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Arbeit im E-Business

Arbeit im E-Business - Uni Trier · tionsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ wird betont, dass sich mit der schnellen Verbreitung des Internets für Unternehmen Chan-cen eröffnen,

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Arbeit im E-Business

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Impressum

Herausgeber

Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)

Referat Publikationen; Internetredaktion

11055 Berlin

Bestellungen

schriftlich an den Herausgeber

Postfach 30 02 35

53182 Bonn

oder per

Tel.: 01805 - 262 302

Fax: 01805 - 262 303 (0,12 Euro/Min.)

E-Mail: [email protected]

Internet: http://www.bmbf.de

Redaktion

Ursula Meyer, Claudius H. Riegler,

Projektträger im DLR, Projektträger für das BMBF,

„Arbeitsgestaltung und Dienstleistungen“

Autor

Verantwortlich für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren.

Gestaltung

Heimbüchel PR, Köln/Berlin

Druckerei

Buch- und Offset-Druckerei GmbH Richard Thierbach, Mühlheim an der Ruhr

Bonn, Berlin 2004

Gedruckt auf Recyclingpapier

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3INHALT Arbeit im E-Business

Inhalt

Die Entwicklung des Förderschwerpunkts „Arbeit im E-Business“ 5

Klaus Wegner, Claudius H. Riegler, Pojektträger im DLR, Projektträger für das BMBF, „Arbeitsgestaltung und Dienstleistungen“, Bonn

Kurzfassungen im Überblick 7

1 Lern- und gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung und Unternehmensorganisation in KMU

1.1 E-Business - Katalysator der Organisationsentwicklung in (kleinen) Unternehmen 11

Wolfram Risch, Michael Uhlmann, ATB Arbeit, Technik und Bildung GmbH, Chemnitz

1.2 Ein Referenzmodell zur menschengerechten Gestaltung der Arbeit im E-Business 17

Christiane Potzner, Universität Kassel, Institut für Arbeitswissenschaft

1.3 „Den Menschen mitnehmen“. Gestaltung von Geschäftsprozessen, Arbeitsvorgängen und Kommunikation im E-Business 21

Christoph Rövekamp, Nicole Zillien, Stefan Zühlke, Competence Center E-Business der Universität Trier

1.4 Förderung von Akzeptanz und Motivation im Rahmen von E-Business-Projekten 26

Claudia Brasse, Prospektiv GmbH, Dortmund

Jochen Schuchardt, ExperTeam TA Telearbeit GmbH, Köln

1.5 Neue Arbeitsprozesse durch E-Business in Handwerk und Industrie 31

Andreas Rönnau, Lutz Fischer, Zukunftswerkstatt e. V. der Handwerkskammer Hamburg

1.6 Regionalbezug innovativer Dienstleistungen: Mit Change Management zum Erfolg im E-Business 34

Sie Liong Thio, Britta Oertel, IZT gGmbH, Berlin

Thomas Feil, Deutsches Wirtschaftswissenschaftliches Institut für Fremdenverkehr, Berlin

2 Technische und organisatorische Unterstützung der Personalentwicklung und Kooperation

2.1 E-Business als Anstoß zum Strategieentwurf und zur unternehmensübergreifenden Produktentwicklung in der Gießereiindustrie 39

Jürgen Schultze, Kathrin Manthei, Sozialforschungsstelle Dortmund Landesinstitut

2.2 Entwicklung einer Kommunikationsplattform zur Unterstützung der Auftragsabwicklung 41

Claus Aumund-Kopp, BIBA, Universität Bremen

2.3 Partizipation bei der Einführung von E-Procurement: Wie werden die Interessen und 45

Erfahrungen der Mitarbeiter berücksichtigt?

Markus Hertwig, Gernot Mühge, Hellen Tackenberg, Lehrstuhl für Organisationssoziologie

und Mitbestimmungsforschung der Ruhr-Universität Bochum

2.4 Unterstützung der Personalarbeit beim Change Management in E-Business-Projekten 48

Peter Berger, Andrea Berger-Klein, Detlef Krüger, Heike M. Linhart,

Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Hamburg

2.5 Unterstützung des Verkäufers durch menschengerecht gestaltete Informationssysteme 53

Marco Atzberger, First Online-Shopping GmbH, Pulheim

2.6 Internetbasierte Information und Beratung zu Fragen der Arbeitswelt 58

Brigitte Duve, Erzbischöfliches Generalvikariat Paderborn

Berthold Iserloh, Universität Dortmund

2.7 Laufende Bewertung der E-Business-Projektentwicklung mittels einer „Projekt-Aktie“ 63

Jaime Uribe, Giuseppe Strina, Klaus Henning, Stefan Große-Kappenberg,

Institut für Unternehmenskybernetik e. V., Aachen

3 Arbeitsorientierte E-Business-Anwendungen in der Logistikwirtschaft

3.1 Der Socio-Technical Walkthrough (STWT): eine Methode zur Gestaltung sozio-technischer Systeme 69

Gabriele Kunau, Natalja Menold, Lothar Schöpe, Thomas Herrmann, Universität Dortmund

3.2 Unterstützung für Auslieferungsfahrer bei Kurier-, Express- und Paketdiensten 73

André Quadt, Patrick Wader, FIR - Forschungsinstitut für Rationalisierung an der RWTH Aachen

Dirk Rösler, IAW - Institut für Arbeitswissenschaft an der RWTH Aachen

3.3 Chancen und Barrieren der elektronischen Vernetzungen in der Binnenschifffahrt 77

Dankwart Danckwerts, Universität Duisburg-Essen

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5DIE ENTWICKLUNG DES FÖRDERSCHWERPUNKTS „ARBEIT IM E-BUSINESS“ Arbeit im E-Business

1. Die Zukunft der Arbeit im E-Business

In den Jahren 1998 bis 2000 konnte ein sprunghafter Anstieg

internetbasierter Geschäftsprozesse in europäischen Unterneh-

men festgestellt werden. In einer Mitteilung der Europäischen

Kommission an das Europaparlament vom November 2001 wird

unter Hinweis auf die Initiative „Helping SMEs Go Digital“1 be-

tont, es sei „wichtig, in europäischen Unternehmen das Wissen

über die Möglichkeiten zu verbreiten, die die IuK-Technologien

bieten“. Notwendig seien dafür eine von allen geteilte Vision und

eine langfristige Strategie zur Umsetzung der Programmatik des

Gipfels von Lissabon, Europa in den nächsten zehn Jahren zum

wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten

Wirtschaftsraum zu machen. Die „E-Dimension“ müsse systema-

tisch in alle europäischen Politikanstrengungen integriert werden.

Im Dokument einer Arbeitsgruppe der Europäischen

Kommission vom November 20022 wird demgegenüber hervor-

gehoben, dass kleine und mittlere Unternehmen nach wie vor

skeptisch gegenüber dem aktiven Gebrauch des Internets und

seiner Möglichkeiten seien. „Aus diesem Grunde besteht bei KMU

ein potenzieller Bedarf an einer besseren Bewusstwerdung der

möglichen Vorteile und Risiken, die sich auf tatsächliche Erfah-

rungen und auf dokumentierte Fälle stützen.“

Auch in dem 1999 veröffentlichten Aktionsprogramm der

Bundesregierung „Innovation und Arbeitsplätze in der Informa-

tionsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ wird betont, dass sich mit

der schnellen Verbreitung des Internets für Unternehmen Chan-

cen eröffnen, im E-Business bisher nicht mögliche Produktivitäts-

zuwächse zu erzielen und neue Märkte zu erschließen. Da E-Busi-

ness Unternehmen und ihren Mitarbeitern Chancen bietet, durch

innovative Gestaltung der Arbeitsorganisation und Geschäfts-

prozesse die Potenziale der Beschäftigten zu nutzen und deren

Leistungsfähigkeit und -bereitschaft zu erhalten, stieg das Inte-

resse an nachhaltigen und humanen E-Business-Lösungen. Hier

setzt der Förderschwerpunkt „Arbeit im E-Business“ an.

2. Der Förderschwerpunkt „Arbeit im E-Business“

Der Förderschwerpunkt innerhalb des Rahmenkonzepts „Inno-

vative Arbeitsgestaltung – Zukunft der Arbeit“ wurde vom Bun-

desministerium für Bildung und Forschung am 07.11.2000 veröf-

fentlicht. Auf die Bekanntmachung gingen bis zum Stichtag

23.01.2001 insgesamt 99 Projektskizzen beim Projektträger im

DLR, Projektträger für das BMBF, „Arbeitsgestaltung und Dienst-

leistungen“, ein. Davon wurden im Rahmen einer Begutachtung

18 Projektideen zur Förderung empfohlen. Die Förderung der

ersten Projekte begann zur Jahresmitte 2001. Die Projekte werden

mit einem Volumen von rd. 16 Mio. € gefördert.

Ziel der Förderung war es, die Auswirkungen unterschiedli-

cher Formen des elektronischen Geschäftsverkehrs – E-Business,

E-Commerce und E-Procurement – auf die Arbeits- und Unterneh-

mensorganisation zu ermitteln. Zugleich sollten Gestaltungs-

alternativen und Konzepte für eine menschengerechte und pro-

duktivitätsfördernde Gestaltung der Arbeit im E-Business entwi-

ckelt sowie Voraussetzungen, Rahmenbedingungen und Maß-

nahmen für die Umsetzung aufgezeigt und genutzt werden.

Das Themenspektrum der Projekte reichte dabei von der für die

Einführung von E-Business erforderlichen Gestaltung von Perso-

nalarbeit einschließlich der Lernprozesse in Unternehmen über

die Entwicklung von Beratungsangeboten für Arbeitnehmer im

Umgang mit E-Business-Strukturen bis zur Entwicklung von Kon-

zepten für KMU zu E-Business-gesteuerten Arbeitsprozessen.

Der Verwertung der erreichten Ergebnisse und einer mög-

lichst frühzeitigen Umsetzung und Verbreitung der Ergebnisse –

auch in Kooperation mit kompetenten Umsetzungsträgern –

wurde in dieser Förderinitiative große Bedeutung beigemessen.

Vorrangig war dabei die Erarbeitung konkreter Handlungsanlei-

tungen, die sich auf Erfahrungen stützen, die soziale, organisato-

rische, wirtschaftliche, arbeitsschutzrelevante und technische

Aspekte berücksichtigen und auch auf andere Unternehmen und

Organisationen übertragbar sind.

Gefördert wurden Forschungsinstitutionen und Hochschulen

sowie eine große Zahl von Unternehmen unterschiedlicher Größe

und verschiedener Wirtschaftsbereiche wie z. B. Binnenschiff-

fahrt, Logistik, Gießerei- und Automobilzulieferindustrie, Call

Center, Groß- und Einzelhandel, Handwerk und Tourismusge-

werbe. Vertreter verschiedener Fachdisziplinen arbeiteten hier

mit Praktikern aus Unternehmen (vornehmlich KMU) und Ex-

perten aus intermediären Organisationen wie Verbänden, Ge-

werkschaften und einer kirchlichen Einrichtung zusammen.

3. Erfahrungstransfer und Öffentlichkeitsarbeit

Um den vorhabenübergreifenden Erfahrungsaustausch zu för-

dern und eine gute Abstimmung der Öffentlichkeitsarbeit und

des Ergebnistransfers zu erzielen, wurden die geförderten

Vorhaben folgenden Clustern zugeordnet:

a) Lern- und gesundheitsförderliche Arbeits- und Organisa-

tionsgestaltung in KMU beim Auf- und Ausbau von E-Busi-

ness

b) Personal- und Organisationsentwicklung in Verbindung mit

der Einführung und Optimierung der IuK-Technik

Die Entwicklung des Förderschwerpunkts „Arbeit im E-Business“

1 The Impact of the E-Economy on European Enterprises: Economic Analysis and PolicyImplications“. COM(2001) 711 final

2 Commission Staff Working Paper on B2B Internet Trading Platforms: Opportunitiesand Barriers for SMEs – a First Assessment. SEC(2002) 1217

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6 Arbeit im E-Business DIE ENTWICKLUNG DES FÖRDERSCHWERPUNKTS „ARBEIT IM E-BUSINESS“

c) Lern- und Kooperationsprozesse bei der Einführung von

E-Business und Entwicklung von Unternehmensnetzwerken

d) Arbeits-, Lern- und Kooperationsprozesse bei B2B-Anwen-

dungen in der Logistikwirtschaft.

Der Erfahrungsaustausch zwischen den Projekten innerhalb die-

ser Cluster reichte von gegenseitigen Besuchen und Vorträgen

auf den Veranstaltungen der jeweiligen Partner, dem Austausch

und der Anpassung von Erhebungsmaterialien bis zur gemeinsa-

men Durchführung von Auftaktveranstaltungen und weiteren

zentralen Projekttreffen.

So haben die Verbundprojekte „Electronic Business-Anwen-

dungen in kleinen und mittelständischen Unternehmen“ (ECA-

MUN) und „Die interaktive Organisation – Methoden und Model-

le für gesunde und produktive Arbeit im E-Business“ (INTERORG)

ihre Fragebögen für die einleitenden Befragungen ihrer For-

schungsvorhaben abgestimmt und gegenseitig auf Workshops

Vorträge über den Projektfortschritt gehalten. Die Verbundpro-

jekte „Arbeit im E-Business in der Gießereiindustrie“ und „E-Busi-

ness in der Automobilzulieferindustrie“ haben gemeinsame Ver-

anstaltungen zur Lage der Zulieferbetriebe, zu denen mittlere

und größere Gießereien gehören, durchgeführt. Die Verbund-

projekte „Mobile Spedition im Web“, „Parcelman – Veränderte

Anforderungen an Mitarbeiter in der Distributionslogistik“ und

„Auswirkungen der elektronischen Vernetzungen auf die Ge-

schäftsbeziehungen der Binnenwassertransporte“ haben im Be-

reich Logistik kooperiert, Erfahrungen über Anforderungen und

Entwicklungen ausgetauscht und Aktivitäten in der Öffentlich-

keitsarbeit gemeinsam vorbereitet.

Ferner ist auch der Transfer zwischen den einzelnen Verbund-

projekten effektiv. Die Tagung „E-Business zwischen Euphorie

und Skepsis“ im Mai 2003 bei der Sozialforschungsstelle in

Dortmund, die auf Initiative der Verbundprojekte ECAMUN,

„Strategien und Potenziale einer intelligenten und richtungwei-

senden Integration neuer Technologien für Organisationen“ (SPI-

RIT) und „Arbeit im E-Business in der Gießereiindustrie“ zustande

kam, hat dies beispielhaft gezeigt.

Die Ergebnisse der Verbundprojekte werden als Handrei-

chungen von der Wirtschaft intensiv genutzt. Sie tragen dazu bei,

die mit elektronischen Geschäftsbeziehungen verbundenen Ver-

änderungsprozesse so zu gestalten, dass sie Impulse für die men-

schengerechte, sichere und gesundheitlich zuträgliche Gestal-

tung der Arbeitswelt geben. Damit verbunden sind die Erweite-

rung der Beschäftigungsfähigkeit, Schaffung zukunftsfähiger

Arbeitsplätze und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Die

Lösungsansätze kommen insbesondere KMU, ihren Beschäftigten

und den Kundenbeziehungen zugute.

Der Fokus in dieser Publikation liegt auf folgenden Themen-

bereichen, denen die Beispiele aus den Projektergebnissen zuge-

ordnet sind:

1. Lern- und gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung und

Unternehmensorganisation in KMU

2. Technische und organisatorische Unterstützung der

Personalentwicklung und Kooperation

3. Arbeitsorientierte E-Business-Anwendungen in der

Logistikwirtschaft

Klaus Wegner, Claudius H. Riegler

Projektträger im DLR, Projektträger für das BMBF,

„Arbeitsgestaltung und Dienstleistungen“

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7KURZFASSUNGEN Arbeit im E-Business

Die wichtigsten Ergebnisse der einzelnen Vorhaben werden im

Folgenden kurz zusammengefasst:

1 Lern- und gesundheitsförderliche Arbeitsge-staltung und Unternehmensorganisation inKMU

Beispiele in einem von der ATB Arbeit, Technik und Bildung

GmbH Chemnitz koordinierten Verbundprojekt zeigen, dass die

Gestaltung von E-Business zum Teil erhebliche Eingriffe in kom-

plexe Unternehmensprozesse erfordert, welche jedoch erkennba-

ren Regeln unterworfen sind. Daraus ableitbar ist die Möglichkeit,

Entscheidungen im Prozess der Einführung von E-Business durch

Hilfsmittel zu unterstützen. Zwei Instrumente wurden hierzu ent-

wickelt. Zum einen handelt es sich um das Werkzeug „INTER-

GEORG“ (Interaktives Werkzeug zur Generierung von arbeitsorga-

nisatorischen Handlungsempfehlungen beim Einsatz von E-Busi-

ness), welches eine Orientierungshilfe für die Strategiefindung

bereitstellt, vergleichbar mit dem Blick des Fahrzeugführers durch

die Frontscheibe eines PKW mit der Frage: Wo muss ich hinsteu-

ern? Dabei fließen bisher gesammelte Erfahrungen bei der Gestal-

tung von (elektronischen) Geschäftsprozessen über die Nutzung

eines Expertentools in die Entscheidungsprozesse des Anwenders

ein. Ergänzend dazu unterstützt das „Unternehmenslogbuch“ die

Bewertung bzw. Reflexion von Veränderungsprozessen. Vergleich-

bar mit dem Blick in den Rückspiegel des PKW wird die bereits

zurückgelegte Wegstrecke einsehbar und kann auf Basis des aktu-

ellen Wissensstandes einer Bewertung unterzogen werden.

Ein vom Institut für Arbeitswissenschaft an der Universität

Kassel entwickeltes Referenzmodell soll insbesondere kleinen

und mittelständischen Betrieben konkrete Handlungshilfen zur

Einführung oder Modifizierung von E-Business-basierten Lösun-

gen für die Prozessorganisation bieten. Die wichtigsten Gestal-

tungsdimensionen werden in einem Modell erfasst. Das Refe-

renzmodell integriert die verschiedenen Aspekte:

+ Ganzheitliche Gestaltungsempfehlungen zum Thema

E-Business,

+ Transformationsstrategien zur E-Business-Organisation,

+ Integration der Belange der Mitarbeiter,

+ Integration der Belange von Kunden, Lieferanten und

Partnern,

+ Entwicklung einer lernenden Organisation.

Zudem kann das Modell von Unternehmensberatern oder bera-

tenden Einrichtungen, die Wert auf die Einbeziehung der men-

schengerechten Aspekte des E-Business legen, genutzt werden.

Das Referenzmodell gliedert sich in fünf Phasen, die bei der

Einführung neuer Technologien durchlaufen werden. Für jede

Phase werden zwölf verschiedene Verantwortungsbereiche bzw.

Arbeitspakete mit projektspezifischen Aufgaben vorgeschlagen.

Damit kann die Einführung von E-Business strukturiert, flexibel

und möglichst problemlos vorgenommen werden.

Ziel eines an der Universität Trier durchgeführten Projektes

war es, ein ganzheitliches Transformationskonzept für E-Business

gemeinsam mit den Unternehmenspartnern zu entwickeln.

Berücksichtigt wurden sowohl die Veränderungen der internen

Geschäfts- als auch der internen und externen Kommunikations-,

Arbeits- und Austauschprozesse sowie von Qualifizierung und

Partizipation im Zuge der E-Business-Verbreitung. Basierend hie-

rauf wurden integrative E-Business-Konzepte in der Praxis umge-

setzt, erprobt und optimiert. In den „Sieben Sachen“, sieben di-

daktischen Broschüren aus dem Projektkontext, wird das Mana-

gen von E-Business-Projekten im Überblick vorgestellt und mit

konkreten Hilfestellungen zur Gesprächsführung mit IT-Dienst-

leistern, einer Einschätzung von E-Business-Schwächen, der

Zusammenarbeit in digitalen Teams, der Erstellung von E-Mail-

Regeln, der Partizipation im E-Business und der Durchführung

von Qualifizierungsmaßnahmen verbunden. Die Werkzeuge sol-

len Beschäftigte und ihre Vertretungen sowie Führungskräfte auf

die Einführung und Nutzung von E-Business-Lösungen vorberei-

ten und eine durchdachte und erfolgreiche Technologieintegra-

tion ermöglichen.

Ein von fünf KMU aus verschiedenen Branchen durchgeführ-

tes, von der Prospektiv GmbH Dortmund und der ExperTeam

Telearbeit GmbH Köln wissenschaftlich begleitetes Verbund-

projekt hat gezeigt, dass der Erfolg eines E-Business-Engage-

ments in kleinen und mittleren Unternehmen nicht alleine von

einer praxistauglichen Konzeption und einer reibungslosen tech-

nischen Umsetzung abhängt. Gerade die vermeintlich weichen

Faktoren, wie z. B. die Unternehmenskultur, Deutlichkeit von

Unternehmenszielen und Vision, das Veränderungsmanagement

und auch das Projektmanagement, entscheiden oft über den Er-

folg oder Misserfolg von E-Business-Projekten. Das Projekt hat

Modelllösungen der Umsetzungspartner präsentiert, die zu

Empfehlungen für den Einsatz von E-Business in KMU geführt

haben. Die Ergebnisse zeigen auch, dass sich gerade mit den

pragmatischen und schnell zu realisierenden Ansätzen im Verän-

derungs- und Projektmanagement der größte Erfolg einstellt.

An einem von der Zukunftswerkstatt e.V. der Handwerks-

kammer Hamburg koordinierten Verbundprojekt beteiligten

sich über 20 Handwerksbetriebe aus den Gewerken Maurer,

Maler, Elektro, Metallbau, Sanitär, Klempner und Tischler. Am

Beispiel von Airbus GmbH, Werk Hamburg, als Betreiber eines

E-Procurement-Systems wurde die technische Umgebung so

gestaltet, dass sowohl vonseiten der Handwerksbetriebe als auch

Kurzfassungen im Überblick

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8 Arbeit im E-Business KURZFASSUNGEN

vonseiten des Flugzeugkonzerns alle Auftragsdaten – von der

Bestellung bis zum Ausgleich der Rechnung – medienbruchfrei

verarbeitet werden können. Das System ist trotz individuell

verschiedener Voraussetzungen der Nutzer leicht beherrschbar.

So entstand ein professionelles, auftraggeberneutrales E-Cata-

logue-Managementsystem, das auch Handwerksbetriebe nicht

überfordert. Begleitend sind speziell abgestimmte Qualifizie-

rungsmodule entwickelt und erprobt worden, die die Mitarbeiter

der Handwerksbetriebe befähigen, die Umstellung auf die neue

Technik sowie die veränderten Geschäftsprozesse zu beherr-

schen. Besondere Beachtung fand auch die Erhöhung der strate-

gischen Kompetenz der Branche, E-Business als Möglichkeit der

Sicherung des wirtschaftlichen Erfolges und als Chance zur Er-

schließung neuer Absatzwege zu nutzen.

Durch den Change Management-Prozess ist im Rahmen eines

vom IZT Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung

(Berlin) koordinierten Verbundprojekts ein Unternehmen der

Tourismuswirtschaft dem erklärten Ziel, seine Wettbewerbs-

fähigkeit zu verbessern, näher gerückt. Dem abgestimmten Zu-

sammenspiel von technischen wie organisatorischen Lösungen –

über das Change Management – kommt eine entscheidende

Bedeutung für die erfolgreiche Integrierung von E-Business-

Strukturen zu. Schon in der ersten Phase des Change Manage-

ment-Prozesses wurde von allen Mitarbeitern positiv hervorgeho-

ben, dass der Teamgedanke durch die externe Unterstützung

einen bedeutenden Schub bekommen hat. Unter den Projekt-

partnern herrschte Konsens darüber, dass dieses neuartige Ins-

trument der Organisations- und Strukturberatung in der deut-

schen Tourismuswirtschaft künftig einen höheren Stellenwert

erreichen wird. Berücksichtigt wurde, dass nicht ausschließlich

die harten ökonomischen Eckdaten eines Unternehmens relevant

sind, sondern auch die weichen Faktoren, wie z. B. die Mitarbei-

termotivation und Mitarbeiterzufriedenheit, erheblich zur besse-

ren Wettbewerbsposition einer Organisation beitragen.

2 Technische und organisatorische Unter-stützung der Personalentwicklung undKooperation

In dem von der Sozialforschungsstelle Dortmund Landesinstitut

koordinierten Verbundprojekt „Arbeit im E-Business in der Gie-

ßereiindustrie“ wurden in enger Zusammenarbeit von Unter-

nehmen, Verbänden und Begleitforschung zwei Produkte ent-

wickelt. Ein Instrument unterstützt die Strategieentwicklung im

Unternehmen durch die Nutzung der Potenziale von E-Business.

Das Konzept der Innovationsallianz fördert eine beteiligungsori-

entierte Gestaltung der Arbeit.

Das von der Universität Bremen koordinierte Verbundprojekt

„Arbeits- und Organisationsgestaltung in E-Business-basierten

Prozessen am Beispiel der schnellen Produktentwicklung“ hat

gezeigt, wie kleine und mittelständische Unternehmen, die tech-

nische Dienstleistungen anbieten, und Unternehmen des Modell-

und Werkzeugbaus die Möglichkeiten des E-Business nutzen kön-

nen. Aus der Analyse der Angebotserstellung und der Auftrags-

vorbereitung in Pilotunternehmen wurden organisatorische

Gestaltungsvorschläge abgeleitet. Auf der Basis gemeinsam defi-

nierter Anforderungen wurde Software für eine Kommunika-

tionsplattform entwickelt, die die Interaktion mit Kunden und

Partnern unterstützt. Die Software ermöglicht über das Modul

„Virtuelle Vitrine“ die Demonstration neuartiger Rapid Proto-

typing-Prozesse und die Ausstellung von Mustern und Modellen

sowie über das Modul „Wissenswürfel“ die Verdeutlichung der

Wechselbeziehungen zwischen den Dimensionen Mensch, Orga-

nisation und Technik. Die in Pilotunternehmen implementierte

Software für die Kommunikationsplattform und die entwickelten

Gestaltungskonzepte umfassen organisatorische, personelle und

technische Dimensionen und deren Wechselbeziehungen, unter-

stützen den Aufbau von Kooperationsstrukturen und fördern ein

flexibles, schnelles und kundennahes Handeln.

In einem Projekt der Universität Bochum, das die Automobil-

zulieferindustrie untersuchte, wurden als Ergebnis einer Breiten-

erhebung bei 1.902 Unternehmen der Zulieferindustrie und von

sechs Fallstudien exemplarisch Problemtypen von Betrieben in

Bezug auf die Beteiligung der Mitarbeiter identifiziert und Qua-

lifizierungs- und Partizipationsanforderungen abgeleitet. Eine

heterogene Abteilungsstruktur (Problemtyp 1) erfordert eine

diversifizierte Einbindungs- und Qualifikationsstrategie. Die Mo-

dernisierung des Einkaufs mittels E-Procurement ist nur ein Teil

eines langfristigen Modernisierungsprozesses. E-Business als

Elektronisierung zwischenbetrieblicher Abläufe trifft in der Re-

gel auf Prozesse und Abläufe in den Verwaltungsbereichen von

Unternehmen, die bereits in hohem Maße technologisiert sind.

Problemtyp 2 bezeichnet die mangelnde Akzeptanz verschie-

dener Mitarbeitergruppen und illustriert zugleich deren hohe

Bedeutung für das Funktionieren eines Projektes: Wenn

Mitarbeiter trotz Reorganisation in alten Routinen verharren,

nützt die neueste und ausgefeilteste Technik nichts. Problem-

typ 3 zeigt, wie wichtig es ist, Inhalte und Zielrichtungen eines

Projektes im Vorfeld mit den Betroffenen zu definieren, plausi-

bel zu kommunizieren und Widerstände und Einwände aller

Anwendergruppen zu berücksichtigen (im eigenen Unterneh-

men oder von Lieferanten und Kunden). Selbst bei relativ egali-

tärer Struktur der Mitarbeiter (Typ 0) ergeben sich bestimmte

Anforderungen an die Mitarbeiterbeteiligung, da auch ein ein-

gespieltes, harmonisches Team bei Neuorganisation und -ver-

teilung von Tätigkeiten, Verantwortung, Einfluss und Quali-

fikation schnell aus dem Rhythmus kommen kann. Die Ein-

bindung der nicht direkt involvierten Mitarbeiter sollte über

regelmäßige wechselseitige Kommunikation gewährleistet

werden.

Personalarbeit hat wesentlichen Einfluss auf die Ausgestal-

tung der Arbeitsstrukturen eines Unternehmens. Auf die Füh-

rungskräfte im Unternehmen kommen neue Gestaltungsauf-

gaben, veränderte Steuerungsfunktionen und auch Verände-

rungen ihrer eigenen Tätigkeiten zu. Das in einem Verbundprojekt

an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg

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9KURZFASSUNGEN Arbeit im E-Business

entwickelte Werkzeug Change Adviser stellt eine phasenspezifi-

sche Prozessbegleitung bei der Einführung von E-Business dar

bzw. unterstützt sie. Aus der Personalperspektive betrachtet ging

es darum, das E-Business-Projekt selbst als Veränderungsprozess

zu begreifen und diesen Prozess mit geeigneten Mitteln zu

begleiten.

