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Kapitel 1 Persönliche Anwendung Wie Sie die Bibel in Ihrem Leben umsetzen können Wie wir schon in der Einleitung gesehen haben, ist das Ziel beim Bibellesen immer die Anwendung, nicht nur die Interpretation. Weil Gott unser Leben durch sein Wort verändern möchte, ist es wichtig, erst einmal zu lernen, wie man die Inhalte der Bibel im eigenen Leben anwendet, bevor man sich irgendeine andere Lesemethodik aneignet. Den Zugang, den Sie in diesem Kapitel kennenlernen, wer- den Sie auch für alle folgenden Ansätze brauchen. Gleichgültig, für welchen Zugang Sie sich entscheiden: Nachdem Sie an der Bibel gearbeitet haben, geht es darum, Ihre Erkenntnisse in die Tat umzu- setzen. Wenn wir in diesem Buch von »Anwendung« oder »Umsetzung« sprechen, meinen wir also immer die in diesem Kapitel vorgestellte Herangehensweise. Wenn Sie sie für sich verwenden, nennen wir sie einfach den Anwendungszugang. Das ist die Art schlichten Lesens und Nachdenkens, wie sie sich auch gut für Ihre Stille Zeit eignet. Definition Der Anwendungszugang besteht darin, dass Sie einen kürzeren oder längeren Bibelabschnitt lesen und im Gebet so lange über ihn nach- sinnen, bis der Heilige Geist Ihnen einen Weg aufzeigt, wie Sie den Inhalt in Ihrem eigenen Leben anwenden können, und zwar Sie per- sönlich, auf konkrete, durchführbare und möglichst auch messbare Weise. Ziel ist es, das Wort Gottes ernst zu nehmen und zu tun, was er uns dadurch sagt (vgl. Jakobus 1,22). 37

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Nicht selten sind Christen entmutigt und frustriert, weil sie keinen wirklichen Zugang zu den biblischen Texten finden. Dabei hat uns die Bibel so viel zu sagen. Eine regelmäßige und intensive Beschäftigung mit dem Buch der Bücher ist nicht nur notwendig, um als Christ geistlich zu wachsen, sie kann auch eine faszinierende Reise zu Sinn und Ziel des Lebens werden. Dieses praktische und einfach zu verwendende Arbeitsbuch stellt 12 erprobte Methoden zur Erschließung biblischer Inhalte vor. Tausende Christen, Kleingruppenleiter, Pastoren und Studenten haben diese Methoden bereits erfolgreich angewandt und sich auf diese Weise wertvolle Zugänge zum Wort Gottes geschaffen.

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Kapitel 1

Persönliche Anwendung

Wie Sie die Bibel in Ihrem Leben umsetzen können

Wie wir schon in der Einleitung gesehen haben, ist das Ziel beimBibellesen immer die Anwendung, nicht nur die Interpretation. WeilGott unser Leben durch sein Wort verändern möchte, ist es wichtig,erst einmal zu lernen, wie man die Inhalte der Bibel im eigenenLeben anwendet, bevor man sich irgendeine andere Lesemethodikaneignet. Den Zugang, den Sie in diesem Kapitel kennenlernen, wer-den Sie auch für alle folgenden Ansätze brauchen. Gleichgültig, fürwelchen Zugang Sie sich entscheiden: Nachdem Sie an der Bibelgearbeitet haben, geht es darum, Ihre Erkenntnisse in die Tat umzu-setzen.

Wenn wir in diesem Buch von »Anwendung« oder »Umsetzung«sprechen, meinen wir also immer die in diesem Kapitel vorgestellteHerangehensweise. Wenn Sie sie für sich verwenden, nennen wir sie einfach den Anwendungszugang. Das ist die Art schlichtenLesens und Nachdenkens, wie sie sich auch gut für Ihre Stille Zeiteignet.

Definition

Der Anwendungszugang besteht darin, dass Sie einen kürzeren oderlängeren Bibelabschnitt lesen und im Gebet so lange über ihn nach-sinnen, bis der Heilige Geist Ihnen einen Weg aufzeigt, wie Sie denInhalt in Ihrem eigenen Leben anwenden können, und zwar Sie per-sönlich, auf konkrete, durchführbare und möglichst auch messbareWeise. Ziel ist es, das Wort Gottes ernst zu nehmen und zu tun, waser uns dadurch sagt (vgl. Jakobus 1,22).

