19
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Philosophische Fakultät Seminar für Europäische Ethnologie / Volkskunde Seminararbeit Ambivalenzen in der Auseinandersetzung mit Popfeminismus Modul E: Anthropologie der Alltagskultur Hauptseminar: Popkultur. Gesellschaftliche Ästhetisierungsprozesse und Lebensentwürfe Modulprüfer: Peter Hinrichs, M.A. Verfasserin: Martha-Lotta Körber Fachsemester 6 Eingereicht am 15.09.2017

Ambivalenzen in der Auseinandersetzung mit Popfeminismus · Im Anschluss an diese Kritik an einem zum Sammelbegriff avancierenden Popfeminismus soll im Folgenden der Frage nachgegangen

  • Upload
    vutuong

  • View
    213

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Philosophische Fakultät Seminar für Europäische Ethnologie / Volkskunde

Seminararbeit Ambivalenzen in der Auseinandersetzung mit Popfeminismus

Modul E: Anthropologie der Alltagskultur Hauptseminar: Popkultur. Gesellschaftliche Ästhetisierungsprozesse und Lebensentwürfe Modulprüfer: Peter Hinrichs, M.A. Verfasserin: Martha-Lotta Körber Fachsemester 6 Eingereicht am 15.09.2017

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung.…………………………………………………………..…....…..…S. 1 2. Theoretische Diskussion.……………...………………………..……............…S. 2 3. (Begriffs-) Geschichte des Popfeminismus.……………………………....…….S. 5 4. „Femojis“ und Celebrity Feminismus…………………...……......................….S. 9

4.1 Diskussion.…….…………...…………..…………………….…S. 9

5. Fazit…………………………………………………………………..……..... S. 13

Literaturverzeichnis.……………………………………..……………...…………..…S. 15

Quellenverzeichnis…………………………………………………………………….S. 17

1

1. Einleitung

Diedrich Diederichsen diagnostizierte, dass Frauen konstitutiv aus pop- und subkulturellen

Milieus ausgeschlossen würden, wörtlich, dass „eine Fülle von ,Anderen‘ nicht mithört, um

besser Gegenstand sein zu können.“1 Eine solche Grundstruktur des Popkulturfeldes wurde

und wird in ähnlicher Weise von vielen Poplinken und sogenannten Popfeministinnen als

sexistisch und konservativ rezipiert und kritisiert. In dieser Lesart von Popkultur als

patriarchaler Kulturpraxis könnten sich Frauen in der Musikbranche „nur über eine

mimetische Aneignung an eine männliche Bilderwelt herstellen und sich dabei entlang des

an der Kategorie >Sexualität< orientierten Spektrums von männlichen Weiblichkeitsbildern

orientieren.“2

Als Reaktion auf eine solche sexistische Prägung des (traditionell gesprochen)

„Mainstreams“, wie auch der „Substream“-Popkultur, prägten subversive Interventionen

innerhalb des Feldes, wie die der sogenannten Riot Grrrls in den 1990er Jahren, den Begriff

des Popfeminismus, der seitdem insbesondere im deutschen Sprachraum im Kontext des

popaffinen Dritte Welle Feminismus rezipiert wird. Spätestens seitdem das Time Magazine

das Jahr 2014 als das „Year of Popfeminism“3 titulierte, ist er auch in den amerikanischen

Sprachraum eingezogen und umreißt in jüngster Zeit eine Welle der

öffentlichkeitswirksamen Bekenntnisse zu einem Feminismus, etwa durch Popsängerinnen

wie Beyonce oder Nicki Minaj, Mode-Kampagnen, TV-Formate und mediale Debatten. So

scheint „der Feminismus“ scheinbar im „Mainstream“-Pop-Diskurs angekommen zu sein,

was aus poplinken Kreisen in Folge einer als postfeministisch und materialistisch gedeuteten

Girlie-Kultur der 1990er und 2000er Jahre wohl niemand für möglich gehalten hätte.

In journalistischen, feministischen wie auch wissenschaftlichen Auseinandersetzungen 4

wird die vermeintliche Renaissance des Popfeminismus, mitunter entlang der Tradition der

Vereinnahmungsdiagnose linkspolitischer Kritik in den ,common sense‘, vernichtend

beurteilt. So titelt etwa Der Freitag mit Blick auf die Kommerzialisierungstendenzen jenes

neuerlichen Popfeminismus: „Girl-Power im Schlussverkauf“5, die Publizistin Andi Zeisler

1 Diederichsen 2002, S. XIX. 2 Klein 2010, S. 193. 3 Vgl.: www.time.com. 4 Anmerkung: An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass hier die Grenzen zwischen allen drei Bereichen teilweise fließend sind und daher auch explizit feministische AutorInnen wie Sonja Eismann, die außerdem Kulturwissenschaftlerin ist, in die Literatur einbezogen wurden. 5 Vgl.: www.freitag.de.

2

diagnostiziert den „Ausverkauf einer politischen Bewegung“ 6 und die

Kulturwissenschaftlerin und Mitbegründerin des popaffinen Missy Magazine Sonja Eismann

unterstellt dem Popfeminismus eigentlich ein Celebrity Feminismus zu sein, welcher primär

der Selbstinszenierung und Vermarktung prominenter PopkünstlerInnen und Labels diene.7

Im Anschluss an diese Kritik an einem zum Sammelbegriff avancierenden Popfeminismus

soll im Folgenden der Frage nachgegangen werden, inwieweit sich die gegenwärtigen, unter

Popfeminism subsumierten Phänomene, in einer Traditionslinie linkspolitischer und

feministischer Interventionen im Popfeld verorten lassen und wie ein Pop- oder Celebrity-

feminismus in diesem Zusammenhang auf innere Widersprüche zu hinterfragen ist.

