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Geheimhaltung und Transparenz Demokratische Kontrolle der Geheimdienste im internationalen Vergleich Eine Kooperationstagung vom 26.-28. März 2004 der Evangelischen Akademie zu Berlin, des Gesprächskreises Nachrichtendienste in Deutschland (GKND e.V.), des AK Geschichte der Nachrichtendienste e.V. und der Bundeszentrale für Politische Bildung Umweltforum Berlin Auferstehungskirche „Die Kontrolle der Auslandsnachrichtendienste in einigen ausgewählten Staaten“ Stefanie Waske Arbeitspapier

„Die Kontrolle der Auslandsnachrichtendienste in einigen ... · den Präsidenten des BND.9 Udo Ulfkotte äußert sich zu diesem Punkt: „Wichtigste Grundlage für die Arbeit der

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Geheimhaltung und Transparenz Demokratische Kontrolle der Geheimdienste im internationalen Vergleich

Eine Kooperationstagung vom 26.-28. März 2004

der Evangelischen Akademie zu Berlin, des Gesprächskreises Nachrichtendienste in Deutschland (GKND e.V.),

des AK Geschichte der Nachrichtendienste e.V. und der Bundeszentrale für Politische Bildung

Umweltforum Berlin Auferstehungskirche

„Die Kontrolle der Auslandsnachrichtendienste

in einigen ausgewählten Staaten“

Stefanie Waske

Arbeitspapier

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort Seite 3

• Deutschland Seite 4 - 12

• Großbritannien Seite 13 - 17

• Israel Seite 18 - 21

• Kanada Seite 22 - 26

• Niederlande Seite 27 - 30

• Rumänien Seite 31 - 34

• Russland Seite 35 - 39

• Spanien Seite 40 - 43

• Tschechien Seite 44 - 46

• Ukraine Seite 47 – 50

• USA Seite 51 - 59

Impressum Seite 59

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Vorwort Zu diesem Papier Freiheitliche Demokratien leben von der Transparenz ihres staatlichen Wirkens, aber ihre geheimen Nachrichtendienste geben in der Regel ihre genaue Struktur, ihren Personalbestand und ihre detaillierten Finanzhaushalte nicht bekannt. Auch die Prozeduren der parlamentarischen Kontrolle werden nicht im Einzelnen öffentlich gemacht. Deshalb kann die nachfolgende Übersicht nur einen unvollständigen Einblick in Strukturen und Praktiken geben. Sie wurde als Arbeitspapier für die Konferenzteilnehmer zusammengestellt. Ihr Schwerpunkt liegt auf den Auslandsnachrichtendiensten, weil sich die Institutionen und Praktiken der Inneren Sicherheit von Staat zu Staat zu sehr von einander unterscheiden; sie lassen sich nicht in ein knappes Schema pressen. Schon die Unterscheidung zwischen den Behörden der Strafverfolgung und den genuinen Inlandsnachrichtendiensten ist schwer zu treffen. Entsprechend kompliziert ist das System der demokratischen Kontrolle, die ja viel mehr als die Kontrolle durch die Parlamente umfasst. (Man denke nur an die Bundesrepublik Deutschland mit ihren 17 Verfassungen, Regierungen und Parlamenten und ihrem komplizierten System von einzel- und bundesstaatlichen Zuständigkeiten für die Innere Sicherheit!) Berücksichtigt wurde nur eine Auswahl von Staaten, vorwiegend solche, die auf der Konferenz in einem Referat zur Darstellung kommen. Die Verfasserin ist dankbar für Hinweise auf sachliche Fehler und Ergänzungen. Stefanie Waske schreibt momentan ihre Promotion zum Thema „Die parlamentarische Kontrolle des Bundesnachrichtendienstes: Entwicklung, Analyse, Kritik“ an der Universität Marburg im Fachbereich „Neuere Geschichte“ in Kooperation mit dem Institut für Politikwissenschaft. Die Arbeit wird betreut von Prof. Dr. Wolfgang Krieger.

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Deutschland 1. Allgemeines a) Welche Dienste existieren im Land? (Name und Gründungsjahr) In Deutschland gibt es keine Trennung zwischen militärischer und ziviler Auslandsspionage, beides vereinigt der Bundesnachrichtendienst (BND, Gründungsjahr 1956). Für die Inlandsaufklärung ist das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV, seit 1951) zuständig, welches jedoch stark föderal organisiert ist – d.h. die Haupttätigkeit erfolgt in den jeweiligen Landesämtern. Die Spionageabwehr der Bundeswehr fällt dem Militärischen Abschirmdienst (MAD, seit 1956) zu. 2. Der Auslandsnachrichtendienst a) Welchen Aufgabenbereich besitzt er? „Der Bundesnachrichtendienst sammelt zur Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind, die erforderlichen Informationen und wertet sie aus.“1

Gesetz über den Bundesnachrichtendienst (BND-Gesetz), vom 20. Dezember 1990 b) Welchem Regierungsorgan ist er unterstellt? Der Bundesnachrichtendienst untersteht dem Chef des Bundeskanzleramtes. c) Gibt es eine gesetzliche Grundlage? Wenn ja, welche? Erst durch das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichtes von 1983 wurde ein Gesetz über den BND unumgänglich. Es ist Teil „des Gesetzes zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes“. Denn das Gericht forderte, die Datenverarbeitung und Speicherung von personenbezogenen Daten müsse für den Bürger klar ersichtlich geregelt sein. Auf diese Weise fand der BND am 20.12.1990 zum ersten Mal eine formalgesetzliche Legitimation durch ein eigenes Bundesgesetz.2

Das Gesetz klärt, dass es sich beim BND um eine Bundesbehörde im Geschäftsbereich des Chefs des Bundeskanzleramtes handelt. Er darf keiner polizeilichen Dienststelle angegliedert sein und sammelt Erkenntnisse über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind und wertet sie aus. Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse stehen dem BND nicht zu. Eine Verhältnismäßigkeitsklausel für das Vorgehen ist mit §2 (4) eingefügt worden.

Die geheimen nachrichtendienstlichen Mittel werden mit Verweis auf das Bundesverfassungsschutzgesetz klassifiziert, das u. a. nennt: Einsatz von V-Leuten, Tonbandaufzeichnungen, Tarnpapiere usw. Die Paragraphen 4 bis 6 setzen sich mit Datenverarbeitung im Einzelnen auseinander (Speichern, Verändern, Nutzen, Löschen und Sperren von personenbezogenen Daten). In § 7und § 8 werden die Auskunftspflicht und die Übermittlung von Informationen an den Bundesnachrichtendienst geregelt. Übermittelt werden dürfen von anderen Behörden nur Daten, die der Eigensicherung des BND dienen.

1 Gesetz über den Bundesnachrichtendienst (BND- Gesetz), in: Deutscher Bundestag: Materialien zu Aufgaben und Kontrolle der Nachrichtendienste in Deutschland, Sekretariat des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Berlin, 14. Juli 2000, S. 14 ff.. 2 Vergl.: Gröpl, Christoph: Die Nachrichtendienste im Regelwerk der deutschen Sicherheitsverwaltung, S. 76.

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Zudem darf der BND – im Rahmen seiner Aufgaben - jede Behörde um die Übermittlung von Daten (auch personenbezogenen) ersuchen und amtlich geführte Register einsehen (§8 (3)). Außerdem ist es dem BND erlaubt, seinerseits Daten an inländische Behörden für festbestimmte Zwecke abzugeben, wenn dies seiner Aufgabenerfüllung dient (§9 (1)). Bei ausländischen Behörden darf dies nur zur Wahrung von außen- oder sicherheitspolitischen Belangen geschehen und wenn der Chef des Bundeskanzleramtes seine Zustimmung gegeben hat. Außerdem werden an die Staatsanwaltschaften, die Polizeien und den MAD Daten übermittelt (mit Maßgabe des § 10 Bundesverfassungsschutzgesetz). § 12 regelt die Berichtspflicht des BND an den Chef des Kanzleramtes. 3

d) Wie ist er aufgebaut? Wie viele Mitarbeiter hat er? Der BND hat ca. 6000 hauptamtliche Mitarbeiter.4

3 Quelle: Gesetz über den Bundesnachrichtendienst (BND- Gesetz), S. 14 ff.. 4 Bundesnachrichtendienst – der Auslandsnachrichtendienst Deutschlands, S. 15

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e) Wie ist die Leitung des Dienstes organisiert? Der Präsident (aktuell Dr. August Hanning) des BND wird vom Bundeskanzler ernannt. Ihm sind zwei Vizepräsidenten (einer für den militärischen Bereich) an die Seite gestellt. f) Wie groß ist das Budget und wo ist es im Staatshaushalt angegeben? Der Haushalt des BND ist auch 2004 aus Sicherheitsgründen nicht detailliert offengelegt. Die Einnahmen und Ausgaben werden in einem besonderen Verfahren durch ein Gremium von Mitgliedern des Haushaltsausschusses (Vertrauensgremium) gemäß § 10 a Abs. 2 Bundeshaushaltsordnung veranschlagt.

Das Gesamtvolumen des BND Budgets befindet sich unter Kapitel 0404 (mit Ausnahme der Ausgaben für das militärische Personal, die im Einzelplan 14 ausgewiesen sind).5 Es ist Teil des Kanzleramtsbudgets und betrug 2002 (in 1000 Euro) 395 801 und 2003 435 658. Der Ansatz für 2004 liegt bei 418 620.6

3. Exekutive a) Wie und durch wen wird der Auslandsnachrichtendienst gelenkt und mit den anderen Diensten koordiniert?7

Die übergeordnete Auftragssteuerung des BND liegt in den Händen des Bundeskanzleramtes. Dort werden die Aufklärungswünsche und Informationsinteressen der übrigen Ressorts gesammelt, geprüft und in einem mehrschichtigen System – lang- und kurzfristig – an den BND weitergeleitet.8 Das langfristig gültige Profil der grundsätzlichen Interessen der Bundesregierung geht als streng geheime Weisung an den Präsidenten des BND.9 Udo Ulfkotte äußert sich zu diesem Punkt: „Wichtigste Grundlage für die Arbeit der Auswerter ist der Langzeitauftrag, den der Lenkungsausschuss (Auswärtiges Amt, Verteidigungsministerium, Innenministerium, Wirtschaftsministerium, Forschungsministerium und das Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit10) unter Leitung des Kanzleramtes alle vier bis fünf Jahre neu festlegt.“11

Mit dem Organisationserlass des Bundeskanzlers vom 17. Dezember 1984 in der Fassung vom 3. Mai 198912 wurde für den BND der Chef des Bundeskanzleramtes, momentan Staatssekretär Dr. Martin Steinmeier, zum Beauftragten für die Nachrichtendienste des Bundes bestimmt und ihm die Dienst- und Fachaufsicht zugewiesen. Zu seiner Unterstützung wird ihm ein Stellvertreter, aktuell Ministerialdirektor Ernst Uhrlau, als Koordinator für die Nachrichtendienste des Bundes an die Seite gestellt.13 Praxis der Bundesregierung ist, dass der Koordinator den Chef des Bundeskanzleramtes bei der Dienst- und Fachaufsicht unterstützt. Bis zum Regierungswechsel 1998 fiel die Aufgabe der Koordinierung mit der des Beauftragten zusammen.14 Der Koordinator leitet nun die Abteilung 6 des Bundeskanzleramtes, die zu allen wichtigen Fragen der Nachrichtendienste des Bundes arbeitet. 15 Seine Arbeit dient

5 BT Drucksache 14/769, S. 3. 6 BT Drucksache 15/1500, S. 26 7 Darunter sollte auch die Position des Regierungschefs angesprochen werden, da z.B. in Israel dieser der offizielle Mossad-Chef ist. 8 vergl.: BT (Bundestag) Drucksache 13/10800, Bericht, S. 114. 9 vergl.: BT Drucksache 13/10800, Bericht, S. 114. 10ergänzend: vergl. Wieck, Hans Georg: Der Bundesnachrichtendienst in den Entscheidungsprozessen der Außenpolitik, S. 47. 11 Ulfkotte, Udo: Verschlussache BND, 3. Aufl., München/Berlin, 1997, S. 140. 12 Nachzulesen: Gesetzestexte, Hrsg.: Bundesnachrichtendienst, Pressestelle, S. 11f.. 13 Porzner, Konrad: Der Bundesnachrichtendienst im Gefüge der öffentlichen Verwaltung, Opladen, 1995, S. 125. 14 Drucksache BT 13/10800, Bericht, S. 113. 15 Busse, Volker: Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Aufgaben, Organisation, Arbeitsweise, 3. neu bearb. und aktualisierte Auflg., Heidelberg 2001, S. 129.

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dabei der Koordination und Intensivierung der Zusammenarbeit der drei bundesdeutschen Dienste.16 In die Zuständigkeit des Staatsministers fällt die gesamte laufende Begleitung und Beaufsichtigung der Tätigkeit des BND. Im Rahmen seiner Koordinierungstätigkeit hat der Beauftragte eine ganze Reihe von Befugnissen:

• Er hat das Recht, von den Ressorts und den Nachrichtendiensten des Bundes Auskünfte über die Arbeitsmethodik, das Informations- und Karteiwesen, die Organisation, die Haushaltsplanung und die Personalstruktur zu verlangen.17

• Darüber hinaus hat er die Möglichkeit, für den Bereich der Zusammenarbeit der Dienste Verbesserungsmaßnahmen vorzuschlagen.18

• Ihm steht weiterhin das Recht zu, an Gesetzesvorhaben und an der Ausarbeitung von Vorschriften, die einen der Nachrichtendienste des Bundes oder ihre Zusammenarbeit mit anderen Stellen betreffen, mitzuwirken.19

• Schließlich kann er auch unmittelbar Besprechungen mit den Leitern der Dienste und deren Vertretern anberaumen. Die dienstaufsichtsführenden Ressorts können an derartigen Besprechungen teilnehmen.20

4. (Parlamentarische) Kontrolle a) Welche (parlamentarischen) Gremien widmen sich der Kontrolle des Auslandsnachrichtendienstes, seines Budgets und der Fernmeldeüberwachung?

• Das parlamentarische Kontrollgremium Die Bundesregierung unterliegt hinsichtlich der Tätigkeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz, des militärischen Abschirmdienstes und des Bundesnachrichtendienstes der Kontrolle durch das Parlamentarische Kontrollgremium. Es steht permanent zur kritischen Begleitung der Nachrichtendienste bereit. Dazu gehören – wie später noch ausgeführt wird - umfassende Auskunftsrechte in der Sache, das Befragen von Geheimdienst-Mitarbeitern, Einsicht in Akten und Dateien und die Möglichkeit, gezielte Untersuchungen in Gang zu bringen. 21

• Das Vertrauensgremium des Haushaltsausschusses Die Wirtschaftspläne der Dienste werden seit 1986 im Vertrauensgremium des Haushaltsausschusses beraten. Der Haushaltsausschuss selbst erfährt nur die Endsummen der den Diensten bewilligten Gelder, jedoch keine weiteren Details.22 Diese Regelung soll dafür sorgen, dass das Budgetbewilligungsrecht des Parlaments, die Lückenlosigkeit der Finanzkontrolle und die Geheimhaltungsinteressen gewahrt bleiben. Das Vertrauensgremium nimmt stellvertretend für das gesamte Parlament die

16 Busse, Volker: Bundeskanzleramt und Bundesregierung, a. a. O., S. 129. 17 vergl.: Porzner, Konrad: : Der Bundesnachrichtendienst im Gefüge der öffentlichen Verwaltung, a. a. O., S. 125. 18 vergl.: Porzner, Konrad: : Der Bundesnachrichtendienst im Gefüge der öffentlichen Verwaltung, a. a. O., S. 125. 19 vergl.: Porzner, Konrad: : Der Bundesnachrichtendienst im Gefüge der öffentlichen Verwaltung, a. a. O., S. 125. 20 Drucksache BT 13/10800, Bericht, S. 113. 21 http://www.bundestag.de/gremien/parlkonneu/parlkon3.html 22 Vergl.: Deutscher Bundestag: Die Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, a. a. O., S. 25 f..

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Budgetverantwortung für die Nachrichtendienste wahr. 23 Seit der Gesetzesnovelle 1999 des Kontrollgesetzes ist es dem Vorsitzenden, seinem Stellvertreter und einem beauftragten Mitglied des Kontrollgremiums und des Vertrauensgremiums möglich, an den Sitzungen der beiden Gremien wechselseitig teilzunehmen. Damit wurde eine wichtige Lücke geschlossen. Das Parlamentarische Kontrollgremium erhält damit tiefergehende Einblicke in operative Vorgänge.24

• Das G 10-Gremium und G 10-Kommission

Die Verfassung bewertet das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis als grundsätzlich „unverletzlich“. Eingriffe dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden (zum Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung oder zur Sicherung des Bundes oder eines Bundeslandes). An die Stelle des Rechtsweges tritt die Nachprüfung durch die G10-Kommission.

Diese Kommission besteht nicht aus Abgeordneten, sondern aus Persönlichkeiten, die das Vertrauen der Bundestagsfraktionen besitzen. Berufen werden die Mitglieder vom Parlamentarischen Kontrollgremium, nachdem auch die Bundesregierung zu den Personenvorschlägen gehört worden ist. Entscheidend sind vor allem die Ergebnisse umfangreicher Sicherheitsüberprüfungen der Kandidaten. Die Berufung bezieht sich immer auf eine laufende Wahlperiode und erlischt in der Regel erst mit der Wahl einer neuen Kommission. Derzeit umfasst die Kommission einen Vorsitzenden, der die Befähigung zum Richteramt besitzen muss, drei Beisitzern und vier stellvertretenden Mitgliedern. Aus Gründen der Kontinuität nehmen in der Regel möglichst alle acht Personen an den Sitzungen teil. Mindestens einmal im Monat tagt die Kommission im Geheimen.

Über alle Anordnungen zu Eingriffen in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis muss der zuständige Bundesminister die Kommission zuvor unterrichten. Nur bei Gefahr im Verzug kann das Mitlesen oder Mithören schon vor der Sitzung der Kommission beginnen – freilich muss die Zustimmung des Gremiums nachträglich unverzüglich eingeholt werden. Kommen die Mitglieder der Kommission dann aber zu der Überzeugung, dass die Maßnahme unzulässig oder nicht notwendig ist, muss die Aktion abgebrochen werden. Die Runde entscheidet mit Mehrheit – bei Stimmengleichheit gibt das Votum des Vorsitzenden den Ausschlag.

Die Kommission und ihre Mitarbeiter haben nicht nur ein Recht auf Auskunft auf alle ihre Fragen, nicht nur die Möglichkeit, alle Unterlagen und gespeicherten Daten im Zusammenhang mit den Eingriffen in das Grundrecht einzusehen, sie müssen auch jederzeit Zutritt zu allen Diensträumen der Nachrichtendienste erhalten.25

Bis 1999 gab es für die Abhörkontrolle ein eigenständiges parlamentarisches Gremium: das G 10–Gremium. Die Trennung von der Parlamentarischen Kontrollkommission war historisch bedingt, da es gut zehn Jahre früher gegründet wurde.26 Seit der Zusammenführung 1999 mit der parlamentarischen Kontrollkommission haben sich seinen Aufgaben und Funktionen indes nicht geändert: Das Abgeordnetengremium hat keine Kompetenz, einzelne Beschränkungsmaßnahmen zu kontrollieren oder zu überwachen. Das Gremium erhält mindestens alle sechs Monate einen allgemeinen – nicht auf einzelne Maßnahmen abgestellten – Bericht des zuständigen Bundesministers27 (für den Bereich der Individualkontrolle ist dies der Bundesinnenminister, für den Bereich der strategischen Kontrolle der Verteidigungsminister). Die beiden Bundesminister müssen jederzeit Rede und Antwort über alle Aspekte der Brief- und Fernmeldüberwachung geben können.28 Das G 10-

23 Vergl.: Deutscher Bundestag: Die Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, a. a. O., S. 27. 24 http://www.bundestag.de/gremien/parlkonneu/parlkon3.html 25 http://www.bundestag.de/gremien/parlkonneu/parlkon3.html 26 vergl.: Hirsch, Alexander: Wer überwacht die Wächter? a. a. O., S. 268. 27 Arndt, Claus: Das G 10-Verfahren, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, Hrsg.: Bundesministerium des Innern, Köln, Berlin, Bonn, München, 1981, S. 55. 28 Deutscher Bundestag: Die Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste in Deutschland, a. a. O., S. 24.