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Warum die Anwendung so wichtig ist

Gott hat uns die Bibel geschenkt, um uns zu zeigen, wie wir eineBeziehung mit ihm haben und unser Leben in dieser Welt so gestaltenkönnen, dass es ihm gefällt. Sie soll unser Leben auf eine Weise ver-ändern, dass wir Jesus Christus immer ähnlicher werden. Der ApostelPaulus hat einmal geschrieben, die Bibel sei »nützlich für die Unter-weisung im Glauben, für die Zurechtweisung und Besserung derIrrenden, für die Erziehung zu einem Leben, das Gott gefällt« (2. Timo-theus 3,16). Sie ist ein existenzielles Buch, denn es geht in ihr darum,wie wir Menschen tatsächlich so leben können, dass es Gott gefällt.Bibellesen ohne praktische Umsetzung ist eine bloße akademischeÜbung ohne geistlichen Wert. Die Bibel wurde geschrieben, um inunserem wirklichen Leben umgesetzt zu werden. Howard Hendrickshat es in seiner bestechenden Art auf den Punkt gebracht: »Interpre-tation ohne Anwendung ist Abtreibung!« Halten wir also fest, dassAnwendung für das Leben als Christ unabdingbar ist. Sie ist harteArbeit, aber wenn wir uns an bestimmte Grundprinzipien halten, wirdes uns gelingen, gute Anwendungsmöglichkeiten aus einem Bibeltextzu ziehen.

Anwendung verändert unser Leben

Das Studium der Bibel sowie dessen Erkenntnisse sollten in unsereLebensführung einfließen, damit sie uns nach Gottes Willen verän-dern kann.

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1. Schritt: Um Einsicht beten

2. Schritt: Über den Text nachdenken

3. Schritt: Eine Anwendung überlegen

4. Schritt: Einen Merkvers einprägen

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1. Sie können Gottes Wort nicht wirklich kennenlernen, wenn Sie es nicht persönlich umsetzen

Jesus führte während seines Dienstes viele Streitgespräche mit dendamaligen religiösen Führern. Das waren vor allem die Pharisäer(damals die allgemein anerkannten Theologen), die Schriftgelehrten(juristisch-religiöse Rechtsexperten der jüdischen Gesetze) und dieSadduzäer (die liberalere Strömung in der damaligen jüdischenGesellschaft).

Bei einer Gelegenheit stellten ihm die Sadduzäer, die nicht an dieAuferstehung glaubten, eine Fangfrage. Die Antwort, die Jesus gab,ist sehr interessant. Er sagte ihnen: »Ihr irrt, denn ihr kennt weder dieSchriften noch die Kraft Gottes« (Matthäus 22,29; LÜ). Die Sadduzäerbesaßen intellektuelles Wissen über die Inhalte der jüdischen Schrif-ten (unser Altes Testament), aber sie lebten nicht nach ihnen.

Sie können ein wandelndes Bibellexikon sein, den Kopf vollge-stopft mit Bibelwissen, aber das bringt Ihnen überhaupt nichts, solan-ge Sie es nicht in Ihr praktisches Alltagsleben umsetzen. Wenn Siesich mit der Bibel beschäftigen, ohne sie anzuwenden, sind Sie nichtbesser als die Pharisäer und Sadduzäer zur Zeit Jesu. Sie lernen dieSchrift erst dann richtig kennen, wenn Sie sie in die Praxis umsetzenund aktiv werden.

2. Wissensanhäufung ohne Umsetzung kann gefährlich sein

Wie der Apostel Paulus einmal bemerkt hat: »Erkenntnis bläht auf,aber die Liebe baut auf« (1. Korinther 8,1; LÜ). Biblisches Wissen, dasnicht angewendet wird, kann uns aufplustern. Das griechische Wortfür »aufblähen« birgt die Vorstellung in sich, mit Stolz aufgeblasen zusein und in Arroganz zu verfallen. Die Bibel lehrt, dass der Teufel eineMenge Bibelwissen hat (siehe die Versuchung Jesu, Matthäus 4,1–11),und gleichzeitig wissen wir, dass er voller Stolz und arrogant ist.Wenn Sie das Wort Gottes richtig in Ihrem Leben umsetzen, entgehenSie der Gefahr, aufgeblasen zu werden.

Bibellesen ohne Umsetzung kann gefährlich werden, denn Er-kenntnis verlangt Handeln. Was ein Mensch weiß, sollte sich in demniederschlagen, was er tut. Jakobus erklärt: »Es genügt aber nicht, die-ses Wort nur anzuhören. Ihr müsst es in die Tat umsetzen, sonstbetrügt ihr euch selbst!« (Jakobus 1,22). Gottes Gebote sind keine Fra-

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ge der Wahl. Er sagt nicht: »Würdest du bitte einmal darüber nach-denken, ob du das tun möchtest?«, sondern er befiehlt: »Tu es!« Under erwartet von uns, dass wir gehorchen.