Aufgrund der Heterogenität des Debattenfeldes und der Tatsache, dass „auf existierende

Definitionsversuche“ von Popfeminismus aufgrund mangelnder wissenschaftlicher

Auseinandersetzung „dabei kaum zurückgegriffen werden kann“8, erfolgt zunächst eine

Übersicht der theoretischen Diskussion um die Möglichkeit (feministischer) politischer

Interventionen im Pop und der Geschichte von popkultureller Girl-Power seit den Riot

Grrrls, was beides im Rahmen dieser Seminararbeit nur schlaglichtartig geleistet werden

kann.

Wesentliche Bezugspunkte sind hierfür die Arbeiten von Sonja Eismann, Angela McRobbie

und Stefan Schoppengerd, der in seiner Dissertation die Geschlechterverhältnisse in

Marketing und Popkultur im Rahmen der Vereinnahmungsthese des viel zitierten neuen

Geists des Kapitalismus diskutiert.

2. Theoretische Diskussion

Thomas Hecken stellte vor dem Eindruck der vergangenen Jahrzehnte Girlie-Kultur fest,

dass “Pop offensichtlich ein Mädchen”9 ist. Frauen sind demnach keinesfalls popkulturell

unterrepräsentiert, vielmehr stellen sich seit Butlers Theorie der Performativität von

Geschlecht die Fragen nach spezifischen Repräsentationsweisen, da sich im Kontext von

Popkultur „Fragen des Sehens und der Sichtbarkeit […] von Fragen der gesellschaftlichen

6 Vgl.: Zeisler 2017 („Wir waren doch mal Feministinnen. Vom Riot Grrrl zum Covergirl – Der Ausverkauf einer politischen Bewegung“, Zürich.). 7 Vgl.: www.fluter.de. 8 Schoppengerd 2012, S. 125. 9 Hecken 2006, S. 141.

3

Macht- und Herrschaftsverhältnisse“ 10 nicht trennen lassen. Demnach erzeugen

popkulturelle Erzeugnisse Wirklichkeiten und ‚Regime der Sichtbarkeiten‘.11

Basierend auf dieser Grundannahme zeigen sich verschiedene Traditionslinien in der

Auseinandersetzung um die Möglichkeit subversiven Potenzials innerhalb einer

kommerziellen Popkultur, die auch für die Möglichkeit feministischer Kritik geltend

gemacht werden. Die journalistische und wissenschaftliche Rezeption der Möglichkeit von

Popfeminismus bewegt sich dementsprechend, seit dem Aufkommen der (Feminist) Cultural

Studies in den 1970er und 1980er Jahren, im Wesentlichen zwischen zwei Lesarten.

Eine prominente Traditionslinie schließt an die Frankfurter Schule und die

Vereinnahmungsthese an. Demnach zeigt sich der popkulturelle Raum als kapitalistisch

determiniert und kritisches Potenzial absorbierend. Diese Dynamik verunmögliche

subversive feministische Kritik, genauso wie linkspolitische Inhalte im Allgemeinen, da

diese marktförmig gemacht würden und im Neuen Geist des Kapitalismus sogar als

„entscheidende Ressource zur Erneuerung und Stabilisierung jener Herrschaftsverhältnisse

fungieren, deren Abschaffung sie einst angestrebt haben.“12 In Folge dieser Lesart merkt

Stefan Schoppengerd an, dass es „bei feministischen Interventionen in die Popkultur fraglich

[ist], ob ihre kritischen Anliegen nicht als bloß stilistische und ästhetische

Geschmackvorlieben in einem beliebig erweiterbaren Lifestyle-Angebot unterzugehen

drohen.“13

Insbesondere von explizit feministischen AutorInnen wurde diese Frage häufig bejaht, indem

auf das Phänomen des Girlie in der Popmusik aufmerksam gemacht wurde. Häufig wird

dabei auf die Spice Girls verwiesen, die sinnbildlich für die Aushöhlung der politischen

Inhalte der Riot-Grrrls-Bewegung in den 1990er und 2000er Jahren stünden. Nancy Fraser

etwa vertritt in prominenter Weise eine solche feministische Variante der

Vereinnahmungsdiagnose und konstituiert eine neoliberale Umdeutung kritischer Potenziale

der Zweiten Frauenbewegung in konsumorientierte, materialistisch geprägte popkulturelle

Erzeugnisse, die in Formaten wie Sex and the City, Natürlich Blond oder den Spice Girls

Ausdruck einer von ihren politischen Inhalten befreiten Girlie-Kultur sind, die den „Traum

10 Schaffer 2008, S. 35. 11 Vgl. Hark / Villa 2016, S. 8. 12 Schoppengerd 2012, S. 12. (im Anschluss an Boltanski / Chiapello 2003). 13 Schoppengerd 2012, S.17.

4

von der Frauenbefreiung in den Dienst der kapitalistischen Akkumulationsmaschine“ 14

stellte.

Angela McRobbie, die den feministischen Popdiskurs aus der Tradition der Cultural Studies

heraus entscheidend geprägt hat, charakterisiert diese popkulturelle Kultivierung einer

vermeintlich rebellisch-nonkonformistischen Haltung als postfeministischen Backlash, der

die „Demontage feministischer Politik [ermögliche und] gelegentliche Aufrufe zu seiner

Erneuerung schon im Vorfeld“15 diskreditiere, da feministisches Engagement als obsolet,

historisch und hinfällig erscheine. 16 Im Angesicht der gegenwärtigen Popularität

feministischer Selbstzuschreibungen, wie sie bei zahlreichen kommerziell gewichtigen

Popsängerinnen in den letzten Jahren zu beobachten sind, erscheint diese These aus heutiger

Sicht jedoch zunehmend als ergänzungsbedürftig.

Der kulturpessimistischen Deutung der Unmöglichkeit von Subversion in der Popkultur steht

mit der durch die Cultural Studies angeregten Theorie der Polysemie der Lesarten ein

zweiter prominenter Interpretationsstrang gegenüber. Popkulturelle Erzeugnisse, wie etwa

solche, die über das Fernsehen vermittelt werden, erscheinen hier als codierte Texte, die erst

durch spezifische Aneignungsweisen eines Rezipienten ihre Bedeutung generieren.

