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6 92 E R L Ä U T E R U N G E N
B U C H I I I
Vordergründig betrachtet , geht es in Buch IH um die beiden no ch ausstehen-
den officia oratoris, die elocutio un d actio. A be r Cic ero will s ich ja bekanntl ich
in De oratore nicht auf die bloße ars beschränken und so werden hier die
Hau ptged anken des ganzen Werkes (Srichw orte: Verhältnis von res und verba,
von Rhetorik und Philosophie, umfassende Bildung des orator perfectus) end-
gültig formuliert. - Auf weitere Ausführungen muss hier verzichtet werden.
Verwiesen wird auf die »Vorbem erkungen zu Bu ch ΙΠ« in LPW , 1996 , 87-1 01 .
§ § 1 - 1 6
D a s Proömium zu Buch I lei tete das ganze Werk ein; anders ist die
Fun kt i o n der be i den an deren Pro ö mi en . Im Pro ö mi um zu Buch I I s prach
Cicero von den Personen des Dialogs , vor a l lem von Antonius und Crassus
und deren wirkl icher Bi ldung; je tzt geht es besonders um Crassus und des-
sen unerw arteten Tod ku rz nach dem f ingierten Ge spräc h in Tu scu lum
und das wei tere Schicksal der anderen Gesprächste i lnehmer. Cicero rückthier »seine Personen in die h is tor ische Perspekt ive ; er beschwört . . . e ine
schicksalsschwere >Phaidonst immung< herauf , wobei se ine Technik des
An s pi e l en s Cras s us , den Haupt redn er vo n Buch I I I , s o wo h l mi t So kra t es
als auch mit se iner e igenen (d .h . Ciceros) schwierigen , im Prolog I geschi l -
derten Lage verknüpft« (LP, 1981 , 16) . Die düstere »Phaidonst immung«
wird durch den Kontrast zu der gesel l igen Hei terkei t , mit der Buch II en-
det , noch vers tärkt . - LPW, 1996 , 106 , charakter is ieren das Proömium als
»ein Stück, in dem Cicero uns im Anklang an epi taphische und konsolato-r ische Topik e in höchst persönl iches , t ie f bewegtes und bewegendes Zeug-
nis se ines l i terar ischen Könnens geschenkt hat , das dem Werk De or . e ine
neue Dimension von His toriz i tä t und Aktual i tä t gibt und das uns mora-
l i sch auf die Apotheose der Themat ik im 3 . Buch vorberei tet« .
1 Ah ich begann: vgl. 1,1: Cogitanti mihi.
ließ ... wieder aufleben : vgl . Verg . Aen . 2 ,3 : lnfandum, regina, iubes re-
novare dolorem.
Kummer: »Bald is t d ie cura Furcht , bald Schmerz , bald Traurigkei t , ba ld
überhaupt jede heft ige Leidenschaft« (M. Hanser , Der römische Begri f f
cura , W i n t er t h ur 1954 , 52 ) .
Menschlichkeit: vgl . zu 1 ,27 : »menschl iche . . .« .
kaum zehn Tage nach . . . : Cra ssus s tarb am 19. Septem ber.
2 letzten ... Theaterspiele: s . zu 1 ,24 : »An den Tagen . . .« .
Philippus usw.: vgl . ebenfal ls zu 1 ,24 , wo Cicero diese Ereignisse zur
zeidichen Fixierung nannte . Die contio fan d wäh ren d d er Ab wes en h e i t des
Cras s us vo n R o m s t a t t .
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ZU BU CH [II 693
auf Einladung des Drusus: Nur in Ausnahmefäl len machten die Volkst r i -
bunen von ihrem Recht Gebrauch, den Senat zusammenzurufen .
Konsul: Wie 1,24 wird durch die betonte Worts tel lung der ungeheuer-
l iche Vorgang hervorgehoben, dass hier der Konsul in der Kurie den Senat
angreift , und nicht der Volkstribun in einer contio.
3 Crassu s war es ... - und (ut ... vidi) ... einig - wenn er ... zwar
(iquamquam) ... ; doch {tarnen) ... sieb selbst. .. : L PW ad 1. nennen den von
uns anders als von Cicero strukturierten Satz ein »sehr bemerkenswertes
Satzgebi lde«. Der Hauptgedanke Hic ... tarnen ... sic esse ... iudicatum (esse
statt est wo hl wegen einer fälschlich an ge no m m en en Ab häng igkeit von vidi
in dem untergeordneten «r-Satz) ceteros (Beginn des ACI) . . . etiam ipsum a
se esse superatum umrahmt d i e Zwi schenbemerkung quamquam ... conti-
gisset, ut... putaretur. Derar t ig kom plizier te anakoluthische Satzgebi lde f in-
den sich oft bei Cicero, z.B. De rep. 1,58: si, ut Craeci dicunt omnes aut
Gratos aut barbaros esse, vereor ...
bei dieser Gelegenheit = hic; diese Zei tangabe w ird durch tum u n d ilio ...
die wiede r au fgenommen.guter Vater ... Vormu nd - ... Räuber: Sehr überhöhte Umschre ibung der
Pflichten eines Konsuls in scharfem Gegensatz zur Wirklichkeit . In Verr.
2,4,122 stellt Ci ce ro non ut ab hoste aliquo, qui tarnen ... iura retineret, sed
uta barbaris praedonibus . . . einander gegenüber.
4 nahm ein Pfand ... in die Schranken weisen (zweimal) . . . in Stücke
haust: Das römische Recht kannte neben der Bürgschaft als zweites Mittel ,
um die An sprü che des Gläubigers an den Sch uldner zu sichern, die Möglich-
keit , ein Pfand zu nehmen. Diese pignons captio, also das rechtmäßige Weg-nehmen einer f remden Sache ohne Zust immung des Eigentümers, war (ne-
ben supplicium, Verkauf in die Sklaverei, verbera usw.) auch eines der
Zwangsmittel , mit denen Magistrate den Gehorsam gegen ihre Befehle er-
zwingen konnten; die coercitio war also eine polizeil iche M aßn ahm e, bei de r
das pignus, ein Vermö gensw ert , anders als bei der Eintreibun g von Schulden,
nicht verkauft , sondern zerstört wurde. - Zum Vorgehen des Phil ippus ge-
gen Crassus vgl. Val. Max. 6,2,2: ut etiam L. Crasso ... m anum inici iuberet.
... göttliche Eingebung ... : divinitus betont ebenso wie eyenea vox (§ 6)den prophet ischen Charakter der Worte des Crassus (»Apotheose«!) ; vgl .
zu 1,26: »in prophetischer . . .«.
für ihn sei... Kon sul: Val. Max 6, 2,2 (s.o.) berichtet in wörtl icher Rede:
Ille »Non es*, inquit, »mihi, Philippe, consul, quia nec ego quidem tibi senator
sum*. Quinti l ian zit iert die Worte des Crassus zweimal (8,3,39 und
11,1,37): »Ego te consulem putem, cum tu me non putes senatorem?« Ahnlich
ist die Formulierung In Pisonem 23: An ego consulem esse putem, qui se-
natum esse in rep. nonputavit ...?
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Z U B U C H I II 695
kamen: Das lateinische Imperfekt lässt vermuten, dass sie wiederholt
dorthin gingen.7 O wie ...: Bei dieser Klage über die Wechselhaftigkeit des mensch-
lichen Schicksals denkt Cicero wohl auch an die Parallelen zwischen sei-nem eigenem Lebenslauf und dem des Crassus.
Oft scheitern sie ...: vgl. 1,2f., wo Cicero sein eigenes Leben mit einerSchifffahrt vergleicht; Brat. 8: aetas nostra tamquam inportum confugere de-
beret; Tusc. disp. 5,5: in eundem portum , ex quo eramus egressi, magna
iactati tempestate confugimus.
Denn solange ... Da s Jahr aber ... zunichte: Vielleicht will Cicero andeu-ten, dass der politische Aufstieg des Crassus und sein cursus honorum biszum Jahre 92 nicht unumstritten war und er sich bis dahin mehr durchseine Fähigkeiten als redegewandter patronus seiner Freunde und Klienten(privatis officiis) auszeichnete als durch die erstrebte amplitude und rei pu-
blicae dignitas. Erst durch den Kampf gegen Philippus i. J. 91 konnte er hof-fen, höchste politische auctoritas zu erreichen, vielleicht als princeps senatus
(s. zu 1,211: »P. Lentulus .. .«) in einer gemäßigten Aristokratie.aufreibender Amtsbewerbung: Wieder denkt wohl Cicero an sein eigenesLeben (vgl. 1,1 und z.B. Ad An. 1,17,6: an in forensi labore, quem antea
propter ambitionem sustinebam).
Billigung: concessu ist weniger spontan als consensu, dafür aber beständi-ger und verlässlicher.
machte ... zunichte: vgl. wieder Cicero s tiefen Sturz am Ende seiner Ä m -terlaufbahn.
8 jamm ervoll ... bitter ... schwerer Schlag: vgl. zu diesem Trikolon»von innen nach außen« Brat. 4 f. und 329 , wo Cicero Ahnliches über denTod des Hortensius sagt.
nicht ... entrissen ... Geschenk: Durch das folgende anaphorische non
(8-mal) wirkt der Konsolations-Topos beson ders em otional. Ahnlich tröstetauch Tacitus sich und seine Frau über den allzu frühen Ibd seines Schwie-gervaters hinweg (Agr. 44f.).
Krieg: Bundesgenossenkrieg (90-88) .
Senat ... verfolgt wurde: Vor allem wegen der Frage der Einbürgerang(Bundesgenossenkrieg).
führenden ... angeklag t: Aufgrund der lex Varia de m aiestate(s. zu 1,117:»Q. Varius .. .«) gegen die Anhänger des Drusus.
Tochter ... Schwiegersohnes: Die ältere Tochter des Crassus war mitP. Cornelius Scipio Nasica, 93 Prätor, verheiratet, der wahrscheinlich Op-fer der lex Varia wurde. Vgl. 3,134.
ungemein bittere ... unerhört grausame: Durch die chiastische Stellung
von acerbissima und crudelissima gleichsam als »Eckpunkte« wird ganz be-
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696 ERLÄUTERUNGEN
sonders hervorgehoben, wie schrecklich die folgenden Jahre waren und
was dem Crassus alles erspart blieb.
Flucht des ... Marius ... Rückkehr: s. zu 1,66 : »bei meinem .. .« ; i . J . 88
wurde Marius von Sulla vertrieben und geächtet, bald darauf konnte er mit
Cinnas Hilfe zurückkehren und marschierte mit seinem Heer, das er aus
Sklaven und Samniten rekrutiert hatte, in Rom ein; zum grausamen Morden
vgl. § 9f.
in jeder ... entartet: Auch durch die Restauration spolitik Sullas wurde die
von Cicero so sehr gefeierte »alte« Ordnung nicht wieder hergestellt.hätte ... übertroffen: Nachdrücklicher Irrealis ; nur civitate florentissima
(~ si civitas adhucmaxim efloruisset) wäre das möglich gewesen.
9 Betrachtung: cogitatio passt gut zum Proömium des Autors; vgl. 1,1 :
cogitanti.
etwa: Auch das Schicksal von M änne rn, die nicht an dem G espräch teil-
genommen haben, wird Cicero erwähnen.
er sich ... vergegen wä rtigt... haben: Das weit gespannte Hyperbaton ...
ipsorum sit, qui... eventum recordatus passt gut zum Pathos der paradoxenrhetorischen Frage.
beinahe ... M al: Phaidon-St immung!
Catulus: Seit dem Sieg des Marius bei Vercellae (101) herrschte invidia
zwischen Marius und Catulus, da jeder der beiden den Hauptteil des Er-
folges für sich beanspruchte. Als Catulus 87 von einem Anhänger Cinnas
angeklagt wurde, baten er und seine Angehörigen den Marius vergeblich
um Gnade. Erbarmungslos forderte dieser: non semel..sedsaepe: »M oria-
tur!« (Tuse. disp. 5,56); vgl. auch De nat. d. 3,80, wo Cicero den Mariusomnium perfidtssimu(m) und Catulus praestantissima dignitate virum nennt.
10 Antonius (und die anderen hier Ge nan nten ): s. dazu Liv. Ep it. 1,80.
Antonius h atte sich nach der Rü ckk ehr des Marius (s. o .) im Hau s eines Be -
kannten versteckt; dessen Sklave verriet ihn unabsichtlich. Die Soldaten,
die ihn gefangennehmen wollten, konnte er erweichen, ihr Tribun schlug
ihm aber den Kopf ab und brachte diesen zu Marius (Plut. Mar. 44). Auf
Anstiften des Enkels des Redners erlitt Cicero das gleiche Schicksal. Seine
Erm ordu ng wird ebenfalls von Liv. (frg. Lib . C X X ) geschildert. D erSchluss der Schilderung dort lautet: Ita relatum caput ad Antonium iussuque
eius inter duas manus (auch diese waren ihm abgeschlagen worden) in rostris
positum, ubi Ule consul, ubi saepe consularis, ubi eo ipso anno advenus Anto-
nium, quanta nulla human a vox, cum admiratione auditus fuerat. Vix attol-
lentesprae lacrimis oculos homines intueri truncata mem bra eius poterant.
An teil... Kriegsbeu te ... ausgesch mü ckt: Entweder mit den im Seeräuber-
krieg (102; s. zu 1,82: »als Prokonsul...«) erbeuteten Schiffsrostra oder mit
dem Geldbetrag, der ihm aus der Beute zustand.
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C. Iulius (Caesar Strabo) und sein Bruder Lucius wurden vom Sohn des
2,91 genannten C. Flavius Fimbria (s. dort) ermordet. Lucius kämpfte 90
als Konsul im Bun desgeno ssenkrieg und hatte 89 als Zens or die Verteilung
der Neub ürger aufgrund seiner lex Iulia de civitate danda und der lex Clau-
dia Papiria durchzuführen.
etmskischen Gastfreundes: Wie dieser Sextilius, den er vor Gericht vertei-
digt hatte und auf dessen Landgut er Schutz suchte, ihn den Marianern aus-
lieferte, schildert Val. Max. 5,3,3.
gleichzeitig ... Zeitpunkt: Wie Crassus, so identifiziert sich auch Cicero
mit der res publica; s. z .B. Post red. in sen. 36: in remp. sum pariter cum re
p. restitutus.
P. (Licinius) Crassus: 97 Konsul , 89 Zensor zusammen mit L. Caesar
Strabo (s.o.) ; wie er mit dem Redner Crassus verwandt war, wissen wir
nicht genau.
Am tskollegen ... Pont. M ax. : s. zu 1,180; der Ko nsul d. J . 9 5 wurde 82 auf
Befehl des marianischen praetor urbanus L. Iunius Brutus Damasippus im
Vesta-Tempel ermordet; vgl . Brut. 311 und Pro Rose. Am. 33.C . (Papirius) Carbo (Arvina), der Sohn des gleichnamigen Konsuls d. J .
120, stand immer auf Seiten der Optimaten, war aber mit Crassus persön-
lich verfeindet, seitdem dieser seinen Vater durch eine Anklage in den Tod
getrieben haue (s. zu 1,40). Er war 90 Volkstribun, ca. 83 Prätor und
wurde ebenfalls auf Befehl des Damasippus (s.o.) in der curia Hostilia er-
mordet .
11 junge M änner ... Cotta ... Blüte seiner Jahre ... Sulpicius: vgl. 1,25,
wo der hoffnungsvolle Beginn ihrer Karrieren angedeutet wird.sich ... anvertraut: se dicare begegnet häufig als Terminus technicus aus
dem Bereich des Religiösen; in Gedanken sollte der Leser also etwa ergän-
zen »wie e inem Gott« .
verzichten: Cotta kandidierte ohne Erfolg für das Tribunat.
verbannt: Aufgrund der lex Varia (s.o. und zu 1,117); erst 82 konnte er
mit Sulla zurückkehren (s.u.) ; 75 wurde er Konsul und anschließend Pro-
konsul in Gall ien.
Sulpicius... wäre: Nämlich wenn er, der noch 91 zu den Anhängern desDrusus gehörte, nicht als Volkstribun 88 zu Marius übergegangen wäre
und diesen durch mehrere Gesetzesanträge unterstützt hätte; so setzte er
durch, dass das Kommando im ersten Krieg gegen Mithridates (88-84) von
Sulla auf M arius übertragen wurde. Vgl. zu 3,31: »mo ralisches G e w ic h t. . . « .
prìvat: Vor seinem Tribunat.
Tribunats ... berauben: Besonders hart ging Sulpicius gegen seinen frü-
heren vertrautesten Freund Q . Pom peius Rufus vor, der 88 zusam m en m it
Sulla das Ko nsu lat inneh atte (vgl. Lae l. 2 : . . . capitali odio a Q. Pom peio
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Rufo ... dissideret...); auch mit Caesar Strab o verfe indete er sich un d C ot -
tas Rückkehr aus dem Exil (s .o . ) verhinderte er ebenso wie die Rückkehrandere r Männer .
Leben ... entrissen ... Unglück für den Staat: Mit der Ermordung des Sul-
pic ius begannen die Proskriptionen Sullas .
12 du, mein Crassus: Den Abschnit t 3 ,7-12 beendet Cicero mit e iner
förmlichen Anrede an den Vers torbenen, wie es in den laudationes fúnebres
und den consolationes üblich war. Auch Tacitus wendet am Ende des Agri-
cola (45,3) die Apostrophe an: Tu vero felix, A grìcola ...
Un tergang: funus (rei p.) begegnet bei Cicero häufig im übertragenen
Sinn; durc h den Plural funerum werden aber auch die eben aufgezählten ge-
waltsamen Todesfälle e inbezogen.
Gew altherrschaft der Bösen: Tyranne i des Marius und Cinna (87-82) .
Sieg der Optimaten: Sullas endgültige Rückkehr 82.
Blut... vergossen: Auch die improbi {s.o.) sind cives. - Zu der recht kom-
pliz ierten un d v erw orren en poli tischen Lage in Ro m ab 91 v. Ch r. , d ie C i-
cero e twas vereinfacht dars te l l t , s . K. Chris t , Krise und Untergang der rö-mischen Republik, Darmstadt 1979, Kap. 5, bes. 170ff. Weitere
bibliographische Hinweise geben LP, 1981, 86.
13 Wenn ich ... denke: M it cogitanti (vgl. das erste Wort des ganzen
Werkes , ebenfalls verbunden mit der Anrede an den Bruder [1 ,1] und den
Beginn des Proömiums zu Buch III [3,1]) leitet Cicero den »Epilog des
Prologs« (LPW ad 1.) ein.
Schicksalsschläge derer ... Leiden ... selbst: Nach den wiederhol ten An-
spielungen (s.o.) stellt Cicero hier zum ersten Mal seine eigene misslicheLage während seiner Arbeit an De oratore (vgl. 1,1-3) ausdrücklich in Pa-
rallele zu dem Schicksal der Teilnehmer des Dialogs.
richtig und weise: Im ers ten Proömium von De república ( l ,4ff . ) , eben-
falls an Qu in tu s gerichte t, wird Cicero diese beso nder s von den E piku reern
ver t re tene M einung (Gegensa tz von vita activa u n d vita contemplativa) zu -
rückweisen. (Übrigens war auch Quintus se lbs t poli t isch aktiv (62 Prätur;
spä te r legatus Caesars in Gallien; 57-55 zog er sich allerdings ins Privade-
ben zurück . )Menschen ... Männer: Die Verdoppelung dient nicht nur der Fülle des
Au sdrucks , so ndern t räg t auch zur D iffe renz ie rung be i : homo > humanitas:
allgemein menschliche Eigenschaften; vir> virtus: Männlichkeit und s taats-
bürgerl iche Eigenschaften.
sinnlosen: Verkürzt statt: »die du für sinnlos hältst«.
14 nicht meh r in meiner Gew alt ... Mü hen ... Ruh m ... gemildert ...
Trostmittel: D ie molestiae (vgl. 1,1 : moles molestiarum) sind noch nicht be-
seitigt und ein fructus otii (1,2) w urd e ihm noch nicht zute il ; se ine schlim me
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ZU BUC H I II 699
Lage wird durch die solaria der literarischen Tätigkeit nur gemildert. Ver-
glichen mit dem 1. Proömium, schlägt Cicero jetzt einen viel persönliche-
ren Ton an. Dort (1,1-3) sprach er nur über seine labores und molestiae,
nicht aber über die gloriae als Ko m pen sator dazu und als Grund für die A r-
beit an De oratore nannte er dort (1,3f.) nur die Bitte seines Bruders, nicht
die gloria (Ruhmbegierde war aber wohl die kräft igste Triebfeder für Ci-
cero); auch von solada ist dort natürlich keine Rede. - Zur Einstellung Ci-
ceros zu literarischer Tätigkeit als solarium vgl. bes. Pro Arch. 16: haec stu-
dia adversis (rebus) perfugium ac solarium praebent.
beinahe letzte: Der folgende Lehrvortrag des Crassus war ebenfalls ein
»Schwanengesang«, der an Sokrates im Phaidon erinnert .
schuldigen Dank abstatten: Weitere Zielsetzung des Werkes; wieder wird
eine Parallele zu Piaton/Sokrates angedeutet (vgl. den nächsten Paragra-
phen).
15 nicht von dir ... schätzt: Scherzhafte Anspielung darauf, dass Quin-
tus den Bruder überschätzt und dass der Versuch, ihn davon abzubringen,
vergeblich wäre.höhere Vorstellung ... geben w ird: Der wirkliche Crassus war wohl keine
so einzigartige Persönlichkeit, wie ihn Cicero idealisierend darstellt (vgl. zu
§ 7: »Denn solange . . .«) .
16 Gespräch: s. zu 1,23.
Cotta wird hier zum ersten M al seit dem Szenerieabschnitt des 1. Buches
als Ciceros Gewährsmann erwähnt; er ist aber für ihn nur »inhaltl iche
Quel le« (locos ac sententias)·, die formale Gestaltung ist Ciceros alleinige
Leistung.verleitet... Masse: Auch im 2. Proömium hat sich Cicero von der opinio
vulgi über die Bildung von Crassus und Antonius distanziert ; dort gibt er
ebenfalls eine relative Wertung der beiden Männer.
trockener ... wortgewaltiger: Dass es sich nur um den relativen Unter-
schied zwischen dem Sti l der beiden Männer handelt , zeigen die Kompara-
tive an. Als absolute Stilrichtung kennzeichnet ieiunus (- tenuis) vor allem
den Sti l der Stoiker (vgl . 1,50 von Chrysipp: ieiune ... etexiliter); plenus -
über (vgl . 3,212: figuram orationis plenioris et tenuioris et ... med iocris).vorher: 2 , 3 - 6 .
so dass ... vorhanden war: Eine ähnliche Wendung findet sich in Quint.
10,1,107 (Synkris is Cicero - Demosthenes) : illi nihil detrahipotest, huic ni-
hil adici.
17f . ( S z e n e r i e a b s c h n i t t ) : Die Orte , an denen die Gespräche des Dia-
logs geführt werden, sind nicht willkürlich gewählt: Das in verschiedener
Hinsicht »platonische G esprä ch« des 1. Buch es findet unter einer »platoni-
schen« Platane statt (s . zu 1,28 ); die besond ers vom Peripatos beeinflussten
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Gespräche des 2 . Buches (Topik; Ethos und Pathos; der Witz) werden in
einem »peripate tischen« porticus geführt . Im 3. Buch wird das Gespräch ineine silva verlegt. Damit wird wohl angespielt auf die silva der Akademie
(Hö r. Epis t . 2 ,2 ,45: inter silvas Academia); in den Erörterungen des 3 . Bu-
ches wird ja die Neue Akademie eine wichtige Rolle spielen (vgl. dazu
LPW, 1996, 95-101: »Ciceros Stel lung im Kampf zwischen Philosophie
und Rhetor ik«) ,
Zunächst wird aber »Crassus als >sokratischer< Denker in gewissenhaf-
ter Vorbereitung seines mehr a ls zuvor philosophisch angehauchten Vor-
trages geschildert« (LPW , 1996,127). A ugenfällig ist die Parallele zu Piatons
Symposion, wo Sokrates lange Zeit in t iefes Nachdenken versunken
vor Agathons Haus s tehen ble ibt , bevor er e intr i t t , »um aus der Nähe an
der Weisheit te i lzuhaben, die ihm offenbar draußen zugefallen war« (175
A - D ) .
17 Sobald ... vor Mittag: Anschluss an 2 ,367
scharfem ... angespanntem Nachdenken: Zur Vorbereitung seines ange-
kündigten Lehrvortrages (vgl . 2 ,147-150, wo Antonius besonders die dili-gentia dabei betont) .
Ex(h)edra: In Griechenland war die εξεδρα e ine ha lbrunde Erwei te rung
der Säulengänge in Gymnasien, wo vor a l lem philosophische Gespräche
gefü hrt w urd en. In röm ischen Villen w ar s ie ein an drei Seiten von W änden
abgeschlossener Raum, der sich an der vierten Seite völlig frei zu einem
Säulengang hin öffnet; s ie diente a ls Gesellschafts- und Konversations-
r a u m .
neigte: inclinare zeigt hier den Beginn des Nachmittags, nicht dessenEnde an .
sagte Julius: Nich t mehr von Cotta ... dicebat abhängig; je tz t berichte t
Cicero unmitte lbar.
18 ... noch länger schuldig bleiben: 2,367 hatte Crassus selbst einen
möglichen Aufschub bis zum nächsten Tag angedeutet .
Wald: s.o. zu 17f.
schattigsten ... kühlsten: Das wird auch Piaton, Phaidr. 229 Β v om P la tz
unter der Pla tane gesagt .§§ 19-212: s . die folgen den Erläuterungen zu den e inzelnen Abschnit ten
des elocutio-Referates des C ras sus .
§§ 19-24
Wie Antonius dem inventio-Abschnit t grundsätz l iche Erö rteru nge n
über die materia artis (2 ,41-73) und übe r ars, ingenium usw. bei der Ausbil-
dung zum Redner (2 ,74-98) vorausgeschickt hat , so beginnt auch Crassus
mit a l lgemeinen Betrachtungen, nämlich über die Einheit von re s u n d
verba. Die These, dass die Lehre über den Stil nicht von den inhaltlichen
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Aspekten gelös t werden kann, untermauert er s tufenweise durch drei Ar-
gumente: 1 . d ie Einheit des ganzen Kosmos (§ 20); 2 . der Zusammenhangaller artes (§ 21); 3. die Einheit der Redekunst (§ 22f.; s . dort). Die hier re-
lativ knapp und gewissermaßen in einer ersten »Welle« (s . Anm. 16 zur
E I N F Ü H R U N G un d zu 3,122: »U nser . . . «) vorgebrach ten Gedanken werden
bei der Behandlung der zentra len Themen des 3 . Buches (oratorperfectus;
Zu sam m enha ng zw ischen R edekun s t und Phi losophie ) eine wich t ige Rol le
spielen.
19 Bereitwilligkeit: 2,362 sprach Catulus von der humanitas u nd facili-
tas des Antonius .
Aufteilung: vgl. 2,123. 350 und zu 3,37b »Antonius . . .«.
für sich ... existieren: seiuncta esse ist das Ergebnis des seiungi (seiuncta ist
P räd ika t ivum, esse also nicht Kopula , sondern Verbum substantivum -
selbs ts tändiges Verbum).
20 Män ner aus alter Zeit: Crassus m ein t mi t den veteres sicher die grie-
chische Philosophenschule der Eleaten , w elche Xe nop han es 540 v. Ch r. in
Elea (heute Velia) in Unteri ta l ien beg ründ ete; deren W elterklärung ber uh teauf der Vors te l lung von der Einheit a ller Dinge (M onism us). Im Folgenden
spielt Crassus jedoch mehr auf die σ υ μ π ά θ εια - L e h r e d e r zeitgenössischen
Stoiker an, wofür diese wahrscheinlich den Monismus der Eleaten a ls Vor-
b i ld beanspruchten ; vg l . dazu bes . De d iv . 2 ,33f . und s .u . zu : »Kraf t . . .« .
erfasst... gesehen: com plexi... vidcntur kann als Hexameter gelesen wer-
den un d v erst öß t dam it eigentlich gegen die 3,175 genan nte R egel; vgl. auch
3,182. Or.189 heißt es, solche »Verse« könnten einem beim Schreiben un-
te rkommen, ohne dass man es bemerk t ; t ro tzdem se i es vehementer ... vi-tiosum. LPW ad 1. schließen aber nicht aus , dass Cice ro den P ros arh yth m us
hier absichtlich einsetzt; vgl. Or. 191 : quod Ule dactylicus numerus hexame-
trorum magniloquentiae sit accomoda tion vgl. auch Or. 192.194.197
gesehen ... schauen: Stark metaphorisch; vgl . θεω ρ ία - das Schauen (der
Wahrheit) .
Uber ... unter uns: de r Kos mos .
Kraft... Harmonie: Z u vi vgl. De div. 2,35: vim quandam sentientem at-
que divinam, quae tota confusa mundo sit; zu consensione ( = σ υ μ π ά θ ε ια )s. De div. 2,144: vim consensumque naturae und 2 ,34 : qua ex coniunctione
naturae et quasi concentu atque consensu, quam σ υ μ π ά θ ε ια ν Graeci appel-
lant; vgl. auch § 21: consensus doctrinarum concentusque. Vgl. zu 3,178:
»Natur . . .« .
21 mit ... Sinnen: Wieder visuelle Metapher wie § 20: »gesehen . . .
schauen« .
Aussage Piatons: Epinomis 991 E 5 - 992 A 1; Cicero gibt den grie-
chischen (wahrscheinlich pseudo-pla tonischen) Text fas t wörtl ich wieder.
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702 E R L Ä U T E R U N G E N
Zu der Frage, ob er die zu seiner Zeit als Werk Piatons geltende Schrift
selbst gelesen ode r de n S atz aus einer an deren Q uel le (P oseido nios ?)kannte, s . LPW, 1996, 134-136.
dir ... Catulus: erg. : a ls Kenner griechischer Litera tur und Philosophie .
Lehre ... edlen W issenschaften ... fördern: doctrina bezeichnet den Inhalt
(nicht das Lehre n bzw . Erlernen ) der artes liberales (hier: ingenuae et huma-
nae; vgl. 1,72: artibus, quae sunt libero dignae und 1,73: ingeríais artibus).
Band... Prinzips: D as Kausali tä tsprinzip a ls vinculum societatis zwischen
d en artes.
22 f. Das dri t te Argument für die Einheit der Redekunst wird, se iner
Wichtigkeit entsprechend, ausführl icher a ls die beiden ers ten entwickelt .
Ers tmals hat es Cicero im 1. Proömium (1,21) angesprochen und dann fin-
de t es sich in der laus eloquentiae des Crassus (1,32); weitere Hinweise s . zu
3,22: » . . . ges tern« und: » . . . Vormittag« (Zum gesamten Fragenkomplex
vgl. LP, 1981, 58-60: »Prinzipie l ler Universalismus der Redekunst und
praktische Beschränkung auf die forensische Rhetorik« und LPW, 1996,
136: »Der Hintergrund des le tz ten Arguments : die Einheit der Rede-kunst . . .«); s . auch zu 3,122.
Es gibt (§ 22) .. . Denn ob . . . (§ 23): D er Au fbau erinnert s tark an P iaton,
Phaidr. 261 A 7 - Β 2, w en n auch Cic ero , and ers als § 21, hier nicht auf
seine Quelle verweist .
22 wir Erdenwürmer: Gewöhnlich wird der weit verbreite te Topos ge-
braucht , um den Gegensa tz zwischen den der Erde zugewandten Tie ren
und dem nach oben b l ickenden Menschen hervorzuheben (vg l . z .B. De
nat. d. 2,140: {Providentia) eos (= homines) humo excitatos celsos et erectosconstituit, ut deorum cognitionem caelum intuentes capere possent und Sali.
Cat. 1,1: Omnis homines, qui sese Studentpraestare ceteris animalibus, summa
ope niti decet, ne vitam silentio trameant velut pecora, quae natura prona at-
que ventri oboedientia finxit; hier aber ist beide Male vom Menschen die
Rede , um se inen n iedr igen Standpunkt zu kennze ichnen . - Mit suspicere
wird die visuelle M etaph orik (s . o . ) fortge setz t .
öffentlich bekennen ... das ... auferlegt: Z u profiteri u n d susapere vgl. zu
1,103: »auf sich ...«; profiteri legt Verpflichtungen auf; vgl. auch 3,54: qui
se ... com(!)plexos ... p rofiteantur.
ich ... gestern: s. bes. 1,49-73 und 1,158f.
Antonius ... Vormittag: s . bes . 2 ,34-38 . 41-50 . 64-73 und 337: una fere
vis est eloquentiae.
gesagt... anged eutet: dixi: unums töß l iche r S tandpunk t ; significavit: n u r
gelegentl iche Andeutung.
23 ob ... oder usw. : sive de ... sive ex ... sive ut... sive ad teilt den Be-
reich der eloquentia unter vier s ich te i ls überschneidenden Gesichtspunk-
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Z U B U C H I I I 703
ten auf: 1. philosophische Themen (Natur des H. ...); 2. mögliche Sprech-
situationen (von einem niedrigeren ...); 3. beabsichtigte Wirkungen
(um ... entweder ...); 4. unterschiedliche Zuhörerschaft (ob man vor we-
nigen ...).
Z u 1 : vgl. die Definition der Philosophie 1,212 und zu 3,122.
Ζ u 2 : niedrigeren Platz: Vor Gerich t, wo der Vorsitzende und die Rich -
ter in tribunali (1,168) saßen und der Redner auf dem Boden stand.
gleich hoben: ~ inoffiziell, auf gleicher Stufe; wahrscheinlich sind aber
auch Reden im Senat gemeint, wo die Senatoren von ihrem Sitz aus spra-
chen.
höheren: Von den rostra aus, etwa in einer contio; also offiziell.
Ζ u 3 : impellat... doceat usw. sind ohne klare inhaltliche Strukturiem ng
aneinander gereiht; die sieben Verben bezeichnen die drei Funktionen einer
Rede: docere, conciliare, movere (vgl. 2,128 f.), w enn auch das conciliare
nicht explizit genannt wird; vgl. aber 2,216, wo contrariis commotionibus
nicht nur für das Pathos, sondern auch für das Ethos steht.
mit sich selbst: Durch die Einbeziehung des Selbstgesprächs in dasAufgabenfeld der Redekunst verleiht Cicero dieser eine noch breitere
Wirksamkeit (ähnlich Piaton, Gorg. 527 C 1-3; vgl. auch Tusc. disp.
5,103).
Bäche ... Quellen: vgl. die ähnliche Metaphorik 2,117 (s. dort zu: »Rinn-
sale ...«).
welche einschlägt... begleitet: Fortsetzung der Bewegungsmetapher de-
lata est (§ 22).
Rüstzeug ... Schmuck: Inhalt und Form wie § 24: sententiis verba.24 oberflächlich gebildeter Menschen: nämlich derjenigen Rhetoren,
welche Inhalt und Stil getrennt darstellen (s.u. zu: »auffinden«).
diese zerreißen ... und so ... leichter an: Der lateinische Text ist durch die
beiden Participia coniuncta wesentlich komprimierter.
