibt mit

f = (t − λ) · g und deg g = (deg f )− 1.

In diesem Fall ist g eindeutig bestimmt.

Hieraus folgt:

4.29 Korollar

Jedes vom Nullpolynom verschiedene Polynom f ∈ R[t] hat hochstens n := deg f

paarweise verschiedene Nullstellen.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 68

Algebraische Strukturen: Gruppen, Ringe, Korper Definition

Es folgt sogar ein bisschen mehr.

4.30 Definition

Es sei f ∈ R[t] verschieden vom Nullpolynom und λ ∈ R. Dann heißt

µ(f , λ) := maxk ∈ N0 | f = (t − λ)k · gk mit einem gk ∈ R[t]

die Vielfachheit von λ. (Hier ist µ(f , λ) = 0 zugelassen, also der Fall, dass λ keineNullstelle von f ist.)

Es gilt die folgende Verscharfung von Korollar 4.29.

4.31 Korollar

Jedes vom Nullpolynom verschiedene Polynom f ∈ R[t] hat hochstens k := deg f

paarweise verschiedene Nullstellen unter Berucksichtigung der Vielfachheit; d.h.sind λ1, . . . , λs ∈ R die paarweise verschiedenen Nullstellen von f , so gilt

µ(f , λ1) + · · ·+ µ(f , λs) ≤ deg f .

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 69

Aquivalenzrelationen Der Restklassenring Z/mZ

5. Aquivalenzrelationen

Das “Rechnen modulo m” wurde in 4.16 in einer Form eingefuhrt, die fur dieMittelstufe geeignet ist. Wir beginnen jetzt mit der neuen Formulierung, die diestrukturellen Eigenschaften besser erklart.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 70

Aquivalenzrelationen Der Restklassenring Z/mZ

5.1 Der Restklassenring Z/mZ

Wir betrachten die abelsche Gruppe (Z,+). Fur m ∈ N ist mZ = ma | a ∈ Zeine Untergruppe von Z. Wir definieren die Restklassen

[ℓ]m := ℓ+mZ = ℓ+ma | a ∈ Z, ℓ = 0, 1, . . . ,m − 1.

Dies sind m paarweise disjunkte Teilmengen von Z, deren Vereinigung ganz Z ist,

Z = [0]m ∪ [1]m ∪ · · · ∪ [m − 1]m.

Der entscheidende Punkt ist nun, dass die Menge der Restklassen

Z/mZ := [0]m, [1]m, . . . , [m− 1]m

selbst wieder eine Gruppe ist, wenn wir als Addition definieren

[ℓ]m ⊕ [ℓ′]m = [(ℓ + ℓ′) mod m]m.

Diese Gruppe nennen wir die Faktorgruppe oder Quotientengruppe Z modulo mZ.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 71

Aquivalenzrelationen Der Restklassenring Z/mZ

Man beachte:

Die Addition ⊕ verknupft zwei Restklassen (also Teilmengen von Z)miteinander. Das Ergebnis ist wieder eine Restklasse. Hier wird also eine“mengenwertige” Addition erklart.

Die Addition der Restklassen [ℓ]m ⊕ [ℓ′]m erklart das eigentliche Wesen der“Addition modulo m”: bei der Berechnung

(a+ b) mod m

kommt es nicht auf die konkreten Zahlen a und b an, sondern nur auf derenReste bei Division modulo m. Daher sollte die “richtige” Definition derAddition eine Verknupfung von Mengen (den Restklassen ℓ+mZ) und nichtvon Zahlen sein (wie in 4.16 geschehen).

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 72

Aquivalenzrelationen Definition: Relation

Fur die allgemeine Beschreibung ist ein kurzer Einschub uber Relationen hilfreich.

5.2 Definition: Relation

a) Es seien X und Y Mengen. Eine Teilmenge R ⊆ X × Y heißt Relation. Zueinem geordneten Paar (x , y) ∈ R sagen wir, dass x in Relation zu y stehtund schreiben auch xRy .

b) Es sei X eine Menge. Eine Teilmenge R ⊆ X × X heißt Relation auf X .

