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Angewandte Mathematik 1. Semester Begleitendes Skriptum zur Vorlesung im Fachhochschul-Studiengang Angewandte Elektronik von Günther Karigl FH Campus Wien 2020/21

Angewandte Mathematik · 2020. 8. 24. · Angewandte Mathematik 1. Semester Begleitendes Skriptum zur Vorlesung im Fachhochschul-Studiengang Angewandte Elektronik von Günther Karigl

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Angewandte Mathematik 1. Semester

Begleitendes Skriptum zur Vorlesung

im Fachhochschul-Studiengang

Angewandte Elektronik

von

Günther Karigl

FH Campus Wien 2020/21

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Inhaltsverzeichnis

1. Semester: Mathematik 1

1. Zahlen und Funktionen 1

1.1 Die natürlichen Zahlen 1 1.2 Die ganzen, rationalen und reellen Zahlen 3 1.3 Die komplexen Zahlen 6 1.4 Der Funktionsbegriff 10 1.5 Elementare Funktionen 13

2. Grundlagen der Differentialrechnung 21

2.1 Konvergenz von Folgen und Reihen 21 2.2 Stetige Funktionen 26 2.3 Differenzierbarkeit von Funktionen 28

3. Anwendungen der Differentialrechnung 33

3.1 Kurvenuntersuchungen mittels der Differentialrechnung 33 3.2 Weitere Anwendungen 38

4. Integralrechnung 42

4.1 Das unbestimmte Integral 42 4.2 Das bestimmte Integral 44 4.3 Erweiterungen und Anwendungen 48

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1.1 Die natürlichen Zahlen 1

1. Zahlen und Funktionen Zu den Grundlagen der Mathematik zählen einerseits die Logik, anderseits die Mengenlehre. Die Logik stellt den sprachlichen Rahmen (Aussagen, mathematisches Schließen), die Mengenlehre den begrifflichen Rahmen (Konstruktion von Mengen, Rechnen mit Mengen) für die Mathematik bereit. Eine Menge ist – nach Cantor – „eine Zusammenfassung von bestimmten, wohlunter-schiedenen Objekten unserer Anschauung oder unseres Denkens zu einem Ganzen. Die Objekte heißen Elemente der Menge.“ Grundlegende mengentheoretische Konstruktionen und Bezeichnungen wie die Elementrelation x ∈ A, Teilmengenbeziehung A ⊆ B, Durchschnitt A ∩ B, Vereinigung A ∪ B, Differenz A \ B, Produkt A × B und die leere Menge ∅ werden im folgenden als bekannt vorausgesetzt. Alle mathematischen Objekte (Zahlen, Funktionen, Relationen, usw.) können letztlich als Mengen aufgefasst werden.

1.1 Die natürlichen Zahlen

Basis unseres Zahlensystems sind die Menge der natürlichen Zahlen Õ = 1,2,3,... bzw. die Menge der nichtnegativen ganzen Zahlen Õ0 = 0,1,2,3,..., welche durch Abstraktion aus dem Abzählen sowie dem Anordnen hervorgegangen sind.

In Õ sind die Rechenoperationen Addition + und Multiplikation ⋅ uneingeschränkt, Subtrak-tion − und Division : nur zum Teil ausführbar. Außerdem sind je zwei natürliche Zahlen bezüglich der Ordnungsrelation ≤ vergleichbar. Ferner gilt in Õ das

Prinzip der vollständigen Induktion: Gilt für eine Aussage A(n) mit n ∈ Õ

(i) A(1) ist wahr und

(ii) A(n) A(n + 1) für alle n ∈ Õ,

dann ist A(n) wahr für alle natürlichen Zahlen n ∈ Õ. Die Bedingung (i) heißt Induktionsanfang, (ii) heißt Induktionsschritt. Statt A(1) ist auch ein beliebiger Induktionsanfang A(n0) möglich; die Aussage A(n) gilt dann für alle n ≥ n0. Beispiel 1: Die Beobachtung 1 = 12, 1 + 3 = 22, 1 + 3 + 5 = 32, usw. führt zur Vermutung, dass die Summe Sn der ersten n ungeraden Zahlen stets n2 ergibt, d.h.

Sn = 1 + 3 + 5 + ... + (2n − 1) = n2.

1 4 9

usw.

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1.1 Die natürlichen Zahlen 2

Wir beweisen die Richtigkeit dieser Vermutung durch vollständige Induktion: (i) Induktionsanfang n = 1: S1 = 1 = 12. (ii) Induktionsschritt n → n + 1: Sn+1 = Sn + (2n + 1) = n2 + 2n + 1 = (n + 1)2.