Aber weder ... zugrunde geht: Enger Anschluss an § 19f. (vgl. § 19: se -
iuncta esse).
nicht mehr... nehmen: Eine ähnliche Einschränkung machte Cice ro auch
im 1. Proömium. Aber ebenso wie seine Worte dort nicht für alle Zeitenverbindlich waren, so kommt auch Crassus 3,52 ff. wieder auf diesen Ge-
danken, den er hier nur kurz angeschnitten hat, zurück.
auffinden: Gewöhnlich gebraucht Cicero invenire nur für die res (inven-
tio = Auffindung des S t o f f e s ) ; hier setzt er das Verbum wohl absichtlich
für den omatus verborum ein, um so die Verflochtenheit der officia oratoris
miteinander besonders zu beton en.
einleuchtenden ... Glanz: s. zu 3,19; auch inlustris hat diese doppelte Be-
deutung.
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704 E R L Ä U T E R U N G E N
§ § 2 5 - 3 7 a
Nach Beobachtungen in der Natur (§ 25) und in anderen artes (§ 26 f.)
geht Crassus zu seinem eigentl ichen Thema, der eloquentia , über
(§§ 28- 34a ). § 34b zieht er die Schlussfolgerung daraus . Die sentenzart ige
Feststellung quot oratores ... totidem genera dicendi (§ 34) muss für jeden
Lehrer der Beredsamkeit obers tes Prinzip seiner Lehrmethode sein (§ 35);
das bes te Beispie l dafü r gab Isokrates (§ 36). Zu r B edeu tung v on genus di-
cendi s . zu 3 ,35 . - Zur Funkt ion des Abschni t t s in der Gesamtkonzept ion
von De oratore und zur Herkunft und Wahl der Beispie le s . LPW, 1996,
148-154.
2 5 das ganze Gebiet: Nicht nur den Stil (s .u.); vgl. zu 1,98: ȟber
das . . .« .
26 Bildhauerkunst: Nach de r natura bringt Crassus zunächst zwei Bei-
spiele aus den mutae artes, der plas t ischen Kunst und der Malerei . Vgl.
dazu den berühmten Überblick über die a l te griechische Malerei und
Skulptur bei Quint . 12,10,3-9.
Myron, Polyklet ... Lysipp: Im zwei ten Buch nannte Antonius Polyk le tzu sam m en m it Phidias , um seine W orte zu unte rm aue rn (s. zu 2 ,69.70: »In
den übrigen . . .« und die Erläuterungen zu den §§ 71-73). Hier nun s te l l t
Crassus ihn in die chronologisch geordnete Reihe zwischen Myron und
Lys ipp . Myron (aus Eleutherai) schuf seine Werke (am bekanntesten sind
der Diskuswerfe r und d ie Athena-Marsyas -Gruppe) im mit t le ren Dri t te l
des 5. Jh . an der Schwelle der h oh en Klassik; des Erzg ießers Polyklet (aus
Argos) von etwa 450 bis 410 entstandene Werke (von seinem Doryphores
is t eine ganze Reihe Kopien erhalten) waren realistischer und graziöser;Lysipp (aus Sikyon), um 400 /390 - En de 4. Jh . , soll gesagt ha be n, er stelle
die Menschen dar, nicht, wie sie seien (also so wie Polyklet), sondern wie
sie erscheinen (Plin. Nat. Hist. 34, 65); er arbeitete also noch realistischer.
Au ffällig ist, dass Cic ero hier, eben so w ie Bra t. 70, Phidias nich t nennt .
Damit wollte er vielleicht eine Stellungnahme zu der Frage, ob Polyklet
oder Phidias der größte griechische Bildhauer war, vermeiden; se ine Ab-
s icht war, Künstler zu n enn en , die s ich in ihrer Ar t , n icht dem R ange n ach,
un te rsch ieden .Zeuxis, Aglaophon ... Apelles: Diese drei Maler wandten Licht und
Schatten und die Farben sehr verschieden an. Den Zeuxis (aus Herakleia),
der etwa von 435 bis 390 tätig war, schätzte Cicero hoch ein; vgl. De inv.
2,1-3, wo er zur Veranschaulichung und Rechtfert igung seiner e igenen
eklektischen Arbeitsweise die Anekdote erzählt , wie Zeuxis für die Arbeit
an de m b erü hm ten H elena-Bild für den Juno-Tem pel in K roto n die fünf
schönsten Mädchen der Stadt a ls Modelle auswählte . Am bekanntes ten is t
w ohl die Erzä hlun g von jenen Kirschen , die er so naturgetreu gem alt hatte ,
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dass Vögel an ihnen picken wol l ten. Quint . 12 ,10 ,4 heißt es von ihm: prior
luminum umbraru mqu e invenisse rationem ... traditur, wahrscheinl ich hat teer a ber nur e i ne beschrä nkt e Anz a hl Fa rben (B rut . 7 0 ) . Ob Aglaophon (aus
Thasos) der ä l tere , a lso der Vater und Lehrer des Polygnot ( tä t ig zwischen
480 und 440) , gemeint i s t oder dessen Enkel , lässt s ich nicht entscheiden;
vie l le icht hat Cicero die beiden z ieml ich unbekannten Künst ler auch »ver-
mi scht « ; d en Äl t eren bed a cht e Qui nt . 1 2 ,1 0 ,3 mi t d em Merkma l simplex
color; der Jün ger e ordnet s ich bes ser in die chro nolo gisch e Reihen folge e in.
Apelles (aus Kolophon; später: Ephesos), ein Zei tgenosse Alexanders d . Gr . -
dieser woll te nur von ihm gemalt werden - galt als der größte Maler der
Ant ike (De inv. 1 ,23 ; Or . 5 ; Pl in . Nat . Hist . 35 , 79) ; er ent fa l tete a l le Mög-
l ichkei ten der Farben.
stummen Künsten ... Rede und Sprache: vgl . Rhet . a d H er . 4 ,3 9 : Poema
loquens pictura est, pictura taciturn poema debet esse - der Ausspruch wird
d em S i moni d es von Kos ( s . z u 2 ,2 9 9 : » e i n ge l ehr t er . . . « ) z ugeschr i eben ;
etwas abgewandel t Hör . ars p . 361 : ut pictura poesis.
Gedanken und Worten: Die Verbindung von Inhal t und Form ist fürCrassus se lbstverständl ich.
2 7 den Rednern ... verwandt: s . z u 1 ,7 0 : » Dem Red ner . . . « .
Ennius ... Euripides: Die übl ichen Triaden der römischen und grie-
chischen Tragiker (zur Reihenfolge s . u . ) .
Ennius: s . zu 1 ,54 .
Pacuvius: s . zu 1 ,246 .
L. Accius (170 - um 85) : römischer Tragiker ; neben vie len Tragödien
schrieb er auch e in histor isches Epos Annales. D e r U n t e r s c h i e d z w i s c h e nPacuvius und ihm war nicht le icht zu best immen (s . Or . 36 und Quint .
10 ,1 ,97) .
Aischylos ... Euripides: Auffäl l ig ist , dass Cicero die griechischen Tragi-
ker erst an zwei ter S te l le (nur der Vol lständigkei t halber?) nennt . Sonst
werden sie in De oratore ni cht e rwä hnt .
2 8 Richtet ... beachtet: Lebhaft und nachdrückl ich le i te t Crassus zu
seinem eigent l ichen Thema über , den Rednern und ihren individuel len
E i genscha f t en . - aspicere sagt nichts aus über die Dauer und Intensi tä t desH i n s e h e n s , intuen bezeichnet dagegen e in längeres , intensiveres An-
schauen; vgl . De rep. 6 ,17f . : Qu am cum intuerer ... »... nonne aspiàs ..."
Qu ae cum intuerer stupens ...
Liebenswürdigkeit ... Isokrates ... Dem osthenes: Im Unt erschi ed z u d en
§ 26 f . gena nnten Vertretern and erer artes nennt C i cero be i d en Red nern
a uch d eren j ewei l i ge besond ers cha ra kt er i s t i sche persönl i che E i genhe i t .
Dabei geht es nicht nur um st i l i s t i sche Unterschiede. Die fünf genannten
griechischen Redner gal ten a ls kanonisch; b is auf Isokrates nennt s ie Ci -
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cero auch Bru t . 285 (zum mögl ichen Grund für dessen Fehlen dor t s .
LPW, 1996, 149f.). Die suavitas (τό ήδύ) kann im stilis tischen Sinn ein
Cha ra k te r i s t ikum de s genus medium sein; wie 2,16 wird hier aber das Wort
nicht so spezifisch eingeengt; vgl. 2,184, wo suavitas vom Inhalt , St i l und
der actio gebraucht wird (s . dort zu »anziehend«). Isokrates: s. zu 2,10. Die
subtilitas kennzeichnet hier besonders den schlichten Sti l des Lysias (vgl.
Bru t . 35 : Lysias ... egregrie subtilis atque elegans). Im Brutus u n d Orator
(z .B. Or. 76) wird durch diesen Terminus das genus humile ums c h r ie be n
(vgl. auch De or. 3,177: subtiles)·, aber subtilis/subtilitas werden nicht nur a ls
stilistische Be griffe ge bra uc ht (v gl. 1,109 illa subtili definitione). Scharfsinn:
acumen is t besonders bei der inventio erforderl ich, wird aber gelegentl ich
auch vom Sti l gebraucht (z .B. 2 ,129); Brut . 63.291 und Or. 20f. 98 kenn-
ze ichnen acutus/acumen die Präzis ion des genus humile. Hypereides: s. zu
1,58.
vollen Ton: Laut Or. 97 is t sonitus ein Teilmerkmal des genus grave; hier
meint der Begriff keinen speziellen Stil.
Aischines: s. zu 1,58.... Kraft: Auch vis δεινότης) ist mehr als ein stilis tischer Terminus.
Demosthenes (s. zu 1,58) war für Cicero der größte Redner, der alle Stil-
arten beherrschte (s . Brut. 35; Or. llOf.; De opt. gen. 10); sein signifikan-
tes tes Merkmal war se ine Heftigkeit (s . z .B. Or. 235).
Moralisches... Carbo: Anders als Tusc. disp. 1,5 fehlen hier bei der Auf-
zäh lung römischer Redner Cato Maior, Lepidus un d die beiden Gracchen. -
Die Begriffe gravitas, lenitas usw. bezeichnen hier noch au sgeprägter a ls bei
den griechischen Rednern nicht nur stilis tische, sondern eher allgemeineEigenschaf ten .
Moralisches Gewicht: gravitas bezeichnet neben einem bestimmten Sti l
(genus grave) die moralische Kraft e ines Redners .
Z u r gravitas und übe rhaup t zu r eloquentia des (Sc ipio ) Africanus (Mi-
nor) (s. zu 1,211) vgl. z.B. Lael. 77: utrumq ue egit graviter und Bru t .
82-85, wo Cicero ihn a ls Redner nicht so hoch einschätzt wie Laelius
(s .u . ) .
Sanftheit: Auch lenitas ist kein spezifisch stilistischer Begriff; ähnlich wiegravitas wird das Substantiv vom Charakter des Sprechers gebraucht, wie
er sich in seiner Redeweise darstellt .
Laelius: s. zu 1,211 und 2,154; sein Stil ist dem genus hum ile z u z u o r d n e n
(s . Brut . 86-89).
scharfen Biss: Auch aspentas kann sich auf den Stil beziehen (z.B. 2,64),
meint aber oft auch den Inhalt der Rede und den »Ton« und das Auftre ten
des Redners (z.B. 2,212).
(Ser. Sulpicius) Galba: s.o. 1,40.227
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Z U B U C H II I 707
Fließendes und Wohllaut: Z u profluens vgl. 2,64, 1. Satz, wo auch andere
hier gen ann te Begriffe gebra ucht w erde n. Zu »W ohllaut« vgl. Bru t. 234:
voce suAVi et canora.
(C. Papirius) Carbo.s. zu 1,40.
29 welche aus ... gegenwärtige: Die Gesprächs te i lnehmer Catulus
(§ 29), Caesar (§ 30), Sulpicius, Cotta (§ 31), Antonius (§ 32) und Crassus
selbst § 33).
Catulus: vgl. die Worte des Antonius 2,28: Catulus ..., cui Latini ...
Graeci ipsi soient suae linguae subtilitatem elegantiamq ue conced ere. Hier be-
tont Crassus neben seiner Latinitas (vgl. die Definit ion Rhet. ad Her. 4,17:
Latinitas est, quae sermonem purum conservât, ab omni vitto rem otum) seine
gravitas, singularis dignitas, human itas ac lepos.
Was immer ... würde: Jetzt werden die beiden angesprochenen Aspekte,
der rein sprachliche (Latinitas) und der mehr ethisch-ästhet ische (gravitas
usw.) vereint .
30 Caesar ... neues Vorgehen ... nahezu einzigartig: In zwei rhetori-
schen Fragesätzen schi lder t Crassus die »Ausnahmeerscheinung« Caesar .Vgl . die Worte des Antonius 2,216b: in quibus ( d . h . iocus u n d facetiae) tu
longe aliis ... excellis und Brut. 177: festivitate etface tiis ... C. Iulius L. f et
superioribus et aequa libus suis omnibus praestitit ... nemo umquam urban i-
tate, nemo lepore, nemo suavitate cond itior; lenitas eius non sine nervis.
Durch prope vor singulare (vgl. 3,27: parpaene) und durch die einschrän-
kenden Adverbien bei den folgenden Aufzählungen der normalerweise un-
vereinbaren Gegensätze tragicus paene comice un d res ... forenses scaenica
prope venustate wird besonders hervorgehoben, dass Caesar eben in keinSchema einzuordnen is t . Zu res forenses u n d scaenica venustas vgl. Brut. 2 03
(über Sulpicius): gestus et motus corporis ita venustus, ut tarnen ad forum, non
ad scaenam institutus videretur. - Vgl. zu § 31 : »Würde . . .« .
Gewicht durch geistvollen Witz gemindert: 2,248 sagte Caesar: gravitas
honestis in rebus severisque, iocus in turpiculis et quasi deformibus ponitur.
31 Sulpicius und Cotta vergleicht Cicero auch Brat . 201-205, wo vieles
an unsere Stelle erinnert .
der eine: Cotta; vgl . 2 ,98, wo Antonius dessen acutissimum et subtilissi-mum dicendigenus hervorhebt; s . dor t zu: »der andere . . .« .
Geschliffen: vgl. zu 3,36: »schliff . . .«.
präzise: s. zu 3,28: »Lysias . . .«.
Sachverhalt... spezifischen ... Begriffen: vgl . Bra t . 317 üb er C ot ta : remis-
sus et lenis et propn is verbis comprehendens so lute et facile sententiam . -pro-
pria verba s ta t t Metaphern .
Sache: causa ist der eigentl iche Streitpunkt; Cotta verzichtet also auf
Ethos und Pathos .
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Richter glaubhaft: Cotta richtet den Blick ausschließlich auf das κρινό-
μενον .
volle ... Stimme: Brut. 203 heißt es über Sulpicius: vox cum magna, tum
suavis; die suavitas wi rd hier viel le icht nicht genan nt, um den Ge gensatz zu
Cot ta noch zu verschärfen .
Würde ... Bewegung: vgl. die zu $ 30 » Caesar . . . « zitierte Brutus-Stelle.
Dor t w i rd du rch tarnen ... non ... auf die hier explizit genannte dignitas
verwiesen.
mora lisches Gew icht und... Fülle: vgl. B rut. 203 : Sulpicius... grandis et...
tragicus orator. Natür l ich beze ichne t gravitas hier nur die Quali tä t der Re-
deweise des Sulpicius und sagt nichts über sein moralisch nicht gerade vor-
bildliches Verhalten während der Diktatur Sullas aus; vgl. 3,11 und dort zu:
»Tribunats . . .«.
32 kehre ...zu uns selbst.. . : Antonius und Crassus ; auch Brut. 138 er-
scheinen die beiden auf dem Höhepunkt der his torischen Ubers icht .
Lage: comparare - zurich ten, a usrüs ten; das P.P.P m it dem Ind . Perf . fui-
mus hat rein adjektivische Bedeutung. Ist diese »Lage« durch das fatumvorherb es t imm t (H erku nf t , Ausbi ldung , b isheriger Lebensweg usw.)?
das Reden: in dicendo betriff t mehr a ls den Sti l ; der Ausdruck is t wohl
zur Verdeutl ichung hinzugefügt: d ie beiden Männer s ind s ich nur auf die-
sem Gebiet unähnlich.
Er ist ... ich aber ... obwohl . . . : D er praestantia des Antonius s teht die
Unzufriedenheit des Crassus mit s ich selbs t gegenüber; aber ansta t t d iese
im Hauptsatz e indeutig anzusprechen, drängt Crassus s ie in den quam-
quam- Satz ab und s te l l t im Hauptsatz verwundert fes t , dass er trotzdemmit Antonius verg l ichen wird . Man kann d iese »Gedankenakroba t ik«
durch des Crassus Bescheidenheit Antonius gegenüber erklären (so LPW
ad 1.); aber Crassus treibt wohl auch ein kokettes Spiel mit dieser Beschei-
denheit : Den Hörern und Lesern soll der Eindruck vermitte l t werden, dass
er in Wirklichkeit e in mindestens genauso bedeutender Redner is t wie An-
tonius. Vgl. Or. 130: Quae (= miserationes) qualiacumque in me sunt - me
ipsum paenitet, quan ta sint - sed apparent in orationibus ...
ich selbst: Das emphat ische memet betont den Gegensatz zwischen desCrassus e igener und der a l lgemeinen Meinung.
doch: -ne = nonne wie 2,62.64.
Sie ist ... Ohren: vgl. das ähnliche Bild des Antonius Brut. 139-142.
kraftvoll, heftig: Um fasst Inhalt , Stil un d actio,
erregt im Vortrag: vgl. Brut. 141 über seine actio singularis.
abgesichert ... wohl verwahrt: Militärische Metaphorik; vgl . Ad fam.
16,23,2 quibus praesidiis philosophiae saeptus sum. Diese Charakteris t ik be-
zieht sich auf die inventio un d die gesamte Vo rbereitung. Vgl. des A nton ius
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Z U B U C H I II 709
Betonung, wie wichtig hierbei die diligentia ist, im 2. Buch
(SS 99 .147-150.186) .scharfsinnig: vgl. zu 3,28: »Scharfsinn«.
kurz und bündig: enucleare = »entkernen« bzw. »den Kern freilegen«.verweilt ... Pun kt: vgl. Antonius über sein eigenes Vorgehen 2,92: mea
autem ratio ...
gibt auf ehrenhafte W eise nach ... verfolgt heftig: Wieder Metaphern ausdem militärischen Bereich. Vgl. das Vorgehen des Antonius im Norbanus-Prozess 2 ,197-203 .
größte Abw echslung ... übersättigt nie: Die vorher genannten Charakte-risierungen der Redeweise des Antonius erwecken den Eindruck der vane-
tas. Der bei Cicero häufige Gegensatz (vgl. Or. 174: ut varietas occurreret sa-
tietati) begegne t auch in De oratore oft .
3 3 Ich aber: Im Unterschied zu S 32 nosmet ipsos (Anfang - vgl. S 32memet) und nostrarum (Ende) spricht Crassus hier natürlich nur von sichselbst (Topos der Bescheidenheit? - s. zu S 32: »Er ist . . .«).
- welchen ... gelten ... doch sicherlich - aber trotzdem: In einer parenthe-tischen Zwischenbemerkung begründet Crassus, warum er - bei al ler Be-scheidenheit - dennoch von sich selbst sprechen muss; quicumque lässt esoffen, ob er sich hoch oder niedrig einschätzt. Über die Rangordnung zusprechen, steht ihm nicht zu und wäre auch unhöflich, aber über die dissi-
militude darf er sich schon ein Urteil erlauben.
sich selbst... Uber sich selbst zu bilden: Über die Bedeutung der Selbster-kenntnis vgl . z .B. De leg . 1 ,58-62 .
die Un ähnlichkeit erkennen : d .h . von w elcher A n sie ist; dass es sie gibt,ist unbestritten.
sparsamen Bewegungen: vgl. Brut. 158: non mu lta iactatio corporis,
non inclinatio vocis, no n crebra supplosio pedis. Crassus beeindruckte durchvultus, gestus und seinen digitus significare (vgl. 2 ,188: Antonius überihn).
größere Mühe ... Gedanken: Nun vergleicht sich Crassus doch, wennauch unausgesprochen, mit Antonius. Seine eigene Stärke ist die elocutio,
die Stärke des Antonius die inventio (vgl . 2 ,121-123; Brut . 215 : at Crassimagis nitebat oratio; 140 über Anton ius: verba ipsa non illa quidem elegan-
tissimo sermon e; itaque diligenter loqu endi laude caruit . . . ; 143 über Cras-sus: Latine loquendi accurata et sine molestia diligens oratio).
3 4 was glaubt ihr . . . : vgl. zu 1,79: »Was ...«.
ebenso v iel Arten ... Redner ...: Wie 2 ,140: quot homines, tot causae eineAnspielung auf: quot hom ines, tot sententiae.
ich möch te fast sagen ... Form en und Gestalten: Umschreibung des Ter-
minus genus (vgl. zu 2,98: »gewissermaßen . . .« und Rhet. ad Her. 4,11:
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710 E R L Ä U T E R U N G E N
Sunt igitur tria genera, quae genera nos figuras appellam us). Vgl. auch zu
3,199: »drei Stilformen« .35 unterrichten und ausbilden: instituere ist allgemeiner und umfasst
nichtintellektuelle und intellektuelle Ausbildung; erudire erfolgt auf höhe-rem Niv eau; 2,1.2 nen nt Cicero seine eigene Ausbildung nu r erudire.
gewissermaßen ... Schule: quasi, weil ludus eine Schule mit relativ niedri-gem Niveau bezeichnet.
36 Isokrates: s. zu 2,10; dort nennt ihn Cicero pater eloquentiae.
Ephoros und Theopomp: s. zu 2,57 Die Frage, ob beide wirklich Schülerdes Isokrates waren, ist nicht eindeutig zu beantworten (s. dazu zuletztG. S. Shrimpton, Theopompus the Historian, Montreal 1991, 9-11, undM . A. Flower, Theopo mp us of Chios. H istory and Rhetoric in the FourthCentury B. C., Oxford 1994, 42-62). Cicero beurteilte beide sehr positiv(vgl. 2,57: duo praestantes ingenio; 2,94 rechnet er sie zu de n me ri principes).
Sein positives Urteil über Ephoros weicht von dessen allgemein negativerEinschätzung in der Antike ab. - Die folgende An ekd ote, die Cicero auch
Brut. 204 erzählt, kann nur historisch sein, wenn sie Schüler des Isokrateswaren.
übermütig ... dämpfen: vgl. 3,166 (in einem zitierten Vers): exultantem
te ... repriment... haberme.
gewissermaßen schüchtern: quasi, weil die verecundia nicht zu der Pferd-Metapher passt.
schliff ab: vgl. 3,3: limatus für das genus humile.
natürliche ... zuließ: Isokrates tat ihrer verschiedenen natura keine Ge-
walt an.37 a Vorbemerkung ... machen ... vorgebracht: 3,25 begann Crassus
m it proponam (aber dort in anderer Bedeutung).
§§ 37b-51Den Abschnitt über die ersten beiden virtutes dicendi, die Latinitas
und das plane dicere, bezeichnen LPW, 1996, 178, als ein »them atisch un -wichtiges, aber unumgängliches Intermezzo«. Cicero habe diese Passagevor der »zentralen Partie« 3,52-143 um der Abwechslung willen, also aus
kompositorischen Gründen, eingeschoben. Zur Vertiefung der folgendenEinzelerläuterungen wird auf die weiteren Vorbemerkungen bei LPW,1996,179-183, verwiesen: »Das System der Stiltugenden; Latinitas und dieurban e Aussp rache; plane dicere.«
37b vortragen ... Antonius entwickelt ... formulieren: Anknü pfung an3,19: cum (Antonius) sibi... omari deberet und präzisierende Erweiterung:dort nur omatus, hier die ganze elocutio; dort nur elocutio, hier elocutio undactio.
später: 3,213ff.; zum Fu t. II videro vgl. zu 2,33: »Aber das ...»
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Z U B U C H I II 711
1. ... Latein - 2. klar - 3. ... Redeschmuck - 4. ... im Gleichklang . . . : Z u
der Aufzä hlung der vier virtutes dicendi vgl. 1,144:1 .pure et Latine (vgl. De
opt . gen. 4: pure et emendate, quod est Latine); 2. plane et dilucide; 3. or-
nate; 4. ad ... apte et quasi decore - und die Erlauterungen dort . Dieselben
vier virtutes begegnen auch Or. 79; Rhet. ad Her. 4,17 nennt nur drei Sti l-
quali täten: 1. elegantia (= Latinitas u n d explanatio/plane ; die Definit ion der
Latinitas lautet dor t : Latinitas est, quae sermonem purum conservât ab omni
vitto remo tum) ; 2. composition 3. dignitas omatus) . Das πρέπον i s t ke ine
selbsts tändige Qual i tä t , wird aber bei der Darstel lung der dignitas wie-
derhol t erwähnt , z .B. 4,22; die compositio verborum constructio) gehör t
eigentl ich z um omatus (vgl. zu 3,148-209).
dass wir (4-mal): 1. §§ 39-48 Latinitas; 2 . §§ 48-50 plane dicere; 3. §§ 52-20 9
ornate dicere; 4. §§ 210 - 212 apte dicere.
38 reine ... deutliche: Variationen zu Latinitas u nd plane: vgl. Or. 79:
dilucide planeque.
Redekunst ... sprechen: Zum Bedeutungsunterschied der Verben vgl .
Or. 113: aliud videtur oratio esse, aliud d isputatio; nec idem loquiesse
quoddicere, dtsputand i ratio et loquend i d ialecticorum sit, oratorum autem dicendi
et omandi.
wage ...zu hoffen: Der Infinitiv operare ist wohl noch von conamur ab-
hängig gedacht , hat s ich aber verselbständigt (An ako luth?) .
Lassen wir ...: Praeter i t io; doch im nächsten Paragraphen führt Crassus
einige praecepta an, al lerdings nu r solche, die üb er den Elem entarunterr icht
h inausgehen.
39 gewählte Ausdrucksweise: vgl. Rhet. ad Her. 4,17 (s. zu § 37): ele-gantia est, quae facit, u t unum quidque pure (hier: Latine) et aperte (hier:
plane) did videatur.
noch nicht verstanden: Laut Antonius 1,94 f.; 2,121 f . beh errsc hte Cr ass us
als Erster die Kunst des omatus.
Worte ... Standardsprache nicht mehr . . . ; A rchaism en.
werde ... hinweisen: 3,153.
beschäftigt: eigentl ich »gewälzt«; das recht drastische und hier unpas-
sende Verbum volutari verwendete Cicero vielleicht, weil ihm die Vorstel-lung saipta - Volumina vorschwebte .
40 Wörter ... aussetzen könnte: Ausführl iche Behandlung der Fehler
aufgrund einer unüberlegten Auswahl (Archaismen, Barbar ismen, Soloe-
zismen) in Quint . 1 ,5.
beibringt: efferre zum Zweck der Abwechs lung s ta t t uti.
Zunge - Atem - Klang der Stimme: Von den drei phonologischen Quali täten
Artikulation, Atemtechnik und Stimmqualität werden in § 41 nur die ersten
beiden behandelt; vgl. auch ihre Besprechung Quint. 1,11,4-8 und l,3,33ff.
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712 E R L Ä U T E R U N G E N
41 Buchstaben: d. h . d ie durc h Buchstaben bezeichn eten Lau te .
1. zu affektiert - dumpf; 2. hingehaucht - hervorgepresst: Gegensätz l ichevitia, die durch Überschreiten des modus (vgl. § 40 moderandus) zus tande
k o m m e n .
gewissermaßen: 3-ma l quasi in § 41, um den Eindruck der Improvisation
und der Suche nach Worten im Gespräch hervorzuheben .
Stimme ... noch nicht . . . : V om sonus vocis des Redners {quae sunt actio-
nis) hande l t 3 ,224-227
normalen Sprachgebrauch: Auch der nicht-oratorische sermo ist der Lati-
nitas verpfl ichte t .
weiche ... weibische: vgl. De off. 1,129, wo es um das decorum des gan-
zen Benehmens geh t : duo maxime sunt fugienda, ne quid effeminatum aut
molle et ne quid durum aut rusticum (die rustica vox wird Crassus im nächs-
ten Paragraphen behande ln) .
42 bäurischen ... Stimm e ... Altertümlichkeit: Zum Verhältnis von
sermo antiquus u nd sermo rusticus s. W. D. Lebek, Verba prisca. Die An-
fänge des Archais ierens in der la te inischen Beredsamkeit und Geschichts-schre ibung , Hypomnemata 25 , Göt t ingen 1970 , 51-59 .
rohen: agrestis is t im Un tersch ied zu rusticus negativ; vgl . Pro Rose. Am.
75: vita haec rustica, quam tu agrestem vocas.
L. (Aurelius) Cotta: s. zu 2,197; Br ut. 259 heißt es üb er ih n: . . . sonabat...
contrarium Catulo, subagreste quiddam planeque subrusticum, alia quidem
quasi inculta et silvestri via ad eandem laudem pervenera t.
recht bäurisch: rusticanus ( - rusticus) ist vielleicht analog zu urbanus ge-
bildet.Feinheit ... Hauptsache: Etwas verkürz t ; S inn : Die suavitas verborum
wird durch den richtigen dilectus verborum, das caput bei der Latinitas, er-
re icht .
Einwohnern Attikas: Wohl auch Anspie lung auf den aufkommenden At-
t iz ismus .
43 jeder beliebige ... übertreffen: vgl. Brut. 172, wo die Geschichte er-
zählt wird, wie e ine a l te a thenische Händlerin Theophras t aus Lesbos auf-
grun d seines A kzen ts als N ich t-A then er identif iz iert, obw ohl er schon sehrlange in Athen gelebt hat.
Unsere Lan dsleute (die Stadtrömer) . . . Latiner: Über ra s chende Behaup-
tung. Rechneten s ich Crassus und Cicero nicht zu den nostri?
Q . Valerius aus Sora (um 130-82) war, wie sein ebenfalls hoch gebilde-
te r Bruder Dec ius , mi t Cicero befreunde t . E twa 90 wurde e r römischer
Vollbürger. Auf der Flucht vor Sulla wurde er ermordet (vgl. Brut.
169-172).
glatten Fluss: vgl. zu 2,54 und 64a.
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Z U B U C H I I I 713
Wohllaut ...: Eigentlich »Druck seiner Lippen«, diese »artikulierende
Mundstellung« (LPW ad 1.) verhindert eine zu breite, plumpe Aussprache(vaste áicere) und bew irkt Wohllaut (sonus).
44 übertrieben fremde Aussprache: erg. »der Nicht-Italiker«.
45 Laelia, geb. um 160, war die ältere Tochter des C. Laelius Sapiens(s. zu 1,211). Eine ihrer Töchter war mit Crassus verheiratet. Auch derjunge Cicero verkehrte in ihrem Hause. Brut. 210 f. wird sie zusammen mitanderen gebildeten Rö m erin nen , u. a. mit Corne lia, als erste Lehrm eisterinder Mutter( ! )sprache für ihre Söhne erwähnt (vgl . die Aussage der fol -genden Parenthese).
(T. Maccius) Plautus (um 250-184) und (Cn.) Naevius (3. Jh. v. Chr.) sindzwei der § 39 erwähnten veteres; in De oratore werden sie beide nur hier er-wähnt. Brut. 75 vergleicht Cicero das Bellum Punicum des Naevius mit ei-nem Bild des Myron (s. zu 3,26).
direkt: Gegensatz : inclinatio vocis.
einfach: d.h. aufrichtig; Gegensatz ist die unaufrichtige ostentatio und
verfälschende imitatio von etwas, das man selbst nicht sein kann.den ich erwähnte: Q. Valerius Soranus (§ 43).
abgehackt: hiulcus < hiare; eigentlich »au seinanderklaffend«. D ie hier auf-gezählten positiven und negativen Merkmale beziehen sich also wohl nichtauf die Aussprache eines einzelnen Wortes, sondern ganzer Wortgruppen(Kola, Sätze usw.); vgl. die Ausführungen zur conlocatio verborum 3,171 f.
gut artikuliert: s . zu 2 ,43 : »Druck . . .« .
gleichmäßig ... glatt fließend: Die entsprechenden G egensätze sind hiulce
und aspere; vgl . 2 ,64 : genus orationis ... cum levitate quadam aequabiliterprofluens sine hac iudiciali aspeñtate.
4 6 (L.) Cotta: s. zu 2,197 und 3,42.
breite Aussprache: D ie latitudo verborum war charakteristisch für die lin-
gua rustica.
Sulpicius ... nachahmst: vgl. 2 ,96.
i... e aussprichst: vgl. Quint. 1 ,4,17: Quid? non e quoque i loco fuit? M en-
erva et leber et mag ester et Diove Victore, non Diovi Victori.
Redner ... Schnitter: Krasser Unterschied zwischen rusticitas und der in -
corrupta antiquitas der veteres.
ihr: Die beiden Jüngeren, Sulpicius und Cotta. (Letzteren schließt Cras-sus wohl ein, um nicht Sulpicius allein bloßzustellen ( h um a n i t a s i ) .
47 Antonius sagte: 2 , 8 9 .
Du ... trotzdem: Überliefert ist das elliptische tum, quod (so liest auchKumaniecki, 1969; tum wegen des vorausgehenden tum illei); der Verbes-serungsvorschlag von Schuetz: tu vero (erg. poteris sine tuo periculo), quod,
wurde aber von vielen Herausgebern übern om m en.
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714 E R L Ä U T E R U N G E N
das Aufstampfen: vgl. zu 1,231: »aufstampfte«.Wichtigeres: N icht nur m ehr Ä ußerliches, wie es sich Sulpicius gem erkt
hat.48 ... also ... übergehen: Abschließende Zusammenfassung und Rück-
kehr zu § 39 (Ringkomposition).49 f Vg l. die sehr knappe Behandlung des plane dicere hier mit der de-
taillierten Darstellung Quint. 8,2,1-24.49 gebräuchlichen ...im eigentlichen Sinn: vgl. Rh. ad Her. 4,17: Expla-
natio (hier: plane dicere) ... comparatur duabus rebus, usitatis verbis et pro-
pñis. Usitata sunt ea, quae versantur in sermone et consuetudine cotidiana;
propria, quae eius rei verba sunt aut esse possunt, qua de loquemur (usitata —
κοινά; propria = κύρια).
ohne ... keine ... nicht (im Lateinischen 6-mal non!) : vitia bei den verba
und im sermo. Vgl. 2,329: Perspicua narratio, si verbis usitatis, si ordine tem-
porum conservato, si non interrupte narrabitur.