In der Bergpredigt hat Jesus einen gehorsamen Jünger mit einemweisen, klugen Mann verglichen: »Wer diese meine Worte hört undsich nach ihnen richtet, wird am Ende dastehen wie ein kluger Mann,der sein Haus auf felsigen Grund baute« (Matthäus 7,24). Als die Stür-me des Lebens kamen, hatte der weise Mann ein festes Fundament,während der »Dummkopf« – derjenige, der nicht umsetzte, was erwusste – weggespült wurde (Vers 25–27). David wurde ein Mann nachdem Herzen Gottes genannt, weil er das Wort Gottes zur Richtschnurseines Lebens gemacht hatte. Der Verfasser des 119. Psalms schreibt:»Ich überdenke meine Lebensführung und kehre wieder um zu deinerWeisung. Ich eile, Herr, ich schiebe es nicht auf, das auszuführen, wasdu mir befiehlst« (Psalm 119,59–60). Auch Sie sollten umsetzen, wasSie erkannt haben.

Bibellesen ohne Umsetzung kann gefährlich sein, denn Wissenbringt Verantwortung mit sich. Wenn Sie die Bibel ernsthaft studieren,werden an Sie höhere Maßstäbe angelegt als an Otto Normalverbrau-cher, denn mit wachsendem Wissen wächst auch Ihre Verantwortung.Jakobus schreibt: »Wer die Zeit und die Mittel hat, Gutes zu tun, undes nicht tut, macht sich schuldig« (Jakobus 4,17). Mit tieferer Bibel-kenntnis kommt ein härteres Gericht auf Sie zu, wenn Sie nicht ent-sprechend leben. Wenn Sie beginnen, intensiv in der Bibel zu lesen,fängt Gott an, Ihnen Lebensbereiche aufzuzeigen, in denen Sie Ver-änderung nötig haben, und stellt Sie in eine größere Verantwortung.Wenn Sie nicht vorhaben, die Erkenntnisse, die Sie beim Bibellesengewinnen, auch anzuwenden, sollten Sie besser gar nicht erst in derBibel lesen! Sie laden sich nur ein schwereres Urteil auf.

John Milton, ein großer christlicher Dichter, soll gesagt haben: »DasZiel allen Lernens ist, Gott zu kennen und aus diesem Wissen herausihn zu lieben und nachzuahmen.« Das fasst zusammen, wovon wir hierreden: Wir sollen Gott kennen, ihn lieben und so werden wie er.

Anwendung ist harte Arbeit

Es mag Ihnen vielleicht so vorkommen, als ob die Anwendung ver-gleichsweise einfach sei, doch tatsächlich ist es der schwerste Teilbeim Bibelstudium. Wie kommt das? Anwendung passiert nicht zufäl-

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lig. Wir müssen sie planen, sonst wird es nicht dazu kommen. Es gibtdrei Gründe, warum es wirklich nicht leicht ist, die Inhalte der Bibelpraktisch anzuwenden: Es erfordert Nachdenken, der Teufel kämpftverbissen dagegen und wir haben eine natürliche Abneigung gegenVeränderung.

1. Anwendung ist harte Arbeit, weil sie ernsthaftes Nachdenkenerfordert

Manchmal kostet es eine ganze Menge Konzentration und betendesNachdenken, bis wir einen Weg finden, wie wir eine Aussage anwen-den können. Vielleicht gilt es, hinter einer zeitbezogenen Regel einzeitloses Prinzip zu entdecken. Vielleicht steht ein lokaler Brauch imVordergrund, doch dahinter verbirgt sich eine übergreifende Einsicht.Das alles braucht Zeit und Konzentration, die wir manchmal nurwiderwillig aufbringen.

2. Anwendung ist harte Arbeit, weil Satan sie verbissen bekämpft

Die härtesten Angriffe des Teufels kommen in Ihrer Stillen Zeit oftdann, wenn Sie sich darum bemühen, das Gelesene anzuwenden.Satan weiß, dass Sie für ihn keine große Bedrohung darstellen, solan-ge Sie sich mit Ihrem angesammelten Bibelwissen zufriedengeben.Aber in dem Augenblick, in dem Sie ernsthaft anfangen, darübernachzudenken, etwas in Ihrem Leben zu verändern, wird er sich mitHänden und Füßen dagegen zur Wehr setzen. Er hasst »Täter des Wor-tes«. Er wird Sie Ihre Bibel nach Herzenslust studieren lassen, solangeSie sich nicht fragen: »Und was mache ich jetzt mit all dem, was icherkannt habe?«