Damit gilt allgemein Sn = n2 für alle natürlichen Zahlen n ∈ Õ. Beispiel 2: Die Behauptung A(n)

6

)1n2)(1n(nn...321 222 ++=++++ für alle n ∈ Õ

wird durch vollständige Induktion bewiesen: (i) A(1): 1 = 1⋅2⋅3/6. (ii) A(n) A(n + 1): Aus der Induktionsvoraussetzung A(n) folgt

,6

)3n2)(2n)(1n(

6

6n13n9n2

)1n(6

)1n2)(1n(n)1n(n...321

23

22222

+++=

+++=

++++=++++++

das ist gerade die Induktionsbehauptung A(n + 1). Also gilt A(n) für alle natürlichen Zahlen

n ∈ Õ. Beispiel 3: Eine Folge natürlicher Zahlen x1, x2, x3, ... sei festgelegt durch das Anfangsglied x1 = 1 und das Bildungsgesetz xn+1 = xn + 8n für n ≥ 1. Damit erhält man eine rekursiv definierte Folge mit den Werten

x1 = 1, x2 = 1 + 8 = 9, x3 = 9 + 16 = 25, x4 = 25 + 24 = 49, ... .

Wie groß ist allgemein das n-te Folgenglied? Wir beweisen mittels vollständiger Induktion,

dass xn = (2n − 1)2 für alle n ∈ Õ gilt: (i) Induktionsanfang n = 1: Für n = 1 gilt x1 = (2n − 1)2 = 1, also ist die Formel richtig. (ii) Induktionsschritt n → n + 1: Gelte nun xn = (2n − 1)2 für irgend ein n ≥ 1. Dann folgt

n 1 n

2

2

2

x x 8n

(2n 1) 8n

4n 4n 1

(2n 1) ,

+ = +

= − +

= + +

= +

also xn+1 = (2(n+1) − 1)2, das ist unsere Formel für n +1. Somit gilt die Formel tatsächlich für alle natürlichen Zahlen n ∈ Õ. Wir betrachten nun allgemein Potenzen von Binomen, d.h. Ausdrücke der Form (a + b)n. Die bekannten Formeln (a + b)2 = a2 + 2ab + b2 bzw. (a + b)3 = a3 + 3a2b + 3ab2 + b3 finden ihre Verallgemeinerung im Binomischen Lehrsatz

n1n22n1nnn bab1n

n...ba

2

nba

1

na)ba( +

−++

+

+=+ −−−

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1.1 Die natürlichen Zahlen 3

für beliebige Zahlen a,b und alle natürlichen Zahlen n. Dabei bezeichnen die Ausdrücke

!k

)1kn()1n(n

k321

)1kn()2n)(1n(n

k

n +−−=⋅⋅

+−−−=

für n = 1,2,... und k = 1,...,n die Binomialkoeffizienten, zusätzlich ist 10

n=

festgelegt.

Diese erfüllen die Gleichung

++

=

++

1k

1n

1k

n

k

n.

Für n = 4 gilt beispielsweise

14321

1234

4

4,4

321

234

3

4,6

21

34

2

4,4

1

4

1

4,1

0

4=

⋅⋅⋅⋅⋅⋅=

=

⋅⋅⋅⋅=

=

⋅⋅=

==

=

und somit ist

(a + b)4 = a4 + 4a3b + 6a2b2 + 4ab3 + b4.

Wir beweisen den Binomischen Lehrsatz durch vollständige Induktion: (i) Induktionsanfang: Für n = 1 ist (a + b)1 = a1 + b1. (Für n = 2 bzw. n = 3 ergeben sich die eingangs erwähnten Formeln.) (ii) Induktionsschritt n → n + 1: Gilt obiger Satz für ein festes n, dann folgt

,babn

1n...ba

2

1nba

1

1na

bab1n

n...ba

1

nba

0

n

ab...ba2

nba

1

na

)ba()ba()ba(

1nn21nn1n

1nn21nn

n21nn1n

n1n

+−+

+−

−+

+

+

+++

++

++=

+

−++

+

+

+++

+

+=

++=+

das ist die Behauptung für n + 1. Somit gilt der Satz für alle Exponenten n ∈ Õ.

1.2 Die ganzen, rationalen und reellen Zahlen

Nimmt man zu Õ noch die 0 und alle negativen ganzen Zahlen hinzu, erhält man die Menge der ganzen Zahlen Ÿ = ...,−3,−2,−1,0,1,2,3,.... Neben Addition und Multiplikation ist auch die Subtraktion in Ÿ uneingeschränkt ausführbar. Als nächsten Bereich, der Õ und Ÿ umfasst, betrachten wir die Menge der rationalen Zahlen oder Brüche

– = a

b | a,b ∈ Ÿ, b ≠ 0,

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1.2 Die ganzen, rationalen und reellen Zahlen 4

wobei a

b

c

dad bc= ⇔ = (man kann Brüche also kürzen und erweitern). In – ist schließlich

auch die Division (durch Zahlen ≠ 0) stets eindeutig ausführbar. Für das Rechnen mit Brüchen gilt:

• a

b

c

d

ad bc

bd± =

± Addition und Subtraktion von Brüchen durch Erweiterung auf

einen gemeinsamen Nenner

• a

b

c

d

ac

bd⋅ = Multiplikation von Brüchen

aa c a d ad a d adb: bzw.

cb d b c bc b c bcd

= ⋅ = = ⋅ = Division von Brüchen, Doppelbrüche

Beispiel: Gegeben seien die drei Widerstände R1 = 1/2 Ω, R2 = 2 Ω und R3 = 1 2/3 Ω. Dann beträgt der Gesamtwiderstand Rser bei Serienschaltung

R R R Rser = + + = + + =+ +

=1 2 3

1

22

5

3

3 12 10

64

1

6Ω ,

der Gesamtwiderstand Rpar bei Parallelschaltung

R

R R R

par =+ +

=+ +

= + + =1

1 1 1

1

21

2

3

5

1

20 5 6

10

10

31

1 2 3

Ω .

