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Z. Lebensm. Unters.-Forsch. 162, 37~40 (1976) Zeitschrift for Lebensmittel- Untersuchung und-Forschung @ by J. F. Bergmann-Verlag 1976 Acetosulfam, ein neuer Siiflstoff 1. Herstellung und Eigenschaften Karl ClauB, Erich Ltick und Gert-Wolfhard von Rymon Lipinski Hoechst Aktiengesellschaft, Postfach 800 320, D-6230 Frankfurt (Main) 80 Acetosnlfam, a New Sweetener. 1. Synthesis and Properties Summary. A survey is given of synthesis, chemical and physical properties, and hydrolytic stability of the new sweetener Acetosulfam (3,4-Dihydro-6- methyl-l,2,3-oxathiazin-4-one-2,2 dioxide potassium salt) Zusammenfassung. Es wird ein Uberblick gegeben tiber Synthesen, chemische und physikalische Eigenschaften und Hydrolysestabilit~it des neuen SfiBstoffes Acetosulfam (Kaliumsalz des 3,4-Dihydro-6-methyl- 1,2,3-oxathiazin-4-on-2,2- dioxids). Einleitung Die bedeutendsten StiBstoffe sind nach wie vor Saccharin und in der Bundesrepublik Deutschland auch Cyclamat. Nachdem beide seit einigen Jahren in dem Verdacht stehen, physiologisch nicht unbedenklich zu sein, setzte weltweit eine intensive Suche nach neuen SfiBstoffen ein. Von den vielen diskutierten Verbindungen war Aspartame (L-Aspartyl-u-phenylalaninmethylester) in den USA vor- tibergehend fiir die SiiBung einiger Lebensmittel zugelassen. Eine weitere, besonders interessante Gruppe yon neuen potentiellen Stil3stoffenfiir Lebensmittel, Arzneimittel, Futtermittel, pharmazeuti- sche und kosmetische Produkte sind von Claug u. Jensen [1] synthetisierte Oxathiazinonderivate. Unter ihnen zeichnet sich Acetosulfam (vorl~iufige Bezeichnung) dnrch besonders giinstige Eigenschaf- ten aus. Synthese yon Acetosulfam Acetosulfam.ist das 3,4-Dihydro-6-methyl-l,2,3-oxathiazin-4-on-2,2-dioxid-Kaliumsalz, Formal be- trachtet ist Acetosulfam also ein Derivat der Acetessigs~iure. In 5- und 6-Stellung anders substituierte Dihydrooxathiazinondioxidefallen hinsichtlich ihrer organoleptischen Eigenschaften oder in der StiB- kraft gegentiber Acetosulfam ab, teilweise sind sie kaum noch siiB. Zur Synthese von Dihydrooxathiazinondioxiden kann man yon Acetessigs~iure-tert.-butylester und Halogensulfonylisocyanaten ausgehen. Die entsprechenden c~-(N-Halogensulfonylcarbamoyl-acet- essigs~iure-tert.-butylester spalten bei l~ingerem Stehen oder rascher beim Erw~ir.menCOz und Isobu- ten ab und gehen mit guter Ausbeute in die entsprechenden N-Halogensulfonylacetessigs~iureamide

Acetosulfam, ein neuer Süßstoff

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Page 1: Acetosulfam, ein neuer Süßstoff

Z. Lebensm. Unters.-Forsch. 162, 37~40 (1976)

Zeitschrift for

Lebensmittel- Untersuchung

und-Forschung @ by J. F. Bergmann-Verlag 1976

Acetosulfam, ein neuer Siiflstoff

1. Herstellung und Eigenschaften

K a r l ClauB, Er ich Lt ick u n d G e r t - W o l f h a r d v o n R y m o n L ip in sk i

Hoechst Aktiengesellschaft, Postfach 800 320, D-6230 Frankfurt (Main) 80

Acetosnlfam, a New Sweetener. 1. Synthesis and Properties

Summary. A survey is g iven of synthesis , chemica l a n d phys ica l proper t ies , a n d hyd ro ly t i c s tab i l i ty of the n e w sweetener A c e t o s u l f a m (3 ,4-Dihydro-6- me thy l - l , 2 , 3 -o x a t h i az i n -4 -o n e -2 ,2 d iox ide p o t a s s i u m salt)

Zusammenfassung. Es wi rd ein U b e r b l i c k gegeben t iber Synthesen , chemische u n d phys ika l i sche E igenschaf ten u n d Hydrolyses tabi l i t~ i t des n e u e n SfiBstoffes A c e t o s u l f a m ( K a l i u m s a l z des 3 ,4 -Dihyd ro -6 -me thy l - 1 ,2 ,3-oxathiaz in-4-on-2 ,2- dioxids).