Im Projekt wurden Bausteine für die Prozessbegleitung an die

Phasen herkömmlichen Projektmanagements angebunden. Wer

also E-Business-Projekte mit den eingeführten Projektmanage-

mentmethoden plant und durchführt, kann die Werkzeuge

direkt in der jeweils aktuellen Phase des Projektmanagements

finden und dort anwenden.

Das von drei Firmen unter Federführung der First Online-

Shopping GmbH (Pulheim) entwickelte E-Beratungssystem hatte

zum Ziel, das Verkaufspersonal in der Bewältigung der Informa-

tionsflut und anspruchsvoller Kundenforderungen zu unterstüt-

zen und so einen Beitrag zur Stärkung der Fachgeschäfte zu leisten.

Sein Ergebnis bestand darin, dass ein betriebsfähiges, mit Echtdaten

operierendes System im Praxiseinsatz getestet werden konnte,

Aussagen über den betriebswirtschaftlichen Nutzen getroffen und

den Interessenten anhand einer konkreten Lösung die abstrakte

Idee eines verkäuferunterstützenden Systems dargestellt wurden.

„mensch-arbeit“ ist ein Beratungsangebot der Katholischen

Kirche im Erzbistum Paderborn für Arbeitnehmerinnen und

Arbeitnehmer mit beruflichen Problemstellungen, in schwieri-

gen Lebenssituationen oder beruflichen Umbruchphasen. Ergebnis

des Projekts ist, dass Betroffene direkt mit einem ehrenamtlichen

Mitarbeiterteam von „mensch-arbeit“ durch E-Mail-Mitteilungen

oder Chatten im Internet Kontakt aufnehmen können. Dabei sind

mehrere Wege für die Ratsuchenden über verschiedene Türen auf

der Homepage (Beratung, Seelsorge, andere Beratungsstellen, Me-

ditation und Selbstbetrachtung) möglich. Neben diesen Beratungs-

angeboten verweist die Homepage wöchentlich neu auf aktuelle

Veröffentlichungen, die in unterschiedlichen Lebens- und Arbeits-

situationen Hilfestellung leisten können. Viele Kooperationspartner

aus Dortmund beraten das Projekt mit ihrer Fachkompetenz und

bildeten von Anfang an ein Netzwerk im Hintergrund.

Ein vom Institut für Unternehmenskybernetik (Aachen)

koordiniertes Verbundprojekt hat eine Methode zur laufenden

Bewertung der E-Business-Projektentwicklung erarbeitet. Die

Methode baut auf dem Börsenprinzip auf und ermöglicht zum

einen der Geschäftsführung bzw. der Projektleitung eine frühzei-

tige, begründete Intervention im Veränderungsprozess. Die für

die Projektbeobachtung und -bewertung emittierte Aktie („Pro-

jekt-Aktie“) wird mit minimalem finanziellen und zeitlichen

Aufwand auf einer dazu geschaffenen innerbetrieblichen Börse

über das Internet oder Intranet gehandelt und kann so direkt und

in Echtzeit als „Stimmungsbarometer“ dienen. Die Methode, als

Ergänzung zum Projekt- und Unternehmenscontrolling gedacht,

setzt bewusst auf die beteiligungsorientierte Ermittlung steue-

rungsrelevanter „Stimmungsinformationen“, die in traditionellen

Verfahren nicht rechtzeitig oder gar nicht zur Verfügung stehen.

3 Arbeitsorientierte E-Business-Anwendungenin der Logistikwirtschaft

In einem von der Universität Dortmund koordinierten Verbund-

projekt wurde ein Kommunikationssystem entwickelt, dessen

Systemarchitektur aus drei Komponenten besteht: mobile End-

geräte, stationäre Endgeräte und ein Anwendungsserver. In dem

Projekt wurde ein prototypisches System zur Evaluierung der

Benutzungsoberfläche und Benutzerführung realisiert. Dieses

prototypische System wurde in Workshops verschiedenen

Personen, die unterschiedliche Rollen innerhalb eines Speditions-

unternehmens einnehmen, unter Verwendung der Methode

„Socio-Technical Walkthrough“ (STWT) vorgestellt. In allen Pha-

sen des Projektes wurden STWT-Workshops unter Beteiligung

von Disponenten, Fahrern, Managern der Zentrale der Stute

Verkehrs GmbH in Bremen, regionalen Managern sowie Soft-

ware-Experten durchgeführt.

Von der RWTH Aachen wurde ein Verbundvorhaben koordi-

niert, das sich auf die Erbringung von Mehrwert-Dienstleistun-

gen bei der Zustellung von Waren an den Kunden mithilfe von

E-Business konzentrierte. Angestrebt wurde ein Lösungskonzept

für die Speditionsbranche, das in der Praxis breit anwendbar ist.

Zur Unterstützung der Prozessausführung wurden im Projekt

zwei technische Demonstratoren für mobile Endgeräte erstellt.

Mit Hilfe der Internetplattform kann ein konstant hohes Niveau

der vom Speditions-Mitarbeiter beeinflussbaren Dienstleistungs-

qualität sichergestellt werden. Der Prozess der Rekrutierung und

Auswahl von kompetenten Mitarbeitern wird systematisch unter-

stützt. Gleichzeitig ergänzen die im internen Bereich der Platt-

form angebotenen Wissensinhalte die bislang durchgeführten

Präsenzschulungen und helfen den Beschäftigten im Kurier-,

Express- und Paketdienst bei der erfolgreichen Bewältigung der

an sie gerichteten Kundenanforderungen.

In einem an der Universität Duisburg-Essen durchgeführten

Projekt wurden Chancen des Einsatzes der elektronischen Vernet-

zung für alle Aspekte der Geschäftsaktivitäten der Partikuliere in

der Binnenschifffahrt ausgelotet. Des Weiteren wurde herausge-

arbeitet, welche Bedingungen förderlich sind und welche Barrie-

ren einem Erfolg entgegenstehen. Es geht dabei um ungleiche

Voraussetzungen, sich auf dem Markt gegenüber anderen Trans-

porteuren im Straßen- und Schienengüterverkehr behaupten zu

können. Die unternehmerischen Kompetenzen der Partikuliere

entsprechen nicht den verbreiteten Vorstellungen, die mit den

elektronischen Medien verbunden werden. Mangelnde logisti-

sche Kompetenz zur Beteiligung an oder Entwicklung von inte-

grierten Transportketten mit LKW und Bahn, oft von Speditionen

hervorgehoben, kann ein negatives Image bei denen hervorru-

fen, die ihr Leistungsvermögen nicht kennen. Außerdem zeichnet

sich ab, dass eine gezielte Weiterbildung erforderlich ist, um die

Partikuliere und Schiffsführer mit den für sie neuen Arbeitsstruk-

turen zu ‚synchronisieren’.

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11ARBEITSGESTALTUNG UND UNTERNEHMENSORGANISATION IN KMU Arbeit im E-Business

1.1 E-Business – Katalysator der Organisa-tionsentwicklung in (kleinen) Unter-nehmen

Wolfram Risch, Michael Uhlmann

ATB Arbeit, Technik und Bildung GmbH, Chemnitz

1 E-Business-Einführung – Vorgehensweisenund Erfolgsfaktoren

Organisatorische und personelle Veränderungen bei der

Gestaltung von E-Business

Die E-Business-Einführung und -Nutzung stellt einen betrieblichen

Gestaltungsprozess dar, der zu Veränderungen in der Unterneh-

mensorganisation bzw. in den betrieblichen Abläufen sowie den

Arbeits- und Qualifikationsanforderungen führt. Zahlreichen Un-

ternehmen bereitet dieser Prozess mehr oder weniger große Pro-

bleme2. Die notwendige Anpassung der Unternehmensorganisa-

tion und der betrieblichen Abläufe resultiert aus der veränderten

Funktionsteilung zwischen Mensch und Technik, wobei das Gestal-

tungsziel die Herstellung einer technisch-organisatorischen Kon-

vergenz sein sollte, die Wirtschaftlichkeit und Anforderungsge-

rechtheit vereint. Das alleinige „Überstülpen“ einer weitreichenden

E-Business-Lösung über bestehende Strukturen und Abläufe führt

meist nicht zu den anvisierten Effekten, sondern nur zu einer be-

grenzten, aber teuer erkauften Beschleunigung von Abläufen bei

gleichzeitigem Flexibilitätsverlust.

Weiterhin spielen bei der Gestaltung von E-Business notwen-

dige Anpassungen der Arbeits- und Qualifikationsanforderungen

eine bedeutende Rolle, resultierend aus den Veränderungen von

Tätigkeiten, der Tendenz zur Dezentralisierung von Verantwor-

tung sowie der nicht selten damit verbundenen höheren Arbeits-

intensität und -belastung. Dies erfordert eine zielgerichtete Be-

einflussung, um letztlich auch die für das Unternehmen ge-

wünschten Effekte zu erzielen.

Zielgerichtete Beeinflussung von Veränderungen

Der Erfolg von E-Business-Lösungen liegt aus Sicht befragter

Unternehmen3 im Prozess der Planung und Einführung begrün-

det und bestimmt sich über verschiedene Erfolgsfaktoren bzw.

geeignete Vorgehensweisen. Die Entwicklung einer betriebli-

chen Konzeption und ein systematisches Vorgehen gelten als

wesentliche Voraussetzungen für den Erfolg eines E-Business-

Projektes, dazu zählen ferner die Benennung eines Verantwort-

lichen und die Bildung einer Projektgruppe sowie gegebenenfalls

eine abteilungs- bzw. bereichsweise Einführung. Eine konsequen-

te Unterstützung durch die Geschäftsleitung verleiht dem Vor-

haben das notwendige Gewicht, letzterer Aspekt muss als erfolgs-

entscheidende Führungsaufgabe verstanden werden. Eine um-

fassende Information und Einbeziehung der Mitarbeiter begin-

nend mit der Vorbereitung bis hin zur Umsetzung des E-Business-

Projektes bietet Möglichkeiten zum Auflösen von Widerständen

und zur Vermeidung von Überforderungen. Entsprechende Ge-

staltungsansätze haben sich in den betrieblichen Veränderungs-

prozessen bewährt. Schließlich lässt sich mit der Einbeziehung

der Kunden in die Konzeptionsphase eine hohe Akzeptanz der

Gestaltungsmaßnahmen im Umfeld des Unternehmens und

insbesondere hin zum Kunden erzielen. Alle benannten (erfah-

rungsbasierten) Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Gestaltung

des Einführungsprozesses von E-Business legen den Schluss nahe,

dass es sich hierbei einmal mehr um Ansätze zur Reorganisation

handelt, umgesetzt jedoch unter intensiver Nutzung der Mög-

lichkeiten neuester IuK-Technologien. Dies verdeutlichen auch

die nachfolgend skizzierten Erfahrungen der Praxispartner

(Rubersteinwerk GmbH und SMK V-Fabrik GmbH & Co. KG).

2 E-Business-Entwicklung in der Praxis

Lösungen für E-Business-gestützte Informationsprozesse in

Kleinunternehmen

Die 1989 gegründete Rubersteinwerk GmbH mit Sitz in Lichten-

stein ging aus einer Textilfärberei hervor. Heute entwickelt, pro-

duziert und vertreibt das Unternehmen mit 23 Beschäftigten

Baustoffe für die Mauerwerkssanierung und Fassadengestaltung.

Perspektivisch strebt das Unternehmen die Entwicklung zu

einem produzierenden Dienstleister im chemischen und bau-

chemischen Bereich an. Das Unternehmen nutzt bereits seit Jahren

erfolgreich IuK-Technologien zur Unterstützung interner und

externer Prozesse der Auftragsabwicklung und des Controllings.

Zukünftig strebt das Unternehmen die verstärkte Nutzung von

Informations- und Kommunikationstechnologien zum Wissens-

und Informationsmanagement an4. Um einen reibungslosen

Ablauf im Betrieb zu organisieren, war und ist das Unternehmen

bestrebt, sich Werkzeuge zu schaffen, die ein flexibles Handeln

und Entscheiden für seine Kunden ermöglichen. Der Umsatz des

Unternehmens verteilte sich im vergangenen Jahr auf mehrere

tausend Ausgangsrechnungen. Ohne rationell organisierte Pro-

zesse und eine leistungsfähige gesamtbetriebliche EDV-Lösung

1. Lern- und gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung und Unternehmensorganisation in KMU

2 Im Rahmen des Projektes INTERORG wurde eine Befragung der Unternehmen durch-geführt (vgl. dazu Risch [Hrsg.]: Arbeit im E-Business Teil 2 „Personal und Einführungs-prozess“), in welcher u. a. nach Veränderungsprozessen in den Unternehmen imRahmen der E-Business-Einführung gefragt wurde.

3 Vgl. ebenda.

4 Im INTERORG-Verbund bearbeitete das Unternehmen das Teilvorhaben „Organisa-tionslösungen für E-Business-gestützte Informationsprozesse in Kleinunternehmen“.Dabei steht die Entwicklung und Gestaltung einer personell-organisatorischen Lö-sung zur Beschleunigung von Produkt- bzw. Dienstleistungsinnovationen im Mittel-punkt, welche durch geeignete Informations- und Kommunikationstechnologienunterstützt wird.

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12

könnte diese Vielzahl kleiner und größerer Aufträge nicht effi-

zient abgewickelt werden. Die Aufträge erstrecken sich auf eine

große Zahl an unterschiedlichen Produkten und Varianten, die

sich aus einer Vielzahl von Rohstoffen zusammensetzen.

Im Unternehmen befindet sich eine auf die speziellen Bedürf-

nisse abgestimmte Standardlösung im Einsatz, die in das betrieb-

liche Netzwerk eingebunden ist. Alle Bereiche, d. h. Kunden-

dienst, Auftragsbearbeitung, Produktion, Finanzbuchhaltung

und das Labor greifen über einen Server auf einen einheitlichen

Datenbestand zu. Den Kern des Systems bilden die Warenwirt-

schaft und Finanzbuchhaltung, auf die auch die Bereiche Pro-

duktentwicklung, Produktion und Kundendienst zurückgreifen.

Die hergestellten Produkte werden zu ca. 60% auftragsbezogen

produziert und direkt zum Kunden geliefert, ein Großteil davon

innerhalb von 24 Stunden. Dieser vorrangig auftragsbezogenen

Fertigung trägt das System Rechnung, beginnend mit der Auf-

tragsannahme bis hin zur Erstellung von Frachtpapieren und der

Rechnungslegung. Zugleich unterstützt die Lösung Funktionen

des Controllings, was Handlungssicherheit für die Entscheider

schafft (z. B. Bonitätsprüfung über die Auftragsbearbeitung). Ein

elektronisches Dokumentenverwaltungssystem ermöglicht dar-

über hinaus die automatische Ablage von Eingangsfaxen, Produk-

tionsaufträgen und Ausgangsrechnungen und damit die Rück-

verfolgbarkeit von Aufträgen (vgl. Anforderungen der ISO 9001).

Eine Schlüsselrolle im Unternehmen nimmt der Kunden-

dienst ein. Dessen Anstrengungen konzentrieren sich auf die

langfristige Kundenbindung und die Generierung von Produkt-

verbesserungen sowie neuen Produktideen im Dialog mit den

Kunden. Die Herausforderung besteht darin, Neukunden zu

gewinnen und gleichzeitig bestehende Kundenbeziehungen

langfristig aufrechtzuerhalten und auszubauen. Die Verwirk-

lichung einer stärkeren Kundenbindung mit überschaubarem

Aufwand basiert auf dem Aufbau eines permanenten Dialoges

mit den Kunden, der Fähigkeit, sich durch verfügbares Wissen

besser in die Bedürfnisse des Kunden hineinzuversetzen und dar-

aus kundenindividuelle Lösungen entwickeln zu können sowie

der effektiven Gestaltung von Marketingaktivitäten durch ständi-

ge Verfügbarkeit aktueller Kundeninformationen.

Zur erfolgreichen elektronischen Unterstützung des Kunden-

beziehungsmanagements führt das Unternehmen ein CRM (Cus-

tomer-Relationship-Management)-Modul als Erweiterungsfunk-

tion der bestehenden IT-Lösung ein. Mit der Schaffung einer or-

ganisatorisch-technischen Lösung zum Kundenbeziehungsma-

nagement strebt das Unternehmen eine optimale Gestaltung der

internen Informationsprozesse zur Verbesserung der Kundenzu-

friedenheit und Beschleunigung von Innovationsprozessen an.

Dabei konnte das Unternehmen auf wertvolle Erfahrungen

der erfolgreichen Einführung von IT-Systemen zurückgreifen, die

den beteiligungsorientierten Auswahl- und Einführungsprozess

wesentlich beschleunigten. Dazu gehört der zielgerichtete Dia-

log mit den Endanwendern über Mitarbeiterworkshops bzw. die

Arbeit der betrieblichen Projektgruppe zur systematischen Vor-

bereitung und Umsetzung der Lösung, einschließlich der arbeits-

prozessnahen Qualifizierung der Beschäftigten.

Einführungsstrategien für E-Business-Lösungen in

Kleinunternehmen

Der Hauptgeschäftsbereich der 1991 gegründeten SMK V-Fabrik

GmbH & Co. KG mit ca. 50 Beschäftigten ist die Konstruktion und

Fertigung von Formen für Kunststoff-Spritzgießteile sowie die

Serienfertigung von Spritzgießteilen für die Automobilindustrie

in zertifizierter Qualität. Insbesondere den speziellen Anforde-

rungen an Automobilzulieferer tragen die Gestaltungsmaßnah-

men für E-Business-Lösungen5 des Unternehmens Rechnung.

Höchste Priorität für das Unternehmen besitzt dabei die Gestal-

tung einer kundenoffenen Auftragsverfolgung ausgewählter

Komplexleistungen im Bereich Formenbau, verbunden mit trans-

parenten Prozessen nach innen und nach außen. Die hohe Kom-

plexität der Aufträge im Formenbau, verbunden mit individuel-

len Wünschen der Kunden (einschließlich der Notwendigkeit von

Änderungen in Aufträgen, die sich bereits in der Ausführung

befinden), erfordert einen hohen Grad der Transparenz der Infor-

mationsprozesse im Unternehmen. Das beginnt im Angebots-

wesen, setzt sich über die Bereiche Konstruktion und Material-

beschaffung fort und reicht bis in die Fertigung sowohl von

Werkzeugen (Unikate) als auch von Spritzgussteilen (Serienfer-

tigung).

Die Entwicklungsansätze für eine strategisch ausgerichtete

firmenspezifische E-Business-Lösung begannen mit der Bildung

einer bereichsübergreifenden interdisziplinären Projektgruppe,

die aus Bereichsleitern und Mitarbeitern der Abteilungen EDV,

Marketing, Vertrieb, Logistik, Personalwesen, einem Vertreter

der Geschäftsführung und der wissenschaftlichen Begleitfor-

schung bestand. So konnte eine effektive Arbeitsbasis im Unter-

nehmen etabliert werden. Eine Präzisierung der durch die Ge-

schäftsleitung formulierten Zielstellungen erfolgte dabei zu

Beginn der Projektarbeit und führte zur Herausarbeitung von

Schwerpunkten durch die eingesetzte Projektgruppe.

Die gemeinsame Erarbeitung der Schwerpunkte sowie die im

Vorfeld der Realisierung durchgeführten Lehrgänge in den be-

trieblichen Bereichen ermöglichten die frühzeitige Identifikation

der Mitarbeiter mit den angestrebten Zielsetzungen. Ziel der

Gestaltungsmaßnahmen bildeten die Forderungen der Kunden

bezüglich der Nachvollziehbarkeit der Auftragsbearbeitung im

Unternehmen. Mit der Zusammenführung der unterschiedlichen

Kundenanforderungen entstand eine einheitliche Systematik zur

Erfassung, Fortschreibung und Nutzung von Informationen so-

wohl innerhalb des Unternehmens (interne Transparenz als Basis)

als auch in der Folge nach außen (externe Transparenz hin zum

Kunden). Der erarbeitete Lösungsansatz wurde in einer ersten

Stufe über den Einsatz speziell erarbeiteter Formulare und Ver-

fahrensweisen umgesetzt und getestet. Die Vielzahl der zu verar-

beitenden Informationen führte in einem zweiten Schritt zur

5 Im INTERORG-Verbund bearbeitet das Unternehmen das Teilvorhaben „Einführungs-strategien für E-Business-Lösungen in Kleinunternehmen“. Ziel des Vorhabens ist es,modellhafte Lösungen und Wege zur E-Business-Einführung in die Geschäftsprozess-abwicklung von Kleinunternehmen zu entwickeln. Im Mittelpunkt steht dabei diekundentransparente Auftragsverfolgung und Nutzung elektronischer Leistungsange-bote bei gleichzeitig erweiterter Erreichbarkeit des Unternehmens auf virtuellenMarktplätzen.

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Arbeit im E-Business ARBEITSGESTALTUNG UND UNTERNEHMENSORGANISATION IN KMU

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13

Konzeption einer neuen informationstechnischen Infrastruktur.

Hierfür definierten die beteiligten Bereiche in einem Pflichten-

heft ihre Anforderungen. Die Entwicklung der speziell auf das

Unternehmen zugeschnittenen Lösung zur elektronischen Un-

terstützung des Leistungsprozesses übernahm ein externer regio-

naler Dienstleister. In der Phase der rechentechnischen Umset-

zung des Projektes erwies sich die frühzeitige Einbeziehung der

Mitarbeiter als Vorteil. Aufgrund der bisherigen Mitarbeit waren

wesentliche Funktionalitäten des neuen Systems einer Gruppe

von Beschäftigten bereits bekannt, ja teilweise durch sie selbst

definiert worden. Störungen konnten durch das vorhandene Wis-

sen über die im Pflichtenheft definierte Funktionsweise einzelner

Module schneller erkannt, spezifiziert und behoben werden.

Mit dem Ausbau der kundenoffenen Auftragsverfolgung

strebt das Unternehmen eine optimierte Betreuung der Kunden

über die stufenweise Schaffung interner Transparenz mittels

Unterstützung des Zusammenspiels aller Unternehmensbereiche

und deren Nutzung in der Kommunikation mit dem Kunden an.

Erste Effekte sind bereits erkennbar, beginnend mit der Ange-

botsphase (verbesserte Unterstützung der Kalkulation) über die

Phase der Auftragsbearbeitung (Auftragsverfolgung Nachvoll-

ziehbarkeit einzelner Prozessschritte) bis hin zur Nachbereitung

von Aufträgen (verbesserte Nachkalkulation), mit der sich der

Kreislauf schließt.

Einführungsprozesse erfolgreich gestalten

Aufgrund einer mangelhaften Abstimmung und Konzeption

kommt es häufig zur Beschaffung und Einführung von Systemen,

die nicht zur organisatorischen Gestaltungslösung des Unterneh-

mens passfähig sind. Passfähigkeit bezieht sich hierbei auf die

benötigten Unterstützungsfunktionen sowie die geeignete Ab-

bildung der elektronisch zu unterstützenden organisatorischen

Abläufe im System. Eine Vielzahl der Hard- und Software-An-

schaffungen von Unternehmen erweist sich hier als Fehlinves-

tition.

Die in den Fallbeispielen beschriebenen Unternehmen haben

die zur Organisation und den betrieblichen Aufgaben passenden

Lösungen ausgewählt und erfolgreich eingeführt. Während sich

das Rubersteinwerk zur beschleunigten Abwicklung weitgehend

determinierter Prozesse für eine modulare Standardlösung ent-

schieden hat, setzt die SMK V-Fabrik zur Unterstützung ihrer Pro-

zesse für die Realisierung von prototypischen und komplexen

Lösungen für die Automobilindustrie auf eine maßgeschneiderte

Softwarelösung. Mit diesen unterschiedlichen Wegen einher gin-

gen differenzierte prozessbezogene Einflussmöglichkeiten der

MitarbeiterInnen bei der jeweiligen Einführung der E-Business-

Lösung. Gründe hierfür liegen einerseits in der notwendigen

Mitarbeit der beteiligten Fachbereiche an der Erarbeitung der

individuellen Lösung und andererseits in der notwendigen Ver-

arbeitung von Informationen. Bei aller Unterschiedlichkeit im

Vorgehen war es für beide Unternehmensleitungen entschei-

dend, die betroffenen Mitarbeiter frühzeitig im erforderlichen

Maß in den Prozess der Gestaltung mit einzubeziehen, sei es um

die zukünftigen Nutzer nach alternativen Lösungen zu fragen

und entsprechende Ideen in die Planungsphase einzubeziehen

oder auch, um durch Informationen zum Abbau von Unsicher-

heiten beizutragen bzw. bestehende Vorbehalte auszuräumen.

Außerdem legten beide Unternehmen großen Wert auf die früh-

zeitige bzw. prozessbegleitende Qualifizierung und Weiterbil-

dung der betroffenen Mitarbeiter, um die jeweilige E-Business-

Lösung ggf. in einer veränderten Arbeitsorganisation kompetent

zu beherrschen.

3 Instrumente und Hilfsmittel zur Unterstützungder Organisationsentwicklung im E-Business

Hilfsmittel zur Strategiefindung und Erfolgsbewertung

Die kurz skizzierten Beispiele zeigen, dass die Gestaltung von

E-Business zum Teil erhebliche Eingriffe in komplexe Unterneh-

mensprozesse erfordert, welche jedoch erkennbaren Regeln

unterworfen sind. Daraus ableitbar ist die Möglichkeit, Entschei-

dungen im Prozess der Einführung von E-Business durch Hilfs-

mittel zu unterstützen. Zwei Instrumente werden hierzu nachfol-

gend vorgestellt.

1. Zum einen handelt es sich um das Werkzeug „INTERGE-

ORG“6, welches eine Orientierungshilfe für die Strategie-

findung bereitstellt, vergleichbar mit dem Blick des Fahr-

zeugführers durch die Frontscheibe eines PKW mit der

Frage: Wo muss ich hinsteuern? Dabei fließen bisher ge-

sammelte Erfahrungen bei der Gestaltung von (elektroni-

schen) Geschäftsprozessen7 über die Nutzung eines Exper-

tentools in die Entscheidungsprozesse des Anwenders ein.

2. Ergänzend dazu unterstützt das „Unternehmenslogbuch“

die Bewertung bzw. Reflexion von Veränderungsprozes-

sen. Vergleichbar mit dem Blick in den Rückspiegel des

PKW wird die bereits zurückgelegte Wegstrecke einseh-

bar und kann auf Basis des aktuellen Wissensstandes einer

Bewertung unterzogen werden.

INTERGEORG und LOGBUCH

INTERGEORG gestattet die komplexe Betrachtung von Merkma-

len der Organisationsgestaltung und ermöglicht eine Prüfung

der „Passfähigkeit“ der Organisationsgestaltungslösung und der

E-Business-Lösung. Das Tool setzt über eine orientierende Abbil-

dung der Unternehmenssituation anhand von sieben Merkmals-

dimensionen den erreichten Grad der Organisationsentwicklung

mit empirisch ermittelten Referenzprofilen in Beziehung und

bestimmt die E-Business-Reife des Unternehmens mit Hilfe von

Indikatoren. Über die Zuordnung zu einem Profil lassen sich

anhand der identifizierten Profilabweichungen orientierende

Gestaltungsanforderungen im Sinne des Screenings ableiten

sowie die technisch-organisatorische Konvergenz der eingeführ-

ten bzw. geplanten E-Business-Lösung prüfen. Die dezidierte

6 INTERGEORG: Interaktives Werkzeug zur Generierung von arbeitsorganisatorischenHandlungsempfehlungen beim Einsatz von E-Business

7 Vgl. hierfür auch Risch [Hrsg.]: Arbeit im E-Business Teil 2 „Organisation undTechnikintegration“.

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ARBEITSGESTALTUNG UND UNTERNEHMENSORGANISATION IN KMU Arbeit im E-Business

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14 Arbeit im E-Business ARBEITSGESTALTUNG UND UNTERNEHMENSORGANISATION IN KMU

Untersetzung des identifizierten Gestaltungsbedarfes sowie die

Ableitung entsprechender Maßnahmen resultiert aus der Nut-

zung empfohlener standardisierter arbeitswissenschaftlicher

Verfahren. Nach der praktischen Umsetzung abgeleiteter Maß-

nahmen erfolgt ein erneutes Durchlaufen des Screenings zur Eva-

luation der Zielerreichung, um ggf. weitere Gestaltungsbedarfe

zu bestimmen. Das Verfahren beschreibt somit einen geschlos-

senen Regelkreis zur Prozessoptimierung (vgl. Abb. 1 ).

Einen Blick „in den Rückspiegel“ ermöglicht das „Unterneh-

mens-Logbuch“, das der Evaluation und Reflexion von Entwick-

lungen im Unternehmen dient. Das datenbankgestützte Logbuch

versteht sich als ein „Fahrtenschreiber“ des Unternehmens, um

eine Selbstreflexion erfolgten Handelns anzuregen oder zu unter-

stützen bzw. themenbezogene Entscheidungs- und Gestaltungs-

prozesse nachvollziehbar zu dokumentieren und auf dieser

Grundlage zukünftige Planungen zu erleichtern (Fehlervermei-

dung bzw. Alternativenanregung).

Das Logbuch dient dem Unternehmen als Hilfsmittel im

Sinne eines Unternehmensgedächtnisses zur Nachvollzieh-

barkeit von getroffenen Entscheidungen. Weitere Anwen-

dungsfelder liegen in der Unterstützung von betrieblichen

Managementprozessen (z. B. Qualitätsmanagement nach DIN

EN ISO 9001:2000) bzw. in der erweiterten Unternehmens-

bewertung (Rating nach Basel II).