Alle rationalen Zahlen können als Punkte auf der Zahlengeraden dargestellt werden. Darüber hinaus liegen jedoch weit mehr Punkte auf der Zahlengeraden, etwa die Diagonale im Ein-

heitsquadrat d = 2 , welche nicht rational ist. Wäre nämlich 2 = p/q ∈ – mit teiler-fremden natürlichen Zahlen p und q, so wäre wegen p2 = 2q2 zunächst p2 und damit auch p gerade, folglich aber auch q2 und damit q gerade. Unsere Annahme führt also auf einen

Widerspruch, da p und q teilerfremd vorausgesetzt waren, woraus folgt 2 ∉ –. Die Gesamtheit aller Zahlen auf der Zahlengeraden bildet die Menge der reellen Zahlen —, d.s. alle positiven und negativen, endlichen und unendlichen Dezimalzahlen. Teilmengen aller reellen Zahlen sind etwa die Intervalle

[a,b] = x ∈ — | a ≤ x ≤ b abgeschlossenes Intervall,

]a,b[ = x ∈ — | a < x < b offenes Intervall,

sowie die halboffenen Intervalle [a,b[ und ]a,b] für a,b ∈ —, a < b. In — können die Rechenoperationen Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division (durch Zahlen ≠ 0) ausgeführt werden und es gelten die üblichen Rechengesetze (Assoziativ-gesetze, Kommutativgesetze, Distributivgesetze, Rechnen mit neutralen und inversen

Elementen). Ferner besitzt — eine natürliche Ordnung ≤, welche mit + und ⋅ verträglich ist, d.h.

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1.2 Die ganzen, rationalen und reellen Zahlen 5

a b a c b c

a bac bc für c

ac bc für c

≤ + ≤ +

≤ ≤ ≥≥ ≤

0

0

für alle a,b,c ∈ —. Daraus ergeben sich die bekannten Regeln für das Rechnen mit Ungleichungen. Auch die Bildung von Potenzen der Form an mit Basis a und Exponenten n ist in — möglich.

Dabei ist an für n ∈ Õ als wiederholte Multiplikation von a erklärt, ferner gilt a0 = 1 und a−n = 1/an (für a ≠ 0). Wurzeln können als Potenzen mit rationalem Exponenten angeschrieben

werden, also etwa 2/155 = oder 2/33 55 = , bzw. allgemein

n/mn m aa = (für a > 0).

Wie Potenzen mit beliebigen reellen Exponenten berechnet werden, sowie die Rechenregeln für das Rechnen mit Potenzen werden wir in einem der nächsten Abschnitte besprechen. Beispiel: Das Rechnen mit reellen Zahlen ist z.B. bei der Glättung einer statistischen Zeitreihe mittels gleitender Durchschnitte von Bedeutung. Betrachten wir eine Folge x0, x1, x2, ... von Beobachtungswerten zu aufeinanderfolgenden (äquidistanten) Zeitpunkten, wie z.B. die Energieintensität der europäischen Wirtschaft für die Jahre 1995 bis 2005 laut nachstehender Tabelle. Die Energieintensität wird als Verhältnis des Bruttoenergieverbrauchs zum Brutto-inlandsprodukt (BIP) berechnet und ist ein Maß dafür, welche Energiemenge für die Erzeugung einer Einheit der Wirtschaftsleistung benötigt wird.

Jahr 1995 1996 1997 1998 1999 2000

Energieintensität 236.3 240.4 232.0 227.8 219.5 213.1 Gleitender Durchschnitt 236.2 233.4 226.4 220.1 215.5

Jahr 2001 2002 2003 2004 2005

Energieintensität 214.0 210.9 213.5 211.1 208.1 Gleitender Durchschnitt 212.7 212.8 211.8 210.9

Ein einfaches Verfahren zur Reduzierung von lokalen Schwankungen, d.h. zur Bildung einer geglätteten Zeitreihe ist die Methode der gleitenden Durchschnitte. Bei der Glättung mittels eines (2k + 1)-gliedrigen Durchschnitts (mit k ≥ 1) wird jeder Wert xi der ursprünglichen Zeitreihe (mit Ausnahme der k ersten und k letzten Werte) ersetzt durch den Mittelwert ix

aus den k vorhergehenden Werten, dem Wert xi selbst, und den k nachfolgenden Werten, also

i i k i 1 i i 1 i k

1x (x ... x x x ... x )

2k 1− − + += + + + + + +

+.