Demnach wird ein lineares, Kommunikator-zentriertes Verständnis von Aneignung, durch

die Vorstellung eines wechselseitigen Prozesses und prinzipiell polysemer kultureller Texte

ersetzt.17 In dieser Lesart scheinen Performances, die mit Mehrdeutigkeiten spielen und

gerade dadurch kritisches Potenzial entfalten können, als legitim. Subversive Gender Acts,

wie sie Butler beschreibt, ermöglichten so eine Unterwanderung von

Geschlechterstereotypen, wie häufig anhand von Madonna exemplifiziert wurde, welche die

„männlichen Bilder von Weiblichkeit […] ironisiert, parodiert und verfremdet.“ 18 In

ähnlicher Weise wird Lady Gaga als Beispiel für eine Meta-Maskerade oder Punk im Pop

konsultiert, die in ihren Musikvideos hegemoniale Geschlechterentwürfe unterwandere.

Judith Halberstram installiert sie gar als Namensgeberin eines neuen Popfeminismus, des

14 Fraser 2009, S. 52. 15 McRobbie 2010, S. 33. 16 Anmerkung: Es sei erinnert an Beyonces Credo: „Who run the world? – girls”. 17 Vgl. Mikos 2009, S. 157. 18 Klein 2010, S. 196.

5

Gaga-Feminismus, welcher vor allen Dingen einem queeren Feminismus entspräche, der an

dieser Stelle jedoch vernachlässigt werden muss.

Bezüglich einer Bestandsaufnahme des gegenwärtigen Phänomens eines Celebrity- oder

Popfeminismus lassen ausführliche wissenschaftliche Rezeptionen noch auf sich warten. Im

Allgemeinen zeigt sich in der wissenschaftlichen und journalistischen Auseinandersetzung

um Feminismus und linkspolitische Anliegen im Pop, dass „die Kritik der Kulturindustrie

eine offene Flanke zum Elitären hat“, wohingegen „die Cultural Studies allerdings Gefahr

[laufen], Alltagspraktiken der Subalternen stets als eigensinniges Widerstandshandeln zu

affirmieren.“ 19 Zudem ignoriert eine absolute Position, dass Pop zwar in seiner

Eingebundenheit in die kapitalistische Kulturindustrie gelesen werden muss, jedoch als

mehrdimensionales Feld, als Industrie, als Kultur und als Denkweise existiert.20

3. (Begriffs-) Geschichte des Popfeminismus

Wie schwierig das Konzept Popfeminismus einzuordnen ist, wird bereits in einer Vielfalt

von Bezeichnungen, die unterschiedlichste Implikationen mit sich bringen, ersichtlich, denn

Pop und Feminismus ergeben nicht gleich Popfeminismus. Stattdessen wird der „bewusst

offen gehaltene Terminus […] seit seiner Setzung in den Nuller Jahren unterschiedlich

ausgehandelt, mit Bedeutungen aufgeladen, affirmiert und kritisiert“21 und war lange Zeit

ein Phänomen des deutschen Sprachraums. In den USA hingegen wurde der Popfeminismus-

Diskurs bis vor wenigen Jahren in dem des popaffinen Third Wave Feminism subsumiert

und etablierte sich ab den 1990er Jahren als Reflektion der Riot-Grrrls-Bewegung. Diese

ging als erste dezidiert feministische Subkultur aus der US-amerikanischen Punk- und

Hardcoreszene hervor und ist neben provokativ auftretenden, weiblich besetzten Bands wie

Bikini Kill auch durch die Anregung von feministischen Magazinen, queer-politischen

Netzwerken und sogenannten Ladyfesten gekennzeichnet.

Wie Eingangs bereits formuliert, werden die Riot Grrrls als antihegemoniale Empowerment-

Bewegung innerhalb einer männlich dominierten Subkulturen-Szene rezipiert und sind

damit bis heute der wichtigste Kristallisationspunkt feministischer Interventionen in der

Populärkultur und immer wieder Referenz der wissenschaftlichen Reflektion von

19 Schoppengerd 2012, S. 115. 20 Vgl. Savage 1995, S. XXIV f. 21 Seidel 2015, S. 247.

6

Popfeminismus. Zudem sind die Riot Grrrls Ausdruck eines Third Wave Feminism, der „die

männlichen Zuschreibungen (in der Populärkultur) […] - weniger als politische, sondern

eher als ästhetische Praxis – in Frage stellt“22 und die Dominanz kulturell-symbolischer

Repräsentationen im Pop berücksichtigt. Der Raum des Pop erscheint in dieser Lesart als

„patriarchale Kulturpraxis“23, der Geschlecht konstruiert und den die Riot Grrrls mit den

Mitteln des Pop, mit Texten und subkulturellen Codes, zu dekonstruieren versuchten. Die

prominente These, dass die subversiven Performances und Motive der Riot Grrrls von einer

marktförmigen Girlie-Kultur der 1990er und 2000er Jahre im ,common sense‘ absorbiert

wurde, teilt die überwältigende Mehrheit der Autoren.24

Jene Figur des Girls prägt „die Wahrnehmung von Weiblichkeit in Pop und Populärkultur.

Es tritt auf in Narrativen, Musik und Bildern, in denen Selbstverwirklichung, ambivalente

Beziehungskonstrukte, hedonistischer Genuss (“girls just wanna have fun”) und

Aufstiegsphantasien (“diamonds are a girl’s best friend”) unterschiedlich konstellierte aber

wiederkehrende Elemente bilden.“25 Doch die Rezeption ist sich auch darüber einig, dass die

Girlie-Kultur mitnichten linkspolitische Anliegen kommunizierte und deutlich außerhalb

eines Popfeminismus, auch im weiteren Sinne, zu verorten ist. So wird die Aushöhlung der

politischen Anliegen der Riot Grrrls zugunsten einer attraktiven, oberflächlichen

Ästhetisierung der Codes und des Topos der Girl-Power, etwa durch die Spice Girls, immer

wieder als Beispiel im Rahmen einer Vereinnahmungsdiagnose linkspolitischer und

feministischer Anliegen herangezogen.