Eine weitere Anwendungsmöglichkeit des Logbuches

besteht für Externe (z. B. Berater, Arbeitsforscher) mit der

Möglichkeit der systematischen Beschreibung und Bewertung

von begleiteten Unternehmensprozessen. Die datenbankge-

stützte Umsetzung ermöglicht einen Vergleich der Unter-

nehmen in ihrem aktuellen Status, ihrer Entwicklung über

einen größeren Zeitabschnitt sowie der qualitativen Gewin-

nung von Erkenntnissen zu Erfolgsfaktoren der E-Business-

Einführung (best practice oder benchmarking) (vgl. Abb. 2 ).

Abbildung 1: Organisationsentwicklung im E-Business mit INTERGEORG

1.

2.

3.4.

5.Evaluierung

ZielerreichungScreening

TOP-Gestaltungs-

phase

Konsistenz-Prüfung

Merkmale

EB-O-Kon-vergenzcheck

PartielleFeinanalyse

1.

2.

3.

Toolset

• Screeninginstrument

• Analyse-Gestaltungsbaukasten

• E-Organisations-Cockpit

Referenzprofile (Profile)

• traditionelle Organisation

• flexible Organisation

• innovative Organisation

Revolutionäre Entwicklung(große Delta/Zeiteinheit t2)Sprunghafte Entwicklung

Evolutionäre Entwicklung(kleines Delta/Zeiteinheit t1)Prozesshafte, kleinschrittigeEntwicklung

1.

2.

3.4.

5.

1.

2.

3.

1.

2.

3.4.

EvaluierungZielerreichung

Screening

Konsistenz-Prüfung

Merkmale

EB-O-Kon-ergenzcheck

PartielleFeinanalyse

=

EvaluierungZielerreichung

Screening

Konsistenz-Prüfung

Merkmale

PartielleFeinanalyse

=

EvaluierungZielerreichung

Screening

Konsistenz-Prüfung

Merkmale

PartielleFeinanalyse

=

=

Gra

d de

r Zie

lerr

eich

ung

t1 t2t

∆2

∆1

Merkmale Wichtung Merkmalsausprägungen W x M

M1 0,1 25 50 75 100 7,7

M2 0,5 25 50 75 100 50

Mn 0,4 25 50 75 100 40

Summe 1,0 97,5Merkmale Wichtung Merkmalsausprägungen W x M

M1 0,1 25 50 75 100 7,7

M2 0,5 25 50 75 100 50

Mn 0,4 25 50 75 100 40

Summe 1,0 97,5

1.

2.

3.4.

5.Evaluierung

ZielerreichungScreening

TOP-Gestaltungs-

phase

Konsistenz-Prüfung

Merkmale

EB-O-Kon-vergenzcheck

PartielleFeinanalyse

=

EvaluierungZielerreichung

Screening

TOP-Gestaltungs-

phase

Konsistenz-Prüfung

Merkmale

EB-O-Kon-vergenzcheck

PartielleFeinanalyse

=

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 14

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15ARBEITSGESTALTUNG UND UNTERNEHMENSORGANISATION IN KMU Arbeit im E-Business

4 Zusammenfassung

Bei der Einführung bzw. dem Einsatz von E-Business-Lösungen

handelt es sich um weitreichende Veränderungsprozesse, die

neben beabsichtigten auch häufig zu ungewollten Veränderun-

gen führen. Die Unterschätzung der sich vollziehenden komple-

xen Veränderungen in den Bereichen Organisation, Technik und

Personal bereitet vielen Unternehmen aufgrund der Diskrepanz

zwischen den Zielen und den sich vollziehenden realen Verände-

rungen Probleme. Viele Veränderungen führen z. B. zu neuen

bzw. höheren Anforderungen an die Qualifikation und die Tätig-

keiten, die dann im Rahmen der Personalentwicklung oft ver-

nachlässigt werden.

Als entscheidend für den Erfolg der Einführung innovativer

E-Business-Konzepte in die täglichen Arbeitsprozesse erwies sich

neben einer Reihe anderer Aspekte, frühzeitig eine hohe Trans-

parenz und Akzeptanz gegenüber allen Beteiligten zu schaffen.

Darin sind sich sowohl die Unternehmenslenker als auch die

Beschäftigten einig. Allerdings bestehen in der Praxis zwischen

der Erkenntnis und dem Handeln teilweise immer noch erhebli-

che Diskrepanzen. Hier leistet das INTERORG-Vorhaben Aufklä-

rungsarbeit mit einem vielfältigen unternehmensbezogenen

Ergebnistransfer sowie der Bereitstellung von Mitteln und Metho-

den als Hilfe zur Selbsthilfe.

Der Schlüssel zur erfolgreichen E-Business-Einführung liegt

im Vorgehen, das verdeutlichen auch die kurz skizzierten Fall-

beispiele. In Bezug auf die Erfolgsfaktoren des E-Business-Einsat-

zes, die wesentlich das Vorgehen bestimmen, herrscht zwischen

den Ansichten der Fach- und Führungskräfte sowie den übrigen

Mitarbeitern der Unternehmen überwiegend Konsens.

Ein zielgerichteter E-Business-Einsatz kann unter bestimmten

Voraussetzungen einen Beitrag zur zukunftsfähigen Organisa-

tionsentwicklung leisten und somit zum Katalysator der Organi-

sationsentwicklung in kleinen Unternehmen werden. Allerdings

stellt der E-Business-Einsatz nur eine, wenn auch wichtige, von

vielen Stellschrauben unternehmerischen Erfolgs dar. Der E-Busi-

ness-Einsatz bietet aufgrund seiner Flächenwirkung aber die

Möglichkeit, die Implementierung mit weitreichenden betriebli-

chen Veränderungen zu verknüpfen. Die Voraussetzung dafür

bildet die Herstellung einer technisch-organisatorischen Konver-

genz in der Funktionsteilung zwischen Mensch und Technik, die

den Mensch als „Human-Kapital“ und nicht als „Lückenfüller“ für

die Unzulänglichkeit der Technik betrachtet. In den Fallbeispie-

len zeigt sich, dass durch ein zielgerichtetes und systematisches

Prozess 1Einführung von

KHK-Classic

Prozess 2Einführung eines

CMR-Systems

Zeitpunkt2002

Zeitpunkt 1994

Abbildung 2: Beschreibung der Unternehmensentwicklung mithilfe des Logbuches

Zeitpunkt2004

Ausgangslage

Überlegungen/Ansätze

Entscheidungen/Gestaltung

Ergebnisse/Probleme

Ergebnisse/Probleme

Erkenntnisprozess Zeit

Überlegungen/Ansätze

Entscheidungen/Gestaltung

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 15

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16 Arbeit im E-Business ARBEITSGESTALTUNG UND UNTERNEHMENSORGANISATION IN KMU

Vorgehen bei der Einführung von E-Business-Lösungen durch die

Unternehmensleitung und durch die aktive Einbeziehung, Qua-

lifizierung und Weiterbildung der MitarbeiterInnen die damit

verbundenen Veränderungsprozesse erfolgreich gemeistert und

Lösungen gefunden werden können, die nicht nur dem betriebs-

wirtschaftlichen Interesse dienen, sondern die auch dem Bedürf-

nis der MitarbeiterInnen nach einer interessanten, kooperativen

und belastungsoptimalen Arbeit Rechnung tragen.

Weitere Informationen

„Die interaktive Organisation – Methoden und Modelle für

gesunde und produktive Arbeit im E-Business“

Förderkennzeichen: 01HT0106, 01HT0107, 01HT0108, 01HT0110,

01HT0111, 01HT0112

www.inter-org.de

Ansprechpartner des Projekts:

Michael Uhlmann

ATB Arbeit, Technik und Bildung GmbH

Neefestr. 76

09119 Chemnitz

Tel.: 0371 3695823

E-Mail: [email protected]

Ansprechpartner beim Projektträger:

Dr. Claudius H. Riegler

Tel.: 0228 3821-320

E-Mail: [email protected]

Veröffentlichungen aus dem Projekt

Klemm, T. (Hg.): INTERORG-NEWS, Ausgabe 5, Arbeiten im

E-Business - Lust oder Frust? 2002

Risch, W. (Hg.): Arbeit im E-Business. Teil 1: Organisation und Technikintegration, Chemnitz 2003

Risch, W. (Hg.): Arbeit im E-Business. Teil 2: Personal und Einführungsprozess, Chemnitz 2003

Scheermesser, M. (Hg.): INTERORG-NEWS, Ausgabe 3, Chancen für Frauen im E-Business, 2002

Uhlmann, M.: E-Business als Katalysator der Unternehmensentwicklung. Ansätze zur E-Business-unterstützten Organisationsentwicklung,

in: Winzer, P. (Hg.): Wissensbasierte Unternehmensorganisation. Inhalte, Instrumente, Szenarien. Aachen 2004, S. 111 - 126

Uhlmann, M. (Hg.): E-Business in den Kinderschuhen? Veränderung von Arbeit und Organisation durch E-Business, In: Wirtschaft in

Südwestsachsen; Industrie- und Handelskammer Südwestsachsen Chemnitz - Plauen - Zwickau, Chemnitz (2002)

Uhlmann, M. (Hg.): Umfrage: Auswirkungen von E-Business in Unternehmen, in: Die BG-Fachzeitschrift für Arbeitssicherheit,

Gesundheitsschutz und Unfallversicherung, Berlin 2002

Uhlmann, M. (Hg.): INTERORG-NEWS, Ausgabe 4, Die Ruberstein GmbH 2002

Uhlmann, M.; Jordan, P. (Hg.): INTERORG-NEWS, Ausgabe 2, Unternehmensanalyse zur E-Business-Integration – Vorabinformationen zu

Ergebnissen (Teilstichprobe), 2002

Uhlmann, M.: INTERORG-NEWS, Ausgabe 1, Vorstellung des Projektes INTERORG, 2001

Uhlmann, M.; Jordan, P. (Hg.): Die interaktive Organisation – Methoden und Modelle für gesunde und produktive Arbeit im E-Business

Uhlmann, M.; Schädlich, B., Zimmermann, U.; Jordan, P. (Hg.): Analysedokumentation Arbeit im E-Business – Veränderungen der Arbeit und

Organisation in Unternehmen durch den Einsatz von E-Business, Chemnitz 2002

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17ARBEITSGESTALTUNG UND UNTERNEHMENSORGANISATION IN KMU Arbeit im E-Business

1.2 Ein Referenzmodell zur menschen-gerechten Gestaltung der Arbeit im E-Business

Christiane Potzner

Universität Kassel, Institut für Arbeitswissenschaft

1 Projektvorstellung

Inhalte und Ziele des Projektes

Das Forschungsprojekt „Analyse und Gestaltung von Modellen

der menschengerechten Arbeit im E-Business“ ('e@rbeit') hat die

Entwicklung eines auf die Prozessorganisation bezogenen Refe-

renzmodells für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zum Ziel.

Die Forschungsarbeiten konzentrierten sich auf den Bereich

Business-to-Business ('B2B'). Ausgehend von der Erhebung empi-

rischer Daten über bestehende Organisationsstrukturen wurden

detaillierte Erkenntnisse über neue Formen der Arbeitsorganisa-

tion sowie neu entstandene Tätigkeitsbereiche ermittelt. Er-

kenntnisse über Stärken und Schwächen des E-Business, die sich

auf z. B. die Einhaltung sozialer Normen, Möglichkeiten der Per-

sönlichkeitsentfaltung, Belastungs- und Beanspruchungsfakto-

ren der Beschäftigten sowie die wirtschaftliche Rentabilität be-

ziehen, wurden generiert, Qualifikationsanforderungen identifi-

ziert und Qualifizierungsstrategien entwickelt. Insgesamt wur-

den humane, personelle, soziale, ökonomische sowie rechtliche

Gestaltungsdimensionen interdisziplinär für die Entwicklung ei-

nes Referenzmodells zusammengetragen.

Mit dem entwickelten Referenzmodell zur Einführung von

E-Business in KMU wird die Erwartung verbunden, dass Arbeits-

organisationsformen in Unternehmen so gestaltet werden, dass

die Stärken der vernetzten Informations- und Kommunikations-

techniken genutzt und die mit der Einführung neuer Technolo-

gien einhergehenden Risiken, vor allem für die Beschäftigten an

E-Business-Arbeitsplätzen, weitgehend ausgeschlossen werden

(vgl. Freiling 2003).

Methodische Vorgehensweise des Projektes

Empirische Daten zu E-Business-Organisationsstrukturen in

Unternehmen wurden anhand qualitativer Erhebungen ermit-

telt. Good-Practice-Ansätze für die menschengerechte Gestaltung

der Arbeit im E-Business, die personelle, ökonomische, organisa-

torische, rechtliche und ergonomische Aspekte beinhalten, wur-

den in 14 Betrieben untersucht.

Zur empirischen Datenerhebung wurden vier unterschiedliche

Methoden genutzt:

+ Experten-Interviews mit der Geschäftsleitung oder Unter-

nehmensverantwortlichen sowie IT-Experten anhand eines

teilstandardisierten Interviewleitfadens,

+ Mitarbeiter-Befragungen mithilfe eines standardisierten

Fragebogens,

+ Arbeitsplatz-Beobachtungsinterviews mit dem psychologi-

schen Arbeitsanalyse-Instrument RHIA/VERA-Büro-Verfahren

(vgl. Leitner et al. 1993),

+ Untersuchung der Arbeitsplätze auf ergonomische Krite-

rien anhand des Bewertungsinstrumentes 'SAHIB 96' (vgl.

Kurtz et al. 1997) und der Software-Ergonomie mittels des

Beurteilungsinstrumentes 'KABA' (vgl. Dunckel et al. 1993

oder Dunckel 1999).

Die gewonnenen Daten wurden in 14 Fallberichten ausgewertet.

Mit den gebildeten Kategorien wurde sowohl eine vergleichende

als auch eine kontrastive Auswertung zwischen den Fällen selbst

sowie zwischen den Befragtengruppen möglich. Auf der Grund-

lage der Fallberichte wurden Chancen und Risiken sowie Stärken

und Schwächen des E-Business ermittelt.

Im Sinne einer deskriptiven Auswertung sind repräsentative

Schlussfolgerungen der Ergebnisse nicht zulässig. Die Aussagen

beziehen sich auf die untersuchten Unternehmen. Die Ergebnisse

der Fallanalysen und der damit verbundene Erkenntnisgehalt

haben die Basis für die Identifizierung der Gestaltungsdimensio-

nen gebildet und sind in die Entwicklung des Referenzmodells

eingeflossen.

2 Zusammenfassung der Ergebnisse empiri-scher Studien – Trends im E-Business

Prozessorientierung im E-Business

Die untersuchten Unternehmen haben ihre internen Prozesse

weitestgehend elektronisch abgebildet und unterstützt. Eine

Tendenz hin zu einer Prozessorientierung der Unternehmens-

organisation der untersuchten Betriebe ist erkennbar. Der Trans-

formationsprozess vom „Usual Business“ hin zu E-Business gestal-

tete sich ohne große Hemmnisse, da die Mitarbeitenden frühzei-

tig in die Planung der Veränderungen in den untersuchten Un-

ternehmen einbezogen wurden. Die unternehmensübergreifen-

de Gestaltung des E-Business befindet sich im Mittelstand noch in

einer Anfangsphase. Verzögerungen in der Entwicklung sind auf

die rudimentäre Einbindung von Kunden und Lieferanten in die

Planung von elektronischen Lösungen sowie fehlende Standards

bei den Schnittstellen zurückzuführen (vgl. Flacke 2003). Produktion 1 3

Handel 6 0

Dienstleistung 3 1

Branche KMU(max. 250 MA)

Großunternehmen(über 250 MA)

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 17

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18 Arbeit im E-Business ARBEITSGESTALTUNG UND UNTERNEHMENSORGANISATION IN KMU

Menschengerechte Arbeitsgestaltung im E-Business

Untersuchte kleine und mittelständische Unternehmen können

einige Good-Practice-Ansätze der menschengerechten Arbeits-

gestaltung im E-Business vorweisen:

+ Die vorgefundene offene Kooperationsform als Indikator

dafür, dass eher zusammenhängende und ganzheitliche

Aufgaben von Beschäftigten (in der Gruppe) bearbeitet

werden, gemeinsam Verbesserungsmöglichkeiten bei der

Arbeit beraten und Probleme im Team gelöst werden: Ko-

operation als zielgerechter Einsatz, um auf Veränderungen

mitarbeiterorientiert reagieren zu können.

+ ‚Partizipation‘ als Indikator für das Ausmaß, inwiefern

Wissen und Können der Mitarbeiter von den Betrieben ge-

nutzt werden, um gerade im E-Business den wachsenden

Ansprüchen komplexer werdender Prozesse begegnen zu

können. Nicht nur das Mitspracherecht der Belegschaft

bezüglich technischer und organisatorischer Veränderun-

gen im Arbeitsprozess, sondern auch die Möglichkeit, eige-

ne Ideen vorzuschlagen und auszuprobieren, stellen sich im

E-Business als vorteilhaft heraus.

+ Die Tendenz zu autonomen Strukturen als Indikator für De-

zentralisierung und Abbau von Hierarchien durch Verant-

wortungsübertragung auf den einzelnen Mitarbeiter.

Voraussetzung ist eine entsprechende Entscheidungs-

befugnis beim Einzelnen.

Kritische Aspekte bezüglich der menschengerechten Arbeitsge-

staltung im E-Business beinhalten die vorgefundenen Gesund-

heitsrisiken der modernen technologischen Arbeitswelt: Hohes

Arbeitstempo, hoher Zeitdruck, Leistungsverdichtung, hohe Kon-

zentration, widersprüchliche Arbeitsanweisungen, zu enger

Entscheidungsspielraum und z. T. geringe Autonomie. Psycho-

soziale Belastungen wie fehlende Anerkennung und Unterstüt-

zung, Konflikte mit Vorgesetzten und KollegInnen nehmen im

Verhältnis zu. Neue flexible Arbeitsformen verstärken die psychi-

sche Beanspruchung der Beschäftigten. Die modernen Informa-

tions- und Kommunikationstechnologien bewirken eine stetig

wachsende Menge an Informationen und beschleunigen den

Informationsfluss, was zu hoher Konzentration und schnellerer

Reaktion zwingt.

Insgesamt betrachtet zeigen die Fallstudien, dass E-Business

zahlreiche Optionen der Arbeitsgestaltung eröffnet, die Chancen

für eine menschengerechte Gestaltung der Arbeit bieten, aber

auch Risiken beinhalten (vgl. Potzner 2003 sowie Geißler &

Geißler-Gruber 2003).

Kompetenzentwicklung im E-Business

Die Einführung von E-Business erfordert die Qualifizierung der

Mitarbeitenden für die neuen Techniken und deren Anwendung

sowie die Entwicklung entsprechender Kompetenzen. Die Mehr-

zahl der befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhielten im

Zuge der E-Business-Einführung eine Schulung. Der Befund, dass

nur wenige der Unternehmen E-Learning für die Schulungen ein-

setzen, spiegelt den allgemeinen Trend wider, dass nach einer

ersten Phase sehr hoher Erwartungen an die Einsatzmöglichkei-

ten und Vorteile von E-Learning-Produkten nun die Euphorie in

den Unternehmen nachlässt.

Bezüglich der vermittelten Schulungsinhalte kann festgehal-

ten werden, dass eine Einführung in die Bedienung des zur An-

wendung kommenden Software-/Hardware-Systems alleine nicht

ausreicht. Vor allem das Verhalten bei Fehlern sowie die Sicher-

heit des Systems sind für die Mitarbeitenden weitere relevante

Themen (vgl. Lauer & Sonntag 2003).

3 Darstellung des Referenzmodells

Anwendungspotenziale und Adressaten des Referenzmodells

Das entwickelte Referenzmodell berücksichtigt humane, perso-

nelle, soziale, ökonomische, ergonomische und rechtliche Krite-

rien zur menschengerechten Gestaltung von Arbeit im E-Busi-

ness. Es soll branchenübergreifend bei der Einführung und Mo-

difizierung von E-Business in KMU einsetzbar sein und Lösungen

für eine menschengerechte Gestaltung der Arbeit im E-Business

offerieren.

Das zz. noch in der inhaltlichen Überarbeitung befindliche

Modell wurde in zwei Pilotbetrieben, die noch keine E-Business-

Organisationsstrukturen eingeführt haben, erprobt, evaluiert

und modifiziert. Zudem wurde es im April 2004 von Praktikern,

Beratern und Wissenschaftlern, die einen Online-Probezugang

erhielten, getestet und bewertet. Ziel der Evaluation ist die Opti-

mierung des entwickelten Modells und dadurch die Erhöhung

seiner Verbreitungschancen.

Mit dem Referenzmodell sollen interessierten Unternehmen,

insbesondere kleinen und mittelständischen Betrieben, konkrete

Handlungshilfen zur Einführung oder auch Modifizierung von

E-Business-basierten Lösungen für die Prozessorganisation ange-

boten werden. Damit werden die wichtigsten Gestaltungsdimen-

sionen in einem Modell erfasst. Zudem kann das Modell von

Unternehmensberatern oder beratenden Einrichtungen, die

einen fokussierten Blick auf die humanen Aspekte des E-Business

werfen wollen, genutzt werden.

Aspekte der Einführung im Referenzmodell

Das Referenzmodell integriert verschiedene Aspekte der

Einführung:

+ Ganzheitliche Gestaltungsempfehlungen zum Thema

E-Business,

+ Transformationsstrategien zur E-Business-Organisation,

+ Integration der Belange der Mitarbeiter,

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 18

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19ARBEITSGESTALTUNG UND UNTERNEHMENSORGANISATION IN KMU Arbeit im E-Business

+ Integration der Belange von Kunden, Lieferanten und

Partnern,

+ Entwicklung einer lernenden Organisation.

Für die Einführung von E-Business empfiehlt es sich, im Unter-

nehmen ein Kernteam aufzustellen, das die Gesamtverantwor-

tung trägt. Mitglieder eines Kernteams sind die Projektleitung/

-steuerung und Vertreter der Unternehmensleitung und der

Mitarbeiter sowie die Verantwortlichen für die Projektkommu-

nikation. Sie erfüllen administrative Aufgaben, berücksichtigen die

Belange der Mitarbeiter und unterstreichen die strategische Be-

deutung des Projektes für das Unternehmen. Einzelne Verantwort-

lichkeiten für die Realisierung definierter Ziele werden auf bestim-

mte Personen bzw. Personengruppen verteilt. Das Projektteam be-

steht insofern aus den Trägern der Arbeitspakete und einem Kern-

team.

Die Struktur des Referenzmodells

Das Referenzmodell gliedert sich in fünf Phasen, die bei der Ein-

führung neuer Technologien durchlaufen werden. Für jede Phase

werden zwölf verschiedene Verantwortungsbereiche bzw. Ar-

beitspakete mit projektspezifischen Aufgaben vorgeschlagen.

Damit kann die Einführung von E-Business strukturiert und mög-

lichst problemlos angegangen werden.

Verantwortungsbereiche des Referenzmodells

Die Aufgabenbereiche, die in einem E-Business-Projekt anfallen,

wurden zwölf Verantwortungsbereichen zugeordnet. Verant-

wortungsbereiche sind inhaltlich abgeschlossene Einheiten, die

von einer Person oder einer Personengruppe als Arbeitspakete

übernommen werden und deren Realisierung verantwortet wird.

Zusätzlich enthält das Referenzmodell Schnellcheckinstrumente,

Checklisten zu den verschiedenen Bereichen, weiterführende

Literaturhinweise, nützliche Links zum Thema sowie Arbeitshil-

fen und Tools. Interne Querbezüge zwischen den einzelnen Ver-

antwortungsbereichen sind ebenfalls integriert, um der Gefahr

einer isolierten Sicht eines Verantwortungsbereiches vorzubeu-

gen und so Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Mensch in

den Mittelpunkt der E-Business-Einführung stellen.

Erfahrungen mit dem Referenzmodell

Die Anwendung des Referenzmodells bei der Einführung von

E-Business ist parallel zu seiner Entwicklung in zwei Pilotbetrie-

ben getestet worden. Dabei konnten einige Erfahrungen gesam-

melt werden, die im Folgenden zusammengefasst werden: Ins-

gesamt ist festzustellen, dass die ersten beiden Phasen, die Strate-

gie- und die Konzeptphase, diejenigen Phasen sind, deren Durch-

lauf am längsten dauert. In der Strategiephase geht es um die

Projektphasen Bedeutung

1 Strategiephase Erarbeitung und Dokumentation stra-

tegischer Ziele

2 Konzeptphase Erstellung eines Konzeptpapiers nach

IST-Analysen

3 Vorbereitung Vom Papier zur Praxis: Beschaffung,

der Umsetzung Modifizierung, Simulation des gewähl-

ten Konzeptes

4 Umsetzungs- Roll-out mit Projektüberwachung

phase

5 Evaluation Evaluation der Projektumsetzung

sowie IST-SOLL-Analyse, Entwicklung

einer lernenden Organisation

GesundheitsförderlicheUnternehmenskultur

Ergonomie

Kompetenzentwicklung

Kommunikation & Kooperation

Arbeitsinhalte

Arbeitsorganisation

VerantwortungsbereicheReferenzmodell e@rbeit

IT

Prozesse

Ökonomische Umwelt

Kunden-,Lieferanten-,Partnerfokus

Finanzen

Recht

Abbildung 3: Verantwortungsbereiche des Referenzmodells e@rbeit

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 19

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20 Arbeit im E-Business ARBEITSGESTALTUNG UND UNTERNEHMENSORGANISATION IN KMU

Formulierung strategischer Ziele für das Unternehmen in Bezug

auf E-Business. Wo will ich hin, welche Kunden will ich erreichen,

welche Ziele will ich mit E-Business verwirklichen? In der Tat war

dies einem Pilotbetrieb nicht klar, was genau die Ziele der E-Busi-

ness-Einführung sind. Gerade hierauf sollte großer Wert gelegt

werden, die unternehmerischen Ziele so genau wie möglich zu

formulieren, um die anschließende Analyse und Umsetzung des

Geplanten einfacher durchführen zu können.

Für die Erstellung des Konzeptheftes in der Konzeptphase

sollte sich ebenfalls ausreichend Zeit genommen werden, um die

Ziele und deren Umsetzung im Konzeptheft so genau wie mög-

lich zu formulieren. Wie erwartet, wurden in einem der Pilot-

unternehmen zunächst die Verantwortungsbereiche, die eine

direkte Wertschöpfung anstreben, wie z. B. „Ökonomische Um-

welt“, „Prozesse“, „IT“, bearbeitet. Verantwortungsbereiche, wie

z. B. „Arbeitsinhalte“ und „Ergonomie“, wurden erst später er-

gänzt. Vermutlich liegt dies daran, dass keine direkte Wertschöp-

fung für den Betrieb in letzteren Bereichen gesehen wird, obwohl

gerade die Arbeitsgestaltung und die Ergonomie einen entschei-

denden Einfluss haben können auf die Arbeitsleistung, die Moti-

vation und die Gesundheit der Mitarbeitenden im Betrieb und

somit auch einen wertschöpfenden Charakter besitzen.

Die Phasen „Vorbereitung der Umsetzung“ und „Umset-

zungsphase“ stellen Phasen dar, in denen anhand des Konzept-

heftes die Ziele realisiert werden, was nach der Erstellung des

Konzeptheftes in den Pilotbetrieben reibungslos und in einem

Betrieb sogar unerwartet schnell erfolgte. Die Evaluation des

Umgesetzten sollte in regelmäßigen Abständen nach der Ein-

führung von E-Business durchgeführt werden.

Zugang zum Referenzmodell

Über eine multimediale Aufbereitung der Inhalte des Modells

steht ein Online-Tool im Internet für eine zügige Erfassung der

Gestaltungsdimensionen zur Verfügung. Das Referenzmodell kann

online unentgeltlich unter www.e-arbeit.biz aufgerufen werden.

Veröffentlichungen aus dem Projekt

Flacke, A. (2003): Ökonomische Aspekte erfolgreicher E-Business-Organisationen: Prozesse, Strukturen, Vertrauen. In: Freiling, T.; Martin, H.

(Hg.): e@rbeit gestalten. Mensch – Organisation – Technik. S. 17-40. Kassel: Verlag Institut für Arbeitswissenschaft.

Freiling, T. (2003): Menschengerechte Arbeitsgestaltung im E-Business – Das Projekt e@rbeit. In: Freiling, T.; Martin, H. (Hg.): e@rbeit

gestalten. Mensch – Organisation – Technik. S. 7-16. Kassel: Verlag Institut für Arbeitswissenschaft.

Geißler, H. & Geißler-Gruber, B. (2003): Gesundheitliche Belastungen, Anforderungen und Ressourcen der Arbeit im E-Business. In: Freiling,

T.; Martin, H. (Hg.): e@rbeit gestalten. Mensch – Organisation – Technik. S. 141-161. Kassel: Verlag Institut für Arbeitswissenschaft.

Lauer, U. & Sonntag, K. (2003): Personale Aspekte erfolgreicher E-Business-Organisation: Qualifizierung und Zufriedenheit. In: Freiling, T.;

Martin, H. (Hg.): e@rbeit gestalten. Mensch – Organisation – Technik. S. 99-116. Kassel: Verlag Institut für Arbeitswissenschaft.

