Upload
anonymous-tceojtzth
View
7
Download
0
Embed Size (px)
DESCRIPTION
Welche Bewegung vollfuehrt das Leben ? / Ist die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten die Gerade? / Wie das abendländische geradlinige Denken seinen patriarchalen Anfang nahm / Der Blick auf den lebendigen Prozess wird durch Abstraktion verengt und schließlich als tote Materie enthüllt / Gerade oder Labyrinth? / Über den individuellen Weg zwischen Geburt und Tod / aus den letzten Arbeiten von Christel Neusüß / Statt den Tod zu verdrängen, ihn als Voraussetzung neuen Lebens begreifen lernen - 1988
Citation preview
Welche Bewegung macht das Leben ?Ist die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten die Gerade? / Wie das abend-
ländische geradlinige Denken seinen Anfang nahm / Der Blick auf den lebendigen
Prozess wird durch Abstraktion verengt und schließlich als tote Materie verdinglicht /
Gerade oder Labyrinth? / Über den individuellen Weg zwischen Geburt und Tod / aus
den letzten Arbeiten von Christel Neusüß / Statt den Tod zu verdrängen, ihn als
Voraussetzung neuen Lebens begreifen lernen - Von Annegret Stopczyk / 1988
ZusammenDie Philosophin Annegret Stopczyk traf Christel Neusüß, feministische Kritikerin des Marxismus
und des Machbarkeitswahns, als Frauen nach der Katastrophe von Tschernobyl ihren Widerstand
organisierten. Sofort tauschten sie ihre Gedanken und Pläne aus. Sie begannen, zusammen zur
Wissenschaftskritik, hauptsächlich im Bereich der Physik und Mathematik zu arbeiten. Christel
Neusüß, die Professorin, wurde Mäzenin von Annegret Stopczyk, der Philosophin ohne feste
Anstellung, damit diese ein Buch schreiben kann, in dem genügend Raum wäre, die feministische
Kritik an der herrschenden patriarchalen Logik darzulegen. Sie vermachte Annegret Stopczyk
einen Teil ihres Erbes: materiell, damit diese ihre Arbeit fortsetzen kann, und inhaltlich, in Form
ihrer letzten Aufzeichnungen und Überlegungen, die sie mit ihr austauschte. Der vorliegende
Beitrag (es handelt sich um die überarbeite Fassung eines Vortrags) ist somit als ein gemein-
sames Werk von Annegret Stopczyk und Christel Neusüß zu betrachten. / GS
Christel Neusüß hatte eine andere Art als ich, etwas "auf den Punkt” zu bringen. Die Art
ihres Denkens beschrieb ihre Freundin Hilda Krosigk in ihrer Beerdigungsrede folgender-
maßen: „Denken, Forschen, Kombinieren, verborgene rote Fäden aufgreifen und neu
zusammenweben, war ein sinnlicher Genuß für sie; und ihre Hände beschrieben Zusam-
menhänge in der gleichen, feinen Präzision, wie ihre Sprache die Sätze ziselierte. Oft
genug sprudelte es nur so aus ihr heraus, und fast in regelmäßigen Abständen kamen
die Worte: “… und das ist jetzt nämlich der Punkt, gell!..." Aber der Punkt kam dann
noch lange nicht. Christel ging es nicht um Punkte, sondern um Prozesse, Lebenspro-
zesse, die sind nicht auf den Punkt zu bringen, " — und wenn überhaupt, dann auf
viele."
Ja, und hier liegt die Schwierigkeit. Denn wir sind es nicht gewohnt, vieles auf einmal
erkennen und erläutern zu können. Von kleinauf lernen wir, alles schön hintereinander
zu bringen, so, wie auch jede Sprache uns zwingt, die Worte hintereinander zu setzen,
weil die Zunge nicht alles auf einmal sagen kann. Und aus diesem Hintereinandersetzen
ist schließlich „Methode" oder „Gebot" geworden, alles schön auf eine Linie zu bringen,
auf eine Gerade, die den einen Punkt mit dem anderen verbindet. Und die kürzeste
Verbindung zwischen zwei Punkten soll eine Gerade sein. Kein Wort zu viel, am besten
mit völlig reduzierten Worten, und am allerbesten mit mathematischen Kürzelzeichen,
die am allergeradesten einen Punkt mit dem anderen verbinden.
Wie ist es zu dieser Verkürzung unserer Sprache, unserer „wissenschaftlichen Sprache",
unserer Erkenntnissprache, gekommen? Wie können wir diese verkürzende Sichtweisen
aufheben und wie selber anders sein, anders denken, anders reden? Das waren Fragen,
die Christel und mich beschäftigten in der Zeit ihres Sterbens bis zur zweiten Nacht vor
ihrem Tod Anfang April dieses Jahres. Und wie sehr diese Fragen mit Geburt und Tod
verbunden sind, das hoffe ich nun aufzeigen zu können, auch durch die Aufzeichnungen
von Christel, mit der ich sicherlich viele Aufsätze zusammen geschrieben hätte, wäre sie
noch länger am Leben geblieben.