3. Anwendung ist harte Arbeit, weil wir eine natürliche Abneigung gegen Veränderung haben

Oft »fühlen« wir uns nicht nach Veränderung – und das ist es schließ-lich, was echte Anwendung verlangt! Wir leben mehr nach unserenLaunen als nach unserem Willen, denn wir sind zufrieden mit dem,wie wir sind. Christen sagen, dass sie sich nicht danach fühlen, in der

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Bibel zu lesen oder zu beten oder Zeugnis abzulegen. Gefühle kom-men und gehen, deshalb sollten sie unser Leben als Christ nichtbestimmen. Der Schlüssel zu geistlicher Reife ist, für Christus zuleben, nicht weil wir uns dabei gut fühlen, sondern weil wir wissen,dass es richtig ist. Ich habe die Entdeckung gemacht, dass der Teufel,wenn ich nur dann in der Bibel lese, bete oder Zeugnis gebe, wenn ichmich danach fühle, dafür sorgen wird, dass ich mich niemals danachfühlen werde!

Sie wenden das Wort Gottes nicht deshalb auf Ihr Leben an, weilSie sich an dem Tag oder in der Woche gerade danach fühlen, sondernweil Ihnen bewusst ist, dass Gott das von Ihnen erwartet. Angewand-tes Bibelstudium als Willensakt führt uns zur Reife und legt eine sta-bile Grundlage für unser Christsein.

So wird’s gemacht

Wenn Sie diesen Zugang zur Bibel verfolgen, können Sie sich nachvier einfachen Arbeitsschritten richten, die wir in je einem Wortzusammengefasst haben: beten – nachdenken – anwenden – einprägen.

1. Schritt: Um Einsicht beten

Bitten Sie Gott, dass er Ihnen dabei hilft, den Bibeltext anzuwen-den, und Ihnen zeigt, was er genau mit Ihnen vorhat. Zwei Dingewissen Sie schon, die Gott von Ihnen will: seinem Wort gehorchenund es an andere weitergeben. Sagen Sie Gott in Ihrem Gebet, dass Sie bereit sind zu tun, was er Ihnen zeigt, und anderen davon zuerzählen.

2. Schritt: Über den Text nachdenken

Betrachten Sie den Bibelabschnitt und gehen Sie seinen Gedankennach. Ich bezeichne dies als Meditation. Meditation bedeutet die Ver-arbeitung von Gedanken. Sie nehmen sich einen Gedanken vor, denGott Ihnen geschenkt hat, und beleuchten ihn von allen Seiten. Medi-tation ist wie das Wiederkäuen einer Kuh, die ihre Nahrung verdaut.Sie frisst Gras und leitet es in den Blättermagen, dann legt sie sich hin

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und lässt das Gras in den Labmagen hochkommen, kaut auf ihmherum und schluckt es wieder herunter, bis es in den Pansen gelangt.Insgesamt hat sie für ihren Verdauungsprozess vier Mägen!

Schriftbetrachtung heißt, einen Bibeltext zu lesen und sich ihmdann auf verschiedene Weise zu nähern. Hier einige praktische Vor-schläge, wie Sie einen Bibelvers oder längeren Abschnitt betrachtenkönnen:

Das Geschehen visualisierenStellen Sie sich die Szene einer Erzählung bildhaft vor. Versetzen Siesich in die biblische Situation hinein und spielen Sie im Geiste durch,wie Sie sich selbst daran beteiligen könnten. Ob Sie gerade dieGeschichtsbücher des Alten Testaments lesen oder eines der Evange-lien oder die Apostelgeschichte – versetzen Sie sich in den jeweiligengeschichtlichen Hintergrund hinein. Fragen Sie sich, wie es Ihnengehen würde, wenn Sie in die Situation einbezogen wären. Was wür-den Sie sagen, was würden Sie tun?

Wenn Sie zum Beispiel das 4. Kapitel des Johannesevangeliumslesen, stellen Sie sich vor, Sie wären auch dort bei Jesus, mit der Frauam Brunnen, den Jüngern oder den Einwohnern von Sychar. Wiewürden Sie reagieren, wenn Jesus Sie bitten würde, ihm von IhremWasser zu trinken zu geben? Was würden Sie denken, wenn Sie einerder Jünger wären, der die Begegnung miterlebt hätte?

Ein anderes Beispiel für Visualisierung in der Textbetrachtung:Stellen Sie sich vor, Sie wären der Apostel Paulus, der gerade imGefängnis sitzt und dort seinen zweiten Brief an Timotheus schreibt.Malen Sie sich diesen römischen Kerker vor Augen, in dem Sie zumTode verurteilt auf Ihre Hinrichtung warten, von allen Freunden – mitAusnahme von Lukas – im Stich gelassen. Fühlen Sie die Einsamkeitnach, die Paulus empfunden haben muss, aber auch den Triumph, alser schrieb: »Ich habe den guten Kampf gekämpft. Ich bin am Ziel desWettlaufs, zu dem ich angetreten bin. Ich habe den Glauben bewahrtund unversehrt weitergegeben« (2. Timotheus 4,7). Wenn Sie sich eineSzene bildhaft vorstellen, wird die Bibel für Sie auf einmal unglaub-lich lebendig.

