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11 GrenzEcho Montag, 23. November 2020 EIFEL · ARDENNEN 11 l ST .VITH VON GERD HENNEN Die beiden bisherigen Ausgra- bungen, die seit Juni durchge- führt wurden, lieferten aus Sicht der Historiker und Ar- chäologen „atemberaubende Ergebnisse“. So sprach Dr. Wolfgang Messerschmidt, der als wissenschaftlicher Leiter der Firma Goldschmidt im Auftrag des archäologischen Dienstes der DG die Ausgra- bungen leitete, in seinem Be- richt von einem „historisch- archäologischen Jackpot“. BI- Burg-Sprecherin Anny Hen- kes-Mathey unterstreicht in diesem Zusammenhang die große Resonanz der Ausgra- bungsarbeiten bei der lokalen Bevölkerung. „Nicht nur Ein- heimische haben ihre Unter- stützung zugesichert, sondern es gab Feedback aus dem In- und Ausland, darunter von ausgewiesenen Fachleuten. Das zeigt uns, dass wir für den Erhalt und die Konservierung dieser Funde eintreten müs- sen.“ Wichtiger Bestandteil eines interessanten historischen Rätsels Auch ZVS-Ehrenpräsident Klaus-Dieter Klauser sprach von einem äußerst interessan- ten historischen Rätsel, da die Fundstücke ins 12. oder 13. Jahrhundert datiert werden: „Eine Befestigung der Stadt St.Vith oder auch Hinweise darauf in Urkunden der dama- ligen Herrscher sind nicht be- kannt. Wir tappen geschicht- lich also völlig im Dunkeln und hoffen, dass weitere For- schungen und Ausgrabungen neue historische Erkenntnisse liefern.“ In diesem Zusammenhang verwies Anny Henkes-Mathey auch auf die Tatsache, dass viele Anrainer bereits ihre Be- reitschaft erklärt haben, die je- weiligen Ausgrabungen auf ih- rem privatem Gelände zu er- lauben. „Das ist doch ein wich- tiges Indiz dafür, dass die Geschichte den Menschen hier in St.Vith am Herzen liegt.“ Auch Bürgermeister Herbert Grommes und Schöf- fe Roland Gilson fanden für den sachlichen und fachlich fundierten Einsatz der Bürger- initiative nur lobende Worte. „Die BI-Burg hat gezeigt, dass die Menschen die St.Vither Burg erhalten möchten. Wir nehmen diesen Auftrag als po- litisch Verantwortliche gerne an und werden uns für den Schutz und den Erhalt einset- zen“, erklärte Herbert Grom- mes. So hat die Stadt St.Vith am 19. November einen Antrag zur vorläufigen Unterschutz- stellung ans Ministerium ge- stellt. Der Antrag beinhaltet Berichte von Fachleuten und den Besitzern sowie eine von der Stadt formulierte Begrün- dung. „Das ist das normale Prozedere. Der Ball liegt jetzt bei der DG, die mit ihren Gre- mien, darunter die Königliche Denkmalschutzkommission, über die weiteren Schritte ent- scheiden muss“, so Schöffe Ro- land Gilson. Das Kollegium zeigte sich auch offen für den Wunsch der Bürgerinitiative, eine „Arbeitsgruppe Burg“ zu bilden. „Wir möchten diesen Vorschlag den drei Fraktionen unserer Kulturkommission zur Beratung und Ausarbei- tung aller Modalitäten vorle- gen. Unser Ziel ist es, das Pro- jekt auf ein breites, auf Sach- lichkeit, Professionalität und fachlichem Wissen beruhen- des Fundament aufzustellen“, so Roland Gilson weiter. Die- sen Wunsch nach Kooperation in allen Belangen unterstrich auch Anny Henkes-Mathey: „Wir wollen fortan miteinan- der im Dienste des Burg-Pro- jekts unterwegs sein.“ Lorenz Paasch: „Es ist utopisch, die Funde in ein privates Immobilienprojekt zu integrieren.“ BI-Burg-Mitstreiter Lorenz Paasch erklärte die weitere ad- ministrative Vorgehensweise, die zunächst einen Erlass der DG-Regierung zur „vorläufi- gen Unterschutzstellung“ be- inhalten müsse. „Erst mit die- sem Erlass kann das Areal ge- schützt und das geltende Ei- gentumsrecht eingeschränkt werden.