Wir nahmen an, daß diese geradlinige Denkweise einen Anfang haben müßte, denn sie
kam uns nicht „natürlich" vor. Wieviel Zucht, Zwang und Disziplin ist notwendig, um in
jenen Bahnen denken zu können, die uns abverlangt werden, wollen wir in unserer Zivi-
lisation anerkannt sein und integriert leben. Den „Anfang" dieses geradlinigen Denkens
sehen wir Historisch in der Zeit der Entstehung vaeterrechtlicher Herrschaftsansprüche
vor etwa 5000 bis 3000 Jahren im europäischen Kaum, in Griechenland, bis in die Zeit
der Umbildung von Sippen- und Gentilgesellschaften in Stadtstaaten- oder Polisgesell-
schaften. Während vorher in Sippenverbänden das Herkommen von der Mutter „gesell-
schaftliche Identität" im einzelnen festigte, ging es in den Polisgemeinschaften darum,
alles, was an die Mutter erinnerte, zu entwerten und zu „vergessen". Das nun ist eine
komplizierte Geschichte, die ich jetzt nicht weiter ausführen möchte. Es reicht zunächst,
sich klar zu machen, daß eben bei den Griechen, die in unserer Zivilisation so sehr als
„Anfänger und Entdecker" gefeiert werden, eben nicht alles einfach so aus heiterem
Himmel "angefangen"hat. Sie haben auf „Etwas" mit ihren neuen „Entdeckungen"
reagiert, und zwar als Männer, speziell als Väter, gegen alles, was an Mütter erinnert.
Die Zahl wird favorisiertSeither ist die Gerade zwischen zwei Punkten die kürzeste Verbindung, denn es waren
griechische Männer, die sich „Philosophen" zu nennen begannen, die die Gerade und die
Zahl für alles Denken und Erkennen favorisierten. Christel schreibt: „Mit der Geometrie
als Wissenschaft, mit der Mathematik, wie die Griechen sie entdecken', setzen wir das
Ende der Vorgeschichte und den Beginn der eigentlichen, das heißt: unserer Geschichte
an."
„Unsere" Geschichte beginnt mit dem Einsetzen und Durchsetzen der Vaterrechte, die in
verschiedenen Formen auch mit Gewalt institutionalisiert wurden. Was aber ist patriar-
chal (Patri = Vater, Arche = Ordnung, Herkunft, Ursprung) an der Logik, was ist patriar-
chal an der geraden Linie, was ist patriarchal am Punkt? Was heißt das überhaupt, wenn
wir etwas als „patriarchal" bezeichnen, und wenn wir nicht nur leicht locker eine
Beschimpfung suchen für alles, was uns irgendwie mißliebig ist. Nicht alles „Böse" ist
patriarchal, aber Einiges schon. Christel sagte mir mit fröhlichem Kichern beim Lesen
meiner Buchseiten, an denen ich gerade arbeite: „Mach das mal klar. Mit peinlicher
Klarheit, nein, mit peinsamer Klarheit; ohne Firlefanz, ohne theoretische Eitelkeit, ohne
Begriffshuberei." Ich will es versuchen.
Hierfür leitet mich immer wieder die Frage: Auf was ist die griechisch-vaterrechtliche
Selbstbehauptung eine Reaktion? Was soll hier verneint werden? Wieso ist die allmäh-
liche Patriachalisierung aller Lebensverhältnisse für uns Menschen, wird sie zu Ende
geführt, der Tod, der Tod auch unserer Erde? Welches Motiv zwang früher und heute
vielleicht immer noch zu dem scheinbar unaufhaltsamen Streben in die Selbstauflösung?
Ich will es am Beispiel der geraden Linie und der Punkte herauszufinden versuchen.
Auf was ist die gerade Linie eine Reaktion? Die gerade Linie ist etwas, was Menschen auf
ein Blatt Papier oder in den Sand zeichnen können. Wir konstruieren sie bei Weglassung
aller möglichen „Hindernisse", die Kurven in die, Gerade bringen könnten. Die gerade
Linie ist ein Bild in der sogenannten „geo-metrie", griechisch übersetzt: Erd-Messung.
Unsere Erde war den alten Philosophen ein Rätsel. Sie wollten sie abmessen können, das
Verhältnis der Erde zur Sonne, zum Mond, zur Venus und den anderen Planeten heraus-
finden; sie konstruierten Stäbe, mit denen sie, auf der Erdoberfläche herumrutschend,
Meßabstände zusammenstückelten, die sie als Abstände zwischen den Planeten wieder
suchten. Die gerade Linie war sozusagen die äußerlich sichtbare einfachste Verlängerung
hinein ins tiefste Weltall, in die Energaia, die Triebkräfte der Erde und des erdumgren-
zenden Kosmos. Der Geometer und Philosoph Euklid, ein Schüler des Sokrates, gehört
zu den „Ersten". Was ist für ihn eine gerade Linie?