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Gremium dient somit der abstrakten, politischen Kontrolle der geheimdienstlichen Überwachungsmaßnahmen. Dem G 10-Gremium obliegt außerdem die Zustimmung zur Bezeichnung eines Gebietes als „Gefahrengebiet,“ dessen Fernmeldebeziehungen im Rahmen der „strategischen Kontrolle“ durch den BND überwacht werden können.29 Alle diese Rechte gingen 1999 in dem Parlamentarischen Kontrollgremium auf. b) Wie ist die Kontrolle praktisch organisiert? (Wahl der Mitglieder, Sitzungsrhythmus, u.ä.)? Die Anzahl der Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums wird zu Beginn jeder Wahlperiode vom Parlament neu bestimmt. Dem jetzigen Kontrollgremium gehören vier Abgeordnete der SPD-Fraktion, drei Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion und je ein Abgeordneter der Fraktion von Bündnis 90/DIE GRÜNEN und einer der F.D.P. an.30 Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums der 15. Wahlperiode: Vorsitzender: Hartmut Büttner (Schönebeck) Stellvertretender Vorsitzender: Volker Neumann (Bramsche) SPD : Hermann Bachmaier, Hans-Joachim Hacker, Volker Neumann (Bramsche), Erika Simm CDU/CSU: Hartmut Büttner (Schönebeck), Bernd Schmidbauer, Wolfgang Zeitlmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hans-Christian Ströbele FDP: Rainer Funke31

Gewählt ist, wer die Mehrheit der Stimmen des Deutschen Bundestages auf sich vereinigt und Mitglied einer Fraktion ist.32 Scheidet ein Mitglied aus dem Deutschen Bundestag oder seiner Fraktion aus, verliert es seine Mitgliedschaft. Für dieses muss ein neues Mitglied gewählt werden. Das gleiche gilt auch, wenn ein Mitglied seinen Austritt aus dem Kontrollgremium erklärt oder in das Amt eines Bundesministers oder eines parlamentarischen Staatssekretärs berufen wird.33 Das Kontrollgremium bleibt im Amt, bis der Bundestag zu Beginn einer neuen Legislaturperiode die Mitglieder neu gewählt hat.

Das Gremium tritt mindestens einmal im Vierteljahr zusammen, in der Praxis jedoch weit häufiger, da ein jedes Mitglied die Zusammenkunft wünschen kann. Die Ladungsfristen sind sehr flexibel und auf die Dringlichkeit der Sache ausgelegt. Der Vorsitz wechselt jeweils zum 1. Januar und 1. Juli von der parlamentarischen Mehrheit auf die Minderheit. Die Geschäftsführung liegt in der Hand eines Beamten des höheren Dienstes der Bundestagsverwaltung.34 Das Kontrollgremium muss dem Deutschen Bundestag in der Mitte und am Ende jeder Wahlperiode Bericht erstatten.

In der Praxis des Kontrollgremiums schließt sich bei den Sitzungen an einen Vortrag der Bundesregierung zu einem Tagungsordnungspunkt und gegebenenfalls ergänzenden Hinweisen durch die Präsidenten der Dienste meist eine Diskussion an. In

29 Kant, Martina: Innenausschüsse, Parlamentarische Kontrollkommissionen, G 10-Gremien und G 10-Kommissionen, in: Bürgerrechte und Polizei, J. 52, N. 3, 1995, S. 24. 30 Vergl.: Deutscher Bundestag: Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, a. a. O., S. 19. 31 http://www.bundestag.de/gremien15/parlkon/index.html, 10.01.2004 32 Heyer, Christian: Grundlagen und Grenzen der Geheimhaltungspflicht der Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Bonn, 1999, S. 8. 33 Vergl. alles: Deutscher Bundestag: Die Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, a. a. O., S. 21. 34 Vergl.: Deutscher Bundestag: Die Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste in Deutschland a. a. O., S. 22.

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diesem Gespräch zwischen Abgeordneten, Ministern, Staatssekretären und einer Reihe leitender Beamter der Dienste geht es um die Rechtfertigung des Handelns der Dienste und der Regierung selbst. Die übliche Unterrichtungsart ist der mündliche Bericht. Als Ergebnis der Diskussion werden für aktuelle und künftige Tätigkeiten Richtlinien bestimmt.35

c) Welche Kontrollrechte besitzen die Gremien? Gibt es besondere – von anderen parlamentarischen Gremien abweichende Rechte? Seit 1992 ist es dem Kontrollgremium möglich, aktuelle Vorgänge öffentlich zu bewerten, wenn zwei Drittel der Mitglieder dem zustimmen. Zweck dieser Ausnahme soll sein, dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit nachzukommen, aber auch die Bedeutung des Kontrollgremiums zu stärken.36 Ebenso kamen aufgrund einer Erklärung der Bundesregierung Erweiterungen und Präzisierungen der Kontrollrechte hinzu: die Möglichkeiten zur Akteneinsicht und die Anhörung von Mitarbeiten der Dienste. Durch die Erklärung erhielten auch Mitarbeiter der Dienste das Recht, sich direkt mit Verbesserungsvorschlägen zur Organisation an das Kontrollgremium zu wenden, falls ihre eigenen Vorgesetzten diesen Ideen nicht annehmen. 1999 folgte die Festschreibung dieser zugestandenen Rechte in Gesetzesform. Neu hinzu kam vor allem die Möglichkeit, Sachverständige mit Einzelfalluntersuchungen zu beauftragen.37

d) Eingriffe in die Bürgerrechte: In wie weit hat dort das Parlament weitere Kontrollmöglichkeiten? Der vom Bundestag jeweils für fünf Jahre gewählte Bundesbeauftragte für den Datenschutz geht zusammen mit den Landesbeauftragten für Datenschutz der Frage nach, ob das Recht des Bürgers auf die so genannte informationelle Selbstbestimmung bei den alltäglichen Handlungen der Behörden gewahrt ist. Damit berührt er die Kerntätigkeit der Nachrichtendienste: das Sammeln von möglichst vielen für die Aufklärung wichtigen personenbezogenen Daten. Der Datenschutzbeauftragte wacht zum Beispiel darüber, dass Daten, die nicht mit dem Zweck der Aufklärung zusammen hängen, gelöscht werden. Dabei hat er ausdrücklich auch zu Unterlagen Zugang, die einer besonderen Geheimhaltung unterliegen. Datenschutzverstöße kann der Beauftragte förmlich beanstanden und ein Prüfverfahren des zuständigen Ministeriums auslösen. Er hat aber auch die Möglichkeit, sie in seinen offiziellen Bericht aufzunehmen, den er alle zwei Jahre dem Bundestag vorlegt. 5. Kontrolle durch Öffentlichkeit a) In wie weit hat die Öffentlichkeit (vor allem die Medien) Zugang zu Fragen des Auslandsnachrichtendienstes? Nicht zu unterschätzen ist auch die Bedeutung der öffentlichen Diskussion und der Medienberichterstattung für die Kontrolle der Dienste. Die kritische Begleitung der nachrichtendienstlichen Arbeit hat immer wieder Pannen und Missstände publik gemacht und zu breiten Debatten über Inhalte, Ziele und Grenzen geführt. Gerade bei Eingriffen in die Grundrechte ist es wichtig, die Kontrolle dieser Einschränkungen jederzeit sichtbar zu machen, damit die Bürger die Nachrichtendienste nicht nur als legal sondern auch als legitim betrachten. Deshalb ist die Medienberichterstattung nicht nur für das Publikum wichtig, um über die Vorgänge informiert zu sein, die sowohl die allgemeine Sicherheit als auch die Freiheit des Einzelnen betreffen. Sie ist auch für die Dienste selbst langfristig von entscheidender Bedeutung, damit das Verständnis für ihre Arbeit erhalten bleibt. Als

35 Siehe beides: Deutscher Bundestag: Die Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, a. a. O., S. 13 f.. 36 Deutscher Bundestag: Die Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste in Deutschland, a. a. O., S. 23. 37 http://www.bundestag.de/gremien/parlkonneu/parlkon3.html

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Konsequenz aus dieser Tatsache haben die Geheimdienste selbst ihre Öffentlichkeitsarbeit verstärkt und sind mit Broschüren, Informationsstellen und Internet-Homepages präsent. Die Medien verstärken zudem die Kontrollaufgaben des Parlamentes, indem sie einerseits über die parlamentarische Behandlung der Nachrichtendienste berichten und andererseits Anhaltspunkte für nähere Nachfragen im Bundestag liefern.38 Auch außerhalb der Medien hat die Beschäftigung mit den Nachrichtendiensten zugenommen, ebenfalls ein Indiz für eine größere Öffnung: Der internationale „Arbeitskreis Geschichte der Nachrichtendienste e.V.“ widmet sich vor allem historischen Aspekten der Nachrichtendienste und der 2003 gegründete „Gesprächskreis Nachrichtendienste in Deutschland e.V.“ will u.a. die offene Diskussion über die zukünftige Arbeit der Dienste fördern. 6. Quellen und Fachliteratur Arndt, Claus: Das G 10-Verfahren, in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, Hrsg.: Bundesministerium des Innern, Köln, Berlin, Bonn, München 1981, S. 43 – 64. Borgs-Maciejewski, Hermann von / Frank Ebert: Das Recht der Geheimdienste: Kommentar zum Bundesverfassungsschutzgesetz (Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes), Stuttgart 1986. Busse, Volker: Bundeskanzleramt und Bundesregierung, Aufgaben, Organisation, Arbeitsweise, 3. neu bearbeitete und aktualisierte Auflage, Heidelberg 2001. Deutscher Bundestag: Die Parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste in Deutschland, Sekretariat des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Berlin, 9. September 2000. Deutscher Bundestag: Materialien zu Aufgaben und Kontrolle der Nachrichtendienste in Deutschland, Sekretariat des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Berlin, 14. Juli 2000. Der Bundesnachrichtendienst – Der Auslandsnachrichtendienst Deutschlands, Hrsg.: Bundesnachrichtendienst, Pressestelle, Heilmannstraße 30, Pullach, November 2000. Gröpl, Christoph: Die Nachrichtendienste im Regelwerk der deutschen Sicherheitsverwaltung: Legitimation, Organisation und Abgrenzungsfragen, in: Schriften zum Öffentlichen Recht, Band 646, (zugleich München, Univ. Diss., 1993), Berlin, 1993. Haedge, Karl-Ludwig: Das neue Nachrichtendienstrecht für die Bundesrepublik Deutschland, Ein Leitfaden mit Erläuterungen, Heidelberg 1998. Heyer, Christian: Grundlagen und Grenzen der Geheimhaltungspflicht der Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Bonn, 1999. Hirsch, Alexander: Wer überwacht die Wächter?: Nachrichtendienste im rechtsstaatlichen Kontrollgefüge, in: Lange, Hans-Jürgen: Staat, Demokratie und Innere Sicherheit in Deutschland, Band I, Opladen, 2000, S. 257 – 273. Kant, Martina: Innenausschüsse, Parlamentarische Kontrollkommissionen, G 10-Gremien und G 10-Kommissionen, in: Bürgerrechte und Polizei, J. 52, N.3, Berlin 1995, S. 21 - 27. Jones, Susan: Internationales Geheimdienstlexikon: Lexikograhisches Institut , Berlin, 1993.

38 http://www.bundestag.de/gremien/parlkonneu/parlkon3.html

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Knightley, Phillip: Die Geschichte der Spionage im 20. Jahrhundert: Aufbau und Organisation, Erfolge und Niederlagen der großen Geheimdienste, Berlin, 1989. Müller-Terpitz, Ralf: Die „strategische Kontrolle“ des internationalen Telekommunikationsverkehrs durch den Bundesnachrichtendienst, in: JURA, Heft 6, 2000, S. 296 - 302. Piekalkiewicz, Janusz: Weltgeschichte der Spionage, Agenten - Systeme -Aktionen, mit einem Geleitwort von Dr. Richard Meier, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz a. D., München, 1988. Porzner, Konrad: Der Bundesnachrichtendienst im Gefüge der öffentlichen Verwaltung, in: Regierungssystem und Verwaltungspolitik, Hrsg.: Seibel, Wolfgang und Benz, Arthur, Beiträge zu Ehren von Thomas Ellwein, Opladen 1995, S. 123 - 140. Ritter, Falko: Die geheimen Nachrichtendienste der Bundesrepublik Deutschland: Rechtsgrundlagen – Aufgaben – Arbeitsweise – Koordinierung – Kontrolle, Heidelberg, 1989. Ulfkotte, Udo: Verschlusssache BND, 3. Aufl., München, 1997. Wieck, Hans-Georg: Der Bundesnachrichtendienst in den Entscheidungsprozessen der Außenpolitik, in: Deutschlands neue Außenpolitik, Band 4: Institutionen und Ressourcen, Hrsg.: Eberwein, Wolf-Dieter und Kaiser, Karl, München 1998, S. 47-58. Wieck, Hans-Georg: Demokratie und Geheimdienste, München, 1995. Bundestagsdrucksachen Drucksache 13/10800, vom 28. Mai 1998 Beschlussempfehlung und Bericht des 1. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes Plutoniumuntersuchungsbericht Drucksache 14/769, vom 09.04.1999 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Petra Pau und der Fraktion der PDS Der Bundesnachrichtendienst und die Mittel aus dem Bundeshaushalt Drucksache 15/1500, vom 15.08.2003 Gesetzentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2004 Internetadressen: BND: http://www.bnd.de Bundestag: http://www.bundestag.de dort das Portal über Arbeitsweise und Kontrolle der Nachrichtendienste: http://www.bundestag.de/gremien/parlkonneu/parlkon3.html Bundesregierung: http://www.bundesregierung.de

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Großbritannien 1. Allgemeines a) Welche Dienste existieren im Land? (Name und Gründungsjahr) Der Auslandnachrichtendienst SIS, Secret Intelligence Service, ist noch immer unter seiner Kriegsbezeichnung MI6 – der früheren Sektion 6 des Militärischen Geheimdienstes bekannter. Heute sieht sich der SIS als ziviler Geheimdienst. Neben dem inneren Sicherheitsdienst (Security Service, auch MI5) besteht außerdem das Government Communication Headquarters (GCHQ) in Cheltenham, verantwortlich für die elektronische Aufklärung,. Großbritannien verfügt auch über einen militärischen Dienst: den Defence Intelligence Service.39 Seit 1922 besteht der SIS als selbständiger Geheimdienst. Hervorgegangen ist er aus der Auslandsabteilung des „Secret Service Bureau“ (seit 1909) unter Sir Mansfield Cumming.40 Das Gründungsjahr des GCHQ ist 1946. 2. Der Auslandsnachrichtendienst a) Welchen Aufgabenbereich besitzt er? Abschnitt 1 des „Intelligence Service Act“ beschäftigt sich mit der Rolle des SIS. Seine Funktionen werden folgendermaßen definiert:

(a) to obtain and provide information relating to the actions or intentions of persons outside the British Islands; and

(b) to perform other tasks relating to the actions or intentions of such persons... (in relation to) the interests of national security, with particular reference to defence and foreign policies...the interests of the economic well-being of the UK...or in support of the prevention or detection of serious crime.

Das Aufgabenfeld des GCHQ liegt vor allem in der Signal Intelligence. Die zweite Aufgabe ist die Sicherung von sensibler Information, eine spezielle Electronics Security Group (CESG) berät hier Regierungsabteilungen und die Armed Forces. Aber auch private Kunden, die Industrie und der Security Service werden informiert.41

b) Welchem Regierungsorgan ist er unterstellt? SIS und GCHQ unterstehen dem Außenministerium. Der Premierminister hat die übergeordnete Verantwortung für alle nachrichtendienstlichen Belange und wird dabei vom Kabinettsminister unterstützt. Die Dienste selbst werden von einem Direktor geleitet, der dem zuständigen Minister persönlich verantwortlich ist.42

c) Gibt es eine gesetzliche Grundlage? Wenn ja, welche? Am 23. November 1993 wurde der “Intelligence Service Bill” dem Parlament vorgestellt. Erst ein Jahr zuvor war der MI6 offiziell bekannt gegeben und in der Thronrede der britischen Königin erwähnt worden.43 Das Gesetz kann als Ergänzung zum Security Service Act von 1989 angesehen werden, womit die Arbeit des MI6s anerkannt wurde.

39 Wissenschaftliche Dienste, S. 14 40 National Intelligence Machinery,S. 6 41 National Intelligence Machinery, S. 7 42 http://www.geheimdienste.org 43 Wissenschaftliche Dienste, S. 14

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Tätigkeiten und Funktionen sind gesetzlich festgelegt, bei GCHQ und SIS vom „Intelligence Security Act“ 1994. Dieses Gesetz äußert sich umfangreich zu den Aufgabenfeldern, Ermächtigungen, zu Kontrollbefugnissen und Leitung von SIS und GCHQ. 2000 wurde mit dem „Regulation of Investigatory Power Act“ eine gesetzliche Harmonisierung mit der Europäischen Charta für Menschenrechte beschlossen.44

d) Wie ist er aufgebaut? Wie viele Mitarbeiter hat er? Über den Aufbau und die aktuelle Mitarbeiteranzahl des SIS konnte nichts in Erfahrung gebracht werden. e) Wie ist die Leitung des Dienstes organisiert? Der Leiter des SIS wird vom Außenminister ernannt. Bis August 2004 nimmt das Amt Sir Richard Billing Dearlove wahr, der auf Grund der Kelly-Affäre sein vorzeitiges Ausscheiden erklärt hat.45

g) Wie groß ist das Budget und wo ist es im Staatshaushalt angegeben? Alle drei Geheimdienste werden in einem Posten vom Parlament verabschiedet. Das Sekretariat des Kabinetts (Secretary of the Cabinet) ist dem Parlament gegenüber für eine saubere und effiziente Verwendung der Haushaltsmittel verantwortlich. Der Haushaltsansatz für alle drei Dienste SIS/GCHQ, Security Service und DIS (militärischer Geheimdienst) betrug für 2002/2003 £893 Millionen.46

3. Exekutive a) Wie und durch wen wird der Auslandsnachrichtendienst gelenkt und mit den anderen Diensten koordiniert? Die Koordination liegt in den Händen des Joint Intelligence Committee, einem Unterausschuss des Kabinetts. Das Committee wird vom beamteten Staatssekretär (Permanent Under Secretary) des Außenministeriums geleitet und untersteht direkt dem Premierminister. Zusammen mit den Ministern setzt es die Aufklärungsschwerpunkte für den SIS und den GCHQ fest. Das Joint Intelligence Committee setzt sich u.a. aus den Leitern des SIS und Secret Service zusammen, sowie Mitarbeitern der Nachrichtendienstabteilung im Verteidigungsministerium, dem stellvertretenden Leiter des Verteidigungsstabs, Verbindungsoffizieren zu einigen Ländern und Beamten des Außenministeriums. Eine weitere wichtige Zuarbeit für die britische „Intelligence machinery“ erfolgt vom „Defence Intelligence Staff“, welcher ein integraler Bestandteil des Verteidigungsministeriums ist.

In den alltäglichen Geheimdienstoperationen sind die Leiter der Geheimdienste unmittelbar verantwortlich. Sie müssen sich aber wiederum gegenüber Ministern verantworten.