Auch im Hinblick auf Filme und Fernsehformate lässt sich argumentierten, dass die Girlie-

Kultur in Sex and the City oder The Diaries of Bridget Jones zwar feministische Ansätze

ironisch zitiert, indem „Definitionen von Weiblichkeit als Spektakel und Geschlecht als

instabile und in-der-Entstehung-befindliche-Kategorie“ dargestellt werden, um diese jedoch

„am Ende der Erzählung auf altbekannte Weise im abgesicherten Kontext weißer, normierter

Heterosexualität und den exzessiven Vergnügen des Shoppings zu verorten.“26

22 Klein 2010, S. 193. 23 Klein 2010, S. 193. 24 Vertiefende Darstellung bei Schoppengerd 2014, S. 120.

(Anmerkung: Das mediale Echo verflacht die Subversion und politischen Inhalte der Riot Grrrls bereits Anfang der 1990er Jahre erheblich. Vgl. dazu: Seidel 2016.)

25 Volkening 2016, o.S. 26 Baldauf 2009, S. 270.

7

Sonja Eismann schlägt demgegenüber einen Begriff des Popfeminismus im Anschluss an

den amerikanischen Third Wave Feminism vor, der als durch „Alltagspraktiken, Do-It-

Yourself-Strategien und plurale Identitäten“ 27 im Kontext der Riot-Grrrls-Bewegung

gekennzeichnet ist, wohingegen sie für die gegenwärtige Popularität feministischer

Selbstzuschreibungen, wie sie etwa während einer Performance der Popsängerin Beyonce

während der MTV Video Music Awards 2014 in Form eines gigantischen Schriftzuges

(„FEMINIST“) zu beobachten war, den Begriff des Celebrity Feminism bemüht, um eine

Trennschärfe zu einem subkulturellen und linkspolitischen Popfeminismus zu erhalten.

Hintergrund der Begriffsproblematik ist ein von vielen AutorInnen konstituierter qualitativer

Unterschied zwischen den popkulturellen feministischen Interventionen der Riot Grrrls der

1990er in den USA (oder etwa Nina Hagens bereits Ende der 1970er Jahre im deutschen

Fernsehen28) und gegenwärtigen Performances und Images von US-amerikanischen Stars,

die in keiner Traditionslinie stünden.

Im US-amerikanischen Raum bezeichnet Popfeminism mittlerweile den von Sonja Eismann

beschriebenen Celebrity Feminism und referiert auf die jüngste Hochkonjunktur des

Begriffes. Davon zeugt nicht zuletzt das Time Magazine, welches 2014 „The Year of

Popfeminism“ 29 ausrief, womit Popfeminismus dazu tendiert, ein Sammelbegriff zu werden

und zu problematisierende Traditionslinien suggeriert.

Auf der Suche nach gemeinsamen Merkmalen kann jedoch konstituiert werden, dass sowohl

den gegenwärtigen Celebrity Feminism, als auch den Popfeminismus oder Third Wave

Feminism eine tendenziell sexpositive und (natürlich) popaffine Haltung kennzeichnet, die

auch als Gegenentwurf zum Zweite Welle Feminismus zu verstehen ist, der sich in

Deutschland etwa in der 1987 etablierten PorNo-Kampagne Alice Schwarzers ausdrückte,

und nun etwa mit PorYes beantwortet wird.

Im deutschsprachigen Raum sind die körperthematisierenden Interventionen Nina Hagens,

Lady Bitch Rays oder Charlotte Roches bereits beinahe historisch und einerseits „ganz klar

feministisch intendiert[em] Pop“ von Peaches oder Chicks on Speed gewichen. 30

27 Eismann 2016, o.S. 28 Vgl. Seidel 2015, S. 244, 245. 29 Vgl Mara Delius:

„Grundlage für die Zuschreibung war, dass die Blockbustersuperpopgrößen, die vom Magazin auf die Liste der einflussreichsten hundert Popstars gewählt wurden, Miley Cyrus und Beyoncé, „bekennende Feministinnen“ seien.„Feminism is the new frontier“, hieß es im erklärenden Artikel, eine unbekannte, fremde Gegend, die darauf wartet, entdeckt zu werden.“ (www.welt.de).

30 Vgl. Seidel 2015, S. 248, 249.

8

Andererseits werden marktdominierende KünstlerInnen, die neuerdings den Begriff

Popfeminismus belegen, wie Beyonce, Lady Gaga, Miley Cyrus oder Nicki Minaj im Sinne

einer Vereinnahmungsdiagnose auf ihr subversives Potenzial hin hinterfragt.

Letztendlich besteht keine einheitliche Theorie eines Popfeminismus, sondern, wie so häufig

im Kontext feministischer Diskurse, lediglich verschiedene Aneignungsversuche des

Konzepts, innerhalb eines Kampfes um Bedeutungen, wie er durch die Cultural Studies

generell als konstitutiv für das Popfeld behauptet wird.

Einige AutorInnen wie Katja Kauer markieren einen Popfeminismus, deutlich losgelöst von

linkspolitischen Anliegen, durch „die Möglichkeit für popkulturell sozialisierte Frauen, ein

feministisches Bewusstsein und die eigene Weiblichkeitsvorstellung“ mit der

gesellschaftlich produzierten, in Einklang zu bringen und dabei „Lippenstift und falsche

Wimpern“ tragen zu können, um „den herrschenden Diskursen, in denen Weiblichkeit

definiert ist, nicht nur blauäugig“ gegenüberzustehen.31 Eine solche Definition entspräche

einer Position, die sich in einer kritischen Lesart wiederum als postfeministisch und

konsumorientiert charakterisieren ließe.