Bemerkung: Der Begriff der Relation ist allgemeiner als der Begriff der Abbildung:Relationen brauchen weder rechts-eindeutig zu sein noch “total” (d.h. nicht jedesx ∈ X muss 1. Komponente eines Elements von R sein).

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 73

Aquivalenzrelationen Definition: Aquivalenzrelation

Die letzten Beispiele (4) und (5) illustrieren einen zentralen Begriff derMathematik. Anstatt die Relation mit R zu bezeichnen, verwendet man oftSymbole wie ≡, ∼, ≃.

5.4 Definition: Aquivalenzrelation

Eine Relation ∼ auf einer Menge M heißt Aquivalenzrelation, wenn sie reflexiv,symmetrisch und transitiv ist, d.h.

1 a ∼ a fur alle a ∈ M (Reflexivitat)

2 (a ∼ b) =⇒ (b ∼ a) fur alle a, b ∈ M (Symmetrie)

3 (a ∼ b ∧ b ∼ c) =⇒ a ∼ c fur alle a, b, c ∈ M (Transitivitat)

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 74

Aquivalenzrelationen Definition: Aquivalenzklasse

5.5 Definition: Aquivalenzklasse

Es sei R eine Aquivalenzrelation auf der Menge M und a ∈ M . DieAquivalenzklasse von a bezuglich R ist die Teilmenge aller zu a in Relationstehenden Elemente von a:

[a]R := x ∈ M | xRa .

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 75

Aquivalenzrelationen Satz

5.6 Satz

Sei R eine Aquivalenzrelation auf der Menge M .Die Aquivalenzklassen bezuglich R bilden eine Partition (oder Zerlegung) von M .Das heißt:

1 Jedes Element von M liegt in einer Aquivalenzklasse.

2 Die Aquivalenzklassen sind paarweise disjunkt.

5.7 Korollar

Sei R eine Aquivalenzrelation auf der Menge M . Fur zwei beliebige Elementea, b ∈ M gilt

aRb genau dann, wenn [a]R = [b]R .

Bemerkung: Das Korollar begrundet die folgende Sprechweise: ein beliebigesElement b ∈ [a]R heißt Reprasentant der Aquivalenzklasse [a]R.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 76

Aquivalenzrelationen Satz: Faktorisierung von Gruppen

Wir behandeln nun spezielle Aquivalenzrelationen auf Gruppen (vgl. Z/mZ).

5.8 Satz: Faktorisierung von Gruppen

Es sei (G ,+) eine abelsche Gruppe und H ⊆ G eine Untergruppe.

a) Dann definiert a ≡H b :⇐⇒ (a− b) ∈ H fur a, b ∈ G eineAquivalenzrelation auf G .Die Aquivalenzklassen nennen wir [a]H .

b) Die Addition [a]H ⊕H [b]H := [a+ b]H fur a, b ∈ G ist wohldefiniert,d.h. sie ist unabhangig von der Wahl der Reprasentanten a, b der einzelnenAquivalenzklassen.

c) Die Menge der Aquivalenzklassen

G/H := [a]H | a ∈ G

ist mit der Addition ⊕H eine abelsche Gruppe. Sie wird die Faktorgruppe

(oder Quotientengruppe) “G modulo H” genannt.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 77

Aquivalenzrelationen Satz: Faktorisierung von Gruppen

Bemerkung:

a) Oft schreibt man einfach + fur die Addition in H . Man beachte aber denUnterschied zwischen den Operationen in G und in G/H .

b) Die Angabe der Faktorgruppe G/H in Teil c) ist redundant: sie gibt dieAquivalenzklassen mehrmals als Elemente von G/H an. Es genugt, fur jedeAquivalenzklasse jeweils nur einen Reprasentanten anzugeben. Wir tun diesam folgenden Beispiel.

c) Fur nicht-abelsche Gruppen muss H ein sog. Normalteiler von G sein, damitdie Addition in G/H wohldefiniert ist. Dies wird in der Vorlesung Algebra Ivertieft.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 78

Aquivalenzrelationen Homomorphie-Satz

Wohin fuhrt eine solch abstrakte Vorgehensweise der “Faktorisierung”?Ohne Beweis fuhren wir den folgenden wichtigen Satz an, der in der Algebra Ibewiesen wird. (Der Beweis ist nicht zu schwer, wird aber mangelsAnschauungsmaterials erst einmal zuruckgestellt.)