Dem Premierminister fällt die absolute Verantwortung für alle geheimdienstlichen Vorgänge zu. Hierbei wird er vom Cabinet Office unterstützt 47, dessen Leitung in der Hand eines Koordinators liegt. Ihm fällt außerdem die Verantwortung für die oben beschriebenen jährlichen Aufgabenschwerpunkte zu, die das Joint Intelligence Committee festsetzt. Weitere Aufgaben liegen darin, gegenüber dem im nächsten Abschnitt erläuterten „Intelligence and Security Committee“ die Dienste zu vertreten, dessen Treffen zu organisieren und vorzubereiten sowie deren Berichte zu prüfen.48 44 Intelligence Oversight, S. 10 f. 45 http://www.wienweb.at/Content.aspx?catid=9&id=52614 46 National Intelligence Machinery, S. 6 47 National Intelligence Machinery, S. 6 48 Shpiro, S. 49

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4. (Parlamentarische) Kontrolle a) Welche (parlamentarischen) Gremien widmen sich der Kontrolle des Auslandsnachrichtendienstes, seines Budgets und der Fernmeldeüberwachung? 1994 wurde erstmals durch den „Intelligence Services Act“ das sogenannte „Intelligence and Security Committee“ eingerichtet.49 Sein Zuständigkeitsbereich ist der Security Service, der Secret Intelligence Service und das GCHQ, wobei Ausgaben, Verwaltung und Politik der Geheimdienste überprüft werden sollen. b) Wie ist die Kontrolle praktisch organisiert? (Wahl der Mitglieder, Sitzungsrhythmus, u.ä.)? Dem Committee gehören neun Mitglieder aus den Reihen der Angehörigen des Unter- und Oberhauses an, die vom Premierminister nach Rücksprache mit dem Oppositionsführer ausgewählt und ernannt werden. Sie dürfen über keine Positionen in Ministerien verfügen. Fünf Mitglieder gehören der Regierungspartei an. Alle Committee Mitglieder sind erfahrene Politiker, oft mit ministeriellen und geheimdienstlichen Erfahrungen. 50 Aktuell sind dies: Chairman: Rt Hon Ann Taylor, MP Committee members : Rt Hon James Arbuthnot, MP Rt Hon the Lord (Peter) Archer of Sandwell, QC, MP Rt Hon Kevin Barron, MP Rt Hon Alan Beith, MP Rt Hon Alan Howarth, CBE, MP Mr. Michael Mates, MP Rt Hon Joyce Quin, MP Rt Hon Gavin Strang, MP51

Der Tagungsrhythmus ist in den Sitzungswochen wöchentlich. Ähnlich wie in Deutschland werden aktuelle Themen diskutiert und Besuche bei den Diensten abgehalten. Besonders hervorzuheben ist der Anspruch, auch eine Qualitätskontrolle durchzuführen, bzw. die Effektivität zu beurteilen, mit der die Geheimdienste die Ministerien bedienen. Hervorzuheben ist ebenfalls das Engagement der Mitglieder, Gesetzgebungsfragen zu geheimdienstlich relevanten Bereichen z.B. Bekämpfung der Organisierten Kriminalität aktiv zu begleiten.52

Soweit der Ausschuss Informationen benötigt, haben die Direktoren der Dienste Sorge zu tragen, dass diese im Rahmen der Richtlinien des „Secretary of State“ zur Verfügung gestellt werden.53 Allein der Gesichtspunkt der nationalen Sicherheit stellt einen Ablehnungsgrund dar. Das Informationsrecht der Mitglieder der Regierungsseite kann ebenso in „sensiblen“ Fällen eingeschränkt werden. Diese Einschränkung zeige, so Shlomo Shpiro, dass das Committee an dieser Stelle über keine parlamentarischen Sonderrechte gegenüber anderen Select Committees verfüge. 54 Das Committee umgibt, wie die offizielle Publikation „Intelligence Oversight“ schreibt, einen „ring of secrecy“, der durch die Geheimhaltungsgesetze bedingt sei. Jedoch ist der Einblick in Einzelposten wie

49 Shpiro, S. 48 50 Shpiro, S. 48 51 vergl: http://www.cabinet-office.gov.uk/intelligence ,S. 1, 9.01.2004 52 Shpiro, S. 49 53 Wissenschaftliche Dienste, page 16 54 Shpiro, S. 49

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Ausgaben für Mitarbeiter, Liegenschaften und Agenten sehr groß. Das „National Audit Office“ (NAO) unterstützt die Mitglieder55.

Wie der Commissioner verfasst auch das Committee einen Jahresbericht für den Premierminister im Detail und die Regierung streicht alle sensiblen Passagen. Dann werden die Berichte an beide Kammern weitergeleitet.56 Außerdem gibt es noch Sonderberichte, zum Beispiel über Sierra Leone.57 Das Committee gibt darüber hinaus Forschungsstudien in Auftrag, wie zum Beispiel in Bereich der Informationstechnologie. Die Berichte dienen der eigenen Orientierung.58 c) Welche Kontrollrechte besitzen die Gremien? Gibt es besondere – von anderen parlamentarischen Gremien abweichende Rechte? keine weiteren als unter b) dargestellt Erwähnenswert ist noch die Möglichkeit, „Royal Commissions“ einzusetzen. In diesem Fall werden hochgediente Beamte mit Aufklärungsfragen zur Arbeit der Nachrichtendienste befasst. Sie sollen den Sachverhalt schnell und unparteiisch aufklären. Den Abschlussberichten kommt eine große Wirkung zu.59

d) Eingriffe in die Bürgerrechte: In wie weit hat dort das Parlament weitere Kontrollmöglichkeiten? Wie schon erwähnt, wurde die Organisation, die Grundlagen, sowie die Kontrolle der Geheimdienste mit dem ersten Security Act 1989 auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Zuvor hatte es einige Diskussionen über die Rolle des Parlaments im Hinblick auf eine Nachrichtendienstkontrolle gegeben.60 Mit dem Gesetz wurde erstmals ein abgestuftes Befugnissystem für jegliche Eingriffe in den Bereich des Eigentumsschutzes und der Bürgerrechte geschaffen. Zwei Commissioners sollen den Rechtsschutz sicherstellen, ähnlich wie die G 10-Kommission in Deutschland. „Intelligence Service Commissioner“ ist aktuell Rt. Hon. Lord Justice Simon Brown, seine Funktion erinnert an einen Geheimdienstbeauftragten. Den „Communication Commissioner“, Rt. Hon. Sir Swinton Thomas könnte man als Datenschutzbeauftragten bezeichnen. Sie werden vom Premierminister benannt und legen diesem jedes Jahr ihren Bericht vor. Der Jahresbericht wird – nach eventuellen Streichungen61 - an beide Kammern des Parlaments geleitet.62 Vor 2000 waren beide Commissioners Positionen in einer zusammengefasst. Voraussetzung für die Ämter ist eine juristische Qualifikation, bzw. langjährige Berufserfahrung. Ihre Entscheidungen können von keinem britischen Gericht revidiert werden.63 Seit dem Investigatory Powers Act 2000 besteht ein unabhängiges Gericht, das alle individuellen Beschwerden, Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen und Angelegenheiten der Nachrichtendienste behandelt. Es setzt sich zusammen aus den verdienten Mitgliedern der Judikative, die keinerlei Abhängigkeit zur Regierung besitzen dürfen. Der Präsident des Tribunals ist aktuell Rt. Hon. Lord Justice John Mummery.64 Zur Zeit setzt sich das Gericht aus acht Richtern zusammen.65 Bis Juli 2002 wurden 71 Fälle behandelt.66

55 Intelligence Oversight, S. 10 56 Aktueller Bericht einsehbar unter: http://www.cabinet-office.gov.uk/reports/intelligence/pdf/annualir0203.pdf 57 Intelligence Oversight, S. 10 58 Intelligence Oversight, S. 11 59 Hirsch, Alexander: Die Kontrolle der Nachrichtendienste, S. 262 60 Intelligence Oversight, S. 9 61 Die Streichungen werden im Anhang aufgelistet, Intelligence Oversight, S. 12 62 Wissenschaftliche Dienste, S. 16 63 Shpiro, S. 51 64 Intelligence Oversight, S. 12 65 Regulation of Investigation Powers Act 2000, Part IV, 57- 70. 66 Intelligence Oversight, S. 12

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5. Kontrolle durch Öffentlichkeit a) In wie weit hat die Öffentlichkeit (vor allem die Medien) Zugang zu Fragen der Auslandsnachrichtendienste? Alexander Hirsch stellt dar, dass seit dem „Security Service Act“ von 1989 ein Trend zu größerer Öffentlichkeit festzustellen sei. „Die Dienste halten sich von einer Zusammenarbeit mit der Presse fern.“67

6. Quellen und Fachliteratur Bunyan, Tony und Tomlinson, Mike: (Abschnitt 1.2.5) Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, (in: Schmidt-Eenboom, Erich: Nachrichtendienste in Nordamerika, Europa und Japan, Länderporträts und Analysen), Weilheim, 1995. Hirsch, Alexander: Die Kontrolle der Nachrichtendienste – Vergleichende Bestandsaufnahme, Praxis und Reform, Berlin 1996. Intelligence Oversight: Intelligence and Security Committee, Juli 2002, erhältlich unter: http://www.cabinet-office.gov.uk/reports/intelligence/pdf/intel.pdf National Intelligence Maschinery: Second Edition September 2001, erhältlich unter: http://www.cabinet-office.gov.uk/intelligence/pdf/NationalIntelligence.pdf Shlomo Shpiro: Guarding the Guards – Parliamentary Control oft the intelligence Services in Germany and Britain, Konrad-Adenauer-Stiftung, Interne Studie Nr. 146/1997, Sankt Augustin November 1997. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages: Ausarbeitung über “Parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit in einigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, Norwegen und den USA“, Fachbereich I, Bearbeiter: Baddenhausen-Lange, 11.09.1995. Internetadressen: Intelligence and Security Committee: http://www.cabinet-office.gov.uk/intelligence (hier sind auch die Berichte und andere Broschüren abrufbar) Regulation of Investigatory Powers Act 2000: http://www.hmso.gov.uk/act/acts2000/200000023.htm, 9.01.2004 GCHQ: http://www.gchq.gov.uk Artikel zu Sir Richard Billing Dearlove: http://www.wienweb.at/Content.aspx?catid=9&id=52614

67 Hirsch, Alexander: Die Kontrolle der Nachrichtendienste, S. 267

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Israel 1. Allgemeines a) Welche Dienste existieren im Land? (Name und Gründungsjahr) Neben dem bekannten Mossad gibt es noch weitere Geheimdienste. Aman, der militärische Nachrichtendienst (Agaf ha-Modi`in)68 soll die israelische Regierung über den Stand der Kriegsvorbereitungen seiner Gegner informieren. Der Shabak (oder auch Schin Beth Abk. für Sherut Sitachon Klali) ist für die innere Sicherheit und die Spionageabwehr zuständig. Zudem verfügen das Außenministerium und die „Dienststelle für jüdische Angelegenheiten“ über nachrichtendienstliche Befugnisse. Daneben besteht eine polizeiliche Schutzabteilung und ein „Amt für wissenschaftliche Beziehungen“ (LEKEM, abgek. Leshkat Kesher Madai).69 Die Gründung des Mossads erfolgte am 1. April 1951 unter dem Premierminister David Ben Gurion und war auch unter den Bezeichnungen „Central Institute for Coordination“ und „Central Institute for Intelligence and Security“ bekannt. Zuvor bestand er seit 1937 als Geheimorganisation, die die jüdische Einwanderung nach Palästina unterstützte. Eine kurze Übersicht der Aufgabenfelder: Mossad Zuständig für weltweite Nachrichtenbeschaffung, Geheimaktionen und Terrorismusbekämpfung. Weitere Informationen unten. Aman Militärischer Nachrichtendienst mit der Aufgabe, Israel über den Stand der Kriegsvorbereitungen seiner Gegner zu informieren. Shabak oder Shin Beth Verantwortlich für die innere Sicherheit Israels und die Spionageabwehr. Er ist dem Regierungschef direkt unterstellt. Der Inlandsgeheimdienst überwacht Aktivitäten der Palästinenser in den besetzten Gebieten und der israelischen Araber. Es gibt aber auch eine „jüdische Abteilung“. Sie wurde bekannt, weil sie die Vorbereitungen zum Mord an Ministerpräsident Rabin nicht rechtzeitig bemerkte. Der Inlandsgeheimdienst stellt auch die Leibwächter der Politiker. Die Agenten des Schabak sind mit dem Sammeln von Informationen beschäftigt; sie haben keine ausführenden Befugnisse. Sie können verdächtige Personen beschatten und verhören, aber nicht festnehmen. Das fällt in die Zuständigkeit der Armee in den besetzten Gebieten oder der Polizei in Israel. Die Arbeitsweisen des Schabak, etwa bei Verhören, sind durch Gesetze und Verordnungen genau geregelt. Diese Verhaltensregeln wurden vor einigen Jahren eingeführt, nachdem Menschenrechtsorganisationen beim Obersten Gericht wegen Exzessen geklagt hatten. Damals wurden Foltermethoden bekannt, z. B. das Überstülpen eines schmutzigen Sackes über den Kopf des Verdächtigen, Fesseln an einen Stuhl und heftiges „Rütteln“, das in mindestens einem Fall zum Tod geführt hat. Die Richter gestatteten daraufhin nur noch „sanfte Gewalt“ im Falle von „tickenden Bomben“, also Verhafteten, die von einem bevorstehenden Anschlag wissen, den es zu vereiteln gilt.70

68 http://www.fas.org/irp/world/israel/aman/index.html, 18.01.04 69 Hirsch, Alexander: S. 219 70 Aussage eines Journalisten

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Nachrichtenstelle des Außenministeriums Hier werden sicherheitsrelevante Informationen zur politischen Lage vornehmlich aus arabischen Staaten gesammelt und ausgewertet. Dienststelle für jüdische Angelegenheiten Der Aufgabenbereich umfasst die Angelegenheiten von jüdischen Minderheiten in solchen Staaten, in denen sie Verfolgungen ausgesetzt sind. 2. Der Auslandsnachrichtendienst a) Welchen Aufgabenbereich besitzt er? Der Mossad (hebräisch für „Institut“) arbeitet fokussiert auf die arabischen Nationen und ihre Organisationen weltweit. Nachrichtenbeschaffung, Geheimaktionen und Terrorismusbekämpfung sind seine Einsatzfelder. Der Hauptsitz ist in Tel Aviv. Seit seiner Neugründung arbeitet der Mossad – anders als die meisten Nachrichtendienste – auch mit Mitteln der Sabotage, verdeckter und psychologischer Kriegführung und unter Umständen auch Tötungskommandos.71

b) Welchem Regierungsorgan ist er unterstellt? Der Mossad ist direkt dem Ministerpräsidenten unterstellt. c) Gibt es eine gesetzliche Grundlage? Wenn ja, welche? Die Dienste wurden per Kabinettsbeschluss errichtet.72

d) Wie ist er aufgebaut? Wie viele Mitarbeiter hat er? Darüber ist nichts bekannt, da beides der strengsten Geheimhaltung obliegt. e) Wie ist die Leitung des Dienstes organisiert? Der Name des Direktors des Mossads war viele Jahre ein Staatsgeheimnis – bzw. nicht sehr weit publiziert. Im März 1996 gab jedoch die Regierung die Ernennung des Generalmajors Danny Yatim bekannt, der Shabtai Shavit ablöste. Im September 2002 wurde Meir Dagan neuer Mossad-Direktor. Die Mossad Direktoren werden vom Premierminister ernannt, gewöhnlich für fünf Jahre.73

f) Wie groß ist das Budget und wo ist es im Staatshaushalt angegeben? Das Budget des Mossads ist geheim und versteckt sich im Haushalt des Ministerpräsidentenamts. „In den letzten drei Jahren dürfte deren Finanzierung nicht gekürzt worden sein, obgleich alle Ministerien schwere Einschritte hinnehmen mussten“, sagt ein Kenner der Geheimdienste.74

71 http://www.politikscreen.de/t-news2003/lexikon_detail.asp?ID0529 , 25.01.04 72 Hirsch, Alexander: Die Kontrolle der Nachrichtendienste, S. 219 73 Internationales Geheimdienstlexikon, S. 92 74 Quelle geschützt

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3. Exekutive a) Wie und durch wen wird der Auslandsnachrichtendienst gelenkt und mit den anderen Diensten koordiniert?75

Der Mossad untersteht einem Direktor, der für die Koordination der nachrichtendienstlichen Tätigkeiten aller Geheimdienste zuständig ist. Er ist direkt und nur dem Premierminister verantwortlich. Dieser erfüllt seine Koordinationsaufgabe in einem Ausschuss zusammen mit den Leitern der anderen Dienste (Heads of Service Committee). Die anderen Dienste unterstehen jeweils den Ressortministern.76 4. (Parlamentarische) Kontrolle a) Welche (parlamentarischen) Gremien widmen sich der Kontrolle des Auslandsnachrichtendienstes, seines Budgets und der Fernmeldeüberwachung? In der Knesset gibt es ein „Subcommittee for Intelligence and Secret Services“ als Unterausschuss des Verteidigungsausschusses.77 In ihm berichten die Leiter der Dienste. Auch der Ausschuss für Äußeres und Sicherheit besitzt Kontrollfunktionen. In diesem wird der Etat der Verteidigung mit- und der Etat für die Dienste ausschließlich beraten, außerdem müssen die verantwortlichen Minister oder der Premier Rede und Antwort stehen. Aber die Parlamentarier haben laut des Kenners der Geheimdienste mehr „moralischen Einfluss“, da sie der Regierung keine Vorschriften machen können. „Allerdings können sie neue Gesetze schaffen und so dem Treiben der Geheimdienste Grenzen setzen“, sagt er weiter. Die Parlamentarier können jedoch Druck ausüben und ungewöhnliche Vorfälle offiziell untersuchen lassen. Das geschah im Falle des Terrorüberfalls 1984 auf die „Linie 300“. Damals hielten Pressefotografen fest, wie zwei palästinensische Terroristen abgeführt wurden. Doch nach dem Überfall hieß es, alle Terroristen seien ums Leben gekommen. Eine Untersuchung des Vorfalls deckte auf, dass der heutige Abgeordnete und damalige Agent Ehud Yatom den verhafteten Terroristen mit dem Gewehrkolben den Schädel eingeschlagen habe. Bekannt wurden auch fragwürdige Methoden, die Untersuchung zu stören und Beweise zu verwischen. Ein weiteres Aufklärungskomitee stellte Premierminister Netanyahu im Oktober 1997 auf Grund der Mashal-Affäre zusammen. In diesem Fall war ein Giftmordanschlag auf Khalid Mashal – damals Vorsitzender der politischen Abteilung der Hamas – fehlgeschlagen. b) Wie ist die Kontrolle praktisch organisiert? (Wahl der Mitglieder, Sitzungsrhythmus, u.ä.)? Nichts Weiteres ist bekannt. c) Welche Kontrollrechte besitzen die Gremien? Gibt es besondere – von anderen parlamentarischen Gremien abweichende Rechte? keine d) Eingriffe in die Bürgerrechte: In wie weit hat dort das Parlament weitere Kontrollmöglichkeiten? Die Möglichkeit für jeden, das Oberste Gericht anzurufen, bedeutet einen gewissen Schutz für Verhaftete und zwingt die Geheimdienste, sich an die Gesetze zu halten. Doch in Israel gelten wegen des andauernden „Kriegszustandes“ bis heute die von den Briten in der Mandatszeit vor der Staatsgründung verhängten Notstandsgesetze. „Mit heutigen

75 Darunter sollte auch die Position des Regierungschefs angesprochen werden, da z.B. in Israel dieser der offizielle Mossad-Chef ist. 76 Hirsch, Alexander: Die Kontrolle der Nachrichtendienste, S. 219 77 http://www.knesset.gov.il/committees/eng/committee_eng.asp?c_id=4 19.01.2004

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Vorstellungen eines Rechtsstaates sind diese britischen Verordnungen kaum vereinbar,“ so ein kritischer Journalist. Beispielsweise „entdeckte“ die Polizei vor kurzem ein britisches Gesetz, das ihr erlaubt, das Mitglied einer mörderischen israelischen Mafia mehrere Wochen lang „verschwinden zu lassen“, ohne die Angehörigen zu informieren. Im Rahmen dieser Notstandsgesetze darf auch abgehört werden, aber nur mit richterlicher Genehmigung.78

5. Kontrolle durch Öffentlichkeit a) In wie weit hat die Öffentlichkeit (vor allem die Medien) Zugang zu Fragen des Auslandsnachrichtendienstes? Die im Westen übliche Kontrollfunktion der Presse gibt es kaum. Eine gewisse Öffnung erlaubt sich inzwischen der Inlandsgeheimdienst. Er bietet den auf ihre Zuverlässigkeit überprüften Militärkorrespondenten der israelischen Medien geheime Pressekonferenzen. Neu ist auch, dass die Geheimdienste inzwischen ein „Gesicht“ haben. Bis vor wenigen Jahren durften weder die Namen noch das Gesicht der Geheimdienstchefs veröffentlicht werden. Bis heute sind die Abteilungsleiter der Geheimdienstorganisationen nur als A. und E. bekannt.79