Einleitung

Die bedeutendsten StiBstoffe sind nach wie vor Saccharin und in der Bundesrepublik Deutschland auch Cyclamat. Nachdem beide seit einigen Jahren in dem Verdacht stehen, physiologisch nicht unbedenklich zu sein, setzte weltweit eine intensive Suche nach neuen SfiBstoffen ein. Von den vielen diskutierten Verbindungen war Aspartame (L-Aspartyl-u-phenylalaninmethylester) in den USA vor- tibergehend fiir die SiiBung einiger Lebensmittel zugelassen. Eine weitere, besonders interessante Gruppe yon neuen potentiellen Stil3stoffen fiir Lebensmittel, Arzneimittel, Futtermittel, pharmazeuti- sche und kosmetische Produkte sind von Claug u. Jensen [1] synthetisierte Oxathiazinonderivate. Unter ihnen zeichnet sich Acetosulfam (vorl~iufige Bezeichnung) dnrch besonders giinstige Eigenschaf- ten aus.

Synthese yon Acetosulfam

Acetosulfam.ist das 3,4-Dihydro-6-methyl-l,2,3-oxathiazin-4-on-2,2-dioxid-Kaliumsalz, Formal be- trachtet ist Acetosulfam also ein Derivat der Acetessigs~iure. In 5- und 6-Stellung anders substituierte Dihydrooxathiazinondioxide fallen hinsichtlich ihrer organoleptischen Eigenschaften oder in der StiB- kraft gegentiber Acetosulfam ab, teilweise sind sie kaum noch siiB.

Zur Synthese von Dihydrooxathiazinondioxiden kann man yon Acetessigs~iure-tert.-butylester und Halogensulfonylisocyanaten ausgehen. Die entsprechenden c~-(N-Halogensulfonylcarbamoyl-acet- essigs~iure-tert.-butylester spalten bei l~ingerem Stehen oder rascher beim Erw~ir.men COz und Isobu- ten ab und gehen mit guter Ausbeute in die entsprechenden N-Halogensulfonylacetessigs~iureamide

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38 o

(CH3) 3 C-- O - - / ~ /•H3 ~O +O'C = N--SO2X

0

C--O--/ CH 3 (CH3)3 ~ ~ _ _ / Erw,rmen __

o

~NH-SO2X

CH

o / - - k o ~NH-SO2X

Basen -MX

r

H3

SO 2

X: Halogen, M: K(Na,.~ Ca,H)

fiber. In Gegenwart von Basen cyclisieren diese unter Abspaltung von Halogenwasserstoff zum Oxa- thiazinonring.

Das freie 6-Methyloxathiazinondioxid besitzt die Acidit~it von Minerals~iuren. Der pH-Wert einer 0,1 m-L6sung betr~igt 1,15. Als Sfil3stoff kommen deshalb Alkali- oder Erdalkalisalze in Betracht, die sich in Wasser mit neutraler Reaktion 16sen. Unter diesen Salzen weist das Acetosulfam~ das Kalium- salz, einen besonders grogen Temperaturgradienten der L6slichkeit auf. Es ist deshalb leicht dutch Umkristallisation in einer Reinheit von mehr als 99% zu gewinnen. In derartigen Pr~iparaten liegt der Schwermetallgehalt deutlich unter 10 ppm und damit welt niedriger als die heute bei Lebensmittelzu- satzstoffen tolerierbare Grenze.

CH

/ - - \ 0 ,, 0

N S ®

K

Acetosulfom, Molmasse 201,2

Eigenschaften yon Acetosulfam

Acetosulfam P~illt in Form farbloser, monokliner Kristalle der Dichte 1,83 g/cm 3 an. Eine R6ntgenstrukturanalyse ergab die Raumgruppe P 21/c. Der Sechsring des Molektils ist weitgehend eingeebnet. Die Bindungen zwischen den Heteroato- men sind ktirzer als sich rechnerisch aus der Summe der Einfachbindungsradien ergibt [2].