Wir bilden für die angeführten Energieintensitätszahlen einen dreigliedrigen Durchschnitt (mit k = 1) und erhalten so

1996 1995 1996 1997

1x (x x x ) 236.2,

3= + + =

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1.2 Die ganzen, rationalen und reellen Zahlen 6

usw. Die geglätteten Werte sind ebenfalls in obiger Tabelle mit angegeben. Durch die Glättung verliert man im konkreten Fall je einen Wert am Anfang und am Ende der Zeitreihe (siehe Abbildung).

205,0

210,0

215,0

220,0

225,0

230,0

235,0

240,0

245,0

1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006

Jahr

kg Ö

läq

uiv

alen

t p

ro 1

000

Eu

ro

Energieintensität EU

Gleitende Durchschnitte

mit k = 1

Alle bisher besprochenen Mengen sind unendliche Mengen. Die Mengen Õ, Ÿ und – sind abzählbar unendlich, d.h., ihre Elemente können – wie die natürlichen Zahlen – durch-nummeriert werden. Die Menge — hingegen ist „noch größer“, man sagt, sie besitzt die Mächtigkeit des Kontinuums.

1.3 Die komplexen Zahlen

Lineare Gleichungen der Form ax + b = 0, a,b ∈ —, a ≠ 0, sind in — stets eindeutig lösbar.

Quadratische Gleichungen der Form ax2 + bx + c = 0, a,b,c ∈ —, a ≠ 0, besitzen dagegen i.Allg. zwei Lösungen, nämlich

xb b ac

a1 2

2 4

2, =− ± −

,

allerdings nur dann, falls die Diskriminante D = b2 − 4ac ≥ 0. Die Gleichung x2 + 1 = 0 bei-spielsweise besitzt in — überhaupt keine Lösung.

Setzt man formal j = −1 , also j2 = −1, und betrachtet Ausdrücke der Form z = a + jb mit a,b reell, so erhält man die Menge der komplexen Zahlen

¬ = a + jb | a,b ∈ —, j2 = −1.

Dabei heißt a = Re(z) Realteil, b = Im(z) Imaginärteil der komplexen Zahl z. Die Zahlen z

mit Im(z) = 0 entsprechen genau den reellen Zahlen, weshalb — ⊆ ¬ gilt.

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1.3 Die komplexen Zahlen 7

Beispiel: Die quadratische Gleichung x2 + 4x − 5 = 0 besitzt die Diskriminante D = 36 > 0 und hat demnach zwei reelle Lösungen, nämlich

1,2

4 16 20x 2 3

2

− ± += = − ± ,

also x1 = 1 und x2 = −5. Die Gleichung x2 − 4x + 5 = 0 dagegen besitzt die Diskriminante D = 16 − 20 = −4 < 0, ihre Lösungen sind gegeben durch

1,2

4 16 20x 2 i

2

± −= = ±

und somit komplexe Zahlen. Das Rechnen mit komplexen Zahlen erfolgt nach den Regeln

(a + jb) + (c + jd) = (a + c) + j(b + d),

(a +jb) ⋅ (c + jd) = (ac − bd) + j(ad + bc).

Diese Operationen ergeben für reelle Zahlen (d.h. b = d = 0) die gewöhnliche Summe bzw. das gewöhnliche Produkt in —, auch die Rechengesetze von — gelten weiterhin in ¬. Die

natürliche Ordnung ≤ von — geht jedoch in ¬ verloren.

Für jede komplexe Zahl z = a + jb ist z = a − jb die zu z konjugiert komplexe Zahl. Dabei

gilt, dass z + z = 2a sowie z z = a2 + b2 stets reell sind. Beispiele:

• (1 + j) − (3 − 2j) = −2 + 3j

• (1 + j) (3 − 2j) = 5 + j

• 3 2

1

3 2 1

1 1

1 5

2

1

2

5

2

−+

=− −+ −

=−

= −j

j

j j

j j

jj

( )( )

( )( )

Darstellung komplexer Zahlen in der Gaußschen Zahlenebene:

ϕ a

r

Re

b

z = a + jb

z = a − jb

Im

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1.3 Die komplexen Zahlen 8

Komplexe Zahlen können in kartesischen Koordinaten z = a + jb = (a,b) oder in Polar-

koordinaten z = r(cosϕ + j sinϕ) = [r,ϕ] dargestellt werden. Dabei ist r = |z| der Absolutbetrag, ϕ = arg(z) das Argument von z, wobei i.a. −π < ϕ ≤ π festgesetzt wird (Hauptwert). Die Umrechnung von einer Darstellungsform in die andere erfolgt gemäß

(i) [r,ϕ] → (a,b):

ϕ=ϕ=

sinrb

cosra

(ii) (a,b) → [r,ϕ]:

==

<>=π−π

<<π−

≥<π+

>

+=

0bafallsunbestimmt

0b.bzw0b,0afalls2

.bzw2

0b,0afallsa

barctan

0b,0afallsa

barctan

0afallsa

barctan

bar 22

Beispiele:

• 1 = 1 + 0j = [1,0]

• 2j = 0 + 2j = [2,π/2]

• −3 = −3 + 0j = [3,π]

• −4j = 0 − 4j = [4,−π/2]

• 1 + j = [ 2 ,π/4] = 2 (cos(π/4) + j sin(π/4))

• −1 + 3 j = [2,2π/3] = 2(cos(2π/3) + j sin(2π/3)) Die Summe von z1 = a1 + jb1 und z2 = a2 + jb2 ergibt in kartesischen Koordinaten z1 + z2 = (a1 + a2) + j(b1 + b2), d.h., beim Addieren komplexer Zahlen werden Real- und Imaginärteile addiert. In der Gaußschen Zahlenebene entspricht die Summenbildung einer Vektoraddition. Für den Betrag der Summe gilt die Dreiecksungleichung

|z1 + z2| ≤ |z1| + |z2|.