Satzperiode: s. zu 1,261: »Periode«; vgl. Rh . ad Her. 4,18: Compositio est
verborum constructio aequabiliterperpolita. Ea conservab itur, sifugiemus ere-bras vocalium concursiones, quae vastam atque hiantem orationem reddunt...
et si vitabimus eiusdem litterae nimiam adsiduitatem ...et si non utemur con-
tinenter similiter cadentibus verbis ... (die genannten vitia werden durch
exempla veranschaulicht); vgl. auch Or. 85.
50 informieren: vgl. 2,102.
(L.) Fufius: s. zu 1,179 und 2,91.
(Cn.) Pomponius: 90 Volkstribun und M itbewerber C ottas um das Kon-
sulat. Später urteilte Cicero positiver über ihn als Redner (z. B. Brut. 305).nichts ... einnimmt: Verkürzt statt »dass man n icht erken nt, was den ers-
ten ... einnimmt« oder etwa »dass nichts an der richtigen Stelle gesagtwird«.
übertrieben: insolentia kennzeichnet den Gegensatz zu usitatis verbis
( § 4 9 ) .51 Ei freilich: Natürlich ist der Einwu rf des Antonius ironisch (bis »zu-
zuhören«).
so glänzend ... : Crassus beschränkt sich nicht nur auf Latine atque planedisputare (das wäre selbstverständlich), sondern kleidet sogar die Darstel-lung der »trockenen« ars in eine hervorragende oratio (nitida ... plena ...
nova quaedam est oratio - nicht disputatici oder sermo - tua)·, vgl. das Zitataus dem Orator zu 3,37
§§ 52-143: »zentrale Partie des 3. Buches« (LPW, 1996,178).
S S 5 2 - 5 5Das »Kernthema« über das Wissen des orator perfectus, das in 3,19-24
schon angesprochen wurde, wird nun in zwei weiteren »Wellen« (3,52-95
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Z U B U C H I I I 715
und 3,96-143) weiter ausgeführt. Die §§ 52-55 bilden den »Auftakt« dazu.
An den beiden hier behandelten virtutes dicendi, dem ornate dicere und apte
dicere, wird neben der stilistischen vor allem auch die inhaltliche Kompo-
nente hervorgehoben; Voraussetzung für echten omatus und echtes aptum
und damit für die vera eloquentia ist ein reicher Inhalt. Die »schulmäßige«
Behandlung des omatus und des apte dicere erfolgt erst 3,148-209 und
3,210 - 212; allerdings referiert Crassus dann ein wenig widerwillig.
52 zwei Teile ... die übrigen: Zur Gegenüberstellung der faciles und
magnae ... graves virtutes dicendi vgl. 3,150-152 und Brut. 140: non ... tarn
praeclarum est scire Latine quam turpe nescire ñeque tarn id mihi oratoris boni
quam civis Rom ani proprium videtur.
53 Bei wem also ... Menschen?: Auf die vier resümierenden rhetori-
schen Fragen (variierende Reihenfolge: in quo ... quem ...in quo ... quem )
antwortet Crassus in einem einzigen Satz, in dem aber die vier anaphori-
schen Relativpronomina qui... qui... qui... qui auffallen sollen; das vierte
Glied besteht nicht nur aus einem Adverb und ist besonders ausladend.
Gott unter Menschen: vgl. zu 1,106: »Gott«.geordne t ... Entfaltun g ... wortreich ... glanzvoll: Die vier Adverbien
stellen keine definierende Umschreibung des folgenden ornate dar und be-
schränken sich nicht auf die rein stilistischen Aspekte (et rebus et verbis -
Wiederaufnahme des Them as von 3,19 -24 ). - D er Gedan ke, »daß der Red-
ner gerade mittels eines reichen Inhalts auf sein Publikum Eindruck macht
und Einfluß ausübt, . . . kehrt oft wieder (3,52-4; 91-3; 105-7; 120) und bil-
det den konkretesten Zusammenhang mit denjenigen Stiltugenden, denen
die ganze Erörteru ng ü ber die res untergeo rdnet ist, ornatus und aptum .. . «(LPW, 1996, 91).
gewissen Rhythm us ... Versm aß: Prosarhythmus, Klauseln; numerus ~
αριθμός und/oder ρυθμός und/oder μέτρον.
d.h. ... verwirklichen: id est (erg.: ~ qui idfaciunt), quod dico ...
Bedeutung: dignitatis ist hier neutral; 3,210-212 wird der Gedanke
ausfuhrlicher entwickelt; vgl. auch Or. 71 : ... quid deceat..., quod et in re,
de qua agitur, positum est, et in personis et eorum , qui dicunt, et eorum , qui
audiunt,Art V orzug: in eo genere ... laudis: Hyperbaton; laus statt virtus begegnet
auch sonst bei Cicero, z.B. 3,144: omnem orationis laudem, Or. 79: in ora-
tionis laudibus und D e o pt. gen. or. 6: omnis laudes; hier aber steht es woh l
auch um der variatio und d er Verbindung laudandi laudis willen statt in ea
virtute (dicendï).
Angem essenheit und Gleichklang: vgl. zu 3,37: »1. Latein ...«.
54 behauptete Antonius: In seinem »Büchlein« (s. zu 1,94 und 3,189).
wenn ... soll: me auctore wie 1,54.
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Rhetoren: Ihnen fehlt d ie vis oratoria und ihre theoretischen Systeme
s ind beschränkt .
erfasst ... Beruf ist: vgl. zu 3,22 : »de ssen ... «.
Der wahre Redner ... muss . . . : N ac h der e rsten »Welle« 3,19-24 ne nn t
Cicero in diesem Satz zum ersten Mal in Buch III schon recht spezifiziert,
wenn auch noch behutsam die e thisch-poli t ischen Kenntnisse (omnia),
quae sunt in vita hominum), die sich der oratorperfectus aneignen muss .
untersucht ... debattiert: Überlegte Reihenfolge der sechs Verben: quae-
sita: noch recht allgemein - audita, leda: spezifischer; Aneignung von
Kenntnissen - disputata: Erör te rungen darüber - tractata u n d agitata: A m
Ende s tehen die intensivs ten Wörter .
55 Die Beredsamkeit nämlich ... : In einem einzigen Satz fasst Cicero
hier sein Ideal von der vera (!) eloquentia und dem orator perfectus z u s a m -
men und leitet damit am Anfang der zweiten »Welle« (s . zu 3,122) zum
Kernthema des 3 . Buches über.
geradezu ... höchsten Tugenden: Anspielung auf s toisches Gedankengut;
vgl. 1,83: eloquentiam ... unam quandam esse virtutem (Lehre des StoikersMnesarchos) und 3,65 (spezifisch stoische Lehre): soli (!) ex omnibus elo-
quen tiam virtutem ac sapientiam (vgl. § 56) esse dixerunt (s. zu 3,65: »al-
le in . . .« ) . Aber d ie Hinzufügung von summis widerspricht der s toischen
Lehre, nach der alle virtutes inter se aequales et pares waren; wohl deswegen
fügt Crassus quam quam ..., sed ... an.
Besitz ... Sachkenntnisse: Einhe i t von Denken und Reden .
Zuhörer ... treiben: Die Psychagogie ist fester Bestandteil der eloquentia;
vgl. 1,17: omn is animorum motus ... mentibus aut sedand is aut excitandis ...(s . dort zu: »alle . . .«) und 1,30: neque vero mihi ...
Rechtschaffenheit... Klugheit: Dieser moralische Anspruch bedeutet na-
türlich nicht, dass der Redner sich immer an die Wahrheit halten muss; das
widerspräche seiner Verpflichtung gegenüber seinen Klienten (soziale
Pfl icht nach dem Motto »der Zweck heil igt die Mitte l«), Bemerkenswert
ist, dass in den laudes eloquentiae des Crassus (1 ,30-34) und Antonius
(2,33-35) der Wahrheitsbezug fehlt. U ns ere Stelle ist die einzige im 3. B uch ,
wo der moralische Aspekt der eloquentia überhaupt expliz i t angesprochenwird. Cicero kannte das Problem wohl, läss t es »danach jedoch unauffäl l ig
verschwinden« (LPW, 1996, 201); sein eigendiches Thema sind die Kennt-
nisse des Redners. -
Zum gesamten § 55 wird nachdrücklich auf LPW, 1996, 198-200 (»Die
Transferierung s toischer Gedanken in 3 ,55«) und 200-201 (»Die mora-
l ische Integri tä t des Redners«) verwiesen; dort werden weitere Litera tur-
angaben, bes . zum zweiten Thema, gegeben.
Redefertigkeit...: s. zu 2,6: »Fülle . . .«.
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Z U B U C H I II 717
gewiss: Das Fut . I I bezeichnet of t »den best immt eintretenden Erfolg
einer kün ft igen Han dlung « (K ühn er/Ste gm ann 1,147).
Wahnsinnigen ... Waffen: Den Vergleich gebraucht schon Piaton, Gorg.
456 C 6-457 C 3 (ein Faustkämpfer missbraucht seine Fertigkeit , um sei-
nen Vater zu schlagen).
§§ 56-73
Die Erör te rung ü ber die Einhei t von Reden un d W issen wird je tzt vor al-
lem unter dem Aspekt der his tor ischen Entwicklung geführt . In der ant i -
ken Philosophie trat bekanntl ich mit Sokrates dadurch, dass er die Ethik in
den Mittelpunkt des philosophischen Interesses stel l te, ein entscheidender
Wendepunkt ein (vgl. 1,42). Aber auch, was die Einheit von Philosophie
und Beredsamkei t angeht , markier t sein Auftreten einen einschneidenden
Kurswechsel , aus des Crassus Sicht al lerdings in die falsche Richtung: So-
krates heb t die ursprüngl iche Einhei t von Reden un d D enk en au f ; das D en -
ken gilt seither ausschließlich als proprium der Phi losophen. Natür l ich be-
deutet das eine Beschränkung und einen Prescigeverlust für die Rhetorik,
aber nur fü r die »gew öhnl iche«, schulmäßige, landläuf ige norm at ive theo -
retische Lehre; der orator perfectas erhebt sich über diesen historischen Irr-
tum - so Crassus - und s t rebt dem ursprüngl ichen Ideal nach. - Der an-
schl ießende Abschni t t 3 ,74-143 baut großentei ls auf diesen Ausführungen
auf. - Z ur V ertiefung wird auf LPW , 1996, 210-2 23, verw iesen.
56 Weisheit. Den griech. Begriff philosophia verwendet Crassus ers t
§ 60 (s. die Erläuterungen dort) .
Ihr widm eten ... wie ... wie (usw.) : Das anaphorische hinc umfasst den
ganzen im Vorhergehenden aufgezeigten Komplex und nicht nur den Be-griff der sapientia.
Männer wie: Zu den Eigennamen im »generellen« Plural vgl. 1,210: Afri-
canorum et Maximomm (s . die Erläuterungen dort ) .
Lykurg: s. zu 1,58; er wurde nicht zu den Septem sapientes gerechnet wie
die nächsten beiden. - Alle sieben Weisen außer Thaies waren Staatsmän-
ner (3,137: civitatihus suispraefuerunt).
Pittakos (aus M ytilene auf Leshos), (um 651/650-570) wurde t rotz seiner
niederen Herkunft , derentwegen ihn der Dichter Alkaios hef t ig be-schimpfte, ein erfolgreicher und angesehener Staatsmann, der seine Hei-
ma tstadt von der G ewal therrschaf t der Adelscl iquen, von Par teienzwist und
Krieg befreite. D an n zog er sich freiwillig aus dem poli tischen Leb en zurü ck
und lebte noch 10 Jahre als Privatm ann seiner l iterarischen T ätigkeit .
Solon wird in De oratore stets zusam men mit Lykurg genannt (s. 1,58.197).
(Ili Coruncanius, 280 un d 278 Konsul , 275 Zens or , genoss wa hrschein-
lich wegen seiner römischen T ug end en un d seiner Si t tenst renge den Ru hm
eines sapiens.
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(M. Porcius) Cato (Matarj wird hier wohl wegen seiner Beredsamkeit
und seiner Rechtskenntnisse genannt.
(P. Cornelius) Scipio (Africanas Maior): s. zu 1,211 ; vgl. auch 3,28.
vielleicht nicht... Willen: \gl. 3,134-136.
klug, aber nicht weise!
Ruhe und Muße (quies atque otium: der Zus tand ohne negotia) - inneren
Friedens (tranquillitas: erlebter Ruhe); vgl. De off. 1,63: tranquillitatem ex-
petentes a negotiis publicis se removerint ad otiumque defugerint.
Pythagoras u n d Demokrit: s. zu 1,42.
Anaxagoras (aus KUzom enai) (500-428) erklärte die Weltents tehung
physikalisch; diese werde aber von einem alles beherrschenden Geis t
(νους) sinnvoll gelenkt. 432/431 wurde er wegen Asebie angeklagt, entging
aber der Todess trafe und s tarb in der Verbannung. 3 ,137 bezeichnet Cras-
sus ihn, den Lehrer und Freund des Perikles, als virsummus in maximarum
rerum scientia. - Auch Tusc. disp. 5 ,66 nennt Cicero die dre i Männer a ls
Beispie le von re inen Theoretikern.
Welterkenntnis: Nicht-e thische Philosophie .57 Dadurch ... Muße ... Begabung ... erforschen: vgl. zu 2,21 »nicht
geistige ...«.
diesen Studien: vgl. § 56: cognitionem.
hochgebildeten ... besaßen: Die typischen Einwände gegen die Griechen;
vgl. 1,22: Graecos ... abundantis.
... Handeln ... Reden: Ethik und Rhetorik wie § 59: faciendi dicendique
sapientia.
machte ... keinen Unterschied: vgl. 3,19-24.Vorschriften ... Leben: vgl. De fin. 1,42: sapientia, quae ars vivendipu-
tanda est und 3 ,4 : ars est enim philosophia vitae (s ta rke Be ton ung der Eth ik
innerhalb der Philosophie).
Phoinix ... »zum Redner ...zu machen«: Crassus paraphras iert Jl. 9 ,438 -
443; den le tz ten, sehr bekannten Vers , der im Stre i t zwischen Rhetoren
und Philosophen wohl häufig z i t iert wurde (vgl . Quint . 2 ,3 ,12), g ibt er in
la te inischer Übersetzung wieder.
5 8 wie ... so ... Lebensjahre: D i e hom ines ... adsueti u n t e r b r e c h e n
ih re täg l iche Arbe i t nur gezwungenermaßen und tun dann e twas Nutz -
loses; die illi wenden s ich aber aus e igenem Antrieb der vita contemplativa
zu (wohl deshalb nennt Crassus ihre Tätigkeit novum Studium ludum-
que [!]).
Knöcheln ... Würfeln: D ie tali waren aus den Knöche ln der Hin te rfüße
von Tieren gefertigte längliche Würfel, die nur an den vier Längsseiten
Zahlzeichen hatten; die tesserae, viereckige Holzwürfel , t rugen (wie unsere
Würfel) auf allen sechs Seiten Zahlzeichen.
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Z U B U C H III 719
durch die Zeitumstände: Wohl auch Anspielung auf Ciceros eigene poli-
t ische »Kaltstel lung«.
wie vo n der Arbeit: Wiederholung von ab opere, wohl um besonders zu
beton en, dass für die illi das Wichtigste die negotia sein soll ten, ebenso wie
für die Bauern die opera.
freigestellt: feriati < feriae; - liberi.
Dichtem (meint Gram m atik, d. h. Sprach- un d Li teraturwissenschaf t ) . . .
Geometrie (der Begriff schließt auch Arithmetik und Astronomie mit ein;
vgl. 1,10: mathem atici) ... Musik ... Dialektiker: Sechs der Septem artes libe-
rales; nicht genannt wird die Rh etor ik , die ja m ehr un d m ehr aus dem Sys-
tem des höheren Unterr ichts herausgelöst wurde. 1,44 bezeichnete Scae-
vola Mathemat ik, Grammatik und Musik als unwicht ig für den Redner . -
Als Erfinder der Dialekti ik galt Zenon von Elea (um 495 - mindestens
445); am bekanntesten s ind seine Argumente gegen die Bewegung, z .B.
der Tragschluss von Achill und der Schildkröte.
höhere Menschenbildung: humanitas »als Ergebnis von Erziehung«
(F. Wehrli, 1978, 74-99; hier: 79).59 Doppelbegabung: anceps (ambo + caput) bedeutet : »nach beiden
entgegengesetzten Seiten sich wendend« (wie Ianus).
Themistokles (s. zu 2,299) und Penkies (s. zu 1,216) werden Piaton,
Gorg. 515 Β 6 - 517 A 6 hart angeg riffen; we nn Crassu s die beiden hier
nennt, polemisiert er wohl gegen diese bekannte Stelle. Vgl. auch Brut. 28
Them istocles ..., quem constat cum pruden tia tum etiam eloquentia praesti-
tisse; post Pericles, qui cum floreret omni genere virtutis, hac tarnen fuit laude
(erg. dicendi) clarissimus.Theramenes: s. zu 2,93.
Gorgias: s. zu 1,103; zu seinem und des Thrasymachos (aus Chalkedon;
2. Hä lf te des 5. Jh.) um fasse nd en W issen vgl. 3,126-129. Beide förd erten die
Entwicklung der Rhetor ik entscheidend. Th rasym acho s is t beson ders du rch
das Porträt , das Piaton im 1. Buch des Staates von ihm zeichnet , bekannt .
Isokrates: s. zu 2,10. Für Cicero war er der Lehrer der Rhetorik schlecht-
hin (vgl. 3,36).
60 Sokrates ... zusammenhangen: Dass ausgerechnet Sokrates , dessenhervorragende rhetor ische Qual i tä ten unbestr i t ten waren (eloquentia, va-
rietale, copia) und von Crassus besonders hervorgehoben werden (tum
vero), Phi losophie und Rhetor ik endgül t ig t rennte, wirkt paradox; es passt
eigentl ich auch nicht zu den Eigenschaften (prudentia usw.) , die Crassus
zuerst aufzähl t .
überlegen war: Auffäll ige (absichtl iche?) Wiederholung von princeps.
Beredsamke it ... Fülle: varietas u n d copia s ind unabdingbare Charakte-
ristika echter eloquentia.
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720 E R L Ä U T E R U N G E N
Richtung: Lokale Metapher für »Thema« o. ä .
gehen mochte: Der Kon junk t iv dedisset is t wohl i tera t iv aufzufassen
(Kü hner /S tegm ann 2 ,206 f .) .
einzigen Namen ... Philosophie: vgl. § 56: sapientiam nominabant. D as
griechische Wort φ ι λ ο σ ο φ ί α h a t ursprünglich nicht nur das Denken, son-
dern auch das Handeln umschlossen; es bezeichnete »das gute Verhältnis
z u r σ οφ ία « u nd w ar der a llgemeine Begriff für (besonders »praktische«)
»Bildung«. So konnte z .B. Dikaiarchos , Schüler des Aris tote les , und
Theophras t e rk lä ren , wahre φ ιλο σ ο φ ία l iege in der vita activa. Nicht ge-
gen diese ältere Bedeutung polemisiert Cicero, sondern gegen die pla toni-
sche Neuinterpreta t ion, die auf die bekannte Geschichte zurückgeht, dass
Pythagoras das Wort φ ιλ ο σ ο φ ία geprägt habe, um das Streben nach
σ οφ ία , d ie den Gö tte rn vorbeha l ten war , anzu deu ten ; danach beze ichne te
das W ort das T un in den Philosop hensch ulen. W ohl um der »rhetorischen«
Übertre ibung willen geht Cicero noch über die ursprüngliche Erklärung
des Wortes hinaus und bezeichnet die Praxis (exercitatio), also auch die Tä-
tigkeit der causarum actores (s .o.), ebenfalls als philosophia. (Nach LPW,
1996, 214f.). Die Tatsache, dass der Autor hier erstmals in Buch III den für
seine Leser mit griechisch-theoretischen Assoziationen belasteten Begriff
gebraucht, zeigt wiederum, wie vors ichtig er vorgeht.
61 Daher: Aus dem Vorgehen des Sokrates .
widersinnigen ... Spaltung: discidium (< discindere - auseinanderreißen)
wir kt hier geradezu bru ta l ; d ie drei Attr ib ute be s tärken diesen sehr negati-
ven Eindruck .
Herz: Als Sitz des Verstandes (vgl. Lucr. 4,44: cognoscere corde).Denn: Nam verbindet die folgende Aussage mit den Fests te l lungen von
§ 6 0 .
ziemlich viele (Einzelpersonen) . . . Familien (Phi losophenschulen) : A uch
§ 62 nennt Crassus ers t Personen, dann die Schulen.
gleichwohl: Der erklärende Hauptgedanke wird ers t am Ende in e inem
Nebens a tz (cum tarnen ...) angeschlossen.
alle Philosophen: Übertre ibung; für die Epikureer gil t das nicht .
62 in erster Linie ... : pñmo is t h ier nicht temporal aufzufassen.§§ 63-68 werden die e inzelnen »Schulen« in umgekehrter Reihenfolge
dargestellt . Der Peripatos wird § 67 nur genannt; der Akademie als der
wichtigs ten Richtung s ind § 67 und 68 gewidmet. Xenokrates (aus Chalke-
don) (396/395-314), e in Schüler Pia tons , wurde nach dem Tode Speusipps
(s. zu § 67) 339 der dritte Schulleiter der Akademie. Er verzichtete darauf,
die Lehre Piatons weiterz uentw ickeln, son dern setz te sich zum Ziel , s ie zu
»konservieren«; so arbeite te er die Gedanken des späten Piaton zu e inem
umfassenden Weltsystem aus . Ihm wird die Gliederung der Philosophie in
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ZU BU CH III 721
Logik, Physik (Naturphi losophie) und Ethik zugeschrieben. Antisthenes
(aus Athen) (um 455-360) war zunächst Schüler des Gorgias, schloss sich
aber bald Sokrates an, den er sehr verehrte un d bei dessen Tod er anw esend
war (Plat . Phaid. 59 B). Natürl ich nahm er dessen antirhetorische Haltung
an. Bald nach 399 eröffnete er im Gymnasien Kynosarges (!) eine eigene
Schule, eben die der Kyniker (!) . Wie Sokrates lehrte er, dass die Tugend
lehrbar sei; sie werde aber mehr durch die Tat und Willenskraft als durch
Wissen verwirklicht . Sein bekanntester Schüler war Diogenes von Sinope
(»D. in der Tonne«; »der Hund« - um 412 - um 323) . Uber diesen führte
die Linie Sokrates - Antisthenes - Kyniker auch zur Stoa. Deren Begrün-
der Zenon von Kition (um 335 - um 262) war zunächst Anhänger des Dio-
genes-Schülers Krates von Theben (Ende 4. Jh.) . Aristippos (d. Ä; von Ky-
rene) (um 435 - nach 366) gehörte ebenfalls zum engeren Kreis des
Sok rates, ging aber bald seinen eigenen Weg un d ertei l te gegen Entgelt U n -
terr icht . Das zentrale Them a seiner auf die Ethik beschrän kten Phi losophie
war die ηδονή; Grundlage der ευδαιμονία s ind (körperliche) Lusterleb-
nisse. Die von ihm begründete Richtung des Hedonismus innerhalb der
kyrenäischen Schule bestand bis 275.
Ausdauer und Abhärtung: vgl. die Definition De inv. 2,163: Patientin es t
honestatis aut utilitatis causa rerum arduarum ac difficilium voluntaria ac di-
uturna perpessio. Für die duritia des Sokrates vgl. 1,28: durissimis pedibus
und Plat . Symp. 220 Β C .
verteidigt hatten: Plusquamperfekt. , weil die Zeit vor dem Auftreten der
Epikureer, die bekanntlich keinen platten H edo nism us vertraten, gem eint ist.
diejenigen, welche jetzt . . . : D ass Cic ero auch die Epikureer in die Reiheder Nachfo lger des Sokra tes aufn immt, überrascht ; denn s ie wol l ten keine
Socratici sein und auch sonst wird nirgends von einer diadochischen Bezie-
hung der Epikureer zu den Kyrenaikern gesprochen (bekannt l ich gehörten
sie nicht zur griechisch-ionischen, sondern zur römischen »Linie«). Dass
dem Autor dies bewusst war, zeigt die sprachliche Gestaltung: Das Verbum
manare, durch welches das Abhängigkeitsverhältnis der vorher genannten
phi losophischen Richtungen voneinander ausgedrückt wurde, vermeidet
Cice ro jetzt . Vielleicht ne nn t er die Ep ikure er nu r, um seine Krit ik an ihne nwegen ihrer »Nähe« zu den Hedonisten und ihrer »Halbhei t« (s .u. nec ...
nec ...) zum Ausdruck br ingen zu können. - § 63f . wird s ich Cicero i ro-
nisch, aber nicht ohne Respekt ausführl icher mit dem Epikureismus aus-
einandersetzen. Vgl . auch das Proömium zu Buch I von De re publica
(1,1-12, bes . §§ 4ff.) , wo rau s ersichtlich ist , dass die Epik uree r w irklich A r-
gumente gegen pol i t i sches Engagement sammelten.
indem ... tun: Dadurch unterscheiden s ich die Epikureer von den Hedo-
nis ten.
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722 E R L Ä U T E R U N G E N
sittlichen Würde: M it dignitas gibt Cicero ebenso wie mit honestas/hones-
tumxb καλόν wieder (s . zu 2 ,335: »s i t t l iche . . .«) .
andere Philosophenschulen ... ausgelöscht: Diese nicht m eh r exis t ierenden
genera nennt Cicero wohl nur der Volls tändigkeit halber, vor a l lem aber,
um zu betonen, dass auch sie als Socratici die Redekunst ablehnten.
Eretrier: Von Menedemos aus Eñtrea (um 340-265) gegründete Schule .
N ach d es M ene dem os Tod verlor sie a lle Be deu tung , bes tand ab er noch bis
nach 240.
Erillier: Anhänge r de s Erillos/Herillos aus Karthago , eines Schülers des
Zenon (s .o . ) ; er wurde aber der s toischen Lehre gegenüber »Diss ident«.
Die Zeit Chrysipps (s . zu 1,50) überdauerte die »Sekte« der Erillier nicht.
Megariker: Die Megarische Schule wurde von Eukleides aus Megara ge-
gründet, einem Schüler des Sokrates (s . Plat. Phaid. C 2). Zwischen den
Megarikern und der gle ichzeit ig aufkommenden Akademie Piatons scheint
es eine starke Rivalität gegeben zu haben, aus welcher die Akademiker als
Sieger hervo rginge n; s icher trug da zu auch bei , dass ab der M itte des 4. Jh . s
nur noch in Athen Phi losophie be t r ieben werden konnte .Pyrrhoneer: Anhänger des Pyrrhon von Elis (um 360-271), des Begrün-
ders des Skeptiz ismus.
vorher Genannten = horum ; gem eint sind die no ch jetzt (i. J. 91) existie-
renden Schulen .
erledigt... ausgelöscht: Zwei Phasen : fracta ~ wider leg t ; extincta - end-
gült ig verschwunden.
63 philosophische Richtung , w elche ...: Nirgends in De oratore n e n n t
Cicero die Epikureer nam entlich (s . zu § 62: »diejenigen . . .«), vielleicht, umihre Lehre zu bagatel l is ieren. Wegen ihrer großen Anhängerschaft in Rom
konnte er s ie jedoch nicht ignorieren.
dem Mann, ... suchen ... haben wollen, d .h . dem oratorperfectus. D ie
Gleichsetzung von Redner und Staatsmann is t se lbs tvers tändlich und der
Redner hat vor allem gesellschaftlich-politische Aufgaben.
Förderer ... Handelns: s. zu 1,211: »Politiker«.
Förderer ... führenden Ma nn ... vorbildlichen: auctorem , ducem , princi-
pem bilden eine inhaltliche Klimax.Denker und Redner: Wahre eloquentia umfass t das Denken und das For-
men de r sententiae.
Senat ... Volk ... Prozessen: Übliche Dreite i lung der poli t isch-oratori-
schen Tätigkeiten in Rom; vgl . u . »Rednerbühnen . . . Gerichten . . . Kurie«;
vgl. auch zu 3,86: »Forum . . .« .
nicht ... vertrieben ... möchte ... ausruhen: Die dre i Fu turformen be-
zeichnen eine Mutmaßung, die s tark ironis ierend wirkt .
zumal... Staates: ν gl. zu 1,24: »Zur Zeit . . .«zur poli t ischen Lage i. J. 91.
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Z U B U C H I II 723
6 4 ich ... jetzt nicht: ego betont die Subjekt ivi tät der Aussage. Wahr-
scheinl ich so l l der mögl iche Vorwurf zurückgewiesen werden, für Crassus
seien Phi losophie und die Wahrhei t nebensächl ich .
diese ... da ...: istos i s t e twas herablassend , aber n icht häm isch ; die Ironie
wird besonders in der fo lgenden Parenthese deut l ich .
einschärfen: Warnung davor , ihre Lehre ad absurdum zu führen; das
wäre nicht nur unsinnig, sondern auch schädlich für s ie selbst .
Geheimnis:^ gl . 1 ,206 (Crassus spricht) -.petimus ab Anton io, ut... illadi-
cendi mysteria enuntiet (s . d ie Erläuterung dort ) .
politisch ... Weisen: vgl . De rep. 1 ,9 : neque sapientis esse accipere habenas.
Nach W . Sch mi d , Epi kur , i n : R AO V (1962 ) 727 -730 .765 , ver t ra t en d i e
Epikureer diesen Standpunkt n icht immer so absolut .
Denn wenn ... müßig: Die Schlussfo lgerung zeigt den »Haken« der epi -
kureischen Grundüberzeugung: S ie zers tören ihre e igene Autarkie , denn
das epikureische otium setzt Ruhe im Staat voraus ; vgl . De rep. 1 ,6 : quia
nostro Consilio ac periculo sese in illa vita atque otio conservatos putant.
6 5 Stoiker: Auch die Stel lungnahme zu diesen ist leicht ironisch ge-färbt ; dadurch wird a l lzu harte Polemik vermieden.
nicht zornig werden können: W egen der άπ άθ εια de s s to i sche n We i se n .
allein ... Redekunst ... W eisheit: vgl. die Ausführungen des Sto ikers
M n e s a r c h o s 1 , 8 3 u n d z u 3 , 5 5 : » D i e B e r e d s a m k e i t . . . « un d »bes t i mm t e . . . «
D u r c h soli ex omnibus wird betont , dass diese Posit ion spezifisch stoisch
is t . Al lerdings setzt Crassus , se iner Intent ion gemäß, in se iner Aussage
einen anderen Akzent : S to ischer Kerngedanke is t , dass a l le in der Weise e in
orator perfectas sein kann; nach der Aussage des Crassus aber i s t vera elo-quentia an sich sapientia. (s .u . - s . auch LP, 1981 , 132f . ) .
Doch wie ... verhält: Mit dieser Floskel le i tet Crassus von der s to ischen
Def i n i t i o n der R h et o r i k zu den paradoxa d e r S t o i k e r ( s . u . : » z . B . . . . « )
über; viel leicht wil l er auch nivell ieren und entschuldigen, dass er diese
Defin i t ion n icht ganz korrekt wiedergegeben hat (s .o . ) .
was ... nicht... passt: Häufig äußert s ich Cicero ablehnend über die Re-
deweise der Sto iker , z . B . 1 ,83 : spinosa ...et exilis oratio (erg. Stoicorum) ...a
nostris sertsibus abhorrebat un d 2 ,159 : genus sermonis ... minutum ; vgl. § 66.
z.B. ... niemand weise: eines der paradoxa Stoicorum, die ihrem ethischen
Rigorism us entspringen; vgl . Cice ros gle ichnamiges Werk aus d . J . 46 .
... widersinnig: absu rdum - paradoxum .
Sklaven ... Geisteskranke - geistig gesund ... freier M ann: C h i a s t i s c h e G e -
genübers te l lung der vier- und dreigl iedrigen Reihen. Das anaphorisch wie-
derhol te nemo s te igert die Absurdi tät noch.
Geisteskranke: »Alle Toren s ind ge is te sk ra nk s da ihnen die G esun dhe i t
des Logos fehl t und s ie s ich sogar über ihr e igenes Wesen und ihre Best im-
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724 E R L Ä U T E R U N G E N
mung nicht klar sind« (M. Pohlenz, Die Stoa. Geschichte einer geistigen
Bewegung, Bd. 1 ,51978, 154).66 präzise ... Argumentationsweise ..., die aber dürftig usw.: Bevor
er kri t is iert , macht Crassus (höfl icherweise?) Zugeständnisse: subtile
kennzeichnet vor a l lem den Sti l , acutum mehr den Inha l t ; d ie Adverb ien
fonasse u n d certe deuten an, dass Crassus die Inte l l igenz der Stoiker
höher einschätzt als ihren Stil; sed ut in oratore s ignalis iert den Um-
s chwung .
unverständlich: Durch den Gebrauch von verba inusitata.
leer ~ inhaltslos, d. h. Inhalt oh ne an gem essen en Stil is t genau so sinnlos
wie übertriebener Stil ohne Inhalt (vgl. 1,51 und 3,142f.).
überhaupt: tarnen bezeichnet hier keinen Gegensatz .
Eine andere Vorstellung haben . .. : Fo rtsetzu ng der Krit ik am Inhalt der
s toischen Lehre , wie s ie Cicero wiederholt äußert ; vgl . Tusc. disp. 2 ,42:
Sitne igitur malum dolere necne, Stoici viderint, qui contortulis quibusda m et
minutis conclusiunculis nec ad sensus permanan tibus effici volunt non esse ma-
lum dolorem-, D e fin. 5 ,84f f. ; D e o ff. 3,11.Bürger ... Völker: civibus wegen des poli t ischen Aspekts ; gentibus fü r
bominibus'i
ob ... zur Sache aber: W ieder macht Cra ssus deutl ich, dass bei Auseinan-
dersetzungen über die eloquentia auch der Inhalt n icht ausgeklammert wer-
den kann .
67 Peripatetiker ... Akademiker: vgl. zu 3,62: »in erster Linie . . .«;
schon dort wurden s ie a ls demselben sokratischen Zweig zugehörig be-
zeichnet .Speusippos (410/409-340/339) übernahm nach Piatons Tod die Leitung
der Aka dem ie. ( O b Aris tote les ihm bei der Wahl unterlag oder nicht anwe-
send war, wissen wir nicht.) Nach Diog. Laert. 4,1 hielt er an den Lehren
seines Onkels fest, unterschied sich aber in seinem Verhalten (ηθος) von
d ie se m; ihm feh l te d ie σ ω φ ρο σ ύνη , d ie s eine n Na c h fo lge r Xenokrates
(s . zu 3,62) auszeichnete.
gehört ... Hörer bezeichnet das Schülerverhältnis .