6. Landesspezifische Besonderheiten a) Gibt es im Rahmen des Auslandsnachrichtendienstes noch bemerkenswerte Besonderheiten? In Israel gelten wegen des andauernden „Kriegszustandes“ bis heute die von den Briten in der Mandatszeit vor der Staatsgründung verhängten Notstandsgesetze. Und die bieten den Behörden eine Vielfalt von Vorgehensweisen in einer gesetzlichen Grauzone. Mit heutigen Vorstellungen eines Rechtsstaates sind diese britischen Verordnungen kaum vereinbar. Im Rahmen dieser Notstandsgesetze darf auch abgehört werden, aber nur mit richterlicher Genehmigung.80

7. Quellen und Fachliteratur Vertrauliche Stellungnahme eines Journalisten Jones, Susan (et alii): Internationales Geheimdienstlexikon, Berlin 1993. Hirsch, Alexander: Die Kontrolle der Nachrichtendienste – Vergleichende Bestandsaufnahme, Praxis und Reform, Berlin 1996. Internetadressen: Der Mossad verfügt über keine Homepage Parlament: http://www.knesset.gov.il Regierung: http://www.mfa.gov.il allgemeine Informationen: http://www.fas.org

78 Aussage eines Journalisten 79 Aussage eines Journalisten 80 Aussage eines Journalisten

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Kanada 1. Allgemeines a) Welche Dienste existieren im Land? (Name und Gründungsjahr) In Kanada gibt es drei Geheimdienstorganisationen. Der wichtigste ist der Canadian Security Intelligence Service (CSIS), der im Januar 1984 gegründet wurde. Daneben gibt es noch das „Communication Security Establishment“ welches für Signal-Intelligence (SIGINT) und Informationssicherheit zuständig ist. Das Verteidigungsministerium hat ebenfalls geheimdienstliche Funktionen, um das Militär mit Informationen zu versorgen.81

2. Der Auslandsnachrichtendienst a) Welchen Aufgabenbereich besitzt er? Offiziell gibt es keine Auslandsaufklärungsabteilung des CSIS. Er unterhält jedoch einige Verbindungsoffiziere in Übersee.82 In Artikel 12 des Geheimdienstgesetzes (1984) lautet die Funktion des CSIS folgendermaßen: "to collect … to the extent that is strictly necessary, and analyse and retain information and intelligence respecting activities that may on reasonable grounds be suspected of constituting threats to the security of Canada…". Die Bedrohungen der Sicherheit Kanadas werden definiert als Spionage, Sabotage und vom Ausland her gesteuerte Aktionen. Das bedeutet, dass der Sicherheitsbegriff stark fokussiert ist. Die Ökonomie oder die Ökologie gehören nicht dazu.83 Die Gegenstände der Abwehrarbeit im Überblick:

• Politische Gewalt und Terrorismus: Bedrohung in Form von politisch motivierten Geiselnahmen, Bombenattentaten und Mord. Ob nun Kanada das Ziel dieser Gewalt ist oder andere Staaten von kanadischem Boden aus beeinflusst werden sollen, ist gleichrangig.

• Ausspionieren und Sabotage: Das Ausspionieren schließt das unrechtmäßige und ungesetzliche Sammeln von politisch, ökonomisch, wissenschaftlich oder militärisch sensiblen Informationen durch fremde Staaten und seiner Agenten ein. Sabotage umfasst Aktivitäten die aus dem Grund geschehen, die Sicherheit, die Verteidigung oder private Güter – wie die Energieversorgung – zu schädigen.

• Ausländisch gelenkte Aktivitäten: Aktivitäten, die von einem ausländischen Staat oder seinen Agenten dirigiert, kontrolliert oder finanziert werden, stehen den nationalen Interessen Kanadas diametral entgegen.84

b) Welchem Regierungsorgan ist er unterstellt? Der CSIS untersteht dem Justizminister (Solicitor General), ist jedoch gehalten, dem Außenministerium und dem Verteidigungsministerium zuzuarbeiten. c) Gibt es eine gesetzliche Grundlage? Wenn ja, welche? Folgende Gesetze bilden das juristische Grundgerüst des CSIS:

81 Born, Hans u. Tuler, Matias: Parliamentary Democracy and Intelligence, S. 15 82 Born, Hans u. Tuler, Matias: Parliamentary Democracy and Intelligence, S. 14 83 Born, Hans u. Tuler, Matias: Parliamentary Democracy and Intelligence, S. 15 84 http://www.fas.org

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• Der „Official Secrets Acts (1939)” der zu Beginn des Zweiten Weltkriegs erlassen wurde, um die Regierungsgeheimnisse zu schützen;

• Der „Security Offences Act (1984)”, um Angriffen gegen die nationale Sicherheit besser entgegenzutreten;

• Der schon erwähnte „Canadian Security Intelligence Services Act 1984”, der CSIS und SIRC installierte

Das Gesetz legt den Auftrag des CSIS und ihres Direktors fest, regelt Verfahrensweisen, Rechte und Pflichten des Dienstes. Zudem wird die juristische Kontrolle dargestellt. Auf die Position des Inspector General, wie auch des Kontrollgremiums SIRC wird detailliert eingegangen. Genauso werden Möglichkeiten der Beschwerde und der Nachforschungen – z.B. des SIRC – vorgestellt.85

• Der “Access to Information Act (1983)” der die öffentlichen Auskunftsrechte darlegt.86 87

d) Wie ist er aufgebaut? Wie viele Mitarbeiter hat er?

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Zur Mitarbeiterzahl konnte keine Angabe gefunden werden.

85 http://www.csis-scrs.gc.ca/eng/act/csisact_e.html, 23.01.2004 86 Born, Hans u. Tuler, Matias: Parliamentary Democracy and Intelligence, S. 14 87 siehe dazu: Wark K., Wesley: Canada’s Access to Information Act and the Canadian Security and Intelligence Community 88 Quelle: http://www.csis-scrg.gc.ca

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e) Wie ist die Leitung des Dienstes organisiert? Der Direktor des CSIS wird für maximal zwei Mal fünf Jahre vom Governor-General vorgeschlagen. Der Verteidigungsminister ist ihm gegenüber weisungsberechtigt. Ward PD. Elcock ist seit 1994 Direktor. Der Governor-General kann mit Regularien die Macht des CSIS-Direktors einschränken oder ausweiten und über Einstellungen entscheiden. Zudem ernennt er einen „Inspector General“, dem die Überwachung der operativen Vorgänge obliegt; seine Funktion kann daher als ein exekutiver Kontrollmechanismus angesehen werden; er erstattet dem Kabinett Bericht.89 f) Wie groß ist das Budget und wo ist es im Staatshaushalt angegeben? Die Finanzierung des CSIS wird jeweils in dessen Jahresbericht veröffentlicht. Dabei schlüsselt die Statistik die Ausgaben in operative, Personal- und Erweitungsausgaben auf (Construction Capital). Für 2003/2004 wurden 264 Millionen Can-$ veranschlagt.90 3. Exekutive a) Wie und durch wen wird der Auslandsnachrichtendienst gelenkt und mit den anderen Diensten koordiniert? Die Koordination liegt beim zuständigen Minister, d.h. dem Justizminister (Solicitor General). Ihm obliegt die politische Verantwortung. Einmal im Jahr verfasst der Minister einen Bericht mit den nationalen Aufklärungsinteressen für den CSIS und stellt dar, wie der Geheimdienst vorgehen soll bei der Sammlung und Auswertung von Nachrichten und welche Beratungspflichten der CSIS hat.91 Unterstützt wird der Justizminister vom „Deputy Solicitor General“. Der „Director General“ (siehe auch Abschnit „CSIS“) stellt über den „Deputy Solicitor General“ die Verbindung zur im nächsten Abschnitt beschriebenen Kontrollinstanz SIRC her und er evaluiert den Langzeitauftrag des Ministers.92 Je nach Zufriedenheit vergibt er Zertifikate. 4. (Parlamentarische) Kontrolle a) Welche Gremien widmen sich der Kontrolle des Auslandsnachrichtendienstes, seines Budgets und der Fernmeldeüberwachung? Die legislative Kontrolle ist darauf beschränkt, den Premierminister bei der Ernennung der Mitglieder des Security Intelligence Review Committee (SIRC) zu beraten.93 Dieses ist eine unabhängige Institution, die die Aktivitäten des SIRC im Rückblick (keine laufenden Aktivitäten)94 beurteilt. Es verfasst einen jährlichen Bericht95 (meist erscheint er im Oktober)96 für das Parlament, genauso wie Studien zu bestimmten Themen. Fünf Mitglieder97 bilden das Committee, die für maximal fünf Jahre dieses Amt ausüben. Sie werden ernannt durch den Governor-General aus dem „Queen`s Privy Council for Canada“ (Könglicher Staatsrat) heraus und in Abstimmung mit den Regierungs- und Oppositionsparteien beider Kammern. Meist handelt es sich um erfahrene Persönlichkeiten aus Politik und Verwaltung. Nach Born/Tuler hat das SIRC 12

89 Born, Hans u. Tuler, Matias: Parliamentary Democracy and Intelligence, S. 15 90 http://www.csis-scrs.gc.ca/eng/publicrp/pub2002_e.html, 23.01.2004 91 http://www.sirc-csars.gc.ca/about_e.html 23.01.2004 92 http://www.csis-scrs.gc.ca/eng/backgrnd/back2_e.html 23.01.2004 93 Born, Hans u. Tuler, Matias: Parliamentary Democracy and Intelligence, S. 15 94 http://www.sirc-csars.gc.ca/about_e.html 23.01.2004 95 aktueller Bericht abrufbar unter: http://www.tbs-sct.gc.ca/est-pre/20032004/SIRC-CSAR/SIRC-CSARsr34_e.asp, 23.01.2004 96 http://www.sirc-csars.gc.ca/about_e.html 23.01.2004 97 im Moment sind dies Paule Gauthier (Vorsitzender), Baljit S. Chadha, Gary Filmon, Roy Romanow und Raymond Speaker

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Mitarbeiter.98 Die Aufgaben liegen im Nachprüfen der Berichte des CSIS Direktors und des verantwortlichen Ministers. Es beurteilt die Vollmachten, die der Staatsanwalt (Attorney General) gibt, überprüft Regularien (darunter auch die operative Politik des CSIS und Dienstanweisungen)99 sowie relevante Statistiken und -- sehr wichtig -- es überprüft die politische Lenkung des zuständigen Ministers.100 Das SIRC darf Befragungen und Untersuchungen durchführen. Dabei hat es die Macht, eine eidesstattliche Erklärung abzuverlangen. Ihm darf kein Zugang zu Informationen im Bereich der Nachrichtendienste verwehrt werden, außer in einigen wenigen vom Queen`s Privy Council definierten Fällen.

Da der SIRC im Vergleich zum CSIS recht schmal besetzt ist, kann die Kontrolle mehr als Krisenmanagement bezeichnet werden. Es können nur ausgewählte Fälle untersucht werden.101

b) Wie ist die Kontrolle praktisch organisiert? (Wahl der Mitglieder, Sitzungsrhythmus, u.ä.)? Das Committee trifft sich monatlich, um die Prioritäten festzulegen und die Arbeitsergebnisse des Mitarbeiterstabes (in Ottawa ansässig) zu kontrollieren. In der Hand des „Executive Directors“ - im Moment ist dies Susan Pollak - liegt die alltägliche Überwachung der Operationen. In dringenden Fällen bespricht er sich mit dem Vorsitzenden des Committees. Dem Mitarbeiterstab obliegt auch die Sitzungsvorbereitung – oft müssen auf Grund des hohen Geheimhaltungsgrades besondere Sicherheitsvorbereitungen getroffen werden. Der CSIS besitzt einen speziell gesicherten Raum für die Nachforschungen der Committee-Mitglieder. 102

c) Welche Kontrollrechte besitzen die Gremien? Gibt es besondere – von anderen parlamentarischen Gremien abweichende Rechte? Es handelt sich um kein parlamentarisches Gremium. d) Eingriffe in die Bürgerrechte: In wie weit hat dort das Parlament weitere Kontrollmöglichkeiten? Jeder Bürger kann sich in Fragen des Nachrichtendienstes an das Security Intelligence Review Committee wenden (wie es CSIS Act festlegt). Außerdem werden Beschwerden gegen eine abschlägige Sicherheitsüberprüfung (z.B. für den Staatsdienst) oder eine abschlägige Einbürgerung auf Grund von Sicherheitsbedenken103 untersucht. 5. Kontrolle durch Öffentlichkeit a) In wie weit hat die Öffentlichkeit (vor allem die Medien) Zugang zu Fragen des Auslandsnachrichtendienstes? Der CSIS betreibt eine offensive Informationspolitik (siehe z.B. die Internetseite). Ebenso bietet Security Intelligence Review Committee vielfältige Informationsangebote. 6. Landesspezifische Besonderheiten a) Gibt es im Rahmen des Auslandsnachrichtendienstes noch bemerkenswerte Besonderheiten?

98 Born, Hans u. Tuler, Matias: Parliamentary Democracy and Intelligence, S. 16 99 http://www.sirc-csars.gc.ca/about_e.html 23.01.2004 100 http://www.sirc-csars.gc.ca/about_e.html 23.01.2004 101 http://www.sirc-csars.gc.ca/about_e.html 23.01.2004 102 http://www.sirc-csars.gc.ca/about_e.html 23.01.2004 103 http://www.csis-scrs.gc.ca/eng/backgrnd/back2_e.html 23.01.2004

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Als Lehre aus dem 11. September 2001 wurde ein „Integrated National Security Assessment Centre (INSAC)“ eingerichtet. Es soll dazu dienen, den Informationsaustausch zwischen allen Organisationen zu verbessern, die mit der nationalen Sicherheit betraut sind. Das heißt nicht nur die Nachrichtendienste sondern auch jene, die mit Verteidigung, Einwanderung, Transport, Kommunikation, Zoll, kritischer Infrastruktur, Auslandsangelegenheiten (foreign affairs) und Gesetzgebungsverfahren beschäftigt sind, um so eine effiziente Auswertung möglich zu machen. Es handelt sich dabei um folgende Institutionen:

• Canada Customs and Revenue Agency • Canadian Security Intelligence Service • Communications Security Establishment • Department of National Defence • Office of Critical Infrastructure Protection and Emergency Preparedness • Royal Canadian Mounted Police • Transport Canada • Department of Foreign Affairs • Solicitor General • Citizenship and Immigration Canada

Das INSAC ist im Hauptsitz des CSIS in Ottawa untergebracht und erhält von dort die nötige logistische Unterstützung. Das Personal rekrutiert sich aus den Nachrichtendiensten. Es unterliegt der gleichen Kontrolle wie der CSIS.104

7. Quellen und Fachliteratur Born, Hans u. Tuler, Matias: Parliamentary Democracy and Intelligence – Comparing legal frameworks of United Kingdom, Canada, Ukraine, Czech Republic, Turkey and South Africa, Hrsg: Geneva Centre for the Democratic Control of Armed Forces, Geneva, Oktober 2002. The Canadian Security and Intelligence Community, Hrsg.: Her Majesty the Queen in Right of Canada, 2001. http://www.pco-bcp.gc.ca Wark K., Wesley: Canada’s Access to Information Act and the Canadian Security and Intelligence Community, Hrsg: Geneva Centre for the Democratic Control of Armed Forces, Geneva, Oktober 2002. Internetadressen: CSIS: http://www.csis-scrg.gc.caSIRC: http://www.sirc-csars.gc.caInspector General, Canadian Security Intelligence Service: http://www.sgc.gc.ca/igcsis/index_e.asp Subcommittee on National Security of the Standing Committee on Justice and Human Rights: http://www.parl.gc.ca/InfoCom/CommitteeMain.asp?Language=E&CommitteeI=3298&Joint=0 Parlament: http://www.parl.gc.ca Canadian Association for Security & Intelligence Studies: http://www.casis.ca

104 http://www.csis-scrs.gc.ca/eng/backgrnd/back13_e.html 23.01.2004

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Niederlande 1. Allgemeines a) Welche Dienste existieren im Land? (Name und Gründungsjahr) Vom 1. Januar 1994 bis 2002 gab es offiziell keinen Auslandsnachrichtendienst in den Niederlanden.105 Der Hintergrund war, dass der IDB, der ehemalige Auslandsnachrichtendienst, zu Beginn der 90er Jahre in innere Konflikte und Skandale verwickelt war. Eine ministerielle Entscheidung führte dazu, dass nur noch zwei Nachrichtendienste bestehen blieben und diesen die Aufgaben des IDB zugeschlagen wurden: einmal der Binnenlandse Veilingheidsdienst (BDV), der allein für die Innere Sicherheit zuständig war, und der Militaire Inlichtingen Dienst (MID), der militärische Nachrichtendienst. Seit 2002 heißt der BVD nun Algemene Inlichtingen- en Veiligheidsdienst (AIVD) oder auf Englisch „General Intelligence and Security Service.“106

Das Geheimdienstgesetz wurde 2002 dahingehend geändert, dass der frühere Inlandsgeheimdienst BVD das Mandat erhielt, auch im Ausland Informationen zu sammeln. So vereinigt der AIVD nun Inlands- und Auslandsaufklärung unter einem Dach. Sein Sitz ist in und um Den Haag verteilt. 2. Der Auslandsnachrichtendienst a) Welchen Aufgabenbereich besitzt er? Den Aufgabenbereich setzt der Premierminister zusammen mit dem Verteidigungsminister, dem Innenminister und dem „Minister of Kingdom Relation“ fest. Allgemein fällt dem Dienst vor allem die klassische Inlandsspionage zu; er soll Organisationen und Personen beobachten, die die innere Sicherheit, das demokratische System oder die vitalen Interessen des Staates bedrohen. Genauso ist die Sicherheitsüberprüfung Teil der AIVD Arbeit. Der aktuelle Focus liegt auf dem internationalen Terrorismus, illegale Migration, dem Beobachten von Einwanderern und der Entwicklung von terroristischen Gruppen, sowie Schleusergruppen, Schmuggel und Proliferation. Als wichtiges Feld wird die Spionageabwehr bezeichnet (z.B. gegenüber Russland), aber auch der Schutz von politischen Flüchtlingen, die von Geheimdiensten ihrer Heimatländer aufgespürt werden, nennt Riems.107 b) Welchem Regierungsorgan ist er unterstellt? Der AIVD ist dem Innenministerium unterstellt. c) Gibt es eine gesetzliche Grundlage? Wenn ja, welche? Das „Gesetz über die Nachrichten- und Sicherheitsdienste“ – „Wet op de Inlichtingen- en Veiligheidsdiensten“ – regelt die Aufgaben des AIVDs genauso wie die des militärischen Geheimdienstes. Das erste Gesetz wurde am 3. Dezember 1987 erlassen. Es erfuhr Ergänzungen durch Erlasse des Premierministers, des Innenministeriums, des Verteidigungsministeriums, des Justizministeriums usw.108 Die wichtigste Änderung erfolgte – wie schon erwähnt – am 29. Mai 2002.

