Altchinesisches_Philosophieren

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Philosophie im Alten ChinaPhilosophy in Ancient China

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  • Allem altchinesischen Philosophieren fehlt weitgehend das, was im Abendland un-trennbar zur Philosophie gehort: Metaphysik und Ontologie. Das Denken kreist umden Menschen und seine Stellung in Staat, Familie und Natur. Hierbei ist zu beruck-sichtigen, da Natur innerhalb der chinesischen Gedankenwelt kein Begriff ist, dervom denkenden Ich des Menschen scharf abgegrenzt und auerhalb seiner gedachtwird. Bezeichnend ist vielmehr, da immer die Ganzheit der Welt den Gegenstandder Spekulation bildet, einschlielich des Menschen und seiner gesellschaftlichen Da-seinsformen. Die Vorstellung, da die Welt aus mehreren, grundsatzlich voneinandergeschiedenen und nach eigenen Gesetzen existierenden Seinsbereichen besteht, hat imalten China keinen Platz. So ist es fur das altchinesische Denken bezeichnend, da eineKorrelation von menschlichem Handeln und Erscheinungen in der Natur vorausgesetztwird. Insbesondere wurde vom Verhalten der Herrschenden angenommen, da es sichauf die Phanomene der Umwelt auswirkt, und zwar im Sinne der Bewahrung oderStorung des Weltlaufs (tao).

    Eine Auffassung ist so unbestritten Allgemeingut aller Schulen, da sie ganzgrundsatzlich als Fundament der chinesischen Weltanschauung uberhaupt angesehenwerden kann, namlich der Glaube, da das Handeln des Menschen von naturlichenKraften geleitet wird. Negativ ausgedruckt: kein personlicher Gott bestimmt oder wagtsein Denken und Handeln. Der Mensch ist, im Rahmen der als unabanderlich gedach-ten Weltordnung, autonom. Der Himmelsgott alter Zeiten verblat immer mehr zumausgleichenden, abstrakten Prinzip. Zwar leben die alten Naturgotter noch weiter, aberihre Kulte werden, soweit die Oberschicht sie uberhaupt aufgreift, rationalisiert. An dieStelle von Gottermythen tritt mehr und mehr die philosophische Spekulation. Auch imIkonographischen zeigt sich diese Entwicklung deutlich; die anthropomorphe Darstel-lung, zumindest in den staatlichen Kulten, wird in steigendem Mae durch Symboleersetzt, eine Entwicklung, die freilich erst in den spateren Stufen der chinesischen Kul-turentwicklung greifbar wird. Fur die ausgehende Feudalzeit fehlen uns ausreichendearchaologische Beweise.

    Herbert Franke in: Saeculum Weltgeschichte, Bd. II, 1966, S. 321f.