Für das Produkt von z1 = [r1,ϕ1] = r1(cosϕ1 + j sinϕ1) und z2 = [r2,ϕ2] = r2(cosϕ2 + j sinϕ2) wählt man zweckmäßigerweise die Polardarstellung und berechnet

z1z2 = r1r2(cosϕ1 + j sinϕ1)(cosϕ2 + j sinϕ2) =

= r1r2((cosϕ1cosϕ2 − sinϕ1sinϕ2) + j(sinϕ1cosϕ2 + cosϕ1sinϕ2)) =

= r1r2(cos(ϕ1 + ϕ2) + j sin(ϕ1 + ϕ2)) = [r1r2,ϕ1 + ϕ2],

d.h., beim Multiplizieren komplexer Zahlen werden die Beträge multipliziert und die Argumente addiert. Geometrisch entspricht die Produktbildung einer Drehstreckung. Analog erhält man für den Quotienten z1/z2 = [r1/r2,ϕ1 − ϕ2].

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1.3 Die komplexen Zahlen 9

Ferner gilt für z = [r,ϕ] = r(cosϕ + j sinϕ), dass zn = [rn,nϕ] = rn(cos nϕ + j sin nϕ) für n ∈ Ÿ, d.h., beim Potenzieren einer komplexen Zahl wird der Betrag potenziert und das Argument multipliziert. Für r = 1 ergibt sich daraus die Moivresche Formel

(cosϕ + j sinϕ)n = cos nϕ + j sin nϕ für alle n ∈ Ÿ.

Beispiele: Mit u = 1 + j = [ 2 ,π/4] und v = −1 + 3 j = [2,2π/3] ist

• uv = [2 2 ,11π/12] = 2 2 (cos(11π/12) + j sin(11π/12)) ≈ −2,73 + 0,73j

• u/v = [ 2 /2,−5π/12] ≈ 0,18 − 0,68j

• u2 = [2,π/2] = 2j

• u20 = [210,5π] = [210,π] = −1024

Zum Wurzelziehen, d.h. zur Bestimmung der n-ten Wurzel n zw = einer komplexen Zahl z

ist die Gleichung wn = z zu lösen. Diese Gleichung hat in ¬ (für z ≠ 0) n verschiedene Lösungen. Mit z = [r,ϕ] und w = [R,ψ] folgt

∈π+ϕ=ψ=π+ϕ=ψ=ϕ=ψ= k,n

k2,rRk2n,rR],r[]n,R[zw nnnn Ÿ.

Dabei erhält man alle verschiedenen Argumente ψ der n-ten Wurzel innerhalb eines Intervalls der Länge 2π, wenn man k = 0,1,2,...,n − 1 setzt. Somit gilt

1n,...,2,1,0k),n

k2sinj

n

k2(cosr]

n

k2,r[z nnn −=π+ϕ+π+ϕ=π+ϕ= .

Beispiel: Wir berechnen 6 j8 . Mit z = 8j = [8,π/2] erhalten wir aus obiger Formel

5,4,3,2,1,0k],3

k

12,2[]

6

k22/,8[j8w 66 =π+π=π+π== , d.h.

• w0 = [ 2 ,π/12] ≈ 1,3 + 0,4j,

• w1 = [ 2 ,5π/12] ≈ 0,4 + 1,3j,

• w2 = [ 2 ,9π/12] = −1 + j,

• w3 = [ 2 ,13π/12] ≈ −1,3 − 0,4j,

• w4 = [ 2 ,17π/12] ≈ −0,4 − 1,3j und

• w5 = [ 2 ,21π/12] = 1 − j. In der Gaußschen Zahlenebene bilden die sechs Wurzeln ein regelmäßiges Sechseck auf

einem Kreis mit dem Radius 2 (siehe Abbildung).

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1.3 Die komplexen Zahlen 10

Was die Lösungen der eingangs betrachteten quadratischen Gleichungen betrifft, so gilt: Jede quadratische Gleichung ist in ¬ lösbar und hat dort i.Allg. zwei Lösungen. Allgemein besitzt jede algebraische Gleichung

cn zn + cn−1 zn−1 + ... + c2 z2 + c1 z + c0 = 0

vom Grad n ≥ 1 mit reellen oder komplexen Koeffizienten ci in ¬ genau n Lösungen (Fundamentalsatz der Algebra).

