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Im Intervall nach Begleitläsionen und Fehlbildungen fahnden Akute Patellaluxation: Diagnostik und Therapie Eine 30-jährige Frau stellt sich mit erheblichen Schmerzen im linken Kniegelenk vor. Sie habe sich beim Tanzen heftig das Knie verdreht, berichtet die Patientin. Sie kann schmerzbedingt nicht mehr gehen und hält das linke Kniegelenk leicht gebeugt. B ei der Inspektion und Palpation fällt eine nach lateral dislozierte Patella auf. Die Beweglichkeit des Kniegelenks ist weitgehend aufgehoben. Cave: Bei lateraler Patellaluxation kann die mediale Femurkondyle aufgrund der in der Trochlea „fehlenden“ Patella hervortreten und prominent tastbar sein. Dies verleitet zur Fehlannahme ei- ner nach medial dislozierten Patella. Meist findet sich bei einer Patellaluxa- tion auch ein mäßiger bis deutlicher Gelenkerguss. Sofortdiagnostik klinische Untersuchung (Inspektion und Palpation) Röntgen des Kniegelenks in zwei Ebenen, Patella wenn möglich auch tangential darstellen, um ihre Positi- on zu bestimmen und eine Fraktur auszuschließen. Diagnostik im Intervall Kernspintomografie (MRT) des Kniege- lenks zur Identifikation von möglichen Begleitverletzungen (Knorpel-, Menis- kus-, Bandläsionen) und Fehlbildungen des patellofemoralen Gleitlagers. Differenzialdiagnosen Patellafraktur Kniegelenkluxation Sehnenabriss Streckapparat/Patellar- sehne gelenknahe Fraktur. Soforttherapie Bei eindeutiger Diagnose einer Pa- tellaluxation kann die Kniescheibe – unter einer adäquaten lokalen oder systemischen Analgesie – so- fort reponiert werden: In streckna- her Kniegelenkstellung wird die Patella durch medialisierenden Druck auf ihren lateralen Rand in das femorale Gleitlager zurückge- bracht. Ein höhergradiger Erguss sollte zur Entlastung des Kniegelenks punk- tiert werden. Nach erfolgreicher Reposition sollte der Patient eine romboseprophyla- xe (z. B. mit niedermolekularem He- parin) erhalten und zwei Wochen lang eine kniestabilisierende Streckorthese tragen. Die betroffene Extremität darf schmerzadaptiert be- lastet werden. Therapie im Intervall Nach erfolgreicher Reposition ist eine bedarfsorientierte orale Analge- sie mit nicht steroidalen Antirheu- matika (z. B. Ibuprofen) angezeigt. Im Anschluss an die zweiwöchige Ruhigstellungsphase der Extremität ist eine Physiotherapie zur Steige- rung der Beweglichkeit ratsam. Zusätzlich sollte demPatienten eine Kräſtigung des Musculus vastus me- dialis zur Rezentrierung der Patella verordnet werden. Gelingt die Reposition nicht oder of- fenbart die bildgebende Diagnostik höhergradige knöcherne Begleitver- letzungen, ist eine operative Versor- gung erforderlich. Auch eine diag- nostizierte Fehlbildung des patellofe- moralen Gleitlagers, die Redidivluxa- tionen begünstigt, muss operativ korrigiert werden. Woran noch zu denken ist Luxiert die Patella ohne direktes late- ralisierendes Trauma, liegt meist eine anatomische Fehlbildung des patello- femoralen Gleitlagers vor. Im Zuge einer Patellaluxation kommt es meist zu einer Läsion des medialen Retinakulums. Eine akute operative, direkte Naht des Retina- kulums führt selten zu einer ausrei- chenden Patellastabilität. Reluxatio- nen sind dadurch deutlich begüns- tigt, sodass gegebenenfalls weiter- führende operative Korrekturen oder Rekonstruktionen erforderlich sind. PD Dr. med. Sven Ostermeier Orthopädische Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover im Annastift Anna-von-Borries-Str. 1–7 30625 Hannover E-Mail: [email protected] © Ostermeier Laterale Patellalu- xation im Röntgen- bild 50 ORTHOPÄDIE & RHEUMA 2013; 16 (2) Fortbildung

Akute Patellaluxation: Diagnostik und Therapie

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Im Intervall nach Begleitläsionen und Fehlbildungen fahnden

Akute Patellaluxation: Diagnostik und Therapie

Eine 30-jährige Frau stellt sich mit erheblichen Schmerzen im linken Kniegelenk vor. Sie habe sich beim Tanzen heftig das Knie verdreht, berichtet die Patientin. Sie kann schmerzbedingt nicht mehr gehen und hält das linke Kniegelenk leicht gebeugt.