Po lemon u n d Krantor werden in De oratore nur h ie r genannt . Polemon
(vielleicht um 350 geb.; sein Todesjahr kennen wir nicht) übernahm die
Leitung der Akademie nach dem Tod seines Lehrers Xenokrates , dessen
konservative Richtung er fortse tz te . Zu seinen Schülern gehörte auch der
Begründer der S toa , Zenon . Kran tor (aus Soloi) (um 340/335 geb.) starb
noch vor se inem Lehrer Polemon. Seine Trostschrif t Π ε ρ ί π έ ν θ ο υ ς -
»U ber die Trauer« bezeichnet C icero als : non magnu s, verum aureulus et...
ad verbum ediscendus libellus (Ac. 1,135). Er war befreundet mit Krates aus
Athen , dem N achfo lger des Polem on als Schullei ter . (Zu Kra nto r un d A r-
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Z U B U C H II I 725
kesi laos s . H. J . Met te , Zwei Akademiker heute: Krantor von Soloi und
Arkesilaos von Pitane, in: Lustrum 26 [1984], 39-148.)
an Fülle ... nicht ebenbürtig: In dem his tor ischen Ab riss hob Crassu s von
den Philosophen bisher nur Sokrates wegen seiner st i l ist ischen Quali täten
posit iv hervor (s. zu 3.60); den Sti l des Aristoteles beurteil t Cicero natür-
l ich ebenso posit iv (vgl. z.B. Ac. 2,119: flumen orationis aureum fundens
Aristoteles und s. zu 2,6: »Fülle«),
Arkesila(o)s (aus Pitane) (315/314-241/240), der Begründer der mitt leren
Ak ade m ie (s. zu § 68), wa r zunä chs t Schüler des Peripatetikers T he o-
phras t , wurd e aber dann von Krantor für d ie Akadem ie gew onnen, w o ihn
neben Krantor auch Polemon und Krates sehr beeinf lussten. Letzterem
folgte er in der Schulleitung nach.
Lehrsa tz ... nichts Bestimm tes ... Urteil ... verworfen ... nicht zu erklä-
ren ... selbst hatte: Als Skeptiker verzichtete Arkesilaos nach der jeweiligen
Erörterung des Pro und Contra darauf , seine eigene Meinung zu erklären
und ein abschließendes Urteil zu formulieren. Keiner These sprach er ab-
soluten Wahrhei tsgehal t zu, erkannte aber wie sein Nachfolger Karneades(s. § 68) einen relativen Wahrheitsgehalt (τό πιθανόν) an. Vor a l lem rich-
te te s ich se ine philosop hische P olemik gegen die Erke nntnis lehre der Stoa ,
deren be ide Elemente S inne und Geis t Crassus h ie r zweimal anführ t (sen-
sibus aut a nimo un d animi sensusque iudicium). Auch die dogm atische E thik
der Stoa verwarf er.
reizvoller Rede: vgl. Ac. 2,16: floruit cum acumine ingeni tum admirabili
quadam lepore dicendi.
als Erster ... - indes ...: Schon Sokrates war so vorgegangen, aber Arke-silaos »insti tutionalisierte« die o. g. Methode.
68 jüngere Akademie: recentior ist nicht mit nova gleichzusetzen, denn
Cicero verwen dete die Eintei lung in »Alte«, »Mitt lere« und »N eue Ak ade -
mie«, ein Schem a, das erst im 1. Jh. v. Chr . geprägt wu rde, nicht ; der K om -
parativ recentior besagt lediglich, dass die »skeptische Akademie« eben
»jünger« ist als die von Speusippos und seinen Anhängern vertretene »kon-
servative« Richtung.
Karneades: s. zu 1,45.47 W ie Aristoteles u nd Arke silaos wird auch er alseiner der Phi losophen bezeichnet , die s ich ebenso durch rednerische Qua-
li täten wie durch ihren Intellekt auszeichneten (divina ... celeritate ingenti
dicendique copia). Cicero erwähnt seine eloquentia wiederhol t , z .B. 1,45:
hominem omnino in dicendo ... acerrimum et copiosissimum; 1,49 bezeichnet
er Demokri t , Piaton, Aris toteles , Theophrast und Karneades als eloquentes
et in dicendo suaves atque ornati; die oratio der Genannten sei propria huius
unius rationis, de qua loquimur et quaerimus. Z u dicendi copia s. zu 2,6:
»Fülle . . .«.
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726 E R L Ä U T E R U N G E N
Zuhörer ... kennen lernte: s. 1,45.
Scaevola hat in Buch I ähnlich wie Charmadas den Standpunkt vertre-
ten, der Redner vers tehe nichts von den propria der Philosophen (1,35-44;
bes . 41-44) .
benennen: vgl. Gell. 2,6,16: laudare significai prisca lingua nominare ap-
pellareque ; es s tam m t woh l ursprünglich aus dem juris tischen Bereich; vgl .
3,187: auctoribus laudandis.
in Rom hörte: Das hä t te nur während der »Phi losophengesandtschaf t«
i . J . 155 sein kö nn en , aber dam als war Scaevola noch sehr jung, w ahr-
scheinlich zu jung.
Metellus: s. zu 2,263.
69 Wasserscheide ... in verschiedene Richtungen: divortium (< divertere
- in verschiedene Richtungen auseinander gehen) bedeutet jede derart ige
Trennung, z .B. auch die Ehescheidung (s . § 159).
Philosophen ... das (obere) Jonische ... hafenreiche - Redner ... (unteres)
Tuskisches, barbarisches Meer ... Klippen ... Gefahren: Das Jonische Meer
entlang der Ostküste Südita l iens und Sizi l iens , a lso der Magna Graecia(Graecum quoddam!) mit ih ren Häfen (portuosum - s .u . ) ; das Tusk ische /
Tyrrhenische Meer westl ich von Ita l ien. Schwierigkeiten bereite t supe-
rum mare Ionium, wenn man nur an die geographische Lage denkt (H.
Merklin, 1976, 491, lässt superum u n d infentm unüberse tz t ) . Mit Mare Infe-
rum is t zwar auch sonst das Tuskische Meer gemeint (z .B. Plin . Nat. His t .
3,75), Mare Superum dagegen bezeichnet normalerweise das Adria t ische
Meer. Nun könnte man auch die Vermutung äußern, dass Cicero die bei-
den N am en , deren geographische Zuo rdn un g in der Ant ike n ich t e indeut igwar, verwechselte und man Adriaticum s ta t t lonicum schreiben müsste ,
aber dem würden d ie be iden anderen At t r ibu te widersprechen: Die wei te r
nördlich gelegene Ost kü ste I ta liens ko nn te auch zu r Zeit Ciceros w eder a ls
Graecum noch als portuosum bezeichnet werden. In portuosum schwingt
vielleicht auch die Vorstellung mit, dass die (griechischen) Philosophen
durch die Trennung von Philosophie und Rhetorik s ich in e inen »s icheren
Hafen« zurückz iehen konnten und dadurch ih r otium nicht mehr ges tört
war. Eine so enge Verbindung und Verflechtung zwischen dem Vergleich(Wasserscheide . . . ) und dem Verglichenen (Trennung zwischen Philoso-
phie und Rhetorik) is t durchaus denkbar. Und deshalb darf wohl auch die
Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass Cicero mit superum u n d in-
ferum weniger die geographische Lage bezeichn en als vie lmeh r veranschau -
lichen wollte, was für eine erhabene, geradezu göttliche Position die Philo-
sophen (~ superi-die »oberen Gö t te r«) gegenüber den Red nern ( - inferi -
»die Unte r i rd ischen , Unte rwel tsgö t te r«) e innahmen. Das negotium der
Re dne r ist nicht so elitär und viel m ühe voll er un d gefährlicher als das otium
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ZU BUCH II I 727
der Philosophen. Auch die beiden Verben defluere und labi verdeutlichen
den krassen Unterschied zwischen der Lage der Philosophen und der Red-
ner nach der Trennung. Und wenn sogar die Irrfahrten des Odysseus er-
wähnt werden, soll das sicher bedeuten, dass sogar dieser überaus kluge
und listige Held als Redner gescheitert wäre. - Natürlich steckt in diesem
Vergleich viel Ironie und Sarkasmus. - (Für Belege und Literaturhinweise
wird auf LPW, 1996, 257 f., verwiesen.)
§ 70 f. nimmt Crassus die wichtigsten Gedanken aus 3,52-55 wieder
auf.
70 darum: Quare am Anfang des ungewöhnlich langen Satzes (s.u.)
signalisiert, dass aufgrund der zu Unrecht erfolgten Trennung jetzt viel zu
geringe Ansprüche an den Redner gestellt werden ( hac eloquentia: die
schulmäßige [griechische] Rhetorik; hoc oratore: der heutige »Durch-
schnittsredner«) und das Idealbild eines Redners ( ora torem am Ende des
Satzes: der potentielle orator perfectas) in weite Ferne gerückt ist.
der weiß ... entweder abstreiten ... oder dürfte: Der »Durchschnittsred-
ner« begnügt sich damit, die Statuslehre, die »Blüte« (Piderit/Harnecker)und das »Hauptgericht« (Leeman) der rhetorischen Theorie, zu beherr-
schen. Was die Statuslehre insgesamt angeht, sei verwiesen auf L P R , 1989,
27-33, und LPW, 1996, 259f . (adì,70). - Wie sehr Crassus die Statuslehre
missbilligt, wird durch den langen, verwickelten Satz und die geradezu
»gebetsmühlenartige« Wiederholung von aut besonders betont.
Antonius ... erklärt: 2,111-113.
ergiebiger: uberius meint besonders den Inhalt.
nun: Nach der Parenthese signalisiert sed die Rückkehr zum anfäng-lichen Gedanken (NB: Am Anfang contenti sumus [ ! ] : j e t z t . . . estis [!]).
Ebene ... Kreis: Metapher. Auf dem campus kann das Pferd frei galoppie-
ren , im γυ ρό ς w ird es an der Longe im mer im Kreis herum geführt; ebenso
kann sich die eloquentia eines Redners, der sich allzu sehr von der ars »gän-
geln« lässt, nicht entfalten.
71 Penkies (s. zu 1,216 und 3,59) bildet die Verbindung zur alten Zeit
(veterem).
Demosthenes: s. zu 1,58; für Cicero war er der größte griechische Red-ner (vgl. auch 1,260 und die Erläuterungen dort; s. A. Weische, 1972,
137-140) .
Karneades und Aristoteles (s.o.) werden als Repräsentanten der Philoso-
phie, wie sie für den orator perfectas nötig ist, genannt. Mit v i s ist wohl
mehr ihre intellektuelle Kraft und erst an zweiter Stelle ihre vis dicendi ge-
meint.
72 Denn die Alten ... wie ich sagte: d. h., »um n och einm al auf m eine
Ausführungen §§ 56-59 zurückzukommen« (Zusammenfassung).
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728 ERLÄUTERUNGEN
jede ... aller ... welche . . . : D ie W iederholung von quae (der viergliedrige
Relativsatz spezifiziert das ethisch-politische Wissen) verstärkt den allum-
fassenden Eindruck noch, der durch omnium omnem erweckt wird.
später ..., wie ich darlegte: Zusammenfassung der §§ 60-69.
redegew andten ... abgespalten: Dadurch sind die Philosophen jetzt nur
noch docti und die Redner lediglich diserti.
jene ... entlehnten: vgl. dagegen 1,55 (Crassus über den universal gebil-
deten Redner): nam ego, quae sunt oratori cum Ulis communia, non mutuar
ah Ulis und 1,224 (Antonius mit radikaler Ablehnung der Philosophie) : . . .
ne, si quando ei dicendum erit de industria et fide, mutuetur a Platone.
aus ... Quelle: ex quo·, ein Substantiv, von dem das Relativpronom en ab-
hängig sein könnte, fehlt.
hätten ... wollen: voluissent betont, dass sie freiwillig und eigenverant-
wortlich handelten.
73 Wie ... so: Der abschließende Vergleich soll die Erinnerung an die
aktuelle politische Lage zum Zeitpunkt des fingierten Gesprächs wieder
wachrufen (vgl. 1,24 und s.u.).Oberpriester: Das Kollegium der pontífices, angeblich von Numa (Pompi-
lius) (s. zu 1,37) eingesetzt, bestand anfangs aus drei, seit Sulla aus 15 Mit-
gliedern; ihr Vorsteher war der Pontifex Maximus. Ursprünglich gehörte
auch die Ausrichtung der sacrificia und epulae (epularia sacrificia) - rituelle
Festmähler bei den »Spielen«, also auch bei den ludi Romani (s. zu 1,24) -
zu ihrem Aufgab enbereich; im Jahre 196 hatten sie wegen Arbe itsüberlas-
tung diese Aufgabe an das Kollegium der epulones delegiert (Liv. 33,42,1 ; eo
primum anno tresviri epulones facti ... - später waren es sieben Mitglieder).Prozessredner: Der abschätzige Terminus causarum actores soll zum Aus-
druck bringen, wie beschränkt und einseitig die Redner den Socratici er-
schienen.
§§ 74-81
Im vorausgehenden Abschnitt stand die historische Entwicklung hin-
sichtlich des Verhältnisses von Philosoph ie und Red ekunst im M ittelpun kt.
Nun spielt wieder die v era el oquen t i a und die Person des o ra t o r per f ec t a s
die zentrale Rolle. Dabei betont Crassus erneut, dass er mit diesem Ideal-bild nicht seine eigene Person meint; er selbst sei weit von diesem erstre-
benswerten Ziel entfernt. Doch sogar der orator vulgaris (s. zu § 79) sei
dem »reinen« Philosophen in Debatten überlegen.
- Für den thematischen Aufbau des 3. Buches hat der Abschnitt eine
wichtige Gelenkfunktion; die hier angesprochenen Aspekte werden in der
folgenden Passage (3,82-90) eingehender erörtert (s.u.).
74 ein ganz klein wenig: Das umgangssprachliche Deminutivum pau-
lulum unterstreicht die persönlichere Tonart.
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ZU BUCH III 729
bitten: deprecan bedeute t besonders »durch Bi t ten abzuwenden versu-
chen, um Verzeihung bit ten«; hier wählt Cicero dieses Verbum wohl, umhervorzuheben, dass Crassus die hohen Anforderungen, die er s te l l t , se lbs t
nicht erfüllen kann und deshalb um Nachsicht bi t te t .
Redner schlechthin: vgl. 1,78 (Crassus spricht): memento me non de mea,
sed de oratons facúltate dixisse.
Dank der ... praktische Erfahrung: Mithilfe der Trias natura - ars - exer-
citatio (hier: usus) zeichnet Crassus ein Bild seiner eigenen Qualitäten.
überaus großen: Ähnlich wie bei Cicero selbs t .
kann ... sagen: Wie 2,98 hebt ego ... sum is, qui das folgende Prädikat be-
sonders heraus .
brachte ... vor Gericht: C . Papirius Ca rb o (s . zu 1 ,40). De r Prozess w ird
in De oratore wiede rho l t e rwähn t .
redegewandten: vgl. 3,28: profluens quiddam habuit Ca rbo et canorum.
Lehrer (im Lateinischen Singular): vgl. die sprichwörtliche Wendung
usus magister est optimus.
Gesetze und Grundsätze: vgl. 1,159, wo Crassus ebenso betont, wiewichtig deren Kenntnis für den Redner is t .
75 Quästor ... Metrodor: s. zu 1,45.
Antonius gesprochen: 2,360.
in Athen: vgl. 1,45-47
Mysterien: Die be rühmten Eleusinia zu Ehren der Demeter und Perse -
phone im Monat Boëdromion (Sept . /Okt . ) gehör ten zum a then ischen
Staatskult. Vielleicht soll die Verärgerung des Crassus über die Weigerung
der a thenischen Behörden, das Fest für ihn zu wiederholen, veranschau-lichen, wie überlegen er sich als römischer Magistrat den Griechen gegen-
über füh l te .
eher gegen mich: Weil er etwas fordert, was er selbst nicht leisten kann
(s. die folgende Parenthese).
Arten der Rech tsstreitigkeiten ... Sachverhaltes: Crassus wi ll wo hl andeu -
ten, dass besonders die Statuslehre (de litium genere) und die partes oratio-
nis (et deprincipiis et de narrationibus) viel ausführl icher behandelt werden,
als ihrer wirklichen Bedeutung für die Praxis angemessen ist. Vielleichtsind aber mit genera litium auch die tria genera causarum (iudiciale, delibe-
rativum, demonstrativum) und /ode r d ie quattuor genera causarum (Rhet. ad
Her. 1,5: honestum, turpe, dubium, humile) bzw. die quinqué genera causa-
rum (De inv. 1,20: honestum, admirabile, h umile, anceps, obscurum) ge-
mein t .
76 In einem eizigen Satz fasst C ice ro 1. das W esen der vera eloquentia
zu sam m en : Sie um fass t al le Geb iete der Philosophie (bes . Ethik e inschließ-
lich Psychologie, Physik und Metaphysik, und Politik); 2. stellt er die
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7 3 0 E R L Ä U T E R U N G E N
Stärke des orator perfectos d e n » N u r - P h i l o s o p h e n « g e g e n ü b e r h e r a u s : E r
kann über a l le d iese Aspekte omate copioseque dicere (vgl. 1,21 : ut omni dere ... omate ab eo copioseque dicatur).
7 7 und so viel, wie: erg. e twa »und ich vermag/ le iste so vie l , wie . . .« .
Talents ... Bildung ... Erfahrung : ingenio ... doctrina ... ustt entspricht
§ 7 4 : ingeni ... disciplina ... usus.
diesen Männern da: Herablassend; gemeint s ind natürl ich besonders die
S t o i ker und E pi kureer .
7 8 Vellerns: Mitgl ied des Senats , v ie l le icht Volkstr ibun, gest . um 70 . Er
war e in bedeutender Epikureer , den Cicero in De natura deorum die epiku-
reische Phi losophie verte idigen lässt .
stützen ... widerlegen: Da s a ka d emi sche in utramque partem dicere; vgl.
3 , 6 7 f . 8 0 .
wenn ich wollte: Das würde Crassus natürl ich nicht tun.
Antonius dargelegt: 2 , 1 6 3 - 1 7 3 .
Sex. Pompeius: D e r O n k e l d e s C n . P o m p e i u s M a g n u s w u r d e s c h o n 1 , 6 7
genannt . Aus Brut . 175 geht hervor , dass er außer in stoischer Phi losophiea uch Kennt ni sse i m ins civile und in der geometria besaß, aber kein pol i t i -
sches Amt i nneha t t e .
zwei Balbi: 1. Q. Lucilius Baibus, der stoische U nter red ner in De natura
deorum ; do rt wird er a ls wicht iger Ge sprä chs te i lneh m er e ingeführt (§ 2 ) .
2 . Vie l le icht dessen Bruder oder Vet ter L. Ludlius Baibus, d er u .a . B rut .
153 a ls Rechtsgelehrter genannt wird. Als S toiker wird er nirgends er-
w ä h n t .
M. Vigellius: Dieser Schüler des Panai t ios wird sonst ni rgends genanntund i s t uns unbeka nnt .
7 9 Philosophie ist eine ars, untersch eidet s ich aber von a l len übrigen ar -
tes, für welche ste l lvert retend Geometrie u n d Musik gena nnt werd en.
das ... Wahrscheinliche: W i e d as in utramque partem dicere typisch für die
A k a d e m i e .
durch eine geübte ... geübt... gewöh nlichen Üb ung: D i e exercitatio ist die
eigentl iche Stärke des vulgaris orator.
dieser unser: hic etwa: je tz ig ; noster: d. h. w ie wir ihn ke nn en . S o posi t ivwie hier wird der vulgaris orator in De oratore sonst nicht dargeste l l t . Aber
e r k o m m t d e m oratorperfectus eben näher als die philosophi, welche die elo-
quentia a b l ehnen.
schlagen: Das deutsche Verbum kann auch so vie l bedeuten wie »besie-
gen , über t re f fen« . Desha l b könnt e ma n, wenn ma n nur d i e Uberse t z ung
l iest , d ie Worte des Crassus so verstehen, a ls ob se iner Meinung nach die
vulgares oratores den Phi loso phe n eben überlegen se ien ( - superare). J e d o c h
b e d e u t e t verberare nur » schl a gen , (a us- )pe i t schen , z ücht i gen« , und z wa r
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Z U B U C H I I I 731
nicht nur handgreif l ich, sondern auch mit Worten, z .B. Plaut . Truc. 112:
verberat verbis und Q. C ie . Ad fam. 16,26,1 : verberavi te cogitationis tacito
dumtaxat convido. Außerdem wird durch den Schluss des Satzes : neque
se ... contemni ac despici sinit, vollends deutlich, dass der vulgaris orator die
Philoso phen wegen ihrer Üb erheblichkeit (schweigend, in G edan ken o. ä .)
»geißelt /züchtigt« .
§ 80.81: s . zu 3,122: »Unser . . .« .
80 Wenn aber ... auftreten sollte, der ...: vaticinium auf Cicero wie
1,79.95 und 3,95.
für beide Auffassungen: sententiam statt des häufigeren partem. O b Aris-
totelio more wirk lich zu trif ft, is t um strit ten (s . J . W isse, 1989, 140.168-170,
und LPW, 1996, 277).
Vorschriften dafür: d .h . fü r die Top ik; vgl . § 78: ex Ulis locis ...
Arkesilas: s. zu 3,67
Kameades: s. zu 1,45 und 3,68.
rednerische Erfahrung ...: Ub erliefert ist rh etoricum usummo remque
exercitationemque dicendi. Schuetz, 1814, hat rhetoricum mit Recht ge-s t r i c h e n , w e i l n i c h t v o n R e d e l e h r e r n , s o n d e r n v o n d e n oratores die
Rede ist (vgl. zu 3,122: »oratorum«).
der echte, ... einzige Redner: Durch die dreigliedrige Klimax wird das
Ideal des orator perfectus geste igert ; es erscheint nachahmens- und ers tre-
benswerter , aber noch weniger erre ichbar. Natürl ich is t d iese emphatische
Aussage des Cr assus e in vaticinium (ex eventü) auf Cic ero, de r wie kein an -
derer das Ideal des orator perfectus verkörpert (s . auch zu § 81: »Pamphi-
los . . .«).Anspannung und Kraft (nervis) . . .Forum. vgl. Or. 62 (über Philosophen):
tarnen horum oratio neque nervös neque acúleos oratorios ac forensis habet.
feinsinnig und weise: Beide Adjektive beziehen sich hier auf die Bildung.
81 Korax ... ausbrütet: Ans p ie lung au f den Namen ( κ ό ρ α ξ - R a b e ) ;
vgl. zu solchen Witzen 2,257; zu Korax und Teisias s . zu 1,91.
Schreihälse: D er clamator ist das absolute Gegenteil zu m orator perfectus;
vgl. 1,202, wo Cicero ihn in einer Reihe mit dem causidicus u n d rabula
nennt, und zu 3,227: »äußers te Grenze . . .« .Pam philos ... eine so bedeutende Sache wie ein Kinderspiel auf Bänder ab-
malen: W er Pamphilos war, wusste wohl auch Cicero nicht mehr genau -
zumindest möchte er durch das herablassende und geringschätzige nescio
quem diesen Eindruck erwecken. Vielleicht meint er einen griechischen
Rh etor des 2 . Jahrh und er ts , von dem Quin t i l ian , 3 ,6 ,33 f. ber ich te t . Aber
nicht wegen dieses Mannes , sondern vor a l lem wegen in infulis bezeichnet
Kühner, 1858, 308, Anm. 89, die Stelle als »dunkel«; und LPW, 1996, 280,
beginnen ihre Erläuterungen mit der Fests te l lung: »Das Bild is t unerklär-
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7 3 2 E R L Ä U T E R U N G E N
lieh.« Nachdem sie dann frühere Deutungsversuche vorgeste l l t und disku-
tiert haben, lautet ihr letzter Satz: »Viel leicht ist inful is korrupt (die Ver-
bindung von römischen infulae mit e inem griechischen Rhetor i s t e in wenig
m e rkw ü rdi g) .« D i e i n K l am m e rn ge se tz te Be m e rku ng i s t r i cht i g , ab e r
schon aufgrund der e indeutigen Textüber l ie ferung s ind wir kaum dazu be-
rechtigt , an der Echthei t von in infulis zu zwei fe ln .
D och w as s i nd infulae"! Nach G e orge s I I 256 »e i ne b a l d u m de n K op f ge -
legte , bald turbanart ig gewundene, weiße und schar lachrote Binde aus
Wol le , e ine Wol lb inde«. Man band s ie be i re l ig iösen Zeremonien als Zei -
chen der Unverle tzl i chkei t Pr iestern, besonders Vestal innen, aber auch
Schutzf lehenden und Opfert ieren (diesen zum Zeichen ihrer hei l igen Be-
s t i m m u ng) m i t H i l f e de r vittae [Bände r ode r Franse n , d i e h i n te r de n O h-
re n he rab hi nge n] u m de n K op f ; au ch Al täre ode r »he i l i ge « Bäu m e
schm ü ckte m an m i t so l che n Bi nde n) . Vi e l l e i cht w ähl te Ci ce ro h i e r infula in
s e in e r s y n o n y m e n B e d e u t u n g z u vitta w eg en d er ä u ß e r e n F o r m : län g-
l i ch und schmal ; man könnte s ie also im übertragenen S inn als e ine Art
»Sc hm ierzette l« bezeich nen , der s ich höc hste ns für ku rze , f lüchtige N ot i -zen e ignet , die man wieder wegwirf t , aber auf ke inen Fal l für e ine längere ,
durchgefe i l te und endgül t ige Erörterung.
E in zw eiter A sp ek t, d ie E i n b e z i e h u n g d e s K o n t e x t e s , ze ig t
de u di ch , dass Ci ce ro de n Be gr i f f infula ni cht u nü b e r l e g t u nd ge w i sse rm a-
ße n au s Ve rse he n , sonde rn m i t v o l l e r Ab s i cht v e rw e nde t . D i e Worte de s
C r a s s u s m ü s s e n i m Z u s a m m e n h a n g m i t d e m vaticinium au f Ci ce ro § 80
b e trachte t w e rde n : Sin aliquis ..., is sit verus, is perfectas, is solus orator
(s . auch zu 3 ,95: »dass i ch . . .«) . Nun fährt er herablassend und »gnädig«fort: (»C or ac em ... patiamur ... excludere ...) Pam phüum que n escio quem
sinam us ... dipingere. Mit anderen Worten: »Was muss es uns denn
b e kü m m e rn , w e nn di e se r u nb e de u te nde Rhe tor g l au b t , e r könne au ch
ü b e r so e tw as Erha b e ne s w i e d ie vera eloquentia des oratorperfectus (tantam
rem ) e ine gül t ige Aussage machen? Das wäre gerade so , wie wenn Kinder
für ihr >Gekritzel< (pueriles deliciae) eben die infulae als >Schmierzettel<
nähm e n. Es s te ht ab e r nu r de m u m fasse nd, v or a l l e m p hi l osop hi sch ge b i l -
deten (s . Schluss des Paragraphen) orator perfectus zu, wie Cicero e iner i s t ,s i ch ü b e r so l ch gru ndl e ge nde T he m e n zu äu ße rn .«
D a m i t is t n o c h ein d r i t t e r A s p e k t v e rb u n de n , n ä m lic h d ass C i c er o
den Begri f f mögl icherweise gerade wegen se iner re l ig iös-sakralen Bedeu-
tu ng ge w ähl t hat u nd fo l ge nde n G e danke n zu m Au sdru ck b r i nge n m öchte :
»Wenn e in Rhetor wie Pamphi los s ich über die vera eloquentia äu ße r te ,
wäre das genau so, wie wenn Kinder auf den infulae (wir würden sagen: in
de r B i b e l / i m K ora n / in de r T ho ra) h e ru m kr i tze l te n . K l e i ne n K i nd e rn
sieht man solche >Spielereien< nach, weil sie nicht die Tragweite ihres Tuns
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ZU BUCH II! 733
erkennen, aber nicht e inem Rhetor wie Pamphi los: Wenn er so etwas tut
(sich also anmaßt, über das >Heiligtum< eloquentia zu sprechen), ist dies als
>Sakrileg< zu werten.«
wenn nur ... ist: Erg. etwa »wenn wir uns nur bewusst sind, dass jene
Sache . . .«.
durch alle Bücher ... scheint: Deshalb muss der orator perfectus alle (!) Bü-
cher von Phi losophen lesen; denn al le in der phi losophischen Li teratur
behandel ten Fragen s ind für ihn relevant . - Zu dem unausgesprochenen
Appel l , den Crassus als Höhepunkt seiner Erör terungen hier an Leser und
Gesprächstei lnehmer r ichtet , vgl . die folgenden Erläuterungen.
dieser Leute da: Redelehrer wie Korax und Pamphi los; das über l iefer te
oratorum muss gestrichen werden (s. zu 3,80: »rednerische . . .« und zu
3,122).
§§ 82-90
Nach der Kl imax bis zu dem emotionalen »Höhenflug« muss Crassus
nun wieder zu einer weniger pathet ischen Behandlung der angesprochenen
Problemat ik zurückgeführt werden. Diese Aufgabe weist Cicero dem Ca-tulus zu, der auch an anderen »Gelenkstellen« (z.B. 2,179) die communis
opinio der Gesprächstei lnehmer und Leser zu ver t reten hat . Crassus präzi-
s ier t daraufhin seinen Standpunkt nochmals . Doch Catulus scheint nicht
zur Kenntnis nehmen zu wol len, dass Crassus nicht von s ich selbst , son-
dern von dem erst rebenswerten, aber kaum erreichbaren Ideal des orator
perfectus spricht (s. auch seine Worte in § 90 und die Erwiderung des Cras-
sus). Die Frage nach der Realisierbarkeit dieses Ideals hat Crassus schon
3,74f. ang esp roch en. - Z ur V ertiefung wird verw iesen auf LPW , 1996,283-290 (283-285: »Die Rol le des Catulus«; 285: »Die Konzept ion des
Ideals«; 286-290: »Vita activa und contemplativa«).
82 Kraft oder ... Fülle: Catulus scheint nach der zutreffendsten Formu-
lierung zu such en ; fü r die vis des Crassus vgl. 2,188 und Brut. 158, für seine
suavitas z.B. 2,228 und für die copia s. zu 2,6 : »Fülle ... «.
Vorher ... erscheinst... jetzt... geflossen ist: 2,126 sagte Catulus von Cras-
sus un d A ntonius : . . . uterque vestrum ita dicat, ut ei nihil ñeque a natura de-
negatum ñeque a doctrina delatum esse videatur, vgl. auch 2,363: semper sta-tui neminem sapientiae laudem et eloquentiae sine summo studio et doctrina
consequiposse. (Eine Tren nun g zwischen antea u nd nunc gibt es dort natür-
lich nicht.)
wähnte ich: Zu dem dichter ischen Verbum ren (deshalb »wähnte« stat t
»meinte«) vgl. 3,153: Inusitata (erg. verba) ... prisca ... ut tu soles, Catule,
>non rebar> aut >opinabatur<. Quint . 8 ,3,26 führt das von Cicero sel ten ge-
brauchte Verb ebenso unter den veral te ten Formen an, nennt es aber tole-
rabile.
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734 E R L Ä U T E R U N G E N
vorzüglicher: summus wohl ~ perfectus.
Doch wenn ich ... gewidmet hast: Catulus ignoriert d ie Aussagen desCrassus in § 74.
Studien, Menschen ... Büchern: D u r c h hominihus (vgl . § 75 über Metro-
do r ) und Ulms (vgl. § 81 : omnibus [!] philosophorum libris) wird das über-
geordnete abstrakte studiis konkre t is ie r t .
Erfordernisse: vgl. § 84: adiumenta (Un te r s tü tzung ) doctrinae.
83 Redner ... Schauspieler: Übliche Gegenüberstellung; vgl. 1,118
(s . dort zu »Redner . . .«); 124 (Roscius) .229; 3 ,220.
Ringen: palaestra bezeichnet eigentlich die Ringschule; vgl. 1,81: palae-
strae magis et olei fü r den Stil , wie ihn Philosop hen (im Unter schied zu den
Rednern) pflegen, und 3,220: ah armis aut etiam a palaestra für den Stil des
forensischen Redners ( im Gegensatz zum Schauspieler) .
Kritiker: vgl. 2,3: in hisartihus, de quibus aliquid existimare (ein Urteil fäl-
len) possem; anders 2 ,322: benevolos beneque existimantis efficiamus (Wohl-
wol len und gu te Meinung gewinnen) .
84 auf... Wunsch: s . 2 ,364-367natürlich ... vorzüglichste: Gilt auch f ür den Tite l des W erkes .
Wissenschaft oder Fähigkeit: vgl. zu 2 ,30. Crassus möchte die müßige
Frage, ob die Redekunst e ine ars ode r facultas is t, jetzt nicht ansprechen.
immer ... Ideal: vgl. 1,118: fingendus est nobis ... omni laude cumulatus.
was soll ich ... läppisch . . .? (usw .): Sich zu verweigern, w äre zwecklos , da
das allgemeine Urteil unumstößlich ist (»gespielte« Resignation).
so einschätzt: vgl. zu § 83: »Kritiker«.
hei den Menschen ... Sache: vgl. 1,16-18, wo derselbe Gedanke ausführ-licher dargestellt wird.
85 da unsere ... vorzüglichsten Redner: Ein noch deutl icherer Hinweis
auf den Titel des Werkes als § 84.
diesen Büchern ... diesen ...: d.h. »von denen du § 82 gesprochen
has t« ; studiis (s . zu § 82: »Studien . . .«) lässt Crassus wohl absichtlich weg,
um den Eindruck z u verm eiden, er wolle im Alter keine studia mehr be t re i -
ben .
86 Und wenn ... noch lernten: Klare Formulierung seines Standpunk-tes, bevor er Beispiele an fü hr t; die beiden »Beispielpaare« sind parallel auf-
gebaut .
Forum ... Kurie ... Gerichtsverhandlungen ... G emeinwesen: Auffällig ist,
dass Cicero die contiones hier nicht erwähnt; vgl. 1,32: forum, subsellia, ro-
stra (für contiones), curiamque und 3,63 (übliche Dreite i lung): in senatu, in
populo, in causis publias. Sollten sie schon in forum enthalten sein? Das
wäre mög lich, scheint aber nicht sehr wahrscheinlich. De nn forum (am An-
fang der viergliedrigen Reihe) und rempublicam (an deren Ende) s ind wohl
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Z U B U C H I I I 735
eher als überg reifende Ob erbe grif fe aufzufa ssen und b ilden gewisserm aßen
die »tragenden Eckpfeiler« für die beiden dazwischen l iegenden zentra lenTätigkeiten des im öffentl ichen Leben engagierten Redners , nämlich das
genus deliberativum (amarri) und das genus indicíale (causas). Des wegen
scheint es un s nicht zutreffe nd, von einer »absichtlich unklar s truk turie rten
Aufzählung« (LPW, 1996, 295) zu sprechen; ganz im Gegenteil . Im Unter-
schied zu der oben zitierten Stelle 1,32, wo Cicero zwar forum an den An-
fang setzt, aber nach der üblichen Trias die Reihe »offen« enden lässt, mar-
kiert er hier , wie gesagt , durch das zusammenfassende rem publicam auch
das Ende. Natürl ich wäre die Reihe noch eindrucksvoller , wenn er zwi-
schen die »Eckpfeiler« das Trikolon qui curiam, qui contienes, qui causas
platziert hätte. Aber vielleicht hat der homo novus Cicero, der sich im
Kreise se iner »Parte ifreunde «, der nobiles, im Senat sicher wohler fühlte als
bei Volksversammlungen, die contiones, vor die er als Konsul pflichtgemäß
tre ten muss te , ve rdrängt - bewuss t oder unbewuss t .