Verschiedene Betonungen durchspielenLesen Sie einen Vers mehrmals nacheinander laut vor, indem Sie beijedem Durchgang ein anderes Wort des Verses betonen. Sie werdenstaunen, wie sich dadurch neue Bedeutungen auftun. Für Philipper 4,

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Vers 13 würde das nach der »Lutherübersetzung« folgendermaßen aus-sehen:

»ICH vermag alles durch den, der mich mächtig macht.«

»Ich VERMAG alles durch den, der mich mächtig macht.«

»Ich vermag ALLES durch den, der mich mächtig macht.«

»Ich vermag alles DURCH den, der mich mächtig macht.«

»Ich vermag alles durch DEN, der mich mächtig macht.«

»Ich vermag alles durch den, DER mich mächtig macht.«

»Ich vermag alles durch den, der MICH mächtig macht.«

»Ich vermag alles durch den, der mich MÄCHTIG macht.«

»Ich vermag alles durch den, der mich mächtig MACHT.«

Sie entdecken neun unterschiedliche Aussagenuancen in diesemeinen Vers, wenn Sie ihn auf diese Weise durchgehen und jedes Malein anderes Wort hervorheben.

Den Text umschreibenSchauen Sie sich Ihren Bibeltext gut an und umschreiben Sie ihn dannmit Ihren eigenen Worten. Verwenden Sie Vokabular und Redewen-dungen von heute, um den zeitlosen Inhalt auf moderne Weise aus-zudrücken. Sie können sich dazu Anregungen bei modernen Bibel-übertragungen wie der schon erwähnten »Hoffnung für alle« holen.

Den Text personalisierenWenden Sie den Text auf sich persönlich an, indem Sie an der Stellevon Pronomen (er, sie, wir …) oder Substantiven (»die Menschen« etc.)Ihren Namen einsetzen. Johannes 3, Vers 16 würde dann beispiels-weise in meinem Fall lauten: »Gott hat Rick Warren so sehr geliebt,dass er seinen einzigen Sohn hergab. Nun wird Rick, wenn er sich auf den Sohn Gottes verlässt, nicht zugrunde gehen, sondern ewigleben.«

Auf die neun Aspekte der A-N-W-E-N-D-U-N-G achtenHinter den Anfangsbuchstaben von »Anwendung« verbergen sich dieneun möglichen Aspekte einer Anwendung (man bezeichnet dies alsAkrostichon). Um den Bibeltext auf Ihr Leben anzuwenden, können

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Sie nach diesen neun Dingen Ausschau halten. Wenn Sie sich dieneun Stichwörter zu den Anfangsbuchstaben merken, können Sie siejederzeit verwenden.

Gibt es im Text irgendein/e(n) …

A – Aufruf/Appell zu befolgen? Bin ich bereit, ihm nachzukommen,egal, wie ich mich fühle?

N – negatives oder positives Beispiel? Was kann ich nachmachen, wasvermeiden?

W – Wahrheit anzunehmen? Was lerne ich neu über Gott, den Vater,Jesus Christus, den Heiligen Geist oder andere biblische Lehren?

E – Einstellung zu ändern? Bin ich bereit, an negativen Haltungen zuarbeiten und positive aufzubauen?

N – nicht Nachzuahmendes? Welche Fehler kann ich vermeiden, aufwelche Fallen achten?

D – Dank, der angebracht wäre? Wofür kann ich Gott loben und dan-ken?

U – Umkehr, die nötig wäre? Gibt es eine Sünde zu bekennen oderetwas wiedergutzumachen?

N – noch ausstehende Verheißung? Gibt es Bedingungen, treffen sieauf mich zu?

G – Gebet anzuschließen? Gibt es etwas, für das ich beten könnte?

Den Vers zu einem Gebet machenSie können in Ihren Bibelvers auch die 1. Person Singular einsetzenund ihn damit zu Ihrem persönlichen Gebet machen. Die Psalmen sindein gutes Beispiel für diese Art der Meditation. Bill Gothard hatgesagt, dass David sich Gottes Gesetz erst eingeprägt, es dann auf sichpersönlich bezogen und es zu seinem eigenen Gebet gemacht hat.