“ Während dieser Pha- se seien jegliche Bautätigkei- ten einzustellen und eine drit- te Ausgrabung beziehungs- weise eine eventuelle Fortset- zung der bisherigen archäologischen Arbeit könne in Angriff genommen werden. Ziel müsse es aber sein, eine endgültige, dekretale Unter- schutzstellung des Burgareals zu erwirken. Den in dieser Zei- tung geäußerten Plänen des Immobilienentwicklers Eiffa- ge Development, die archäolo- gischen Funde ähnlich wie auf der Place St.Lambert in Lüttich in den Bau des an dieser Stelle geplanten Appartementge- bäudes einzubinden, erteilte Lorenz Paasch aus Gründen der Logik eine klare Absage: „Dieser Vorschlag ist völlig utopisch, da es sich bei diesem Projekt ja nicht um öffentli- ches Eigentum handelt. Wie soll denn eine Tiefgarage im Privatbesitz von insgesamt 33 Parteien für die Öffentlichkeit zugänglich bleiben?“ Des Weiteren verweist der Historiker und frühere St.Vi- ther Schöffe auf die Bedeu- tung der Funde für die Stadt St.Vith und den gesamten Sü- den der DG. Hier könne Ge- schichte teilweise neu ge- schrieben werden, so Paasch. „Im Gegensatz zu Eupen, wo es 89 solcher Gebäude gibt, hat die Stadt St.Vith mit dem Büchelturm nur ein einziges denkmalgeschütztes Objekt. Die Gemeinschaft ist somit gefordert, dieses neu entdeck- te Kulturerbe zu schützen und der Nachwelt zu erhalten“, be- kräftigte Lorenz Paasch. Der Promoter habe zudem am 18. November einen An- trag auf die Abtragung und Entsorgung von verschmutz- ter Erde gestellt, was von vie- len als gefährliches Indiz und als direkter Widerspruch zu den in der Presse geäußerten „Integrationsplänen“ bewertet wird. „Es handelt sich um ein ganz normales Genehmigungsver- fahren, bei dem jeder Bürger im Rathaus bis zum 14. De- zember noch seine Einwände und Beschwerden einreichen kann. Das Gemeindekollegi- um hat dann ein Gutachten abzugeben, während die Wal- lonische Region als Entschei- dungsinstanz fungiert“, so Bürgermeister Herbert Grom- mes. BI Burg will gemeinsam mit der Stadt ein schlüssiges Konzept entwickeln. Anny Henkes-Mathey bat in- des die politischen Akteure, nicht auf Zeit spielen zu wol- len, da aktuell eine ordentli- che Baugenehmigung vorliege und somit der Moment für taktische Spielchen verwirkt sei. „Die zuständigen Gremien und Instanzen müssen zeit- nah Stellung beziehen und Verantwortung übernehmen, um gemeinsam mit der Stadt St.Vith ein schlüssiges Kon- zept zur Rettung und Unter- schutzstellung der Burg zu er- möglichen. Der Erlass zur vor- läufigen Unterschutzstellung ist der erste wichtige Schritt in die richtige Richtung, zumal der Promoter im März bereits mit dem Bau der Wohnresi- denz beginnen möchte“, warn- te Anny Henkes-Mathey ab- schließend. In den kommenden Wochen und Monaten muss nun das zuständige Ministerium bzw. Denkmalschutzministerin Isa- belle Weykmans (PFF) über die weiteren Schritte entscheiden. Petition: 2.822 Unterschriften für den Erhalt der mittelalterlichen Ausgrabungsstätte Burg St.Vith - Vorläufige Unterschutzstellung beantragt Die im Juni dieses Jahres begonnenen archäologi- schen Ausgrabungsarbei- ten im Bereich der frühe- ren St.Vither Burg haben Erstaunliches zutage ge- fördert. Am vergangenen Freitagabend überreichten Vertreter der Bürgerinitia- tive Burg (BI-Burg) St.Vith Bürgermeister Herbert Grommes und Schöffe Roland Gilson eine von 2.822 Bürgern unter- schriebene Petition zum Erhalt und Schutz dieses einmaligen Kulturerbes. Diese beeindruckende Luftaufnahme zeigt das vorläufige Ergebnis der archäologischen Grabungen auf dem Areal der früheren Burg, dem einstigen Herrschaftssitz in der mittelalterlichen Stadt St.Vith. Foto: Michael Leufgen/mikavision „Der Ball liegt jetzt bei der DG-Regierung“ Symbolischer Akt: Die Vertreter der Bürgerinitiative (BI) Burg St.Vith (v.r. Klaus-Dieter Klauser, Lorenz Paasch und Anny Henkes-Mathey) überreichen Bürgermeister Herbert Grommes (2.v.l.) und Schöffe Roland Gilson (links) eine Petition mit 2.822 Unterschriften zur Unterschutzstellung der jüngst freigelegten Mauerreste der früheren Burg. Foto: Gerd Hennen