Bei der Inspektion und Palpation fällt eine nach lateral dislozierte Patella auf. Die Beweglichkeit des

Kniegelenks ist weitgehend aufgehoben. Cave: Bei lateraler Patellaluxation kann die mediale Femurkondyle aufgrund der in der Trochlea „fehlenden“ Patella hervortreten und prominent tastbar sein. Dies verleitet zur Fehlannahme ei-ner nach medial dislozierten Patella. Meist �ndet sich bei einer Patellaluxa-tion auch ein mäßiger bis deutlicher Gelenkerguss.

Sofortdiagnostik —klinische Untersuchung (Inspektion und Palpation) —Röntgen des Kniegelenks in zwei Ebenen, Patella wenn möglich auch tangential darstellen, um ihre Positi-on zu bestimmen und eine Fraktur auszuschließen.

Diagnostik im IntervallKernspintomogra�e (MRT) des Kniege-lenks zur Identi�kation von möglichen Begleitverletzungen (Knorpel-, Menis-kus-, Bandläsionen) und Fehlbildungen des patellofemoralen Gleitlagers.

Di�erenzialdiagnosen —Patellafraktur —Kniegelenkluxation —Sehnenabriss Streckapparat/Patellar-sehne —gelenknahe Fraktur.

Soforttherapie —Bei eindeutiger Diagnose einer Pa-tellaluxation kann die Kniescheibe – unter einer adäquaten lokalen oder systemischen Analgesie – so-fort reponiert werden: In streckna-her Kniegelenkstellung wird die Patella durch medialisierenden Druck auf ihren lateralen Rand in das femorale Gleitlager zurückge-bracht. —Ein höhergradiger Erguss sollte zur Entlastung des Kniegelenks punk-tiert werden. —Nach erfolgreicher Reposition sollte der Patient eine �romboseprophyla-xe (z. B. mit niedermolekularem He-parin) erhalten und zwei Wochen lang eine kniestabilisierende Streckorthese tragen. Die betro�ene Extremität darf schmerzadaptiert be-lastet werden.

Therapie im Intervall —Nach erfolgreicher Reposition ist eine bedarfsorientierte orale Analge-sie mit nicht steroidalen Antirheu-matika (z. B. Ibuprofen) angezeigt. —Im Anschluss an die zweiwöchige Ruhigstellungsphase der Extremität ist eine Physiotherapie zur Steige-rung der Beweglichkeit ratsam. —Zusätzlich sollte demPatienten eine Krä�igung des Musculus vastus me-dialis zur Rezentrierung der Patella verordnet werden. —Gelingt die Reposition nicht oder of-fenbart die bildgebende Diagnostik höhergradige knöcherne Begleitver-letzungen, ist eine operative Versor-gung erforderlich. Auch eine diag-nostizierte Fehlbildung des patellofe-moralen Gleitlagers, die Redidivluxa-tionen begünstigt, muss operativ korrigiert werden.

Woran noch zu denken ist —Luxiert die Patella ohne direktes late-ralisierendes Trauma, liegt meist eine anatomische Fehlbildung des patello- femoralen Gleitlagers vor. —Im Zuge einer Patellaluxation kommt es meist zu einer Läsion des medialen Retinakulums. Eine akute operative, direkte Naht des Retina-kulums führt selten zu einer ausrei-chenden Patellastabilität. Reluxatio-nen sind dadurch deutlich begüns-tigt, sodass gegebenenfalls weiter-führende operative Korrekturen oder Rekonstruktionen erforderlich sind.

PD Dr. med. Sven OstermeierOrthopädische Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover im AnnastiftAnna-von-Borries-Str. 1–730625 HannoverE-Mail: [email protected]

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Ost

erm

eier

Laterale Patellalu-xation im Röntgen-bild

50 ORTHOPÄDIE & RHEUMA 2013; 16 (2)

Fortbildung