105 Klerks, Peter in: Schmidt-Eenboom, S. 1 106 http://www.fas.org/irpworld/netherlands/Bvd.htm, S. 1, 10.01.04 107 Riems, Joy M. Wijnen, S.5 108 http://www.fas.org/irpworld/netherlands/Bvd.htm, S. 2, 10.01.04

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d) Wie ist er aufgebaut? Wie viele Mitarbeiter hat er? Der Vorläufer BDV hatte 2001 einen Personalbestand von 749. Es ist anzunehmen, dass die Mitarbeiterzahl durch den neuen Aufgabenbereich aufgestockt wurde. Der Aufbau stellt sich folgendermaßen dar:

e) Wie ist die Leitung des Dienstes organisiert? Der aktuelle Leiter des AIVDs ist S.J. (Sybrand) van Hulst. Über die Ernennungsmodalitäten konnte nichts recherchiert werden. f) Wie groß ist das Budget und wo ist es im Staatshaushalt angegeben? Im jährlichen Verteidigungshaushalt erscheinen, laut Peter Klerk, keine Hinweise auf Positionen, die mit dem militärischen Nachrichtendienst zusammenhängen.109 Das Budget des BVDs war vor allem Teil des Innenministeriums und des Ministeriums für königliche Beziehungen (Kingdom Relations). Riems gibt das Budget für 2001 mit 57,7 Millionen Euro für das öffentliche Budget und mit 1,9 Millionen Euro für das geheime Budget an.110

3. Exekutive a) Wie und durch wen wird der Auslandsnachrichtendienst gelenkt und mit den anderen Diensten koordiniert? Die Koordination und die politische Aufgabenabsteckung der Nachrichtendienste übernimmt die interministerielle Kommission für die Nachrichten- und Sicherheitsdienste (MIVD). Dies geht aus dem Artikel 3 des WIV Staatsblad hervor.111 Zusätzlich gibt es noch das Intelligence and Security Board (RIV). Vorsitzender ist der Premierminister, Mitglieder sind weiterhin der Vizepremier, die Minister der Verteidigung, des Inneren, der königlichen Beziehungen, des Äußeren und der Justiz.112 Andere Minister können hinzugezogen werden. Außerdem sind der Vorsitzende und die Mitglieder des im folgenden zu beschreibenden Kontrollgremiums bei Betroffenheit hinzuzuziehen.113

Der „Koordinator der Nachrichten- und Sicherheitsdienste“ (Artikel 4, WIV Staatsblad) bereitet die Treffen vor, berät die Minister und leitet das Sekretariat des „Komitee Vereinigte Nachrichtendienste Niederlande (CVIN)“. Einmal pro Monat tagen die

109 Klerks, Peter in: Schmidt-Eeenboom, S. 9 110 Riems, Joy M. Wijnen, S.4 111 http://www.aivd.nl/contents/pages/00015576/WIV_Staatsblad.pdf 112 Annual Report of the Defence Intelligence and Security Services oft the Netherlands 2002, S. 32 113 Annual Report of the Defence Intelligence and Security Services oft the Netherlands 2002, S. 32

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Leiter der Dienste und ein Vertreter des Außenministeriums, um die Nachrichtendienst- Politik zu koordinieren, die Aufgaben und Tätigkeiten abzustimmen sowie auszuwerten. 4. (Parlamentarische) Kontrolle a) Welche (parlamentarischen) Gremien widmen sich der Kontrolle des Auslandsnachrichtendienstes, seines Budgets und der Fernmeldeüberwachung? Das Parlament verfügt über einen ständigen Ausschuss für Geheimdienst- und Sicherheitsangelegenheiten (Commissie voor de Inlichtigen- en Veiligheidsdiensten) dem acht Mitglieder (inkl. Vorsitzendem) angehören. 114 Es sind die Vorsitzenden der größten im Parlament vertretenden Parteien der zweiten Kammer.115 Der Vorsitzende ist zur Zeit M.J.M. Verhagen von der CAD. Die Sitzungen sind vertraulich und die Mitglieder zu Verschwiegenheit verpflichtet. Dem Parlament erstattet der Ausschuss einmal jährlich in einer öffentlichen Sitzung Bericht.

Der Verfassung nach sind die Minister nicht verpflichtet, dem Ausschuss Informationen zu geben, wenn Sicherheitsinteressen entgegenstehen. Es gibt jedoch ein breites Auskunftsrecht und die Pflicht der relevanten Minister und Leiter der Geheimdienste, vor dem Ausschuss zu erscheinen. Ist es ihnen nicht möglich, müssen sie einen Stellvertreter benennen.116 Auf Anfrage der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages erklärte der Sekretär des Ausschusses, sie hätten „alle relevanten Informationen erhalten“.117 b) Wie ist die Kontrolle praktisch organisiert? (Wahl der Mitglieder, Sitzungsrhythmus, u.ä.)? Die Mitglieder werden vom zuständigen Minister für sechs Jahre ernannt. Eine Wiederernennung ist nur einmal möglich. Zwei der drei Mitglieder müssen einen juristischen Doktorgrad besitzen (oder „meesters“ in einem geisteswissenschaftlichen Fach sein). Ein Sekretariat unterstützt die Arbeit des Gremiums.118

c) Welche Kontrollrechte besitzen die Gremien? Gibt es besondere – von anderen parlamentarischen Gremien abweichende Rechte? Es können Experten hinzugezogen werden. Besuche bei den Diensten sind jedem Mitglied jeder Zeit möglich. 119

d) Eingriffe in die Bürgerrechte: In wie weit hat dort das Parlament weitere Kontrollmöglichkeiten? Es gibt außerhalb des Parlaments einen „Nationalen Ombudsmann“, der Eingaben der Bürger gegen die Nachrichtendienste vertritt.120 5. Kontrolle durch Öffentlichkeit a) In wie weit hat die Öffentlichkeit (vor allem die Medien) Zugang zu Fragen des Auslandsnachrichtendienstes?

114 Aktuell sind dies: Verhagen, J.M. (CDA), Bos, W.J. (PVAD), Aartensen, Van, J.J. (VVD) 115 Quelle Niederländisches Parlament: http://www.tweede-kamer.nl/organisatie/communicatie/internationaal/index.jsp, 10.01.04 116 Bulletin of Acts, Orders and Decrees of the Kingdom of the Netherlands, act of 7 February 2002, Intelligence and Security Services Act, Chapter 6 117 Wissenschaftliche Dienste, S. 19 118 Bulletin of Acts, Orders and Decrees, Chapter 6 119 Bulletin of Acts, Orders and Decrees, Chapter 6 120 Hirsch, Alexander: Die Kontrolle der Nachrichtendienste, S. 222

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Es besteht keine ausgeprägte Öffentlichkeitsarbeit der niederländischen Dienste. 6. Quellen und Fachliteratur Annual Report of the Defence Intelligence and Security Service of the Netherlands 2002, closed on 15 March 2003, Published by the Defence Intelligence and Security Service, P.O. Box 20701, 2500 ES The Hague. Bulletin of Acts, Orders and Decrees of the Kingdom of the Netherlands, act of 7 February 2002, Intelligence and Security Services Act, erhältlich unter www.fas.org Hirsch, Alexander: Die Kontrolle der Nachrichtendienste – Vergleichende Bestandsaufnahme, Praxis und Reform, Berlin 1996. Jahresbericht/Jaarverslag 2000 des BVDs Hrsg.: Binnenlandse Veiligheidsdienst, Den Haag, Mai 2001. Klerks, Peter: 1.3.1 Königreich Niederlande, (in Schmidt-Eenboom, Erich: Nachrichtendienste in Nordamerika, Europa und Japan, Länderporträts und Analysen), Weilheim, 1995. Riems, Joy M. Wijnen: Historical Overview: National Security Service (BVD) to General Intelligence and Security Service (AIVD), Hrsg: Geneva Centre for the Democratic Control of Armed Forces, Geneva, 2002. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages: Ausarbeitung über “Parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit in einigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, Norwegen und den USA“, Fachbereich I, Bearbeiter: Baddenhausen-Lange, 11.09.1995. Internetadressen: Commissie voor de Inlichtingen – en Veiligheidsdiensten: http://www.tweede-kammer.nl/leden_commissies_fracties/griffie_lfc/commissieIV.html Niederländisches Parlament: http://www.tweede-kamer.nl AIVD (dort sind auch die Gesetzänderungen zu finden): http://www.aivd.nl Allgemeine Information (englisch): http://www.fas.org/irp/world/netherlands/bvd.htm

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Rumänien 1. Allgemeines a) Welche Dienste existieren im Land? (Name und Gründungsjahr) Momentan verfügt Rumänien über sechs Geheimdienste und ministerielle Substrukturen, die mit geheimer Sammlung von Nachrichten zu tun haben. Neben dem Auslandsgeheimdienst SIE (Serviciul de informatii externe, 1990), dem Inlandsgeheimdienst SRI (Serviciul roman de informatii, 1991), dem SPP (Serviciul de Pază si Protecţie, Sicherheitsdienst für rumänische und ausländische VIPs), dem DGIA (Direcţia Generală de Informaţii a Apărarei, militärischer Geheimdienst), der DGIPI (Direcţia Generală de Informaţii şi de Protecţie Internă Generaldirektorat für Spionageabwehr und Geheimschutz des Innenministeriums) und die SIPA (Serviciul Independent de Protecţie şi Anticorupţie, Aufklärungsdienst gegen Korruption des Justizministeriums).121

2. Der Auslandsnachrichtendienst a) Welchen Aufgabenbereich besitzt er? Der Aufgabenbereich des SIE wird sehr pauschal definiert und lässt sich daher nur indirekt dem Organisationsschema entnehmen. Es gibt jedoch ein Leitbild für die Jahre 2001 bis 2004, welches Schwerpunkte und Entwicklungslinien des Dienstes abbildet. Einmal wird dort als Ziel festgelegt, internationale und europäische Standards (vor allem die der NATO) zu erreichen. Außerdem soll bis 2004 der Kampf gegen den internationalen Terrorismus und das Organisierte Verbrechen, Gegenspionage im ausländischen, politischen Bereich, Spionageabwehr und der Aufbau internationaler Kooperationen im Mittelpunkt stehen.122

b) Welchem Regierungsorgan ist er unterstellt? Der SIE ist keinem Regierungsorgan direkt unterstellt. Übergeordnet fungiert das CSAT (Supreme Defence Council of the Country). Weiteres siehe im Abschnitt „2. Exekutive“. c) Gibt es eine gesetzliche Grundlage? Wenn ja, welche? Am 8. Februar 1990 wurde mit dem Dekret 111 das „Council of the National Salvation Front“, der CIE – der Auslandsbereich der Securitate - reorganisiert.123 Am 13.12.1990 trat das Gesetz Nr. 39 in Kraft und schuf den SIE und bestellte die CSAT (Supreme Council for the Country`s Defense) zur Aufsichtsbehörde. Das erste nationale Sicherheitsgesetz wurde im Juli 1991 verfasst. Es enthielt bereits die Notwendigkeit einer parlamentarischen Kontrolle. Im Dezember des gleichen Jahres unterstrich die erste Verfassung noch einmal die Überwachung des Verteidigungs- und Sicherheitsbereiches durch beide Kammern des Parlaments. Das erste Gesetz für den SIE, welches seine Organisation, Funktionen und Aktivitäten näher klären sollte, entstand erst am 6. Januar 1998. d) Wie ist er aufgebaut? Wie viele Mitarbeiter hat er? Über die Anzahl der Mitarbeiter konnte nichts in Erfahrung gebracht werden.

121 Watts, Larry L: Control and oversight of security intelligence in Romania, S. 2 122 http://www.dci.ro/defaulte.htm, 11.01.04 123 http://www.dci.ro/defaulte.htm, 11.01.04

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Laut der Homepage des SIE sieht der Aufbau folgendermaßen aus:

e) Wie ist die Leitung des Dienstes organisiert? Der Dienst wird von einem Direktor mit Ministerrang geleitet, aktuell ist dies Gheorghe Fulga. Das CSAT (Supreme Defence Council of the Country) ernennt ihn auf Vorschlag des Präsidenten. Innerhalb des Dienstes gibt es ein “Managing Board”, welches vom Direktor zusammengestellt und mit Kompetenzen ausgestattet wird. 124

f) Wie groß ist das Budget und wo ist es im Staatshaushalt angegeben? Die Finanzplanung, das Rechnungswesen und die einzelne Verwendung des Budgets wird vom Lenkungsausschuss vorgenommen CSAT125. Über die Höhe konnte nichts in Erfahrung gebracht werden. 3. Exekutive a) Wie und durch wen wird der Auslandsnachrichtendienst gelenkt und mit den anderen Diensten koordiniert? Um parteipolitischen Einfluss zu verhindern, ist der SEI nicht einer Regierungsstelle nachgeordnet. Für Organisations- und Koordinationsaufgaben für den Auslandsnachrichtendienst ist der CSAT zuständig (Supreme Defence Council of the Country). Er besteht aus zehn stimmberechtigten Mitgliedern: dem Präsidenten (Vorsitzender), dem Vizepräsidenten (stellvertr. Vorsitzender), den Ministern für Industrie, Verteidigung, Inneres und Äußeres, dem nationalen Sicherheitsberater des Präsidenten, den Leitern von SRI und SEI und dem Generalstabschef.126 Die Sitzungen müssen einmal im Quartal stattfinden, finden jedoch in der Praxis monatlich statt. 4. (Parlamentarische) Kontrolle a) Welche (parlamentarischen) Gremien widmen sich der Kontrolle des Auslandsnachrichtendienstes, seines Budgets und der Fernmeldeüberwachung?

124 Law on the organization and functioning of the Foreign Intelligence Service, http://www.dci.ro/defaulte.htm, 11.01.04 125 Law on the organization and functioning of the Foreign Intelligence Service, http://www.dci.ro/defaulte.htm, 11.01.04 126 Watts, Larry L: Control and oversight of security intelligence in Romania, S. 9

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Die Anfänge der Kontrolle hielten mit der frühen Einrichtung der Geheimdienste – vor allem des Inlandsgeheimdienstes - nicht mit. So spricht Watts für die Jahre 1990 bis 1992 von einer oberflächlichen Kontrolle, da sie durch mehrere Ausschüsse beider Kammern stattfand127. Zudem lähme das „halbpräsidentielle“ System mit einer Aufteilung der exekutiven Vollmachten auf den Präsidenten und den Premierminister die politische Durchsetzungskraft der Parlamentarier: Schließlich sei der oberste Kontrolladressant der Präsident, der jedoch nicht parteipolitisch eingebunden, sondern neutral zu sein habe. Die Erfahrungen des staatlichen Zentralismus` ließen die Rumänen an dieser Aufteilung festhalten. Mit dem Gesetz Nr. 44, 1998, entstand dann ein eigenes Kontrollgremium für den SIE128:

Das „Joint Standing Committee of the Chamber of Deputies and the Senate for the exercise of parliamentary control over the activity of the Foreign Intelligence Service SIE“ (im folgenden kurz Kommission genannt) setzt sich aus Mitgliedern beider Kammern zusammen. Interessant ist Artikel 2 des Kontrollgesetzes, wo der Schwur der Kommissionsmitglieder dargelegt wird: Sie müssen nicht nur die Verfassung achten und die Geheimschutzbedingungen einhalten, sondern auch schwören, nicht mit der Securitate kollaboriert zu haben und kein früherer Geheimdienstmitarbeiter zu sein. b) Wie ist die Kontrolle praktisch organisiert? (Wahl der Mitglieder, Sitzungsrhythmus, u.ä.)? Zu den Sitzungen der Kommission können die Vorsitzenden der Ausschüsse für Verteidigung, des Rechts und der Nationalen Sicherheit, Mitglieder des Lenkungsausschusses CSAT, die ständigen Büros der beiden Häuser oder andere Personen eingeladen werden. Die Entscheidungen werden von den Mitgliedern mit einfacher Mehrheit gefällt. Das ständige Büro der beiden Kammern unterstützt mit seinen Sekretariaten die Arbeit der Kommission.129

Seit dem 25. April 2001 ist Nicolescu Constantin der Vorsitzende. Er und sein Stellvertreter gehören dem Senat an, die drei Mitglieder den Deputierten. Zuvor hatte den Vorsitz der Deputierte Priboi Ristea130. Diese Aufteilung (3 Deputierte und 3 Senatoren) ist im Auslandsgeheimdienstgesetz festgeschrieben. Sie werden aus den Kommissionen der Verteidigung, der Nationalen Ordnung (Public Order) und der Nationalen Sicherheit der beiden Kammern gewählt. Verlassen sie ihre Kommissionen, erlischt automatisch ihre Mitgliedschaft im Kontrollgremium. c) Welche Kontrollrechte besitzen die Gremien? Gibt es besondere – von anderen parlamentarischen Gremien abweichende Rechte? Per Artikel sechs sind die Mitglieder dazu autorisiert:

a) die Einhaltung der Gesetze und der Verfassung durch den SIE zu kontrollieren; b) die vom Geheimdienst erlassenen Regeln und Verordnungen auf ihre Konformität

mit den rumänischen Gesetzen, der Verfassung, den Entscheidungen des Supreme Defence Council (CSAT), den Regierungsbeschlüssen - soweit sie die Arbeit des CSAT unterstützen sollen - zu überprüfen;

c) eine Budgetkontrolle mit Einzelpostenanalyse vorzunehmen; d) den Vorschlag des Präsidenten für das Amt des SIE-Leiters zu beurteilen oder mit

einem schriftlichen Bericht dessen Entlassung zu fordern; e) Vorgehensweisen bei juristischen Verstößen von SIE Aktionen festzulegen; f) zu analysieren und zu verifizieren ob Eingaben von Bürgern, die sich in ihren

Grundrechten durch den Geheimdienst bedroht oder verletzt fühlen, zu einer Beschwerde Anlass geben,

127 Watts, Larry L: Control and oversight of security intelligence in Romania, S. 9 128 http://www.dci.ro/defaulte.htm, 11.01.04 129 http://www.dci.ro/defaulte.htm, 11.01.04 130 http://www.cdep.ro/pls/parlam/structura.co?leg=2000&cam=0&idc=21&proz=0&idl=2 09.01.04

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g) die Kriterien der Personalauswahl des SEI zu überprüfen; h) politische Kontrolle der SIE Operationen auszuüben; i) die Zusammenarbeit des SIE mit anderen Sicherheitsinstitutionen zu beobachten; j) die Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten zu beobachten; k) Gesetze, die sich mit dem SIE beschäftigen, vorzubereiten; l) weitere Verantwortlichkeiten, die das Parlament der Kommission stellt

auszufüllen. Die Kommission hat das Recht, vom SIE Direktor für seine Aufgaben Akten, Daten und Informationen anzufordern oder auch Personen zu befragen. Fragen müssen vom SIE zügig bearbeitet werden. Auskunft kann allerdings auf Grund von Sicherheitsinteressen verweigert werden. d) Eingriffe in die Bürgerrechte: In wie weit hat dort das Parlament weitere Kontrollmöglichkeiten? Für derartige Eingriffe besteht – nach den Recherchen - nur eine juristische Kontrolle. 5. Kontrolle durch Öffentlichkeit a) In wie weit hat die Öffentlichkeit (vor allem die Medien) Zugang zu Fragen des Auslandsnachrichtendienstes? aus den Recherchen ergibt sich kein einheitliches Bild 6. Quellen und Fachliteratur Muresan, Liviu: New challenges, new opportunities – the security sector reform in Romania, Working Paper No. 97, Geneva Centre for the Democratic Control of Armed Forces, Geneva, Oktober 2002. Watts, Larry L.: Control and oversight of security intelligence in Romania, Working Paper No. 111, Geneva Centre for the Democratic Control of Armed Forces, Geneva, Februar 2003. Zulean, Marian: Transformation of the Romanian civil-military relations after 1989, Working Paper No. 25, Geneva Centre for the Democratic Control of Armed Forces, Geneva, Juli 2002. Gesetze: Law on the organization and functioning of the Foreign Intelligence Service, http://www.dci.ro/defaulte.htm, 11.01.04 Kontrollgesetz: Rule No. 44 / 1998 on the Setting up, Organization and Functioning of the Special Parliamentary Commission for Overseeing the Foreign Intelligence Service (SIE) http://www.dci.ro/defaulte.htm, 11.01.04 Internetadressen: Rumänisches Parlament: http://www.cdep.ro SIE: http://www.dci.ro Geneva Centre for the Democratic Control of Armed Forces: http://www.dcaf.ch

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Russland 1. Allgemeines a) Welche Dienste existieren im Land? (Name und Gründungsjahr) FAPSI (1991, erstes Dekret, 1993 zweites Dekret)131 (Federalnoie Agentstvo Pravitelstvennoi Svjazi Informatsii) Die Fernmelde- und elektronische Aufklärung des KGB übernahm die FAPSI, der Föderationsdienst für Regierungskommunikation und Information. Seit Gorbatschows Dekret vom 29.08.1991 bis zum Ende der UdSSR firmierte die FAPSI als „Komitee für Regierungskommunikation des Präsidenten der UdSSR“ (KPS).132 KPS/FAPSI gehen zurück auf die 8. Hauptverwaltung, die 12. und 16. Verwaltung des KGB. Sie waren zuständig für das Regierungsfernmeldewesen, die Kryptographie sowie die Aufklärung telekommunikativer Verkehre, deren Entschlüsselung und Abhörmaßnahmen. Diese Aufgaben übernahm die FAPSI bis März 2003. Heute gehört ihr Aufgabenbereich zum FSB. Sie ergänzte die militärische Fernmelde- und elektronische Aufklärung der GRU um die Bereiche der Diplomatie, der Politik und der Wirtschaft. Ihr Zuständigkeitsbereich war nicht nur Russland, sondern gemäß einer vertraglichen Vereinbarung die gesamte GUS.133

FPS (1991) (Federalnaia Pogranitshnaia Slushba) Der Föderale Dienst für Grenzschutz war bis März 2003 zuständig für die Sicherung und Bewachung der russischen Außengrenzen. Eine Abteilung sollte dabei auch in den Grenzregionen Auslandsaufklärung betreiben. Wie die FAPSI wurde dieser Bereich dem FSB zugewiesen. FSB (1993) (Federalnaia Slushba Bezopasnosti) Der Inlandsabwehr- und Sicherheitsdienst FSB ist zuständig für Verfassungsschutz-aufgaben. Dazu gehören die Spionageabwehr im militärischen und zivilen Bereich, die Bekämpfung von Terrorismus und die Aufklärung von Organisierter Kriminalität. Neben anderen Informationsbeschaffungsmaßnahmen werden dazu auch fremde Staats-angehörige observiert und abgeschöpft. In jüngster Zeit soll die Überwachung des Internets eine bedeutendere Rolle bekommen haben. In bestimmten Fällen ist der FSB auch befugt, Auslandsaufklärung zu betreiben. FSO (1996) (Federalnaia Slushba Okhrani) Der FSO ist ein Schutzdienst, der für die Sicherheit von Regierung und Präsident zuständig ist. Dazu gehören Personen- und Objektschutz, nach Weisung des Präsidenten sind aber auch nachrichtendienstliche Aktivitäten zur Abwehr oder Aufklärung möglich.