„Der Ball liegt jetzt bei der DG-Regierung“ren St.Vither Burg haben Erstaunliches zutage ge-fördert. Am vergangenen Freitagabend überreichten Vertreter der Bürgerinitia-tive

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Page 1: „Der Ball liegt jetzt bei der DG-Regierung“ren St.Vither Burg haben Erstaunliches zutage ge-fördert. Am vergangenen Freitagabend überreichten Vertreter der Bürgerinitia-tive

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GrenzEchoMontag, 23. November 2020 EIFEL · ARDENNEN 11

● ST.VITH

VON GERD HENNEN

Die beiden bisherigen Ausgra-bungen, die seit Juni durchge-führt wurden, lieferten ausSicht der Historiker und Ar-chäologen „atemberaubendeErgebnisse“. So sprach Dr.Wolfgang Messerschmidt, derals wissenschaftlicher Leiterder Firma Goldschmidt imAuftrag des archäologischenDienstes der DG die Ausgra-bungen leitete, in seinem Be-richt von einem „historisch-archäologischen Jackpot“. BI-Burg-Sprecherin Anny Hen-kes-Mathey unterstreicht indiesem Zusammenhang diegroße Resonanz der Ausgra-bungsarbeiten bei der lokalenBevölkerung. „Nicht nur Ein-heimische haben ihre Unter-stützung zugesichert, sondernes gab Feedback aus dem In-und Ausland, darunter vonausgewiesenen Fachleuten.Das zeigt uns, dass wir für denErhalt und die Konservierungdieser Funde eintreten müs-sen.“

Wichtiger Bestandteileines interessantenhistorischen Rätsels

Auch ZVS-EhrenpräsidentKlaus-Dieter Klauser sprachvon einem äußerst interessan-ten historischen Rätsel, da dieFundstücke ins 12. oder 13.Jahrhundert datiert werden:„Eine Befestigung der StadtSt.Vith oder auch Hinweisedarauf in Urkunden der dama-ligen Herrscher sind nicht be-kannt. Wir tappen geschicht-lich also völlig im Dunkelnund hoffen, dass weitere For-schungen und Ausgrabungenneue historische Erkenntnisseliefern.“

In diesem Zusammenhangverwies Anny Henkes-Matheyauch auf die Tatsache, dassviele Anrainer bereits ihre Be-reitschaft erklärt haben, die je-weiligen Ausgrabungen auf ih-rem privatem Gelände zu er-lauben. „Das ist doch ein wich-tiges Indiz dafür, dass dieGeschichte den Menschenhier in St.Vith am Herzenliegt.“ Auch BürgermeisterHerbert Grommes und Schöf-fe Roland Gilson fanden fürden sachlichen und fachlichfundierten Einsatz der Bürger-initiative nur lobende Worte.„Die BI-Burg hat gezeigt, dassdie Menschen die St.VitherBurg erhalten möchten. Wirnehmen diesen Auftrag als po-litisch Verantwortliche gernean und werden uns für denSchutz und den Erhalt einset-zen“, erklärte Herbert Grom-mes.

So hat die Stadt St.Vith am19. November einen Antragzur vorläufigen Unterschutz-stellung ans Ministerium ge-

stellt. Der Antrag beinhaltetBerichte von Fachleuten undden Besitzern sowie eine vonder Stadt formulierte Begrün-dung. „Das ist das normaleProzedere. Der Ball liegt jetztbei der DG, die mit ihren Gre-mien, darunter die KöniglicheDenkmalschutzkommission,über die weiteren Schritte ent-scheiden muss“, so Schöffe Ro-land Gilson. Das Kollegiumzeigte sich auch offen für denWunsch der Bürgerinitiative,eine „Arbeitsgruppe Burg“ zubilden. „Wir möchten diesenVorschlag den drei Fraktionenunserer Kulturkommissionzur Beratung und Ausarbei-tung aller Modalitäten vorle-gen. Unser Ziel ist es, das Pro-jekt auf ein breites, auf Sach-lichkeit, Professionalität undfachlichem Wissen beruhen-des Fundament aufzustellen“,so Roland Gilson weiter. Die-

sen Wunsch nach Kooperationin allen Belangen unterstrichauch Anny Henkes-Mathey:„Wir wollen fortan miteinan-der im Dienste des Burg-Pro-jekts unterwegs sein.“

Lorenz Paasch: „Es ist utopisch, dieFunde in ein privatesImmobilienprojekt zuintegrieren.“