Man darf sich nichts vorstellen„Eine gerade Linie (Strecke) ist eine solche, die zu den Punkten auf ihr gleichmäßig
liegt..." Euklid formuliert nicht, wie es später üblich wurde, daß die Gerade die kürzeste
Verbindung zwischen zwei Punkten sei, und zwar, weil er die Bewegung ablehnt, die
noch in den Worten „kürzeste Verbindung" enthalten ist. (Für Hegel das Bild, seinen
Begriff des „Werdens" zu begründen.) Darum „liegt sie auf den Punkten auf". Aber, und
nun kommt das Wichtigste: Wir dürfen uns diese Linie nicht als irgendeine Sichtbare auf
Papier oder im Sand vorstellen. Euklids Linie ist nichts, was wir sehen oder tasten
können. Er definiert: „Eine Linie ist breitenlose Länge." Weiter definiert er: „Die Enden
einer Linie sind Punkte, und ein Punkt ist, was keine Teile hat." Der Punkt darf nicht als
Tintenklecks auf dem Papier vorgestellt werden, vielmehr muß auch der kleinste Stift-
punkt in unserer Vorstellung zerkleinert werden, solange, bis kein Teilchen mehr vor-
stellbar ist. Es sind breitenlose, teillose und bewegungslose Formen, um die es in der
Liniendenkerei geht. Geometrie soll die unsichtbaren Formen der Erde messen, nicht die
sichtbaren. Das nun ist nur in Griechenland passiert, daß dieses Unsichtbare zum
eigentlichen Wissensgegenstand favorisiert wurde. Die Ägypter hatten noch ihre realen
Maßstäbe, um das Land am Nil nach den Überflutungen neu abmessen zu können, die
Chinesen schwelgten bereits in Buchdruckerkunst und Kompaßuhren, aber sie blieben
bei den Dingen unserer normalsinnlichen Wahrnehmung. Euklid setzte ein Minuszeichen
vor allen „realen Dingen". Ein „nicht", ein „kein", ein „ohne". Ohne Bewegung, keine
Teilchen, breitenlos. Das ist griechische Geometrie, aber worauf eine Reaktion?
Warum die vielen Verbote zu sehen oder zu greifen? Wieso soll die Linie sich nicht
bewegen dürfen? Wieso ist das „un-" alles sinnlich Erfahrbaren das eigentliche „Wirk-
liche" ? Bewegung beinhaltet Anfang und Ende. Alles was sich bewegt, hat Anfang und
Ende. Was soll durch die bewegungslose Linie verneint werden? Was will der „Geist, der
stets verneint"?
Alles Lebendige hat Anfang und Ende, und alle lebendigen Wesen werden geboren und
sterben. Was geboren wird und was stirbt bewegt sich, hat Anfang und Ende, ist voller
Breite und Teilchen. Alles Lebendige erinnert an die Kräfte der Erde, die Pflanzen
wachsen und Wasser entstehen läßt; an die Kräfte der Mütter, die, wie die Erde, aus sich
heraus das immer wieder neue Lebendige gebären. Die Negationszeichen vor „Geburt"
und „Sterben" zeigen an, worum es geht: um Unsterblichkeit, um Unzeitlichkeit. um Un-
geboren-sein, und damit verbunden: Un-endlich-sein. Un-stofflich-sein. Un-wesen-sein.
Un-körperlich-sein, Rein-sein von allen leiblichen Dimensionen unserer Wahrnehmung
und Erkenntnis. Antik ausgedrückt: rein sein von der Herkunft aus Müttern. (Dabei ist es
sinnvoll, sich die Mutterherkunft in kosmischeren Größen vorzustellen, nicht so, wie im
Patriarchat reduziert auf den Bereich am Küchentisch. Das ganze Universum wurde als
Gebärmutter oder „Chaos" angesehen, der Weisheitsstempel in Delphi hat seinen Namen
„Delphi" von „Gebärmutter", dem vorpatriarchalen Weisheitsorgan, und auch das Tier
„Delphin" heißt so, weil es das einzige Meerestier mit Gebärmutter ist, und darum das
Klügste des Meeres und menschenfreundlich, Es hauste im Tempel von Delphi neben den
Priesterinnen. Die Drachen, die in späteren Heroenmythen von den Helden besiegt
werden, waren ursprünglich Delphine.)