Anette Baldauf und Katharina Weingartner machen darauf aufmerksam, dass neben dem

Merkmal der „Fokussierung auf das Symbolische und die Priorität des

Kulturellen/Sprachlichen“ dieses „semiotischen Guerillakrieges“ die ökonomischen

Bedingungen von Klassen- und Schichtzugehörigkeit berücksichtigt werden müssen und

plädieren für einen Begriff des Popfeminismus, der mit linkspolitischen und

antihegemonialen Inhalten verknüpft ist.32

In der Tradition einer engeren Definition sei hier unter Popfeminismus „eine reflektierte

Ausweitung des Interventionsraumes feministischer Politik“ verstanden, die „Popmusik,

Fernsehen oder Werbung […] genauso mit feministischen Mitteln kritisiert […] wie

Gesetze“ und Popkultur als „wesentlichen Erfahrungsraum der Gegenwartsgesellschaft“

anerkennt.33

31 Kauer 2009, S. 138. 32 Baldauf / Weingartner 1998, S. 21. 33 Schoppengerd 2012, S. 126.

9

4. „Femojis“ und Celebrity Feminismus

Während der MTV Video Music Awards 2014 inszenierte sich Beyonce, im Rahmen ihres

Titels „Flawless“, vor den gigantischen Lettern „FEMINIST“ und wurde dabei akustisch

begleitet von einer Rede der nigerianischen Frauenrechtlerin Chimamanda Ngozi Adichie.

Es folgte ein großes mediales Echo und zahlreiche Bekenntnisse zum Feminismus, etwa von

Miley Cyrus, Nicki Minaj oder Taylor Swift, sowie entsprechende ,Slogan-Shirts‘ großer

Modehäuser wie H&M und Dior, Mikrokampagnen in sozialen Netzwerken und eine

wachsende Präsenz von Transgender-Frauen im Mainstream. Sogar Magazine wie

Cosmopolitan, von der Autorin und Publizistin Andi Zeisler als „Bibel der

Männerbefriedigungs-Tipps“ tituliert, publizieren mittlerweile scheinbar gezielt politische

Autorinnen und Themen. Ein Beitrag innerhalb der Online-Präsenz von Cosmopolitan wirbt

etwa für eine „schlagfertige „Femojis“-Kollektion“, die „starken Frauen wie Beyoncé, Lena

Dunham [und] Taylor Swift“ nachempfunden sind.34

4.1 Diskussion

Eismann formulierte noch 2008 in einem Artikel der Zeitschrift Jungle World:

„Gerade der Feminismus ist nämlich durch seine omnipräsente Stigmatisierung als »unsexy«

das letzte große Kassengift im Bauchladen des Kapitalismus“ und ging davon aus, dass

„allein die Kombination der Buchstaben in Worten wie Feminismus oder Feministin auf den

kapitalistischen Mainstream eine so abschreckende Wirkung hätte, dass diese in diesem

Rahmen niemals angeeignet“ werden würden, da „alle Assoziationen zum Feminismus den

Anforderungen von gelingender […] und vermarktbarer Weiblichkeit im Kapitalismus

diametral entgegengesetzt“ seien.35

Eismann diagnostizierte somit eine postfeministische, ökonomisch und hegemonial

orientierte Popkultur vor dem Hintergrund der Girlie-Kultur der 2000er Jahre, die das

Konzept eines politischen Feminismus im popkulturellen Mainstream durch ein

vermarktbares Girl ersetzte, das die Codes der Riot Grrrls adaptierte, aber „das ‚schmutzige´

Wort Feminismus“ zugunsten einer harmloseren Girl-Power entfernte (wie es „die Spice

34 www.cosmopolitan.de. 35 Eismann 2016, o.S.

10

Girls 1997 auf dem Höhepunkt ihrer Popularität im gleichnamigen Buch Girl Power“

forderten).36

Anders als Eismann 2008 noch einordnete, ist das Etikett des Feminismus seit 2014 virulent,

deutlich sichtbar im Popfeld und steht bei vielen feministischen AutorInnen unter dem

Verdacht, primär ein Label zum Zwecke der Produktvermarktung zu sein. „Femojis“

erscheinen als Ausdruck verschiedener popkultureller Phänomene, die sich unter dem Etikett

eines Feminismus versammeln. Am offensichtlichsten sind sie Ausdruck des von Eismann

diagnostizierten Celebrity Feminism, welchen sie dahingehend hinterfragt, was es bedeutet

„wenn die Legitimität einer sozialen Bewegung, die sich um die Emanzipation aller bemüht,

[…] nur noch durch attraktive Celebrities als Sprachrohre“ repräsentiert würden, und diese

weniger für konkrete politische Forderungen, denn für ein beliebig erweiterbares Life-Style-

Angebot stünden.37 Ein Celebrity Feminismus, welcher durch die Bindung an prominente

Persönlichkeiten zum Feminismus wird, wird im Falle der „Femojis“ durch Sinnfiguren

„starker Frauen“ legitimiert und kommt gänzlich ohne politische Forderungen daher. Eine

Befürchtung, die sich mit der Personifizierung von Feminismus mit prominenten

Popsängerinnen in diesem Kontext artikuliert, ist, dass die Debatte um mögliche inhaltliche

Forderungen eines modernen Feminismus erheblich verflacht und durch personifizierte

Beiträge dominiert wird wie: „Lily Allen or Miley Cyrus: who's the bigger feminist?“.37 Es

lassen sich sogar Beispiele finden, in denen „der Feminismus“ nicht lediglich indirekt als

Marketinginstrument dient, etwa wenn Katy Perry im Herbst 2015 ihr Parfum „Killer

Queen“ in dem Magazin InStyle als „royal, rebellisch und feministisch“ bewirbt.38

36 Hecken 2006, S. 199:

(„Die Aufmerksamkeitserfolge, die das amüsant-freche und verspielt-anziehende Mädchen erzielt, reichen ihm als Beleg für seine Gleichberechtigung, ja Überlegenheit aus. Erklärte Absicht der postfeministischen Girls ist es darum, durch den Ausdruck ,Girl Power‘ das , schmutzige‘ Wort Feminismus abzulösen […]. In seiner schlichtesten Variante bietet dieser Postfeminismus nichts als eine Wiederaufnahme der bekannten Forderung, Feministinnen sollten sich mehr um ihr Aussehen kümmern. In seiner ernstzunehmenden Version steht das ,Girlie‘ seit Beginn der neunziger Jahre für die These ein, dass Gleichberechtigung bereits erreicht ist.“ ).