131 folgende Aufstellung siehe auch: http://www.geheimdienste.org/russland.html 132 Bakatin, Wadim, Im Innern des KGB, S. 100; zitiert nach: Wegmann, Bodo: Russische Föderation, S. 871. 133 Wegmann, Bodo: Russische Föderation, S. 850.

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GRU (1991/1992 übernommen) (Glavnoie Rasvedyvatelnoie Upravlenie) Der militärische Auslandsnachrichtendienst GRU ist zuständig für die militärische Aufklärung im Ausland und untersteht dem russischen Verteidigungsministerium. Er soll Informationen aus den Bereichen Militärpolitik, -strategie, -geografie, Rüstungstechnik und militärisch nutzbarer Produkte sammeln und auswerten. SWR (1991) (Slushba Vneishnei Rasvedki) Der SWR ist zuständig für die zivile Auslandsaufklärung. [weitere Angaben folgen] 2. Der Auslandsnachrichtendienst a) Welchen Aufgabenbereich besitzt er? Die Auslandsaufklärung des KGB ging in den SWR (Sluschba Wneschnej Raswedki134, Dienst für Auslandsaufklärung) über. Das Hauptquartier liegt inmitten des Waldes in Jasenewo135 (südöstlich von Moskau), gleich an der Moskauer Ring-Autobahn, in den Gebäuden der einstigen KGB-Hauptverwaltung I.136 Während einer kurzen Übergangszeit vom 11. Oktober bis zum 24. Dezember 1991 hieß der SWR CSR (Centralnaja Sluschba Raswedki, Zentraler Nachrichtendienst) und war Teil des MBWD/MBRF. Genau zwei Jahre später wurde er eigenständig.

In seine Zuständigkeit fallen die klassischen Belange der Auslandsinformati-onsbeschaffung. Das „Gesetz der Russischen Föderation über die Auslandsaufklärung“ vom 8. Juli 1992 weist in Artikel 2 und 5 aus, dass nachrichtendienstliche Beschaffung in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Verteidigungsfragen sowie im wissenschaftlich-technischen Bereich erfolgen solle.137 Dazu gehören auch die Bereiche der international operierenden Organisierten Kriminalität, Rauschgiftschmuggel, Terrorismus und Proliferation. Auf diesem Feld gibt es neue Kooperationen mit westlichen Diensten.138 Wenngleich die Ziele der russischen Dienste denen des sowjetischen KGBs durchaus ähnlich sind, haben nach Meinung Bodo Wegmanns sich doch die gestatteten Methoden und der Aufklärungsraum verändert.139 Die gesetzlich geregelten 'Arbeitsbeschreibung' der Organe sind aber – wie in den meisten Staaten – sehr vage formuliert. b) Welchem Regierungsorgan ist er unterstellt? Der Dienst ist dem Präsidenten unterstellt. c) Gibt es eine gesetzliche Grundlage? Wenn ja, welche? Der SWR wurde 1991 per Erlass des Präsidenten gegründet. Das Geheimdienstgesetz verabschiedete die Duma am 8. Dezember 1995, am 10. Januar 1996 unterschieb es der Präsidenten der russischen Föderation Boris Jelzin. d) Wie ist er aufgebaut? Wie viele Mitarbeiter hat er? Gegliedert ist der SWR zum einen in regionale Abteilungen: 1. USA, Kanada 2. Lateinamerika

134 Borcke, Vom KGB zum MBRF, S. 38; zitiert nach: Wegmann, Bodo: Russische Föderation, S. 869. 135 Schlomann, Friedrich-Wilhelm: Die heutige Spionage Russlands, S. 10. 136 West, Nigel, The Illegals S. 226; zitiert nach: Wegmann, Bodo: Russische Föderation, S. 869. 137 Schlomann, Friedrich-Wilhelm: Die heutige Spionage Russlands, S. 9. 138 Wegmann, Bodo: Russische Föderation, S. 859. 139 Wegmann, Bodo: Russische Föderation, S.850.

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3. Westeuropa (ohne Deutschland), Australien und Neuseeland 4. Deutschsprachige Länder, Osteuropa 6. Fernost 8. Nahost 9. anglophones Afrika 10. frankophones Afrika 17. Südasien 18. Mittelost Bei dem anderen Zweig, den Verwaltungen, ist primär hervorzuheben: Verwaltung R: Planung, Analyse, Auftragssteuerung Verwaltung R 1: Information, Auswertung Verwaltung K: Gegenspionage, Abwehr Verwaltung S: Illegale 140

Die Zahl der heutigen Hauptamtlichen wird im Westen allgemein auf 10.000 bis ca. 13.000 geschätzt. 141 e) Wie ist die Leitung des Dienstes organisiert? Der Präsident der russischen Föderation ernennt und erlässt den Leiter des SWR. Seit Mai 2000 leitet der Usbeke Sergej Nikolajewitsch Lebedew den Auslandsnachrichtendienst. f) Wie groß ist das Budget und wo ist es im Staatshaushalt angegeben? In geheimer Sitzung eines Unterausschusses der „Federal Assembly chambers“ wird das Budget des SWR verhandelt, die Duma und die „Federation Council“ müssen die Vorschläge billigen. 3. Exekutive a) Wie und durch wen wird der Auslandsnachrichtendienst gelenkt und mit den anderen Diensten koordiniert? In den 90er Jahren wurde das politische System Russlands hin zu einer stärker präsidial-zentralistisch Exekutive entwickelt. Der Apparat des Präsidenten der russischen Föderation ist für die Nachrichtendienste von besonderer Bedeutung, denn die Gesamtleitung aller nachrichtendienstlicher Tätigkeiten liegt in der Hand des Präsidenten. Der Kanzlei des Präsidenten untersteht zudem der Sicherheitsrat, dessen Einfluss unter Putin wuchs. Am 3. Juni 1992 von Boris Jelzin per Dekret eingesetzt und vier Jahre später noch einmal konkretisiert, gehören ihm die Chefs der Nachrichtendienste an. Sitz des Sicherheitsrates ist der Kreml. Seine Sitzungen sind stets geheim.142 Die Koordination der Nachrichtendienste liegt in der Hand des Präsidenten der russischen Föderation. 4. (Parlamentarische) Kontrolle a) Welche (parlamentarischen) Gremien widmen sich der Kontrolle des Auslandsnachrichtendienstes, seines Budgets und der Fernmeldeüberwachung? „Im Zuge des demokratischen Transformationsprozesses der russischen Gesellschaft bemühten sich die im Parlament vertretenen Gruppen auch um eine de facto Kontrolle

140 Schlomann, Friedrich-Wilhelm: Die heutige Spionage Russlands, S. 10 141 Schlomann, Friedrich-Wilhelm: Die heutige Spionage Russlands, S. 10; Bundesministerium des Innern: Verfassungsschutzbericht 2002, S. 223 142 Schneider, Eberhard: Staatliche Akteure russischer Außenpolitik, Abschnitt 15.

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über die Nachrichten- und Sicherheitsdienste, die bis dato lediglich de nomine bestanden hatte. Es wurde und wird das Ziel verfolgt, die Arbeit der Dienste auf demokratisch verabschiedete Gesetze zu stützen.“ (Bodo Wegmann, 1995). Am 21.02.1992 hatte der Oberste Sowjet die Kontrolle der Tätigkeit der Staatssicherheitsorgane und des SWR per Gesetz beschlossen. Ein Sonderausschuss leistete damals die Vorarbeit für das Gesetz. Im Oberhaus gibt es ein Komitee für Sicherheit und Verteidigung, im Unterhaus, der Staatsduma, ein Komitee für Verteidigungsangelegenheiten und ein Komitee für Sicherheitsangelegenheiten. Der SWR, die GRU, der FSB unterliegen dieser parlamentarischen Kontrolle und den Weisungen des Präsidenten.143 Der Präsidialdienst unterliegt hingegen keiner parlamentarischen Kontrolle.144 Wie die parlamentarische Kontrolle faktisch wirkt, war auf Grund der Literaturlage nicht zu ermitteln.

In der Schrift „The Formation and Development of the Russian KGB, 1991 bis 1994“ machen die Autoren Jeremy R. Azrael und Alexander G. Rahr eine negative Prognose: „Like an earlier attempt to create a somewhat similar parliamentary watchdog committee independent of the Committee on Defence and Security, this effort to subject the KBG to real parliamentary control was doomed to end in failure in the absence of stronger backing by the parliamentary leadership and the parliament itself.”145 Neben dem Kontrollgremium nutzt das Parlament auch ein weiteres ihrer Rechte: so gab es mehrere Untersuchungsausschüsse zur Rolle des KGBs.146

b) Wie ist die Kontrolle praktisch organisiert? (Wahl der Mitglieder, Sitzungsrhythmus, u.ä.)? nicht bekannt c) Welche Kontrollrechte besitzen die Gremien? Gibt es besondere – von anderen parlamentarischen Gremien abweichende Rechte? nicht bekannt d) Eingriffe in die Bürgerrechte: In wie weit hat dort das Parlament weitere Kontrollmöglichkeiten? nicht bekannt 5. Kontrolle durch Öffentlichkeit a) In wie weit hat die Öffentlichkeit (vor allem die Medien) Zugang zu Fragen des Auslandsnachrichtendienstes? Der SWR betreibt Pressearbeit und seine Leiter gaben (und geben) Interviews. Im Hauptquartier des Inlandsdienstes ist bereits seit einigen Jahren eine "'Pressebar' eingerichtet, in der Public-Relations-Offiziere befragt werden können. 147

6. Quellen und Fachliteratur Albaz, Jewgenija: Geheimimperium KGB: Totengräber der Sowjetunion, München, 1992;

143 siehe: Schlomann, Friedrich-Wilhelm: Die heutige Spionage Russlands, S. 11, 14 und 16. 144 siehe: Schlomann, Friedrich-Wilhelm: Die heutige Spionage Russlands, S. 16. 145 Azarael, Jeremy R. und Rahr, Alexander G.: The formation and Development of the Russian KGB, S. 10. 146 Wegmann führt den Untersuchungsausschuss unter Lew Ponomarjew an, der einer der führenden Personen der Fraktion „Demokratisches Russland“ gewesen sei. S. 857f. 147 Der Spiegel vom 18.11.1991, S. 181

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Azrael, Jeremy R. und Rahr, Alexander G.: The Formation and Development of the Russian KGB, 1991-1994, RAND Library Collection, National Defense Institute, Santa Monica, 1993; Bakatin, Wadim: Im Innern des KGB, Frankfurt/M., 1993; Bögeholz, Hartwig: Vom Beginn der Perestrojka bis zum Ende der Sowjetunion - eine Chronik, in Schewardnadse, Eduard et al., Revolution in Moskau, S. 285-310, Hamburg, 1991; Borcke, Astrid von: Vom KGB zum MBRF: Das Ende des sowjetischen Komitees für Staatssicherheit und der neue russische Sicherheitsdienst, in Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. B 21/92, S. 33-38, 15.05.1992; Der Spiegel vom 18.11.1991 Geworkjan, Natalija: Der KGB lebt, Berlin, 1992; Intelligence Newsletter, Paris; Knight, Ami: The Fate of the KGB Archives, in Slavic Review 52, Nr. 3, S. 582-586, Herbst 1993; Schlomann, Friedrich-Wilhem: Die heutige Spionage Russlands, Akademie für Politik und Zeitgeschehen, Hanns-Seidel-Stiftung, aktuelle Analysen 17, 1999, München; Schneider, Eberhard: Staatliche Akteure russischer Außenpolitik im Zentrum und in den Regionen, Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik, Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit, März 2002, Berlin; Verfassungsschutzbericht 2002 – Pressefassung – Bundesministerium des Innern, Berlin, 2002; West, Nigel: The Illegals, London, 1993. Internetquellen Länderinformationen: www.auswaertiges-amt.de Internetportal (Politik, Wirtschaft, Regionen etc.): www.osteuropa.ch/russland/ Radio Free Europe: www.rferl.org Pravda auf Englisch: www.english.pravda.ru Stiftung Wissenschaft und Politik: www.swp-berlin.org Hanns-Seidel-Stiftung: www.hss.de Allgemeine Informationen: www.geheimdienste.org/russland.html

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Spanien 1. Allgemeines a) Welche Dienste existieren im Land? (Name und Gründungsjahr) In Spanien gibt es nur einen Nachrichtendienst: den Centro National de Inteligencia (CNI). Er besteht seit Mai 2002, wobei es sich mehr um eine Umbenennung des CESID Centro Superior de Información de la Defensa handelt. Daneben spielen die Polizei und das Wachpersonal (Civil Guard) eine wichtige Rolle in der Innenpolitik, hauptsächlich im Bereich des Terrorismus, Geldwäsche, Mafia usw.. 148 2. Der Auslandsnachrichtendienst a) Welchen Aufgabenbereich besitzt er? Die Aufgaben des CNI sind:

a) Informationen zu sammeln, auszuwerten, zu analysieren und zu verteilen um so Spaniens politische, ökonomische, industrielle, kommerzielle und strategische Interessen zu schützen,

b) die Aktivitäten fremder Auslandsnachrichtendienste, die das Land bedrohen, zu verhindern,

c) Kooperationen mit anderen Nachrichtendiensten und internationalen Institutionen – sowie Staaten einzugehen, mit denen keine offiziellen diplomatischen Beziehungen eingegangen werden können,149

d) den strategischen Funkverkehr aufzuzeichnen, zu entschlüsseln und zu interpretieren,

e) Regierungsstellen bei der Verschlüsselung und Datensicherheit zu unterstützen.150 Im Artikel 4 des Gesetzes 11/2002 heißt es, die Grundmission des CNI sei, die Regierung mit Informationen, Analysen, Studien und Beratung zu unterstützen, um so Gefahr, Bedrohung und Agression für die Unabhängigkeit und die territoriale Integrität Spaniens abzuwenden sowie die nationalen Interessen, die Stabilität des Rechtsstaates und seiner Institutionen zu schützen. 151 b) Welchem Regierungsorgan ist er unterstellt? Der CNI untersteht dem Verteidigungsministerium.152 c) Gibt es eine gesetzliche Grundlage? Wenn ja, welche? Mit der Neugründung des CNIs per Dekret (2723/77) wurde der Geheimdienst erstmalig auf gesetzliche Füße gestellt. Dies sollte vor allem die juristische und parlamentarische Kontrolle (Artikel 11) verbessern. Das Gesetz trat am 7. Mai 2002 in Kraft. Es betont die Grundrechte, die in der spanischen Verfassung garantiert werden [Artikel 18 (2) und (3)]. Bei dem Gesetz handelt es sich vor allem um eine juristische Absicherung von Grundrechtseingriffen. Diese müssen vor dem obersten Gerichtshof beantragt werden. Dabei muss angegeben werden, welche konkreten Mittel eingesetzt werden und welche Gründe für den Eingriff vorliegen. Die Namen der Betroffenen werden hinterlegt. Nur in

148 Díaz, Antonio: per E-Mail, 19.01.04 149 siehe http://www.cni.es , 22.01.04 150 http://www.ugr.es/~aquiran/cripto/tribuna/2002-01-01_statewatch_cni.htm 21.01.04 151siehe http://www.cni.es , 22.01.04 152 siehe http://www.cni.es , 22.01.04

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dringlichen Fällen ist eine Beschränkungsmaßnahme innerhalb von 24 Stunden zu verhängen. Der verantwortliche Richter wird vom Präsidenten des CGPJ – Spaniens höchstem Gericht – vorgeschlagen und vom Plenum des CGPJ bestätigt. Die Informationen müssen, wenn sie sich als irrelevant erweisen, unter der Aufsicht des CNI-Direktors vernichtet werden.153

d) Wie ist er aufgebaut? Wie viele Mitarbeiter hat er? Der detaillierte Aufbau des CNI unterliegt der Geheimhaltung. Der CIN hat ca. 2000 Mitarbeiter. Laut Homepage sieht das Organigram so aus:154

e) Wie ist die Leitung des Dienstes organisiert? Der Verteidigungsminister schlägt den Direktor vor155; im Moment ist Jorge Dezcallar CIN Chef.156 Er ist ein erfahrener Diplomat; von 1997 bis 2001 vertrat er Spanien in Marokko, danach war er in leitender Funktion beim CESID.157 Er ist der erste zivile Leiter des spanischen Geheimdienstes.158

f) Wie groß ist das Budget und wo ist es im Staatshaushalt angegeben? Für das Jahr 2004 beträgt die Finanzausstattung des CNI 161,95 Millionen Euro, das sind 17 Prozent mehr als 2003159. Das Budget wird im Rahmen des jährlichen nationalen Budgets veröffentlicht. In den zurückliegenden Jahren, so Díaz, wurden die Ausgaben recht detailliert dargestellt, aber im letzten Jahr wurden die Informationen stark reduziert.160

153 http://noticias.juridicas.com//base_datos/Admin/lo2-2002.html , 21.01.04 154 siehe http://www.cni.es , 22.01.04 155 http://www.ugr.es/~aquiran/cripto/tribuna/2002-01-01_statewatch_cni.htm 21.01.04 156 http://www.el-mundo.es_elmundo_2003_11_29_espana_1070127607.html.pdf 21.01.04 157 siehe http://www.cni.es , 22.01.04 158 siehe http://www.cni.es , 22.01.04 159 http://www.el-mundo.es_elmundo_2003_11_29_espana_1070127607.html.pdf 21.01.04 160Díaz, Antonio: per E-Mail, 19.01.04

