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58 rubin | sonderheft 12 Abb. 1: In einer Windkraftanlage steckt jede Menge Mathematik.

Abb. 1: In einer Windkraftanlage steckt jede Menge Mathematik. · 2012. 9. 27. · ternehmens TEDATA, nimmt Konstruk-teuren das Rechnen ab. „Ich konnte das Schneidöl an den Werk-zeugmaschinen

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Page 1: Abb. 1: In einer Windkraftanlage steckt jede Menge Mathematik. · 2012. 9. 27. · ternehmens TEDATA, nimmt Konstruk-teuren das Rechnen ab. „Ich konnte das Schneidöl an den Werk-zeugmaschinen

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Abb. 1: In einer Windkraftanlage steckt jede Menge Mathematik.

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Fruchtbare KooperationWilli Gründer und Michael Abramovici sind sich einig: Die Kooperation von TEDATA und dem Lehrstuhl für Maschinenbauinformatik könnte nicht besser laufen. Auf vie-len Ebenen profitieren die Partner gegenseitig voneinander. Zum Beispiel in der Leh-re: Prof. Gründer hält Vorlesungen aus Sicht der Industrie an der RUB, und die Studie-renden in der Maschinenbauinformatik lernen, Berechnungen mit MDESIGN durch-zuführen. Die TEDATA-Software bekommt die RUB zu besonders günstigen Konditi-onen. In der Forschung beschäftigen sich Studierende oder Mitarbeiter mit konkreten Problemen, die TEDATA oder die Kunden der Firma haben. Mögliche Lösungen testen die Wissenschaftler an der RUB ausgiebig. Dafür hätten die TEDATA-Mitarbeiter nicht die Zeit und die Ressourcen. Erweisen sich die Lösungen als praktikabel, werden sie in die Software integriert. Die Vermarktung übernimmt TEDATA – das wiederum wäre den RUB-Forschern nicht möglich.

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Die Software des Unternehmens TEDATA rechnet für Konstrukteure

Damit jeDe Schraube FunKtioniert

Rotorblätter, Getriebe, Bremsen und jede Menge Schrauben sind nur ein paar Kom-ponenten einer Windkraftanlage. Damit ihr Zusammenspiel funktioniert, muss je-des Einzelteil bestimmten Anforderungen genügen. Die Mathematik, die diese Spe-zifikationen beschreibt, ist ausgesprochen komplex. MDESIGN, die Software des Un-ternehmens TEDATA, nimmt Konstruk-teuren das Rechnen ab.

„Ich konnte das Schneidöl an den Werk-zeugmaschinen nicht riechen, deswegen wollte ich nicht in den harten Maschinen-bau“, sagt Prof. h.c. Dr. Willi Gründer, Unternehmensleiter der Firma TEDATA (Abb. 2). Nachdem er an der RUB am ehe-maligen Institut für Automatisierungstech-nik der Fakultät für Maschinenbau promo-viert hatte, ging er zunächst zu Unilever nach England, dann in Deutschland in die Unternehmensberatung und kaufte 1982 mit seinem damaligen Chef ein Ingenieur-büro. So war der Grundstein für das heu-tige Unternehmen TEDATA gelegt.

Zunächst spezialisierte sich die Firma auf Computer Aided Design (CAD)-Soft-ware, mit der Ingenieure Konstruktions-zeichnungen anfertigen. Als amerika-nische Firmen die deutschen jedoch Ende der 80er-Jahre langsam aber sicher von diesem Markt verdrängten, sattelte TEDA-TA um: auf Berechnungsprogramme für Konstrukteure. Jedes Maschinenelement, zum Beispiel jede Schraube in einem Ge-triebe, muss so dimensioniert sein, dass sie bestimmten Kräften, Temperaturen oder chemischen Einflüssen widerstehen kann. „Dazu hat der Maschinenbau in Deutschland seit Hunderten von Jahren Gleichungen, die in Normen niedergelegt sind“, sagt Willi Gründer. „Die Deutschen gehen sehr analytisch an solche Probleme heran, das ist die Grundlage für den Erfolg des Maschinenbaus hier.“

Die Berechnungen können jedoch au-ßerordentlich komplex sein. Ein Getriebe

Abb. 2: Erfolgreiche Kooperationspartner: TEDATA-Leiter Willi Gründer (links) und RUB-Professor Mi-chael Abramovici mit Marion Schwätzer vom TEDA-TA-International Customer Support

besteht zum Beispiel aus einem Gehäu-se, in dem sich mehrere Lager und Wellen befinden. Auf den Wellen sind Zahnräder, von denen jeder Zahn hoch beansprucht wird. Bei Windenergieanlagen (Abb. 1) wird es besonders komplex, denn die Ro-toren biegen die Wellen in alle Richtungen durch. Wie findet man heraus, was die ein-zelnen Zähne ertragen müssen und aus-halten können?

Allein 60 DIN-A4-Seiten dick ist die Berechnungsanleitung für eine einzige Schraube, die der Verein Deutscher In-genieure (VDI) herausgegeben hat. „Frü-her hat man die mit dem Taschenrechner ausgefüllt, das will natürlich heute keiner mehr. Mit solchen Berechnungen ist man ganz tief drin im theoretischen Maschi-nenbau, und dieser Schatz muss gehoben werden“, erzählt Gründer. Deswegen be-reiten die TEDATA-Entwickler die Materie so auf (Abb. 3), dass Konstrukteure damit arbeiten können, ohne alle Gleichungen selbst anzufassen und zu verstehen. „Da wurden vielleicht 20 Dissertationen darü-ber geschrieben, was an einem Zahn in einem Getriebe passiert – das können die wenigsten Menschen im Detail nachvoll-ziehen“, meint der Unternehmensleiter.