37 Eismann 2016, o.S. (Anmerkung: Sie beklagt zudem eine Aushöhlung des Begriffes „Feminismus“, die zu einer Entpolitisierung führe und sich drin äußere, dass sich etliche in der Öffentlichkeit stehende Frauen zum Feminismus bekannten, auch wenn es sich paradoxerweise um eine evangelikale Version bei Birgit Kelle oder einen pro-life-feminism bei Sara Palin handele.).

37 Vgl.: www.telegraph.co. 38 Vgl. Zeisler 2017, S. 13.

11

Ob das Gros der Popsängerinnen als Vertreterinnen eines Feminismus im Hinblick auf die

bereits thematisierten Kriterien Popfeministinnen zu bezeichnen sind, bleibt fraglich. Im

Rückgriff auf die Definitionsversuche unter Punkt 3 muss angezweifelt werden, dass hier

die popkulturelle Sphäre als Interventionsraum feministischer Politik reflektiert ausgeweitet

wird. Als Mittel zur Aufmerksamkeitsgenerierung muss nach wie vor die viel strapazierte

weibliche Haut herhalten, in der Regel ohne für Irritationen mittels subversiver Gender Acts

zu sorgen. In den öffentlichkeitswirksamen Musikvideos von Beyonce, Nicki Minaj und

Miley Cyrus werden vielmehr hegemoniale Geschlechterentwürfe reproduziert, die sich

bisweilen in einer exzessiven Sexualisierung äußern, wie sie im Rahmen einer Ökonomie

der Aufmerksamkeit39 erklärbar ist. Ohne hierauf vertiefend eingehen zu können, soll an

dieser Stelle zumindest die These einer rein feministisch-politischen Motivlage und

Rezeption des erneuerten Popfeminismus problematisiert sein. So sind die Performanzen der

genannten Popgrößen innerhalb eines popkulturell-tradierten Spektrums von männlichen

Weiblichkeitsbildern zu verorten und ohne größere Irritationen auszulösen, weitestgehend

entlang der Kategorie »Sexualität« orientiert.

Unter ökonomischen Aspekten erscheint das Phänomen des Celebrity Feminism plausibler.

Produkte wie die „Femojis“ lassen sich als „market-placed feminist notion“ deuten. Als

Ausdruck eines individualisierten, markwirtschaftlich orientierten „Feminismus“, welcher

Frauen über ihre Konsumentscheidungen die vermeintliche Möglichkeit eines politischen

Statements eröffnete. In einem solchen neoliberalen choice-feminism, wie Andi Zeisler ihn

beschreibt, ist jede (Konsum-)Entscheidung eine feministische, da die Konsumentin sie

vermeintlich autonom gefällt hat, was Eismann scharf als „sinnentleerten

hyperindividualisierten Feminismus“ 40 kommentiert, welcher Empowerment als

Verkaufsargument nutze.

Andi Zeisler, die als Publizistin von Bitch-Media nicht im Verdacht steht, per se

popkulturfeindlich zu sein, thematisiert den choice-feminism als Teil einer individualisierten

Konsumkultur, die gleichermaßen wirtschaftliche wie popkulturelle Dimensionen aufweist.

So sei „die Geschichte des Rückgriffs auf Sprache und Theorie des Feminismus zum Zwecke

der Produktvermarktung […] bis heute getrieben von der Idee, dass die Ermächtigung

weiblicher Verbraucherinnen über deren persönliche Konsumentscheidung stattfindet.“41

39 Vgl. Franck 1998. 40 Eismann 2016, o.S. 41 Eismann 2016, o.S. (mit Verweis auf Zeisler 2017.).

12

Im Sinne einer Vereinnahmungsdiagnose feministischer Kritik stellt sich die Inkorporierung

des Labels »Feminismus« gewissermaßen als konsequente Entwicklung dar, waren doch

bereits Symbole der Riot Grrrls in der populären Girlie-Kultur umcodiert worden. Wie

bereits angedeutet, besteht das Paradoxon darin, dass nicht symbolische Repräsentationen

adaptiert werden, sondern der Begriff „Feminismus“ angeeignet und zumindest teilweise

von seiner Agenda gelöst wird.

So ergeben sich zwei Lesarten des Popfeminismus. Einerseits wird die „Entstaubung“ und

Popularisierung des Begriffes begrüßt, andererseits die Loslösung von politischen Inhalten

auf überindividueller Ebene beklagt. So erscheint der gegenwärtige Popfeminismus in seiner

kritischsten Lesart als „weitestgehend entkoppelt von Ansätzen der Solidarität oder Kritik

der gesellschaftlichen Strukturen, sondern […] für einen individualisierten

Postfeminismus“ 42 stehend, der sich nicht mit Deutungsmustern oder Motivlagen des

Feminismus allein herleiten lässt, sondern primär ein Ergebnis der ökonomischen Dimension

von Popkultur zu sein scheint.