5.10 Homomorphie-Satz

Es seien G , G abelsche Gruppen (mit neutralen Elementen 0G bzw. 0G ) und

φ : G → G ein Gruppenhomomorphismus.

Dann ist H = φ−1(0G) eine Untergruppe von G und H = φ(G) eine

Untergruppe von G . Weiterhin ist durch

ψ : G/H → H, [a]H 7→ φ(a),

ein Isomorphismus von Gruppen definiert.

Wir werden im Kapitel uber lineare Gleichungssysteme und lineare Abbildungenzwischen Vektorraumen Beispiele zu diesem Satz finden.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 79

Aquivalenzrelationen Z/mZ als Ring

Zwei Erganzungen zu diesem Abschnitt werden zum Eigenstudium angegeben.

5.11 Z/mZ als Ring:Nicht nur die Addition, auch die Multiplikation lasst sich von Z auf dieFaktorgruppe Z/mZ “herunterfuhren”. In Lemma 4.19 wurde fur a, b ∈ Z gezeigt

(a · b) mod m = ((a mod m) · (b mod m)) mod m.

Daher lasst sich das Produkt zweier Restklassen [a]m, [b]m ∈ Z/mZ definieren als

[a]m ⊙ [b]m := [a · b]m.

Denn Lemma 4.19 besagt, dass diese Multiplikation wohldefiniert ist, dass also dierechte Seite nicht von der Wahl der Reprasentanten der Restklassen [a]m und [b]mabhangt. Somit haben wir gezeigt:

(Z/mZ,⊕,⊙) ist ein Ring, der sog. Restklassenring modulo m.

Fur jede Primzahl p ist (Z/pZ,⊕,⊙) sogar ein Korper, bezeichnet mit Fp.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 80

Aquivalenzrelationen Z/mZ als Ring

Bemerkung: Einordnung in die RingtheorieWarum ist auch die Multiplikation von Restklassen “wohldefiniert”?

mZ ist ein spezieller Unterring von Z: nicht nur die Produkte a · b von Elementena, b ∈ mZ liegen wieder in diesem Unterring, sondern sogar die Produkte x · b und b · x mitb ∈ mZ und x ∈ Z: wir schreiben kurz

Z ·mZ ⊆ mZ, mZ · Z ⊆ mZ.

In der Algebra nennt man mZ daher ein Ideal.

Diese Eigenschaft von mZ ist dafur verantwortlich, dass sich das Produkt von Z auf Z/mZ

in der angegebenen Weise herunterfuhren lasst.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 81

Aquivalenzrelationen Definition: Ordnungsrelation

Die in Beispiel 5.3 angegebenen Relationen (1)–(3) sind sowohl reflexiv als auchtransitiv (aber nicht symmetrisch).

5.12 Definition: Ordnungsrelation

Eine Relation ≤ auf einer Menge M heißt Ordnungsrelation, , wenn sie reflexivund transitiv ist.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 82

Der Korper der komplexen Zahlen Definition von C

6 Der Korper der komplexen Zahlen

Das reelle Polynom f = t2 + 1 hat keine reelle Nullstelle, denn fur jede reelleZahl x gilt x2 + 1 > 0.

6.1 Definition von C

Zu den reellen Zahlen fugen wir ahnlich zu Beispiel 4.13(2) eine “neue Zahl”i(=“imaginare Einheit”) hinzu, fur die gilt i2 = −1.

Dann heißtC = R[i ] = a+ b · i mit a, b ∈ R

Menge der komplexen Zahlen. Die Addition und die Multiplikation komplexerZahlen z = a+ bi und w = c + di werden definiert durch

z + w = (a+ bi) + (c + di) = (a + c) + (b + d)i ,

z · w = (a+ bi) · (c + di) = (ac − bd) + (ad + bc)i .