Unser ... hier: Vielleicht gab es auch in Tusculum einen ludus gladiato-
rius.Samniten: s. zu 2,325.
trainiert: commentari (> mens - genau überdenken) bezeichnet in ers ter
Linie geis t ige Übungen.
Luälius.V. 1273f. (Marx); Versmaß: Hexameter.
möglichst: quamvis is t hier nur steigernd gebraucht.
Rapier aus Holz: Nur zu Übungszwecken verwendet; vgl . Or. 17 (über
Isokrate s) : non ...in acie versatur necferro, sed quasi rudibus eins eludit oratio.
87 Num erius Furius... Hausva ter... Ritter: Sonst unbek ann t . Of fen ba rbetätigte er sich nicht politisch, aber bei seinen V erpflichtung en als pater fa-
milias u n d eques nahm er sich auch kaum Zeit für sein Hobby. Vgl. 1,132
(Crassus ) : sicut unus pater familias his de rebus (= actio) loquor ( im Gegen-
satz zu Roscius) und 1,159: quemcum que patrem familias ...
anspruchsvollen ... Disziplinen: Philosophie und die artes liberales.
Q . Tubero, geb. zwischen 168 und 163, eignete sich als Stoiker und un-
geschic kter R ed ne r (s. z. B. B ru t. 117f.) be ste ns als Beispiel. In De república
is t er e iner der Gesprächste i lmehmer.einem Philosophen: Seinem Lehrer Panait ios .
(Scipio Aem ilianus) Africanus (Minor): s. zu 1,211.
damit beschäftigt: In der Öffen tl ichkeit w ar er als glänzend er Redner, P o-
l i t iker und Mili tär und weniger a ls philosophisch hochgebildeter Mann be-
kann t .
88 so wirft... auf: vgl. 3,56f.
... Ruhe ... Vergnügen: ν gl. § 86: delectati und De inv. 1,22: desidiosum
Studium et luxuriosum otium.
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736 E R L Ä U T E R U N G E N
W ürfelspiel ... Ballspiel: D i e w ohl v e rb re i te ts te n S p i e l e ; v g l . 3 ,58 : pi-
lam ... talos ... tessaras und zum Bal l spie l zu 1 ,166: »P. Scaevola . . .« und
1,217
Titius:s. 2 , 2 5 3 : ilium Titium, qui, cum studiose pila luderet... u nd die Er -
l äu te ru nge n dor t u nd Bru t . 225 : Sex. Titius ... hom o loquax et satis acu tus,
sed tarn mollis in gestu, ut saltatio quaedam nasceretur... Er eignete sich also
bestens als exemplum dafür , dass e in übertr iebenes Studium fü r ne b e nsäch-
l i che Liebhabereien die negotia eines Redners negat iv beeinf lusst .
8 9 noch als Greise ... angst und bange wird: Crassus wi l l gegen dieü b e r t r i e b e ne Vors te l l u ng ange he n , »di e Wi sse nschaf te n« ( s . zu § 87 : »an-
spruchsvol len . . . «) se ien so schwer , dass e in ganzes Me nsch enleb en nicht
ausre icht , um sie vol l s tändig zu erfassen.
nicht schnell lernen ... niemals: Üb e rsp i tz te G l e i chse tzu ng v on In te l -
l igenz und der Fähigkei t , schnel l zu lernen; manche Zuhörer /Leser emp-
fanden die Worte wohl als dre ist (vgl . Caesars Reaktion 3 ,146) .
9 0 Ja, ja, ich verstehe ...du als ein M ann ... glaubst d u ... von mir ...
von der Sache: Catulus reagiert übere i fr ig , was Cicero le icht i ronisch dar-ste l l t ; erneut muss Crassus betonen, dass er nicht von s ich, sondern von
der Sache spr icht (vgl . 3 ,74: non de mem et ipso, sed de oratore dicereputetis).
Pergisne . . . ¿ 'drückt se ine Ungeduld und se inen (gespie l ten?) Unwil len aus.
zu dem zurückkehren, was ...:D am it ke nn ze i chne t Cras su s de n v orau s-
ge he nde n Ab schni t t a l s Ex ku rs ( s .u . ) .
§ § 9 1 - 9 5
§ 37b nannte Crassus die v ier S t i lqual i täten, aber dann behandel te er nur
die faciles partes (§ 52) , das Latine dicere ( § § 3 9 - 4 8 ) u n d d a s plane dicere
(§§ 48-50) , se lbstverständl iche Anforderungen an jede schr i f t l i che und
m ü n d l i c h e Ä u ß e r u n g . D i e mag nae, implicatae, variae, graves partes, (§ 52) ,
das ornate dicere u nd das apte dicere, kl am m e rte e r zu nächst au s . D afü r
rü ckte e r §§ 52-90 d i e ze ntra l e n T he m e n, de n oratorperfectus und die Ein-
he i t v on Phi l osop hi e u nd Rhe tor i k , i n de n M i t te l p u nkt . Vom Bl i ckw i nke l
de r he rköm m l i che n sys te m at i sche n S chu l rhe tor i k au s w ar d i e se r Ab schni t t
e in Exkurs (s . o . § 90 Ende) , und nun kehrt der Vortrag wieder zur »e igent-
l i che n« S ys te m at i k zu rü ck . Ab e r ge rade i m H i nb l i ck au f d i e se ansp ru chs-vol len S t i lqual i täten ze igt s ich die Unzulängl ichkei t dieser Schulrhetor ik .
Ganz pragmatisch legt Crassus großen Wert auf die Festste l lung, dass der
Redner nicht nur über st i l i s t i sche Fert igkei ten, sondern auch über v ie le re s
verfügen muss (§ 92) . Nachdrückl ich betont er dann se ine Kri t ik an den
rhetores Latini ( s . d a z u L P W , 1 9 9 6 , 3 0 4 - 3 0 6 : » D i e r h e t o r e s L a t i n i
(3 ,93-94)« ) u nd re cht fe r t i g t das Edi k t ge ge n di e se . D e n S chl u ss de s Ab -
schni t te s , de r e i ne »G e l e nkfu nkt i on« zw i sche n de m v orau sge he nde n »Ex -
kurs« und den folgenden Erörterungen hat , b i ldet wieder e in vaticinium
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Z U B U C H II I 737
auf Cicero (§ 95). - Eine rein technische Behandlung der dri t ten und vier-
ten Stilqualität wird §§ 148-212 erfolgen.
91 so lang ... zurückgreift: Crassus möchte mögl ichen Bedenken gegen
den langen »Exkurs« ( s .o . ) zuvorkommen.
der Rede Glanz ... krönen: Dadurch dass s ich der omatus und das aptum
ausschließlich auf die eigentliche Rede beziehen, heben sich diese beiden
Stilquali täten eindeutig von den beiden ersten ab.
92 ... Forum: Hier wohl in ers ter Linie vom Gericht .
Zynismus: Je nach dem Kontext is t acer posit iv oder, wie hier, negativ.
öffentlich erklären: s. zu 3,22: »dessen . . .«.
Wir brauchen ... haben: Nachdrückl ich betont Crassus die Bedeutung
der inhal t l ichen Komponente neben den rein s t i l i s t ischen Qual i tä ten; ex-
quisitis ist eher adjektivisch im Unterschied zu der folgenden Trias collectis,
accersitis, comparatis (3-mal P.P.P.; ein Verbum allein würde genügen).
Caesa r ... nächstes Jahr . . . : Cae sar wa r fü r 90 z um aedilis curulis gewähl t
und musste dann die Spiele ausrichten und für die annona sorgen.
... ich ... Aedil: Zw ischen 105 und 100 wa r Crassus zusa m m en mitQ. Mucius Scaevola kurulischer Aedil ; die beiden Männer richteten sehr
prunkvolle Spiele aus.
93 Ausw ahl... Stellung ... Perioden schluss: vgl. zu 3,148-209.
Wo rte ... leicht ... Inhalte dag egen ... reiches Ma terial ... Griechen:
Durch die Stel lung von verborum u n d rerum jeweils am Satzanfang, durch
die asyndet ische Ant i these (»dagegen«) und durch den Ausdruck silva
magna (vgl. 2,65: infinita silva) wird besonders hervorgehoben, wie
schwer und undurchdringl ich die inhal t l iche Komponente is t ; sogardie gr iechischen Rhetoren konnten s ie nicht verständl ich machen. Die
»leichte« st i l ist ische Theorie war dagegen für den forensischen Redner ent-
behrl ich.
so ... Götter: Die s tehende Wendung si dits placet sol l wohl besonders
hervorheben, wie ungeheuerlich es ist , dass lateinische Rhetoren noch
schlimmer sind als griechische.
mein Edikt: Wahrscheinl ich wurde das Edikt im Frühjahr 92 zu Beginn
ihrer Amtszei t von beiden Zensoren - denn beide waren dafür zuständigund verantwort l ich - er lassen. Durch meo möchte Crassus wahrscheinl ich
betonen, dass er die Init iat ive dazu ergriff und auch jetzt noch ganz hinter
der damaligen Entscheidung steht. - Den Text des Edikts kennen wir aus
Sueton, De gramm. et rhet . 25,1: Cn. Dom itius Ahenobarbus et L. L icinius
Crassus ita edixerunt: >R enuntiatum est nobis esse homines, qui novum genus
disciplinae instituerunt, ad quos iuventus in ludum conven iat: eos sibi nom en
imposuisse Latinos rhetoras. Ibi homines adolescentulos dies totos desidere.
Ma iores nostri quae liberos suos discere et quos in ludos itare vellent institue-
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738 E R L Ä U T E R U N G E N
runt. Haec nova, quae praeter consuetudinem ac morem maiorum fiunt, ñeque
placent ñeque recta videntur. Quapropter et iis, qui eos ludas habent, et iis, qui
eo venire consuerunt, videtur faciundum , ut ostenderem us nostram sententiam
nobis non placere.< - s . dazu: P. L. Schmidt,1975.
irgendwelche: nescio quos is t herablassend.
Geist ... geschärft - Geist abstumpft: Die chias t ische Worts te l lung und
vor a l lem die Wiederholung von ingenia be tonen den Gegensa tz beson-
de rs .
Unverschämtheit... Schule der Unverschämtheit (§ 94) : Auch das Verhal-
ten derjenigen Redner, die als patroni auftre ten, ohne die nötigen Rechts-
kenntnisse zu besitzen (s. 1,173ff.), hat Crassus als impudentia bezeichnet
(1,185). - Tac. dial. 35,1 spricht in seinem Bericht über das Edikt unter Be-
rufung auf unsere Stelle (ut ait Cicero) ebenfalls von einem ludus impuden-
tiae.
94 solcher...: hanc= »dieser hier«, d.h. die rhetores Latini konnten le -
diglich (unum) die exercitatio linguae lehren; dass s ie trotzdem als magistri
auf tra ten , zeigt ihre impudentia.Wissen ... höhere Bildung: vgl. 1,17: eruditio libero digna. Zur Aussage
vgl. De rep. 1,28: esse (erg. hom ines) solos eos, qui essentpolitipropriis hu-
manitatis artibus.
neuen Lehrer: Negat ive Wertung des Neuen .
Dreistigkeit: ut auderent drückt d ie Hal tung der impudentia aus .
weiter ausbreite: serpere bezeichnet eine allmähliche Bewegung, die nicht
aufzuhalten is t .
95 bin nicht der Meinung, dass ...: Indem Crassus seiner e igentl ichenAussage (ut desperem ...) d ie offiz iel le For m ulierun g be sond ers f ür Erlasse
der Magis tra te statuo atque decemo voranste l l t , vers tärkt er den beabsich-
t igten Ein dru ck, dass das folgende vatianium auf Cicero unanfechtbar und
unumstößlich gültig ist und mit Sicherheit eintreten wird. - Vgl. 2,122, wo
Antonius se ine laudes auf die ornamenta dicendi des Crassus, allerdings
scherz haft übertre ibend un d nicht wie hier in vollem Er nst , e inle i te t : ego is,
qui sum ..., sine ulla dubitatione sic statuo et ludico ...
dass ich ... aufgäbe ... vorziehen müssen : Schon wiederhol t ha t Ciceroein vaticinium auf se ine e igene Person, vor a l lem als Verkörperung des
orator perfectus, e inges choben , na tü r l i ch immer ohne Namens nennung ;
so 1,79 Ende; 1,95: non despero (!) forealiquem aliquando , qui... existât (!)
talis orator, qualem quaerim us ...; 3,80: sin aliquis extiterit (!), quiAnstote-
lio more ..., is sit verus, is perfectus, is solus orator. Hier nun läss t er den
Crass us d iese vaticinia noch erweitern. Cicero s ieht s ich nicht nur a ls vor-
bildlichen Redner, sondern auch als herausragenden philosophischen
Schriftsteller in lateinischer Sprache; bekanntlich hat ja auch erst er die
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Z U B U C H I I I 739
lateinische Sprache für philosophische Abhandlungen geformt und ein
lateinisches philosophisches Vokabular geschaffen (s. dazu u.a. O. Gigon,
1973 , bes . 251 -254 , und H.- J . Här tung, 1970) . Deswegen be tont Crassus
vor dem eigentlichen vaticinium erst die Eignung der lateinischen Sprache
zur Darstellung der griechischen Philosophie; bisher aber habe es keine
homines eruditi gegeben, welche diese Qualität des Lateinischen freisetzen
und nutzen konnten. Erst dann folgt das uns an 1,79 und 3,80 erinnernde
sin quand o extiterint... (hier Plural!) und etiam Graecis erunt anteponendo
(s.u.) als markanter Abschluss des langen Satzes und des ganzen Ab-
schnitts.
wir erörtert haben: Alles, was bisher besprochen wurde, bes. die grie-
chische Philosophie.
verm itteln ... ausgefeilt darstellen: Inhalt und Stil .
unsere Sprach e ... lässt es zu: vgl. De fin. 1,10: ita sentio et saepe dissenti
Latinam linguam non modo non inopem ... sed locupletiorem etiam esse
quam Graecam.
Klugheit: Das mehr »praktische« prudentiam statt sapientiam (— Philo-sophie) setzt Cicero wohl, um den Unterschied zwischen Griechen und
Römern nicht gar zu krass hervortreten zu lassen.
auf diesem Gebiet: d. h. dem d er Ph ilosophie.
überhaupt nicht: nulli statt non ; vgl. In Verr. 2,5,182: nullis nostris officiis.
sogar den Griechen vorziehen: vgl. 1 ,15 (Proömium; von früheren Zei-
ten! ) : ingenia ... nostrorum hominum multum ceteris hominibus omnium (!)
gentium praestiterunt.
§ § 9 6 - 1 0 3Nun spricht Crassus über den ornatus allgemein.
96 Saft: im Sinne von Kraft , Geist .
Em pfinden ... M itgefühl: vgl. Brut. 158 (über Crassus): vehemens et in-
terdum irata et plena iusti doloris oratio.
an verschiedenen ... angebracht: vgl. § 102: variatur, distinguitur und zu
2,36: »gestalte . . .« .
bei ihrem Schmuck: Der Sinn von in ornatu ist hier nicht eindeutig fest-
zustellen und wiederzugeben. Vielleicht ist der Präpositionalausdruck eherverbal aufzufassen (etwa in ornando - beim Ausschmücken). - Zur ganzen
Passage vgl. Bru t. 27 5: erant etiam etverborum et sententiarum lumina, quae
vocant Graeci σ χ ή μ α τ α , quibus tamquam insignibus in ornatu distinguebatur
omnis oratio.
hervorstechende Glanzpunkte: vgl. Or. 134: lumina ... sunt enim similia
Ulis, quae in ampio ornatu scaenae out fori appellantur insignia, non quod sola
ornent, sed quod excellant (vorher ist von verborum et collocatorum lumina
die Rede.) ; s . auch Brut. 275 (s.u.) .
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7 4 0 E R L Ä U T E R U N G E N
9 7 übersättigen: Au ch Antoni u s ha t 2 ,1 7 7 v or d e r satietas ge w a rnt u nd
als »Gegengi f t« d ie vanetas empfohlen; vgl . auch 3 ,32 und s . § 98 .
Ihr... nicht (v iermal ne ...) ... fordert... auf: Eigentl i ch e ine überf lüssige
Zw i sche nb e m e rku ng fü r d i e se G e sp rä chsru nd e , d a d i e Anw e se nd e n ü b e r
solche Se lbstverständl ichkei ten natürl i ch erhaben s ind; aber wenigstens in
e iner praeteritio m u ss Cra ssu s d e n ü b l i che n » Ne ga t i v ka ta l og« d e r
S chu l rhe tor i k v orb r i nge n .
9 8 Gegen ..., welche ..., ... empfind en: D e r ü b e r l i e fe r te T e x t : ea ,
quae ..., ab iis ... abalienamu r; i st » e i ne An a kol u th i e « (P i d e r i t / H a rn-
e cke r , 1 8 9 0 ) ; ne b e n ab iis (rebus) lässt sich ea nicht e inorden; ke inesfa l l s
kann es Subjekt zu abalienamur (1 . Pe rson P l u r . ! ) se i n . P i d e r i t / Ha rne cke r
vermuten, dass Cicero, a l s er den cwr-Satz begann, e in anderes Hauptver-
bum im S inne hatte . Vie l le icht vergaß er bzw. se in scriba dann, als dieses
V e r b u m d u r c h abalienamur ersetz t war , ea zu stre ichen und den Präposi -
t i ona l a u sd ru ck a b iis (rebus) vor den Rela t ivsatz zu ste l len. Oder l iegt e ine
Korrupte l in der Uberl ie ferung vor? - Auch die Konjektur von Muel ler ,
1819, (etiam statt ea) ü b e rz e u gt n i cht re cht .Überdruss und (!) ... Ubersättigung: S te i ge ru ng ge ge nü b e r § 9 7 : sine sa-
tietate. D i e d e u tsche V ors i l b e Üb e r - b e to nt d i e ne ga t iv e n Fo l ge n , w e l che j e -
d e s Üb e r fH -schre i te n d e s M a ß e s na ch s ich z i e ht , ga nz b e so nd e rs . D a ss d ie s
auch für artes wie die Malere i und Musik und überhaupt für d ie mensch-
l i chen S inne gi l t , ze igen die folgenden Beispie le .
alten Bildern ... Unscheinbaren: v gl . O r . 1 6 9 : Qu id? Si antiquissima illa
pictura paucorum colorum mag is quam haec iam perfecta delectat, und Pl in .
N a t . H i s t . 3 5 , 7 5 0 : quattuor coloñbus solis imm ortalia illa opera fecere; d a nnwerde n die v ier Farbe n ex albis (w e i ß) , ex silaceis (ocke rge l b ) , ex mbris ( rot)
u n d ex nigris ( schw a rz ) ge na nnt .
Koloraturen {flexiones < flettere) s i nd » B i e gu nge n« j e d e r Ar t , b e i m G e -
sang: übermäßig gekünste l te Läufe , Schle i fer , Tr i l ler , Koloraturen und ähn-
l i c h e » B i e g u n g e n « ; G e g e n s a t z : voculae severae.
Falsetttöne (< falsae\) s i nd b e sond e rs hohe F i s te l - u nd Ha l b töne , K op f -
t ö n e ; G e g e n s a t z : voculae certae = Töne, d ie innerhalb der natürl i chen Ton-
lage e iner S t imme l iegen.unfreund liche ... Herren: N a ch M e i nu ng d e r Ju ng e n u nd » Progre ss i v e n«
sind konservat ive Kunst l iebhaber und Kri t iker , d ie nicht jede neue Mode
b e ju b e l n , » u nfre u nd l i ch« .
9 9 Salben ... Wachs ... Safran: D e n crocus b e nu tz te n d i e Röm e r n i cht
nu r a ls G e w ü r z , so nd e rn v e rse tz te n i hn m i t Wa sse r u nd We i n u nd a nd e re n
Ingredienzien auch zu e inem sehr intensiv und pikant r iechenden Parfüm,
m i t d e m z .B . d i e triclinia b e i G a stm ä hl e rn b e sp re ngt w u rd e n . D e r G e ru ch
d er cera dagegen i st wesentl i ch unaufdringl icher .
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Z U B U C H I I I 741
Übersättigung ... Überdruss (§ 100): Nach der Verb indung fastidie quo-
dam et satietate § 98 stehen die beiden (fast synonymen) Begriffe hier wie-der getrennt jeder für sich.
100 ( » N u t z a n w e n d u n g « a u f d i e R e d e ) harmonisch angeord-
nete: s. zu 2,17: »schließlich ...«.
stimmiger ... gegliederter: s. zu 2,36: »gestalte .. .«.
Ohren: wegen scriptis eigentl ich »Augen und Ohren«.
101 Hübsch ... Reizend: Übertr iebener, unecht »aufgesetz ter« omatus.
dunklen Hintergrund: Wie bei e inem Gemälde (s . § 99); vgl . Quint .
2,17,21 : pictor, cum vi artis suae efficit, ut quaedam eminere in opere quaedam
recessisse credamus ...
102 Rosems: s. zu 1,124.
Denn der Weise . . . : Verse aus e iner unb eka nn ten röm ischen Tragödie .
Welchen Schutz ...: Verse aus der Andromache des Ennius (Andromache
spricht); der erste Vers wird 3,183 ganz zitiert; auch sonst zitiert Cicero
diese Verse wiederholt ; s . z .B. Tusc. disp. 3 ,44.
Schauspieler ... Dichter: s. zu 2,189: »wenn nicht . . .« (bes. am Ende).wechseln ab ... Schwerpunkte: s. zu 2,36: »gestalte .. .«.
103 abgeschmackte: decoquere - abkochen , gar kochen .
eigentlichen: d.h. nicht die vie len von den Rhetoren verbreite ten prae-
cepta , sondern die wenigen natürl ichen »Grundregeln«, an die s ich jeder
orator halten sollte.
ich vorhin sagte: 3,52-81 und bes . 3 ,93: rerum ... silva magna (s. auch zu
2,65: »unbegrenzte . . .«) .
Antonius: 2,99-216 bei der Dars te l lung der inventio.§§ 104-125
Nun s teht wieder die inhalt l iche Komponente im Vordergrund. Zu-
nächst spricht Crassus die amplificatio und ihre Funktion an
(§§ 104-107a); dann wendet er sich den quaestiones finitae u n d infinitae
zu (SS 107b-125), die er schon 1,138 kurz erwähnt und über die auch An-
toniu s im 2. Buch gesp roch en hat (2,41 f. un d 2,133 ff. i m Z u s a m m e n h a n g
mit der Argumenta t ions top ik) .
104 Der größte ...zu verwerfen: vgl. 1,94.Antonius ... aufstacheln: 2,115 nannte Antonius die drei Mittel, mit de-
nen das persuadere erre icht wird: probare, con aliare, ad ... motum vacare.
Hier vari iert Cicero in der Terminologie: adfidem ... faciendam s ta t t ad
persuadendum (Bedeutungsunte rsch ied!) ; explanare statt probare (conciliare
beide Male); concitare statt ad motum ... vacare (vgl. die Erläuterungen
dort und zu 2,349: »und diese . . .«) .
105 Steigerung ... stärker hervorzuheben ... steigern: amplificare/ampli-
ficatio bzw. exaggerare/exaggeratio dienen der Erregung von Affekten, aber
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nicht nur im hier erwähnten genus demonstrativum (laudandi et vitupe-
randi); eine noch g rößere Bed eutun g habe n s ie im genus deliberativum u n d
vo r allem im genus iudiciale. Die verschiedenen Möglichkeiten sprachlicher
Ausschmückung (Aufgabe der elocutio), durch die amplificatiti erreicht
werden kann, werden Quint . 8 ,4 ,3ff . besprochen (vgl . z .B. Martin , 1974,
153-158 und 255-257).
§ 106.107
Gemeinplätze: vgl. d ie Ausführungen des Antonius 2 ,163-173. De inv.
2,48 werden die loci comm unes als argumenta, quae transfeiri in multas cau-
sas possunt definiert ; auch dort nennt Cicero wie hier drei Arten: 1 . certae
rei ... amplificationem (z .B. Vatermord) - h ier: cum amplification incusa-
tionem aut querelam-, 2. dubiae(tv%. rei) - hier (3.): ancipites disputationes ...
(s .u . ) ; 3 . indignationem aut conquestionem - hier (2.): deprecationem aut
miserationem. Die Verschiebung der Reihenfolge ist nicht willkürlich. In De
inventione, wo der junge Cicero die tradit ionelle Schulrhetorik referiert ,
werd en diese drei Ar ten vo n loci commu nes allein auf das genus iudiciale be-
schränkt . In De oratore aber ist der Blickwinkel wesentlich erweitert; dieancipites disputationes ...de omn i genere (!) in utramq ue partem umfassen
alle quaestiones finitae u n d infinitae, also auch wissenschaftliche disputatio-
nes über weltanschauliche und philosophische Fragen, welche auch nach
der unseligen Trennung von Philosophie und Rhetorik - so läss t Cicero
den Crassus seine t iefs te Überzeugung impliz i t aussprechen - zur materia
des oratorperfectus gehören. Indem also Cicero die ancipites disputationes an
den Schluss rückt, kann er wieder, wenn auch unausgesprochen, gegen
diese Trennung polemisieren und er s t immt den Leser auf die folgendengrundsätz l ichen Ausführungen (§§ 107-109) e in .
107 beiden ... Richtungen ... f o r / r à / A k a d e m i e u n d P e r i p a t o s ; s . 3 ,5 7f .
und 3,110.
bei den Alten ...: Vor der Trennung von Phi losophie und Rhetor ik ; vg l .
3 ,56-60 . 69-73 .
Ausdrucksmöglicbkeit: s. zu 2,6: »Fülle .. .«; vgl. o. copiose.
108 Besitz ... unser Eigentum .. • väterliches Erbe: Die Trennung von
Philosophie und Rhetorik war aus der Sicht der Redner e in Eigentumsde-likt (depulsi, inmpemnt), durch das ihnen gewissermaßen die Grundlage
für ihren Beruf entzogen wurde und sie infolgedessen diesen nur in
Schmach und Abhängigke i t ausüben können (indignissimum , quod opus
est, nobis mutuemur).
kleinen ... Grundstück: Beschränkung auf die Gerichtsrede, a lso aus-
schließlich quaestiones finitae (s .u . ) .
109 Jene ... kleinen Stadtteil... Peripatos... Aka demie ... Ieinst... »po-
litische Philosophen« / ... jetzt: Der Dars te l lung der quaestiones finitae u n d
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infinitae setz t Cicero recht weitschweifig erscheinende Bemerkungen über
die Bezeichnung der Uli, de r g r iech is chen Ph i lo sophen , vo ran : » E i n s t «nannte man s ie politici philosophi, e in Name, in dem das Allumfassende
der griechischen Polis zum Ausdruck kam (vgl. auch zu 3,60: »einzigen . . .
Philosophie«); durch das Adjektiv wurde a lso das »Allumfassende«, die
Universa l itä t ih re r Tä t igke i t zum Ausdruck gebrach t. Ih re j e t z i g e n
N a m e n (Peripate tiker und Akad emiker) dagegen gehen nur auf e ine(n)
eng begrenz te (n) partícula ... ac locus der πόλις Athen zurück, nämlich den
überdachten Per ipa tos im Lyke ion und den nach dem Heros Akademos
benannten Park. Diese je tz igen Namen - so wil l wohl Cicero unausgespro-chen suggerieren - spiegeln die eng begrenzten, eingeschränkten »unpoli-
t ischen« Ziele der Philosophen wider. Also beanspruchen s ie die in-finitae
(»unbegrenzten« und nicht auf ihre jeweilige »Schule« beschränkten)
quaestiones zu Unrecht als ihr alleiniges Eigentum; die quaestiones infinitae
s ind im »Grenzgebiet zwischen Philosoph und Redner« (Pideri t-Harn-
ecker ad 1.) angesiedelt.
bestimmten Auseinandersetzung ... allgemeine Frage: s. zu 1,138: »unbe-s t immten . . . konkrete . . .« ; in der Terminologie vari iert Cicero.
beteiligte Personen: s. zu 2,78: »streitenden . . .«.
Rechtsstreit: Wie 2,43 bezeichnet Iis das genus iudiciale.
Beratung: deliberatio s ta t t genus deliberativum.
Lobrede: D ie laudationes sind nur ein Teil des genus demonstrativum.
Untersuchungsfrage: Ge orge s 1,1578 nen nt die consultano einen Ȇberset-
zungsversuch des gr. Term inus θέσ ις neben pro po si tu m , quaest io infini ta«.
110 holten zurück ... machten geltend ... Zweig abbrechen: Wie Scae-vola 1,41, gebraucht auch Crassus hier streng juristische Termini: recupe-
rare, d.h. se in Eigentum, das man durch unrechtmäßige Besitzergreifung
verloren hat, mit Hilfe einer richterlichen Entscheidung oder ggf. auch ge-
wa l ts am zu rückgew innen ; usurpare, d.h. sein Recht auf eine amissa posses-
sio formel l durch e ine symbol ische Han dlun g ge ltend m achen , indem ma n
einen kleinen Teil des beanspruchten Eigentums, z.B. ein Schaf (für die
ganze Herde), oder e ine Krume Erde o.a . , dem Prätor vorlegte .
mit Hilfe ... Gerichtsentscheides: (in) iure kann auch das Vorverfahrenvor dem Prätor, (in) indicio = apud iudicem das Hauptverfahren vor Ge-
richt bezeichnen (s. zu 1,42); vgl. Merklin, 1976: »auf dem Rechtsweg«;
May/Wisse , 2001: »before the praetor or in court« .
Philon (von Larissa), Schüler des Kleitomachos aus Karthago (vgl. 1,45)
und dessen Nachfolger a ls Schulhaupt der Akademie, kam während des
Mithridatischen Krieges 88 nach Rom und beeinfluss te u .a . Catulus und
bes. Cicero entscheidend. Crassus spielt hier darauf an, dass er in seinen
Philosophieunterricht auch die Rhetorik mit e inbezog (s . Tusc. disp. 2 ,9);
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dadurch gewann e r na tür l ich in hohem Maße Ciceros Zune igung und
Loyali tä t .
§§ 111-119
Z u r »philosoph ischem K lassifizierung d er quaestiones infinitae und finitae
in diesem Abschnitt vgl. zu 2,66: ». . . Sonne . . .« und zu 2,104: »wissen-
schaftliche . . .«.
111 debattieren: Z u disceptare/disceptatio und synonymen Begr i f fen s .
zu 1 ,23 »Gespräch«.
unbestimm te Untersuchungsfragen ... oder ... Inhalt... keinen Fall, der ...:
Z u consultationibus s. zu 3,109. - Bekanntlich legte Cicero, abweichend von
der traditionellen Schulrhetorik, großen Wert darauf, dass auch die quaes-
tiones finitae in die Zuständigkeit des orator (perfectus) fallen (vgl. § 109).
Deshalb lässt er in einer zweiten »Welle« auch Crassus denselben Stand-
punkt vertre ten, wie ihn schon Antonius 2 ,133-142 nachdrücklich betont
ha t .
112 wie z. B. : Die Beispiele in den folgenden Paragraphen spiegeln phi-
losophisch-ethische Diskussionen der Zeit wider.113 drei Arten: Die drei modi cognitionis entsprechen der üblichen Ein-
teilung der einzelnen status (vgl. 2,104-109 und s. zu 2,99-113).
ich möchte sagen - Folgerung: Der Begriff consecutio war noch nicht
als rhetorischer Terminus etabliert; 2,166 und 170 verwendet Cicero
das bedeutungsgleiche Part iz ip consequently. De inv. 1,45 steht ein Bei-
spiel fü r eine simplex ... conclusio (Schlussfolgerung) ex necessaria consecu-
tions.
114 Sie: d. h . d ie Philosop hen , von denen C icero diese Einte i lung üb er-nommen hat, wahrscheinlich Philon von Larissa (s . zu 3,110) und seine
Nachfo lger .
gar: Das zw ei te num wirkt s te igernd.
Veränderung: vgl. zu 2,261: »allegorischen ...«.
115 »Erfordert es ... sonst jemand fertig»: vgl. zu dieser Frage die Aus-
führungen des Crassus 1 ,45-73 und des Antonius 2 ,36-38 .
erstrebenswerte: expetere und sein Gegenteil fugere waren allgemein übli-
che Begriffe der philosophischen Diskussion (s. zu § 112 und § 116).116 Folgerung: s. zu § 113.
118 Vielzahl: s . zu 2 ,65: »unbegrenzte . . .« .
Ermahnungen ... Tröstungen: vgl. 2,50 obiurgatio, cohortatio, consolado;
die miserationes usw. werden dort nicht genannt; vgl . d ie Erläuterungen
do rt un d zu 2,35 : »Wer ka nn . . . «.
119 auf diese Weise = his.
meine ... Antonius abgewichen: vgl. 2 ,104-113, wo Antonius über die
Statuslehre referiert.
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Jetzt... widmen: Wie am E nde von § 90 möch te Crassus w ieder den Ein -
druck erwecken, dass seine grundsätzl ichen Ausführungen nur ein Exkurs
waren (s. zu §§ 91-95).
Beweisquellen ... Antonius: 2,163-173.
§§ 120-125
Nochmals geht es um die Frage, inwieweit die quaestiones infinitae auch
zum Aufgabenfeld des Redners gehören (s . nächster Paragraph) .
120 Den ... Schmuck ... also: Trotz des m arka nt an den A nfan g gestell -
ten Stichworts ornatissimae geht es weniger um das ornate dicere allgemein,
als vielmehr weiterhin speziell um die quaestiones infinitae als »Eigentum«
des orator (perfectus).
ganz ... zuwenden: Die Verbindung zweier Verben, gewöhnlich zu einem
Hendiadyoin , (h ie r : conferuntund convertunt) begegnet häufig, z .B . 2,234:
extrudam et eiciam; 3,102: consumpta ...et exhausta; 3,121 : acuenda ... pro-
cudenda u n d onerandum complendumque. Dadurch wird den Aussagen und
Aufforderunge n besonderer N achdruck ver li ehen.
einzelnen ... Streitsachen: reis et criminibus et litibus statt der üblichenVerbindung personae/homines - tempora - causae (z.B. 2,118: de singulis
temporibus, hominibus, causis und 2,133: personis certis et temporibus). Z u
reis s. zu 2,78: »streitenden . . .«.
121 Anton ius ... jungen M änner ... aufgefordert: vgl. die Parenthese
2,118: - vobis hoc, Cotta et Sulpici, dico .
diese Übung ... machen: Nach dem Vorbild des Aristoteles; s. 2,152 und
die Erläuterungen dort ; Or . 46: in hoc Aristoteles ...
Tusculanums ... Nachmittag: An spielung auf das f ingierte G esp räch ; vgl .die Szenerieabschnit te l ,24f.; 2,12-28, bes. 2,20; 3,17f. (§ 18: sedes).
schärfen und formen ... beladen und füllen: s. zu § 120: »ganz ...«.