Potzner, C. (2003): Arbeitsinhalte, Arbeitsorganisation und Arbeitsplatz-Gestaltung im E-Business. In: Freiling, T.; Martin, H. (Hg.): e@rbeit

gestalten. Mensch – Organisation - Technik. S. 65-98. Kassel: Verlag Institut für Arbeitswissenschaft.

Weitere Informationen

„Analyse und Gestaltung von Modellen der menschenge-

rechten Arbeit im E-Business“

Förderkennzeichen: 01HT0127

www.e-arbeit.biz

Ansprechpartner des Projekts:

Prof. Dr. Hans Martin

Institut für Arbeitswissenschaft

Universität Kassel

Heinrich-Plett-Str. 40

34109 Kassel

Tel.: 0561 8044441

E-Mail: [email protected]

Ansprechpartner beim Projektträger:

Klaus Wegner

Tel.: 0228 3821-126

E-Mail: [email protected]

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 20

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21ARBEITSGESTALTUNG UND UNTERNEHMENSORGANISATION IN KMU Arbeit im E-Business

1.3 „Den Menschen mitnehmen“. Gestal-tung von Geschäftsprozessen, Arbeits-vorgängen und Kommunikation im E-Business

Christoph Rövekamp, Nicole Zillien, Stefan Zühlke

Competence Center E-Business der Universität Trier

1 Einführung

Wie können Unternehmen ihre Mitarbeiter dafür gewinnen, die

Integration und Realisierung von E-Business-Konzepten mitzu-

tragen und aktiv mitzugestalten? Die Beantwortung dieser zen-

tralen Frage setzt ein detailliertes Verständnis der Veränderun-

gen voraus, die mit den Arbeitsbedingungen der Leitidee E-Busi-

ness einhergehen. Infolgedessen geht es vor allem um die Siche-

rung der Wettbewerbsfähigkeit und Faktoren wie Qualifikation,

Motivation und Kreativität der Beschäftigten. Eine „Entweder-

Oder-Strategie“, also die ausschließliche Fokussierung auf ein tra-

ditionelles oder ein elektronisches Business-Konzept, wird wohl

langfristig nicht den gewünschten Unternehmenserfolg erzielen.

Vielmehr sind intelligente Integrationskonzepte gefragt, die die

technischen Vorteilspotenziale in Wettbewerbsvorteile der Unter-

nehmen transformieren. An dieser Stelle setzt das Projekt SPIRIT

an. Ziel des Projektes bestand darin, eine umfassende Integrations-

strategie und ein ganzheitliches Transformationskonzept gemein-

sam mit den Unternehmenspartnern zu entwickeln. Diese berück-

sichtigen sowohl die (internen) Geschäftsprozesse als auch die

(internen und externen) Kommunikations-, Arbeits- und Aus-

tauschprozesse. Basierend hierauf wurden integrative E-Business-

Konzepte in der Praxis umgesetzt, erprobt und optimiert.

2 Elektronische Geschäftsprozesse im Business-to-Business-Sektor

Geschäftsprozesse als zentrales Analyse- und Gestaltungs-

objekt

Ein zentrales Objekt der Analyse von E-Business sind die Geschäfts-

prozesse, die sich nicht auf einen eng abgegrenzten Bereich be-

schränken, sondern verschiedene Akteure des Wirtschaftsge-

schehens auf der Leistungserstellungs- und Leistungsnachfrage-

seite miteinander verbinden. Durch die weitreichenden Verän-

derungen in den Geschäftsprozessen werden Umstellungen not-

wendig und Entwicklungen angestoßen, die sich über viele Be-

reiche und Eigenschaften der Unternehmen und Wertschöp-

fungssysteme erstrecken. Wichtig sind vor diesem Hintergrund

zum einen die auf den Erfolg einwirkenden Kräfte und mögli-

chen Problembereiche in der Umsetzung, und zum anderen die-

jenigen Aspekte, die sich mit Änderungen in struktureller Hin-

sicht befassen, also die Integration von internen und externen Or-

ganisationseinheiten, die Dimensionen der Netzwerkfähigkeit (als

Voraussetzungen für kooperative Leistungserstellung), die Ände-

rungen der Unternehmenscharakteristika im Verlauf der E-Trans-

formation und schließlich das organisatorisch-strategische Umfeld.

Vernetzungspotenziale noch nicht ausgeschöpft

Bezeichnend für die momentane Situation der Unternehmen ist die

gleichzeitige Bewertung der Überlegenheit der neuen Lösung als

wichtigster Faktor für den Erfolg und die IT-Investitionsunsicherheit

in Bezug auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis als schwerwiegendste

Problematik. Die Unternehmen haben bereits einige Energie in die

interne Integration investiert. Im externen Bereich fallen die Bewer-

tungen dagegen ab, so dass die Potenziale zur Vernetzung und In-

tegration über Unternehmensgrenzen hinweg noch nicht vollstän-

dig ausgeschöpft werden. Dies liegt weniger in den Informations-

systemen selbst oder den Mitarbeitern begründet, vielmehr zeigen

sich die Geschäftsprozesse als am wenigsten netzwerkfähig. In der

gemeinsamen Konzeption der Geschäftsprozesse mit den externen

Partnern lässt sich demnach ein Erfolg versprechendes Handlungs-

feld identifizieren. Die Neukonzeption der Geschäftsprozesse über

Organisationsgrenzen hinweg erfordert indes auch ein Umdenken

in den bisherigen Beziehungssystemen. So werden z. B. Vertrauens-

aspekte relevant, wenn es um die gegenseitige Gewährung von

Zugriffsrechten auf die Systeme des Partners geht.

Zusammenspiel von Prozessen, Struktur, Strategie und Kultur

erforderlich

Der Blick auf die Merkmalsausprägungen der E-Business Trans-

formation bezeugt den hohen Stellenwert der Mitarbeiter für das

Unternehmen. Weniger fortgeschritten zeigen sich die strukturel-

len Rahmenbedingungen der Organisationen: Formale Richtlinien

statt informeller Selbstbestimmung, Bürokratie und abteilungsbe-

zogenes Denken in Kombination mit in vergleichsweise geringerem

Ausmaß verwirklichten Strukturoptimierungen lassen ebenfalls

einen Nachholbedarf erkennen. Obwohl in vielen Fällen womöglich

eine netzwerkfähige Unternehmenskultur und die Mitarbeiter als

Träger dieser Kultur strukturelle Defizite überspielen können, ist im

Einzelfall zu prüfen, ob die Verwirklichung einer möglichen Pro-

zesskonfiguration mit einem höheren Grad an Effektivität und Effi-

zienz nicht durch die bestehende Struktur verhindert wird. Struktu-

rell scheint insbesondere die Projektarbeit eine geeignete und er-

folgversprechende Form zur Durchführung von E-Business-Projek-

ten darzustellen. Gemeinsam mit der Existenz einer übergeordne-

ten E-Business-Strategie, gemäß derer die einzelnen E-Business-Ak-

tivitäten aufeinander abgestimmt werden, kann durch das Etablie-

ren einer Projektinfrastruktur eine günstige Entwicklungsumge-

bung für E-Business im Unternehmen geschaffen werden.

3 „Structure follows process“: Änderung derArbeitsprozesse im E-Business

Technologieintegration: Hohe Erwartungen, unklare

Investitionserfolge

Die im Rahmen des Projekts SPIRIT befragten Führungskräfte

und Betriebsräte betrachten die Integration vernetzter Technolo-

gien vor allem unter dem Gesichtspunkt der Kundenorientie-

rung und Wirtschaftlichkeit. Hierzu zählen: Verbesserung der

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22 Arbeit im E-Business ARBEITSGESTALTUNG UND UNTERNEHMENSORGANISATION IN KMU

Kommunikationsmöglichkeiten, Erhöhung der Produktivität der

Mitarbeiter, Steigerung der Arbeitsqualität, Erhöhung der Trans-

parenz über Arbeitsvorgänge, Verlängerung der Ansprechzeiten

für Kunden. Demgegenüber nehmen mitarbeiterorientierte Ziel-

setzungen wie die Steigerung der Mitarbeitermotivation oder -zu-

friedenheit mehrheitlich einen geringeren Stellenwert ein. Mit stei-

gender Unternehmensgröße gewinnen qualitative Dimensionen

(z. B. Verbesserung der Kommunikationsmöglichkeiten) eine höhere

Bedeutung. Daneben lassen sich auch branchenspezifische Integra-

tionspfade erkennen (z. B. externer Veränderungs- und Wettbe-

werbsdruck als Beweggrund im Zuliefererbereich). Bislang haben

sich die im Vorfeld der Technologieintegration bestehenden Erwar-

tungen aber in der Regel nicht erfüllt. Darüber hinaus fehlen ökono-

mische Bewertungsmaßstäbe zur Messung des finanziellen Erfolgs

der Investitionen in die technologische Infrastruktur.

„Flattening the formal“: Zunahme der Selbststeuerung,

der Verantwortungsspielräume und der Formalisierung im

Arbeitsalltag

Die technologische Vernetzung ruft ein Netz neuer sachlicher

und kommunikativer Verflechtungen für die Nutzer hervor. Die

Mehrheit der Mitarbeiter ist der Auffassung, dass Entscheidungs-

prozesse im Rahmen von Team- und Gruppenarbeit unnötig in

die Länge gezogen werden. Mit zunehmender Teamgröße wird

einerseits deutlich die Notwendigkeit neuer Führungsqualitäten

von Vorgesetzten artikuliert, andererseits begünstigt die Reduk-

tion persönlicher Kontakte (z. B. Face-to-Face) und eine einge-

schränkte soziale Kontrolle egoistische Verhaltensweisen. Das

Arbeiten in elektronischen Arbeitsumgebungen geht insbeson-

dere aus Sicht formal höher Qualifizierter mit neuen Formen der

Verantwortungsdiffusion und so genannten Trittbrettfahrer-

Problemen einher. Daneben nehmen die Befragten auch einen

steigenden Grad an Formalisierung und Informationsdokumen-

tation wahr: Verantwortlichkeiten, Ansprechpartner und Ar-

beitsschritte sind zu definieren oder Meetings, Ergebniskontrol-

len und Fristen zu koordinieren. Prozessoptimierung geht

daher auch mit neuen 'Zeitfressern' im betrieblichen Alltag ein-

her. Jenseits solcher Reibungsflächen deuten die Analysen aber

ebenfalls darauf hin, dass sich mit teambasierten Arbeitsformen

– aus Sicht der Mehrheit der Mitarbeiter, Führungskräfte und

Betriebsräte – alles in allem qualitativ bessere Arbeitsergebnisse

im Vergleich zu 'individualistischen Arbeitskulturen' erzielen

lassen.

Mitarbeiter Führungskräfte Betriebsratsmitglieder

„... werden Entscheidungsprozesseunnötig in die Länge gezogen.“

„... zeigen Führungskräfte oftEntscheidungsschwäche.“

„... fallen leistungsschwacheMitarbeiter nicht auf.“

„... wird die hierarchische Arbeits-teilung zunehmend abgebaut.“

„... sind neue Führungsqualitätenfür Vorgesetzte gefragt.“

„... entsteht mehr Zeitdruck.“

„... steigt der Dokumentations-aufwand.“

„... wird die Leistungsbereitschaftder Mitarbeiter größer.“

„... bekommen Mitarbeiter mehrVerantwortung übertragen.“

„... werden alles in allem bessereArbeitsergebnisse erzielt.“

0 20 40 60 80 100

39,653,1

6658,1

48,5

58,3

46,4

68,853,2

50

79,2

80,493,8

91,681,3

53,1

77,493,8

87,5

78,1

79,2

68

45,8

59,4

54,284,4

75

72,2

18,8

28,1

Im Zuge von Team- und Gruppenarbeit ...

Abbildung 4: Elektronisch gestützte Teamarbeit nach Interessengruppen (Angaben in Prozent)1

1 N(Mitarbeiter) = 105; N(Führungskräfte) = 32; N(Betriebsratsmitglieder) = 49.

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 22

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23ARBEITSGESTALTUNG UND UNTERNEHMENSORGANISATION IN KMU Arbeit im E-Business

Rationalisierungseffekte auf innerbetrieblichen Arbeits-

märkten: Qualifikatorische Verdrängungseffekte und

Segregationsprozesse erhalten neue Impulse

Im Zuge der Prozessoptimierung kommt es nicht nur zu einer

stärkeren Standardisierung und Strukturierung betrieblicher

Verwaltungsabläufe und Aufgaben, sondern parallel auch zu

einer Automatisierung von Routinetätigkeiten und -arbeitsschrit-

ten. Hiermit korrespondierende Tätigkeiten oder Teilhandlun-

gen entfallen vor allem für Beschäftigte ausführender Ebenen.

Während hier Dequalifikationsprozesse einsetzen, konzentrieren

sich demgegenüber strategisch-planerische oder konzeptionelle

Aufgaben, also kaum oder nicht-routinisierbare Tätigkeiten, ver-

mehrt auf höherqualifizierte Positionen in Unternehmen. Jen-

seits der Aufgabenintegration, insbesondere im mittleren Ma-

nagement, deuten sich weiter steigende Qualifikationsanforde-

rungen für die sich herauskristallisierenden 'Kernbelegschaften'

an. Das erwartete Kompetenz-Portfolio der Beschäftigten geht

dabei aus Sicht von Führungskräften deutlich über Technologie-

oder Computerfertigkeiten hinaus: Vor allem Kommunikations-

fähigkeit, Leistungsbereitschaft, Lernbereitschaft, Selbstorgani-

sation und Eigenverantwortung werden eingefordert. Daneben

kommt immer öfter die Managementfrage der ökonomischen

Effizienz der Prozessoptimierung auf. Theoretisch lassen sich

nunmehr vollständige Arbeitsprozesse betrieblicher Funktions-

bereiche rationalisieren und möglicherweise über externe

Dienstleister bzw. entsprechende Verträge kostengünstiger ab-

wickeln als in der Unternehmensorganisation. 'Make-or-buy'-

Entscheidungen werden immer öfter signifikant (Stichwort:

Outsourcing, Offshoring).

Paradoxien des Flexibilitätsparadigmas: Work-Life-Balance und

'Wohlfühlfaktor' Arbeitsplatz

Die Mehrzahl der Befragten, insbesondere Führungskräfte,

schätzt die neuen Arbeitsbedingungen als positiv ein. Allgemeine

Arbeitszufriedenheit, Wohlbefinden am Arbeitsplatz oder Ver-

einbarkeit von Beruf und Privatleben – in allen Bereichen empfin-

den die Beschäftigten mehrheitlich eine hohe Zufriedenheit.

Gleichwohl fragen die Arbeitnehmer flexible Erwerbs(zeit)model-

le wie Lebensarbeitszeitkonten, (Alters-) Teilzeit, Sabbatical oder

alternierende Telearbeit stärker nach als sie derzeit angeboten

bzw. genutzt werden (können). Das Modell der Vertrauensar-

beitszeit wird demgegenüber zwar von der Mehrheit der Ange-

stellten praktiziert, aber nur von einer Minderheit wirklich ge-

wünscht. Vor allem dort, wo flexible Arbeitszeiten vornehmlich

als strategischer Innovationsfaktor aufgefasst werden, scheint

das von Beschäftigten positiv wahrgenommene Potenzial der

Selbststeuerung sich in einen erhöhten Leistungsdruck zu wen-

den. Trotz einer allgemein hohen Arbeitszufriedenheit bewerten

die Mitarbeiter ihre zeitlichen Freiräume (z. B. für konzeptionelle

Aufgaben), ihre Aufstiegsmöglichkeiten, die Höhe des Gehalts

und die Arbeitsbelastung am wenigsten zufriedenstellend. Da-

neben trifft die Idee einer stärkeren Einbindung externer Wert-

schöpfungspartner in betriebliche Abläufe häufig eine geteilte

Akzeptanz. Maßnahmen und Instrumenten, die den Aufbau von

Vertrauensbeziehungen und eine durch Offenheit geprägte

Arbeits- und Kommunikationskultur fördern, kommt sowohl im

inner- als auch überbetrieblichen Kontext eine Schlüsselrolle zu,

um die zeitliche und organisatorische Flexibilisierung betriebli-

cher Prozesse gestalten zu können.

4 „Bleibt alles anders“ – Veränderungen derKommunikationsprozesse im E-Business

Wichtigstes Ziel des Technologieeinsatzes: Kommunikation

verbessern

Die „Verbesserung der Kommunikationsmöglichkeiten“ gehört

nach Aussage der im Rahmen des Projekts befragten Führungs-

kräfte zu den wichtigsten Zielen des Einsatzes neuer Technolo-

gien. Dabei sind die meisten Führungskräfte (84,6%) davon über-

zeugt, dieses Ziel in ihrem Unternehmen schon erreicht zu ha-

ben. Am Beispiel der E-Mail lässt sich jedoch veranschaulichen,

dass eine erfolgreiche Technologieintegration kein Selbstläufer

ist. Die vorhandenen Vorzüge der E-Mail wie Schnelligkeit, Kos-

tengünstigkeit oder Asynchronität sind dem Risiko ausgesetzt,

durch nicht intendierte Begleiterscheinungen wie Informations-

überflutung, Vertrauensverlust oder Nutzungsunsicherheiten

kompensiert zu werden.

Fehlende Nutzungsregeln erschweren den Austausch

In Anlehnung an die Theorie der Strukturierung2 wird angenom-

men, dass Auswirkungen der E-Mail-Nutzung nicht nur durch die

Merkmale der Technologie selbst, sondern zudem durch organi-

satorische Rahmenbedingungen und Merkmale der Nutzer be-

stimmt werden. Vor diesem Hintergrund lässt sich zeigen, dass

die rein technische Implementierung der E-Mail, die in den be-

fragten Unternehmen weder mit der Formulierung einer konkre-

ten Zielsetzung noch mit der Vermittlung von Nutzungsregeln

einherging, zur Ausprägung sehr unterschiedlicher Mediennut-

zungsstile führte. Das in den Unternehmen vorherrschende

E-Business-Leitbild prägt dabei nicht nur die Rhetorik der Füh-

rungskräfte, sondern auch deren alltägliche Technologienut-

zung. So lässt sich für die befragten Unternehmen feststellen,

dass Führungskräfte die E-Mail anders nutzen und bewerten als

ihre Mitarbeiter. So findet im Zuge der Nutzung von Computer-

technologien eine Verbesserung des Informationsaustauschs zwi-

schen Mitarbeitern und Führungskräften eher aus Sicht letzterer

statt (vgl. Abb. 5). Diese Pluralisierung von E-Mail-Kulturen3

macht negative Begleiterscheinungen der elektronischen Kom-

munikation wahrscheinlicher, da die Nutzer unausgesprochen

unterschiedliche Erwartungen und Zielsetzungen mit der E-Mail-

Einführung verbinden.

2 Giddens 1984; Orlikowski 1992; Orlikowski 20003 Höflich 2003

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 23

Page 25: Arbeit im E-Business - Uni Trier · tionsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ wird betont, dass sich mit der schnellen Verbreitung des Internets für Unternehmen Chan-cen eröffnen,

24 Arbeit im E-Business ARBEITSGESTALTUNG UND UNTERNEHMENSORGANISATION IN KMU

Vermittlung einer verbindlichen Kommunikationskultur wichtig

Über dreißig Jahre nach ihrer Entwicklung wird die E-Mail-Kom-

munikation immer noch als typisches Frühphasenphänomen

bezeichnet, da allgemeinverbindliche Normen zu formalen, stilis-

tischen, technischen, rechtlichen und sozialen Aspekten fehlen.

Vor dem Hintergrund der schnellen Diffusion der E-Mail und den

dieser technischen Entwicklung nur mit Verzögerung folgenden

rechtlichen, aber auch sozialen Regelungen werden Unsicherhei-

ten und Unklarheiten bezüglich der Nutzung neuer Technolo-

gien verständlich. Verbesserungen der unternehmensinternen

Kommunikationsprozesse durch (teilweise) Technisierung sind

jedoch ohne eine gleichzeitige organisatorische Entwicklung

nicht zu erwarten: Damit im Zuge der elektronischen Kommuni-

kation nicht „alles anders bleibt“, sondern besser wird, gehört die

Zieldefinition der Implementierung ebenso zu einer gewinnbrin-

genden Technologieintegration wie die Vermittlung einer ver-

bindlichen Nutzungskultur.

5 Dann nehm' ich meine sieben Sachen:Werkzeuge zur Technologieintegration

In den „Sieben Sachen“ wird das Managen von E-Business-Projek-

ten im Überblick vorgestellt und mit konkreten Hilfestellungen

zur Gesprächsführung mit IT-Dienstleistern, Einschätzung von

E-Business-Schwächen, Zusammenarbeit in digitalen Teams, Er-

stellung von E-Mail-Regeln, Partizipation im E-Business und

Durchführung von Qualifizierungsmaßnahmen verbunden. Die

folgenden sieben Werkzeuge sollen Mitarbeiter, Betriebsräte und

Führungskräfte auf die Einführung und Nutzung von E-Business-

Lösungen vorbereiten und eine durchdachte und erfolgreiche

Technologieintegration ermöglichen.

+ „Die Sieben Sachen. E-Business-Projekte managen“: In die-

ser einleitenden Broschüre werden die verschiedenen Pha-

sen eines E-Business-Projekts vorgestellt und mit der Cha-

rakterisierung der einzelnen Praxisbroschüren verbunden.

+ „E-Business Selbst-Check – Bereiten Sie sich auf das Ge-

spräch mit Ihrem IT-Dienstleister vor“: Der Selbst-Check

wirft die Fragen auf, die im Vorfeld einer E-Business-Imple-

mentierung durchdacht werden müssen und ermöglicht so

eine umfassende Vorbereitung auf Gespräche mit IT-Dienst-

leistern.

+ „Formtest E-Business – Wie fit ist Ihr Unternehmen?“: Nach

dem Leitwort „Gnothi seauton – erkenne Dich selbst“ wer-

den mit Hilfe der richtigen Fragen Stärken und Schwächen

bezüglich der E-Business-Implementierung ausfindig

gemacht.

+ „Let´s work together – Anleitung zum (Un-)Glücklichsein in

digitalen Teams“: Der Ratgeber für die Planung und Durch-

führung von Teamarbeit im digitalen Zeitalter arbeitet die

Merkmale, Prinzipien und problematischen Dimensionen

dieser Variante der Arbeitsorganisation heraus.

+ „M@ilensteine – Die Regelung der elektronischen Kommu-

nikation“: Eine Bandbreite an Regelungsvorschlägen zu

rechtlichen, sicherheitstechnischen, organisatorischen, sti-

listischen und arbeitsklimatischen Aspekten der elektroni-

schen Kommunikation ist Kernpunkt dieser Broschüre.

+ „Betriebsräte aufgepasst! – Die Beteiligung der Personal-

vertretung im E-Business“: Die in erster Linie für Betriebs-

Durch den zunehmenden Einsatz von Computertechnologien am Arbeitsplatz verbessert sich der Informationsaustauschmit meinen Vorgesetzten bzw. mit meinen Mitarbeitern

Quelle: Eigene Erstellung, [n=155 (Mitarbeiter), n=43 (Führungskräfte), Unternehmen A-E, Angaben in Prozent, Zustimmung (Skalenwerte 5-6) auf Skala von 1=“trifftganz und gar nicht zu“ bis 6=“trifft voll und ganz zu“]

80%

70%

60%

50%

40%

30%

20%

10%

0%A B C D E

Mitarbeiter Führungskräfte

40%

28,89%

12,5%16,67%

40%

71,43%

20,69%

40%

26,87%33,33%

Abbildung 5: Veränderungen des Informationsaustausches nach Interessengruppen (Angaben in Prozent)

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 24

Page 26: Arbeit im E-Business - Uni Trier · tionsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ wird betont, dass sich mit der schnellen Verbreitung des Internets für Unternehmen Chan-cen eröffnen,

25ARBEITSGESTALTUNG UND UNTERNEHMENSORGANISATION IN KMU Arbeit im E-Business

und Personalräte gedachte Broschüre gibt Hinweise zu Be-

teiligungsansätzen in den einzelnen Phasen eines E-Busi-

ness-Projekts.

+ „Gewusst wie! – Durch Qualifizierung zum E-Business-

Erfolg“: Konkrete Handlungsanweisungen zur Feststellung,

Durchführung und Nachbereitung von in E-Business-Pro-

jekten auftretenden Qualifizierungsanforderungen gibt

diese SPIRIT-Broschüre.

Literatur

Böhm, S.; Herrmann, C.; Trinczek, R. (2002): Löst Vertrauensarbeitszeit das Problem der Vereinbarkeit von Familie und Beruf? In: WSI-

Mitteilungen, 8/2002, S. 435-441.

Castells, M. (2001): Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft, Opladen

Fleisch, E. (2001): Das Netzwerkunternehmen: Theorien, Strategien und Prozesse zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit in der

„Networked economy“, Berlin u. a. 2001.

Fukuyama, F. (2002): Der grosse Aufbruch. Wie unsere Gesellschaft eine neue Ordnung erfindet, München

Giddens, A. (1984): The Constitution of Society: Outline of the Theory of Structuration. Berkeley.

Hartz, P. (2001): Job Revolution. Wie wir neue Arbeitsplätze gewinnen können, 1. Auflage, Frankfurt/Main.

Höflich, J. R. (2003): Einleitung: Mediatisierung des Alltags und der Wandel von Vermittlungskulturen. In: Höflich, J. R./Gebhardt, J. (Hg.):

Vermittlungskulturen im Wandel. Brief, E-Mail, SMS, Frankfurt a. M. u. a., S. 7-20.

Nefiodow, L. A. (1999): Der Sechste Kondratieff. Wege zur Produktivität und Vollbeschäftigung im Zeitalter der Information, 3. überarbeite-

te Auflage, Sankt Augustin.

Orlikowski, W. J. (1992): The Duality of Technology: Rethinking the Concept of Technology in Or-ganizations. Organization Science, Vol. 3,

No. 3, S. 398-116.

Orlikowski, W. J. (2000): Using Technology and Constituting Structures: A Practice Lens for Study-ing Technology in Organizations.

Organization Science, Vol. 11, No. 4, S. 404-428.

Weiber, R./Krämer, T. (2002): Paradoxien des Electronic Business und empirische Befunde, in: Weiber, R. (Hg.): Handbuch Electronic

Business: Informationstechnologien – Electronic Commerce – Geschäftsprozesse, 2. Aufl., Wiesbaden 2002, S. 181-209.

Veröffentlichungen aus dem Projekt

Jäckel, M., Rövekamp, C., Würfel, A. (2004): Beyond the (digital) Connectivity: The Value of Communication and the Communication of

Values. [submitted to press]

Jäckel, M., Rövekamp, C., Würfel, A. (2004): „Structure follows process“: Experiences with new ways of working and communication

processes in organisations. [submitted to press]

Jäckel, M., Rövekamp, C., Würfel, A. (2003): To speak of organisation is to speak of communication: How efficient is the digital way? In:

Zülch, G.; Stowasser, S.; Jagdev, S. Harinder (Hg.): Human Aspects in Production Management. Proceedings of the IFIP WG 5.7. Working

Conference on Human Aspects in Production Management. Aachen, S. 307-313.

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 25

Page 27: Arbeit im E-Business - Uni Trier · tionsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ wird betont, dass sich mit der schnellen Verbreitung des Internets für Unternehmen Chan-cen eröffnen,

26 Arbeit im E-Business ARBEITSGESTALTUNG UND UNTERNEHMENSORGANISATION IN KMU

1.4 Förderung von Akzeptanz und Motiva-tion im Rahmen von E-Business-Pro-jekten

Claudia Brasse, Prospektiv GmbH, Dortmund

Jochen Schuchardt, ExperTeam TA Telearbeit GmbH, Köln

1 E-Business in KMU – Potenziale undHindernisse werden erkannt

Die Einführung und Nutzung von E-Business-Anwendungen in

kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ist heute fast schon

obligatorisch, und die Vorteile der Nutzung des Internet z. B. für

den Dialog mit Partnern und Kunden werden heute von kaum

mehr einem Verantwortlichen bestritten. So wird es zukünftig

den Verantwortlichen insbesondere um den Ausbau der eigenen

Marktposition sowie um die Verbesserung des Kundenservices

durch die Nutzung von E-Business-Anwendungen gehen. Die fol-

gende Abbildung skizziert die erkannten Potenziale1.

Auch wenn die Potenziale von E-Business heute von den Ver-

antwortlichen erkannt werden, sind bei der Umsetzung gerade in

kleinen und mittleren Unternehmen immer wieder folgende Beob-

achtungen zu machen, die die Einführung von E-Business bremsen.

Im Rahmen der oben schon zitierten „eProfit-Studie 2002“

wurden IT- und DV-Verantwortliche aus 260 vorrangig kleinen

und mittleren Unternehmen dazu befragt, welche Faktoren eine

bremsende Wirkung auf die Einführung von E-Business-Anwen-

dungen in den jeweiligen Unternehmen haben:

+ Bei über 30% der Unternehmen sind zu geringe oder gar

keine personellen Ressourcen für die Umsetzung eines

solchen Projektes vorhanden.

+ 50% der Unternehmen geben an, zumindest einen verant-

wortlichen Projektleiter oder Mitarbeiter der IT-Abteilung

für die Umsetzung abstellen zu können, der überwiegende

Teil der Projekte wird aber nach wie vor von der Geschäfts-

führungsebene initiiert und gesteuert.