„Der Umweg ist der kürzeste Weg"Die gerade Linie, dieses Bild, oder genauer „Un-bild", kann so durchaus eine Re-aktion
auf ein anderes Bild gewesen sein, auf vorher herrschende Bilder, die das Leben, unser
Leben mit Geburt und Tod, versinnbildlichen. Christel stellt die Frage: „Ist die neue
Wissenschaft, die Mathematik, die Geometrie der Gegenmythos zum Labyrinth, zur
Spirale, zu Tod und Wiedergeburt?" Christel schrieb dann weiter: „An unseren Körpern
tragen wir labyrinthische Zeichen. Vor allem die Finger und Daumenkuppen haben
Ähnlichkeiten mit steinzeitlichen und kretischen Labyrinthen. Für jedes Individuum,
welches je dieseErde betreten hat, gibt es ein neues Labyrinth: Einen eigenen indivi-
duellen Weg zwischen Geburt und Tod. (...) Wie sagt demgegenüber die Geometrie: Die
kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten ist die Gerade. Die Spirale, das Labyrinth,
behaupten genau das Gegenteil. Und in einem chinesischen Sprichwort heißt es: 'Der
Umweg ist der kürzeste Weg,' das ist genau das Gegenteil unseres gesamten Rationa-
litätsbegriffes, der die Gerade preist. Wer möchte aber schnurstracks, ohne Umwege auf
seinen Tod zumarschieren. Der Tod also muß weg. Den Tod darf es nicht geben. Pytha-
goras suchte den Tod abzuschaffen, indem er der Wiederverleiblichung zu entgehen
suchte. Denn wer einen Leib hat, alles, was einen Leib hat, vergeht, ist sterblich."
Christel glaubte am Ende ihres Lebens an keine Götter oder Göttinnen, aber an die
Wiedergeburt aller individuierten Wesen. Und damit nun geriet sie in Rage gegenüber
Pythagoras, ebenfalls ein alter griechischer Philosoph und Mathematikbegründer. Auch
Pythagoras glaubte eine Wiedergeburtslehre, aber in negativer Absicht. Wiedergeboren
würden nur solche Leute, die es im irdischen Leben nicht gelernt hätten, sich zu „ver-
geistigen". Das Ziel seiner Schule war der Aufstieg zum „reinen" leiblosen Leben, jen-
seits unseres irdischen mutterverklebten Daseins. Mathematik war eine Einübungs-
meditation in jene „geistigen Sphären".
Was hier vorliegt, ist eine klare Verneinung irdischen Lebens, und eine Lehre, die keinen
positiven Sinn sehen kann in Verleiblichung, in Wiedergeburt und Tod — in alldem, was
in vorpatriarchaler Zeit Lebenssinn gewesen sein mag, versinnbildlicht durch die
verschiedenen Spiralen. In unserer westlichen Kultur ist der Wiedergeburtsgedanke mit
der Herrschaft des orthodoxen und römischen Christentums fremd geworden, aber
Christel Neusüß hatte ihn während ihrer Sterbenszeit wiederentdeckt, indem sie sich in
die alten Zeiten hineinspüren konnte.
Die Spiralenzeichnungen wurden auf mutterfigurähnlichen Steinen gefunden, die in
vorpatriarchalen Zeiten den Verstorbenen in ihre Gräber beigelegt wurden. In fast allen
älteren Kulturen, die noch Muttergottheiten verherrlichten, wurde an die Wiedergeburt
aller Wesen durch die geheiligten Leiber der Mütter geglaubt.
In älteren Wiedergeburtslehren bedeutet das „Hineingehen ins Leben" (rechtsläufig in
die Spirale) die kürzeste Weise, der eigenen „Vollkommenheit" entgegenzugehen, um
schnellstens nach dem Tode in neues Leben wiedergeboren zu werden. „Der Umweg" ins
intensive Leberilst der kürzeste Weg für die „Seelenentwicklung". Der „gerade Weg" als
„Heraushalten aus dem Leben" kann dazu führen, noch einmal in dasselbe Leben
wiedergeboren zu werden. Die kürzeste Verbindung zwischen Lebensanfang und Lebens-
anfang ist die Spirale.
Wird „Wiedergeburt" erwünscht, dann finden sich zumeist zwei oder drei Spiralenlaby-
rinthe auf den Steinen. Eine Spirale dreht sich rechts herum, die andere links, die dritte
kann das Ganze er gänzen und auch das Universum als geschlossene Wirbelströmung
darstellen.
Der Leib denkt und erkenntDie Drehung im Uhrzeigersinn bedeutet, eigenleiblich verspürt, eine Verhärtung der
Muskulatur und Spannungsgeladenheit des Gemüts. Die Linksdrehung bedeutet Locke-
rung der Muskulatur und Entspannung bei höchster erkenntnismäßiger Aufmerksamkeit.