BI-Burg-Mitstreiter LorenzPaasch erklärte die weitere ad-ministrative Vorgehensweise,die zunächst einen Erlass derDG-Regierung zur „vorläufi-gen Unterschutzstellung“ be-inhalten müsse. „Erst mit die-sem Erlass kann das Areal ge-schützt und das geltende Ei-gentumsrecht eingeschränkt

werden.“ Während dieser Pha-se seien jegliche Bautätigkei-ten einzustellen und eine drit-te Ausgrabung beziehungs-weise eine eventuelle Fortset-zung der bisherigenarchäologischen Arbeit könnein Angriff genommen werden.Ziel müsse es aber sein, eineendgültige, dekretale Unter-schutzstellung des Burgarealszu erwirken. Den in dieser Zei-tung geäußerten Plänen desImmobilienentwicklers Eiffa-ge Development, die archäolo-gischen Funde ähnlich wie aufder Place St.Lambert in Lüttichin den Bau des an dieser Stellegeplanten Appartementge-bäudes einzubinden, erteilteLorenz Paasch aus Gründender Logik eine klare Absage:„Dieser Vorschlag ist völligutopisch, da es sich bei diesemProjekt ja nicht um öffentli-ches Eigentum handelt. Wie

soll denn eine Tiefgarage imPrivatbesitz von insgesamt 33Parteien für die Öffentlichkeitzugänglich bleiben?“

Des Weiteren verweist derHistoriker und frühere St.Vi-ther Schöffe auf die Bedeu-tung der Funde für die StadtSt.Vith und den gesamten Sü-den der DG. Hier könne Ge-schichte teilweise neu ge-schrieben werden, so Paasch.„Im Gegensatz zu Eupen, woes 89 solcher Gebäude gibt,hat die Stadt St.Vith mit demBüchelturm nur ein einzigesdenkmalgeschütztes Objekt.Die Gemeinschaft ist somitgefordert, dieses neu entdeck-te Kulturerbe zu schützen undder Nachwelt zu erhalten“, be-kräftigte Lorenz Paasch.

Der Promoter habe zudemam 18. November einen An-trag auf die Abtragung undEntsorgung von verschmutz-

ter Erde gestellt, was von vie-len als gefährliches Indiz undals direkter Widerspruch zuden in der Presse geäußerten„Integrationsplänen“ bewertetwird.

„Es handelt sich um ein ganznormales Genehmigungsver-fahren, bei dem jeder Bürgerim Rathaus bis zum 14. De-zember noch seine Einwändeund Beschwerden einreichenkann. Das Gemeindekollegi-um hat dann ein Gutachtenabzugeben, während die Wal-lonische Region als Entschei-dungsinstanz fungiert“, soBürgermeister Herbert Grom-mes.

BI Burg will gemeinsammit der Stadt einschlüssiges Konzeptentwickeln.

Anny Henkes-Mathey bat in-des die politischen Akteure,nicht auf Zeit spielen zu wol-len, da aktuell eine ordentli-che Baugenehmigung vorliegeund somit der Moment fürtaktische Spielchen verwirktsei. „Die zuständigen Gremienund Instanzen müssen zeit-nah Stellung beziehen undVerantwortung übernehmen,um gemeinsam mit der StadtSt.Vith ein schlüssiges Kon-zept zur Rettung und Unter-schutzstellung der Burg zu er-möglichen. Der Erlass zur vor-läufigen Unterschutzstellungist der erste wichtige Schritt indie richtige Richtung, zumalder Promoter im März bereitsmit dem Bau der Wohnresi-denz beginnen möchte“, warn-te Anny Henkes-Mathey ab-schließend.

In den kommenden Wochenund Monaten muss nun daszuständige Ministerium bzw.Denkmalschutzministerin Isa-belle Weykmans (PFF) über dieweiteren Schritte entscheiden.

Petition: 2.822 Unterschriften für den Erhalt der mittelalterlichen Ausgrabungsstätte Burg St.Vith - Vorläufige Unterschutzstellung beantragt

Die im Juni dieses Jahresbegonnenen archäologi-schen Ausgrabungsarbei-ten im Bereich der frühe-ren St.Vither Burg habenErstaunliches zutage ge-fördert. Am vergangenenFreitagabend überreichtenVertreter der Bürgerinitia-tive Burg (BI-Burg) St.VithBürgermeister HerbertGrommes und SchöffeRoland Gilson eine von2.822 Bürgern unter-schriebene Petition zumErhalt und Schutz dieseseinmaligen Kulturerbes.

Diese beeindruckende Luftaufnahme zeigt das vorläufige Ergebnis der archäologischen Grabungen auf dem Areal der früheren Burg, dem einstigen Herrschaftssitz inder mittelalterlichen Stadt St.Vith. Foto: Michael Leufgen/mikavision

„Der Ball liegt jetzt bei der DG-Regierung“

Symbolischer Akt: Die Vertreter der Bürgerinitiative (BI) Burg St.Vith (v.r. Klaus-Dieter Klauser, Lorenz Paasch und AnnyHenkes-Mathey) überreichen Bürgermeister Herbert Grommes (2.v.l.) und Schöffe Roland Gilson (links) eine Petition mit 2.822Unterschriften zur Unterschutzstellung der jüngst freigelegten Mauerreste der früheren Burg. Foto: Gerd Hennen