+ Ein Drittel der Befragten geben an, dass durch bestehende,

streng hierarchische Unternehmensstrukturen Projekte

nicht flüssig realisierbar sind.

+ Berührungsängste sowie mangelndes Fachwissen über die

Nutzungsmöglichkeiten von Anwendungen im Internet

Jäckel, M., Rövekamp, C., Würfel, A. (2003): Beyond Tayloristic Hierarchies: More Flexibility and Autonomy or „electronic Babel of tongues“?

Consequences and Perspectives of Organizational Changes. In: The Third International Conference on Electronic Business (ICEB 2003),

Center for e-Business, National University of Singapore (Hg.): Proceedings of the Third International Conference on Electronic Business

(ICEB 2003). E-Business Paradigms: Strategic Transformation and Partnership. Singapur, S. 253-255.

Jäckel, M., Rövekamp, C. (2002): „Nothing Changes Overnight“: The Diffusion and Accep-tance of E-Business. Experiences with New Ways of

Working and Communication Processes. In: ICEB 2002 (Hg.): Proceedings of The Second International Conference on Electronic Business.

Global E-Business in Knowledge-Based Economy: Management, Practice and Opportunities. Tapei/Taiwan, S. 450-452.

Weitere Informationen

„Strategien und Potenziale einer intelligenten und rich-

tungsweisenden Integration neuer Technologien für

Organisationen (SPIRIT)“Förderkennzeichen: 01HT0147

www.ceb-trier.de/spirit

Dort stehen auch die Werkzeuge zur Technologieintegration

(Die Sieben Sachen) zum Download bereit.

Ansprechpartner des Projekts:

Christel Egner-Duppich

Competence Center E-Business der Universität Trier (ceb)

DM 017/Postfach 38

54286 Trier

Tel.: 0651 2013126

E-Mail: [email protected]

Ansprechpartner beim Projektträger:

Dr. Claudius H. Riegler

Tel.: 0228 3821-320

E-Mail: [email protected]

1 „eProfit-Studie 2002“, Marktforschungsagentur DKN

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 26

Page 28: Arbeit im E-Business - Uni Trier · tionsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ wird betont, dass sich mit der schnellen Verbreitung des Internets für Unternehmen Chan-cen eröffnen,

27ARBEITSGESTALTUNG UND UNTERNEHMENSORGANISATION IN KMU Arbeit im E-Business

durch Mitentscheider bemängeln über die Hälfte der

Befragten.

+ Bei über 30% der Unternehmen müssen bestehende ge-

wachsene Arbeitsabläufe im Unternehmen zwangsläufig

neu strukturiert werden (bei den größeren Unternehmen

sogar 65%).

2 Erfahrungen aus der Praxis

Diese Ergebnisse können durch die Erfahrungen von fünf kleinen

und mittleren Unternehmen im Rahmen des Projekts ECAMUN

bestätigt werden. In der zweijährigen Zusammenarbeit, inner-

halb derer die Unternehmen unterschiedlichste E-Business-An-

wendungen entwickelt und implementiert haben, stellte sich das

Thema Akzeptanz und Motivation immer wieder als zentrale

Herausforderung dar. Die informelle Faustregel, nach der nur

maximal 20% des Erfolges von E-Business-Projekten in der techni-

schen Lösung begründet liegen und 80% von Faktoren wie Akzep-

tanz, Motivation und Qualifikation der Mitarbeiter beeinflusst

werden, fand sich deutlich bestätigt. Dabei haben sich im Rah-

men des genannten Projektes folgende zentrale Handlungsfelder

herauskristallisiert:

Unterstützung durch die Geschäftsleitung

Einhellig teilen die beteiligten Unternehmen die Erfahrung, dass

für den Erfolg von Veränderungsprozessen die Vorbildfunktion

und volle Unterstützung durch die Geschäftsführung zwingend

notwendig ist. In KMU ist dies in der Regel auch kein kritischer

Punkt, da die Geschäftsleitung zumeist selbst Initiator für den

Einsatz von E-Business-Anwendungen ist und häufig an der

Gestaltung und Umsetzung aktiv mitwirkt. Schwierigkeiten lie-

gen eher in den mangelnden Ressourcen begründet. Im allge-

genwärtigen Druck des Tagesgeschäfts verlieren interne Projekte

schnell die notwendige Priorität. Hier gilt es auch und gerade für

Geschäftsführungen, einen Projektplan kontinuierlich fortzu-

schreiben und ehrlich und konstruktiv mit Verzögerungen umzu-

gehen.

Vision und Ziele des Unternehmens definieren

Für alle geplanten Veränderungs- und Entwicklungsmaßnahmen

muss deutlich sein, wozu diese Maßnahmen konkret dienen und

wie sie in das Werte- und Zielsystem des Unternehmens passen.

Nahezu jedes Unternehmen hat ein solches Werte- und Zielsys-

tem, die wenigsten haben es niedergeschrieben. Es lässt sich aber

beobachten, dass die allermeisten Unternehmen dieses System in

einer bestimmten Form leben. Dass ein solches Werte- und Ziel-

system existiert, zeigt sich oft in Gesprächen mit Kunden oder im

Quelle: eProfit Studie 2002 Grafik: ECIN

Stärkung der

Marktpositionierung

gegenüber

Mitbewerbern

Verbesserung des

Kundenservices

Einsparungen bei

Geschäftsprozessen

Beschleunigung der

Auftragsabwicklung

Neukundenakquisition

Motivation der

Mitarbeiter

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

60%

83%

31%

56%

30%

41%

Abbildung 6: Potenziale eines eCommerce-Engagements

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 27

Page 29: Arbeit im E-Business - Uni Trier · tionsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ wird betont, dass sich mit der schnellen Verbreitung des Internets für Unternehmen Chan-cen eröffnen,

28 Arbeit im E-Business ARBEITSGESTALTUNG UND UNTERNEHMENSORGANISATION IN KMU

Rahmen von Bewerbungsgesprächen und den dort vermittelten

Aussagen. Gerade bei der Einführung von E-Business ist es wich-

tig, eine Vision bzw. ein Werte- und Zielsystem zu haben, denn

E-Business verändert meist in beträchtlichem Umfang den Un-

ternehmensalltag. Damit sind Widerstände und Ängste verbun-

den, denen begegnet werden kann, wenn klar ist, welchen Nut-

zen z. B. E-Business für das Unternehmen haben wird und das

Ergebnis zu der Vision und dem Ziel des Unternehmens passt.

Die Erfahrung zeigt, dass die Einführung von E-Busi-

ness-Anwendungen oftmals euphorisch beginnt („Der

Reiz des Neuen“), dann aber schnell vernachlässigt

wird. Grund hierfür ist die fehlende Orientierung und

Kontinuität in der Verfolgung der gesteckten Unter-

nehmensziele und der Vision. Die fehlende Kontinuität

auf oberster Unternehmensebene schlägt fast immer

bis auf die Alltagsaufgaben und -ziele der Mitarbeiter

durch und wirkt negativ.

Die Küppers Stahlbau GmbH, ein Stahlbauunternehmen mit 30

Mitarbeitern in Heinsberg, hatte sich zum Ziel gesetzt, sämtliche

Geschäftsprozesse elektronisch abzubilden und geschützte Zu-

griffe für Kunden, Lieferanten und Mitarbeiter zu ermöglichen.

Hierdurch sollten Projektleiter, die häufig längere Zeit auf inter-

nationalen Baustellen tätig sind, immer auf aktuelle Informatio-

nen zugreifen können. Für ein kleines Unternehmen stellt ein

solch umfassendes Projekt eine große Herausforderung dar. Dass

es gelungen ist, liegt im Wesentlichen in der eindeutig formulier-

ten Zielsetzung und dem erkennbaren Nutzen für die Mitarbeiter

begründet. Hierdurch wurden ein hohes Engagement und die

Bereitschaft erzielt, neben dem Tagesgeschäft auch an der inter-

nen Prozessoptimierung zu arbeiten.

Veränderungsprozesse transparent machen

Die Einführung von E-Business ist immer auch ein Veränderungs-

prozess, der ohne eine gezielte Begleitung oftmals scheitert. Sei

es, dass „nur“ eine neue Technologie am Arbeitsplatz eingeführt

wird oder sich ganze Arbeitsabläufe umgestalten: immer müssen

gewohnte Verhaltensweisen aufgegeben und neue erlernt wer-

den. Um dabei möglichen Widerständen und Blockaden vorzu-

beugen ist eine frühzeitige Information über Zielsetzung, Inhalte

und Vorgehensweise des geplanten Projekts von zentraler Be-

deutung. Darüber hinaus muss der Projektfortschritt kontinuier-

lich kommuniziert werden. Dabei ist es besonders wichtig, erste

Erfolge und den konkreten Nutzen für die betroffenen Mitarbei-

ter herauszustellen. Ist eine solche Erfahrung nicht zu vermitteln,

wird es schwierig, die Bereitschaft bei den Mitarbeitern zu erzie-

len, die Veränderung mit umzusetzen. Aussagen, dass eine Ver-

änderung zum Nutzen des Unternehmens sei, werden oftmals

auch von der Unternehmensführung getroffen, wirken aber nur

mittelbar auf das Umfeld der Mitarbeiter und sind meistens nicht

spürbar oder erlebbar.

Die Erfahrung zeigt, dass Veränderungsprozesse dann

erfolgreich umgesetzt werden können, wenn es ge-

lingt, den Betroffenen und Beteiligten einen echten

Nutzen für die eigene Person oder das eigene Arbeits-

umfeld zu vermitteln. Veränderungen müssen positiv

erlebbar sein, dann werden sie auch vorangetrieben,

dies gilt insbesondere im Kontext von E-Business.

Um dies zu gewährleisten geht die Firma Bönders, ein Speditions-

unternehmen mit ca. 150 Mitarbeitern in Krefeld, bei der Einfüh-

rung von E-Business-Anwendungen schrittweise vor: zunächst

werden nur einzelne Mitarbeiter mit einer Neuerung vertraut ge-

macht und der EDV-Leiter führt persönlich die entsprechenden

Schulungen durch. Dies ermöglicht die direkte Vermittlung der

Vorteile eines neuen Systems sowie das Ausräumen von Beden-

ken und Anfangsschwierigkeiten. Nachfolgend ist er für weitere

Erläuterungen und Fragen stets ansprechbar und erkundigt sich

auch aktiv über mögliche Verbesserungsvorschläge seitens der

Mitarbeiter, die so sofort umgesetzt werden können. Auf diese

Weise werden überzeugte Multiplikatoren für die nachfolgende

flächendeckende Einführung gewonnen.

Veränderungen mitgestalten lassen

Damit die Einführung von E-Business gelingt, ist es unerlässlich,

dass die anstehenden Veränderungen auch mit den Mitarbeitern

erarbeitet werden und diese einen Gestaltungsspielraum besit-

zen, den sie ausschöpfen können und sollen. Damit dieser Ge-

staltungsspielraum nicht nur in der Theorie oder auf einem Blatt

Papier existiert, sondern einen echten Mehrwert insbesondere

für das Unternehmen erbringt, ist es notwendig, den beteiligten

Mitarbeitern den zeitlichen und fachlichen Rahmen zu geben,

um die Gestaltung auch wahrnehmen zu können. Ein solches

Engagement kann sich kaum neben dem Alltagsbetrieb entfal-

ten. Ebenso wichtig wie der zeitliche und fachliche Rahmen ist es,

die erarbeiteten Ideen und Anregungen zu würdigen und trans-

parent in die Überlegungen im Rahmen des E-Business-Projektes

zu integrieren.

Die Erfahrung zeigt, dass sich beim Ausnutzen des er-

öffneten Gestaltungsspielraums durch die Mitarbeiter

auch Effekte einstellen, die vorab gar nicht planbar

gewesen sind. Gerade das Ungeplante setzt neue

Impulse und ermöglicht dadurch oft bessere Lösungen.

Zur Planung einer neuen Intranet-Lösung führte die Geschäfts-

führung von Wort&Sinn Telemarketing, ein Unternehmen mit 80

Mitarbeitern in Gelsenkirchen, gemeinsam mit den Mitarbeitern

mehrere Workshops durch. Im Rahmen dieser Workshops wur-

den Ideen gesammelt, Anforderungen und Inhalte definiert so-

wie technische Umsetzungsmöglichkeiten vorgestellt und disku-

tiert. Dieses Vorgehen sicherte die bedarfsgerechte Gestaltung

des Intranets ebenso wie die nachfolgende engagierte Nutzung

seitens der Mitarbeiter.

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 28

Page 30: Arbeit im E-Business - Uni Trier · tionsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ wird betont, dass sich mit der schnellen Verbreitung des Internets für Unternehmen Chan-cen eröffnen,

29ARBEITSGESTALTUNG UND UNTERNEHMENSORGANISATION IN KMU Arbeit im E-Business

Lernwillen der Mitarbeiter unterstützen

Viele Mitarbeiter wollen sich heute mit ihrem Know-how und mit

überdurchschnittlichem Engagement in das Unternehmensge-

schehen einbringen, sind an der Entwicklung des eigenen Unter-

nehmens interessiert und wollen sich persönlich weiterentwi-

ckeln. Dies ist insbesondere dann zu beobachten, wenn Mitarbei-

ter darüber informiert sind, wohin sich das Unternehmen entwi-

ckeln will, und sich mit dem Unternehmen identifizieren.

Identifikation erleichtert Motivation.

Die Erfahrung zeigt, dass ein modernes Management

diesen Lernwillen und „Wissensdurst“ der Mitarbeiter

nicht beherrschen oder unterdrücken, sondern ihn für

die Veränderung, für die Einführung von E-Business

und letztlich für den Erfolg des Unternehmens gezielt

nutzen und unterstützen sollte.

Die Tekomedia GmbH, ein Telemarketingunternehmen mit 30

Mitarbeitern aus Bochum, setzt aus diesem Grund bewusst auf

hohe Eigenverantwortlichkeit und Selbstorganisationsprozesse.

Neuerungen werden nicht hierarchisch durchgesteuert, sondern

von Anfang an gemeinsam initiiert und getragen. So entstand die

Idee zum Aufbau einer Wissensdatenbank im Rahmen eines

Kundenauftrags. Sie wurde vom dort zuständigen Projektleiter

ausgearbeitet, im Rahmen des Gesellschaftergremiums vorge-

stellt und diskutiert und wiederum dezentral umgesetzt. Voraus-

setzung für ein solches Vorgehen sind hohe Kompetenz sowie

weitreichende Gestaltungsspielräume der Mitarbeiter.

Mitarbeiter fachlich in die Lage versetzen

Die Einführung von E-Business-Anwendungen stellt für die

Projektverantwortlichen, aber auch später für die Nutzer und

Betroffenen eine komplexe Herausforderung dar. E-Business hat

technische, organisatorische, betriebswirtschaftliche und kultu-

relle Gestaltungsebenen, die in ihrer Gesamtheit betrachtet wer-

den müssen. Dies erfordert entsprechendes Know-how. Ist dieses

Know-how nicht vorhanden, verzögern sich E-Business-Projekte,

werden nicht mit dem gewünschten Ergebnis beendet oder schei-

tern ganz. Es gilt deshalb, das Know-how intern aufzubauen und

ständig weiterzuentwickeln. Dies kann durch eine anfängliche

Projektbegleitung durch externe Dienstleister geschehen oder

durch den gezielten Aufbau von Know-how durch Schulungen usw.

Auch ein internes Coaching- oder Train-the-Trainer-Konzept kann

helfen, das notwendige Know-how intern aufzubauen.

Die Erfahrung zeigt, dass E-Business wie kaum eine an-

dere Technologie bzw. Konzeption, einem laufenden

Wandel unterworfen ist. Unternehmen, die E-Business-

Anwendungen einsetzen, müssen ständig die Markt-

entwicklungen beobachten und ggf. durch eine Wei-

terentwicklung der Anwendung reagieren. Deshalb

kommt dem internen Know-how-Aufbau eine Schlüs-

selrolle zu. Nur durch internes Know-how können

Unternehmen dauerhaft E-Business zum Vorteil des

Unternehmens einsetzen. Eine zeitlich begrenzte Un-

terstützung durch Externe kann sinnvoll sein, sollte

aber immer geprüft werden.

Im Servicecenter der regiocom GmbH führen 150 Mitarbeiter die

komplette Kundenbetreuung – von der An-/Ummeldung bis zur

Rechnungsstellung – für Energieversorgerkunden durch. Darüber

hinaus sind die Geschäftsprozesse nahezu vollständig elektronisch

abgebildet, so dass neben den fachlichen auch umfangreiche EDV-

Kenntnisse erforderlich sind. Um neuen und vorhandenen Mitar-

beitern die Scheu vor der komplexen Aufgabenstellung und den

hochgradigen IT-Anforderungen zu nehmen, wird auf umfassende

Qualifizierung gesetzt (siehe Abb. 7). Die Schulungsinhalte umfas-

sen dabei selbstverständlich nicht nur E-Business-Inhalte, sondern

integrieren verschiedene relevante Themenschwerpunkte. Dies bil-

det die Voraussetzung dafür, dass die Mitarbeiter Veränderungen

im Rahmen von E-Business-Projekten offen gegenüberstehen und

ein Verständnis für die zu Grunde liegenden Prozesse entwickeln.

Kick off Basis-Know-howProdukte

undSysteme

Basis-Know-how

Serviceund

Gesprächs-führung

Aufbau-training

schwierigeSituationen

Basis-Know-

howProzesse

Mithören undBeobachtung am

Arbeitsplatz

Prozess-training

– Prozess– Produkte– Arbeitsan-

weisungen– System– Markt– Gesprächs-

führung

Praxis-Phasen

– IntegrierteFallstudien

– Training onthe Job

– Coaching

Mithören undBedienung Technik

Gesprächsführungund Technik

einmalig

Basisschulung Patenschaften

Juniormitarbeiter

Seniormitarbeiter

Pate

pas

siv

Pate

akt

iv

kontinuierlich

Prozessschulungen

Abbildung 7: Schulungsaufbau im Servicecenter der RegioCom GmbH

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 29

Page 31: Arbeit im E-Business - Uni Trier · tionsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ wird betont, dass sich mit der schnellen Verbreitung des Internets für Unternehmen Chan-cen eröffnen,

30 Arbeit im E-Business ARBEITSGESTALTUNG UND UNTERNEHMENSORGANISATION IN KMU

Professionelles Projektmanagement

E-Business-Projekte benötigen wie alle anderen Projekte ein ech-

tes Projektmanagement, das die wesentlichen Aspekte wie Zeit-,

Kosten-, Ressourcenplanung ebenso enthält wie eine formulierte

Projektzielsetzung, ein Controlling des Projektfortschrittes, eine

Qualitätssicherung, ein Kommunikationsmanagement oder auch

ein adäquates Risikomanagement. Oftmals wird auf ein struktu-

riertes und allen Beteiligten transparentes und vor allem verbind-

liches Projektmanagement jedoch verzichtet. Hauptgründe hier-

für liegen in der mangelnden strategischen Ausrichtung und

Priorisierung („wir sollten mal unseren Web-Auftritt überarbei-

ten“) sowie im fehlenden Know-how. Der Kosten- und Zeitrah-

men wird aber nur dann eingehalten und die Projektziele er-

reicht, wenn ein adäquates Projektmanagement die fachliche

Arbeit begleitet. Hierbei gilt es, die Balance zwischen Reglemen-

tierung/ Strukturierung und Freiheitsgrad der Entwicklung zu

finden.

Die Erfahrung zeigt, dass ein zu restriktives Projektma-

nagement die Kreativität behindert, ein vernachlässig-

tes jedoch keine Orientierung bietet. Projekte „versan-

den“ oder werden mit hohem Zeitverzug und zum Är-

gernis aller Beteiligten nebenher durchgezogen. Ein

adäquates Projektmanagement bildet das zwingend

notwendige Fundament für alle weiteren Schritte und

Maßnahmen, um Akzeptanz und Motivation für die

Einführung von E-Business-Anwendungen zu erzielen.

3 Fazit

Der Erfolg eines E-Business-Engagements in kleinen und mittle-

ren Unternehmen hängt nicht alleine von einer praxistauglichen

Konzeption und einer reibungslosen technischen Umsetzung ab.

Gerade die vermeintlich weichen Faktoren, wie z. B. die Un-

ternehmenskultur, Transparenz über Unternehmensziele und

Vision, das Veränderungsmanagement und auch das Projekt-

management, entscheiden oft über den Erfolg oder Misserfolg

von E-Business-Projekten. Die Praxis zeigt auch, dass sich gerade

mit den pragmatischen und schnell zu realisierenden Ansätzen

im Veränderungs- und Projektmanagement der größte Erfolg

einstellt.

Die im Projekt ECAMUN gemachten Erfahrungen hinsichtlich

Förderung von Akzeptanz und Motivation lassen sich auf alle

anderen Projekte und Aufgabenstellungen übertragen, denn in

jedem Projekt gestalten Menschen Veränderungen.

Weitere Informationen

„Electronic Business-Anwendungen in kleinen und mittel-

ständischen Unternehmen (EC@MUN)“

Förderkennzeichen: 01HT0138, 01HT0139, 01HT0140, 01HT0141,

01HT0142

www.ecamun.de

Ansprechpartner des Projekts:

Dr. Thomas Langhoff

Prospektiv Gesellschaft für betriebliche

Zukunftsgestaltungen mbH

Friedensplatz 6

44135 Dortmund

Tel.: 0231 5569760

E-Mail: [email protected]

Ansprechpartner beim Projektträger:

Dr. Claudius H. Riegler

Tel.: 0228 3821-320

E-Mail: [email protected]

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31ARBEITSGESTALTUNG UND UNTERNEHMENSORGANISATION IN KMU Arbeit im E-Business

1.5 Neue Arbeitsprozesse durch E-Businessin Handwerk und Industrie

Andreas Rönnau, Lutz Fischer

Zukunftswerkstatt e.V. der Handwerkskammer Hamburg

1 Handwerk und E-Business – Ausgangs-situation und Problemstellung

Der wachsende Einsatz von E-Business-Anwendungen in Indus-

trie und Handel übt einen hohen Innovationsdruck auf die Zu-

lieferer von Gütern und Dienstleistungen aus. Elektronische

Bestellsysteme auf der Basis standardisierter Leistungsbeschrei-

bungen – auch für handwerkliche Dienstleistungen – sind in vie-

len größeren Betrieben in der Entwicklung und Erprobung, teil-

weise auch im Regeleinsatz.

Als klassische technische Dienstleister kennen Handwerks-

betriebe zwar genormte Leistungs- und Arbeitsbeschreibungen

(in Deutschland z. B. DIN-Normen im Bau- und Ausbaugewerbe),

den Schritt zu einer elektronischen Kommunikation mit ihren

industriellen oder öffentlichen Kunden haben die meisten Hand-

werksbetriebe jedoch noch vor sich. Bereits bestehende elektroni-

sche Anwendungen in Teilbereichen sind meistens Insellösungen

mit den entsprechenden Medienbrüchen.

Handwerksbetriebe sind typische personalintensive Dienst-

leister mit einem hohen Anteil an praktischem Erfahrungswissen.

Sie können diese Entwicklung nicht ohne interne Anpassungs-

prozesse bewältigen. Viele Handwerksbetriebe werden Schwie-

rigkeiten haben, die Kompetenzentwicklungen zu leisten, die die

neue Technik und Neuorientierung von Geschäftsprozessen

erfordern. Den Betrieben fehlen Anleitungen und best-practice-

Modelle. Hier knüpft das Projekt AIR-CRAFT an.

Professioneller Einkauf häufig wiederkehrender Handwerks-

leistungen (z. B. bei Reparaturen und Umbauten) kann durch ein

katalog- und netzgestütztes Abrufsystem erfolgen, um Prozess-

kosten zu sparen und Geschäftsabläufe mit Dauerlieferanten zu

vereinfachen. Dazu haben viele Großunternehmen und Woh-

nungsgesellschaften ausgehend von ihrer Bedarfssituation über

die Jahre Lieferantenkataloge erarbeitet, die gängige Leistungen

enthalten. Handwerksbetriebe, die für mehrere große Kunden

arbeiten, müssen mit verschiedenen Katalogsystemen arbeiten

und können so schnell überfordert werden. Nicht nur die Be-

zeichnungen für identische Leistungen, sondern auch die Be-

schreibungstiefe und die verwendete Software sind meist auf-

traggeberspezifisch geprägt.

Im Projekt AIR-CRAFT unterstützten die Partner Airbus

GmbH, Werk Hamburg, DIN Deutsches Institut für Normung e.V.,

Kooperationsstelle Hamburg und die Handwerkskammer Ham-

burg ausgewählte Handwerksbetriebe des Baugewerbes bei der

Implementation elektronischer Kataloge und entwickeln auf

KMU abgestimmte Fortbildungsmodule. Hier erstellten also die

Lieferanten einen Ordersatz katalogisierter Leistungen.

Am Beispiel von Airbus GmbH, Werk Hamburg, als Betreiber

eines E-Procurement-Systems wurde mit über 20 Handwerksbe-

trieben aus den Gewerken Maurer, Maler, Elektro, Metallbau,

Sanitär, Klempner und Tischler die technische Umgebung so ge-

staltet, dass sowohl handwerks- als auch airbusseitig alle Auf-

tragsdaten – von der Bestellung bis zum Ausgleich der Rechnung

– medienbruchfrei verarbeitet werden können und das System

trotz individuell verschiedener Voraussetzungen der Nutzer

leicht beherrschbar ist. So entstand ein professionelles, auftrag-

geberneutrales E-Catalog-Managementsystem, das die befürchte-

te Überforderung zu vermeiden hilft.

Begleitend sind speziell abgestimmte Qualifizierungsmodule ent-

wickelt und erprobt worden, die die Mitarbeiter der Handwerksbe-

triebe befähigen, die Umstellung auf die neue Technik sowie die ver-

änderten Geschäftsprozesse zu beherrschen. Besondere Beachtung

gilt auch der Erhöhung der strategischen Kompetenz der Branche,

E-Business als Möglichkeit der Sicherung des wirtschaftlichen Erfolges

und als Chance zur Erschließung neuer Absatzwege zu nutzen.

Einmal vorhandene elektronische, betriebsspezifische Kata-

loge können mehreren Auftraggebern angeboten werden. Sie

dienen aber auch dazu, den Geschäftsprozess im Handwerks-

betrieb zu vereinfachen, zu beschleunigen und helfen, Fehler

durch mehrfache Dateneingabe zu vermeiden. Wichtig ist, dass

sie Bestandteil eines integrierten E-Business-Systems sind oder

werden, um die Vorteile der elektronischen Bearbeitung durch

die Anbindung des handwerklichen Warenwirtschaftssystems

zur Geltung zu bringen.

2 Aspekte der Arbeitsgestaltung im Handwerksbetrieb

Analyse der Ist-Situation

Den Ausgangspunkt für alle weiteren Untersuchungen bildete

eine umfassende Analyse der aktuellen Situation in den Hand-

werksbetrieben. Dazu wurden zwei Fragebögen entwickelt.

Der erste Fragebogen richtete sich an die Geschäftsführer der

teilnehmenden Betriebe. Er gab Aufschluss über die Ausstattung

mit Hard- und Software sowie deren Anwendung im Bereich der

Auftragsbearbeitung. Zudem wurde der Ablauf der Geschäfts-

prozesse, die mit der Auftragsbearbeitung zusammenhängen,

erfasst. Aufgrund der relativ geringen Anzahl von 23 zu befragen-

den Betrieben wurde auf die Befragungsform des mündlichen

Interviews zurückgegriffen. Dadurch konnte eine hohe Erfolgs-

quote der Befragung hinsichtlich Rücklauf, Zuverlässigkeit und

Genauigkeit der Daten erzielt werden.

Mit einem zweiten Fragebogen wurde die Situation der

Beschäftigten analysiert, um die Umgestaltung der Geschäfts-

prozesse menschengerecht zu vollziehen. Er richtete sich an alle

Mitarbeiter der beteiligten Handwerksbetriebe, die die Abwick-

lung von Aufträgen kaufmännisch unterstützen – z. B. Liefer-

scheine ausstellen, Material bestellen, Rechnungen schreiben,

Zahlungseingänge überwachen. Die Befragung stützt sich in wei-

ten Teilen auf die europäische Norm DIN EN ISO 9241-2, die den

Stand der gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse zur

humanen Arbeitsgestaltung im Bereich der bildschirmgestützten

Informationsverarbeitung widerspiegelt. In diesem Sinne wur-

den Arbeitsinhalte, individuelle Erfahrungen im Umgang mit

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 31

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32 Arbeit im E-Business ARBEITSGESTALTUNG UND UNTERNEHMENSORGANISATION IN KMU

EDV und Katalogsystemen, die psychische Belastungssituation

sowie die individuelle aufgabenbezogene Qualifikationssituation

erfasst.

Diese Bestandsaufnahme machte deutlich, dass Handwerks-

betriebe entgegen verbreiteter Vorurteile aus technischer Sicht

schon sehr gut auf die Anforderungen des E-Business vorbereitet

sind. Sie sind mit leistungsfähigen Computern ausgestattet, sind

in Grundzügen mit deren Umgang vertraut und haben Erfahrun-

gen mit dem Internet gesammelt.