1.4 Der Funktionsbegriff

Im folgenden Abschnitt untersuchen wir Abhängigkeiten zwischen zwei Variablen, wobei wir zumeist eine der betrachteten Größen als vorgegebene, unabhängige Variable, die andere als davon abhängige Variable ansehen werden. Diese Vorstellung führt auf den mathematischen Begriff einer Funktion. Beispiel: Wir betrachten die Wechselspannung u(t) = u0 sin(ωt), deren Verlauf in nach-stehender Abbildung wiedergegeben ist.

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1.4 Der Funktionsbegriff 11

Dabei wird jedem Zeitpunkt t ∈ — ein Spannungswert u(t) im Intervall [−u0,u0] zugeordnet.

Dafür schreibt man auch u: — → [−u0,u0] und drückt diese Zuordnung durch die Vorschrift t → u0 sin(ωt) oder durch die Funktionsgleichung u(t) = u0 sin(ωt) aus. Allgemein versteht man unter einer Funktion (oder Abbildung) f von A nach B eine Vor-schrift, die jedem x ∈ A ein eindeutig bestimmtes y ∈ B zuordnet. Man schreibt f: A → B, x → f(x) oder auch y = f(x) und nennt A Definitionsbereich, B Wertebereich, x unabhängige Variable, Argument oder Urbild, und y abhängige Variable, Wert oder Bild. Der Verlauf der Funktion f kann oft durch einen Funktionsgraphen veranschaulicht werden. Beispiel: Der Gebrauchtwert y einer EDV-Anlage (in % des Anschaffungspreises) werde annähernd durch die Funktion

2 3y f (x) 100 36.67x 7.5x 0.83x= = − + −

als Funktion der Nutzungsdauer x (in Jahren) beschrieben. Damit erhält man etwa zum Argument x = 1 den Funktionswert y = 70, kurz f(1) = 70, d.h., der Restwert der Anlage beträgt nach einem Jahr 70% des Anschaffungspreises. Ferner gilt f(2) = 50.02 bzw. f(5) = 0.4, also beträgt der Gebrauchtwert nach 2 Jahren noch 50%, nach 5 Jahren ist die Anlage praktisch wertlos. Wählen wir als Definitionsbereich A das Intervall [0, 5] und als Wertebereich B das Intervall [0, 100], dann wird die Abbildung f: [0, 5] → [0, 100] durch nachstehenden Funktionsgraphen dargestellt.

0

20

40

60

80

100

120

0 1 2 3 4 5

Alter (in Jahren)

Geb

rau

chtw

ert

(in

%)

Wir denken uns nun umgekehrt für ein beliebiges f: A → B ein y ∈ B vorgegeben und suchen ein x ∈ A mit y = f(x). Dabei ist es möglich, dass entweder überhaupt kein solches x existiert (z.B. für y = y3, siehe Abbildung), oder genau ein solches x existiert (z.B. für y = y1) oder auch mehrere x-Werte existieren (z.B. für y = y2). Wir setzen fest:

(i) Eine Funktion f: A → B heißt surjektiv, wenn es zu jedem Bildelement y ∈ B mindestens ein Urbildelement x ∈ A gibt, sodass y = f(x).

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1.4 Der Funktionsbegriff 12

(ii) Die Funktion f heißt injektiv, wenn zu jedem Bild y ∈ B höchstens ein Urbild x ∈ A existiert mit y = f(x), d.h. wenn

f(x1) = f(x2) x1 = x2

für alle x1, x2 ∈ A gilt.

(iii) Ist schließlich f gleichzeitig injektiv und surjektiv, so heißt f bijektiv oder umkehrbar eindeutig. Die Funktion g: B → A, y → x, wo x die eindeutig bestimmte Lösung der Gleichung y = f(x) ist, heißt Umkehrfunktion oder inverse Funktion von f, und wir schreiben g = f−1. Offensichtlich gilt f−1(f(x)) = x für alle x ∈ A und f(f−1(y)) = y für alle y ∈ B.

Beispiele:

• f: — → —, f(x) = 2x − 3

Die Gleichung y = 2x − 3 ist eindeutig nach x lösbar und ergibt x = (y + 3)/2, d.h., f ist

bijektiv. Die Umkehrfunktion lautet f−1: — → —, f−1(y) = (y + 3)/2 bzw. – wenn die unabhängige Variable wieder mit x bezeichnet wird – f−1(x) = (x + 3)/2.

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1.4 Der Funktionsbegriff 13

• Die Funktion f: — → —, f(x) = x2 ist weder injektiv (denn f(−2) = f(2) = 4) noch surjektiv (denn es gibt kein x mit f(x) = − 4).

• Die Funktion f: — → [0,∞[, f(x) = x2 ist auch nicht injektiv, jedoch ist sie surjektiv.

• Die Funktion f: [0,∞[ → [0,∞[, f(x) = x2 schließlich ist injektiv und surjektiv, also

bijektiv. Ihre Umkehrfunktion ergibt sich aus der Gleichung y = x2, woraus x = y

(für x,y ≥ 0) folgt. Also ist f−1: [0,∞[ → [0,∞[, f−1(y) = y bzw. – mit der unab-

hängigen Variablen x – f−1(x) = x .