Diese Spürnisse sind jederzeit nachzuprüfen, indem ich mit den eigenen Fingerkuppen
zum Beispiel die Muskelstränge entlang der Wirbelsäule derartig massiere. Nach einigen
Sekunden verhärtet oder entspannt sich die Muskulatur. (Christel und ich haben diese
Weisheiten von der Meridiantherapeutin Christel Heidemann (1) beigebracht bekom-
men.) Die linksläufige Spirale „Einkehr" oder auch Geburt. Großangelegte Labyrinthe
dienten vormals solchen Wiedergeburtsmysterien. Läuft eine Person in schnellem Tempo
im Uhrzeigersinn, dann endet sie aufgeladen mit kraftstrotzender Tatenenergie. Läuft sie
linkslabyrinthisch, dann findet sie wunderbare innere Ruhezustände, in denen tiefste
Erkenntnisse „wie von selber" kommen können. Darum ist ein Gang in ein geheiligtes
Zentrum normalerweise linksläufig angelegt. „Die Alten" dachten im wörtlichen Sinn
„leiblich". Der Leib denkt und erkennt, kein Geist. kein Un-Leib. Christel versuchte,
wenigstens noch kurz vor ihrem Tode, ihren Leib neu anzuerkennen angesichts von
Ahnungen vor-patriarchaler Kulturinhalte. Sie schrieb: „Was ist die neue Erkenntnis, die,
in der mein Leib ist? Liebend, vertrauend in meinen Körper zu sein. Das ist das Wissen,
das die Angst überwindet. Ich bin noch nicht soweit. (...) Der Leib steht im Zentrum
altsteinzeitlicher Kulturen (Megalithkultur, Nuraghen, Malta). Der Leib der Erde. Geburt
und Tod. Tod ist Voraussetzung neuen Lebens. Sehnsucht nach dem leiblichen irdischen
Leben. Und dann: Unvorstellbares wird jetzt konstruiert: Das Nirvana. Das Unendliche,
in das die gerade Linie unaufhaltsam vordringt, unanschaubar, unvorstellbar."
Mathematisch geometrische Denkversuche sind nichts anderes, als Wegdenken von Welt
(ab-strahieren), von unserem Leben, von unserem Bedürfnis, in diesem verleiblichten
endlichen Leben Lebenserfüllung zu finden. Darum muß alles, was sich bewegt, zur
Erstarrung gebracht werden, sobald mit dem mathematischen Seziermesser, das
„Wissenschaft" genannt wird, erforscht wird. Daß unsere lebendige Welt aus Fleisch und
Blut auf der Abschußrampe der Gen- und Atomwissenschaft steht, ist kein Zufall. Die
Transformation in „rein geistige" Nebelschwaden, die sich nach mathematisch reinen
Regeln verhalten, ist ein folgerichtiges Ergebnis 3000jähriger Bemühungen, alles zu
verneinen, was „urwüchsig" ist.
Die Zahl macht alles gleichWas hei Euklid der unteilbare Punkt war, oder die breitenlose Linie, ist bei anderen die
Zahl. Was ist eine Zahl? Auf welche Aufgabe ist sie die Lösung?
Es sollte etwas gefunden werden, was nicht an mütterliche Schöpfungskräfte erinnert,
sobald die Welt betrachtet wird, oder auch beherrscht werden soll. Die Dinge (vormals
lebendige Wesen) sollten durch etwas anderes als ihre leiblichen Anfänge verstanden
werden können. Ein neues Wesen muß gefunden werden, das aber dennoch dieselben
alten Funktionen übernehmen könnte. Nämlich: alles mit allem zu verbinden, und jedes
durch jedes erklärbar zumachen. Wurde vorher das Herkommen von etwas Lebendigem
aus seiner Muttertradition festgestellt, mußte nun das neue sich behauptende Vater-
rechtsdenken eine andere, un-mütterliche, un-sichtbare, Verbindung zwischen allem
finden. Jedes besondere Wesen erinnert durch seine Gestalt an seine Geburt, an seinen
Tod, aber wird dieses „Wesen" in bloße Sprache verwandelt, in ein Wort für alles, dann
ist die konkrete Besonderheit verschwunden. Die „Eins" ist das erlösende Wort. Jedes
Ding ist ein Ding, also „Eins". Alles ist eins. Das war die große Entdeckung. Die „Eins" als
Zahl, die alles verbindet, weshalb Zeus als der große „Eine" gefeiert wurde und mono-
theistische Religionen zu Vaterrechtsgesellschaften genauso gehören wie das Bestreben,
das höchste Wirkliche materielos zu denken. Die Zahl macht alle Dinge gleich, mitein-
ander vergleichbar, durcheinander teilbar, zählbar, als Summe faßbar und beherrschbar.
Und was das Tollste ist: Die zählbare Struktur kann nicht sterben, und auch nicht
geboren werden, weil sie nämlich immer (ewig) da ist. Die Zahl gehört so zum sich
festigenden Vaterrecht genauso wie die unvorstellbare Geometrie (bis zu Einstein und
Heisenberg, auch wenn sie sich nur noch eine „gekrümmte Gerade un-vorstellen
können), weil es im „geheimen Lehrplan" darum geht, alles Sichtbare wegzubringen,
und so auch alles Lebendige erstarren zu lassen oder aufzulösen.
Mathematisierbarkeit als höchstes IdealIn dieser Tradition kann Kant folgerichtig formulieren, daß Wissenschaft nur das sein
kann, was mathematisierbar ist, und auch eine Moral (Kritik der reinen Vernunft) muß
gesetzmäßig sein und jede Person mit allen Personen unterschiedslos gleichsetzen
(Kategorischer Imperativ). Bis heute ist Mathematisierbarkeit das höchste Ideal jeder
Wissenschaft geblieben, die so ganz althergebracht patriarchal strukturiert ist, ohne
heutzutage diese historischen Ursprünge reflektieren zu können.