Ein Beispiel für diese Methode lässt sich gut an den ersten drei Ver-sen von Psalm 23 demonstrieren:

»Danke, Herr, dass du mein Hirte bist und dass ich keine Not leide. Danke, dass du mich auf saftige Weiden bringst, mich am frischenWasser ruhen lässt und mir neue Kraft gibst.Danke, dass du mich auf sicheren Wegen leitest, weil du mit deinemNamen dafür bürgst.«

Auf welche dieser Methoden sollen Sie nun zurückgreifen, wenn Sieüber Ihren Bibeltext nachsinnen? Das hängt von der Art Ihres Textes

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ab. Manchmal lassen sich die Methoden auch miteinander kombinie-ren. Wenn Sie sich zum Beispiel die Sprüche vornehmen, wird esschwierig sein, sich eine Szene bildhaft vorzustellen, aber Sie könnendie einzelnen Worte nacheinander betonen und dann einige der Aus-sagen zu Ihrem Gebet machen.

3. Schritt: Eine Anwendung überlegen

Denken Sie auf der Grundlage der Einsichten, die Ihnen gekommensind, darüber nach, wie Sie sie in die Praxis umsetzen können, undschreiben Sie sie auf. Das schriftliche Festhalten hilft Ihnen, präzisezu sein. Wenn Sie nichts aufschreiben, werden Sie wahrscheinlichbald alles wieder vergessen haben. Das ist besonders notwendig, wennSie mit einer geistlichen Wahrheit zu tun haben. Wenn Sie nicht in derLage sind, sie zu Papier zu bringen, haben Sie sie wahrscheinlich nichtwirklich verstanden. Es hat sich gezeigt, dass man das, was man auf-schreibt, länger behält und anderen besser erklären kann.

Behalten Sie vier Aspekte im Hinterkopf, wenn Sie Ihre Anwen-dung erarbeiten:

1. Ihre Anwendung sollte persönlich sein. Schreiben Sie also in der 1. Person Singular (»ich, mir, mein …«).

2. Ihre Anwendung sollte praktisch sein – etwas, das Sie tun können.Planen Sie eine ganz bestimmte Handlung, die Sie durchführenwollen. Überlegen Sie sich ein Projekt, das Sie als »Täter des Wor-tes« fördern wird. Legen Sie es so genau und konkret fest, wieirgend möglich. Allgemeinplätze führen dazu, dass wir uns hilflosvorkommen, und bringen wenig Taten hervor.

3. Ihre Anwendung sollte durchführbar sein – etwas, das Ihnen wirk-lich möglich ist. Sonst werden Sie entmutigt werden.

4. Ihre Anwendung sollte messbar sein. Woran erkennen Sie, ob SieIhr Vorhaben ausgeführt haben, wann können Sie Ihr »Kreuzchen«machen? Planen Sie einen konkreten zeitlichen Rahmen.

Das folgende Beispiel für diese vier Aspekte bezieht sich auf Prediger6, Vers 7. Der Text lautet: »Der Mensch müht sich ständig ab, um sichsatt essen zu können. Was hilft’s, er wird doch immer wieder hung-rig!« Die vier Aspekte könnten folgendermaßen aussehen:

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1. persönlich: »Ich will …«2. praktisch: »Ich will abnehmen.«3. durchführbar: »Ich will zehn Pfund abnehmen.«4. messbar: »Ich will bis zum Monatsende zehn Pfund abnehmen.«

Suchen Sie sich Unterstützung bei Freunden oder in Ihrer Familie,indem Sie einer Person von Ihrem Vorhaben erzählen und sie bitten,Sie ab und zu nach dem Stand der Dinge zu fragen und Ihnen Mut zumachen.

Sie können auch Anwendungsmöglichkeiten festhalten, die erst inder Zukunft relevant werden. Vielleicht stoßen Sie auf eine guteAnwendung, die Sie zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht umset-zen können. Vielleicht lesen Sie von Tod und Sterben oder wie manKummer überwindet, aber das Problem haben Sie gerade gar nicht. Esgibt zwei gute Gründe, sie trotzdem aufzuschreiben: Erstens kann essein, dass Sie irgendwann in eine solche Lage kommen und das, wasSie erarbeitet haben, gebrauchen können. Zweitens kann es sein, dassSie jemand anderem weiterhelfen können, der sich in einer entspre-chenden Situation befindet. Fragen Sie sich: »Wie kann ich diesenVers gebrauchen, um jemand anderem zu helfen?«

4. Schritt: Einen Merkvers einprägen

Damit Ihnen der Bibeltext weiterhin vor Augen bleibt und Sie sichimmer wieder an Ihr Vorhaben erinnern, sollten Sie einen Vers oderVersteil auswendig lernen, der zentral zu der praktischen Umsetzungpasst, die Sie sich aufgeschrieben haben.