Bemerkung: Die Multiplikation realisiert das ubliche Distributivgesetz undbeachtet dabei i2 = −1.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 83

Der Korper der komplexen Zahlen Die Gaußsche Zahlenebene

6.2 Die Gaußsche Zahlenebenea

aCarl Friedrich Gauß, 1777–1855, deutscher Mathematiker und Astronom

Jede komplexe Zahl z = a+ bi entspricht genau einem geordneten Paar (a, b)reeller Zahlen, mit a = Re (z) (Realteil von z) und b = Im (z) (Imaginarteil von z).Dieses Paar (a, b) wird als Punkt in der Ebene dargestellt. Dabei sind (a, b) diekartesischen Koordinaten von z = a+ bi .

Die Addition z + w komplexer Zahlen entspricht der “Vektoraddition”:

(a+ bi)+ (c+ di) = (a+ c)+ (b+ d)i ∼ (a, b)+ (c , d) = (a+ c , b+ d).

Rez = 2

Im z = 1z = 2 + i

CC

1

(a, b)(c, d)

(a + c, b + d)

Im z

Re z

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 84

Der Korper der komplexen Zahlen Die Gaußsche Zahlenebene

Der Absolutbetrag |z | einer komplexen Zahl entspricht dem Abstand vomNullpunkt:

|a+ bi | =√a2 + b2.

Zu z = a + bi wird die konjugiert komplexe Zahl z = a− bi (sprich z-quer)definiert; dies entspricht der Spiegelung von (a, b) an der Realteil-Achse.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 85

Der Korper der komplexen Zahlen Einfache Rechengesetze:

6.3 Einfache Rechengesetze:

a) Re (z) = 12 (z + z), Im (z) = 1

2i (z − z).

b) |z | =√zz . Weiterhin gilt |z | = 0 ⇔ z = 0.

Fur r > 0 ist die Menge z ∈ C | |z | = r eine Kreislinie um den Nullpunktmit Radius r .

c) Fur z 6= 0 gilt

z · z

|z |2 = 1 (= 1 + 0i).

Dadurch ist der Kehrwert von z 6= 0 definiert als z−1 = 1z = z

|z|2 .

Bemerkung: R ⊆ C wird durch die Identitat a = a+ 0i geklart. Also gilt furbeliebiges z ∈ C:

z ∈ R ⇔ Im (z) = 0 ⇔ z = z .

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 86

Der Korper der komplexen Zahlen Satz: C ist ein Korper

6.4 Satz: C ist ein Korper

Die Menge C der komplexen Zahlen mit der Addition und Multiplikation aus 6.1ist ein Korper.

Das heißt im Einzelnen:

es gelten die Kommutativ-, Assoziativ- und Distributivgesetze,

das neutrale Element der Addition ist 0 = 0 + 0i , das der Multiplikation ist1 = 1 + 0i ,

zu z = a+ bi ist −z = −a− bi das negative Element der Addition,

zu z = a+ bi 6= 0 ist z−1 =1

z=

z

|z |2 =a

a2 + b2− b

a2 + b2i das inverse

Element der Multiplikation.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 87

Der Korper der komplexen Zahlen Weitere Rechenregeln in C

6.6 Weitere Rechenregeln in C

Fur alle z ,w ∈ C gilt

(a) 0 · z = z · 0 = 0 und (zw = 0 ⇔ z = 0 ∨ w = 0).

(b) −(−z) = z und (−z) · w = z · (−w) = −(z · w).

(c) z + w = z + w , zw = z w ,(zw

)= z

w , falls w 6= 0.

(d) |zw | = |z | |w |,∣∣ zw

∣∣ = |z||w| , falls w 6= 0.

(e) In der Analysis wird gezeigt: |z + w | ≤ |z |+ |w |(Dreiecksungleichung) und|z ± w | ≥

∣∣|z | − |w |∣∣

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 88

Der Korper der komplexen Zahlen Polarkoordinaten in C

Fur die Multiplikation, Division, Potenzen und Wurzeln eignet sich eine alternativegeometrische Beschreibung der komplexen Zahlen.