122 Unser ist...{bis z u m E n d e d e s P a r a g r a p h e n ) : S ch on die
bes on ders auffäll ige st il ist ische G estaltu ng soll den L eser darauf einstim-
men, dass Crassus hier etwas ganz Wichtiges sagt, wovon er ihn überzeu-
gen möchte: Der ganze, nicht gerade kurze Paragraph besteht aus einer
einzigen langen Satzperiode. Gleich zu Beginn signalisiert Nostra est enim
den Anspruch des orator (perfectus), welcher nach der langen Parenthesedurch die Wiederholung nostra est, inquam ( ! ) nochmals besonders betont
wird. In dieser Parenthese fäll t das anaphorische si modo ... si... si... si...
auf . Die hier aufgezähl ten Bedingungen fü r die Haup taussag e nostra est...
possessio sind aber schon erfül l t ; das Geru ndiv adhibendi und vor al lem der
Indikativ sumus (Realis !) bringen zum Ausdruck, dass man in allen Berei-
chen des öffentl ichen und privaten Lebens (in avium disceptationibus, in pe-
natili, in deliberationibus publicis) nicht auf die fundierte und breit gefä-
cher te Sachkunde (omn is ista pruden tiae doctrinaeque possessio) u n d
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verbindliche Autori tä t der Redner (nos oratores... auctores et principes) ver-
zichten kann. Der Relativsatz in quam ... (= in nostrum possessionem) zähltdie Angriffe der homines ... abundantes otio auf: Die unrechtmäßige Inbe-
s i tznahme fremden Eigentums is t ihnen gelungen (Perfekt involavemnt;
beachtenswert auch die metaphorische Ausdrucksweise). Natürl ich spie l t
Cra ssus dam it auf die verhängnisvolle Trenn ung von Philosoph ie un d Rh e-
torik durch Sokrates an (s . 3,60 und die Erläuterungen dort). So ist es nicht
verwunderlich, dass er als Beispiel für Verspottungen (inriden tes ... cavil-
lante), die zweite Art von »Angriffen«, den Sokrates des pla tonischen
Gorgias nennt, zumal er dieses Werk gut kannte (s . 1,47). Weiterhin pran-gert er die Anmaßung der Redelehrer an, die in ihren dürft igen Handrei-
chungen den oratores Vorschriften erteilen; sie erkennen nicht oder wollen
nicht wahrhaben, dass die oratores mit ih re r umfassenden , fundie r ten ph i-
losophischen Bildung über die »geistige Kleinkrämerei« der gängigen
Schulrhetorik erhaben s ind (quasi non illa sintpropria oratorum , quae ... -
s .u . ) . - Anmerkung zu oratorum: Üb erliefert ist rhetorum ; aber die Ände-
rung von Schuetz, 1814, welche Richard, 1932, und May/Wisse, 2001,
übernahmen, is t notwendig, da hier e indeutig Redner und nicht Redelehrer
gemeint s ind; vgl . auch die entsprechenden Verwechslungen von rhetor
u n d orator 3,80.81.
Sicher fragten sich schon zeitgenössische Leser, warum Cicero gerade
diesen Paragr aph en stilis tisch so sehr he rau sh eb t; sagt er do ch - diesen Ein-
druck gewinnt man zunächst - nur Dinge, die er schon mehrmals erwähnt
hat . Sind diese Wiederholungen mit Vergess l ichkeit oder fehlender Gründ-
lichkeit des Autors zu erklären (und zu entschuldigen) oder gestaltete Ci-cero die innere Str uk tur ganz bes on de rs sorgfältig un d zielstrebig? - LPW,
1996,91-95, haben die »Gliederung und Struktur von Buch III« analys iert .
Au sgang spunk t bzw. Ergebnis ihrer Unte rsuc hu ng is t d ie Fests te l lung, dass
das ganze 3. Buch, besonders der »zentrale Abschnitt« 3,19-143 persuasiv,
nicht argumentativ s trukturiert is t . Denn bekanntl ich war die Grundüber-
zeugung Ciceros , dass der Redner philosophische Kenntnisse bes itzen
müsse, unter se inen Zeitgenossen nicht unumstri t ten und wurde von vie len
seiner Leser skeptisch aufgenommen. Daher musste Cicero hier »Überzeu-gungsarbeit le is ten«. Er konnte se inen Standpunkt nur s tufenweise entfa l-
ten und durfte se in Ideal ers t am Ende formulieren. Dazu wandte er se ine
beka nnte » W ellentechnik« an (s. A nm . 16 zur EINFÜHRUNG). (Erinnert sei
daran, dass er auch in seinen Reden diese Strategie angewandt hat. - Dazu
C . Neum eis ter , 1964; M . Fu hr m an n: M . Tull ius Cice ro, Sämtliche Reden . . .
Bd. I. Zürich/Stuttgart 1970, 9-50; W. Stroh, 1975 u.a.)
Bevor wir diese »Wellen« bzw. »Stufen« hier zusammenfassend aufzei-
gen, muss noch eine andere wichtige Fests te l lung genannt werden: Cicero
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forderte nicht immer die gle ichen phi losophischen Kenntnisse . Zunächst
spricht er nur von »ethisch-pol i t i schen«, schl ießl ich aber von »umfassen-
d en« phi l os ophi s chen Kennt ni s s en . - Da ra uf wi es e rs t ma l s K . B a rwi ck ,
1963 , 35-39 , hin (die Schluss folgerungen, d ie er aus se inen Beobachtungen
zieht , werden a l lerdings von LPW, 1996 , zu Recht abgelehnt ) .
D ie erste »Welle« , i n d er uns er Thema z ur S pra che kommt , wenn a uch
nur unterschwel l ig und verdeckt , i s t der Abschni t t 3 , 1 9 - 2 4 , wo es um die
Einhei t von re s u n d verba geht . § 23 werden caeli und terrae natura, s o w i e
die vis divina und humana genannt ; das s ind schon »umfassende« phi loso-
phische Kenntnisse , aber Crassus vert ie f t d ieThemat ik noch nicht (vgl .
auch die Er läuterungen zu 3 ,22) . - Die zweite »Welle« umfa s s t d en Ab-
schni t t 3 , 5 2 - 9 5 ; 3 , 5 4 werd en mi t (omnia), quae sunt in hominum vita
»ethisch-pol i t i sche« Kenntnisse angesprochen. 3 ,71 wird gesagt , dass der
orator perfectus die akademische und peripatet i sche Phi losophie kennen
muss , was ja »umfassenden« Kenntnissen entspricht ; d ies wird aber noch
nicht ausgesprochen. § 72 werden wieder nur »ethisch-phi losophische«
Kenntnisse genannt und § 76 wird wieder zu »universa len« Kenntnissen er-
wei tert und damit auf §§ 3 ,80f . vorberei tet . Diese beiden s t i l i s t i sch beson-
ders sorgfä l t ig und kunstvol l ges ta l te ten Paragraphen (Per iodenbau, Kl i -
max - s . zu 3 ,80 : »der echte . . .« ) , in denen Crassus emphat isch betont ,
dass für den orator perfectus universel le phi losophische Kenntnisse e ine con-
dicio sine qua non s ind, s te l len e inen vorläuf igen Höhepunkt dar . - Die
d r i t t e » W e l l e « ( 3 , 9 6 - 1 4 3 ) begi nnt wi ed er vors i cht i ger und z urückha l t en-
der. D ie Beispie le 3 ,111-1 19 s ind a lle aus dem »ethisch-p ol i t i schen« Bereich
genommen. E rs t i n §122
fass t Crassus die »ethisch-pol i t i schen« und die» umfa s s end en« phi l os ophi s chen Kennt ni s s e wi e i n e i ner C o d a als Einheit
z u s a m m e n ( q u a s i ... propria oratorum, quae ... de ... de ... de ... a m E n d e
S t e i gerung: de omni , denique etiam de . . . ) . 3 ,126 - 143 werden Catulus
und C ra s s us (gewi s s erma ßen z um Aus kl a ng und a l s H öhepunkt d er S t e i -
gerung) in einer vier ten »Welle« nur noch von »universel len« Kenntnissen
sprechen und abschl ießend kann dann Crassus fes ts te l len: in oratore per-
fecto inest illorum (=philosoph orum ) omn is scientia (§ 143).
O b die zei tgenöss ische n L eser diese raf f inierte persuas ive , nicht argu-
ment a t i ve Kompos i t i ons t echni k C i ceros d urchs cha ut ha ben?
Besitztum ... gestürzt... verfallen und herrenlos: vgl . zu 3 ,108 : »Bes i tz . . .«
und zu 3 ,110 : »hol ten zurück . . .« ; zu quasi caducam atque vacuam vgl . Ul -
pian 1^1 : Qu od quis sibi testamen to relict um , ita ut iure civili cap ere posset,
aliqua ex causa non ceperit, cadu cum appellatur, veluti cecidit ab eo.
123 ausgerech net ... ausgerau bt haben: vgl . 3 ,1 0 8 : de nostra possessione
depulsi ... inruperunt ... mutuemur und die Er läuterungen dort .
politische Wissenschaft: s . zu 3 ,109 : » Jene . . . pol i t i sche Phi losophen«.
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vorhin: 3 ,86 -89 .
Quellen: s. zu 2,117: »Rinnsale . . .«.nur ... erfasst... schnell: vgl. 3 ,89 und die Erläuterung dort .
124 Denn einerseits ... Hebtet: Auch diese Äußerung erinnert e twas an
die provozierende Aussage zur Schnelligkeit des Lernens § 89.
125 Fülle der Worte: s. zu 2,6.
Wenn nur ... - wahrhaftig, der ... verleihen so ll: Wieder eine lange Satz-
per iode : Gemeinsames Subjek t im Haupt- und Nebensa tz i s t is, qui âicet
aut scribet. Im Nebens a tz si modo is ..., der etwas an die Parenthese si
modo ... § 122 erinnert , werden F aktoren g enan nt, d ie den späteren Red ner
(und jeden literarisch Tätigen [aut scribet] davor bewahren sollen, auf die
magistri isti (abfällig für die Rhetoren) angewiesen zu sein, wenn es um den
ornatus und um stilistische lumina geht; es sind dies: 1. liberalis educatio
doctrinaque puerilis, 2. Studium, 3. natura, 4. exercitatio auch im genus infi-
nitum, 5. imitatio vorbildlicher saiptores oratoresque. De r Hau p ts a tz be -
ginnt mit der Bekräft igungspart ikel ne (= νή) , d ie oft m it hercle, edepol o . ä.
verbunden wird. - Zu den genannten Faktoren vgl. 1,113b—119, wo Crassus
übe r natura - ars - exercitatio spr ich t; s . auch zu 2,147: »Scharfsinn . . . «.
gelangt: Die Vorsilbe de- vers tärkt den Eindruck des Leichten, Mühelo-
sen.
Üb erfluss des Stoffes: vgl. den Anfang des Paragraphen.
§§ 126-131
Sehr emph at isch bekräf t ig t Ca tu lus d ie Gr und übe rzeu gun g des C rassus .
Dessen Forderungen wurden von den ä l teren Sophis ten, a lso vor der Tren-
nung von Rhetorik und Philosophie , erfüll t .126 gewaltige ... fülle: Z u varietatem ... vim ... copiam vgl. § 125 An-
fang: copiam, E n d e : abundantia.
alten Lehrer ... Förderer: die Sophis ten (s .u . zu Hippias) .
jeder Redeweise: genus finitum u n d infinitum.
127 Hippias: End e 5. Jh . ; Z eitgenosse des Protagoras (s .u . ) . Pia ton
läss t in den nach ihm benannten Dialogen den Sokrates besonders se inen
Anspruch, die Autarkie e ines Sophis ten zu verwirklichen (s .u . : Ring ...
Mantel ... Schuhe ... gefertigt und den Anfang von § 128), verspotten. -Auch die folgenden Soph is ten, a lle Zeitgenossen des Sokrates , woll ten, wie
Hippias , g le ichermaßen philosophi, oratores u n d rhetores sein.
Olympia: Bei den Olympischen Spielen wurden auch Wettkämpfe in den
sog. επιδείξεις, Prunk- und Schaureden, ausgetragen.
die eines freien ... öffentlichen Angelegenheiten: die artes liberales, Phys ik ,
Ethik, Poli t ik .
128 wieviel diese ... verschmähten: Anders als Sokrates (s .o.) beurteilt
Crassus diese »Marotte« des Hippias posit iv .
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niedrigere ...: sordidus (< sordes, is - der Schmutz) bezeichnet die »ba-
nausischen« handwerklichen Tätigkeiten.
Prodikos: vgl. Piato n, Pr ot. 315 D ff. , w o dieser S ophist vo m Bett aus
einen Vortag hält.
Thrasymachos: s. zu 3,59.
Protagoras (aus Abdera) (um 485 - um 415) war einer der ersten Sophis-
ten. Er führte das Leben eines Wanderlehrers . Von ihm s tammt der horno-
mensura-Szn. Vgl. den nach ihm benannten Dialog Piatons; auch im
Theaitet greift ihn Piaton an.
129 Gorgias: s. zu 1,103.
der ... u nterlag ... Piaton - Verteidiger spielte ... : In dem nach ihm be-
nannten Dialog tra t Gorgias a ls patronus der Redner auf; Sokrates vertra t
die Sache der Philosophen.
nicht... Wirklichkeit: Er hat nicht wirklich s ta t tgefund en und ka nn nicht
als Beweis für die Überlegenheit der Philosophen über die Redner dienen.
Sokrates hat auch nicht als Philosoph, sondern als der bessere Redner ge-
s iegt . Dieselbe Überzeugung hat Crassus ähnlich 1,61 f. und An ton ius2,36-38 vertre ten (s . auch u.) .
dieser Mann . . . : M it sed hic nimmt Catu lus den mit ipse ille L . G. begon-
nenen, aber durch quo patrono usw. un te rbrochenen Gedanken wieder auf .
Der Anakoluth spiegelt d ie Erregung des Catulus wider; er muss zuers t
»los werden«, was er von den »Rollen« des Gorgias und Sokrates in dem
platonischen Dialog hält (s .o . zu: »nicht . . .« und vgl. des Crassus Worte
1,47 und die Erläuterungen don).
Buch Piatons: Gorgias 447 C - 448 A.er werde ... sprechen: vgl. 1,103: Quodprimum ferunt Leontinum fecisse
Gorgiam usw. Dieses gorgianische Epangelma erinnert an die pointierte
Formulierung des Ideals des orator perfectus 1,21: vis oratons professioque
ipsa bene dicendi hoc suscipere ac polliceñ videtur, ut omni de re, quaecumque
sit proposita, ornate ab eo copioseque dicatur. Allerdings war das Ziel und
Wesen de r Tätigkeit des Gorg ias - und das is t der wesentl iche Un tersch ied,
der Cicero veranlass t hat , das T un des Gorgias e in audax negotium u n d im -
pudens zu nennen (De fin . 2 ,1) - Epideixis , Improvisation, kurz: bloßesV i r t u o s e n t u m .
130 zu ein und derselben Zeit: Näm lich vor der Trennu ng von Phi loso-
phie und Rhetor ik .
§§13 1 f f.
Am Schluss der Erwiderung des Ca tu lus und am Anfang der fo lgenden
A ntw ort des Crassus werden zwei Mot ive aus dem Schluss des Pro öm ium s
zu Buch I wieder aufgenommen. Catulus f indet es besonders bewunderns-
wert , dass Crassus trotz se iner Verpfl ichtungen (occupatissima in civitate)
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s ich umfassende Kenntnisse angeeignet hat , während die Griechen ( U l i . . .
otio ... diffluentes) das ihnen überl ieferte Wissen nicht bewahrten. In 1 ,21und 22 (s . zu 3 ,22f. ) machte Cicero a l lerdings noch Zugeständnisse an die
realen Verhältnisse und übernahm dann von den Griechen die partitio ar-
tium und die Beschränkung der Redekunst auf die genera forensia. 3,132 da-
gegen rügt Crassus dies als gewaltsamen Eingriff in die magnitudines artium
und belegt se inen Standpunkt in den folgenden Paragraphen mit exempta
aus Griechenland (§ 132) und Rom (§§ 133-135). - Vgl. auch die Erläute-
rungen zu 1,21 f. und 3 ,56f .
131 sich verzettelten: diffluere - wörtlich »zerfließen«; vgl. 1,22: non so-
lum ... abundantis.
132 Hippokrates: 459 - M itte 4. Jh . v. C hr .
Euklid (um 300) erhie lt se ine philosop hische u nd m athem atische Ausbil-
dung in der pla tonischen Akademie; später wirkte und lehrte er wohl auch
in Alexandria . Durch seine 13 Bücher Elementa beeinflusste er die Ent-
wicklung der Mathematik bis in unsere Zeit .
Archimedes aus Syrakus: Den berühmten Mathemat iker und Phys iker ausSyrakus (287-212) kennen wir vor a l lem durch seine vie len Entdeckungen
und Er f indungen .
Damon: 5. Jh. : bedeu tend er Sophis t un d M usikw issenschaft ler; Lehrer
und politischer Berater des Perikles. Nach Diog. Laert. 2,19 war auch So-
krates se in Schüler. Er s tand in der pytha goreische n Tradit ion.
Aristoxenos aus Tarent: um 370 geb. ; griechischer Philosoph, Biograph,
His toriker und vor a l lem Musikwissenschaft ler , dessen zahlre iche Schrif-
ten e ine große Nachwirkung e rz ie l ten .Aristophanes (aus Byzanz): um 257-180; e iner der bedeutendsten a lexan-
drinischen Philologen, der ab 195 die Bibliothek in Alexandria leitete. Er
gab die griechischen Dramatiker, Epiker und Lyriker heraus und schrieb
sprachwissenschaft l iche Werke.
Kallimachos (aus Kyrene), geb. um 310, wird hier nicht als Dichter, son-
dern ebenfalls a ls bedeutender a lexandrinischer Gelehrter genannt - er ar-
beite te ebenfalls in der dort igen Bibliothek. Sein Hauptwerk waren die
Pinakes, eine Art Bibliographie des gesamten griechischen Schrifttums in120 Buchrollen.
133 Sex. Aelius: s. zu 1,192.
M . ' Manilius: s. zu 1,212. Auch dort wurden die beiden Rechtsgelehrten
zus ammen genann t .
zu Hause ... Lehnstuhl: s. zu 2,143.
134 P. (Licinius) Crassus (Dives): 240-183; ab 212 Pontifex Maximus,
205 Konsul zusammen mit Scipio Africanus Maior. Ers ter Träger des cog-
nomen Dives . Er zeichnete sich a ls glänzender R edn er un d Juris t aus .
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Ti. Coruncanius: s. zu 3,56.
Urgroßvaters ... Scipio: s. zu 3,8: »Tochter .. .«. Der Urgroßvater war
P . C o r n e l i u s S c i p i o N a s i c a C o r e u l u m , 162 und 155 K on su l.
Als Censor ließ er 159 die erste Wasseruhr in Rom aufstellen (Plin. Nat.
H ist. 7,215; s. zu 3,138). E r war als Redner und Jurist berüh m t.
135 M . (Poraus) Cato (Maior): s. zu 1,171, die folgenden Erläuterunge n
und zu 3 ,133-135.
Gelehrsamkeit... kam: vgl. De rep. 2,29: Ac tarnen facile p atior non esse
nos transmarinas nec importâtes artibus eruditos, sed genuinis domesticisque
virtutibus.
Trat er etwa ...? Oder ...fin beiden ... Vortreffliches: Sehr pointierte Fe st-
stellung, dass Cato wohl noch mehr als die vor ihm genannten Römer die
ursprüngliche Einheit von scire und dicere, von theoretischem Wissen und
praktischer Tätigkeit als Redner in idealer Vollkommenheit verkörperte.
War er etwa Neuer Aspekt: Für ihn waren die negotia privatorum
und das rem publicam capessere gleich wichtig.
Volk ... Senator... Feldherr: Klimax. Die zeitgenössischen Leser verban-den mit diesen Stichworten sicher ganz konkrete Ereignisse.
schließlich ... wissen oder lernen ... ergrün det und erforscht ... niederge-
schrieben: Nach den »pragmatischen« Aspekten rückt Crassus zur Abrun-
dung noch einmal das scire in den Vordergrund; aber Cato war auch als
The oretiker und W issenschaftler nicht bloß rezeptiv, sondern betätigte sich
auch hier aktiv und schöpferisch (conscripserit).
§§ 133-135: Auch im Proömium zu Buch I von De re publica (1,1) zählt
Cicero erst eine Reihe vorbildlicher Römer ziemlich summarisch auf undhebt dann den Censorius als ein leuchtendes Beispiel für römische virtutes
ganz besonders hervor: M . vero (!) Caton i..., quo omnes... quasi exemplari
ad industriam v irtutemq ue dueim ur, certe lieuit Tuscu li se in otio delectare ...
Sed homo demens, ut isti (= die Epikureer) putant, ... in his undis et temp e-
statibus ad summ am senectutem maluit iactari, quam ...
136 Jetzt dagegen ... kennen sie nicht: Gänzlicher Verlust des Ideals des
orator perfectus.
Wenn ... aber: Kein vorausgehender s«-Satz; verkürzte Ausdrucksweisestatt e t i a m s i nudi... sint.
Sakralrecht: D as ius pontificium wurde von den pontífices geschützt.
Beredsamkeit... Geschrei und Zungenfertigkeit: vgl. 1,173 ff., wo Crassus
patroni, die keine ausreichenden juristischen Kenn tnisse habe n, wegen im -
pudentia und inertia angreift.
Verbindung ... Wissensgebiete: vgl. 3,21.
137 sieben Manner ... weise: Im Streit zwischen Philosophen und Red-
nern beanspruchten beide »Lager« die Septem sapientes und die 3,56 ge-
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nannten Männer für s ich; Crassus vertr i t t e ine »Sowohl-als-auch Posi-
t ion«: Sie waren ebenso Denker wie Redner.
Thaies (von Milet) wird in De oratoremit hier genann t. Der gefeierte M a-
them atiker und A stro no m aus der 1. H älft e des 6 . Jh .s ν. Ch r. - er ber ech -
nete die Sonn enf insternis des 28. Mai 585 vora us; den L ehrsatz vom »Tha-
ieskreis« lernen heute noch alle Schüler -, gilt seit Aristoteles (s.u.) als
Ahnherr der griechischen Philosophie . Er besaß auch große praktische Fä-
higkeiten und engagierte sich politisch; also war er ein σ ο φ ό ς n a ch d e m
Verständnis se iner Zeit (s . zu 3 ,60: »einzigen Namen . . .«) . Unsere Haupt-
que lle fü r ihn wie überhaup t fü r d ie f rühen ion ischen N aturp hi loso phe n ist
Aris tote les , Metaphysik A 3 983b 6. Danach war für Thaies der Urgrund
allen Seins das Wasser, weshalb er lehrte, die Erde schwimme auf dem Was-
ser; dam it erklärte er auch den Au sbruc h von Erd beb en (s . W. K ranz , Vor-
sokratische Denker, griechisch und deutsch,1949).
Peisistratos (um 600-528/527) wurde zweimal vertr ieben, bis er endgül-
t ig die Tyrannis in Athen fes t igen konnte . Neben seiner poli t ischen Tätig-
keit förderte er auch die wirtschaft l iche und kulturelle Entwicklung derStadt maßgeblich un d legte den G ru nd zu de ren kultureller Blüte ; u . a . ver-
anlass te er e ine Fixierung des Textes der homerischen Dichtungen (sog.
Peisistratische Redaktion).
Beredsamkeit ... aufgrund ... wissenschaftlichen Bildung über ihnen stand
(— H errs ch er ü ber s ie w urd e): d .h . , er kon nte die Alle inherrschaft err in-
gen, weil seine eloquentia nicht nur leerer clamor un d cursus verbomm
(§ 136) war, sondern durch die res glänzte.
138 Penkies: s. zu 1,216 und 3,59.alten Kom ödiendich ter ... Anm ut... Kraft ... Stacheln ... : Crassus spie l t
wohl auf das letzte Stück des Eupolis (446 - nach 412) an, des bedeutends-
ten Rivalen des Aris tophanes; nach anfänglicher Freundschaft verfe indeten
sich die beiden Dichter wegen eines Plagiatstreites. Von dieser Komödie
Demoibesitzen wir einige Fra gm ent e (hier: frg. 102 Ka ssel/A ustin ). M it le-
pas gibt Cicero π ειθώ , -ο ϋς - » Gab e der Über redung , de s Übe rzeugens ;
Bezauberung« wieder; vgl . auch Brut . 59.
damals ... erlaubt: Später unter den 30 Tyrannen wurde es gesetz l ichverboten, lebende Personen in e iner Komödie zu verspotten.
Wasseruhr: In Athen und Rom wurden durch e ine clepshydra die Rede-
zeiten bei Gerichtsverhandlungen zugemessen und kontroll iert ; auch bei
Redeübungen wurde d iese Methode angewandt (s . Tusc . d isp . 2 ,67) .
kläffen: vgl. Brut. 58, w o beda uer nd festgestellt w ird, dass m anch e Red ner
keine suaviloquentia besitzen: latrant enim quidam oratores, non loquuntur.
Anaxagoras: s . zu 3 ,56. Die in dieser Form unhis torische Verbin-
dung zwischen Perikles und Anaxagoras wird ebenso wie die folgenden
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exempta h ä u f ig a n g e fü h r t , w e n n e s u m d a s Id e al d es » P h i lo s o p h e n k ö n ig s «
geh t .
Bildung, staatsmännische Einsicht und Beredsamkeit: Ideal des orator per-
fectus.
40 Jahre: Üb e r t r e ib u n g (d u rc h » g ro ß z ü g ig e « Au f ru n d u n g ? ) ; P e r ik l e s
war e twa von 463 bis 429 an der Macht; vgl . 1 ,216: plurimos annos.
139 Kritias und Alkibiades: s . zu 2 ,93 .
Dion (409-354) , de r Schwager des Dionys ios I . , war Piaton se i t dessen
e r s t e m Au fe n th a l t i n S y ra k u s a l s l e id e n s c h a f t l i c h e r An h ä n g e r u n d F re u n d
v e rb u n d e n . D ie s e r k o n n te a b e r a u c h s p ä t e r u n t e r D io n y s io s I I . s e in e p o l i -
t i s c h e n Id e e n (Um wa n d lu n g d e r Ty ra n n i s i n e in g e s e t z l i c h b e g re n z t e s Kö -
n ig tum) n ich t ve rwirk l ichen ( s . auch u . zu Archy tas ) . Dion wurde des
Hochver ra t s ve rdäch t ig t - e r ha t te seh r gu te Bez iehungen zu Kar thago -
u n d v e rb a n n t . Vo n A th e n a u s e rk ä m p f t e e r s i c h e in e t r i u m p h a le Rü c k k e h r
n a c h S y ra k u s , wu rd e a b e r v o n p o l i t i s c h e n Ge g n e rn e rm o rd e t ( s . P i a to n s
7. Br ie f ; P lu ta rch , D ion ) .
angetrieben, gerüstet ... bewaffnet: Kl im a x .Isokrates: s. zu 2,10: »Vater . . . Isokrates«.
Timotheos: De r b e d e u te n d e a th e n i s c h e P o l i t i k e r u n d Ad m i ra l wu rd e
n a c h we n ig e r e r fo lg r e i c h e n Un te rn e h m u n g e n a b g e s e t z t u n d s t a rb 3 5 4 in
d e r Ve rb a n n u n g .
Lysis (aus Tarent) k a m u m 4 0 0 we g e n a n t ip y th a g o re i s c h e r Um t r i e b e i n
Un te r i t a l ie n n a c h Gr i e c h e n la n d u n d wu rd e im E l t e rn h a u s d e s Epaminondas
a u f g e n o m m e n ; d i e s e m b e d e u t e n d e n t h e b a n i s c h e n F e l d h e r m w i d m e t e C o r -
nel ius Nepos e ine Biographie ; er war bei Leuktra (371) s iegre ich und f ie lbe i Mant inea (362) .
Xenophon: s . zu 2 ,58 . Den Spar tanerkön ig Agesilaos ( u m 4 4 5 - 3 5 9 )
pr ies er in der g le ichnamigen Schrif t a ls e inen vorbi ld l ichen Herrscher
(s. 2,341).
Philolaos: P y th a g o re i s c h e r P h i lo s o p h a u s Kro to n o d e r Ta re n t ( u m
4 7 0 - 3 9 0 ) .
Archytas ( e rs te H ä l f t e 4 . J h . ) : H o c h b e r ü h m t e r P y t h a g o r e e r ; d a n e b e n
M a th e m a t ik e r , Ha rm o n ik e r u n d M e c h a n ik e r ( u . a . e r f a n d e r e in e m e c h a -n isch f l iegende Taube) . Er wurde s iebenmal S t ra tege in Taren t und b l ieb
unbes ieg t . Bef reunde t mi t P ia ton , ve ran lass te e r d iesen zu se ine r d r i t t en
Re ise nach Syrakus und e rwirk te von Dionys ios H. dessen F re i la ssung
( s . o . ) . D ie p y th a g o re i s c h e n E in f lü s s e im S p ä twe rk P i a to n s g e h e n wo h l
v o rwie g e n d a u f i h n z u rü c k .
Pythagoras ... Großgriechenland: s. zu 1 ,42 : »Py thagoree r« .
141 Aristoteles... Isokrates: Zu der Riva l i tä t zwischen den be iden Män-
nern s . zu 2 ,160 : »mi t Verach tung« und J . Dür ing , Ar is tode in the Anc ien t
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Biographical Tradit ion (Studia Graeca e t Latina Gothoburgensia 5), Gote-
borg 1957, 299-314. Der Zulauf, den Isokrates als Rhetoriklehrer hatte, sollAris tote les dazu veranlass t hab en, die Philosop hie mit der Rheto rik zu ver-
binden ( mutavit... totam formam prope disciplinae suae).
er (is): Üb erliefert ist ipse, wa s s ich aber auf Aris tote les beziehen w ürd e;
Sch uetz , 1814, ko njizie rt ille.
Erörterung ... Fällen . . . : vgl. 1,77: in forensibus rebus civilibusque; 2,42: in
foro atque in civium causis disceptationibusque und d ie Er läu te rungen dor t .
Philoktet: Verlorene Tragödie des Euripides .
§ 142.143
Crassus beendet se ine sehr engagierten Ausführungen über die Einheit
von res u n d verba mit einer emotionalen Steigerung, auf die eine Pause »an-
dächtigen«, ja betroffenen Schweigens folgt - ähnlich der Stille am Ende
einer aufrütte lnden Theater- oder Opernaufführung; s . zu 1 ,160: »tra t . . .
ein« und zu 3,66: »leer«.
142 das sprachliche Unvermög en: infantia ist der Gegen satz zu eloquen-
tia; vgl. Top. 82: possitne eloquentia commutatione aliqua converti in infan-tiam ; Brut. 77 u. ö.
geschwätziger Dummheit: Wieder eine heftige Attacke gegen die impu-
dentes oratores, die kein Sachwissen besitzen (vgl. dagegen § 143: docto ora-
tori).
143 man (zweimal): gemeint s ind die Philosophen.
schwieg ... Stillschweigen: s.o. zu 3,142.143.
§§ 144-147
Nach Catulus läss t Cicero nun auch die jüngeren Gesprächste i lnehmerz u W o r t k o m m e n .
144 auferlegt: denuntiare is t ein gerichtlicher Terminus technicus: testi-
monium alicui denuntiare - jemanden zur Zeugenaussage auffordern ; d ie
Zeu gensc haft auferlegen (dazu w ar m an v erpfl ichte t ; vgl . Q ui nt . 5 ,7 ,9).
deine Aufgabe ... vier Teile: 3,37b-51 handelte Crassus die vier Sti lqua-
litäten und das Latine dicere u n d plane dicere ab (s. d ie Erläuteru ngen dort) ;
die beiden anspruchsvolleren Stilqualitäten, das ornate dicere u n d apte di-
cere, können aber e rs t vor dem Hin te rgrund der Einhe i t von res u n d verba
gewürdigt w erden (s . d ie Erläu terunge n z u 3,91-103). So erfolgt ihre »tech-
nische« Behandlung ers t je tz t (3 ,148-209 ornate dicere·, 3,210-212 apte di-
cere).
selbst... knapp: 3,52: percucuni... praeterii.
145 riss dich ... weit von der Erde fort...: d.h . von der Sys temat ik der
Schulrhetorik (s .o . ) .
mich ... in die Akad emie: Cotta zeigt s ich überzeugt davon, dass der
Redner philosophische Kenntnisse bes itzen muss . Der his torische Cotta
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schloss s ich der skeptischen Akademie an; im dri t ten Buch von De natura
deorum fü hr t ihn Cicero a ls deren Sprecher e in .146 Leben szeit ... Blick gerichtet hat: s. bes. 3,86.89.123 ff.
Caesar: Zwischen dem bege is te r ten Anhänger der Akademie Cot ta und
dem der Philosophie eher skeptisch gegenübers tehenden Sulpic ius vertr i t t
Caesar e inen mehr indifferenten, »mitt leren« Standpunkt; er greif t nur die
provozierende Äußerung des Crassus von § 89 auf.
nicht schnell: s. zu 3,89.
unserem Wissen ... begnügen: Das praktische Wissen e ines römischen
Redners im Gegensatz zu den theoretischen Kenntnissen der griechischen
Phi losophen .
147 Sulpicius drängt nicht gerade höfl ich - sonst wahren die Ge-
sprächste i lnehmer immer die höfl iche Form - zur Fortsetzung des für die
rednerische Praxis nützl ichen rhetorischen Abrisses über die elocutio ( s . u .
zu § 148).
Aristoteles und Kameades wurden auch 3,71 und 80 gemeinsam genannt,
genauso wie hier als Gegenbeispiele zu der eingeengten Sichtweise derSchulrhetoriker.
nicht um ... aufzugehen: Die hohen Anforderungen des Crassus könnten
dazu verleiten.
§§ 148-209
Nach dem kurzen Zwischengespräch fähr t Crassus mit e iner » techni-
schen« Dars te l lung der elocutio fort, die bekanntlich fiir die traditionelle
antike Rhetorik eine besonders wichtige Rolle gespielt hat (s . zu 3,37b).
S eine D a rs te ll un g u nte rte il t er in d e r ü blic hen Weise : l . E i n z e l w ö r t e r -singula verba (§§ 148-170); 2 . W o r t v e r b i n d u n g e n - continuatio ver-
borum ( P r o sa r h y th m u s u n d P e r io d e n ba u ; § § 1 71 -1 98 ); 3 . S t i l f i g u r e n -
figurae/conformationes , unterteilt in conformations verborum et sententia-
ru m (§§ 199-209). Die beiden ers ten Abschnit te nannte er schon 3,93: ver-
borum 1. eligendomm et 2. conlocandorum et concludendorum.
148 Du ... dir nicht unbekannten ... Aber ich will . . . : Cra ssus geht
auf den Wunsch des Sulpic ius so zuvorkommend ein , a ls habe er des-
sen Unhöflichkeit n icht bemerkt: Dabei wusste er s icher, dass der jungeRedner s ich nicht genügend theoretische Kenntnisse angeeignet hatte
(s. Brut. 124).