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3. Exekutive a) Wie und durch wen wird der Auslandsnachrichtendienst gelenkt und mit den anderen Diensten koordiniert? Die jüngste Reform erfolgte auf Vorschlag der Comisión Delegada del Gobierno para Inteligencia (Delegated Government Commission for Intelligence Affairs). Sie setzt jährlich die Ziele des CINs fest, dient jedoch auch der Evaluation und der Gesetzesvorbereitungen. Die Kommission setzt sich aus dem ersten Vizepräsidenten, dem Außen-, dem Innen-, dem Verteidigungs- und dem Wirtschaftsminister sowie dem Präsidenten des CNI zusammen.161 Doch liegt diese Reform nun ein Jahr zurück und es ist unklar, ob die Kommission arbeitet. Polizei, Wachpersonal (Civil Guard) und andere Minister (nicht nur die Armee) können ihre Aufklärungswünsche artikulieren.162 4. (Parlamentarische) Kontrolle a) Welche (parlamentarischen) Gremien widmen sich der Kontrolle des Auslandsnachrichtendienstes, seines Budgets und der Fernmeldeüberwachung? Für die Kontrolle gibt es keinen Ausschuss mit vollen parlamentarischen Rechten und Pflichten (im Gegensatz zum Verteidigungs- oder Justizausschuss). Das „Official Secrets Committee“, welches auch mit anderen Aufgaben als der Kontrolle befasst ist, besteht aus sechs Abgeordneten. Zusätzlich existiert ein Ausschuß zur Kontrolle von geheimen Mitteln.163 b) Wie ist die Kontrolle praktisch organisiert? (Wahl der Mitglieder, Sitzungsrhythmus, u.ä.)? kein eigenes parlamentarisches Kontrollgremium c) Welche Kontrollrechte besitzen die Gremien? Gibt es besondere – von anderen parlamentarischen Gremien abweichende Rechte? nicht vorhanden d) Eingriffe in die Bürgerrechte: In wie weit hat dort das Parlament weitere Kontrollmöglichkeiten? nicht bekannt 5. Kontrolle durch Öffentlichkeit a) In wie weit hat die Öffentlichkeit (vor allem die Medien) Zugang zu Fragen des Auslandsnachrichtendienste? nicht bekannt

161 http://www.ugr.es/~aquiran/cripto/tribuna/2002-01-01_statewatch_cni.htm 21.01.04 162 Díaz, Antonio: per E-Mail, 19.01.04 163 Díaz, Antonio: per E-Mail, 19.01.04

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6. Quellen und Fachliteratur Quellen: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages: Ausarbeitung über “Parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit in einigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, Norwegen und den USA“, Fachbereich I, Bearbeiter: Baddenhausen-Lange, 11.09.1995. Angaben von Dr. Antonio Díaz (Universität Burgos) Internetadressen: CNI: http://www.cni.es El mundo: http://www.el-mundo.es Parlament: http://www.congreso.es Gesetzestexte: http://noticias.juridicas.com

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Tschechien 1. Allgemeines a) Welche Dienste existieren im Land? Tschechien verfügt über drei Geheimdienste, einen militärischen und zwei zivile: der BIS (Information Security Service, Inlandsgeheimdienst), den ÚSZI (Office for Foreign Relations and Information, ziviler Auslandsnachrichtendienst), MIS (Czech Military Service, militräischer Nachrichtendienst, seit der Zusammenlegung von VOZ (Military Defence Intelligence, militärische Gegenspionage) und der ZSGŠ (Intelligence Service of the General Staff – militärischer Geheimdienst 1994).164

2. Der Auslandsnachrichtendienst a) Welchen Aufgabenbereich besitzt er? Im Gesetz ist der Aufgabenbereich des ÚSZI von allen Geheimdiensten am wenigsten klar definiert. Er sammelt Informationen, welche für die Sicherheit und den Schutz der außenpolitischen und ökonomischen Interessen der Tschechischen Republik wichtig sind.165 Daneben ist der Bereich des Internationalen Terrorismus, des Organisierten Verbrechens und anderer globaler Bedrohungen von Belang.166 Im Sinne seiner Aufgaben ist es dem ÚSZI dabei erlaubt, Personen und Sachgegenstände zu überwachen und Tarn-Dokumente/Ausweise herzustellen.167 b) Welchem Regierungsorgan ist er unterstellt? Der Auslandsgeheimdienst ÚSZI untersteht dem Innenministerium. Die Verantwortung fällt dessen Minister zu. Allerdings ist auch das Außenministerium berechtigt (mit Kenntnis des Innenministers) Aufträge an den ÚSZI zu geben. c) Gibt es eine gesetzliche Grundlage? Wenn ja, welche? Das erste Geheimdienstgesetz wurde im Juli 1994 (No. 153) erlassen. Es schaffte zwar Klarheit über die Aufgabenbereiche der einzelnen Geheimdienste, doch zur Kontrolle äußerte es sich nur sehr vage. Regierungschef Václav Klaus versprach, zu diesem Punkt werde es ein eigenes, sehr detailliertes Gesetz geben. Doch dies lässt bis heute auf sich warten. Eine Initiative von einigen Parlamentariern im Jahr 1994 blieb erfolglos. Vor allem die führende Oppositionspartei, die Sozialdemokraten, versuchten Druck auf die Regierung auszuüben - doch ohne Erfolg. 1998 wechselte die Regierung. Der Sozialdemokrat Bašta, welcher schon seit zwei Jahren das Kontrollgremium des Inlandnachrichtendienstes BIS leitete, wurde Minister. Doch keiner seiner Vorschläge fand den Weg ins Parlament.168 d) Wie ist er aufgebaut? Wie viele Mitarbeiter hat er? Über die Mitarbeiterzahl ist nichts bekannt.

164 Born, Hans u. Tuler, Matias: Parliamentary Democracy and Intelligence, S. 18 165 Act No. 153/1994, § 5 (2), siehe: http://www.uzsi.cz/uzsia/act.htm 12.01.04 166 siehe Internet: http://www.uzsi.cz/usia/miss/miss.htm, 12.01.04 167 Act No. 153/1994, § 18 (2), siehe: http://www.uzsi.cz/uzsia/act.htm 12.01.04 168 Černy, Oldřich: Czechoslovak (Cech) intelligence after the Cold War, S. 8

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Aufbau: 169

e) Wie ist die Leitung des Dienstes organisiert? Der Leiter des Dienstes wird vom Innenminister vorgeschlagen und entlassen – in Abstimmung mit der Regierung. Der jetzige Generaldirektor ist Fantišek Bublan. f) Wie groß ist das Budget und wo ist es im Staatshaushalt angegeben? Die Mittel des ÚSZI sind Teil des Budgets des Innenministeriums.170 3. Exekutive a) Wie und durch wen wird der Auslandsnachrichtendienst gelenkt und mit den anderen Diensten koordiniert? Bei der Koordination ist deutlich das britische Vorbild auszumachen: das „Council for Coordination of the Intelligence Services“ wurde 1991 gegründet. Es besteht aus den Leitern der drei Geheimdienste, dem Präsidentenberater für Sicherheitsfragen, dem Premierminister, dem Verteidigungs-, dem Finanz-, dem Innen- und dem Außenminister. Der Premierminister hat den Vorsitz inne.171

4. (Parlamentarische) Kontrolle a) Welche (parlamentarischen) Gremien widmen sich der Kontrolle des Auslandsnachrichtendienstes, seines Budgets und der Fernmeldeüberwachung?

169 http://www.uzsi.cz/uzia/uzia.htm, 12.01.04 170 http://www.uzsi.cz/uzia/uzia.htm, 12.01.04 171 Černy, Oldřich: Czechoslovak (Cech) intelligence after the Cold War, S. 8

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Wie schon angedeutet, steht eine Kontrolle für den ÚSZI noch immer aus. Für den Inlandsgeheimdienst gibt es eine „Permanent Commission for Oversight of the Sercurity Information Service Activities“172. Vorsitzender ist Jan Klas. Neben ihm gibt es sechs weitere Mitglieder. Das Gremium hat die Möglichkeit Berichte anzufordern (die Regierung und der Direktor des BIS erstatten einmal pro Jahr einen schriftlichen Bericht). Es nimmt Einblick in die Verwendung des Etats und die interne Statuten und Regularien des BIS. In die Lenkung und Personalpolitik kann das Gremium nicht eingreifen, es wirkt jedoch bei der Auswahl des BIS Direktors mit.173 Zudem haben die Parlamentarier das Recht, alle Dienststellen aufzusuchen.174

b) Wie ist die Kontrolle praktisch organisiert? (Wahl der Mitglieder, Sitzungsrhythmus, u.ä.)? entfällt, da kein Kontrollgremium vorhanden c) Welche Kontrollrechte besitzen die Gremien? Gibt es besondere – von anderen parlamentarischen Gremien abweichende Rechte? entfällt, da kein Kontrollgremium vorhanden d) Eingriffe in die Bürgerrechte: In wie weit hat dort das Parlament weitere Kontrollmöglichkeiten? nicht bekannt 5. Kontrolle durch Öffentlichkeit a) In wie weit hat die Öffentlichkeit (vor allem die Medien) Zugang zu Fragen des Auslandsnachrichtendienstes? nicht bekannt 6. Quellen und Fachliteratur Born, Hans u. Tuler, Matias: Parliamentary Democracy and Intelligence – Comparing legal frameworks of United Kingdom, Canada, Ukraine, Czech Republic, Turkey and South Africa, Hrsg: Geneva Centre for the Democratic Control of Armed Forces, Geneva, Oktober 2002. Černý, Oldřich: Czechoslovak (Czech) Intelligence after the Cold War, Conference Paper, Hrsg: Geneva Centre for the Democratic Control of Armed Forces, Geneva, Oktober 2002. Internetadressen: BIS: http://www.bis.cz ÚSZI: http://www.uzsi.cz Parlament: http://www.psp.cz

172http://www.psp.cz/cgi-bin/eng/sqw/fsnem.spw?fl=5&f2=3&id=623 173Born, Hans u. Tuler, Matias: Parliamentary Democracy and Intelligence, S. 19 174 Born, Hans u. Tuler, Matias: Parliamentary Democracy and Intelligence, S. 35

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Ukraine 1. Allgemeines a) Welche Dienste existieren im Land? (Name und Gründungsjahr) Die Ukraine verfügt über einen Geheimdienst, den SBU (Sluzhba Bespeky Ukrayiny), der seit Dezember 1991 besteht. 2. Der Auslandsnachrichtendienst a) Welchen Aufgabenbereich besitzt er? Beim SBU handelt es sich sowohl um einen Inlands-, als auch einen Auslandsnachrichtendienst. Seine offiziellen Aufgaben sind der Schutz der staatlichen Souveränität, des Verfassungsstaates, der territorialen Unverletzlichkeit, der Ökonomie, der Wissenschaft und Technik, und der Verteidigungspotentiale der Ukraine. In diesen Bereichen sammelt der SBU auch im Ausland Informationen: über Ökonomie, Politik, Militär, Waffentechnologie, Forschungsergebnisse usw.175 Außerdem wird die Spionageabwehr als wichtige Aufgabe benannt – zum Schutz der Bürger vor feindlichen Nachrichtendiensten, aber auch vor separatistischen Organisationen, Gruppen und Individuen. Der Kampf gegen Terrorismus, Korruption, Organisiertes Verbrechen wird ebenfalls aufgeführt, doch wichtig ist der Beisatz „in der Verwaltung und Wirtschaft“. Demnach gehört besonders die Inlandsaufklärung zum aktiven Aufgabenfeld.176

In Artikel 8 des Geheimdienstgesetzes sind allerdings Grenzen festgeschrieben. Der SBU darf keine Parteiinteressen verfolgen oder keine Bürgerrechte einschränken. Im Gegensatz dazu stehen Meldungen, dass der Geheimdienst massiv versuche, das Internet zu kontrollieren, bzw. dort nach Verlegern und Redakteuren recherchiere, die der Regierung nicht genehm seien.177

b) Welchem Regierungsorgan ist er unterstellt? Der SBU ist direkt dem Präsidenten unterstellt. c) Gibt es eine gesetzliche Grundlage? Wenn ja, welche? Das erste Gesetz „On the Security Service of Ukraine“ wurde am 25. März 1992 beschlossen. Weitere Gesetze regeln Teilfragen wie den Kampf gegen Korruption, operative und Geheimschutzfragen.178 d) Wie ist er aufgebaut? Wie viele Mitarbeiter hat er? Über die Mitarbeiterzahl war nichts in Erfahrung zu bringen. Die Organisationsstruktur wird vom Präsidenten bestimmt. Aktuell sieht diese – nach Angaben des SBUs – wie folgt aus:

175 Born, Hans u. Tuler, Matias: Parliamentary Democracy and Intelligence, S. 28 176 http://www.sbu.gov.ua/eng/history/ 10.01.04 177 siehe Born, Hans u. Tuler, Matias: Parliamentary Democracy and Intelligence, S. 28 178http://www.sbu.gov.ua/eng/history/ 10.01.04

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e) Wie ist die Leitung des Dienstes organisiert? „The Headquarters of the Security Service of Ukraine“ lenkt den Dienst intern. Der Leiter des SBUs (Head of the Security Service of Ukraine) wird vom Parlament der Ukraine (Verkovna Rada) vorgeschlagen und vom Präsidenten ernannt. Er ist persönlich für die Arbeit des Dienstes verantwortlich. Seit September 2003 hat Igor Petrovych Smeshko (Generalleutnant) diese Position inne. f) Wie groß ist das Budget und wo ist es im Staatshaushalt angegeben? Das Geheimdienstbudget ist Teil des Staatshaushaltes. Die Höhe war nicht zu ermitteln. 3. Exekutive a) Wie und durch wen wird der Auslandsnachrichtendienst gelenkt und mit den anderen Diensten koordiniert? Das Geheimdienstgesetz (Artikel 6,7 und 24) schreibt der Exekutive Koordinations- und Kontrollfunktionen zu. Die Kontrolle fällt dabei dem Präsidenten zu, dem sogar das Recht zugestanden wird, neue Geheimdienste zu schaffen oder bestehende zu liquidieren.179 Die Geheimdienste sind ihm unterstellt. Zur Koordination dient die „National Security and Defence Council“, dessen Vorsitz der Präsident führt. 4. (Parlamentarische) Kontrolle a) Welche (parlamentarischen) Gremien widmen sich der Kontrolle des Auslandsnachrichtendienstes, seines Budgets und der Fernmeldeüberwachung? Nach dem Gesetz steht dem Parlament eine Kontrolle zu (Artikel 25). Außerdem ernennt es den Vorsitzenden der „Chamber of Accounting“, der Einblick in die Mittelverwaltung der Geheimdienstaktivitäten hat. Das Parlament kann Akten über die Verwendung des Staatsbudgets anfordern. Bei geschlossener Sitzung ist eine Befragung von Geheimdienstleitern möglich. Ein eigenes Geheimdienstkontrollgremium gibt es nicht. Nur der Parlamentsvorsitzende erhält einen „Intelligence Report“.180 b) Wie ist die Kontrolle praktisch organisiert? (Wahl der Mitglieder, Sitzungsrhythmus, u.ä.)? kein eigenes parlamentarisches Kontrollgremium c) Welche Kontrollrechte besitzen die Gremien? Gibt es besondere – von anderen parlamentarischen Gremien abweichende Rechte? nicht vorhanden d) Eingriffe in die Bürgerrechte: In wie weit hat dort das Parlament weitere Kontrollmöglichkeiten? nicht bekannt

179 Born, Hans u. Tuler, Matias: Parliamentary Democracy and Intelligence, S. 28 180 Born, Hans u. Tuler, Matias: Parliamentary Democracy and Intelligence, S. 35

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5. Kontrolle durch Öffentlichkeit a) In wie weit hat die Öffentlichkeit (vor allem die Medien) Zugang zu Fragen des Auslandsnachrichtendienstes? Der SBU betreibt eine intensive Pressearbeit.181

6. Landesspezifische Besonderheiten a) Gibt es im Rahmen des Auslandsnachrichtendienstes noch bemerkenswerte Besonderheiten? Immer wieder wird auf Unzulänglichkeiten und angebliche Gesetzesverstöße des SBU hingewiesen. Als ein früherer Chef des SBU, Yevgen Marchuck, Mitglied des Parlaments wurde, zögerte er nicht anzumerken: "The situation is emerging, when in Ukraine there are already twice as much, than it was in the Soviet time, the number of different structures, which have the right to tap the phone communications, conduct secret surveillance, open and inspect correspondence". Und Marchuck ergänzt weiter: “… without a well perfected mechanism of civilian control over the security structures this might be used for political purposes.”182 7. Quellen und Fachliteratur Betz, David: Comparing frameworks of parliamentary oversight: Poland, Hungary, Russia, Ukraine, Working paper No. 115, Hrsg: Geneva Centre for the Democratic Control of Armed Forces, Geneva, Juli 2003. Born, Hans u. Tuler, Matias: Parliamentary Democracy and Intelligence – comparing legal frameworks of United Kingdom, Canada, Ukraine, Czech Republic, Turkey and South Africa, Conference Paper, Hrsg: Geneva Centre for the Democratic Control of Armed Forces, Geneva, 2002. Polyakov, Leonid: Ukraine`s security sector reform: is progress conditioned by the interest of society? Hrsg: Geneva Centre for the Democratic Control of Armed Forces, Geneva, August 2002. Ralf Wachsmuth (Leiter der Außenstelle Kiew der Konrad-Adenauer-Stiftung): Die Ukraine vor einer Verfassungsreform, http://www.kas.de/publikationen/2004/3691_dokument.html 12.01.04 Internetadressen: SBU: http://www.sbu.gov.ua Ukrainisches Parlament (keine Englischen Seiten): http://www.rada.kiev.ua

181 siehe Homepage SBU 182 Zitiert in: Polyakov, Leonid: Ukraine`s security sector reform: is progress conditioned by the interest of society?, S. 19

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USA 1. Allgemeines a) Welche Dienste existieren im Land? (Name und Gründungsjahr) Die zwei bekanntesten Dienste sind die „Central Intelligence Agency (CIA)“ und das „Federal Bureau of Investigation (FBI)“. Das FBI ist jedoch eine Polizeibehörde mit einem relativ kleinen nachrichtendienstlichen Anteil. Das 2003 gegründete Department of Homeland Security faßt eine große Zahl von Behörden der inneren Sicherheit sowie der Grenzkontrollen zusammen (allerdings ohne das FBI), läßt sich jedoch nicht als Inlandsnachrichtendienst bezeichnen. Neben der CIA bestehen zwölf weitere Auslandsnachrichtendienste, die in der „Intelligence community“ (IC) organisatorisch zusammengefasst werden.183 Der Leiter der IC ist der Director of Central Intelligence (DCI).