Als Erklärungsmodell hierfür diagnostiziert Schoppengerd in Anlehnung an Thomas Hecken

einen „Mainstream der Minderheiten“, der dadurch gekennzeichnet sei, dass sich das

„Verhältnis von Mainstream zu Substream“ in der Popkultur grundlegend gewandelt habe,

und „gerade die Inszenierung von Abweichung und Differenz […] die wichtigsten Inhalte

der Mainstream-Kulturwaren“ geworden sind.43 Für das Etikett des Feminismus kann diese

These möglicherweise fruchtbar gemacht werden, ohne dass damit die Erkenntnisse der

Cultural Studies und mögliche emanzipatorische Lesarten gänzlich in Frage gestellt werden

müssten. Im Rahmen eines Normalisierungsprozesses linkspolitischer Inhalte innerhalb des

„Mainstreams“, sind unter normativen Gesichtspunkten etwa geschlechtssensible und

intersektional-feministisch ausgerichtete Images und Werbekampagnen nicht per se

abzulehnen, schaffen sie trotz inhaltlicher Verflachung und dem Verdacht auf oberflächliche

Ästhetisierungen doch vielfältigere Repräsentationen von Geschlecht für ein breites

Publikum.44

42 Schoppengerd 2012, S. 123. 43 Schoppengerd 2012, S. 116. 44 Hier sei etwa auf die H&M-Werbekampagne des Herbstes 2016 hingewiesen (YouTube).

13

5. Fazit

Der Diskurs um einen gegenwärtigen Popfeminismus macht die Vielschichtigkeit des Feldes

als solches deutlich, denn Pop existiert als Industrie, als Kultur und als Denkweise45 und „in

diesen dreifachen Erscheinungsformen verfolgt Pop durchaus widersprüchliche Ziele“46,

sodass eine einfache Einordnung eines Celebrity Feminism oder eines modernen

Popfeminismus der Komplexität des Feldes keine Rechnung trägt.

Allerdings kann von einem Popfeminismus, der in einem normativen Sinne Popkultur durch

feministische Strategien unterwandert und erschüttert, im Falle popkultureller Erzeugnisse

wie „Femojis“ nur schwierig gesprochen werden, und ob ein solcher für Beyonces, Miley

Cyrus‘ oder Nicki Minajs Performances geltend gemacht werden kann, bleibt zumindest zu

problematisieren, reproduzieren sie doch die konventionellen, sexualisierten Bildsprachen

eines hegemonialen Popfeldes, indem hier „tradierte Arbeitsteilungen und

Geschlechtskonstruktionen“ 47 fortwirken. Aus diesem Grund stellte sich eine rein

popfeministische Perspektive zur Einordnung als unzureichend dar, vernachlässigt sie

ökonomische Aspekte und Motivlagen, die im Gegensatz zu den Interventionen der

subkulturellen Riot Grrrls bei marktdominierenden KünstlerInnen und Labels berücksichtigt

werden müssen.

Daraus resultiert das Problem, dass etwa die feministischen Interventionen der Riot Grrrls

zwar unbestritten politisch waren, aber auch bewusst einen begrenzten Einflussrahmen

hatten, da aufgrund ideologischer Konsequenz das Verhältnis zu etablierten Medien

konfliktreich war.48 Demgegenüber wird vielfach, insbesondere aus linkspolitischen und

feministischen Kreisen, die These vertreten, dass ein Celebrity Feminism als Popfeminismus

eher zur Aushöhlung politischer Inhalte beiträgt, obwohl, oder gerade weil er eine solch

große Reichweite erzielt. Es drängt sich die Vermutung auf, dass der kommerzielle

popkulturelle Raum nur bedingt politische Inhalte mit Tiefenschärfe kommunizieren kann,

allerdings die Implementierung eines auch nur oberflächlichen Bewusstseins für

45 Vgl. Savage 1995, S. XXIV f. 46 Klein 2010, S. 198. 47 Schoppengerd 2012, S. 126. 48 Vgl. dazu Gottlieb / Wald 1995:

„Wenn die Riot-Grrrl-Bewegung tatsächlich feministisches Bewusstsein auf breiter Ebene fördern will, dann muss sie ein Verhältnis zum Mainstream finden, das nicht bloß die Opposition von Mainstream und Subkultur weiter verfestigt.“ Weiter heißt es in Anspielung auf das Gedicht von Gill Scott-Heron „The revolution will not be televised“: „Ob sie wollen oder nicht, die Girl-Style Revolution muß im Fernsehen übertragen werden.“

14

Feminismus in den ,common sense‘ nicht per se kulturpessimistisch gedeutet werden muss.

In einer solchen Lesart nämlich, wäre jeder Versuch politischer Interventionen im

popkulturellen Raum überflüssig, da jede emanzipatorische Praxis als sinnlos erscheint, wird

sie lediglich unter dem Gesichtspunkt der Integration in Herrschaftsverhältnisse betrachtet.

15

Literaturverzeichnis

Baldauf, Anette (2009) Angela McRobbie: Mädchenkultur und Kreativwirtschaft. In: Andreas Hepp, Friedrich Krotz u. Tanja Thomas (Hg.): Schlüsselwerke der Cultural Studies. Wiesbaden, S. 267-276.

Baldauf, Anette / Katharina Weingartner (1998) Lips Tits Hits Power? - Popkultur und Feminismus, Wien.

Bechdolf, Ute (1999)

Verhandlungssache Geschlecht: Eine Fallstudie zur kulturellen Herstellung von Differenz bei der Rezeption von Musikvideos, In: Andreas Hepp u. Rainer Winter (Hg.): Kultur –Medien – Macht. Cultural Studies und Medienanalyse (2. Auflage). Opladen / Wiesbaden, S. 213-226.

Boltanski, Luc / Eve Chiapello (2003) Der neue Geist des Kapitalismus, Konstanz.

Diederichsen, Diedrich (2002)

Sexbeat, Köln. Eismann, Sonja (2016)

"I choose my choice!" Vom Popfeminismus zum Choicefeminismus (Ringvorlesung 13.12.2016, FH Potsdam): [Online verfügbar: https://www.youtube.com/watch?v=T0hKz6XTi0o. (03.09.2017)].

Eismann, Sonja u. Annabelle Seubert (2015)

„Am Ende ist das authentisch“. In: fluter, 23.02.2015, http://www.fluter.de/amende-ist-das-autistisch (03.09.2017).