6.7 Polarkoordinaten in C

Die komplexe Zahl z = a+ bi hat die Polarkoordinaten

r = |z | =√a2 + b2 Betrag

Das ist der Abstand zu 0

ϕ Argument

Das ist der Winkel zwischen derpositiven reellen Achse und derStrecke von 0 zu z .Dabei ist −π < ϕ <= π

z = a + bi

z = a − bi

a = |z | cosϕ

b = |z | sinϕϕ

|z | =√a2 + b2

Die Darstellung von z in Polarkoordinaten lautet

z = |z |(cosϕ+ i sinϕ).

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 89

Der Korper der komplexen Zahlen Polarkoordinaten in C

Hierbei ist zu beachten:

alle Winkel werden im Bogenmaß (Einheit rad) gemessen, wobei π rad demWinkel 180o entspricht. Umrechnung:

αo (α Grad) entspricht ϕ =απ

180rad

Die Abbildung

C \ 0 → (0,∞)× (−π, π], a+ bi 7→ (r , ϕ)

ist bijektiv. Die Umrechnungen lauten

a = r cosϕb = r sinϕ

r =√a2 + b2

ϕ =

arccos(a/r), falls b ≥ 0,

− arccos(a/r), falls b < 0.

Hierbei wird der Hauptwert des Arcus-Cosinus mit Werten 0 ≤ arccos x ≤ πverwendet.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 90

Der Korper der komplexen ZahlenDarstellung der Multiplikation, Division und Konjugation mit

Polarkoordinaten

6.8 Darstellung der Multiplikation, Division und Konjugation mit Polarkoordinaten

Fur z ,w ∈ C \ 0 mit ϕ = arg(z), ψ = arg(w), gilt:

Multiplikation:

z · w = |z | |w | (cos(ϕ+ ψ) + i sin(ϕ+ ψ)) .

(Multiplikation der Betrage und Addition der Argumente)

Division fur w 6= 0:

z

w=

|z ||w | (cos(ϕ− ψ) + i sin(ϕ− ψ)) .

(Division der Betrage und Subtraktion der Argumente)

Konjugation:

z = |z | (cosϕ− i sinϕ) = |z | (cos(−ϕ) + i sin(−ϕ)) .

(Spiegelung an der reellen Achse)

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 91

Der Korper der komplexen ZahlenDarstellung der Multiplikation, Division und Konjugation mit

Polarkoordinaten

2i

i

1 2 3

z = 1 + 2i

w = 1− i

z · w Mit z ·w = (1+2i)(1− i) = 3+ i

ist

|z | =√5, ϕz ≈ 63

|w | =√2, ϕw = −45

|zw | =√10, ϕzw ≈ 18

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 92

Der Korper der komplexen Zahlen Eulersche Formel

6.9 Eulersche Formel

Wir setzen zunachst nur formal (als Kurzschreibweise)

e iϕ := cosϕ+ i sinϕ,

wobei e die Eulersche Zahl (≈ 2.7182...) ist. Diese Formel lasst sich in derAnalysis mit Hilfe der Taylorreihe der komplexen Exponentialfunktion beweisen.

Eine Anwendung der Additionstheoreme der sin- und cos-Funktionen ergibt dann

z = |z |e iϕ, w = |w |e iψ =⇒ z · w = |z | |w |e i(ϕ+ψ).

Also erleichtert die Exponential-Schreibweise den Umgang mit denPolarkoordinaten (verwende die ublichen Potenzgesetze an Stelle derAdditionstheoreme).

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 93

Der Korper der komplexen Zahlen Moivresche Formel

Als direkte Folgerung der Multiplikationsregel ergibt sich:

6.10 Moivresche Formel

Fur z = |z |(cosϕ+ i sinϕ) = |z |e iϕ und n ∈ N gilt

zn = |z |n(cos(nϕ) + i sin(nϕ)

)= |z |n e inϕ.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 94

Der Korper der komplexen Zahlen Die n-ten Einheitswurzeln

Die komplexen Zahlen vom Betrag 1 haben die Form e iϕ = cosϕ+ i sinϕ. Furspezielle Winkel ergeben sich die sogenannten Einheitswurzeln.