Das Management der Intelligence Community

184

DCI = Director of Central Intelligence (Leiter der Intelligence Community) NIC = National Intelligence Council (Die Stelle, die langfristig-strategisches Handeln der IC festlegt) DDCI = Deputy Director of Central Intelligence (vertritt vor allem den DCI bei Abwesenheit, stellv. Funktion) DDCI/CM = Deputy Director of Central Intelligence for Community Management (stellt das Management der Community sicher) ADCI/C= Assistant Director of Central Intelligence for Collection (leitet in der CIA die Nachrichtensammlung) ADCI/AP =Assistant Director of Central Intelligence for Analysis and Production (leitet in der CIA die Auswertung)

183 Hirsch, Alexander: Die Kontrolle der Nachrichtendienste, S. 242 f. 184 http://www.intelligence.gov/1-management.shtml, 21.02.2004

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Die Dienste im einzelnen (IC Mitglieder): Army, Navy, Air Force and Marine Corps Intelligence Organizations Sie sammeln und verarbeiten geheimdienstlich relevante Informationen zum (überwiegend) taktischen Gebrauch der jeweiligen Teilstreitkraft. Central Intelligence Agency (CIA) zuständig für den Großteil der Auslandsspionage; untersteht direkt dem Präsidenten Coast Guard Intelligence zuständig für den Küstenschutz Defense Intelligence Agency (DIA) zentraler militärischer Nachrichtendienst des Pentagons Department of Energy zuständig für zivile und militärische Anwendungen der Kernenergie (auch für die Verifikation von Abkommen, die sich gegen die Proliferation von Kernwaffen richten) Department of Homeland Security (DHS) neu gegründetes Ministerium für Innere Sicherheit Department of State unterhält eine Abteilung zur Analyse von Geheimdienstinformationen Department of Treasury unterhält eine Abteilung zur Analyse von Geheimdienstinformationen, insbesondere gegen Wirtschaftsspionage und internationale Wirtschaftskriminalität Federal Bureau of Investigation zuständig für Gegenspionage, auch für die Bekämpfung des Organisierten Verbrechens sowie des internationalen Terrorismus National Geospatial-Intelligence Agency liefert Geheimdienstinformationen zur Photointerpretation sowie für Landkarten (damit auch Zielkoordinaten für Luftangriffe) (im November 2003 umbenannt) National Reconnaissance Office (NRO) sammelt und analysiert Geheimdienstinformationen, die mit Aufklärungsflugzeugen und Satelliten gewonnen wurden National Security Agency sammelt und bearbeitet Signals Intelligence (SIGINT) (technische Abhördienste, Verschlüsselung und Entschlüsselung von Geheiminformationen, usw.); auch für Sicherheit der Datenübertragung und Kommunikation zuständig

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2. Der Auslandsnachrichtendienst a) Welchen Aufgabenbereich besitzt er? Die CIA wurde im Rahmen des „National Security Act“ von 1947 gegründet. Sie ist zuständig für Auslandsaufklärung185, ausländische Gegenspionage und verdeckte Operationen im Ausland186. Im einzelnen nennt die „Executive Order 11905“ vom Februar 1976 folgende Aufgaben:

1.) Auslandsaufklärung in den Bereichen nationale Sicherheit (inklusive Außenpolitik), Wirtschaft, Wissenschaft, Technik, Militär, Gesellschaft und Geografie zu betreiben,

2.) Aufklärungsprogramme in diesen Bereichen zu entwickeln, 3.) den internationalen Terrorismus und Drogenhandel aufzuklären, 4.) in Koordination mit dem FBI und in Abstimmung mit dem Justizminister außerhalb

der USA Gegenspionage zu betreiben, 5.) „Special Activities“ zur Unterstützung von außenpolitischen Zielen durchzuführen. 6.) Auswertung von offenen Quellen für die Intelligence Community wie ausländische

Radiosendungen, TV, ausländische Presse, andere Datensammlungen der USA und Übersetzung von ausländischen Publikationen, sowie Fotointerpretation,

7.) Organisation der technischen Beschaffung durch Forschungsaufträge und Entwicklung für die oben genannten Bereiche,

8.) Sicherheitsprüfungen von Mitarbeitern 9.) Unterstützung von Forschungsvorhaben im Bereich der Nachrichtendienste187

Nach der „Executive Order 12333“ aus dem Jahre 1981 ist es dem CIA verboten, sich direkt oder indirekt an Ermordungen zu beteiligen. Dieses Verbot wurde (vermutlich) seither modifiziert. b) Welchem Regierungsorgan ist er unterstellt? Die CIA untersteht durch den DCI direkt dem Präsidenten.188 Die übrigen Nachrichtendienste unterstehen den jeweiligen Ministerien, wobei das Verteidigungsministerium (vor allem wegen der ihm zugeordneten technischen Nachrichtendienste) über ca. 80 Prozent des gesamten Intelligence-Budgets verfügt, die CIA nur über ca. 12 Prozent. c) Gibt es eine gesetzliche Grundlage? Wenn ja, welche? Maßgebend ist hauptsächlich der „National Security Act“ von 1947, der die Rolle und Zuständigkeiten des National Security Council, der CIA, des Directors of Central Intelligence sowie der weiteren Nachrichtendienste festlegt. 189 Der „USA Patriot Act“ von 2001 legt die Neuordnung der Zuständigkeiten und Befugnisse für die Innere Sicherheit fest. d) Wie ist er aufgebaut? Wie viele Mitarbeiter hat er? Das 2003 gegründete Department of Homeland Security führt 22 bisher getrennt arbeitende Behörden zusammen, mit etwa 170.000 Mitarbeitern. Die US-Auslandsdienste

185 „providing accurate, comprehensive, and timely foreign intelligence on national security topics“, siehe: http://www.odci.gov/cia/information/info.html,19.02.2004 186 “conducting counterintelligence activities, special activities, and other functions related to foreign intelligence and national security, as directed by the President”, siehe: http://www.odci.gov/cia/information/info.html,19.02.2004 187 http://www.ford.utexas.edu/library/speeches/760110e.htm, 21.02.2004 188 http://www.odci.gov/cia/information/info.html 19.02.2004 189nachzulesen unter: http://www.intelligence.gov/0-natsecact_1947.shtml,21.02.2004

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beschäftigen mehr als 200.000 Mitarbeiter, von denen die Mehrheit dem Militär unterstellt ist. Über die Personalstärke der CIA gibt es keine offiziellen Angaben. Die CIA besteht im wesentlichen aus dem Directorate of Intelligence, dem Directorate of Science and Technology sowie aus einer Reihe von Dienststellen, zu denen das Office of General Counsel, das Office of Military Affairs sowie das Office of Public Affairs (Presseabteilung) gehören. Der Aufbau des „Directorate of Intelligence“:

190

Die CIA nennt folgende Veränderungen der letzten Zeit:

- Man habe spezielle, multidisziplinäre Abteilungen geschaffen zu den Bereichen: Nonproliferation, counterterrorism, counterintelligence international organized crime, narcotics trafficking, environment, arms control intelligence.

- Verstärkte Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Bereichen der Nachrichtenbeschaffung und übergreifende, alle Quellen miteinbeziehende Auswertung,

- Verstärkte Zusammenarbeit innerhalb der Intelligence Community zu allen Fragen der nationalen Sicherheit. Dabei sollen auch gemeinsam Serviceeinrichtungen genutzt werden, wie zum Beispiel bei der imagery analysis (Bildanalyse) und der Auswertung offener Quellen.191

190 http://www.cia.gov/cia/di/org_chart_section.html, 15.03.04 191 http://www.odci.gov/cia/information/info.html, 19.02.2004

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e) Wie ist die Leitung des Dienstes organisiert? Der „National Security Act“ beauftragt den „Director of Central Intelligence“ (DCI) mit der Koordination aller nationalen Intelligence-Aktivitäten. Seit dem 10. Juli 1997 hat George J. Tenet diese Position inne. Gleichzeitig ist er Chef der CIA.192 Der DCI wird vom Präsidenten nominiert und vom Senat bestätigt. Die Länge der Amtszeit ist nicht festgelegt. Bisher war Allen Welsh Dulles mit acht Jahren am längsten im Amt.193 Es gibt außer dem DCI noch den „Executive Director“ (EXDIR), momentan A.B. Krongard. Dieser bestimmt die täglichen Aufgaben der CIA. Ihm assistiert das „Executive Board“, welches fünf Bereiche der CIA abbildet. Mitglieder sind: Chief Financial Officer, Chief Information Officer, Security, Human Resources und Global Support. Der Direktor des “Directorate of Intelligence” leitet den analytischen Zweig der CIA (aktueller Direktor: Jami Miscik). Dem “Directorate of Science and Technologie“ obliegt die technische Unterstützung (derzeit unter der Leitung von Donald M.Kerr.). Das „Directorate of Operations“ ist für die Beschaffung zuständig und wird momentan von James L. Pavitt geleitet.194 f) Wie groß ist das Budget und wo ist es im Staatshaushalt angegeben? Einblick in die Finanzen der CIA haben: das “Office of Management and Budget”, das “Select Committee on Intelligence” des Senats, das “House Permanent Select Committee on Intelligence”, und die “Defence Subcommittees of the Appropriations Committees” in beiden Häusern des Kongresses. Das Geheimdienst-Budget wurde 1997 erstmals veröffentlicht. Es betrug 1997 US-$26.6, 1998 US-$ 26.7 Milliarden.195 Heute dürfte es bei US-$ 34 Milliarden liegen, wovon auf die CIA etwa 12 Prozent entfallen. 3. Exekutive a) Wie und durch wen wird der Auslandsnachrichtendienst gelenkt und mit den anderen Diensten koordiniert? Die Aufsicht und die Kontrolle von Spionage und Gegenspionage fällt dem National Security Council (NSC) zu. Es hat die Aufgabe, den Präsidenten in nationalen Sicherheitsfragen, außenpolitischen und militärischen Angelegenheiten zu beraten. Die NSC ist die höchste Instanz der Evaluation, Beratung und richtungsgebenden Kompetenz in Fragen der Auslandsnachrichtendienste, der Gegenspionage und der „special activities“ (verdeckte Aktionen einschließlich dem Einsatz von bewaffneten CIA-Einheiten) obliegen. Mitglieder sind:

• der Präsident • der Vizepräsident • Secretary of State • Secretary of Treasury • Secretary of Defence • Assistant to the President for National Security Affairs.

Der “Chief of Staff to the President”, der “Counsel to the President” und der “Assistant to the President for Economic Policy” werden dazugebeten. Ebenso nehmen der “Attorney General” und der “Director of the Office of Management and Budget” von Fall zu Fall teil. Andere Leiter der Exekutive wie auch der Geheimdienste werden eingeladen, wenn dies das Thema der Sitzung notwendig erscheinen lässt. Jedes halbe Jahr ist der Nationale Sicherheitsrat verpflichtet, einen Bericht über die „special activities“, über die

192 http://www.odci.gov/cia/information/info.html, 19.02.2004 193 http://www.odci.gov/dci/public_affairs/faq.html 21.02.2004 194 http://www.odci.gov/cia/information/info.html, 19.02.2004 195 http://www.odci.gov/cia/public_affairs/faq.html 21.02.2004

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Sonderaufträge, zu geben.196 Die NSC ist befugt, Ausschüsse einzurichten, die sich speziellen Fragestellungen in ihrem Aufgabenbereich widmen. Daneben besteht das „President’ s Foreign Intelligence Advisory Board“ (PFIAB). Es wurde 1956 unter Präsident Eisenhower eingeführt und dient der unabhängigen Finanzevaluation der amerikanischen Dienste. Ihm gehören momentan 16 Mitglieder außerhalb der Regierung an.197 Sie arbeiten ehrenamtlich. „President’ s Intelligence Oversight Board“ wurde unter Präsident Ford eingerichtet. Es besteht aus drei Mitgliedern, die nicht gleichzeitig Kabinettsposten inne haben dürfen. Seit 1997 ist das PIOB ein „standing committee“ des PFIAB. Der PIOB-Vorsitzende ist zugleich auch im PFIAB vertreten. Es berichtet direkt an den Präsidenten unter dem Aspekt, ob Aktivitäten der Geheimdienste ungesetzlich waren oder sich gegen die exekutiven Anweisungen des Präsidenten gerichtet haben. Das PIOB berichtet auch an den Attorney General. 4. (Parlamentarische) Kontrolle a) Welche (parlamentarischen) Gremien widmen sich der Kontrolle des Auslandsnachrichtendienstes, seines Budgets und der Fernmeldeüberwachung? Die Watergate-Affäre und der Vietnamkrieg machten der Öffentlichkeit ein Kontrolldefizit deutlich. 1974 erließ daraufhin der Kongress ein Gesetz, nach dem der Präsident den „geeigneten Ausschüssen“ (Verteidigungs-, Außen- und Haushaltsausschuss) in sinnvollen Abständen zum Bericht verpflichtet wurde. Es wurden zwei Enquête-Kommissionen eingesetzt. Die eine wurde nach seinem Vorsitzenden Senator Frank Church, die andere nach dem Vorsitzenden Abg. Otis Pike benannt. Sie empfahlen, die Dienste unter eine parlamentarische Kontrolle zu stellen. 198

Parlamentarische Kontrolle Der Kongress verfügt in beiden Häusern über ein Kontrollgremium: Im Senat gibt es das „Senat Select Committee on Intelligence“ und im House of Representatives das „House Permanent Select Committee on Intelligence“.199

Das Intelligence Oversight Board Als weiteres Kontrollorgan ist das „Intelligence Oversight Board“ (seit 1976) zu nennen, welches jedoch kein Gremium des Parlaments ist. Es besteht aus drei Mitgliedern inklusive Vorsitzendem. Sie werden vom Präsidenten ernannt, sollen nicht der Regierung angehören und sich durch Erfahrung und Wissen für diese Aufgabe qualifiziert haben. Allerdings darf keine persönliche Beziehung zu den Nachrichtendiensten bestehen. Die Aufgabe des Gremiums könnte kurz als unabhängige Beurteilung von Legalität und Legitimität nachrichtendienstlichen Handelns bezeichnet werden. Zu ihrer Unterstützung steht ein Mitarbeiterstab zur Verfügung.200 Die Aufgaben des „Intelligence Oversight Board“ im einzelnen:

(1) Sie erhalten und beraten Berichte des Inspector General, des General Counsel und der Geheimdienstleiter über die Intelligence Community zu Fragen der Legalität und Legitimität von Geheimdienstaktivitäten. Zudem überprüfen sie periodisch deren Vorgehensweisen.

196 http://www.ford.utexas.edu/library/speeches/760110e.htm, 21.02.2004 197 http://www.whitehouse.gov/pfiab/, 8.0.2004 198 Hirsch, Alexander: Die Kontrolle der Nachrichtendienste, S. 241 199 http://www.odci.gov/cia/public_affairs/faq.html 21.02.2004 200 http://www.ford.utexas.edu/library/speeches/760110e.htm, 21.02.2004

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(2) Sie berichten periodisch, wenigstens einmal pro Quartal, dem Justizminister und dem Präsidenten über ihre Ergebnisse.

Die Mitarbeiter der Geheimdienstorganisationen sind verpflichtet, mit dem Intelligence Oversight Board, dem Inspector General und dem General Counsel zu kooperieren. Seit 1989 gibt es einen speziellen Inspector General nur für den CIA. Dieser wird durch den Senat bestätigt und ist dem Kongreß gegenüber berichtspflichtig. Alle Leiter der Geheimdienstorganisationen sind verpflichtet dem Oversight Board Zugang zu Informationen einzuräumen. b) Wie ist die Kontrolle praktisch organisiert? (Wahl der Mitglieder, Sitzungsrhythmus, u.ä.)? „House Permanent Select Committee on Intelligence (HPSCI)“ Das Committee des House of Representatives, das „House Permanent Select Committee on Intelligence“ setzt sich aus insgesamt 21 Mitgliedern (inkl. Vorsitzendem und seinem Stellvertreter) zusammen. Im Moment handelt es sich um 11 Republikaner, 10 Demokraten.201 Vorsitzender ist aktuell Porter Goss, der selbst über Erfahrungen bei der CIA und der Geheimdienstabteilung der Armee verfügt.202 Die Wahl der Mitglieder erfolgt so, dass die Mehrheitspartei im Kongreß über eine deutliche Mehrheit im Ausschuss verfügt.203 Die Mitgliedschaft ist auf sechs Jahre begrenzt. Die Mitglieder werden von den Fraktionsvorsitzenden (Majority/Minority – Leader) bestimmt. „Senat Select Committee on Intelligence (SSCI)“ Das „Senat Select Committee on Intelligence (SSCI)“ verfügt momentan über acht republikanische und sieben demokratische Mitglieder. Der Republikaner Pat Roberts hat den Vorsitz inne, sein demokratischer Stellvertreter ist John D. Rockefeller IV. Im diesem Committee wird eine sogenannte „bipartisan manner“ verfolgt, wobei die Mehrheit im Senat nur über eine Stimme Mehrheit im Ausschuss verfügt. Dies führt dazu, dass für Abstimmungen um Unterstützung bei den anderen Parteien nachgesucht werden muss, um die erforderlichen Mehrheiten zu erreichen. Die Dauer der Mitgliedschaft ist auf acht Jahre begrenzt. Die Personalvorschläge für das Committee werden vom „Speaker of the House“ abgegeben. Allgemein wird das Mitglied zum Vorsitzenden gewählt, welches die längste Ausschusserfahrung besitzt. Im Senat ist es üblich, dass der Vorsitzende und sein Stellvertreter die Leitungsaufgaben unter sich aufteilen.204

Beide Committtees verfügen über einen großen Mitarbeiterstab, der um die 60 Angestellte umfasst.205 Deren Sicherheitsprüfung obliegt dem FBI. Die Ergebnisse werden den Ausschüssen bekannt gegeben. Ausschußmitglieder, die gegen die Geheimhaltung verstoßen, müssen sich vor dem „Ethic Committee“ des jeweiligen Hauses verantworten.206 Bei weitergehenden Verstößen wird strafrechtlich ermittelt. c) Welche Kontrollrechte besitzen die Gremien? Gibt es besondere – von anderen parlamentarischen Gremien abweichende Rechte? Die Committees sind autorisiert, in die Finanzierung der Intelligence-Aktivitäten einen sehr tiefen Einblick zu erhalten. Sie dürfen zudem Untersuchungen – ähnlich den deutschen Untersuchungsausschüssen - ausführen, Anhörungen durchführen und Erkundigungen einholen. Der Zugang zu Informationen unterliegt keinen Restriktionen und der DCI ist sogar gesetzlich dazu verpflichtet, die Committees über alle Vorgänge207

201 http://intelligence.house.gov/committee_membership.htm 21.02.2004 202 http://intelligence.house.gov/chairbio.htm 21.02.2004 203 Wissenschaftliche Dienste, S. 31 204 Wissenschaftliche Dienste, S. 31 205 Born, Hans: Democratic and parliamentary oversight of the intelligence services, S. 19 206 Wissenschaftliche Dienste, S. 32 207 „fully and currently informed of all intelligence activities“, zitiert nach Born, Hans, S. 19

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zu unterrichten – jedoch ohne Details, Quellen und Methoden offen zu legen.208 Bei verdeckten Aktionen209 (covert actions) müssen sie nicht nur vorab informiert werden, sondern auch ihre Zustimmung geben. Die Information geschieht durch eine schriftliche Begründung des Präsidenten („presidential finding“).

Über diese in beiden Committees gleich ausgeprägten Rechte verfügt das HPSCI über noch mehr Einfluss bei der Budgetkontrolle. Allgemein ist der Einblick in die Finanzen der Geheimdienste sehr groß, da es den Diensten untersagt ist über Mittel zu verfügen, die nicht durch parlamentarische Gremien genehmigt wurden. Das SSCI hat aus seinem Rang als Senatsausschuss die Möglichkeit, an der Ratifizierung internationaler Verträge mitzuwirken.210

Interessant ist, dass beiden Ausschüssen der Recht zufällt, klassifizierte Dokumente herabzustufen. Der Präsident hat hiergegen ein Widerspruchsrecht. d) Eingriffe in die Bürgerrechte: In wie weit hat dort das Parlament weitere Kontrollmöglichkeiten? Keine weiteren bekannt 5. Kontrolle durch Öffentlichkeit a) In wie weit hat die Öffentlichkeit (vor allem die Medien) Zugang zu Fragen des Auslandsnachrichtendienstes? Innerhalb der CIA gibt es ein „Office of Public Affairs“. Es unterstützt den DCI in allen Fragen der Öffentlichkeitsarbeit und stellt diese sicher.211 Sodann existiert das Center for the Study of Intelligence (CSI), das wissenschaftliche Konferenzen zur Geschichte der CIA und ihrer Tätigkeit veranstaltet. Zumeist folgen diese Veranstaltung auf die Freigabe größerer CIA-Archivbestände zum Konferenzthema. Das CSI wird zur Zeit von Paul Johnson geleitet. 212

6. Landesspezifische Besonderheiten a) Gibt es im Rahmen des Auslandsnachrichtendienstes noch bemerkenswerte Besonderheiten? Der „Executive Order 12958“ (eine Richtlinie des Präsidenten zum Umgang mit Verschlusssachen), der „Freedom of Information Act“ und der „Privacy Act“ geben den amerikanischen Bürgern weitgehende Auskunftsrechte über abgeschlossene Geheimdienstvorgänge. Über die Internetseite www.foia.cia.gov werden die deklassifizierten Unterlagen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.213 Aktenbestände, welche für die Forschung freigegeben werden, werden den „National Archives“ übergeben. Das „National Security Archive“, eine regierungsunabhängige Einrichtung an der George Washington University in Washington DC bemüht sich in besonderer Weise um die Dokumentenfreigabe.

208 Born, Hans: Democratic and parliamentary oversight of the intelligence services, S. 19 209 alle verdeckten Operationen müssen vom Präsidenten genehmigt werden 210 Hirsch, Alexander: Die Kontrolle der Nachrichtendienste, S. 249 211 http://www.odci.gov/cia/information/info.html, 19.02.2004 212 http://www.odci.gov/cia/information/info.html, 19.02.2004 213 http://www.odci.gov/cia/public_affairs/faq.html 21.02.2004

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