Hilfestellung benötigen sie hauptsächlich bei der Abstim-

mung der eingesetzten Software aufeinander, um die internen

Arbeitsabläufe zu optimieren. Zudem haben nur wenige der

befragten Betriebe Erfahrungen im Umgang mit Leistungskata-

logen gesammelt, die eine wesentliche Grundlage der elektroni-

schen Bestellung bilden. Hier müssen gezielte Schulungs- und

Beratungsangebote ansetzen, die im Projekt AIR-CRAFT ent-

wickelt wurden und den Handwerkern auch nach Projektende

offen stehen.

Katalogentwicklung

Grundlage der elektronischen Bestellung sind Kataloge, die das

individuelle Leistungsangebot der Handwerksbetriebe präsentie-

ren und mit dem jeweiligen Auftraggeber abgestimmt sind. Da

sich Handwerksleistungen ebenso wie andere Dienstleistungen

nie vollständig gleichen und nur sehr schwer standardisierbar

sind, können hier nur immer wiederkehrende Arbeitsleistungen

erfasst werden. Aus diesem Grund konzentriert sich AIR-CRAFT

auf Instandhaltungsreparaturen, die auf der Grundlage von

Rahmenverträgen erbracht werden.

Auf Basis der Standardleistungsbücher für das Bauwesen

Zeitvertragsarbeiten STLB (Z) wurden gemeinsam mit den Hand-

werkern individuelle Leistungskataloge erstellt. Für die meisten

Handwerker war es schwierig, ihr Leistungsangebot in standardi-

sierte Katalogpositionen zu transformieren – trotz der Beschrän-

kung auf häufig wiederkehrende Instandhaltungsreparaturen.

Durch gezielte Schulungen und moderierte Workshops, in denen

Handwerker und Vertreter von Fachverbänden ihre Erfahrungen

austauschen können, bietet AIR-CRAFT auch nach Projektende

Unterstützung bei der Katalogerstellung an.

Exemplarisch haben sechs Pilotbetriebe aus drei Gewerken

gemeinsam mit den entsprechenden Fachabteilungen von Air-

bus aus ihrem individuellen Leistungsangebot die von Airbus

häufig angeforderten Arbeiten markiert und so airbusspezifische

Kataloge generiert, die anschließend hinsichtlich der von Airbus

vorgegebenen technischen und organisatorischen Rahmenbe-

dingungen angepasst wurden.

Nach einer Testphase der elektronischen Bestellung von

Handwerksleistungen mit den Pilotbetrieben werden auch für

die anderen am Projekt beteiligten Betriebe die individuellen

Kataloge an die besonderen Bedingungen bei Airbus angepasst.

Im Ergebnis werden die Bestellprozesse wiederkehrender In-

standhaltungsarbeiten sowohl bei den Handwerkern als auch bei

Airbus medienbruchfrei elektronisch abgewickelt.

Software-Entwicklung

Das entwickelte Katalogsystem soll einerseits ermöglichen, dass

Handwerksbetriebe elektronische Ordersätze medienbruchfrei

verarbeiten können. Andererseits soll es für die Mitarbeiter von

Airbus möglich sein, über ihr elektronisches Beschaffungssystem

Handwerksleistungen abzurufen. Die sich ergebenden Schnitt-

stellen müssen sowohl für verschiedene Softwarelösungen auf

Seiten der Handwerksbetriebe als auch für verschiedene Beschaf-

fungssysteme auf Seiten der Auftraggeber kompatibel sein.

In AIR-CRAFT erfolgt der Datenaustausch zwischen Hand-

werker und Auftraggeber über GAEB- Schnittstellen, die sowohl

die Handwerker als auch die Auftraggebersoftware bereithält.

Damit wird nicht nur bei der Katalogerstellung, sondern auch bei

der Lösung der Schnittstellenproblematik auf etablierte Stan-

dards des Baugewerbes zurückgegriffen. Darin liegt ein großer

Vorteil der in AIR-CRAFT entwickelten Lösung gegenüber ande-

ren, individuellen Lösungen.

Für einen medienbruchfreien Ablauf des gesamten Bestell-

prozesses von der elektronischen Order der Handwerksleistung

bis zur Rechnungsstellung sind weitere technische Anpassungen

notwendig, die in AIR-CRAFT mittels der von der Firma Schnitt-

stelle Bau entwickelten Software Win-GAEB© realisiert werden.

Dieses Datenaustauschtool unterstützt den mit Airbus abgestimm-

ten Geschäftsprozess der Auftragsabwicklung auf Katalogbasis

und stellt die Weiterverarbeitung der Daten in der Bausoftware

der Handwerksbetriebe sicher.

Die elektronische Bestellung von Handwerksleistungen wird

mit den Pilotbetrieben und Airbus momentan noch getestet,

jedoch wird der Prozess schon jetzt weitestgehend reibungslos

abgebildet. Dabei bleibt die eingeführte E-Procurement-Lösung

nicht auf Airbus als Auftraggeber beschränkt, sondern ermög-

licht den Handwerksbetrieben, elektronische Ordersätze aus

ihrem System zu generieren und die elektronische Bestellung mit

verschiedenen Auftraggebern zu praktizieren.

Ziel ist, die E-Procurement-Lösung nach Projektende weiteren

interessierten Handwerksbetrieben zur Verfügung zu stellen, da-

mit ein reibungsloser E-Procurement-Prozess zwischen Nachfra-

gern und Anbietern entsteht. Dabei könnte die technische Lösung

mittelfristig ein kostengünstiger Standard werden. Ein Standard,

der nicht unbedingt auf Deutschland beschränkt bleiben muss.

Entwicklung von Qualifizierungsmodulen

Aufbauend auf der Bestandsaufnahme der Qualifikations- und

Kompetenzstruktur in den Handwerksbetrieben wurden beispiel-

orientierte Schulungsangebote erarbeitet. Mitarbeiter und Un-

ternehmensleiter können sich so qualifizieren, dass sie mittels

der in AIR-CRAFT entwickelten Lösungen die Umstellung ihrer

Geschäftsabläufe auf E-Business-Bedingungen leisten können

und dabei nicht auf den Einkauf teurer externer Beratungsleis-

tungen angewiesen sind.

Die Schulung ist modular aufgebaut, so dass sie der individu-

ellen Bedarfssituation angepasst werden kann. Die Schwerpunkte

der Qualifizierungsmaßnahme sind:

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33ARBEITSGESTALTUNG UND UNTERNEHMENSORGANISATION IN KMU Arbeit im E-Business

+ EDV-Grundlagen

+ E-Commerce: Gestaltung der innerbetrieblichen Ge-

schäftsprozesse (z .B. Buchhaltung und Kostenrechnung,

Personalwesen, Auftrags- und Bestellwesen)

+ E-Commerce: Gestaltung außerbetrieblicher Geschäfts-

prozesse (z. B. Marketing, elektronische Ausschreibungen,

elektronischer Zahlungsverkehr)

+ Arbeit mit elektronischen Katalogen

+ Kalkulation der Handwerksleistungen am Computer

+ B2C Anwendungen im Internet

+ Implementierung von E-Business-Prozessen.

In einem weiteren Seminar werden die Handwerker befähigt,

ausgehend vom gewerkespezifischen Standardleistungsbuch

eigene elektronische Kataloge zu generieren, diese an die jeweili-

gen technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen

verschiedener Auftraggeber anzupassen und die Daten in die

eigene Handwerkersoftware zu integrieren.

Standardisierung/Modellbildung

Das Vorhaben wurde nach relevanten Aspekten analysiert und

das Standardisierungs- und Normungspotenzial aufgezeigt.

Dieses bezieht sich z. B. auf Arbeitsabläufe, Arbeitsstrukturen, Ar-

beitsbedingungen, Hard- und Softwarekomponenten, Schnitt-

stellen, die Angebots- und Auftragsgestaltung und die elektroni-

schen Leistungskataloge. Bereits existierende Normen und Mo-

delle wurden auf ihre Anwendbarkeit und Übertragbarkeit auf

die im Projekt behandelten Themenfelder untersucht (siehe auch

Abschnitt 3).

Entwicklung von Checklisten und Handlungsanleitungen

Für die Handwerksbetriebe werden einfache und verständliche

Checklisten und Handlungsleitfäden erstellt, die die angebote-

nen Qualifizierungsmaßnahmen ergänzen. Sie umfassen alle

Phasen der Einführung kataloggestützter elektronischer Bestel-

lung von Handwerksleistungen und beschreiben mögliche Pro-

bleme bei der Anwendung.

Somit bietet AIR-CRAFT interessierten Handwerksbetrieben

nicht nur während der Projektlaufzeit, sondern auch darüber hin-

aus umfassende Hilfestellung bei der teilweisen oder kompletten

Umsetzung elektronischer Auftragsabwicklung im Bereich der

Gebäudeinstandhaltung.

3 Entwicklungsbegleitende Normung, dieGestaltung elektronischer Geschäftsprozesseund Nutzung elektronischer Kataloge

Elektronische Geschäftsprozesse für das Bestellen, Bearbeiten

und Abrechnen von handwerklichen Dienstleistungen im Bau-

bereich stecken noch in den Kinderschuhen und werden selten

initiativ von Handwerksbetrieben aufgebaut. Gründe hierfür lie-

gen in der noch geringen Akzeptanz elektronischer Verfahren

durch kleine und mittlere Unternehmen und in der Schwierig-

keit, Dienstleistungen für den elektronischen Datenaustausch

greifbar zu machen.

Das elektronische Bearbeiten von Aufträgen umfasst zwei

Bereiche, nämlich

+ den elektronischen Prozess der Bearbeitung selbst und

+ die Nutzung elektronisch vorliegender Inhalte.

Die letzteren sind die Voraussetzung für das Bearbeiten von Be-

stellungen, die mehr als einmal auftreten. Sie schaffen in Form

von Katalogen mit eindeutigen Beschreibungen von Waren oder

Dienstleistungen, mit Bestellnummern und Preisen die Grundla-

ge für elektronische Geschäftsprozesse bei Handwerksbetrieben.

Analog hierzu galt es im Projekt nicht nur, die notwendigen

Kataloge zu entwickeln, sondern auch die Ist-Prozesse so aufzu-

bereiten, dass die Handwerksbetriebe nun sämtliche Schritte mit

Airbus elektronisch abwickeln können.

Zur Unterstützung dieser Arbeiten bot das Deutsches Institut

für Normung e. V. (DIN) Methoden der Entwicklungsbegleiten-

den Normung (EBN) an: Analyse vorhandener Normen und Stan-

dards im Hinblick auf die Einsetzbarkeit im Projektrahmen, He-

rausarbeiten standardisierungsfähiger Themen, Modellbildung

und damit Sicherung der Übertragbarkeit auf andere Zusammen-

hänge mit ähnlichen Anwendungsbereichen.

Grundlage für die Entwicklung der Kataloginhalte waren die

Standardleistungsbeschreibungen des Gemeinsamen

Ausschusses für Elektronik im Bauwesen GAEB, die vom DIN e. V.

herausgegeben werden und in elektronischer Form vorliegen.1

Hier wurde für jeden teilnehmenden Handwerksbetrieb eine in-

haltliche Auswahl getroffen: es wurden nur die Leistungen aufge-

nommen, die der Betrieb Airbus anbieten möchte und die – basie-

rend auf Erfahrungswerten – tatsächlich zur Anwendung kom-

men. Es zeigte sich, dass einige Airbus-typische Leistungen zu-

sätzlich beschrieben werden mussten, um dem Bedarf der nicht-

fliegenden Bereiche beim Flugzeugbauer zu entsprechen. An-

schließend wurden die Anforderungen des Katalogsystems von

Airbus in Angriff genommen: zusätzliche Kodierungen, Übertra-

gung in spezifische Daten- und Übergabeformate usw.

Diese Schritte kann ein Handwerksbetrieb kaum ohne Unter-

stützung tun: so wurde im Sinne der EBN ein Leitfaden entwi-

ckelt, der den Betrieb durch die einzelnen Schritte der Katalogent-

wicklung leitet, von der Bewertung der Geschäftsidee über die

1 siehe auch www.gaeb.de

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1.6 Regionalbezug innovativer Dienstleis-tungen: Mit Change Management zumErfolg im E-Business

Sie Liong Thio, Britta Oertel; IZT gGmbH, Berlin

Thomas Feil, Deutsches Wirtschaftswissenschaftliches Institut

für Fremdenverkehr, Berlin

1 Einführende Bemerkungen

Anhand des Praxisbeispiels „Harzer Verkehrsverband e.V.“ (HVV)

werden im Folgenden die einzelnen Schritte der im Projekt unter-

stützten Veränderungsprozesse sowie deren Bedeutung für die

Arbeits- und Unternehmensgestaltung erläutert. Der Beitrag

fokussiert im Einzelnen:

+ die Feststellung des Status Quo

+ die Identifizierung von Veränderungspotenzialen

(Arbeitsplatzgestaltung, neue Aufgabengebiete und

Geschäftsfelder)

+ die Umsetzung innovativer Formen der Arbeits- und

Unternehmensgestaltung

+ die Evaluation des Veränderungsprozesses.

Der „Harzer Verkehrsverband e.V.“ ist die touristische Marketing-

organisation für den gesamten Harz und zählt 250 Mitgliedsorte

und -unternehmen. Seine Aufgabe ist es, für die touristischen

Angebote der Region zu werben und die Aktivitäten seiner Mit-

glieder zu unterstützen und zu koordinieren.

34 Arbeit im E-Business ARBEITSGESTALTUNG UND UNTERNEHMENSORGANISATION IN KMU

Auswahl von Kataloginhalten bis zur Testphase, dem Betrieb und

der Pflege. So kann ein Betrieb auch entscheiden, ob er sich an

einigen Stellen Know-how, z. B. beim Einrichten seiner EDV, dazu

kaufen sollte.

Die Entwicklung von elektronischen Geschäftsprozessen für

die Betriebe im Projekt vollzog sich in einem fortlaufenden Ab-

stimmungs- und Erprobungsprozess – dem typischen Merkmal

Entwicklungsbegleitender Normung – zwischen Airbus und den

anderen Projektbeteiligten. Nur so konnte sichergestellt werden,

dass das Ergebnis den tatsächlichen elektronischen Abläufen ge-

recht werden würde. Hier zeigte sich, dass ein gemeinsames

Verständnis über die Bedeutung der einzelnen Prozessschritte

von größter Bedeutung ist.

Damit hat das Ergebnis einen Modellcharakter und wurde in

einem Referenzmodell dokumentiert. Es orientiert sich an den

Schritten des elektronischen Geschäftsprozesses und ist auf ande-

re Betriebe übertragbar, indem es zur Entwicklung und Beschrei-

bung eines eigenen Prozesses aufruft und keine Vorgaben macht.

Veröffentlichungen aus dem Projekt

Projekt AIR-CRAFT – E-Business für Handwerk und Industrie in der Gebäudeinstandhaltung, Herausgeber: Handwerkskammer Hamburg,

Heft 2/2002 der Schriftenreihe der Handwerkskammer Hamburg

Kaiser, S., Rönnau, A., 2003: AIR-CRAFT – E-Business für Handwerk und Industrie, in: DIN-Mitteilungen 5-2003, S. 13-17.

Weitere Informationen

„Erprobung und arbeitsorganisatorische Optimierung von

E-Business-Anwendungen zwischen Handwerksbetrieben

und Industrie (AIR-CRAFT)“

Förderkennzeichen 01HT0118, 01HT0119, 01HT0120

www.projekt-air-craft.de

Ansprechpartner des Projekts:

Andreas Rönnau

Zukunftswerkstatt e.V. der Handwerkskammer Hamburg

Holstenwall 12

20355 Hamburg

Tel.: 040 35905-326

E-Mail: [email protected]

Ansprechpartner beim Projektträger:

Dr. Claudius H. Riegler

Tel.: 0228 3821-320

E-Mail: [email protected]

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35ARBEITSGESTALTUNG UND UNTERNEHMENSORGANISATION IN KMU Arbeit im E-Business

Problemlage

Die Tourismuswirtschaft im Harz sieht sich folgenden Heraus-

forderungen gegenüber, die auch vor dem Hintergrund globaler

Trends und Megatrends unmittelbaren Einfluss auf die Nachfrage

touristischer Leistungen und in deren Folge auf das Angebot bzw.

auf den wirtschaftlichen Erfolg touristischer Organisationen im

Harz und auf den HVV selbst haben.

Demographische Veränderungen: Bevölkerungswissen-

schaftler gehen davon aus, dass es nicht nur in Deutschland eine

beträchtliche Veränderung der altersmäßigen Bevölkerungs-

zusammensetzung geben wird. Die Zahl der 20- bis 60-Jährigen

wird sich hier bis zum Jahr 2050 um 16 Millionen verringern. Ent-

sprechend werden sich die Ansprüche und die Zusammenset-

zung der Zielgruppen auch für ein touristisches Zielgebiet wie

den Harz ändern. Derzeit belastet die schlechte konjunkturelle

Situation in Deutschland und vielen anderen touristischen Ziel-

ländern das hiesige Tourismusgeschäft. Besonders für das Seg-

ment der Geschäftsreisen wirken sich gekürzte Reisebudgets der

Firmen, Rationalisierungsprogramme der Wirtschaft, anhalten-

der Personalabbau, steigende Insolvenzen sowie die vermehrte

Nutzung von Billigflügen für geschäftliche Zwecke unmittelbar

auf die Umsätze aus. Als Konsequenz werden das Reiseziel, die

Reisedauer und das Leistungsniveau der Anbieter überprüft. Die

Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie

ist Herausforderung und Lösungsinstrument zugleich. Die klassi-

schen Vertriebsformen werden aufgeweicht. Mit den heute ver-

fügbaren neuen Technologien aus der Informationslogistik und

der Kommunikationstechnik lassen sich neue Kundenbeziehun-

gen aufbauen, die die Vorteile beider Vertriebswege kombinie-

ren. Aufgrund der rasanten Entwicklung auf dem Informations-

und Kommunikationssektor kann heute jede Stufe der touristi-

schen Wertschöpfungskette mit jeder anderen und vor allem mit

den potenziellen Kunden direkt kommunizieren. Fragen zur

Sicherheit werden immer wichtiger, wenn es darum geht, Reise-

ströme zu erklären. Krisenherde und terroristische Akte, aber

auch Epidemien (z. B. Sars) führten zu einem Wandel des Reise-

verhaltens. Nicht vorhersehbare Umweltkatastrophen wie die

beiden Flutkatastrophen im Osten Deutschlands sind ebenfalls

wichtige Einflussfaktoren bei den Reiseströmen.

Durch die Globalisierung stehen die verschiedenen Destina-

tionen mit ihren spezifischen Erlebniswelten weltweit zueinan-

der in Konkurrenz. Die Wettbewerbsintensität hat in Bezug auf

die Preise und Qualität der Produkte stark zugenommen, wozu

auch die höhere Markttransparenz beigetragen hat. Auch die

Konkurrenz durch branchenfremde Anbieter ist stark gewach-

sen. Gegenwärtig geht von der Globalisierung des Angebotes und

der Nachfrage die größte Herausforderung für die Bewältigung

der touristischen Zukunft aus. Der hohe Anpassungsbedarf ergibt

sich nicht nur für Deutschland, sondern für viele andere europäi-

sche Länder mit traditionellen Tourismusgebieten am Ende des

Produktzyklus und einem hohen Anteil von Klein- und Mittelbe-

trieben. Auf allen Stufen der touristischen Wertschöpfungskette

entstehen neue Wettbewerbssituationen. Der Wettbewerb wird

durch die Angebots- und Preistransparenz durch das Internet ver-

schärft. Bei der Preissensibilität des Reisemarktes zwingt das zur

Ausschöpfung von Kostenreserven insbesondere durch den Ein-

satz elektronischer Werkzeuge. Es ist ein intensiver Wettbewerb

zwischen den Destinationen entstanden.

Um diese Herausforderungen zu bewältigen, müssen die

interne Organisation, die externe Orientierung und die damit

zusammenhängenden nach außen orientierten Beziehungen

einer Revision unterzogen werden. Nicht jede Organisation, nicht

jedes kleine Unternehmen ist in der Lage oder verfügt über die

Kompetenz, Anpassungen und Veränderungen ohne externe

Unterstützung durchzuführen.

Durch die Beteiligung an dem Projekt „Zukunftsverträgliche

Arbeits- und Unternehmensgestaltung in der Tourismuswirt-

schaft“ der Forschungsinstitute IZT und dwif eröffnete sich dem

HVV die Möglichkeit, bei seinem notwendigen Veränderungs-

prozess begleitet und unterstützt zu werden.

Bereits in den Vorgesprächen fiel der HVV durch seine Offen-

heit und Innovationsorientierung auf. Er signalisierte eine deutli-

che Bereitschaft, sich den Herausforderungen eines Change-

Management-Prozesses zu stellen.

E-Business ist generell die Digitalisierung von Geschäftspro-

zessen. Ziel ist die Verbesserung von Geschäftsabläufen durch

eine höhere Anzahl von Verbindungen1. Die Anwendung von

Internettechnologien verbessert und transformiert dabei Ge-

schäftsabläufe2. Dies bedeutet für Tourismusorganisationen3,

dass E-Business sowohl externe als auch interne (Intranet) Pro-

zessabläufe optimiert.

E–Marketing

„Schaufenster“

zum Endkunden

E–Commerce

E–Procurement

Verflechtung mit

Dienstleistern und

Leistungsträgern

Tourismusorganisation

Elektronisch ge-

stützte Distribution

Abbildung 8: Komponenten des E-Business

Quelle: dwif, eigener Entwurf, 2004.

1 Vgl. www.pricewaterhousecoopers.com.2 Vgl. www-306.ibm.com/e-business/ondemand/us/index.html3 Der Begriff Tourismusorganisation steht im Folgenden für die regionalen

Tourismusverbände, Landestourismusverbände, Landesmarketinggesellschaftensowie Stadtmarketinggesellschaften der untersuchten ostdeutschen Bundesländer.

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36 Arbeit im E-Business ARBEITSGESTALTUNG UND UNTERNEHMENSORGANISATION IN KMU

E-Marketing bezeichnet die elektronisch gestützte, möglichst

kosteneffiziente Kommunikation mit den Zielmärkten4. E-Com-

merce ist die Handelsaktivität mit Hilfe von elektronischen Dis-

tributionskanälen. E-Procurement rationalisiert Regalhaltungs-

und Beschaffungssysteme und verbindet Versand- und Zahlungs-

systeme von Geschäftspartnern5. Der Betrieb eines Informations-

und Reservierungssystems (IRS) ist ein Beispiel für E-Procure-

mentstrukturen im Tourismus.

Wichtig ist die Behandlung der internen Erfolgsfaktoren der

Tourismusorganisationen, die sich mit E-Business-Anwendungen

konfrontiert sehen. Denn einerseits wird die Bedeutung für die

eigene Geschäftsabwicklung erkannt, andererseits können die

dazu notwendigen Prozessveränderungen innerhalb der Orga-

nisation noch nicht eingeschätzt werden. Ursache für diese Ver-

zögerungen sind nicht selten die strukturellen Ausgangslagen

der Destinationen, die Kleinkammerung der Tourismusland-

schaft und fehlende personelle und finanzielle Ressourcen.

Die Tourismusorganisationen, die ihre Barrieren zur Einfüh-

rung von E-Business-Anwendungen jedoch nicht überwinden,

erreichen unter anderem die Gäste nicht, die sich verstärkt über

das Internet informieren und online buchen wollen.

Bezogen auf E-Business unterscheiden sich kleine und mittel-

ständische Unternehmen (KMU) in vielerlei Hinsicht von großen

Unternehmen. Abgesehen von der geringeren und häufig nicht

zureichenden Personal- und Kapitalausstattung fehlt es den KMU

an einer strategischen Einbettung der E-Business-Idee in der Un-

ternehmensführung. E-Business beschränkt sich nicht nur auf die

Einführung von Informations- und Kommunikationstechnolo-

gien (IKT) in Unternehmen, sondern fokussiert darüber hinaus

die Optimierung und Neugestaltung von Unternehmenspro-

zessen entlang der Wertschöpfungskette. Es werden sowohl

Markt- als auch Unternehmensaspekte berührt. Der Einsatz von

IKT ermöglicht daher die Entwicklung neuer innovativer Arbeits-

und Verfahrensabläufe.

Die Einführung von E-Business-Strukturen kann nur dann

erfolgreich verlaufen, wenn nicht nur die Geschäftsleitung, son-

dern auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die damit

einhergehenden Veränderungen die Steuerung und die Verant-

wortung übernehmen. Genau an dieser Stelle setzten die Instru-

mente von Change Management an.

2 Change Management

In der Wirtschaft haben in den letzten Jahren Netzwerke als

Organisationsform eine höhere Relevanz bekommen. Einerseits

sind betriebsinterne Netzwerke entstanden, über welche die

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter miteinander und mit ihrem

Management kommunizieren, während auf der anderen Seite

über die internetbasierte Technologie sich Beziehungen zwi-

schen Lieferanten und Kunden entwickelten und weiter gepflegt

werden. Darüber hinaus gewinnen die über das Web entstande-

nen Beziehungen mit Beratern, Unterauftragnehmern und

anderen Unternehmen an Bedeutung. In der Tourismuswirt-

schaft drückt sich dieses Gebilde in einem Prozess der Vernet-

zung von vielen Akteuren der Branche aus. Tourismusmarketing-

organisationen, Fremdenverkehrsorganisationen, Leistungsträ-

ger (Hotellerie, Gastronomie, Transportunternehmen, etc.) müs-

sen sich verknüpfen, damit durch aufeinander abgestimmte

Aufgaben und Leistungen die Akteure der Tourismuswirtschaft

ihren Kunden ein qualitativ hochwertiges Produkt und eine qua-

litativ hochwertige Dienstleistung in der Region anbieten kön-

nen. Dadurch wird die Wettbewerbsfähigkeit des regionalen

Tourismus gestärkt.

Die allgemeine Aufgabe eines Change Managements ist es,

Veränderungen zu ermöglichen, indem der Wandel aktiv gestal-

tet wird. Damit der Wandel erfolgreich vollzogen werden kann,

ist eine Beteiligung von den Führungskräften, den Mitarbeite-

rinnen und Mitarbeitern der Organisation von großer Bedeu-

tung. Die Veränderungen, die das Change Management beglei-

tet, beziehen sich zum einen auf eine flexible Anpassung eines

Unternehmens oder einer Organisation an die betriebsexternen

beeinflussbaren Veränderungen. Zum anderen soll erreicht wer-

den, dass ein Unternehmen oder eine Organisation Fähigkeiten

entwickelt, Veränderungen zu antizipieren.

Für den HVV bedeutet dies die Schaffung von entsprechen-

den technischen und organisatorischen Voraussetzungen, unter

anderem für die Einführung von E-Business-Strukturen. Zusam-

men mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Geschäfts-

stelle und der Geschäftsführung wurde ein praktikables Konzept

entwickelt, das die Arbeitsorganisation innerhalb der Tourismus-

organisation unter Berücksichtigung lokaler und regionaler Be-

dingungen optimiert. Folgende Abbildung 9 dokumentiert die

Arbeitsphasen des Projektes.

Das Change Management durchläuft vier Phasen, die im

Nachfolgenden kurz erläutert werden.

Feststellung des Status Quo (Phase 1)

Als erster Schritt im Change Management werden unter Berück-

sichtigung der organisatorisch bedingten Verflechtungen inner-

halb von Tourismusorganisationen und Verbänden die Bezie-

hungen zwischen den Leistungsträgern und den örtlichen/ regio-

nalen Tourismuseinrichtungen sowie deren Beziehung zu über-

geordneten Einrichtungen analysiert. Das Ergebnis dieser Orga-

nisations- und Strukturanalyse und deren Folgerungen bilden die

Grundlage für die Einführung eines Change Managements.

In einer Reihe von einführenden Workshops unter Beteili-

gung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wurde die beste-

hende Situation des HVV erarbeitet. Hauptziel dieser Sitzungen

war die Bestimmung der grundsätzlichen Unternehmensziele

und die Erörterung der erforderlichen Strategien bis 2010. Zu-

sätzlich wurden mittels umfangreicher Mitarbeiterbefragungen

u. a. die aktuelle Situation der Unternehmens- und Personalent-

wicklung, die Arbeitsplatzentwicklung, die Arbeitszufriedenheit

und die persönlichen Vorstellungen zur Zukunft ermittelt.

Insgesamt hatte der Change Management-Prozess im HVV

eine Laufzeit von 1,5 Jahren. Neben der aufwändigen Erfassung

4 Die Kommunikation mit den Endkunden wird häufig als Business to Consumer (B2C)bezeichnet.

5 Business to Business (B2B).

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37ARBEITSGESTALTUNG UND UNTERNEHMENSORGANISATION IN KMU Arbeit im E-Business

der benötigten, zum Teil sensiblen Informationen (wofür ein zeit-

aufwändiges Vertrauensverhältnis zwischen dem Berater und

den Teilnehmern des Veränderungsprozesses aufgebaut werden

musste) wurde auch die Umsetzung erster Veränderungen soweit

möglich und gewünscht begleitet.

Die Erfahrungen dieses Prozesses zeigen, dass die so genann-

ten „weichen Faktoren“ (u. a. Arbeitsklima, Arbeitszufriedenheit,

Kommunikation im Team etc.) neben den ökonomischen Eck-

daten der Organisation unter den Mitarbeiterinnen und Mitar-

beitern und der Geschäftsführung einen hohen (bisher unter-

schätzten) Stellenwert haben.