Manchmal wird Gott über Wochen oder sogar Monate an einem IhrerLebensbereiche am Werk sein. Es dauert eine Weile, bis sich eingefah-rene Verhaltensmuster, Gewohnheiten und Charakterzüge wirklich ver-ändern. Neue Gewohnheiten und Denkweisen lassen sich nicht voneinem Tag auf den anderen etablieren. Dessen sollten wir uns bewusstsein, und wir sollten uns darauf einlassen, dass Gott eine bestimmteWahrheit in unserem Leben immer wieder bekräftigt. Wir sollten unsnicht selbst austricksen und meinen, dass das einmalige Aufschreibeneiner Anwendung wie eine magische Formel sei, die sofortige Verände-rung bewirken würde. Eher muss es als Bestandteil eines Wachstums-prozesses gedacht werden. Der eingeprägte Merkvers wird uns in die-sem Prozess unterstützen, weil er nun in unseren Köpfen steckt.

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Bei einer Gelegenheit ging es für mich in der praktischen Anwen-dung darum, an meiner Sensibilität zu arbeiten. Gott brauchte meh-rere Monate, um diese Eigenschaft in meinem Leben aufzubauen. Ichmusste erst einmal erkennen, dass diese Eigenschaft alle Lebensberei-che betraf. Er brachte mich immer wieder in Situationen, in denen ichdazu neigte, das Gegenteil zu tun – unsensibel zu sein. Vielleichtmacht er es mit Ihnen genauso. Vielleicht lehrt Gott Sie, andere zu lie-ben, indem er Sie mit Menschen zusammenbringt, die nicht so leichtzu lieben sind. Vielleicht sollen Sie Geduld lernen, während Sie mitlauter Ärgernissen konfrontiert sind, oder Frieden mitten im Chaos. Sokönnen Sie selbst in Zeiten voller Kummer und Prüfungen Freude fin-den. Machen Sie sich bewusst, dass Gott gerade dann zulässt, dass Siein schwierige Situationen geraten, wenn er eine positive Charakterei-genschaft in Ihrem Leben fördern möchte. So stellt er Sie vor die Ent-scheidung, das Richtige zu tun, anstatt Ihren natürlichen Neigungenzu folgen.

Fazit

Ob wir wirklich auf die richtige Weise die Bibel studieren und prakti-sche Anwendungen suchen, zeigt sich mit Blick auf die Person JesuChristi. Wir müssen uns immer die Frage stellen: »Hilft mir dieseAnwendung, Jesus ähnlicher zu werden?«

Ein Mann sah, wie sein Nachbar am Sonntagmorgen aus der Kir-che kam. Er fragte den Kirchgänger: »Und, wie war die Predigt?«

Der Nachbar antwortete weise: »Sie fängt gerade erst an.«Wenn wir Einsichten aus der Bibel, die Gott uns schenkt, nicht in

unserem eigenen Leben umsetzen, verhärten wir uns und stumpfengeistlich ab. So werden wir immer unempfindlicher für das Reden desHeiligen Geistes werden.

Dass wir Gottes Wort wirklich in unserem Leben umsetzen, ist vonentscheidender Bedeutung für unser geistliches Wohlbefinden undunseren Reifeprozess als Christen.

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Das Arbeitsblatt

Am Ende dieses Kapitels finden Sie das Arbeitsblatt mit den vierArbeitsschritten. Sie können es kopieren oder ein leeres Blatt Papiernehmen und die Felder übertragen, um sich nach dieser Methode einepraktische Anwendung zu erarbeiten.

Zum Ausfüllen des Arbeitsblattes

Zu Beginn tragen Sie Datum und Bibeltext ein. Füllen Sie dann die vier Felder aus:

� Gebet: Kreuzen Sie an, wenn Sie Gott um Erkenntnisse gebetenhaben.

� Textbetrachtung: Schreiben Sie die Gedanken auf, die Ihnen beimNachsinnen und Verwenden der meditativen Techniken gekommensind.

� Anwendung: Erarbeiten Sie eine Anwendung, die die vier Kriterienerfüllt: Sie muss persönlich, praktisch, durchführbar und messbarsein.

� Merkvers: Schreiben Sie sich den Vers heraus, den Sie auswendiglernen wollen. Suchen Sie sich dazu die Bibelübersetzung aus, dieIhnen am meisten zusagt.

Musterbeispiel

Siehe die Beispiele auf S. 51 und 52.

Aufgabe

Folgende Textvorschläge eignen sich besonders gut zum Einstieg inden Anwendungszugang:

� Psalm 15,� Psalm 34,� Römer 12,� 1. Thessalonicher 5,12–22,� 1. Johannes 4.