Frauen wie Männer werden immer wieder in diese patriarchalisierte Welt hineingeboren,
und können nur selten Distanz finden zu den lebennegierenden Strukturen, die mit
Lebensverneinung, Frauenverachtung. Muettertabuisierung, Kinderfeindlichkeit, Tier-
quälerei und Umweltzerstörung einhergeht. Selbst der menschenfreudlichste Jüngling,
der Medizin studiert, um den Menschen zu helfen und ihnen ihr Leben zu verschönern
und zu verlängern, muß zum Lebensverneiner werden, sobald er die Methoden
anwendet, die er durch die vielgepriesene „Wissenschaft" beigebracht bekommen hat.
Das Instrument in seiner Hand ist schon die Beschränkung. Auf jedes Instrument
reagiert der Leib mit Erstarrung und Muskelhärte, da kann es keine „labyrinthischen
Erkenntnisse" geben.
Auch „das Geld" kommt aus derselben Quelle, "Vergleichbares" zu finden, ein „Äqui-
valent" für alle Dinge. Diesen Zusammenhang hat Christels Freund Wolfgang Müller in
seinem Buch „Geist und Geld" (2) herausgearbeitet. Ein „spiraliges Gemüt" reagiert auf
„Geld" ganz anders als ein „geradliniges Gemüt". Ein tibetischer Töpfer zum Beispiel wird
von einem westlichen Geschäftsmann aufgesucht. Dieser findet eine Vase so schön, daß
er nach dem Preis fragt. Dann gibt er dem Töpfer den Auftrag, zehn solcher Vasen für
ihn herzustellen, um sie dann günstiger zu verkaufen. Wie entsetzt aber gebärdete sich
der Geschäftsmann, als ihm der Tibeter den dreifachen Preis für jedes Gefäß nannte.
Seine Begründung: „Ein Einzelstück herzustellen macht mir Freude, aber zehn Stück
desselben herzustellen macht mir keine Freude mehr, darum sind diese teuer."
Effektivität und LangewelleWas für den Geschäftsmann „der kürzeste Weg" ist (Effektivität'), ist für den Künstler
der längste Weg (Langeweile). Die „Freude" ist die unzählbare einmalige selbstverspürte
„Spirale", die für den Künstler die „kürzeste Verbindung" zwischen Material und selbst-
produziertem Produkt ist. Das Geld, die Zahl, der Profit gehören auf den „geraden Weg"
der „entseelten" und „veräußerten" Dinge.
Geometrie, Mathematik, Geld und auch Philosophie als Vernunftsphilosophie gehören zu
den Grundpfeilern unserer „abendländischen patriarchalisierten Zivilisation". Kein
Wunder also, daß heute kein Philosoph mehr über Tod, Leben und Geburt nachdenken
mag, denn die Auflösung der besonderen lebendigen geborenen Wesen steht kurz vor
der Vollendung. Als Christel mich fragte, was denn nun die Philosophie, die ich doch so
fleißig studiert hätte, für ihr Sterben zu bieten hätte, da konnte ich tatsächlich nichts als
Lebensverneinung finden und Verachtung für alle, die Angst vor dem Tode empfinden,
weil sie so gerne leben und noch nicht weggehen wollen aus dieser schönen, bedrohten
irdischen Welt. Wie sollte es mich auch verwundern. So griff ich zu anderen Werken, zur
sogenannten „Weisheitsliteratur", in der Tod und Geburt auch „Erkenntnisgegenstand"
ist. Was wäre ich auch für eine Philosophin, wenn ich nichts zu sagen hätte angesichts
unserer existentiellsten Fragen. Insofern wurde Christel mir als bewußt Sterbende zu
einer „leibhaftigen" Lehrerin. Wenn meine „Theorien" nicht standhalten können vor
ihrem Sterben, wenn meine Lebensbejahung nicht stärker werden kann mit ihrem
Sterben, dann wären sie mir genauso unwesentlich vorgekommen, wie alles, was ich als
„lebensfremd" kritisierte. So verstand es auch Christel, und darum war ihr Sterben unser
Erkenntnisprozeß, den ich weiterlebe. Was für sie linksspiralig war, war für mich rechts-
spiralig. In der „Weisheitsliteratur" also traf ich neu auf die „Gerade", und zwar als Weg
der „Ungeheuer" und Krankheiten.
Der kürzeste Weg zwischen zwei Punkten ist nur auf dem Papier oder im Sandkasten die
Gerade, aber nicht in der lebendigen Welt. In dieser gibt es einen anderen „kürzesten
Weg", den Umweg, die Spirale, das Labyrinth. Im alten China wurden die „bösen
Geister" als solche aufgefaßt, die nur in gerader Linie fingen können. Die „guten Geister"
fliegen in Spiralen. Darum stellten die „abergläubischen Leute" (bis heute) Spiralen vor
ihren Haustüren auf, zum Schutz gegen böse Geister, bei uns auch bekannt als „Druden-
füße".