6.11 Die n-ten Einheitswurzeln

Sei n eine naturliche Zahl. Die komplexen Zahlen

ωn,k = e i2πk/n = cos2πk

n+ i sin

2πk

n, k = 0, 1, . . . , n − 1,

heißen die n-ten Einheitswurzeln; durch sie sind samtliche komplexe Losungender Gleichung

zn = 1

gegeben.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 95

Der Korper der komplexen Zahlen Satz

6.12 Satz

Es sei n ∈ N. Die Menge Ωn := ωn,k | 0 ≤ k ≤ n − 1 der n-ten Einheitswurzelnbildet eine Gruppe bzgl. der Multiplikation komplexer Zahlen. Ihr neutralesElement ist ωn,0 = 1.

Diese Gruppe ist isomorph zur abelschen Gruppe (Z/nZ,⊕) der Restklassenmodulo n; ein Isomorphismus lautet φ : Z/nZ → Ωn, [k ]n 7→ ωn,k fur0 ≤ k ≤ n − 1.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 96

Der Korper der komplexen Zahlen Satz

η0

η1η2

η3

η4 η5

z0

z1

z2

z3

z4

z5

Die sechsten Ein-heitswurzeln η0 bisη5 und die Losungenvon z6 = 8i .

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 97

Der Korper der komplexen Zahlen Satz: Die n-ten Wurzeln in C

6.13 Satz: Die n-ten Wurzeln in C

Es sei w = |w |(cosϕ+ i sinϕ) 6= 0 und n ∈ N.

Dann sind samtliche Losungen der Gleichung zn = w gegeben durch die n

komplexen Zahlen

zk = |w |1/n(cos

n+

2πk

n

)+ i sin

n+

2πk

n

))mit k = 0, 1, . . . , n− 1.

Ist z∗ eine Losung von zn = w , so sind alle Losungen durch zk = z∗ ·ωn,k gegeben.

Schreibweise: Die komplexe Wurzel n√w oder w 1/n bezeichnet die Gesamtheit aller

n verschiedenen n-ten Wurzeln von w .(Im Gegensatz zum Reellen:

√9 = 3, und nicht −3.)

6.14 Beispiel:Die 3-ten Wurzeln von w = i = e iπ/2 sind

z0 = e iπ/6 =√

32

+ 12i , z1 = e i5π/6 = −

√3

2+ 1

2i ,

z2 = e i3π/2 = e−iπ/2 = −i .

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 98

Der Korper der komplexen Zahlen Fundamentalsatz der Algebra

Zum Abschluss dieses Abschnitts geben wir ein Resultat an, das die Einfuhrungund die Verwendung der komplexen Zahlen begrundet. Wie in 4.24 sei t eineVariable. Dann definiert

C[t] :=

n∑

j=0

aj tj | n ∈ N0, aj ∈ C fur 0 ≤ j ≤ n

den Ring der komplexen Polynome. Die Begriffe des “Grades”, der “Nullstelle”eines Polynoms und deren “Vielfachheit” ubertragen wir wortlich aus Abschnitt4.D.

6.15 Fundamentalsatz der Algebra

Jedes komplexe Polynom f ∈ C[t], das nicht das Nullpolynom ist, hat genaun = deg(f ) Nullstellen in C unter Berucksichtigung der Vielfachheit.

Beweisidee: Es genugt zu zeigen, dass jedes komplexe Polynom f ∈ C[t] vom Grad deg(f ) ≥ 1mindestens eine Nullstelle a ∈ C besitzt. Denn dann folgt mit der Polynomdivision f = (z − a)gund deg(g) = deg(f )− 1. Der Rest folgt dann per Induktion.Fur die Existenz mindestens einer Nullstelle gibt es zahlreiche Beweise, derjenige von Gaußbasiert auf Erkenntnissen uber komplex-differenzierbare Funktionen (sog. holomorpheFunktionen), die in der Vorlesung Funktionentheorie behandelt werden.

Lineare Algebra, Teil I 28. Oktober 2010 99