Urhebern und Erfindern: Wahrscheinlich Isokrates (s . 3,173) und beson-
ders Aris tote les und Theophras t (s . 3 ,182-187193).
149 einzeln: Tropen (simpliciter - ex singulis verbis) - im Zusamm en-
hang: Figuren (coniuncte - ex continuais coniunctisque erg. verbis). Vgl.
Part. or. 16ff. und s. D. C. Innes, Cicero on Tropes, in Rhetorica 6 (1988),
307 -325 .
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entweder solche: verba propria ... (§§ 150-153); oder solche: verba trans-
lata ... §§ 155-170); oder solche: verba novata . . . (§ 154). Man beachte diegeänderte Reihenfolge.
übertragen = metap hor isch . Von der translatio - μ ε τα φ ο ρ ά i st d e r status
translations - μ ετά λη ψ ις zu un te rsche iden .
150 ... dann ... benützt: D ie verba propria gehören nur un te r der
Voraussetzung zum eigentl ichen omatus orationis, dass sie lecta u n d inusi-
tata sind (§ 153; vgl. auch § 151); vgl. De op t. gen. or. 4:perfiàendum est...
in propriis, ut lautissima eligamus.
151 kein großer Vorzug ... wichtig ... Boden ... Fundament: Latine di-
cere is t e ine selbs tvers tändliche Grundvoraussetzung. Vgl. auch die ironi-
sche Bemerkung 2,91 : in eo vitio similem esse non magnum est.
152 ungewöhnliche: erg. verbumproprium (s .o . ) .
153 ab und zu ... dichterisches Wort... Rede etwas Erhabenes: vgl. 1,128
und 3,39.
(L.) Coelius (Antipater): s. zu 2,54.
Zeitläuften: qua tempestate s ta t t quo tempore.Ausspruch tun: ejfan s ta t t dicere.
benennen: nuncupari (< nomen u n d capere) statt appellare.
Catulus ...pflegst: 3,82: Catulus: t... rebar ...<
mich dünkt: Die 1. Person Imperf . opinabar ga l t wohl a ls unmodern .
154 Da hat Entsetzen . . . : aus En niu s, Alcmaeon.
Willst du etwa ...: Wahrscheinlich aus Accius, Armorum iudicium. Aias
spricht über die ränkevolle Schlauheit des Odysseus .
falschzüngig: versiloquus < versutus - verschlagen, listig und loqui.reißt aus der Brust: expectorare ~ ex pectore eximere.
verlass 'ner Greis: senius (davon das häufigere N eu tru m senium - die Al-
tersschwäche) s ta t t senex; wahrscheinlich aus Ennius , Satiren.
zeugende Götter: aus Ennius , Annalen. Vgl. Verg. Aen. 6 ,764: Romulus
in caelo cum dis genitalibus aevum degit. M it dei genitales (statt gignentes;
Vergil hat die Neubildung des Ennius übernommen) s ind die zwölf dei
maiores als die U rhe be r a l ler Ding e gem eint .
sich unter ... beugen: aus Ennius , Eumenides. Tusc. disp. 1,69 zitiert Ci-cero die ganze Stelle, incurvescere (< incurvus, -a, -um) ist also ebenfalls
e ine Neubi ldung des Ennius .
155 Übertragung eines Wortes: Metapher .
Übertragung ... No twend igkeit ... reine Freude: vgl. Quint . 8 ,6 ,5: Trans-
fertur nomen ...id facimus aut quia necesse est, aut quia signißcantius est, aut
quia decentius.
Weinstöcke ... Saaten ... Bauern: vgl. Or. 81 : tralatione ... qua frequentis-
sime sermo omnis utitur non modo urbanorum, sed etiam rusticorum, si qui-
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dem est eorum 'gemm are vites<, >sitire agros<, >laetas esse segetes·, >luxuriosa
frumenta<; s . auch zu 2 ,96 : »Bauern . . .« .setzen Augen an: Das erste Beispiel ist nicht zutreffend für eine Meta-
pher; denn gemma bedeutet als verbum proprium »Knospe, Auge« und alsMetapher »Edelstein« (s. Innes, 1988, 315).
Gras... üppig: Dasselbe gilt auch für das zweite Beispiel: luxuries bedeu-tet schon als verbum proprium »Üppigkeit«; vgl. auch zu 2,96: »üppige ... «.
fröhliche: laetus als Metapher für »reich, üppig, saftig«; vgl. Tac. dial. 40:herbas laetiores (vom Unkraut) .
156 Doch wozu . . . : D urc h die rhetorisch e Frage signalisiert Cr ass us ,dass er weitere Ausführungen in diesem Kreis eigentlich für überflüssighält ; trotzdem fährt er mit seinem »technischen« Referat fort (s.u.).
157 ( . . . ) : Sorof, 1875, hat den Beginn des Paragraphen woh l zu Rechtals verderbt gestrichen, weshalb wir den Text in Klammern setzen; vgl.auch May/Wisse, 2001, 270, Anm. 195: »The difficulties with this (erg. de-finition of metapher) are so great that deletion seems the best course«. Zu
der Definition vgl. Quint. 8 ,6,8: in totum autem m etaphora brevior est simi-litude ( = ε ί κ ών ) eoque distat, quod ilia (= similitude) comp aratur rei, quam
volum us exprimere, haec (= translatio) pro ipsa re dicitur (s.u. zu § 161).
Jedenfalls = Sed.
alles Folgende: Die Verse stammen wahrscheinlich aus dem Teucer des
Pacuvius. Geschildert wird der Sturm, der die Griechen auf der Heimfahrt
von Troja überraschte. Die Metaphern beruhen auf Personifikationen(Meer, Hagel, Winde usw. werden mit Verben verbunden, die menschliche
Tätigkeiten bezeichnen).158 Übertragung: translatio; s. das Q uintilia n-Z itat zu § 157.
jener Schriftsteller: Wahrscheinlich Accius in seiner Antigone·. Der Wäch-ter will verheimlichen, dass gegen Kreons Verbot verstoßen wurde, die Lei-che des Polyneikes mit Erde zu bedecken (vgl. Soph. Ant. 241 f.) .
wenn das Geschoss ... entflieht: vgl . l eg . XI I tab . 8 ,24 : S I TELUMM A N U F U G I T M A G I S Q U A M I E C I T .
159 Fuß:pes als Bezeichnung des Taus, mit dem das Segel gespannt und
gelenkt wird.Schuldverpflichtung: s. zu 1,173.Scheidung: s. zu 3,69: »Wasserscheide«.160 einzelne W örter ... ganzer Vergleich: vgl. § 157 Anfang.
Augen ... schärfsten Sinn: vgl. 2 ,357 und De fin. 2,52: oculorum, inquitPlato, est nobis sensus acerrimus, quibus sapientiam non cemim us; quam illaardentes am ores excitaret sui, si viäereturf
161 Vergleich: »Er kämpfte in der Schlacht w i e e in Lö w e«; . . . einzel-
nes Wort...: »Er war ein Löwe in der Schlacht« (s.o. zu § 157 Anfang).
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758 E R L Ä U T E R U N G E N
162 Bögen ... Sphäre ... Ennius ... Schwibbogens ... Himm elsgewölbe:
Das Zita t s tammt aus e iner unbekannten Tragödie des Ennius . In Verbin-dung mi t caelum w i r k t fornix unpassend (vgl . 2 ,267: fornicem Fabianum
oder die fornices, mit denen die Zugänge zu den fora übe rwö lb t wa ren ) .
Man hätte erwarten können, dass Ennius auch hier das von ihm offensicht-
l ich sonst in Verbindun g mit caelum verwende te Fremdwort aus dem Grie -
chischen sphaera ( σ φ α ίρ α ) b e v o rz u g t hä t te .
Lebe, Odysseus ...: Nach der miss lungenen Metapher caeli ... fornices
bringt C rassus e in Beispie l für e ine sehr gute M etaph er des Enn ius , nämlich
aus dessen Tragödie Aias: D er wahnsinn ige Aias bildet s ich e in , dem O dy s-
seus den Todess toß zu versetzen; der ers te Vers beginnt video te, video;
vive ... (vgl. Soph. Aias 228ff.).
163 Charybdis: Die Meerungeheuer Skylla und Charybdis in der Meer-
enge von Messina bedrohen die Seefahrer; vgl . Horn. Od. 12, 73-126 und
208-259 .
Leichter ... gesehen, als ... gehört: vgl. zu § 160: »Augen«.
auf die Sinne wirkt: vgl. Ad fam. 15,16,2: his spectris etiamsi oculipossintfenri...
164 (C. Servilius) Glaucia: s. zu 2,249 und zu 2,263. Möglicherweise
s t a m m t stercus curiae auch von Metellus .
Wa s ist... naht? - Bleibt, wo ... schade ...: Die drei Verse s tammen aus
der Tragödie Thyestes des Ennius . Der ers te Vers is t d ie Antwort des Cho-
res auf die Worte des Thyestes; wegen des Fluches, der auf ihm ruhte, weil
er das Fleisch seiner eigenen Kinder gegessen hatte, forderte er den Chor
auf, sich ihm nicht zu nahen.165 bedachtsam/vgl. R he t. ad H er. 4,45: translationem pudentem (!) di-
cunt, esse oportere, ut... ; De opt. gen. or. 4: perfiáendum est... in tralatis,
ut similitudinem secuti verecund e ( !) utamur alienis; O r. 81 : Ergo ille tenuis
orator ... erit... in transferendis verbis verecund us (!) ...
166 ...jene ... hervorgegang en ist — die Allegorie (s . 2,261.262 und die
Erläuterungen dort) : vgl . Or. 94: lam cum confluxeruntplures continuae tra-
lationes, alia plane fit oratio; itaque genus hoc Graeci appellant α λ λ η γ ο ρ ία ν ,
nomine rede; genere melius ille {—Aristoteles), qui ista omnia tralationes vo-
cal. M it ista omnia sind die folgenden Stilmittel Allegorie (§ 166 f.), M e t o -
nymie (§ 167), Synekdoche (§ 168) und Katachrese (§ 169) gemeint, die
Aristoteles, anders als die herkömmliche Schulrhe tor ik , un te r dem Gat-
tungsbegriff μ εταφ ο ρ ά zusam m enfass t (s .u . zu §§ 167ff .) . Cice ro schließt
sich ihm also insofern an, als er die genannten Tropen als erweiterte, fort-
geführte Metaphern (vgl . Or. 94: plures continuae tralationes) gewisserma-
ßen in e inem Anhang zur Besprechung der Metapher vors te l l t (vgl . § 169
letzter Satz).
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Z U B U C H I I I 759
Ich werde ... Achäer: Au s we lc h e m W e rk d a s Z i t a t s t a mmt , w i s s e n w i r
n ich t . Der Sprecher se tz t se ine S i tua t ion de r jen igen de r g r iech ischen F lo t te
gleich.
Du irrst ... auferlegen: Eb e n fa l l s a u s e in er u n s u n b e k a n n te n Tra g ö d ie .
Da s Z i t a t v e r a n s c h a u l i c h t , w ie e n g M e ta p h e r u n d A l l e g o r i e z u s a mme n g e -
h ö r e n (legum habenae u n d imperi... ¿«go); vgl. 3,36.
167 wie gesagt: s .o . ; (Al legor ie a l s » fo r tgese tz te« Metapher ) .
die sogenannten Rätsel: Eine so lche rä t se lha f te Al legor ie auf das m ens ch-
l iche Le be n ist d ie be ka nn te Frage der S phin x: »Was is t am M or ge n e in
Vie r füß le r , am Mi t tag e in Zwei füß le r , am Abend e in Dre i fuß le r?« .
unm ittelbaren ... Worten: Gemeint is t d ie Per iode; s . zu 1 ,261.
Vertauschung und Veränderung: M e to n y m ie (v gl . z u 2 ,2 6 1 ). D e n U n te r -
s c h i e d z wi s c h e n M e ta p h e r u n d M e to n y mie s t e l l t C i c e ro Or . 9 2 f. sehr ge-
nau dar .
Afrika erschaudert...: A u s E n n i u s , Annalen, vie l le icht aus dem 9. Buch,
wo d ie Landung Sc ip ios in Afr ika vor de r Sch lach t be i Zama gesch i lde r t
w i r d .in das Meer: U n b e k a n n t e s Z i t a t .
in besänftigt . . . . P a c u v i u s , Chryses.
ein eigentliches durch ein eigentliches: Un te r s c h i e d z u r M e ta p h e r .
Lass'ab... - Zeugen sind ...: W a h rs c h e in l i c h En n iu s -Z i t a t e : » Ro m« s t a t t
»Römer« ; »wei ten Fe lde r« s ta t t »Bewohner de r . . . «
Marsfeld: O r t d e r comitia.
Toga ... Frieden ... Wa ffen ... Krieg: vgl . Ciceros a ls »gef lügel tes Wort«
(Ge o rg Bü c h ma n n ) b e k a n n te n S a t z a u s s e in e m Ep o s De consulatu suo: Cé-dant arma togae, concédât laurea (erg . corona = L o r b e e r k r a n z d e s S o l d at e n )
laudi (~ A ne rk en nu ng fü r f r ied l iche Verd iens te ) ( f rg . 8 M ue l le r ) . D e o f f .
1 ,77 z i t i e r t und rech t fe r t ig t e r d iese Maxime se ines po l i t i schen Hande lns
un d s te l l t absc hl ieße nd fes t (§ 78) ; Sunt igitur dom esticae fortitudines non in-
feriores militaribus; in quibus plus etiam quam in his operae sudiique ponen-
dum est. Vgl . auch In Pisonem 2 9 f. und 2 . Ph i l ipp ische Rede 8 ,20 .
168 Austausch ... Wortes D i e S y n e k d o c h e ( d a s » M i t v e r s t e h e n « ; d . h .
der e igent l iche Begrif f wird nur angedeute t , aber n icht expl iz i t ausge-
d rück t ) wi rd Auc t . ad Her . 4 ,44 intellectio g e n a n n t : Intellectio est, cum res
tota parva departe cognoscitur aut de toto pars-, s . auch Q u in t . 8 ,6 ,19 haec(=
synecdoche) variare sermonem po test, ut ex uno plures intellegam us, parte to-
tum, spec ie genus, praecedentibus sequentia, vel omnia contra; liberior poetis
quam oratoribus.
Doch der Römer . . . : Sehr wah rsche in l ich aus En n iu s , A nn a len .
Wir ... Röm er ... Rudiner: Ebenfa l l s woh l Enn ius über s ich se lbs t (An-
na len) .
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760 E R L Ä U T E R U N G E N
169 W ir gebrauchen ...im uneigentlichen Sinn: Katachrese - ahusio·,
vgl. R het . ad Her. 4 ,45: Abusio est, quae verbo simili et propinquo pro certo et
proprio abutitur (es folgen Beispie le) . Unterschied zur Metapher: Bei der
Katachrese wird e in verbum proprium durch ein anderes verbum proprium,
nicht durch ein verbum transLatum ersetz t .
jene ... Allegorien ... : s. § 166.
Diese Redewendu ngen ... sagte: Metonymie u s w.
170 drei Eigenschaften ...: vgl. § 149 letzter Satz; Crassus kehrt also zu
se inem Ausgangspunkt zurück .
§§ 171-198
Im zwei ten Abschni t t über d ie elocutio behande l t Crassus den Per i -
odenbau; dabe i geh t es um d ie Worts te l lung und besonders um den Pro-
s a rhy thmus und h ie r um d ie Klaus e ln .
171 ... Aufeinanderfolge ... : Zu den verschiedenen Termini, mit denen
Cicero περίοδος wiedergibt, s . zu 1,261: »Periode«.
zweitens ... und ... Verlau f ... Gestalt: Die nochmalige Zweite i lung
wurde e rs t von Aris to te les und Theophras t vorgenommen; s . dazu auchOr. 168-236.
aneinander ... fugen - nebeneinander ... stellen - zusammenfügen: Durch
die Verben componete, struere un d coagmentare wird betont, dass der Redner
beim Periodenbau wie ein Baumeister beim Planen und Errichten eines Ge-
bäudes vorgehen soll; vgl. Brut. 68: ipsa verba com pone et quasi (!) coagmenta.
hart... stoßen: Durch har t k l ingende Konsonanten am Ende und Anfang
zweier aufe inander fo lgender W örte r , ζ. B. -k g-, -s s-.
Zusammenhang gestört: Das Substantiv zu hiulcus is t hiatus, -us. Beieinem Hiat s toßen am Wortende und -anfang Vokale aufe inander , z .B.
pulchra oratio. Die Griechen achteten s trenger darauf, e inen Hiat zu ver-
meiden a ls die Römer.
Darüber . . . ; Cice ro z i t iert d ie folgenden Verse aus dem zw eiten Buch der
Satiren des Lucilius (frg. 84-86 Marx) natürlich als Beispiel für das oben
Gesagte (auffällig: compostaef U t - tesserulae omnes - pavimento atque em-
blemate). Scaevola {in der Maske . . . ) spotte t über die Graecomanie des
Albucius (s . zu 2 ,281); das zeigt s ich an der Häufung von Fremdwörternaus dem Griechischen: lexis ( a t λέξεις - Phrasen, Ausdrücke) s teht s ta t t
verba-, rhetoricoterus (= ρη τορ ικώ τερος) . Auc h emblema, -atis k o m m t a u s
dem Griech ischen (τό έμβλημα < έμβάλλείν - h ine inwerfen ; vg l . unse r
F r e m d w o r t Emblem)·, für diese feiner gearbeiteten Bildwerke (Medaillons)
in den groben Mosaikböden gibt es allerdings kein lateinisches Wort.
du ... misstraust: Ebenso wie Scaevola, der offensichtlich stolz auf seinen
Schwiegersohn is t , den Albucius anredet , so spricht nun Crassus in e iner
lebhaf ten allocutio den Lucilius an; von sich spric ht er in der dritte n Pers on.
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ZU BU CH III 761
jener = Scaevola.
er: Lucilius »in der Maske« des Scaevola.
172 trotzdem ... weder ... noch: Trotz des Spottes des Lucil ius hält
Crassus an seiner Uberzeugung fest .
verbunden ... zusammenhän gend: iunctam u nd cohaerentem präzisiert
coagmentatus (§ 171).
173 Catulus ... kindisch: Für ihn als Dichter waren diese grundlegen-
den Dinge selbstverständl ich; auß erdem wa r er mit den Lehren des Aris to-
teles und Theophrast , auf die sich Crassus wiederholt stützen wird
(s. 3,182-193.197), wohl vertraut.
Die Alten: Besonders sind, ebenso wie § 148 mit auctores et inventores,
Sokrates (s .u.) , Aris toteles und Theophrast gemeint .
ungebundenen Rede ... Verse: Prosarhythmus; s .u . zu § 182.
Atemholen ... und nicht Ermüdun g - nicht Satzzeichen ... sondern Ver-
lauf ...: Chiast ische Gegenüberstel lung. Der Prosarhythmus sol l nach
einem natürl ichen organischen Gesetz ( inspiration^ ) und nach dem inneren
Rhythmus oder Takt der Wor te und Gedanken ( verborum ... modo) un dnicht gezwungenermaßen (defatigationis) und nach äußeren Markierungs-
zeichen (notis) erfolgen. Vgl. Or. 228.
Isokrates: s. zu 2,10. O r. 175 wird Cicero sch reiben, nicht Isokra tes, so n-
dern Thrasymachos (s . zu 3,59) habe den Prosarhythmus eingeführt .
Naukrates: s. zu 2,94.
174 rhythmischen Schluss: s. zu 1,261: »Periode« und zu 2,34: »abge-
schlossene . . .«.
175 Fehler: s. zu 3,20: »erfasst ...«; vgl. Or. 172: Aristoteles versum inoratione vetat esse, numerum iubet und Or. 189: versus saepe in oratione per
imprudentiam dicimus, quod vehementer est vitiosum.
ebenmäßig: Auch quadrare kennzeichnet besonders die Tät igkei t von
Architekten (s. zu 3,171: »aneinander . . .«).
vollkommen gestaltet: d.h. nicht vorzei t ig abbricht .
durch Atemholen: d.h . nach dem natür l i chen Zwang, Atem zu holen .
176 Spielraum: vgl. § 184.190.
zart... Sprache: vgl. Or. 52: est oratio mollis et tenera et ita flexibilis, ut se-quatur, quocumque torqueamus und Brut . 274.
177 Gespräch ... W ortgefechte, zu 1,32.
erhaben ... schlicht... Mitte: Die Lehre von den drei Sti larten (genera di-
cendi) spielt , anders als in den späteren Werken Ciceros (s. z.B. De opt.
gen. or. 2, Or. 20) in De oratore kaum eine Rol le .
178 Natur ... Nutzen ... W ürde ... Anm ut ... Weltall: Ciceros Ausfüh-
runge n hier gründe n auf stoischem G edan ken gut (s . D e nat . d . 2,58; zu d er
schon 3,20 erwähnten consensio naturae s . bes . 2,49-56. 98-119) .
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762 E R L Ä U T E R U N G E N
Erde ... Mitte ... Sonne ... umkreist: Geozentrisches (ptolemäisches)
Weltbild.
Wintersonnenwende: Das Wintersols t i t ium im Zeichen des Ste inbocks
(brumale < bruma [< *brevima: Superlativ zu brevis]).
Mond ... entfernt: M o n d p h a s e n .
fünf Planeten: erg. errantes; vgl. die ausführliche Schilderung der Verän-
derungen im Laufe des Jahres De nat . d . 2,51 : quarum ex disparibus ... est
facta conversio.
179 Form ... Menschen . . . : W ieder e in s toischer G eda nk e; vgl. De nat .
d. 2,133-153.
lebenden Geschöpfe: animans kann im Unterschied zu animal auch die
Pflanzen e inschließen.
181 Perioden schlüsse ... Pausen ... unbegrenzte ... Atemnot: vgl. aber zu
3,173: »Atemholen . . .« . Zu den interpuncta, die e in Innehalten innerhalb
einer Periode bezeichnen, s . zu 2,177: »Absätze«.
Denn ... angenehm ... leicht: Begründung fü r perpetuare nolimus: N i c h t
das gerade noch Erträgliche beim Atemholen is t Maßstab für die Perioden-bildung, sondern die äs thetische Angemessenheit , d ie durch das facile ge-
währle is te t wird.
182 Periode: Z u complexio verborum s. zu 1,261.
flüssig vortragen: volvi im Hinblick auf den circuitus, die convenio.
... Lehre: Besonders die des Aristoteles (s . nächsten Satz).
Rhythmen: In der deu tschen und in anderen modernen europä ischen
Sprachen ents tehen die verschiedenen Rhythmen durch den Wechsel von
be ton ten und unbe ton ten Si lben (akzentu ie render Rhythmus) , im k lass i -schen Griechisch und Latein durch den Wechsel von langen (—) und kur-
zen Silben (quanti t ierender Rh yth m us) , wo bei zwei K ürz en e iner
Läng e entsprechen (vgl . d ie N ote nw erte in der M usik). »Die kle ins te durch
Hebung und Senkung un te rsch iedene Gruppe von Ze i te inhe i ten is t de r
Versfuß , die kle ins te Einheit , aus der s ich e in Vers zusam m ens etzt , das M e-
trum« (F. Crusius , 1955 - s .u . - , 33).
D i e w i ch tig ste n V e r s f ü ß e s i n d:
Jambus (^ —), z .B. cano;
Trochäus ( — ^ ), z. B. arma; eine ä l tere Bezeichnung fü r den T rochäus ist
auch chore/ius (erg. pes ; s . § 192), doch wird auch der früher tribrachys ge-
nannte Vers fuß ( \J \J ν/) mitunter chore/ius genannt - wohl wegen der glei-
chen Wertigkeit von — w und w ^ ; daneb en kann tribrachys auch den
Trochäus bezeichnen (s .u . zu »Trochäus«).
Spondeu s ( ) , z .B . cögö;
Anapäs t ( ^ w —), z. B. pered;
Daktylus (— ^ z. B. agmina;
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Z U B U C H I I I 763
F ü r den P r o s a r h y t h m u s sind b es on de rs z u b ea ch te n:
Kretikus (— ^ —), z.B. ëxeîint;Päon: Der in Paianen (s. zu 1,251) vorherrschende Versfuß besteht
aus einer Länge an beliebiger Stelle und drei Kürzen (1. — ^ ^ v̂ ;
2 . v — w ; 3 . Υ ^ - Υ ; 4 . M V / U - ; C ic ero nennt h ie r nur die e rs te
und vierte Variante; vgl. aber Or. 218). Beispiele: 1. Variante: incipite;
4. Variante: domuerant.
L i t e r a t u r h i n w e i s e
a) zur römischen Metrik allgemein:
F. Cnisius: Römische Metrik. Eine Einführung, 2. Auflage, neu bearbei-
tet von H. Rubenbauer, München 1955
E. Norden: Die antike Kunstprosa, 3. Abdruck, Leipzig/Berlin 1918, II
810 ff.
F. Vollmer: Römische Metrik (Einführung in die Altertumswissen-
schaft), 3. Aufl. Leipzig/Berlin 1927
b) speziell zum Prosarhythmus und zu den Klauseln:
E. Norden a. a. O 156 ff. und 90 9 ff.Th. Zielinski: Das Klauselgesetz in Ciceros Reden (Philologus Supple-
mentband 9,4), 1904
ders.: Das Ausleben des Clauselgesetzes in der römischen Kunstprosa
(Philologus Supplementband 10,3), 1909
ders.: Der constructive Rhythmus in Ciceros Reden (Philologus Supple-
mentband 13,1), 1914.
euer Aristoteles: s. Arist . Rhet. 3,8,4 f. (1408b 32-1409a 9) .
Trochäus: Nach J. W isse, 198 9,12 3, A nm . 79, meint Cicero hier mit Tro-chäus den Tribrachys (s. o.).
geraten diese Metren ...: vgl. Or. 189: senarios effugere vix possumus; mag-nam enim partem ex iambis nostra constat oratio; s. auch zu 3,20: »er-
fasst . . .«.
Taktschläge: vgl. Quint. 9,4,75: trimetron ...sex enim pedes tres percusio-nes habent.
heroischen Versfuß:— Daktylus.
Ältäe sunt. .. : Spondeus (statt Da ktylu s) im Hexam eter. Die Qu elle desZitates ist unbekannt.
183 Päon ... doppelter Form: s.o. zu § 182.
sonipedes: < sonus, -us und pes, pedis; erg. »Pferde«.
jener Philosoph: s. Arist . Rhet. 3,8, 5f. (1409a 6-21).
fast gleich: v̂ ^ ^ — (4. Päon) hat die gleichen Quantitäten wie — w —
(Kretikus).
Quid petam ...: vgl. das Ennius-Zitat 3,102 und die Erläuterungen
dort.
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764 E R L Ä U T E R U N G E N
(C.) Fannius (s. zu 2,268) hielt diese Rede als Konsul i . J. 122 gegen den
Gesetzesantrag des C. Gracchus, den i ta l i schen Bundesgenossen das Bür-gerrecht zu verleihen.
jener... geeigneter: Or. 218 (s.o.) vertr i t t Cicero die gleiche Meinung wieAris toteles .
184 Freier ist ... : vgl. 1,70.185 aus den ... jener vermutet...: Crassus legt nun dar, wie sich nach
Theophras t der Prosarhythmus aus der f re ies ten poe t i schen Form, demDithyrambus, entwickel te - Einzelhei ten der Lehre des Theophrast kennenwir nicht . Wie der Paian zu Ehren Apol lons , so wurde der Di thyrambusmit seinen f re ien Rhythmen zu Ehren des Dionysos vorgetragen.
hier ... Vers: Hexameter , jambische und t rochäische Verse.Taktschläge: impressione^ = § 182.186: percussiones.
wen n ... nur nicht unun terbrochen ... gereiht: Weil sonst Verse entstün-de n; vgl . O r. 198: id in dicendo numerosum putatur, non quodtotum constate
numeris, sed quod ad numéros promixte accedit.
186 Periode: Wohl um die verschiedene Nuancierung zu betonen, gibtCicero hier den griechischen Terminus περίοδος gleich durch drei ver-
schiedene Begriffe wieder: continuatio, quasi (!) ambitus, conversio - vgl.
zum letzten Begriff 3,191: quasi (!) conversione verborum und § 198: quasi
(!) conversionem verborum - vgl. zu 2,161.
Gelenke ... Glieder: articulus = κ ό μ μ α ; membrum = κ ω λ ο ν . V g l. da z u
Arist. Rhet. 1409b 13-1410b 5.
späteren Glieder ... noch länger: Quint. 9,4,23 zi t iert als Beispiel dafür
Cie. Phil . 2,63: tu istis faueibus, istis lateribus, ista gladiatoria totius corporisßrmitate ...
187 Gewährsleute: s. zu 3,148: »Urhebern . . .«.nenne: s . zu 3,68: »nennen«.
188 diesen Männern da: Den be iden jüngeren Gesprächs te i lnehmernund somi t der jüngeren Genera t ion überhaupt .
Eindruck ... erscheinen lassen: s. zu 2,33: »glaube . . .«.
189 Büchlein: s. zu 1,94; vgl. auch 3,54, erster Satz.
190 ... Gesetz also: Cra ssus fasst se ine A usfüh rung en über Per iodenbi l -dung und Prosa rhy t hm us zusam m en .
Übungen ... formen: vgl. 1,150-153 (Crassus) und 2,96 f. (Antonius ) .Griffel: s. zu 1,257 und zu 1,150.
zerfasert: Ohne Hebungen und Senkungen; vgl . Or . 198 .220.193 Choreen = Trochäen (s. zu § 182).
entweder ... oder ... usw.: Die clausuUe am Ende einer Per iode s ind:zwei Choreen = Trochäen ( — ^ | —
zwei D akt ylen (— ^ ^ | — ^
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Z U B U C H II I 765
Trochäus + Daktylus (— ο | — w w) oder umgekehrt ;
Trochäus und vierter Päon ( — w | w w w — ) ;
Daktylus + vierter Päon (— ^ ^ | w w w — );
Trochäus + Creticus (— w | — w — ) ;
Daktylus + Creticus ( — w w | — ^ — ).
(Die Zusammenstellung hier ist nicht vollständig und weicht teilweise ab
von der Aufzählung in F. Crusius, 1955, 134-137; Cicero scheint in
seinen Reden Daktylen und besonders die Verbindung eines Daktylus mit
einem Trochäus vermieden zu haben.)
absichtlich tun: vgl. Or. 170: nimis enim insidiarum ad capiendas aures ad-
hibeñ videtur; si etiam in dicendo num en ab oratore queruntur.
194 Antipater aus Sidon: Griechischer Dichter um 100 v. Chr
195 Laien: In den letzten vier Paragraphen dieses Abschnitts spricht
Crassus davon, wie der Redner durch kunstvolle sprachliche Gestal-
tung die Zuhörer, also zum größten Teil Laien, für seine Ziele gewinnen
kann.
Gemälden ...: s . zu 2 ,38 : »Maler« .196 Zusam menziehung ... M issfallen: vgl. Or. 173: In venu qu idem tout
theatra exclamant, si fuit una syllaba aut brevior aut longior usw. und Parad.
3 ,2 : histrio s» usw.
197 Numa: s. zu 1,37
Saiten- ... Gastmählem: Bei den rituellen ludorum epulae (s. zu 3,73:
»Oberpr ies ter« ) .
Salier: D ie sodalitates der Salier (= eigentl. »Springer«; < salire) gehen
der Sage nach auf Numa zurück. Die palatinischen Salier zogen als Pries-terschaft des Mars besonders an ihren Hauptfesten am 19. März und
19. Ok tob er, also zu Beginn und am E nd e der für die Kriegsführung geeig-
neten Jahreszeit, in altertümlicher römischer Kriegstracht mit den heiligen
Lanzen und Schilden durch die Stadt, führten dabei einen Kriegstanz auf
und sangen das carmen Saliare mit seiner altertümlichen, zur Zeit Ciceros
kaum noch verständlichen Sprache.
O hättet ihr ...: Wieder betont Crassus, dass er nur gezwungenermaßen
über die trockene Schulrhetorik spricht. Viel lieber würde er sich mit so et-was wie den studia Aeliana (s. zu 1,193) beschäftigen; denn die Forschun-
gen des L. Aelius waren z.B. auch für das Verständnis des carmen Saltare
wichtig.
kindischen Wortübertragungen = M etaphern ( s. 3,155 ff.).
198 Alten ... heute ... manchen Leuten: Auch wenn »die Alten« -
ebenso wie heute nonnulli (d.h. die Laien) - die Theorie der Periodenbil-
dung und die Klauselgesetze noch nicht kannten, bildeten sie trotzdem un-
bewusst Klauseln, da der Rhythmus eben naturgegeben ist .
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766 E R L Ä U T E R U N G E N
Periode ... Satz: s. zu 1,261. Durch quasi orbis hebt Cicero abschließend
deutlich hervor, dass die Periode »eine im Kreis verlaufende Komposition«ist (J. Martin, 1974, 317).
Unvermögens zu reden: s. zu 3,142.glichen ... Atempausen: Rhythmische Gliederung.§§ 199-209Nach Periodenbau und Prosarhythmus wendet sich Crassus noch der
Lehre von den Stilfiguren zu. - Die Tropen hat er schon behandelt (s.o.zu §§ 148-209). - Die Überleitung zu den Wort- und Sinnfiguren gehtaus einem Resümee über seine vorausgehenden Ausführungen hervor(SS 199-201).
199 einzelnen Wörtern: §§ 148-170.deren Verbindung: § 171 f.Rhythmus ... Gestaltung: %% 172-198.äußeren Gestalt: s. zu § 201: »zu den Figuren«.voll tönenden = genus dicendi grande/sublime.
schlichten = genus dicendi tenue/subtile.an beiden ... teilhat: — genus dicendi medium.
drei Stilformen: vgl. aber die Aussage 3,34: quot oratores, totidem ... ge-
nera dicendi. Wiederholt gibt Cicero den griechischen Terminus technicusχαρακτήρ nicht durch genus dicendi, sondern durch forma oder figura
bzw. durch die Koordination beider Substantive wieder, z.B. 2,98; 3,34:
Paene innum erabiles ... quasi formae figuraeque dicendi. Vgl. auch zu 3,177:
»erhaben ... « (Ebenso ist auch die lateinische Terminologie für die Stilfigu-
ren - σχήματα uneinheitlich; s. zu 3,201: »Zu Figuren ...«).200 (ebenso handelt} ... (sosoll... ) wie diejenigen ... (... einzuneh -
men ) : D er überlieferte lateinische Text weist nach ut ii (überliefert ist ut is,
aber das Demonstrativpronomen ist wohl mit dem folgenden Relativsatzim Plural zu verbinden) eine größere Lücke auf. Herausgeber und Uber-setzer gehen verschiedene Wege, um diese Lücke zu schließen. So greifenz.B. Piderit/Harnecker, Bd. 3, 1890, 493, sehr stark in den überliefertenText ein; sie schließen ut eis ... qui versantur an vobis (§ 201) an. Merklin,
1976, 573, setzt lediglich putent und moveantur in den Singular, wodurchdas Subjekt dazu orator wird. May/Wisse, 2001, 286 (s. auch Anm. 276)lassen den überlieferten Text weitgehend unangetastet und ergänzen stattdessen in der Ubersetzung den Satz aufgrund des erhaltenen Textes sinn-gemäß. Dieser insgesamt überzeugenden Variante haben wir uns ange-schlossen.