Lebenszerstörerische Kräfte sind geradlinig, lebenserhaltende Kräfte sind spiralig. wobei
die Spiralen einerseits in einer Fläche als eine Art Magnetfeld vorstellbar sind, aber auch
dreidimensional als trichterartige Wirbelspirale, und sogar vierdimensional als sich in
Bewegung befindliche Wirbelsaugkraft.
Das Sterbeempfinden und auch das Geburtsempfinden (bei Rebirthingübungen) wird
häufig als spiraliges Drehen verspürt, als Wirbel hinein und heraus. Auch Christel erlebte
diese „Tunnelerfahrungen", die wir gemeinsam erforschten, wobei es ihr einmal gelun-
gen ist, wieder „einzukehren", weil sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht wegwollte. Wir
sind so auf Wirklichkeiten gestoßen, für die wir kein Begriffsvermögen mehr hatten und
umso mehr die Grenzen unserer uns umgebenden geradlinien Kultur spürten.
Unser Leib ist nach alter Wiedergeburtslehre die vollkommenste Form aller wirbelnden
Kräfte, die in Richtung einer Gestaltwerdung streben. Auch der Stein ist so als „Ver-
dichtung" eine großartige Schöpfung als jedes Nichts, als jedes Nirvana, als jeder Geist
und jedes Ideenreich samt Vernunftgesetzen und Freiheitsgeboten. Indem wir leiblich
lebendig sind, haben wir sozusagen die intensivste individuelle Existenzform erreicht,
sind eine „Erfüllung kosmischer Strömungen und Kräfte".
Das, was Frauen gebären, ist wertvoll, weil sie es geboren haben, weil es die Kraft hat,
ein Geborenes zu sein. Unsere Leiblichkeit ist sozusagen „der höchste Seinszustand" und
das nahmen in vorpatriarchalen Zeiten die Menschen wohl als selbstverständlich an, als
sie sich stolz als Muttergeborene auffaßten. Die Geburt aus dem Kopfe, die „Kopf-
geburten" sind „Re-aktionen auf „Leib-und Bauchgeburten", und wurden in antiker Zeit
auch ausdrücklich so verstanden.
„Was der abendländlsche Geist anschaut, wird zum Toten"Für Christel war daher der Wirbel ein Vorstellungsbild, in dem sie innere Ruhe finden
konnte, Ruhe vor Todesängsten und auch Ruhe vor Lebenserwartungen. Christel
schreibt: „In der Mitte des Wirbels ist Ruhe. Und Wärme, die meinen Leib umfließt.”
Bestimmte Phänomene des Wirbels vermag die klassische Physik nicht zu erklären. Da
entstehen Kräfte neu und in einer Weise, wie sie dem zweiten Hauptsatz der Thermo-
dynamik widersprechen. Galaxien sind große Wirbel (vgl. Bernhard Schaeffer, Eine Ver-
mutung zum zweiten Hauptsatz der Thermodynamik im Hinblick auf Wirbelvorgänge.(3).
Bin ich also jetzt, am Ende meines Weges, in der Mitte des Labyrinths angekommen?
Dort, wo ich in den Tod hineinsehe?... ja, dort bin ich... Und in der Mitte des Wirbels ist
Stille. Die Todesangst hat mich verlassen, durch sie hindurch bin ich gegangen, durch
die Todesangst, in der sich noch einmal alle Ängste meines Lebens zusammenfaßten.
Ich fühle mich leicht, eingehüllt in strömende Wärme, als läge ich wieder im Mutterleib,
im Fruchtwasser, vor dem Eintritt in ein neues Leben. Ist es der Trost, der der Gewißheit
entspringt, die lebendigen Kräfte, die sich in mir gestaltet haben, sie würden nicht
einfach verschwinden, sie würden nur neu geboren, eine neue Form erhalten,
Transformation, Wiedergeburt? “
Das Labyrinth, die Spirale, bedeuten den individuellen Weg des Menschen zwischen
Leben und Tod, zwischen Geburt und Tod. Und Wissenschaft im abendländischen Sinne...
Philosophie... bedeutet, daß die Weisheiten für den Menschen als dieser einzelnen
Person, die sich da zwischen Geburt und Tod bewegt, nicht mehr relevant sind. Anders
gesagt, daß das menschliche Individuum als lebendiges eigentlich nicht mehr interes-
siert. Weisheit wird außerhalb und unabhängig vom Leben der Einzelnen definiert. Nicht
die lebende Person ist Inhalt, Adressat der "Weisheit der Philosophen'. Die lebende
Person wird der Religion überantwortet, dem Mythos, im Unterschied zur vielgerühmten
Wissenschaft.
Aber auch der Materialismus geht ja nicht von den konkreten Gestalten, vom Geformten
aus, sondern konstruiert philosophisch eine Materie an sich, gewissermaßen als Idee der
Materie, eine Materie jenseits der lebendigen Formen.