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160

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1 20 40 60 80 100 120 "C 2 20 40 60 80 100 Vo[ °/. ;~thanol

Abb. 1. L6slichkeit des Acetosulfams in Wasser in Abh~ingigkeit yon der Temperatur

Abb. 2. L6slichkeit des Acetosulfams in Athanol-Wasser-Mischungen bei Raumtemperatur

Tabelle 1. L/Sslichkeit von Acetosulfam in organischen L~Ssungsmitteln L/Ssungsmittel L6slichkeit in g/100 ml

Lbsungsmittel

bei 20 °C am Siedepunkt des L/~sungs- mittels

Methanol 1,0 Xthanol 0,4 Aceton 0,08 Ameisens~iure > 60 Eisessig ca.13 Dimethylformamid ca. 15 Dimethylsulfoxid > 30 Dioxan 0,5 Tetrahydrofuran 0,5 Acetonitril 0,5 Nitromethan 0,5

2,4 1,3 0,16

Der Schmelzpunkt yon Acetosulfam liegt bei etwa 250 ° C, derjenige der freien S~iure bei 123,5 ° C. Acetosulfam ist nicht wasserdampffliichtig und nicht hygro- skopisch.

Acetosulfam 16st sich in Wasser sehr leicht, die L6slichkeit steigt mit zuneh- mender Temperatur stark an (Abb. 1). Auch in Athanol-Wasser-Gemischen mit geringem Athanolgehalt 16st sich Acetosulfam gut (Abb. 2). (]Jber die L6slichkeit in organischen L6sungsmitteln gibt Tab. 1 Auskunft. Ein IR-Spektrum zeigt Abb. 3. Im UV-Bereich weist Acetosulfam ein Absorptionsmaximum bei 227 nm auf (s = 10 900).

Von besonderem Interesse ist die Stabilit~it eines SiiBstoffes, da mit ihm ge- stil3te Produkte in vielen F~illen nicht sofort verbraucht werden. In w~iBrigen L6sungen ist ein Zerfall durch Hydrolyse m6glich, der nicht nut vonder Tempe- ratur, sondern auch vom pH-Wert des Mediums abh~ingt. Zur Prtifung der Hy- drolysestabilit~it yon Acetosulfam wurden Lagerversuche mit gepufferten L6sun- gen verschiedener pH-Werte bei Temperaturen bis zu 40 ° C durchgefiihrt. Der

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lOO

,g 36a :O

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2O

Monate 100%~...~ 2 3, 4pH3.5_ 8

+° t 70 pH 2.5

°/o Acetosulfam

Monate ! 2 3 4, pH 3,5_ 8 10~.

4 6 8 10 12 14 90 tJ Zimmertempergt ~ pH 2 ' S u r 3 Wellenl~nge (,u) 4 80 I (ira Mitre/25°C)

% Acetosulfom

Abb. 3, IR-Spektrum des Acetosulfams (Ger~it: Perkin-Elmer Infracord 157, KBr-Pressling)

Abb. 4. Abbau des Acetosulfams in gepufferten wiil3rigen L6sungen bei l~ingerer Lagerung

Abbau wurde spektralphotometrisch verfolgt. Uber die Ergebnisse gibt Abb. 4 Aufschlul3. Sie zeigt, dab bei der Lagerung von L6sungen Acetosulfam in dem fiir Lebensmittel relevanten Temperatur-, pH- und Zeitbereich als weitgehend stabil anzusehen ist. Hydrolyse mit merklicher Geschwindigkeit tritt nur unterhalb yon pH 2 und im stark alkalischen Bereich ein, also nut unter extremen Bedingungen.

Acetosulfam ist dariiber hinaus sterilisierbar. Es iibersteht einstiindiges Erhit- zen in w~iBrigen L/Ssungen bei pH 4 auf 120 ° C ohne nachweisbaren Abbau. Auch eine anschliel3ende Lagerung der sterilisierten L/Ssung tiber einen Zeitraum yon einem Monat bei 40 ° C ftihrt nicht zu einer nachweisbaren Hydrolyse. W~ihrend der Lagerzeit tritt auch kein Abfall der SiiBkraft ein. Acetosulfam steht damit im Gegensatz zu Saccharin, das unter den gleichen Lagerungsbedingungen etwas abgebaut wird.

Die akute Toxicit~it des Acetosulfams an der Ratte wurde zu ca. 7,4 g/kg K/Srpergewicht bestimmt, langfristige Tierversuche sind im Gange. In der Stig- kraft iibertrifft Acetosulfam das Cyclamat wesentlich, die Siil3kraft yon Acetosul- ram ist aber geringer als die yon Saccharin. Llber Einzelheiten wird in einer der folgenden Mitteilungen berichtet werden.

Literatur

1. ClauB, K., Jensen, H.: Oxathiazinondioxide, eine neue Gruppe yon Siil3stoffen. Angew. Chemie 85, 965--973 (1973) und Angew. Chemie Internat. Edit. 12, 869--876 (1973)

2. Paulus, E.F.: 6-Methyl-l,2,3-oxathiazin-4(3 K)-on-2,2-dioxid. Acta Cryst. B 31, 1191--1193 (1975)

Eingegangen am 21. Mfirz 1976