• Auch die Funktion f: ]−∞,0] → [0,∞[, f(x) = x2 ist bijektiv, ihre Umkehrfunktion ist

durch f: [0,∞[ → ]−∞,0], f−1(x) = x− gegeben.

1.5 Elementare Funktionen

Im Folgenden werden einige grundlegende Typen von Funktionen diskutiert, welche die Beschreibung eines Zusammenhangs zwischen zwei reellen Variablen x und y in der Form y = f(x) ermöglichen.

(i) Polynomfunktionen Polynomfunktionen sind Funktionen der Form

f: — → —, y = f(x) = an xn + an−1 xn−1 + ... + a1 x + a0,

wobei an, an−1, ..., a1, a0 ∈ — und an ≠ 0. Dazu zählen insbesondere

• konstante Funktionen y = c,

• lineare Funktionen y = kx + d und

• Potenzfunktionen y = xn, n ∈ Õ. Beispiel: y = f(x) = x3 − 4x2 + 3x

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1.5 Elementare Funktionen 14

Sei f: A → B (wo A,B ⊆ —) und I ⊆ A eine Teilmenge des Definitionsbereichs von f. Dann heißt die Funktion f auf I

• streng monoton wachsend, wenn x1 < x2 f(x1) < f(x2),

• streng monoton fallend, wenn x1 < x2 f(x1) > f(x2),

• monoton wachsend, wenn x1 < x2 f(x1) ≤ f(x2),

• monoton fallend, wenn x1 < x2 f(x1) ≥ f(x2)

für alle x1, x2 ∈ I gilt. Polynomfunktionen sind auf ganz — definiert, stückweise monoton, i.Allg. jedoch weder injektiv noch surjektiv.

(ii) Rationale Funktionen

Die rationalen Funktionen sind von der Bauart f: D → —, y = f(x) = p(x)/q(x), wo p(x) und q(x) Polynome sind und D = — \ Nullstellen von q(x). Dazu gehören die

• Potenzfunktionen der Form y = x−n, n ∈ Õ.

Beispiel: f: —\−2,2 → —, y = f(x) = x/(x2 − 4).

(iii) Exponentialfunktion und Logarithmus

Die natürliche Exponentialfunktion ist definiert durch exp: — → —+, y = exp(x) = ex mit

=

=++++=0k

k32x

!k

x

!3

x

!2

xx1e ⋯ .

(Diese unendliche Reihe ist – wie man zeigen kann – für alle x ∈ — konvergent.) Insbeson-dere ist e0 = 1 und

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1.5 Elementare Funktionen 15

1 1 1

e 1 2.718281! 2! 3!

= + + + + ≈⋯ …

die Eulersche Zahl e, Basis der natürlichen Logarithmen.

Die Gleichung der allgemeinen Exponentialfunktion lautet f(x) = a ebx, (a,b ∈ —). Die Ex-ponentialfunktion ist stets positiv (a > 0) oder negativ (a < 0), streng monoton wachsend (a,b > 0 oder a,b < 0) oder fallend (a > 0, b < 0 oder a < 0, b > 0). Die Existenz ihrer Um-kehrung ist gesichert durch folgenden Satz: Jede auf einem Intervall I streng monoton wachsende (oder streng monoton fallende) Funktion f ist (als Funktion f: I → f(I)) bijektiv und lässt sich daher auf I umkehren. Die Umkehrfunktion zur natürlichen Exponentialfunktion ist der natürliche Logarithmus

ln: —+ → —, y = ln(x).

Es besteht der Zusammenhang y = ex ⇔ x = ln(y), also gilt

ln ex = x für alle x ∈ — und eln(y) = y für alle y ∈ —+.

Ferner ist ln(1) = 0, ln(e) = 1 sowie ln(x) < 0 für 0 < x < 1 und ln(x) > 0 für x > 1 (siehe Abbildung). Für eine Basis a > 0 ist die Potenz zur Basis a gemäß ax = ex ln(a) definiert, der Logarithmus

zur Basis a (a > 0 und a ≠ 1) ist gegeben durch loga(x) = ln(x) / ln(a). Für a = 10 erhält man den dekadischen Logarithmus, für a = 2 den logarithmus dualis. Es gelten nachstehende Regeln für das Rechnen mit Potenzen (Wurzeln) und Logarithmen (für alle reellen a > 0, b und c):

bccb

cbcb

a)a(

aaa

== +

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1.5 Elementare Funktionen 16

woraus sich a0 = 1, a−b = 1 / ab für den Kehrwert und a1/b = b a für die Wurzel ergibt, sowie

blogcblog

clogblogbclog

ac

a

aaa

=

+=

und damit loga 1 = 0 und loga (1/b) = − loga b. Beispiel: Beim Aufladen eines ungeladenen Kondensators werde die Spannung durch u(t) = U(1 − e−t/(CR)), die Stromstärke durch i(t) = (U/R) e−t/(CR) beschrieben.