So ergänzen sich Idealismus und Materialismus. Erkenntnis, die mit Geburt und Tod des
lebendigen Individuums zu tun hat, mit seinem Leben, was sollte sie mit dem Begriff der
reinen Materie, ,der Masse', wie es dann später heißt?
Was der abendländische Geist, anschaut, wird zum Toten. Ausrottung der Stämme und
Völker und Pflanzen und Tiere. Die praktische Herrschaft der toten Abstraktion. Nein,
nicht der toten, sondern der jenseits von Leben und Tod stehenden Abstraktion,
begriffen als reines Denken. “Aber: Wenn im Tod das Individuum wirklich verschwände,
wie wäre dann die Entfaltung des Lebendigen als Ordnung der mannig-faltigen, schönen
Gestalten erklärbar?"
Neu lebensfähig werdenDas schrieb Christel drei Tage vor ihrem Tode, als letzte Frage. Wir waren uns einig, daß
es nun nicht darum gehen kann, irgendwelche vergangenen gesellschaftlichen Zustände
„wiederherzustellen", um unser Leben auf Erden vor der „Geradlinigkeit" zu schützen.
Wir müßten völlig neu, und eben all mit dem vielen Wissen lebensfähig werden. Das,
was wir unseren „Körper" nennen, als „Leib" auffassen, was etwas ganz anderes ist.
Nicht nur ein dreidimensionales Ding unter dem Druck der „Vernunftnormen". Wir sind
noch gar nicht sensibilisiert für die feinsinnigen Dimensionen unseres Leibes und in diese
Richtung visierten wir „das Kommende an", wobei das konkrete einzelne Lebewesen so
verschieden sein kann, wie es auch leibliche Verschiedenheiten gibt. Kein Fingerkup-
penlabyrinth ist dem anderen gleich. Die leibliche Befindlichkeit ist der „Prüfstein" für
„Individualität", kein „Begriff", kein Wort, das da nur „Freiheit des Individuum" behaup-
tet und nichts anderes bewirkt als eine Desensibilisierung unserer feinsinnigen Leiblich-
keit, die geborenermaßen eine Durchwirkung ist von „Körper-Geist". In unserer „frei-
heitsliebenden Zivilisation" ist Indidualität doch nur ein Wortzauber.
Die wirklich lebendigen Wesen können ihre individuellen Vermögen gar nicht ausleben,
weil alle sofort nach der Geburt gegängelt werden, um aufrecht und gradlinig zu gehen.
Die meist Menschen wissen nicht einmal, was sie nun eigentlich wollen und was nicht,
weil sie ihren Lebenswillen kaum verspüren und erleben können. Leihhaftige Individua-
lität schließt ausgelebte „Weiblichkeit" genauso ein „ausgelebte Männlichkeit", wobei wir
in den bisherigen Leber Verhältnissen noch gar nicht erfahren haben, was es in lebens-
bejahender Weise sein könnte. Jede Eigenart wäre akzeptiert und würde als Bereiche-
rung für alle erfahrbar sein. Keine Zahl, keine Mathematik, keine Gemoetrie und kein
Gesetz könnte angemessen unsere vielfältige Lebenswirklichkeit beschreiben und das
wäre auch nicht notwendig, da wir den Wert des leibhaftigen Lebens begriffen hätten.
Das wäre sozusagen eine „mütterliche" Sichtweise, in der es um nichts anderes ginge,
als alles Geborene blühen und gedeihen sehen wollen, und dabei selber am Gedeihen
teilzunehmen.
Das wäre anders als in Sippen-Gesellschaften und anders als Staatsgesellschaften, in
denen einzelne ivienscn isoliert oder total gebunden wird, um leitlar zu bleiben für die
Herrschenden.
Eine Überwindung patriarchaler Denkstrukturen, die auch zugleich Lebensstrukturen
sind, dabei aber Voraussetzung, wo Männer wie Frauen eigene Wege gehen müßten mit
gegenseitig Unterstützung, und einer Freude daran, die/den andere/n als andere/n
erfahren zu dürfen. Das schien uns ein fernes Bild zu sein, aber eines, mit dem sich gut
leben ließe, auch angesichts des Todes. Christel schrieb: „Mit allen Sinnen wahrnehmen.
Wirklich neugierig sein auf andere. Nicht immer alles auf mich selbst beziehen. Nicht nur
das erkennen, was scon in mir ist, sondern Neues und Fremdes. Keine Angst haben vor
den ANDEREN. Sich versenken können in das Andere. Im Anderen sein können. Zu sich
selbst dann zurückkehren. Ist nicht genau dies die Botschaft meiner Krankheit? Sei in
deinem Leibe. Sei immer ganz da."
Literatur: (1) Christel Heidemann: Meridiantherapie, Wiederherstellung der Ordnung lebendiger
Prozesse, 2 Bände Studienmaterial, 7800 Freiburg, 1984 / 1987
(2) Rudolf Wolfgang Müller: Geld und Geist, Frankfurt/Main 1977