Waffen ... Palästra ... anmutig: Vergleich mit Gladiatoren und Boxern(s. 2,316. 32 5 und die Erläuterungen d ort und Or. 22 8: Ut enim athletas...
gladiatores usw.).
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Z U B U C H I I I 767
201 Z» Figuren geformt... Wort- und Sinnfiguren ... Glanzp unkten: D ie
lateinische Terminologie für die »Figuren« - σχήματα (e ige n t l . »Ha l tun -
gen« - habitus) is t nicht einheitlich und Cicero verwendet auch hier nicht
nur die in der Schulrhetorik üblichen Termini technici, welche seinen Le-
sern natürl ich vertraut waren; so beginnt er se inen knappen Abriss mit
dem allgemeinen Verbum formantur.; spricht dann von der conformatio ver-
borum et sententiarum und nennt sie schließlich lumina. De opt. gen. or .
5,14 nennt er sie figurae, Brut, 69 formae und Or. 181 formae et lumina.
(Vgl. zu § 199: »drei Stilformen« = genera dicendi.) -
Ausführ l ich werden d ie exomationes - so ein weitere r lateinischer T ermi-
nus - vom Auetor ad Herennium behande l t : 4 ,19-46 exomationes verbo-
rum·. a) 4,19-41 »eigentliche« exomationes verbontm; b) 4 ,42-46 Tropen;
4 ,47 -68 exomationes sententiarum (s .o . zu §§ 148-209).
Unterschied ...: Nach der Definit ion Rhet. ad Her. 4 ,18, Ende, beruht
e ine W o r t f i g u r nu r auf e ine r auße ro rden tl ichen Aus fei lung de r Rede -
weise (ipsius sermonis insignata continetur perpolitione); e i n e S i n n f i g u r
besitzt »nicht in den Worten, sondern in den Inhalten selbst eine gewisseW ürde« (no n in verbis, sed in ipsis rebus quandam habet dignitatem).
drei Dingen: vgl. 3,149-169.
neu gebildete: 3,149: novamus etfaeimus; hier nur factis.
§§ 202 -207
Sicher nicht aus U nve rm öge n be schrä nkt s ich Cicer o in den wenigen Pa-
ragraphen auf e ine äußers t knappe , mi tun te r unkla re und verwirrende
Aufzäh lung von S t i l f igu ren ohne we i te re E r läu te rungen und ohne Be i -
spie le . Einige Begriffe s ind sehr vage benannt, und die Zuordnung zu denSinn- und Wortfiguren erscheint manchmal fraglich und geradezu willkür-
l ich. May/Wisse , 2001, 36, nennen den Abschnit t »a parody of . . . dry and
technical lis ts« (vgl. auch a.a.O. 287, Anm. 279). Diese Einschätzung ent-
spricht ja auch der Intention, die Cicero in De oratore verfolgt: Wenn er
»technische« Abschnitte einfügt, entledigt er sich lediglich einer lästigen
Pflicht.
Der Übersichtlichkeit halber stellen wir, Merklin, 1976,618 ff. Anm. 256 ,
und May/Wisse , 2001, 301 ff. (Appendix B: Figures . . .) , folgend, eine Listeder Figuren in Ciceros Terminologie un d R eihenfolge voraus . (Eine ähnlich
knappe, summarische Auflistung findet sich auch Or. 135-138; allerdings
bevorzugt Cicero dort s ta t t nominaler Termini verbale Wendungen.)
§ § 2 0 2 - 2 0 5 : S i n n f i g u r e n - figurae sententiae -
σ χ ή μ α τ α τ η ς δ ιά ν ο ια ς : (Abkürzungen h ie r : RH = Rhetor ica ad
Herenn ium; Qu . = Qu in t i l i an )
(202) Verweilen: commoratio - έπιμονή en tspr ich t RH (= Rhe t . ad
Her. ) 4 ,58; Qu. 9 ,24.
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768 E R L Ä U T E R U N G E N
Verdeutlichung: explanatio entspricht vielleicht RH 4,51 desariptio - δι-
α τύπ ω σ ις (vgl . § 205 descriptió).
das Vor-Augen-Stellen: subiectio - ενάρ γεια , ύ π ο τΰπ ω σ ις e n t sp r ic h t
RH 4 ,68 : demonstratio ; Qu. 8 ,3 ,61 und 9.2 .40: evidentia ode r repraesenta-
tio.
flüchtige Behandlung: percursio - έ π ι τ ρ ο χ α σ μ ό ς .
Andeutung: significano - εμ φ α σ ις; vg l. 2 ,268; R H 4 ,67 ; Q u . 8 ,3 ,83 ;
9,2,64.
Kürze: brevitas - β ρ α χυ λο γία en tspr ich t R H 4 ,68 ; Q u . 8 ,3,82.
verkleinernde Darstellung: extenuatio - μ είω σ ις; vgl. Q u . 9,2,3 .
spöttische Ironie: illusio - διασυρμός; vg l . § 203: dissimulano.
(203) Abschweifung: digressio - π α ρ έκβ α σ ις; Q u . 9 ,2 ,55f . ; vg l. § 205:
declinatio brevis . . . un d § 207: digressio als Wortfigur.
Rückkehr zur Sache / zum Thema : reditus - α φ ο δ ο ς ; Q u . 9 ,3 ,8 7
Vorstellung: propositio - προέκθεσις (unterscheide propositio -
πρόθεσις a ls pars orationis) un d Ausschluss: seiunctio; s . RH 4,35: transition
Qu. 9 ,2 ,105.Wiederholung: iteratio - έ π α ν ά λ η ψ ις; R H 4, 54 : Verbis commutabimus...
iterum autsaepius; Qu. 9 ,2 ,63 .
Schlussfolgerung: conclusio - σ υ μ π έ ρ α σ μ α ; R H 4,41 ; vgl. dageg en 2,34;
3,174 = Periodenschluss und 2,80 — peroratio.
groteske Übertreibung: supralatio atque traiectio - υ π ε ρ β ο λ ή ; R H 4 , 4 4
(nu r superlatio) ; Q u . 8 ,6 ,67-76; vgl . § 205: traiectio allein.
rhetorische Frage (an den Gegner): rogatio - έρώ τησ ις entspricht
RH 4 ,22 : interrogatio (vgl. 2,197: rogatio = Gesetzesantrag).bohrende Frage (an sich selbst) und ... Darstellung seiner eigenen Mei-
nung: ... percontatio expositioque ... - ύ π ο φ ο ρ ά e n ts pr ic h t R H 4 ,3 3: sub-
iectio.
Ironie ( im sokratischen Sinn): dissimulano - ειρ ω νεία ; vgl. zu 2,2 62:
»ironischen . . .« und § 202: illusio·, Cie. Acad. 2,5,15; Qu. 9,1,3.7;
9 ,2 ,44-51.
Zweifel: dubitatio - απορία; RH 4,40; Qu. 9 ,2 ,19f. ; s . auch § 207
Aufgliederung: distribution RH 4,47; entspricht vie l le icht RH 4,52 divisio
- π ρ ο σ α π ό δ ο σ ι ς ; Q u . 9 . 3 . 9 3 - 9 6 .
Berichtigung: correctio - vorhe r : π ρο διόρ θω σ ις , na c hhe r : έπα ν -
όρ θω σ ις; vg l . § 207: alia correctio; RH 4 ,36 ; Qu. 9 ,3 ,89 .
(204) vorausgehende Absicherung: praemunitio - π ρ ο π α ρ α σ κ ε υ ή ;
Qu. 9,2,17
Abschieben (der Verantwortung . . . ) : traiectio (vgl. aber § 203: superlatio
atque traiectio). Vgl. translatio/relatio criminis u n d remotio criminis als Be-
griffe der Statuslehre (Möglichkeiten des status qualitatis).
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Z U B U C H I I I 769
Einbeziehung ...: communicatio - άνακούνωσις; Qu. 9,2,20-25.
Nachahm ung des Charakters und der Lebensart...: imitatio - ηθοποι ία ,
μίμησις; vgl. RH 4,63-65 notatio (Charakterisierung); Qu. 9,2,58.
(205) Einführung von erfundenen P ersonen: personarum ficta inducilo -
eine Variante der προσωποποιία; vgl . RH 4 ,66 : conformano·, Q u .
9 ,2 ,29-37
lebhafte Schilderung: desmptio - εκφρασις oder διατύπωσις; ent-
spricht vielleicht RH 4,51 : desmptio - Schilderung der möglichen Folgen
(vgl. Part. or. 55: consequentium frequentatio); Qu. 9 ,2 ,40-44 .
Irreführung: errons inductio - αποστροφή; wahrscheinlich = Qu. 9,2,39
aversio (vgl. Or. 138: ut ab eo, quod agitur, avertat ánimos).
Anstoß zur Heiterkeit: ad hilaritatem impulsio - χαριεντ ισμός .
Vorwegnahme von Einwänden: anteoccupatio - προκ ατ άληψις ; Qu.
4,1,49.
Verg leich: similitude - παραβολή; RH 4 ,59-61 ; Qu. 8 ,3 ,72-81 .
Beispiel: exemplum - παράδειγμα; RH 4 ,62 ; (similitudo und exemplum
werden oft zusammen genannt; § 207 kommt noch imago dazu).Aufgliederung in Einzelheiten: digestio (seltener Begriff); wahrschein-
lich = RH 4,47: distributio - διαίρεσς, μερισμός; vgl . § 203 distribuito -
Zerlegung.
Unterbrechung: interpellate (ungebräuchlich als Figur); Qu. 9,1,31 und
9,2,2.
Antithese: contentio - άν τίθε σις; RH 4,58; Q u. 9,2,100f . ; RH 59 spricht
der Auetor von der similitudo per contranum ; hier wird Crassus das contra-
rium unter den Wortfiguren nennen.plötzliches Abbrechen: reticentia; = s o w o h l praeteritio (RH 4,37 occul-
tatio - παρ ασ ιώπ ησις ; vgl. Q u. 9 ,3 ,98f. ) a ls a u c h άπο σιώπ ησις , was
im Lateinischen bisweilen Interruptio genannt wird (vgl. § 20 7 Interruptio) =
RH 4,41 praecisio; Qu. 9 ,2,54f .
Empfehlung: commendatio (sonst ungebräuchlich als Figur).
freimütige ... Aussage: vox ... libera ... effrenatior - παρρησία entspricht
RH 4 ,48 - 50 : licentia; Qu. 9,2,27-29 (keine Figur!).
Zornesausbruch: iracundia - indignatio - άγανάκτησις (sonst nicht häu-fig gebraucht als Figur).
Vorwu rf: obiurgatio - έπίπληξις (sonst wenig gebräuchlich als Figur).
Versprechen:promissio - ύπόσχεσις (sonst ungebräuchlich als Figur).
Bitte um Gnade: deprecatio - προπαραίτησις/συγγνώμη; sonst nir-
gends als Figur genannt, sondern nur als ein Un terpunk t des status qualita-
tis (s.u. zu purgatio); vgl. RH 1,24.
Beschwörung: obsecratio - δέησις (sonst ungebräuchlich als Figur); vgl.
u.: »Verwünschung«.
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770 E R L Ä U T E R U N G E N
kurze ... wegführende Bemerkung: declinado brevis ... - π α ρ α τ ρ ο π ή ;
vgl. § 203: digressio un d § 207: declinatio; Qu. 4 ,3 ,14f.
Entschuldigung (um s ich zu rechtfert igen) : purgatio - κ ά θ α ρ σ ι ς . N e b e n
der deprecado wird auch die purgatio RH 1,24 a ls Unterart der concessio
genannt . Zum »untechnischen« Gebrauch s . zu 2 ,329: » . . . Rechtfe r t i -
gung« .
Gewinnung von Wohlwollen: conciliatio (sonst nirgends als Figur ge-
na nn t ) .
Kränkung (des Geg ners ) : laesio (sonst nirgends a ls Figur genan nt) .
Wun sch: optatio - ε ϋ χ ή .
Verfluchung: ex(s)ecratio - άρά; vg l . o . ohsecratio.
§ 2 0 6 - 2 0 7 : W o r t f i g u r e n : figurae elocutionis
σ χ ή μ α τ α τ η ς λ έ ξ ε ω ς :
(206) Wiederholung: geminatio - ά να δίπ λω σ ις en tspr ich t R H 4 ,38 :
conduplicatio; Qu. 9 ,3 ,28 .
wenig verändertes ... Wort: paulum immutatum verhum atque deflexum
(vgl. § 207 immutatio) - π α ρ ο ν ο μ α σ ί α e n t s p r i c h t R H 4 , 2 9 adnominatio·,Qu. 9 ,3 ,66f. ; vgl . 2 ,256: Wortwitze durch Paronomasie .
häufige W iederholung ... am Anfang ... Wiederkehr am Ende: »Untech -
nische« Beschreibung der repetitio - ( έ π ) α ν ά φ ο ρ α ( R H 4,1 9; Q u . 9 ,3 ,3 0)
und de r convenio - έπ ίφ ο ρ α , α ν α σ τ ρ ο φ ή ( R H u n d Q u . ) . - V g l. § 2 0 7:
conversio = inversio.
emphatischer Beginn ... Wörtern: W ohl absichtlich sehr unkla re und »un-
technische« Umschre ibung der complexio - σ υ μ π λ ο κ ή ( = R H 4 , 2 0 ; Q u .
9,3,31 : Verbindu ng von A nap her un d Epiph er) . 3 ,162 wird durc h complexioπερίοδος wiedergegeben (s. zu 1,261).
Anknüpfung: Wahrscheinlich ist adiunctio der lateinische Terminus für
ζεΰγ μ α , έπ ίζευ ξις = R H 4,38; Q u . 9 ,3 ,62 (έπ εζευγμ ένον) .
Steigemde Fortführung: progressio entspricht Qu. 9 ,3 ,62 incrementum.
unterschiedlicher Gebrauch ...: eiusdem verbi ... distinctio - ά ν τ α ν ά -
κλ α σ ις, δια φ ο ρ ά ; R H 4 ,21 ; Q u . 9 ,3,68-71 .
(einmalige) Wiederaufnahme eines Wortes: revocatio verbi (vgl. o. repeti-
tio).
Wörter, die gleich enden: ... similiter desinunt ~ όμοιοτέλευτον;
RH 4 ,28 ; Qu. 9 ,3 ,77
Wörter, welche die gleiche Kasusendung haben: ... cadunt similiter -
ό μ οιόπ τω τον ; RH 4 ,28; Q u . 9 ,3,78 f.
sich entsprechende Dinge ... in gleich langen Kola mitgeteilt: paribus paria
referuntur entspr ich t RH 4 ,27f . compar - ' ισ όκ ω λον; Q u . 9 ,3 ,80 .
Ausdrücke ähnlich klingen: ... inter se similia - πάρισον ; Qu . 9 ,3 ,75 f .
(Beispiel: non enim tarn spes laudanda quam res est).
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Z U B U C H III 771
207 Steigerung: gradatio - κλίμαξ; RH 4 ,34f . ; Qu . 9 ,3 ,54-57
Umstellung: convenio entspr ich t RH 4 ,39 : commutatio - άντιμετα-
βολή; Qu. 9 ,3 ,85; Beispie l : oportet esse, ut vivas, non vivere, ut edas. vgl.
dagegen 3,190: conversiones verkomm - pe r iod ische Abrundungen - und
convenio = Periode (s. zu 1,261).
symmetrisches G egeneinander: verborum transgressio - ύ π έ ρ β α τ ο ν e n t -
spr ich t RH 4 ,44 ; Qu. 8 ,6 ,62-67
Antithese: contrarium - άντίθετον entspricht RH 4,21: contentio (vgl.
§ 205: contentio).
unverbundene Ausdrucksweise: dissolutum - άσύνδετον e n t s p r ic h t
RH 4 ,41 ; Qu. 9 ,3 ,50-54 (dissolutio).
Beugung: § 205 hat Crassus die declinano brevis genannt; hier ist der
sonst nicht verwendete Begriff declinatio wohl im grammat ischen S inn
gebraucht und bedeute t , ähnlich wie das Polyptoton (s.u.) , dass dasselbe
Wort in verschiedenen Flexionsformen wiederhol t wird.
Inneha lten: reprehensio - α φ ορ ισ μ ό ς; viel le ich t ve rw andt mi t de r cor-
rectif (§ 203 und § 207 u.) .Ausruf: exclamatio - έκφ ώ νη σ ίς en t sp r ich t R H 4 ,22 ; Q u . 9 ,2 ,26 f .
Verkleinerung: imminutio; vielleicht - extenuatio (§ 202) oder es bedeu-
tet die Verkürzung e ines Wor tes , z .B . iudicasse < iudicavisse (vgl. Or. 157
Anfang und imminutum).
Wo rt ... in viele Fälle gesetzt: quod in multis casihus ponitur -
π ο λ ύ π χ ω ΐο ν ; R H 4,3 0 f. (Unte ra r t de r adnominatio - π α ρ ο ν ο μ α -
σία).
Wo rt... hergeleitet und. .. bezogen : quod de ... ductum refertur ad singula.Recht unklare Umschreibung e iner Figur; v ie l le icht e twa gle ichbedeutend
mit de r di(s)iunctio (s .u . ) .
nachträgliche Begründung: ... subiecta ratio - α 'ιτιο λο γία ; Q u . 9,3,9 3
(keine eigentliche Figur).
Begrü ndung ... unmittelbar angesch lossen: in distributis supposita ratio ent-
spr icht RH 4,52: divisto; Q u . 9, 3,9 3-9 6 (Zw eifel , ob es eine Stilf igur ist);
vgl. § 203: distribuito und § 205: digestio.
das Anh eimstellen; permissio - επιτροπή en tspr ich t RH 4 ,39 .andere Art des Zweifels: § 203 dubitatio; hier nicht über eine Sache (Sinn-
figur), sondern über ein Wort (Wortfigur).
unerwartete Wend ung: improvisum - ά π ρ ο σ δ ό κ η τ ο ν ; Q u . 9 , 2 , 2 2 f . u n d
9,3,90; entspricht praeter exspectationem ( im Witz) .
Aufzählung: dinumeratio - ά π α ρ ί θ μ η σ ι ς : ungewöhnlich als Figur. Vgl.
die enumeratio am Ende de r divisto (RH 1,17) und in der peroratio
(RH 2,47); vgl . Qu. 9,3,91.
andere ... Berichtigung: entspr icht wah rscheinlich § 203: correctio (nach
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772 E R L Ä U T E R U N G E N
Q u . 9 ,3 ,89 kann ein G eda nk e oder e in W ort »korrigiert« we rden ); s . o . zu:
»Selbstkritik - reprehension.
Zerlegung (eines Begriffes in einzelne Teile): dissipatio.
Reihung: continuum (P.P.P. zu continuaré). Der Begriff lässt mehrere
Deutungen zu; vielleicht ist continuum so e twas wie frequentano - wieder-
ho lende Zus ammens te l lung - συναθροισμός. Vgl . auch 3 ,286 continuatio
- (ununterbrochene) Periode (s . zu 1,261).
das Abbrechen: interruptum entspricht vielleicht Interruptio - ά π ο -
σ ιώ π η σ ις (s . § 205 »plötz l iches Abbrechen«); vgl . dort auch »Unterbre-
chung - interpellatio.
bildliche Darstellung: imago - είκ ώ ν entspricht R H 4,62; s. auch § 205
zu similitudo u n d exemplum.
Antwort... : sibi ipsi responsio - άπόφασι,ς; vgl . RH 4,23 f. ratiocination
Qu. 9 ,2 ,14f.
Vertauschung ... ; immutatio (vgl. § 206: .. . immutatum verbum) - wahr-
scheinlich μ ετω νυ μ ία ; vgl . 3 ,167f.
unverbundene Reibung: di(s)iunctio - διεζευγμ ένον , συ νω νυμ ία e n t-spricht R H 4,37 (Beispiel: Populus Roma nus Num antiam delevit, Carthagi-
nem sustulit, Corinthum disiecit, Fregellas evertit) ; Qu. 9 ,3 ,45.
Ordnung: ordo - τάξις (?); der lateinische Terminus ist ziemlich vage;
vgl. 2,181.307 collocatio - Anordnung; Qu. 9 ,3 ,91 .
... Beziehung: relatio; ebenfalls ziemlich unklar (vgl. Qu. 9,3,97: relatio-
nem quid accipi velit, non liquet mihi).
Abschweifung: digressio; w aru m der § 203 benut zte Begriff bei den W ort-
f iguren noch e inmal genannt wird, können wir nicht erklären. MeintCicero hier etwas anderes? Vgl. die griechischen Begriffe π α ρ έ κ β α σ ις,
μ ετά β α σ ις, α π ο σ τρ ο φ ή .
Umschreibung: circumscripta - περ ίφ ρ α σ ις en tspr ich t R H 4 ,43 circum-
itio\ Qu. 8 ,6 ,59-62 . - Zu circumscripta - περίοδος s. zu 1,261.
W e i t e r e E r l ä u t e r u n g e n :
202 Vorschriften Caesars: 2,216b-290.
203 Ironie: vgl. 2 ,269-271.
forensischer Rede ... Gesp rächston: vgl. 3,177: non ... sunt alia sermonis,
alia contentionis verba und s . zu 1 ,32: »Gespräch«.
204 bestimmte Person en: causae finitae - ohne sie: causae infmitae (vgl.
2,64 ff.).
wichtigen Redeschmuck . . .vg l . 2 ,182-184 (über das Ethos) .
205 Vergleiche, zu 2,168: »Aus dem . . .«.
Antithese: Die Zuo rdn un g zu den Sinn- oder W ortf iguren is t um str i t ten .
206 Abschweifung oben: § 203 Anfang .
Waffen . . . : O f t geb rauch ter Vergleich.
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Z U B U C H I I I 773
droht ... stößt ... zu - ... Zierde: Besonders bei der praelusio ( s . z . B .
2 ,84 .316 .325 ; 3 ,200) .2 0 8 in etwa die Figuren . . . ; Gegen End e der Aufzählung werden die
Termini immer verschwommener.
2 0 9 Sonne dort ... stürzt: Hinweis auf die Szenerie; das Gespräch des
3. Buches begann inclinato iam in postmeridianum tempus die (3,17).
SS 210-212Von der vierten und anspruchsvol lsten St i lqual i tät , dem apte con-
gruenterque dicere (3,37) - vgl. auch § 210 congruere - war schon wieder-holt die Rede (vgl. die Erläuterungen zu 3,52-55 und zu 3,53: »geord-net . . .«); um der systematischen Vollkommenheit willen schließt nunCrassus sein elocutio-Referat mit ein paar grundsätzlichen Bemerkun-gen zum aptum ab. Gleichzeitig kann Cicero dadurch wiederum hervor-heben, dass es ihm in De oratore um H öhere s und Anspruchsvol leres gehtals um das spröde, eintönige und ihm lästige »Nachbeten« rhetorischerBegriffe wie der Stilfiguren; schon 1,133 hat er gesagt, das aptum ( d . h . das
decere) sei nach Ros ciu s das caput artis und das Einzige, quod tradi arte nonpossit.
210 angem essen ... d.h. ... schickt: s.o. und besonders zu 1,130.
Fall ... Zuhörer ... Person ... Umstand: Diese vier Faktoren werden imnächsten Paragraph näher ausgeführt (s.u.).
211 1. Redean lässe: causae capitis ... rerum privatarum atque parva-
rum ... deliberationes ... laudationes ... iudicia ... sermo ... consolatio ...
ohiurgatio ... disputatio ... historia (vgl. dazu 2, 41 -7 3 ü ber die U niversalität
der Redekunst) ;2. Zuh örer: senatus ... populus ... iudices ... fréquentes ... pana ... singu li
(... quälest
3. Person (= orator): ... aetate ... honore ... auctontate;
4. Um stund: ... pads an belli, festinationis an otii.
212 Stilform . . . : vgl. S 199 und die Erläuterungen dort.
theoretischen Lehre und ... Veranlagu ng ... Klugheit: vgl. 1,113b—159 über
natura -ars- exercitatio; hier : a) artis et (!) naturae; b) prudentia wird durch
exercitatio erworben .S S 2 1 3 -2 2 7
An die ausführliche Behandlung der elocutio (3 ,19-212) schl ießt Crassusnun noch einen summarischen Überblick über das letzte officium oratoris,
die actio/pronuntiatio, an. (Das vierte officium, die memoria, hat ja Anto-nius schon 2,350-360 vorgestellt - s . die Erläuterungen dort.) - Dass diefünf officia oratoris nicht imm er in der üblichen R eihenfolge behand elt w er-den, ist nicht ungewöhnlich; in der Herennius-Rhetorik beispielsweise
wird diepronunt i a t i o zwischen dispositio und memoria behandelt (3 ,19-27) ;
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774 ERLÄUTERUNGEN
das 4. und letzte Buch ist ganz der elocutio und dabei speziell der Figuren-
lehre vorbehalten. - s. auch zu 1,156: »Femer«.
213 nur in dem Maße, wie . . . ; vgl. Brut. 188: (mu ltitudo) gandet, dolet,
ridet usw. ; haecperinde accidunt, ut eorum, qui adsunt t mentes verbis et sen-
tentiis et actione tractantur.
Dem osthenes ... ersten ... zweiten ... dritten ...: vgl. zu diesem Aus-
sprach Brut. 142; Or. 56; Quint. 11,3,6.
Aischines ... Demosthenes: s. zu 1,58; Aischines klagte Ktesiphon an,
weil dieser beantragt hatte, Demosthenes für seine Verdienste um Athenfeierlich zu bekränzen; in Wirklichkeit wollte er mit dieser Anklage aber
Demosthenes treffen. Nach dessen berühmter »Kranzrede« erhielt er je-
doch w eniger als ein Fünftel der Richterstimm en und mu sste in die Verban-
nung gehen.
214 (Gaius) Gracchus (153 -121) spielt in diesem Z itat, dessen He rkunft
unklar ist, auf die Ermordun g seines Bruders Tiberius vor dem Tem pel der
Fides auf dem Kapitol an.
ausführlicher; weil ... Redn er ... Darsteller ... Na chahm er ... Sch auspieler(und zu § 215): vgl. 2,34 : Qm actor (Schauspieler) imitanda quam orator sus-
dpienda ventate iucundiorf und die Erläuterungen dort; 2.94. Besonders
nimmt hier Crassus (May/Wisse [s.u.] sprechen von »Crassus' irony«) zu
den Ausführungen des Antonius über das Pathos 2,189-196 Stellung, wo
ebenfalls Redner und Schauspieler einander gegenübergestellt werden
(2,196 f.). D ort bezeichnete sich Antonius als ñeque actor... alienaeperson ae,
sed auctor meae. Dagegen stellt Crassu s h ier fest : genus hoc totum oratores (=
veritatis auctores) reliquerunt, imitatores ... veritatis histriones occupaverunt.Ciceros Ansicht war eine Synthese aus beiden Aussagen: »Echte« Emotio-
nen sind wirkungsvoller und den nur »gespielten« vorzuziehen; aber oft
muss der Redner »so tun, als ob« (nach May/Wisse, 2001, 291, Anm. 300).
216 Mienenspiel... Tonfall... Gebärdensprache: vgl. R he t. ad Her. 3,19:
Dividitur ... pronu ntiatio (= actio) in vocis ßguram et in corporis motum und
3 ,26 : M otus est corporis gestus et vultus moderatio ... ; s. zu 1,18: »Körperbe-
wegung . . .«.
klingen: sonant ist gemeinsames Prädikat zu totum corpus (= gestus), vol-
tus und voces (Zeugma).
Darmsaiten: gr. χορδή - Dar m .
217 Er; mein . . . : Aus A ccius, Atreus; Thyestes spricht.
vorhin angeführt: 2,193 zitierte Antonius zwei Verse aus dem Teucer des
Pacuvius.
Ob wohl. . . : Wieder aus dem Atreus des Accius.
Wohin soll ich ... : Aus Ennius, Medea; Med ea spricht zu Jason. Schwebte
dem C. Gracchus (s. das Zitat § 214) diese Stelle vor?
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Z U B U C H II I 775
O V ater ... Ich habe gesehen ...: Aus Ennius, Andromache; vgl. das Zita t
3 ,202 . Andromache spr icht .
218 Vielerlei . . . : Aus E nniu s, Alcmaeon ; A lkm aion spricht (er hat seine
Mutter getötet und wird nun von den Erinnyen verfolgt). Vgl. das kurze
Zitat 3 ,154.
Blut: sanguen ist Nominativ (alte Form).
219 W ieder komm t ...: Wie § 217 aus Accius, Atreus. Hier spricht
Atreus (s. zu § 217: »Er . . .«).
Aber als . . . : D ie Q uelle des Zitats ist un bek ann t; es war woh l eine K o-
mödie .
7.U der Zeit, als . . . : Vielleicht aus Pacuviu s, Iliona.
2 2 0 nicht... veranschaulicht: vgl. 1,251 ; Brut . 141 : gestus non verba ex-
primens, sed cum sententiis congruens.
andeutet: vgl. die zu 2,268 zitierte Definition der Figur der significatio in
Rhet. ad Her. 4 ,67.
W affenkämpfen ... Palästra:v$. 3 , 2 0 0 : quem admodum utunturarmisaut
palaestra und s . zu 3 ,83 : »Ringen«.Fingern: s. zu 2,188.
Arm ...: vgl . 2 ,242 : extento bracchio (Crassus setzt dort die Gebärden-
sprache um der depravata imitatio willen ein).
Fuß stampft . . . vgl. zu 1,231: »aufstampfte«.
221 Gesicht ... Au gen ... M ienenspiel ... Seelenzustan d usw. (auch
§ 222) : vgl . Or . 60 , bes . : ut imago est animi vultus, sic indices oatli und
Quint . 11 ,3 ,75 : in ipso vultuplurimum valent oculi, per quos maxime animus
eminet.Roscius(s. zu 1,124): vgl . zu 2,194: »Schauspielers . . .« .
22 2 in ungeh öriges ... verfallen: vgl. 1,156: addeformitatempravitatem-
que veniamus.
stechenden ... Blick: vgl . 2 ,225 : coniectis oculis.
Sprache unseres Körpers: vgl . Or . 55 : est enim actio quasi corporis quaedam
eloquentia und Qu int . 11 ,3 ,87
22 3 Zu r Bedeu tung der Kö rpersp rache in verschiedenen Kulturen und
Zeiten s . Bremm er, J . und Roo denb urg, H . , 1992 .S § 2 2 4 - 2 2 8
N a c h gestus (§ 220 ) und vultus (hier : os ) ( S S 221-223) wendet s ich Cras-
sus n o c hm a l s dem wichtigsten »Instrument« der actio, der S t i mm e , zu
(vgl. SS 216b-219).
2 2 4 wünschen sollen: vgl. Or. 59: vocis bonitas quidem optanda est, non
est enim in nobis; sed tractatio atque usus in nobis.
sagt ... Vorschriften .. nichts meh r aus: vgl. Rhet. ad Herr. 3 , (Χ Π ) 2 0 .
Möglichkeiten des voci servire eröffnen die Diätetik und Musik.
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776 E R L Ä U T E R U N G E N
eben sagte: 3,178-181.
225 erwähnte (C.) Gracchus: § 214. Die Anekdote von dem músicas
(hier: peritus homo) mit der fistula wird auch Quint. 1,10,27, Val. Max.8,10,1 und Gell. 1,11,10 erzählt.
Licinius: D en servus ad manum hat Crassus wohl 121 freigelassen.
226 diese Männer: Die Gra cchen u nd ihre politisch gleichgesinnten A n-hänger.
spinnt... Fäden: Übertragung der geläufigen Metapher auf die bedenkli-che politisch-gesellschaftliche Entwicklung (vgl. das Proömium zu BuchIII).
»Hö re doch ... auf...«: Caesar befürchtet wohl, das Gespräch werde inpessimistischer Stimmung enden und sie müssten zu bald in die schlimmeWirklichkeit zurückkehren (vgl. 1,24 und die Erläuterungen dort).
227 jene Stimmfiihrung: d.h. die allmähliche Steigerung der Laut-s tärke.
Mittellage ~ G ru n d t o n .
äußerste Grenze ... w eiter unterhalb ... tiefsten Punkt: Redn er dürfen ihreStimmskala nicht bis zur äußersten Grenze ausnützen; sonst wird aus demacutissimus sonu s ein acutissimus clamor (vgl. 1,251 : ab acutissimo sono ad
gravissimum sonum ) und die Redner s ind nu r noch clamatores odiosi ac mo-
lesti (3,81; vgl. auch 1,202 und 2,86).§§ 228-230
Wie im Szenerieabschnitt des 1. Buches (s. die Erläuterungen zu 1,28),übe rnahm Cicero auch am Ende des ganzen Werkes ein M otiv a us Pi ato ns
Phaidros (278 E - 279 A); Am Ende des Dialogs weist Sokrates dort aufden jungen Isokrates hin (s. die lateinische Übersetzung der Stelle Or. 41).
Zu (Q.J Hortensias (Hortalus) (114-50; 69 Konsul, etwa ab 67 Augur) s .bes. Bru t. 302 ff.; 326; Q ui nt . 11,3,8. Im P rozess gegen Verres, den er ve r-teidigte, unterlag er bekanntlich dem Ankläger Cicero. Später übernahmendie beiden Redner wiederholt gemeinsam die Verteidigung, z.B. in denProzessen gegen Murena und P. Sestius. Ihn, der alle früheren RednerRo m s übertraf , rückt Cicero in den M ittelpunkt des Ep ilogs. Wie Isokrates
im Phaidros (s .o.) war er i. J. 91 noch ein νέος - adulescens; aber als CiceroDe oratore schrieb, stand er, wie Isokrates zu r Zeit der Ab fassun g des Phai-
dros, im Zenit seines Ruhmes. Doch füh rte des Horten sius Aufst ieg nichtbis zur höchsten, sondern endete bereits auf der vorletzten Stufe der römi-schen Beredsamkeit . Den absoluten Höhepunkt erreichte ers t Cicero. DerHinweis auf Hortensius ist also wieder eine versteckte vaticinatio (ex
eventu) auf Cicero selbst (s. zu 1,79).
229 Afrikas ... Bithyniens: Worum es im Einzelnen ging, wissen wir
nicht.
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Z U B U C H I II 777
230 erfrischen: Nach den ernsten Gesprächen über die verworrene
poli t ische Lage in Rom am ersten Tag (vgl. 1,24-26) und nach dem Dialo-
gas de oratore (perfecto), der höchste geist ige Konzentration erforderte, las-
sen die im Tusculanum des Cras sus zusammengekommenen Männer d i e
ludi Romani sicher durch eine cena und ein convivium in geistreich-heiterer,
von urbanitas erfül l ter Atmosphäre auskl ingen, bevor s ie zu ihren aufrei -
benden und gefähr l ichen negotia nach Ro m zurückkehren m üssen .