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Abb. 3: Schraubenberechnung leicht gemacht mit der TEDATA-Software MDESIGN

Abb. 4: Oberfläche der MDESIGN-Software für Kon-strukteure

TEDATA liefert die Übersetzungslei-stung – in Form des Programms „MDE-SIGN“ (Abb. 4). Die komplizierten mathe-matischen Vorgänge sind in der Software versteckt. Der Konstrukteur gibt bestimmte Parameter über eine grafische Oberfläche ein, zum Beispiel die Leistung, Eingangs-drehzahl und Übersetzung des geplanten Getriebes, und das Programm berechnet, wie genau einzelne Bauteile auszusehen haben. Mit der Ausgabe können die Kon-strukteure direkt in einem Katalog nach-schlagen, welche Hersteller für die Liefe-rung oder einzelne Zulieferteile in Frage

kommen. Verschiedene Hilfefunktionen klären außerdem über die Normen auf, die den Berechnungen zu Grunde liegen.

Gründers Team – um die 60 Mitarbei-ter auf Bochum, Dresden und Donezk verteilt – erweitert MDESIGN permanent. Und zwar so, dass es keinen Supercom-puter braucht, um die komplizierten Be-rechnungen zu handhaben. Dabei profi-tiert der Unternehmer von seiner Koope-ration mit Prof. Dr. Michael Abramovici vom RUB-Lehrstuhl für Maschinenbauin-formatik (Info). Der Forscher entwickelte gemeinsam mit TEDATA eine on demand-Nutzung der MDESIGN-Software über das Internet. „Die Anwender mussten keine Softwarelizenzen kaufen. Sie konnten das Programm bei Bedarf nutzen und muss-ten nur diese tatsächliche Nutzung zah-len“, erklärt Prof. Abramovici.

Zurzeit arbeiten die beiden Kooperati-onspartner am nächsten Coup. Sie wollen die sogenannte Finite Elemente-Methode für jedermann anwendbar machen – zu-nächst für Standard-Komponenten, zum Beispiel in einer Windkraftanlage. Um die Belastung eines Bauteils zu berech-nen, abstrahiert man normalerweise seine Form. So können manche Konstruktions- elemente etwa vereinfacht als Balken dar-gestellt werden. Ist die Form eines Bau-teils aber beliebig und nicht durch ein ein-faches geometrisches Objekt zu abstra-hieren, wird die Berechnung schwierig. Dann versucht man, diese geometrische Form in viele einfache Elemente aufzutei-len (Abb. 5). Das ist eine Kunst, die nur Experten beherrschen – und Experte wird nur, wer sich mehrere Jahre mit der Finite Elemente-Methode auseinandersetzt. „So entstehen Gleichungssysteme mit 10 000 bis 100 000 Gleichungen, die miteinan-der in Beziehung stehen“, erklärt Michael Abramovici. „Wir versuchen in dem Pro-jekt, das gesamte Expertenwissen zu ver-stecken und für normale Produktentwick-ler anwendbar zu machen. Diese bekom-men nur eine Benutzungsoberfläche wie auf dem Smartphone – leicht verständlich und intuitiv –, und die ganze Diskretisie-rung in viele Elemente, bzw. die Berech-nung, läuft im Hintergrund.“

Wenn alles nach Plan geht, könnte das neue MDESIGN-Modul in einem Jahr in die Anwendung kommen. Neben der Ko-operation mit den Maschinenbauinforma-

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tikern engagiert sich Willi Gründer an vie-len Stellen: im Beirat der Akademie der RUB, in der Stiftung des Kulturwissen-schaftlichen Instituts und in der Industrie- und Handelskammer Mittleres Ruhrgebiet (IHK). Seit knapp 20 Jahren ist er Mitglied des Industrieausschusses, mehrere Wahl-perioden lang war er Mitglied der Vollver-sammlung, und – nominiert von der IHK – ist er seit 16 Jahren Handelsrichter am Landgericht Bochum.

„Es ist so viel zu tun“, resümiert er und meint damit auch MDESIGN: „Wir belie-fern heute vielleicht 20 Prozent unseres Marktpotenzials. Allein im deutschspra-chigen Raum gibt es 15 000 potenzielle An-wender für unsere Systeme.“ Wenn die Fi-nite Elemente-Methode in MDESIGN im-plantiert ist, dürften einige neue Interes-senten hinzukommen. jwe

Weitere Infos: www.tedata.de

Abb. 5: Finite Elemente-Methode: Ein Bauteil – hier eine Muffe (links) – wird für die Berechnung in viele einfache Elemente zerlegt, die in der Darstellung durch schwarze Linien voneinander getrennt sind (rechts oben). Die Farbcodierung gibt die Dehnung in dem Bauteil an. Rote Bereiche sind am stärksten beansprucht, blaue Bereiche am wenigsten. Um die Berechnung schneller zu machen, wird die dreidimensionale Form in eine zweidimensionale Form abstrahiert (rechts unten).

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