Identifizierung von Veränderungspotenzialen (Phase 2)

Nach der Erfassung der Situation im Unternehmen und der Ana-

lyse der vorliegenden Informationen ist die Bestimmung der

künftigen Ausrichtung des HVV festgelegt und die dazu erforder-

liche Strategie erörtert worden. Es wurden prioritäre Verände-

rungsfelder und Konfliktfelder aufgezeichnet, um feststellen zu

können, ob und in welchen Bereichen weiterer Handlungsbedarf

besteht. Anschließend konnte mit der konkreten Umsetzung eini-

ger Maßnahmen, die zu einer Optimierung und Steigerung der

Effizienz der Arbeitsabläufe führen, begonnen werden. Der Um-

fang der vorgenommenen Veränderungen variierte von techni-

schen Änderungen (soweit finanzielle Mittel verfügbar waren) bis

hin zu Optimierungen an einzelnen Arbeitsplätzen und neuen

Aktivitäten.

Im HVV hatten in dieser Phase drei Veränderungsfelder

höchste Priorität. Es handelte sich um die Bereiche interne Kom-

munikation, Organisation von Geschäftsabläufen und Finanzen.

Umsetzung innovativer Formen der Arbeits- und Unterneh-

mensgestaltung (Phase 3)

Während der dritten Phase, in der die Umsetzung stattfand, ist

bereits eine Reflexion und Modifikation der bisher angestrebten

Veränderungen auf unterschiedlichen Ebenen erfolgt. Länger-

fristige, von allen als notwendig empfundene Veränderungen

sollten aus den gewonnenen Erfahrungen definiert und begon-

nen werden.

Der HVV startete in Phase 3 damit, die technischen Kommu-

nikationsmöglichkeiten der verschiedenen Abteilungen inner-

halb des HVV mittels eines Netzwerkes zu verbessern. Daten kön-

nen jedem Mitarbeiter und jeder Mitarbeiterin schnell zugäng-

lich gemacht werden. Die Reaktionszeiten für Kundenanfragen

verkürzen sich. Außerdem wurde die Verbreitung der Mitglie-

derinformation verbessert, indem innerhalb der neu gestalteten

Website ein nur Mitgliedern zugänglicher Bereich eingerichtet

wurde. Eine weitere Maßnahme ist die Einführung von E-Mail-

Adressen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ge-

schäftsstelle. Innerhalb der Organisation ist eine Kommuni-

kation ohne Medienbruch realisiert worden, die dazu beiträgt,

dass Zeit- und Kommunikationsverluste erheblich reduziert

werden konnten.

Der Ablauf des Foschungsprojektes

Start: Aug. 2002 Dez. 2002 2003/2004 Ziel/Vision 2010

Workshop IHVV – Team2002

Ziel:Der HVVFit für 2010

AuswertungMitarbeiter –Präferenzenfür effizienteAnpassungenundReformen

ErsteUmsetzungen/Evaluationen(Ws II – Ws IV)

Der HVVzählt zu denProfi-DMA’s in Deutschland

Au

sga

ng

sla

ge

Beispiel:Weitere Verbesserungen derinternen/externenKommunikationsstrukturenunter Einsatz modernerTechnologie

Abbildung 9: Ablauf des Change Management-Prozesses im Harzer Verkehrsverband

Quelle: dwif, eigene Darstellung, 2003.

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 37

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38 Arbeit im E-Business ARBEITSGESTALTUNG UND UNTERNEHMENSORGANISATION IN KMU

Im Bereich der Organisation musste der HVV sich darauf ein-

stellen, dass die Förderung, die der HVV von den Ländern Nieder-

sachsen und Sachsen-Anhalt empfängt, nicht im bisherigen Um-

fang weitergeführt werden konnte. Aufgrund der daraus resultie-

renden veränderten Finanzströme und Kostenverhältnisse ist

eine grundlegende Neuaufstellung der internen Organisation

notwendig, die sowohl die Verbandsarbeit als auch das Marke-

ting betrifft. Künftig müssen Finanzmittel verstärkt über Projekte

erwirtschaftet werden. Der HVV konnte sich z. B. im Wettbewerb

um die besten Ideen zur Weiterentwicklung einer Tourismus-

region in Sachsen-Anhalt für das Projekt „Tagungs-Harz“ und

„Aktiv-Harz“ qualifizieren.

Evaluation des Veränderungsprozesses (Phase 4)

Die letzte Phase schließt den gesamten Prozess ab: Zur Evaluie-

rung wurde ermittelt, ob und inwiefern sich Erfolge aus dem

betreuten Veränderungsprozess ergeben haben. Diese Erkennt-

nisse bilden die Grundlage eines ständigen Verbesserungspro-

zesses der Organisation oder des Unternehmens. Dieser Prozess

soll vom HVV selbständig weitergeführt werden. Aus dem Grund

ist ein Zyklus permanenter Verbesserung verankert worden.

Auf der Basis eines vom dwif erstellten, mit den Mitarbeiterin-

nen und Mitarbeitern des HVV abgestimmten Konzeptes werden

dann weitere Folgeschritte abgeleitet.

Durch den Change Management-Prozess ist nach eigener

Aussage der HVV dem erklärten Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit

des HVV zu verbessern, näher gerückt. Dem abgestimmten Zu-

sammenspiel von technischen wie organisatorischen Lösungen –

über das Change Management – kommt eine entscheidende

Bedeutung für die erfolgreiche Integrierung von E-Business-

Strukturen zu.

Schon in der ersten Phase des Change Management-Prozesses

wurde von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des HVV

positiv hervorgehoben, dass der Teamgedanke durch die externe

Unterstützung einen bedeutenden Schub bekommen hat. Unter

den Projektpartnern herrscht Konsens darüber, dass dieses neuar-

tige Instrument der Organisations- und Strukturberatung in der

deutschen Tourismuswirtschaft künftig einen höheren Stellenwert

erreichen wird. Nicht ausschließlich die harten ökonomischen

Eckdaten eines Unternehmens sind relevant. Die weichen Faktoren,

wie z. B. die Mitarbeitermotivation und Mitarbeiterzufriedenheit,

tragen ebenfalls erheblich zur besseren Wettbewerbsposition einer

Organisation oder eines Unternehmens bei.

Weitere Informationen

„Zukunftsfähige Arbeits- und Unternehmensgestaltung in

der Tourismuswirtschaft“

Förderkennzeichen 01HT0101, 01HT0102, 01HT0103, 01HT0104

www.tourismuscoach.de

Ansprechpartnerin des Projekts:

Britta Oertel

IZT Institut für Zukunftsstudien und

Technologiebewertung gGmbH

Schopenhauerstr. 26

14129 Berlin

Tel.: 030 803088-43

E-Mail: [email protected]

Ansprechpartner beim Projektträger:

Dr. Volker Schütte

Tel.: 0228 821-195

E-Mail: [email protected]

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39UNTERSTÜTZUNG DER PERSONALENTWICKLUNG UND KOOPERATION Arbeit im E-Business

2.1 E-Business als Anstoß zum Strategie-entwurf und zur unternehmensüber-greifenden Produktentwicklung in derGießereiindustrie

Jürgen Schultze, Kathrin Manthei

Sozialforschungsstelle Dortmund Landesinstitut

„Arbeit im E-Business in der Gießereiindustrie“ ist Titel und Pro-

gramm dieses branchenbezogenen Forschungsprojektes. In die-

sem Verbundprojekt arbeiten die Sozialforschungsstelle Dort-

mund (u. a. als Koordinator) zusammen mit dem Deutschen

Gießereiverband (DGV), Düsseldorf, mit dem Rationalisierungs-

zentrum der Deutschen Wirtschaft (RKW), Eschborn und der IG

Metall, Vorstand Zweigbüro Düsseldorf.

Aus den Ergebnissen werden zwei Produkte vorgestellt, die

die Unternehmen auf dem Weg zur Nutzung der Potenziale des

E-Business unterstützen und zu einer beteiligungsorientierten

Gestaltung der Arbeit verhelfen:

+ ein Instrument zur Strategieentwicklung im Unternehmen

zur Nutzung der Potenziale von E-Business

+ das Konzept der Innovationsallianz

1 Unterschiedliche Erlebniswelten von E-Business:Die aktiven und die reaktiven Unternehmen

Erste Erhebungen1 zeigten, dass der Umgang mit Internettechno-

logien in der Gießereiindustrie zum Alltag gehört, auch wenn die

wenigsten Unternehmen ihre Aktivitäten mit dem Begriff E-Busi-

ness charakterisieren. Die ersten Schritte eines E-Business sind

fast überall vollzogen. Unterschiede liegen dabei vor allem in der

Art und Weise sowie der Intensität der Nutzung des interaktiven

Geschäftsverkehrs, der die Unternehmen mit Kunden aus Ma-

schinenbau und der Automobilindustrie, aber auch mit eigenen

Lieferanten von Vormaterial, Konstruktion, Modellbau verbindet.

Sowohl im ersten Branchenmonitor als auch in den darauf fol-

genden vertiefenden Betriebsfallstudien und während verschiede-

ner Aktivitäten des Branchendialogs traten verschiedene Einschät-

zungen von E-Business zu Tage. Dementsprechend lassen sich zwei

idealtypische Arten von Akteuren bzw. Unternehmen ausmachen:

+ Der aktive Stratege: Dieser Typ Unternehmen nutzt E-Busi-

ness-Anwendungen zur Festigung und Erweiterung der

eigenen strategischen Position in der Wertschöpfungs-

kette. E-Business wird unter der Maßgabe strategischer

und ökonomischer Zielsetzung in die Unternehmenspro-

zesse eingewoben. Diese Ausrichtung schließt den bewuss-

ten Verzicht auf mögliche technische Lösungen mit ein.

Diese Unternehmen sind oft am Anfang der Wertschöp-

fungskette positioniert. Es sind vor allem große Unterneh-

men mit klaren Unternehmensstrategien und/oder solche,

die unter einem starken Anforderungsdruck des Hauptkun-

den stehen und damit gezwungen sind, sich schnell an

neue Anforderungen anzupassen und organisatorische

Änderungen in ihre Strategien einzubauen.

+ Der reaktive Minimalist: Dieser Typ führt E-Business-Anwen-

dungen erst unmittelbar auf Anforderung der Kunden ein

und passt Neuerungen zwar technisch in Abläufe ein, ohne

jedoch organisatorische Notwendigkeiten zu erkennen.

Diese Minimalvariante spart zunächst Kosten, erfordert

aber andererseits ein hohes Improvisationstalent und kurz-

fristige Reaktionsmöglichkeit. Dieser Typ sieht sich vielfa-

chen heterogenen Anforderungen eines breiten Kunden-

spektrums ausgesetzt, ist eher unter kleinen und mittleren

Unternehmen zu finden und ist weniger explizit strategisch

aufgestellt. Auffällig ist, dass die Art, wie Geschäftsführun-

gen, Mitarbeiter und Betriebsräte E-Business einschätzen,

sehr unterschiedlich ausfällt.

Beide Typen können mit ihrem Umgang mit dem Thema E-Busi-

ness wirtschaftlich erfolgreich sein.

Im Gestaltungsteil des Projektes wurden zum Umgang mit

E-Business u. a. zwei Lösungsansätze entwickelt, die im Folgen-

den vorgestellt werden.

2 Strategieentwicklung im Unternehmen –Ansatzpunkte für E-Business

In der Gießereiindustrie haben fast alle Unternehmen die Ein-

führungsschritte von E-Business schon seit längerer Zeit vollzo-

gen. Die aktuelle und weiterbestehende Herausforderung be-

steht in der Frage nach den weiterführenden Schritten: Wo sind

Innovationen notwendig? Wie können die Potenziale von E-Busi-

ness für das eigene Unternehmen genutzt werden?

Generelle Empfehlungen für den nächsten Schritt helfen den

Unternehmen wenig weiter. Dies gilt selbst für einen engen

Branchenfokus. Vielmehr liegt der Schlüssel zum mittelfristigen

2. Technische und organisatorische Unterstützung derPersonalentwicklung und Kooperation

1 Manthei, K.; Pöttker, H.; Schultze, J. (2002): Branchenmonitor 2002: E-Business in deutschen Gießereien, bisher nicht veröffentlicht (erhältlich über http://www.giessereiarbeit.de)

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 39

Page 41: Arbeit im E-Business - Uni Trier · tionsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ wird betont, dass sich mit der schnellen Verbreitung des Internets für Unternehmen Chan-cen eröffnen,

40 Arbeit im E-Business UNTERSTÜTZUNG DER PERSONALENTWICKLUNG UND KOOPERATION

Unternehmenserfolg in der Weiterentwicklung der Einzigartig-

keit eines jeden Unternehmens, wie sie von den Kunden im Markt

geschätzt und im Preis für die Produkte honoriert wird und an

der die Mitarbeiter ihre Leistungskraft entfalten.2

Wenn mit E-Business-Anwendungen die Potenziale des Un-

ternehmens weiterentwickelt und neue, bisher ungenutzte

Potenziale erschlossen werden sollen, müssen die technischen

Lösungen Unternehmensstrategien und -ziele unterstützen. Das

Problem für viele Unternehmen liegt aber genau darin, die oft

nur implizit vorhandene Unternehmensstrategie mit Technik-

anwendungen zu verbinden.

Die Einführung von E-Business ist ein komplexer Vorgang.

Gerade kleine und mittlere Unternehmen KMU haben keine gro-

ßen Stabsabteilungen, deswegen sind einfache und ergebnisori-

entierte Methoden zur Strategieentwicklung gefordert, die bei

Bedarf vertieft werden können. Ein entsprechendes Instrument,

das Strategien sichtbar macht bzw. expliziert, wurde im Projekt

entwickelt und in Pilotunternehmen erfolgreich eingesetzt. Der

smarte Ansatz kommt vor allem den reaktiven Minimalisten

unter den Unternehmen entgegen, unterstützt aber ebenso die

bereits strategisch geleiteten Unternehmen.

Nur wenn eine Unternehmensstrategie explizit vorliegt,

kann E-Business die Unternehmensziele in adäquater Form unter-

stützen, und nur dann lässt sich auch deutlich nachvollziehen,

wie E-Business Arbeitsaufgaben und -abläufe verändert.

Instrument: „Potenziale erkennen – Strategien entwer-

fen – Aktionen planen“

1. Potenzialanalyse Marktpositionierung

2. Potenzialanalyse Technikeinsatz

3. Strategieentwurf

4. Aufstellen des internen Strategieteams

5. Umsetzung des Aktionsplans

Mithilfe des beschriebenen Instruments wird daher auch die

Grundlage dafür geschaffen, neue Arbeitsanforderungen prak-

tisch zu ermitteln und notwendige Schritte der Reorganisation

und den Bedarf an Training zu ermitteln. Mit Erarbeitung einer

umfassenden Strategie fällt es leichter, für eine erfolgreiche

Umsetzung soziale und technische Entwicklungsschritte mitein-

ander zu verknüpfen. Auf diese Weise lässt sich die Einführung

neuer E-Business-Anwendungen auch mit einer menschenge-

rechten Gestaltung von Arbeit und der entsprechenden

Kompetenzentwicklung verbinden.3

Ein Beispiel aus der Pilotphase

In einem kleinen Unternehmen trafen sich Projektmit-

arbeiter und die Geschäftsleitung zunächst mit dem

Ziel, eine Strategie für die Optimierung des PPS-Sys-

tems zu entwerfen. Schnell stellte sich aber heraus,

dass der eigentliche Bedarf des Unternehmens auf

einem ganz anderen Feld zu suchen war; bereits wäh-

rend der ersten Analyseschritte zeigte sich, dass die

Reflexion und im Folgenden die Überarbeitung und

Erweiterung der Vertriebszugänge der strategischen

Bearbeitung bedurften. Zur technischen Unterstüt-

zung für die erarbeitete Zielsetzung konnten ein CRM-

System, die Marktanalyse und systematische Neukun-

densuche über das Internet, der Entwurf einer Daten-

bank sowie ein Online-Marketing-Konzept ausgearbei-

tet werden. Nach Bildung eines internen Experten-

teams, bestehend aus Mitarbeitern der EDV, des Mar-

ketings und der Geschäftsleitung, begann das Pilot-

unternehmen erfolgreich mit der systematischen

Arbeit an den genannten Bereichen.

3 Die Innovationsallianz – E-Business ermög-licht unternehmensübergreifende Produkt-entwicklung

Die Ergebnisse der Strategieentwicklung zeigen unter anderem

auch, dass Unternehmen in den verzahnten Wertschöpfungs-

ketten an Grenzen stoßen, sich weiter zu entwickeln: Die ent-

scheidenden Prozessparameter liegen oftmals bei den Kunden

oder Lieferanten. Zudem lassen begrenzte Ressourcen eine wün-

schenswerte Weiterentwicklung oft nicht zu. Aus dem Projekt ist

deswegen eine Initiative entstanden, die zum Ziel hat, Beschrän-

kungen der Unternehmen, die sich zum einen durch knappe Per-

sonal- und Finanzressourcen ergeben, zum anderen aber auch

durch begrenztes Know-how, durch unternehmensübergreifen-

de Zusammenschlüsse aufzuheben.

Die Idee der Innovationsallianz Guss im Überblick

In der Innovationsallianz Guss arbeiten Prototypenher-

steller und Seriengießer zusammen. Erstes Ziel ist die

gemeinsame Entwicklung neuer Produkte, Werkstoffe

und Verfahren, die erst durch das Zusammenbringen

der verschiedenen Kompetenzen der Unternehmen

möglich werden.

Die Innovationsallianz Guss ist ein selbstorganisieren-

des Kooperationsnetzwerk gleichberechtigter Partner

und wird unterstützt durch unabhängige Netzwerk-

manager zur Stiftung neuer Kooperationsideen, zur

Aushandlung von Regeln, zur effizienten Kooperation

und Kommunikation sowie zur Lösung von Konflikten.

Der besondere Nutzen der Innovationsallianz Guss

liegt in der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit

durch geteiltes Risiko bzgl. Entwicklungs-, Investitions-

2 Volkholz, V. (2004): Einzigartige Unternehmen – Was die Einzigartigkeit einesUnternehmens bedeutet, wie sie entsteht, sich entwickelt, aber auch verloren gehenkann. Internetbuchversion: http://www.einzigartige-unternehmen.de unterVeröffentlichungen

3 Manthei, K.; Schultze, J. (2003): eBusiness in der Gießereiindustrie – eine Chance zurModernisierung von Betriebsratsarbeit, in: Arbeit im eBusiness – ein Querschnittdurch Branchen und Anwendungen, Broschüre der TBS NRW im Rahmen des Projekts@rbeitswelt ecommerce, Oberhausen, S. 21 - 26

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 40

Page 42: Arbeit im E-Business - Uni Trier · tionsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ wird betont, dass sich mit der schnellen Verbreitung des Internets für Unternehmen Chan-cen eröffnen,

41UNTERSTÜTZUNG DER PERSONALENTWICKLUNG UND KOOPERATION Arbeit im E-Business

und Marketingkosten, Vergrößerung des Wissenspools

sowie mehr Chancen auf innovative Synergien.

Eine effiziente Kooperation und Kommunikation

wird dabei durch E-Business-Tools ermöglicht. Die

Innovationsallianz Guss bietet ein elektronisches Teil-

nehmerforum zum gleichberechtigten Austausch und

zur Entwicklung von innovativem Produkt-Know-how.

Neu gegenüber den gewachsenen und bewährten

Kooperationen der Gießereien sind in der Innovations-

allianz die Möglichkeiten, neue Partner zu finden, im

strategischen Vorlauf den eigenen und weiteren Auf-

traggebern gemeinsam entwickelte Produktinnova-

tionen anzubieten und damit systematisch die Pro-

duktentwicklung und Platzierung im Markt voranzu-

treiben.

Hier sind E-Business-Anwendungen, die Telekooperation ermög-

lichen, der Schlüssel zum Erfolg der Allianz; sie ermöglichen Ko-

operationen, die online-gestützt einen relativ niedrigen Einsatz

von Zeitressourcen erfordern, da reale Treffen der Mitglieder der

Allianz minimal gehalten werden können.

4 Ausblick

Das Instrument „Potenziale erkennen – Strategien entwerfen –

Aktionen planen“ wird als Paket über den Deutschen Gießerei-

verband und die Sozialforschungsstelle Dortmund interessierten

Unternehmen angeboten. Die Innovationsallianz Guss wird der-

zeit mit mehreren Gießereien in Workshops vorbereitet.

2.2 Entwicklung einer Kommunikations-plattform zur Unterstützung derAuftragsabwicklung

Claus Aumund-Kopp

BIBA, Universität Bremen

1 Ausgangssituation

Ziel des Projektes agepro war es, die Arbeits- und Organisations-

strukturen für die E-Business-unterstützte Auftragsabwicklung in

Unternehmensnetzwerken am Beispiel der schnellen Produktent-

wicklung zu untersuchen und menschengerechte Gestaltungs-

konzepte zur Unterstützung dieser Prozesse zu entwickeln. Dabei

galt es, sowohl Probleme in der Angebotserstellung und Auftrags-

abwicklung detailliert zu erforschen und entsprechende Lösungen

anzubieten als auch Verbesserungspotenziale des E-Business in

kleinen und mittelständischen Unternehmen zu erschließen.

2 Lösungsweg

Gemeinsam mit drei Rapid Prototyping-Unternehmen wurden

Geschäftsprozesse und Organisationsmodelle konzipiert, erprobt

und bewertet, die geeignet sind, die Interaktion und Kommuni-

kation bei der Angebotserstellung und Auftragsabwicklung für

das Rapid Prototyping und Rapid Tooling zu unterstützen und zu

verbessern. Dies beinhaltet sowohl die Interaktionsprozesse mit

Kunden als auch die Zusammenarbeit mit Zulieferern.

Ein zentrales Ergebnis des Projektes agepro ist eine sogenannte

Kommunikationsplattform. Hierunter ist eine Internet-basierte

Anwendungssoftware zu verstehen, die insbesondere kleine und

mittlere Unternehmen (KMU) bei der Akquisition, Kundenbera-

tung sowie der internen Auftragsdokumentation unterstützt.

Sie ist ohne großen Aufwand anpassbar und in Unternehmen

einsetzbar, die sich mit dem Internet zusätzliche Kommunika-

tionsmöglichkeiten erschließen wollen.

Vier Anwendungen der agepro-Kommunikationsplattform

sind in Abb. 10 dargestellt:

Weitere Informationen

„Arbeit im E-Business in der Gießereiindustrie“

Förderkennzeichen 01HT0154, 01HT0155, 01HT0156, 01HT0161

www.giessereiarbeit.de

Ansprechpartner des Projekts:

Jürgen Schultze

Sozialforschungsstelle Dortmund

Evinger Platz 17

44339 Dortmund

Tel.: 0231 85 96-245

E-Mail: [email protected]

Ansprechpartner beim Projektträger:

Dr. Claudius H. Riegler

Tel.: 0228 3821-320

E-Mail: [email protected]

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 41

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42 Arbeit im E-Business UNTERSTÜTZUNG DER PERSONALENTWICKLUNG UND KOOPERATION

+ Bei der Kundenberatung und -akquisition wird der Blick in

eine „Virtuelle Vitrine“(A) ermöglicht, in der Modellbau-

Kompetenzen, innovative RP-Verfahren und „Meisterstü-

cke“ der Unternehmen dargestellt werden. Die „Virtuelle

Vitrine“ dient zugleich dem Berater beim Kunden vor Ort

(D) als „Musterkoffer“.

+ Neu- und Stammkunden können technische Details

einer Anfrage platzieren und ein Angebot (Termin

und Preis) dazu einholen (A und B); registrierte Kunden

können zusätzlich den Status ihrer Aufträge kontrollie-

ren (C). Partner und Zulieferer können Angebote ein-

stellen (G).

+ Bei der Angebotserstellung in Interaktion mit dem Kunden

und bei der Auftragsbearbeitung unterstützt die Plattform

die internen Prozesse und Dokumentation sowie das be-

triebsinterne Wissensmanagement (E und F).

+ Die Plattform erleichtert, beschleunigt und präzisiert die

Kommunikation zwischen Unternehmen und ihren Kun-

den. Durch die Plattform soll der persönliche Kontakt

zum Kunden nicht ersetzt, sondern vielmehr der Kunden-

berater bei der Datenaufnahme und Angebotserstellung

unterstützt werden. So kann sich der Mitarbeiter auf

seine anspruchsvolle Hauptaufgabe – die technische

Beratung von Kunden – konzentrieren. Technisch-kon-

struktive Informationen zu einem Modell oder Werkzeug

können im Vorfeld einer Beratung vom Kunden in die

Masken eingegeben und vom Berater beim späteren per-

sönlichen Kontakt ergänzt werden.

Interessierter/Besucher betrachtet die „Virtuelle Vitrine“

Kundenberater berät/akquiriert vor Ortbeim Kunden:

Stammkunde fragtden Status seiner Aufträge ab:

Neukunde stellt eineAnfrage an denModellbaubetrieb:

Kundenberatung/Planung

zum Kunden

Kontakt-aufnahme

durch Betrieb

AE

F

G

B

C

D

Fertigung

Zu

liefe

run

g

Auftragsdaten/Erfahrungs-

dokumentation

RP- und Werk-zeugmaschinenServer

Partner und Zuliefer:Gießereien,Werkzeugmacher, ...

INTERNET

Teilaufträgeggf. Offline-Anbindung

CAD-Daten. ect.

Abbildung 10: Anwendungsszenarien der agepro-Kommunikationsplattform (schematisiert)

Modell- und Werk-zeugbaubetrieb

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 42

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43UNTERSTÜTZUNG DER PERSONALENTWICKLUNG UND KOOPERATION Arbeit im E-Business

3 Module der Kommunikationsplattform

Alle auftrags- und kundenrelevanten Informationen technischer

und kaufmännischer Art – auch aus vorangegangenen Aufträgen

– stehen auf der Plattform für die verbesserte Akquisition und

Beratung, Angebotserstellung und Auftragsabwicklung, zur

Verfügung.

Plattform-Modul „Virtuelle Vitrine“

In der „Virtuellen Vitrine“ werden mit Bildern und erläuternden

Texten Musterbeispiele besonders gelungener oder technisch

anspruchsvoller Rapid Prototyping-Modelle und Produkte darge-

stellt. Auch die technischen Möglichkeiten neuartiger RP-Verfah-

ren werden bildhaft oder schematisch erläutert. Die „Virtuelle

Vitrine“ kann nach unternehmensspezifischen Vorstellungen

gefüllt, strukturiert und gestaltet werden.

Die Vitrine ist hierarchisch in drei Ebenen gegliedert:

1. Ebene – die komplette Vitrine; 2. Ebene - Kategorien; 3. Ebene –

Muster.

Da grundsätzlich bis zu zehn Kategorien angelegt werden kön-

nen und ihr Inhalt frei wählbar ist, sind beliebige Inhalte denk-

bar, beispielsweise angebotene Rapid Prototyping- und Folge-

verfahren. In der Vitrine des BIBA sind beispielsweise die Verfah-

ren Stereolithographie, Vakuumguss und Prototypen-Spritzguss,

jeweils mit entsprechender Verfahrensbeschreibung und Pro-

duktbeispielen, erläutert. Andere Inhalte sind gefertigte Muster,

Modelle und Werkzeuge – mit Kategorien wie Getriebegehäuse,

Abdeckblenden, Ventilarmaturen etc. sowie entsprechende

Produktbeispiele.

Die Kommunikationsplattform ist einfach und benutzer-

freundlich gestaltet, damit nach dem Einrichten des Plattform-

Servers, die Inhalte aller Module auch von Nicht-IT-Fachleuten

aktualisiert und gepflegt werden können. Es sind keine speziellen

Programmierkenntnisse zur Erstellung von Plattform-Seiten not-

wendig. Somit hat der Anwender freie Hand, die Vitrine entspre-

chend seinen Anforderungen und Vorstellungen mit Inhalten zu

füllen.

Außenwerbung und Information für externe Nutzer ist ein

weiteres Einsatzgebiet der „Virtuellen Vitrine“. Sie dient der In-

formation interessierter Internet-User. Zielgruppen sind sowohl

Alt- als auch Neukunden, die über das Leistungsangebot der

Firma bzw. die technischen Möglichkeiten der Verfahren infor-

miert werden.

Die „Virtuelle Vitrine“ wird bei der Kundenberatung einge-

setzt, indem man auf Abbildungen von Mustern hinweist und

Details daran erörtert. Sie kann vom Berater beim Kunden vor Ort

eingesetzt werden oder im Rahmen einer telefonischen Auftrags-

klärung, wobei Kunde und Berater zeitgleich aber räumlich

getrennt ein Objekt in der Virtuellen Vitrine betrachten.

Besondere oder auffällige Aufträge können als „Lessons

Learned“ in eine spezielle Rubrik der Vitrine gestellt werden. So

kann man besonders ge- oder misslungene Modelle exponieren

und Erfahrungen aufheben und aus Fehlschlägen lernen. Die

Virtuelle Vitrine kann auf diese Art und Weise auch für Schulun-

gen, Instruktionen und Training genutzt werden.