Die Zeit t, nach welcher die Spannung u am Kondensator auf die Hälfte ihres Maximalwertes angestiegen, kann dann folgendermaßen ermittelt werden:

2lnCRt

2lnCR

t

2

1e

2

U)e1(U

CR

t

CR

t

=

−=−

=

=−

(iv) Trigonometrische Funktionen und Arcusfunktionen Winkelmessung im Grad- und Bogenmaß:

Winkel 0° 45° 90° 180° 360° Winkel = Bogen * 180/π Bogen 0 π/4 π/2 π 2π Bogen = Winkel * π/180

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1.5 Elementare Funktionen 17

Die Definition der trigonometrischen Funktionen Sinus, Cosinus, Tangens und Cotangens, spezielle Werte und Vorzeichen können nachfolgender Darstellung im Einheitskreis ent-nommen werden:

cot x

sin x

tan x

cos x

r = 1

x sin x cos x tan x 0 0 1 0

π/2 1 0 ∞ π 0 −1 0

−π/2 −1 0 −∞ Offensichtlich gilt auf Grund des pythagoreischen Lehrsatzes sin2 x + cos2 x = 1. Der Verlauf

der trigonometrischen Funktionen sin, cos, tan: — → — ist aus folgender Abbildung ersicht-lich. Die Funktionen sin und cos sind 2π-periodisch, während tan die Periode π besitzt.

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1.5 Elementare Funktionen 18

Beispiel: Nachstehende Abbildung zeigt den Verlauf der Sinusfunktion f(t) = A sin(ωt − ϕ) in Abhängigkeit von den Parametern A (Amplitude), ω (Kreisfrequenz) und ϕ (Phasenver-schiebung).

Analog zur Exponentialreihe gilt die Darstellung

⋯∓

⋯∓

!4

x

!2

x1xcos

!5

x

!3

xxxsin

42

53

+−=

+−=

(Die beiden unendlichen Reihen sind wieder für alle x ∈ — – oder auch x ∈ ¬ – konvergent.) Insbesondere lässt sich daraus ableiten, dass

xsinjxcos

)!5

x

!3

xx(j)

!4

x

!2

x1(

!5

xj

!4

x

!3

xj

!2

xjx1

!5

)jx(

!4

)jx(

!3

)jx(

!2

)jx(jx1e

5342

5432

5432jx

+=

+−++−=

+++−−+=

++++++=

⋯∓⋯∓

also

(*) xsinjxcose jx += .

gilt. Somit ergibt sich für die Polardarstellung komplexer Zahlen die Form

z = [r,ϕ] = r(cosϕ + j sinϕ) = r ejϕ.

Aber auch die so genannten Eulerschen Formeln folgen aus der Gleichung (*):

2

eexcos,

j2

eexsin

jxjxjxjx −− +=−= .

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1.5 Elementare Funktionen 19

Beispiel: Wir wollen zwei berühmte Formeln aus Gleichung (*) ableiten. Einsetzen von x = π in (*) ergibt ejπ = cos π + j sin π = −1, also

ejπ + 1 = 0,

Eulers „berühmteste aller Formeln“, die fünf wichtige Konstanten enthält. Mit x = π/2 hingegen folgt ejπ/2 = cos π/2 + j sin π/2 = j, d.h. ln j = j π/2 und weiter jj = ej ln j = e−π/2, also

π

=e

1j j .

Die Umkehrfunktionen der trigonometrischen Funktionen sind die Arcusfunktionen (zyklo-metrische Funktionen). Nach geeigneter Einschränkung von Definitions- und Wertebereich ist die Funktion sin: [−π/2, π/2] → [−1,1] streng monoton wachsend und daher bijektiv, ihre Umkehrfunktion ist arcsin: [−1,1] → [−π/2, π/2].

Genauso ist die Funktion tan: ]−π/2, π/2[ → — bijektiv und kann daher auf dem Intervall

]−π/2, π/2[ invertiert werden, die Umkehrfunktion ist arctan: — → ]−π/2, π/2[. Für beide der betrachteten trigonometrische Funktionen sind Umkehrungen auch auf anderen Intervallen möglich, man erhält dann verschiedene Zweige der Arcusfunktionen. Die angeführten Um-kehrfunktionen stellen jeweils den Hauptzweig dar.

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1.5 Elementare Funktionen 20

(v) Hyperbelfunktionen und Areafunktionen Zu den Hyperbelfunktionen zählen der hyperbolische Sinus

2

eexsinh

xx −−= ,

ferner

0xfürxtanh

1coth

undxcosh

xsinhxtanh

,2

eexcosh

xx

≠=

=

+=−

Die (auf geeigneten Intervallen definierten) Umkehrfunktionen der Hyperbelfunktionen sind die Areafunktionen arsinh x, arcosh x, artanh x und arcoth x. Alle Funktionen, die aus den hier angeführten Grundfunktionen mittels der Grundrechnungs-arten sowie durch ineinander Einsetzen (d.h. mittels der Funktionenkomposition) aufgebaut werden können, heißen elementare Funktionen. Beispiel: Die Funktion

1e

1lnxsinxcos1)x(f

x

2

+⋅−+=

ist ein Beispiel für eine elementare Funktion.