Franck, Georg (1998) Ökonomie der Aufmerksamkeit: Ein Entwurf. München.

Gill, Rosalind (2016)

Postfeministische Medienkultur. Elemente einer Sensibilität. In: Kathrin Peters u. Andrea Seier (Hg.): Gender & Medien-Reader. Zürich/Berlin, S. 541-556.

Gottlieb, Cornelia / Sabine Wald (1995) Smells like Teen Spirit. Riot Grrrls, Revolution und Frauen im Independent Rock. In: Cornelia Eichhorn u. Sabine Grimm (Hg.): Gender Killer. Texte zu Feminismus und Politik. Berlin/Amsterdam, S. 167-189.

Hark, Sabine / Paula-Irene Villa (2016)

Ambivalenzen der Sichtbarkeit – Einleitung zur deutschen Ausgabe. In: Angela McRobbie: Top Girls. Feminismus und der Aufstieg des neoliberalen Geschlechterregimes (= Geschlecht & Gesellschaft, Bd. 44.), Wiesbaden, S. 7-16.

Hecken, Thomas (2006)

Populäre Kultur. Mit einem Anhang: Girl und Popkultur. Bochum.

16

Jurga, Martin (1999) Texte als (mehrdeutige) Manifestationen von Kultur: Konzepte von Polysemie in den Cultural Studies. In: Andreas Hepp u. Rainer Winter (Hg.): Kultur –Medien – Macht. Cultural Studies und Medienanalyse. (2. Auflage), Opladen / Wiesbaden, S. 129-144.

Kauer, Katja (2009) Popfeminismus! Fragezeichen! Eine Einführung., Berlin.

Klein, Gabriele (2010) Popkulturen als performative Kulturen. Zum Verhältnis globaler Imageproduktionen und lokaler Praxis. In: Udo Göttlich, Winfried Gebhardt u. Clemens Albrecht (Hg.): Populäre Kultur als repräsentative Kultur. Die Herausforderung der Cultural Studies (=Fiktion und Fiktionalisierung, Bd. 6), Köln, S. 192-212.

McRobbie, Angela (2016)

Top Girls. Feminismus und der Aufstieg des neoliberalen Geschlechterregimes (= Geschlecht & Gesellschaft, Bd. 44.), Wiesbaden.

Müller, Eggo / Hans J. Wulff

Aktiv ist gut. Anmerkungen zu einigen empiristischen Verkürzungen der British Cultural Studies. In: Andreas Hepp u. Rainer Winter (Hg.): Kultur –Medien – Macht. Cultural Studies und Medienanalyse (2. Auflage), Opladen / Wiesbaden, S. 183-188.

Peters, Kathrin / Andrea Seier (2016)

Gender & Medien. Einleitung. In: Kathrin Peters u. Andrea Seier (Hg.): Gender & Medien-Reader, Zürich-Berlin, S. 9-19.

Savage, Jon (1995)

The simple things you see are all complicated. In: Hanif Kureishi u. Jon Savage (Hg.): The Faber Book of Pop. London/Boston, S. XXIV f.

Schoppengerd, Stefan (2012)

Hoffnungslos vereinnahmt? Kritik der Geschlechterverhältnisse in Marketing und Popkultur (=Arbeit – Demokratie – Geschlecht, Bd. 20), Marburg.

Seidel, Anna (2016)

Riot-Grrrls in Spiegel und Spex. In: POP-ZEITSCHRIFT, http://www.pop-zeitschrift.de/2016/10/11/pop-archiv-oktobervon-annaseidel11-10-2016/. (Zugriff: 12.09.2017).

Seidel, Anna (2015)

»TV-Glotzer«. Überlegungen zu Popfeminismus und Fernsehen, In: Stefan Greif, Nils Lehnert, Anna-Carina Meywirth (Hg.): Popkultur und Fernsehen. Historische und ästhetische Berührungspunkte, Bielefeld, S. 243-263.

Volkening, Heide (2016)

Mädchen Mütter Monster. Manifeste von Tiqqun und Lady Gaga. In: POPZEITSCHRIFT, 15.03.2016, http://www.popzeitschrift.de/2016/03/15/maedchen-muetter-monstermanifeste-von-tiqqun-undlady-gagavon-heide-volkening15-3-2016/ (03.09.2017).

17

Zeisler, Andi (2017) Wir waren doch mal Feministinnen. Vom Riot Grrrl zum Covergirl – Der Ausverkauf einer politischen Bewegung, Zürich.

Quellenverzeichnis Artikel „The TIME 100 Music Stars Prove This Was the Year of Pop Feminism“: http://time.com/74861/pop-star-feminism-beyonce-miley-cyrus-pharrell/ (Zugriff: 12.09.2017). Essay „Girl Power im Schlussverkauf“: https://www.freitag.de/autoren/johanna-montanari/girl-power-im-schlussverkauf (Zugriff: 11.09.2017). Interview mit Sonja Eismann „„Am Ende ist das autistisch“: http://www.fluter.de/am-ende-ist-das-autistisch (Zugriff: 11.09.2017). Artikel „Was uns an Beyonce’s Po interessiert“: https://www.welt.de/kultur/pop/article135832468/Was-uns-an-Beyonces-Po-interessiert.html (Zugriff: 12.09.2017). Artikel „femojis“: http://www.cosmopolitan.de/femojis-auf-diese-feministischen-emojis-haben-wir-eine-ewigkeit-gewartet65863.html (Zugriff: 12.09.2017). Artikel „Lily Allen or Miley Cyrus: who's the bigger feminist?“: http://www.telegraph.co.uk/women/womens-life/10447359/Lily-Allen-or-Miley-Cyrus-whos-the-bigger-feminist.html (Zugriff: 12.09.2017). H&M Werbekampagne (Herbst 2016): https://www.youtube.com/watch?v=8-RY6fWVrQ0 (Zugriff: 12.09.2017). .