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Welche Bücher Ihnen noch weiterhelfen können

Im Literaturverzeichnis, das Sie auf S. 285 im Anhang finden, habenwir viele Bücher und Schriften angefügt, die Ihnen dabei helfen kön-nen, eine regelmäßige Stille Zeit einzuführen. Sie bieten praktischeTipps, wie man es sich zur Gewohnheit machen kann, sich täglich vonGottes Wort ansprechen zu lassen. Lesen Sie auch den Anhang A die-ses Buches »Zeit mit Gott – Tipps für Schatzsucher« (S. 240).

Speziell zum Thema der Anwendung können Sie auch noch nach-lesen bei:

� Howard und William Hendricks: »Bibellesen mit Gewinn – Hand-buch für das persönliche Bibelstudium«, CLV, Dillenburg, 2002 (zurAnwendung: S. 289–341).

� Skip Heitzig: »Abenteuer Bibellesen«, Hänssler Verlag, Holzgerlin-gen, 2003 (zur Anwendung: Kapitel 7 und 8).

� Helge Stadelmann/Thomas Richter: »Bibelauslegung praktisch«, R. Brockhaus, Haan, 2006 (Kapitel »Anwendung«, Schritt 10, S. 161–170).

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Arbeitsblatt (Beispiel 1)

Datum: 30. 6. Bibeltext: Lukas 12,22–26

1. Gebet □� (ankreuzen, wenn erledigt)

2. Textbetrachtung

So umschreibe ich den Text:

Ich sollte mir nicht so viele Sorgen machen. Gott wird sich umalles kümmern, was ich brauche. Da er mir mein Leben gegebenhat, kann ich auch darauf vertrauen, dass er es weiterhin erhält.Das kann ich von den Vögeln lernen: Sie sorgen sich nicht um ihreZukunft. Gott kümmert sich jeden Tag um sie. Wenn er schon dieVögel versorgt, wird er es erst recht mit mir tun! Außerdem bringtSorgen mich nicht weiter. Sorgen verändert niemals wirklich dieSituation. Was bringt es also? Nichts!

Gebot, das ich befolgen muss:

»Sorge dich nicht!« (Vers 22)

Versprechen, das ich in Anspruch nehmen muss

»Gott wird sich um mich kümmern!« (Vers 24)

3. Praktische Umsetzung

Ich muss diese Lektion im Bereich unserer familiären Finanzenumsetzen. Im nächsten Monat werde ich jedes Mal, wenn derTeufel mich an unsere Rechnungen erinnert, der Sorge widerste-hen und Lukas 12, Vers 24 laut aussprechen.

4. Merkvers

»Seht euch die Raben an: Sie säen nicht und ernten nicht, sie haben keinen Keller und keine Scheune, und Gott ernährt sie doch. Wie viel besser seid ihr als die Vögel!« (Lukas 12,24; LÜ).

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Arbeitsblatt (Beispiel 2)

Datum: 10. 7. Bibeltext: Richter 6,1–18

1. Gebet □� (ankreuzen, wenn erledigt)

2. Textbetrachtung

In diesem Textabschnitt geht es um die Berufung von Gideon.

Erkenntnisse (Wahrheiten, die ich glaube)

� Wenn Gott etwas ausführen möchte, hält er nach Menschen Ausschau, die er gebrauchen will.

� Gott gebraucht oft die, von denen ich es am wenigsten erwarte. � Gott kann seine Stärke am besten durch unsere Schwäche zeigen.� Gottes Kraft in uns ist die Lösung für unsere Unzulänglichkeiten.

Sünden, die ich bekennen, Einstellungen, die ich ändern muss:

Herr, vergib mir, dass ich nicht dazu bereit war, mich von dirgebrauchen zu lassen! Ich dachte, du könntest mich nichtgebrauchen, weil ich so viele Schwächen habe, doch eigentlichhabe ich meine Unzulänglichkeit nur vorgeschoben und als Ent-schuldigung für meine Trägheit missbraucht. Hilf mir, daran zudenken, dass ich versage, wenn ich auf mich selbst vertraue,aber siegreich bin, wenn ich auf deine Stärke baue. Gebrauchemeine Schwächen, um dir Ehre zu machen.

3. Praktische Umsetzung

Ich hatte Angst, die Anfrage meiner Gemeinde anzunehmen undim Kindergottesdienst mitzuarbeiten. Ich habe Gründe vorgebracht,die dagegen sprechen, weil ich mich nicht fähig genug fühlte. Aber ich weiß, dass Gott mich dort haben will, deshalb werde ichmeinem Pastor sagen, dass ich die Aufgabe übernehmen werde.

4. Merkvers

Ich will daran denken, was Gott zu Gideon gesagt hat: »Ich will mit dir sein« (Vers 16; LÜ).