Plattform-Modul „Lessons Learned“

Mit „Lessons Learned“ wird eine Sammlung von Erfahrungen mit

Aufträgen bezeichnet, die helfen soll, eine Wiederholung von

Fehlern bei der Fertigung zu vermeiden. Dieses Wissen besteht

im Allgemeinen aus Beobachtungen und Berichten, identifizier-

ten Fehlerquellen und Problemlösungen. So beinhaltet „Lessons

Learned“ Wissen über und Erfahrung mit RP-/RT-Fertigungs-

prozessen.

Dieses Wissen entsteht während der Auftragsabwicklung,

sofern der Mitarbeiter es dokumentiert und damit anderen

zugänglich macht. Der Mitarbeiter fügt bei Beendigung des

Auftrags in einer Checkliste Fehlerberichte an. So entsteht mit

der Zeit ein Bestand an Problemberichten, der über die „Lessons

Learned“-Suchmaschine abgefragt werden kann. Die Suchma-

schine folgt der Funktionsweise eines Einschränkungsfilters auf

den Gesamt-Datenbestand zu Vorgängen auf der Plattform.

Plattform-Modul „Wissenswürfel“

Der „Wissenswürfel“ (vgl. Abb. 11) visualisiert die Beziehungen

zwischen Mitarbeitern, Kunden und Themen eines Unterneh-

mens, die als drei verknüpfte Listen einer Datenbank geführt wer-

den. Mit Hilfe des Wissenswürfels werden Elemente der drei

Listen in einer halb-grafischen Schnittstelle miteinander in

Beziehung gesetzt, wobei diese Beziehung stark, mittelstark,

schwach oder gar nicht ausgeprägt sein kann.

Die Anwendungsmöglichkeiten dieses Werkzeugs sind viel-

fältig. So kann es genutzt werden, um Personalengpässe zu er-

kennen, wenn beispielsweise nur ein Mitarbeiter Fachwissen zu

einem speziellen Thema besitzt. Man kann Qualifizierung und

Fortbildung planen oder auch bei einer akuten Kundenanfrage

die benötigten Kompetenzen und den sachkundigen Mitarbeiter

dafür aufspüren und lokalisieren.

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 43

Page 45: Arbeit im E-Business - Uni Trier · tionsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ wird betont, dass sich mit der schnellen Verbreitung des Internets für Unternehmen Chan-cen eröffnen,

44 Arbeit im E-Business UNTERSTÜTZUNG DER PERSONALENTWICKLUNG UND KOOPERATION

starke

mittlere Beziehung

schwache

Mitarb. 1Mitarb. 2Mitarb. 3Mitarb. 4Mitarb. 5 ...Mitarb. x

Kunde 1

Kunde 2

Kunde 4

Kunde 3

Kunde Z

...

Kunde 5

Thema 1

Thema 2

Thema 3

Thema 4

Thema 5

...

Thema Y

Abbildung 11: Modell des „Wissenswürfels“

Weitere Informationen

„Arbeits- und Organisationsgestaltung in E-Business-basier-

ten Prozessen am Beispiel der schnellen Produktentwick-

lung (agepro)”

Förderkennzeichen: 01HT0131, 01HT0132, 01HT0133, 01HT0134,

01HT0135

www.agepro.org

Ansprechpartner des Projekts:

Claus Aumund-Kopp

Bremer Institut für Betriebstechnik und angewandte

Arbeitswissenschaft an der Universität Bremen

Hochschulring 20

28359 Bremen

Tel.: 0421 2185580

E-Mail: [email protected]

Ansprechpartner beim Projektträger:

Klaus Wegner

Tel.: 0228 3821-126

E-Mail: [email protected]

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 44

Page 46: Arbeit im E-Business - Uni Trier · tionsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ wird betont, dass sich mit der schnellen Verbreitung des Internets für Unternehmen Chan-cen eröffnen,

45UNTERSTÜTZUNG DER PERSONALENTWICKLUNG UND KOOPERATION Arbeit im E-Business

2.3 Partizipation bei der Einführung von E-Procurement: Wie werden die Interessen und Erfahrungen derMitarbeiter berücksichtigt?

Markus Hertwig, Gernot Mühge, Hellen Tackenberg

Lehrstuhl Organisationssoziologie und Mitbestimmungs-

forschung der Ruhr-Universität Bochum

Der vorliegende Beitrag untersucht die Mitarbeiterbeteiligung

bei der Einführung von E-Business-Systemen in Unternehmen der

Automobilzulieferindustrie. Wie sind die Bedingungen der Be-

teiligung und Qualifikation und welche Problemlagen lassen sich

dabei identifizieren? Welche Rolle spielt E-Business im generel-

len Trend der Modernisierung von Verwaltungstätigkeiten? Da

die Automobilzulieferindustrie eine Vorreiterrolle im E-Business

– und gerade auch bei der Nutzung komplexer E-Business-An-

wendungen – spielt (Hertwig/Mühge/Tackenberg 2003), ist davon

auszugehen, dass Betriebe aus anderen Branchen von den Erfah-

rungen der Zulieferindustrie profitieren können.

1 Ausmaß und Formen der Mitarbeiterbeteiligung

Die quantitativen Daten des RUB-Projekts1 zeigen, dass die Be-

teiligung von Mitarbeitern, wenn es um E-Business-Einführungs-

projekte geht, zur betrieblichen Normalität zu zählen ist. Mit

einem Anteil von 87% gab die überwiegende Mehrheit der befrag-

ten Unternehmen an, ihre Mitarbeiter in E-Business-Projekte ein-

zubinden – teils grundsätzlich, teils fallweise. Differenziert man

die Ergebnisse nach einzelnen Zuliefertypen2, so zeigen sich Un-

terschiede: In der Gruppe der Teilezulieferer liegt der Anteil der

Unternehmen, die E-Business-Systeme ohne jegliche Beteiligung

von Mitarbeitern einführen, bei 13%; betrachtet man den Zulie-

fertypus der Systemproduzenten, so liegt der Wert mit 10% um

lediglich drei Prozentpunkte niedriger. Über alle Zuliefertypen

hinweg ist der Anteil der Unternehmen, die auf die Einbindung

grundsätzlich verzichten, also äußerst gering. Während jedoch

bei 50% der Systemzulieferer die Mitarbeiter grundsätzlich parti-

zipieren, gilt dies nur für 36% der Teilelieferanten (siehe Tabelle 1).

Das Bild verschärft sich noch, wenn man statt der Zuliefertypen

Betriebsgrößenklassen betrachtet: Binden Kleinstbetriebe (mit

zehn bis 49 Beschäftigten) lediglich zu 15,7% ihre Mitarbeiter

grundsätzlich ein, so sind dies 65,1% der Unternehmen mit über

1.000 Beschäftigten. Offenbar besteht also ein Zusammenhang

zwischen Zuliefertyp und dem Ausmaß von Beteiligung.

Die quantitative Analyse der Beteiligungshäufigkeit zeigt

also ein heterogenes Bild der Mitarbeiterbeteiligung in der Auto-

mobilzulieferindustrie, erlaubt jedoch noch keinerlei Schlüsse

über die Qualität der Partizipation. Einzelne Beteiligungsinstru-

mente unterscheiden sich erheblich bezüglich ihrer Beteiligungs-

qualität und -intensität, weshalb verschiedene Beteiligungsfor-

men – von der schlichten Informationskommunikation bis hin

zur „echten“ Mitbestimmung bei betrieblichen Entscheidungen –

differenziert werden müssen. Dienen einige Instrumente ledig-

lich der (einseitigen) Informationsgabe, so geht es in anderen

Fällen um die Abfrage von Einschätzungen und Erwartungen,

wobei die Mitarbeiter durchaus ihre Interessen und Sichtweisen

formulieren und zur Geltung bringen können. Kommunikations-

formen, die von ihrer Struktur her lediglich auf einseitige Infor-

mationsgabe zielen – so z. B. die Publikation von Informationen

im Intranet, kollektive Betriebsversammlungen oder Infoveran-

staltungen (mit Nennungen von insgesamt 48,7% bzw. 53%) sind

etwas stärker verbreitet als tendenziell beteiligungsorientierte,

wie die Befragung von Beschäftigten (51,9%) oder deren Beteili-

gung in Steuerkreisen (30%).

Betrachtet man die Formen der Kommunikation und Beteiligung

im Detail, so zeigen sich auch hier Unterschiede zwischen den

Betriebstypen. Generell beteiligen Systemzulieferer die Beschäf-

tigten in höherem Maße als die mittelbetrieblich strukturierten

Teilelieferanten. Als Beispiel: Bei der Mitarbeiterbeteiligung im

Sinne der Mitwirkung an formalisierten Steuerungsgruppen

ergibt sich eine Anwendungsrate von rund 46% bei den System-

zulieferern – bei den Teilelieferanten liegt der Anteilswert bei

26,6% (Tabelle 2).

Zwar nutzen alle Betriebe das implizite Wissen der Beschäf-

tigten, um die neuen Prozesse optimal zu gestalten und ihre

Akzeptanz zu sichern. Die Befragungsdaten und insbesondere die

Fallstudien zeigen jedoch auch, dass das Wissen oder die Zufrie-

denheit der Mitarbeiter in vielen Fällen wenig systematisch erho-

ben werden: Eine Mitarbeiterbefragung der Beschäftigten findet

nur bei 39% der großen Systemhersteller, jedoch immerhin in 54%

der Teileproduzenten statt. Die gängigste Methode der Einbin-

dung sind persönliche Gespräche mit den Beschäftigten.

1st-tiers

(Systemhersteller) 8,2 43,8 47,9

2nd-tiers

(Komponentenhersteller) 12,3 51,3 36,4

3rd-tiers

(Teilehersteller) 13,0 51,8 35,2

Gesamt 12,3 50,8 36,9

Zulieferstatus nie fallweise grundsätzlich

N=775; Quelle: Eigene Erhebungen

Tabelle 1: Mitarbeiterbeteiligung bei E-Business-Projekten(Angaben in Prozent)

1 Das Forschungsprojekt „E-Business in der Automobilzulieferindustrie“ wurde zwi-schen November 2001 und Juni 2004 am Lehrstuhl Organisationssoziologie undMitbestimmungsforschung der Ruhr-Universität Bochum durchgeführt. Mittels einerdeutschlandweiten CATI-Befragung wurden 1.900 Betriebe der Automobilzuliefer-industrie zu Fragen ihrer E-Business-Nutzung interviewt.

2 In der Automobilzulieferindustrie werden üblicherweise Produzenten komplexerSysteme – die sog. 1st-tiers oder Systemhersteller –, Komponentenhersteller (2nd-tiers)und vorwiegend klein- und mittelbetrieblich strukturierte Teilehersteller (3rd-tiers)unterschieden. Die Beschäftigtenzahl sinkt dabei tendenziell mit dem Zulieferstatus.

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46 Arbeit im E-Business UNTERSTÜTZUNG DER PERSONALENTWICKLUNG UND KOOPERATION

Die Chancen für die Beschäftigten, bei Fragen der E-Business-

Nutzung aktiv und gleichberechtigt mitzuwirken, sind also in

den Betrieben sehr unterschiedlich verteilt und nur teilweise

gegeben. Sie steigen tendenziell mit der Größe des Unterneh-

mens. Eine gleichberechtigte Partizipation im Sinne der Mitent-

scheidung bei zentralen oder strategischen Entscheidungen fin-

den wir in keinem der Fallstudienbetriebe. In KMU sind Beschäf-

tigte – der oft beschriebenen kurzen Wege, der flachen Hierar-

chien und der engen Zusammenarbeit zwischen Geschäftslei-

tung und Beschäftigten zum Trotz – weniger häufig und mit

geringerer Intensität beteiligt, als Mitarbeiter in Großbetrieben.

2 Innerbetriebliche Polarisierungstendenzen:Wer ist beteiligt und wer nicht?

Nachfolgend untersuchen wir die Beteiligungsstrukturen und

-chancen innerhalb der Betriebe. In unseren Fallstudien konnten

wir entdecken, dass selbst in Betrieben, die eine intensive Parti-

zipation realisieren, bestimmte Mitarbeitergruppen ausgeblen-

det werden. Der äußerst heterogenen Beteiligungssituation tra-

gen wir im Folgenden durch die Unterscheidung bestimmter

(Problem-)Typen Rechnung.

(I) Typ 0: Egalitäre Mitarbeiterstruktur;

(II) Problemtyp 1: Abkopplung manuell tätiger

Mitarbeitergruppen;

(III) Problemtyp 2: Geringe Einbindung und Akzeptanz

höherer Hierarchiestufen;

(IV) Problemtyp 3: Mangelnde Einbindung der Beschäftigten

von Zuliefererbetrieben.

Typ 0: Key User-Beteiligung bei egalitärer Beschäftigtenstruktur

Auch wenn die Betriebe im Detail eine Bandbreite unterschiedli-

cher Beteiligungsformen anwenden, so ist es doch gängige Pra-

xis, bei Reorganisationsprozessen – wozu auch die Einführung

von E-Business in Einkaufsabteilungen der Unternehmen zählt –

ausgewählte Mitarbeiter in den Pilotphasen intensiv zu beteili-

gen. Diese so genannten Key User zeichnen sich durch bestimmte

Merkmale aus. Gerade die Fallstudien bei den großen Systemzu-

lieferern geben Hinweise darauf, dass sich vor allem diejenigen

Mitarbeiter in das Verbesserungswesen einbringen – oder aber

seitens der Projektleitung einbezogen werden –, die entweder

bereits über fundierte EDV-Kenntnisse verfügen, besondere Leis-

tungsträger in der Abteilung sind, oder aber durch hohe Motiva-

tion und Affinität zur Technik hervorstechen. Da in den Pilotpha-

sen die wesentlichen Weichen für die Ausgestaltung eines Sys-

tems gestellt werden, sind es also vor allem diese Gruppen, die

ihre Bedürfnisse gegenüber der Abteilungs- oder Projektleitung

formulieren und entsprechend zur Geltung bringen können.

Insofern die Reorganisation auch eine Neudefinition arbeitsorga-

nisatorischer Routinen und Regeln bedeutet, haben diese Mitar-

beiter gute Chancen, auch hier Einfluss zu nehmen.

Dieses Vorgehen erscheint dann unproblematisch, wenn die

mit E-Business beschäftigte Abteilung eine relativ egalitäre Mit-

arbeiterstruktur aufweist, die Kommunikationsdichte in der Ab-

teilung hoch und keine „Fraktionierung“, die mit Machtunter-

schieden einhergeht, vorhanden ist. In diesem Fall kann gewähr-

leistet werden, dass die inhaltlichen und Qualifikationsinteressen

der Nicht-Key User angemessen berücksichtigt werden. Eine der-

art egalitäre Abteilungsstruktur dürfte jedoch eher eine Ausnah-

me darstellen.

Problemtyp 1: Heterogene Beschäftigtenstruktur und

Abkopplung manuell tätiger Mitarbeiter

In anderen Betrieben führte die Benennung von Key Usern dazu,

dass bestimmte Mitarbeitergruppen – wenn auch nicht intentio-

nal und absichtlich, so jedoch unbewusst-systematisch – ausge-

klammert werden. Betroffen waren vor allem diejenigen Mit-

arbeiter in den Einkaufsabteilungen, die seit jeher manuell, also

weitestgehend ohne PC, arbeiten.

Dies wird durch den spezifischen Effekt von E-Procurement-

Anwendungen befördert: Sie verstärken den für Verwaltungs-

arbeit generellen Trend des Wegfalls von Einfachtätigkeiten.

Charakteristisch für diesen Problemtyp ist, dass die Schere zwi-

schen den Mitarbeitern, die mit strategischen, qualitativ hohen

Aufgaben gut umgehen können und denen, die für einfachere

Sachbearbeitung eingesetzt werden, sich mit fortschreitender

Modernisierung der Verwaltungen weiter öffnet. Die Einführung

von E-Procurement-Systemen verschärft diesen Prozess und da-

mit den Trend zur Polarisierung der Beschäftigten. Diese zeichnet

sich durch ungleiche Chancen bei der Interessendurchsetzung

im Hinblick auf die Form der Technik, sowie durch ungleiche

Qualifikationschancen im Umgang mit der neuen Technik aus

und mündet in einer gespaltenen Systemakzeptanz zwischen den

Tabelle 2: Welche Instrumente nutzt die Projektleitung bzw.die Geschäftsleitung, um Beschäftigte zu informie-ren und einzubinden? (Mehrfachantworten,Angaben in Prozent)3

Mitarbeiterbeteiligung in

Steuerungsgruppen 46,4 26,6

Befragung von Beschäftigten 39,1 54,1

Persönliche Gespräche 88,4 87,7

Informationen im Intranet 75,4 47,1

Versammlungen /

Informationsveranstaltungen 55,1 51,2

Aushänge / Betriebszeitungen 40,6 26,0

Systemzulieferer Teilehersteller

Quelle: Eigene Erhebung, N=742

3 Die Anteilswerte der Modul- oder Komponentenhersteller (2nd-tiers) liegen jeweils zwischen 1st und 3rd-tiers und werden daher hier ausgeblendet.

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Page 48: Arbeit im E-Business - Uni Trier · tionsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ wird betont, dass sich mit der schnellen Verbreitung des Internets für Unternehmen Chan-cen eröffnen,

47UNTERSTÜTZUNG DER PERSONALENTWICKLUNG UND KOOPERATION Arbeit im E-Business

Belegschaftsgruppen. Werden die ausgeklammerten Mitarbeiter

nicht gezielt durch eine Politik der Wiedereingliederung integriert,

bleiben sie dauerhaft vom Wertschöpfungsprozess exkludiert.

Problemtyp 2: Geringe Einbindung und Akzeptanz höherer

Hierarchiestufen

In bestimmten Fällen kehrt sich diese Situation um. Charakteris-

tisch für den Problemtyp 2 ist die fehlende Akzeptanz bei Mitar-

beitern der höheren Hierarchiestufen. In Einkaufsabteilungen

mit tradierten Strukturen und Berufsbildern sind die Einkaufs-

leiter es häufig gewohnt, über unterstützende Mitarbeiter zu ver-

fügen, denen die EDV-Tätigkeiten und die Datenpflege obliegen;

der Einkaufsleiter ist hingegen für strategische Entscheidungen

zuständig. Konflikte entstehen dadurch, dass E-Sourcing-Tools

nun unterschiedliche, vormals manuelle Arbeitsschritte und stra-

tegische, verantwortungsreiche Aufgaben integrieren. Diese

Ausdehnung seines Tätigkeitsfeldes auf (einfache) EDV-Arbeit

lehnt der Einkaufsleiter ab, sie fällt – aus seiner Sicht – nicht in

seinen Zuständigkeitsbereich. Am traditionellen Berufsbild ge-

schult, lässt er sich die Daten aus dem E-Sourcing-System von

Mitarbeitern ausdrucken und gibt sie denselben nach manueller

Bearbeitung zur Einspeisung ins System zurück. Dass hier Schnitt-

stellen, die eigentlich verringert werden sollten, innerhalb des

neuen E-Business-Systems rekonstruiert werden, liegt auf der Hand.

Als Folge werden nicht nur die höheren Statusgruppen – die Ein-

kaufsleiter und Entscheidungsträger – vom System und der techni-

schen Entwicklung abgekoppelt, sondern darüber hinaus die anvi-

sierten Automatisierungseffekte – und damit oftmals die strategi-

sche Stoßrichtung von E-Business – ad absurdum geführt.

Problemtyp 3: Mangelnde Einbindung der Beschäftigten von

Zuliefererbetrieben

Als Technologie zwischenbetrieblicher Kommunikation zielt

E-Business gerade auf die Integration der Prozesse zwischen

einem fokalen, E-Business-initiierenden Unternehmen, und einer

Vielzahl von Lieferanten oder Kunden. Einige E-Business-Anwen-

dungen, die wir in unseren Fallstudien untersuchten, betreffen

nahezu ausschließlich die Lieferantenbetriebe – so beispielsweise

WebEDI-Systeme, welche im fokalen Unternehmen in das klassi-

sche EDI-Umfeld integriert sind. Unternehmen, die E-Business

einführen, sind sich bewusst, dass vor allem die Zulieferer über-

zeugt werden müssen, das neue System zu nutzen. Sie beschrän-

ken ihre Aktivitäten jedoch häufig darauf, das Management der

Lieferanten für die neue Technik zu begeistern. Meist geschieht

dies auf Lieferantentagen, bei denen die Neuerungen vorgestellt

werden. Eine „offene Flanke“ der E-Business-Nutzung – und da-

mit ist ein dritter Problemtypus bezeichnet – ist jedoch die fehlen-

de oder defizitäre Einbindung eben der Mitarbeiter in den Zulie-

ferbetrieben. Während die „eigenen“ Angestellten nach wie vor

das SAP-System nutzen, das sie seit jeher kennen, ergeben sich

Neuerungen für die Beschäftigten der Zulieferfirmen, die früher

per Fax und Telefon integriert wurden und ihre Arbeitsweise nun

auf die neue E-Business-Umgebung umstellen müssen.

Eine Folge dieser Scheuklappen, die den Blick über den eigenen

Betrieb hinaus limitieren, ist die fehlende Akzeptanz und mangeln-

de Fähigkeit in der korrekten Bedienung der E-Business-Anwendun-

gen bei den Zulieferern. Die Lieferantenmitarbeiter weigern sich,

das System zu nutzen oder verfallen in die alten Routinen. Als Folge

laufen verschiedene Systeme parallel – während ein Teil der Unter-

nehmen E-Business nutzt, kommuniziert der andere Teil über die

traditionellen Wege. Die anvisierten Integrationseffekte können

nicht realisiert werden und die Unzufriedenheit der Lieferanten-

mitarbeiter und des eigenen Personals wachsen. Je nach Art der

Anwendung wird ein Unternehmen also stärker in die Schulung

und Motivierung der externen Mitarbeiter investieren müssen, als

in die Qualifikation der eigenen Belegschaft.

3 Fazit: E-Business erfordert nachhaltigeQualifikation

Akzeptanz und Motivation der Beschäftigten spielen eine ent-

scheidende Rolle für den Erfolg betrieblicher Umstrukturierungs-

projekte. Die hohe Bedeutung von Partizipation wird anhand

unserer quantitativen Erhebung belegt: Die Wahrscheinlichkeit,

die im Zuge der Reorganisation und E-Business-Implementation

gewählten Ziele zu erreichen, steigt, wenn die betroffenen Mitar-

beiter am Projekt beteiligt sind. Dies trifft auch für Betriebsräte

und andere Beschäftigtengruppen zu, wie für die EDV-Abteilung,

den IT-Sicherheits- und den Datenschutzbeauftragten und auch

für die Mitarbeiter von Lieferanten oder Kundenfirmen.

Für die hier identifizierten Problemtypen lassen sich unter-

schiedliche Qualifizierungs- und Partizipationsanforderungen

ableiten. Eine heterogene Abteilungsstruktur (Problemtyp 1)

erfordert eine diversifizierte Einbindungs- und Qualifikations-

strategie. Die Modernisierung des Einkaufs mittels E-Procure-

ment ist nur ein Teil eines langfristigen Modernisierungspro-

zesses. E-Business, als Elektronisierung zwischenbetrieblicher

Abläufe, trifft in der Regel auf Prozesse und Abläufe in den Ver-

waltungsbereichen von Unternehmen, die bereits in hohem

Maße technologisiert sind. Die Fallbetriebe zeigen, dass die hin-

reichende Qualifizierung einzelner Mitarbeiter bereits bei der

Einführung zeitlich vorgelagerter Technologien (z. B. SAP, Ver-

waltungs-EDV) versäumt wurde. Teilweise sind die Probleme also

schon tatsächlich „alt“ in dem Sinne, dass sich aufgeschobene

Probleme heute – bei der umfassenden Einführung von E-Busi-

ness, welches die Elektronisierung der Prozesse weiter voran-

treibt – zurückmelden und mit erhöhter Vehemenz auf eine Lö-

sung pochen. Diejenigen Mitarbeiter, die sich bislang der Arbeit

mit EDV entzogen haben, heute wieder auszuklammern, wäre

fatal. Daher sollte die E-Procurement-Qualifizierung eingebettet

sein in ein langfristiges, nachhaltiges Konzept zum Erhalt der

„Beschäftigungsfähigkeit“ gerade der PC-ferneren Mitarbeiter

der Einkaufsabteilungen. Eine gruppenweise, für alle Mitarbeiter

standardisierte Qualifizierung ist für bestimmte einzelne Mitar-

beiter nicht auseichend. Die Einkaufsabteilungen sollten dazu

übergehen, die Qualifizierung zu individualisieren und insbeson-

dere bei den Mitarbeitern, die Schwierigkeiten im Umgang mit

den neuen Techniken haben, stark zu intensivieren.

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Page 49: Arbeit im E-Business - Uni Trier · tionsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ wird betont, dass sich mit der schnellen Verbreitung des Internets für Unternehmen Chan-cen eröffnen,

48 Arbeit im E-Business UNTERSTÜTZUNG DER PERSONALENTWICKLUNG UND KOOPERATION

Problemtyp 2 bezeichnet die mangelnde Akzeptanz verschie-

dener Mitarbeitergruppen und illustriert zugleich deren hohe

Bedeutung für das Funktionieren eines Projektes: Wenn Mitar-

beiter trotz Reorganisation in alten Routinen verharren, nützt die

neueste und ausgefeilteste Technik nichts. Dieser Fall verdeut-

licht wie wichtig es ist, sämtlich Inhalte und Zielrichtungen eines

Projektes im Vorfeld gemeinsam mit den Betroffenen zu definie-

ren, plausibel zu kommunizieren und auch Widerstände und

Einwände zu berücksichtigen. Nur so kann gewährleistet werden,

dass die Effekte eines Systems auch realisiert werden.

Dies alles nicht nur auf den eigenen Betrieb, sondern auf alle

Anwendergruppen – gleich, ob sie zum eigenen Unternehmen

oder zum Lieferanten oder Kunden zählen – auszudehnen, ist die

Lehre aus unserem Problemtyp 3, der je nach Architektur der

E-Business-Anwendung eine mehr oder minder große Rolle spielt.

Aber selbst bei relativ egalitärer Struktur der Mitarbeiter

(Typ 0) ergeben sich bestimmte Anforderungen an die Mitarbei-

terbeteiligung. Denn auch ein eingespieltes, harmonisches

Team kann bei Neuorganisation und -verteilung von Tätigkei-

ten, Verantwortung, Einflusschancen und Qualifikation schnell

aus dem Rhythmus kommen. Um die „Chemie“ in der Abteilung

nicht negativ zu beeinflussen, sollten Unternehmen einen

Querschnitt ihrer Mitarbeiter in den Einführungsphasen einbin-

den, der den vorhandenen Qualifikationen und Strukturen

unter den Anwendern entspricht. Den nicht direkt involvierten

Mitarbeitern sollten jedoch die Wege in die Entscheidungs-

gremien und zu Qualifikation nicht verstellt, sondern auch

deren Einbindung, Meinungsäußerung und auch Widersprü-

che über regelmäßige wechselseitige Kommunikation gewähr-

leistet werden.

2.4 Unterstützung der Personalarbeit beimChange Management in E-Business-Projekten

Peter Berger, Andrea Berger-Klein, Detlef Krüger, Heike M. Linhart;

Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Hamburg

1 Befunde

Bevor wir uns Veränderungsideen zuwenden, müssen wir

uns kurz mit dem Stand der Dinge auseinandersetzen, wie

er sich auf der Basis unserer Untersuchungen im Projekt

Personal@Work darstellt:

E-Business-Projekte verlaufen nicht immer planmäßig

E-Business-Projekte verlaufen – wie alle IT-Projekte – nicht immer

planmäßig. In vielen Unternehmen mangelt es zu Beginn von

E-Business-Projekten an realistischen Vorstellungen über die Bedin-

gungen und Wirkungen elektronischer Geschäftsprozesse. Oft sind

IT-Fachleute für solche Projekte verantwortlich, werden aber mit

den hochkomplexen Koordinierungsaufgaben allein gelassen.

Weitere Informationen

„E-Business in der Automobilzulieferindustrie“

www.ruhr-uni-bochum.de/e-business

Ansprechpartner des Projekts:

Prof. Dr. Ludger Pries

Ruhr-Universität Bochum

Lehrstuhl für Organisationssoziologie und

Mitbestimmungsforschung

Gebäude GC 04/708

44780 Bochum

Tel.: 0234 32254-29

E-Mail: [email protected]

Ansprechpartner beim Projektträger:

Klaus Wegner

Tel.: 0228 3821-126

E-Mail: [email protected]

Veröffentlichungen aus dem Projekt

Hertwig, M./Mühge, G./Tackenberg, H. (2003): E-Business in der Automobilzulieferindustrie. Vorsprung auf allen Ebenen. Arbeitspapier,

www.rub.de/e-business/publikationen/index.shtml

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 48

Förderkennzeichen: 01HT0122

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49UNTERSTÜTZUNG DER PERSONALENTWICKLUNG UND KOOPERATION Arbeit im E-Business

Der Sachverstand der Endanwender wird zu wenig nachgefragt

Wenn betriebliche Anwender an der Ist-Analyse oder an Soll-

Konzeptionen beteiligt werden, handelt es sich meist um ausge-

wählte Vorgesetzte. Damit wird aber das Know-how der End-

anwender aus der Projektarbeit ausgegrenzt.

E-Business-Projekte werden schön geredet

E-Business-Projekte werden im Nachhinein oft schön geredet.

Aus der mangelnden strategischen Planung bei der E-Business-

Einführung resultieren Reibungsverluste auf vielen betriebli-

chen Ebenen, die oft gar nicht wahrgenommen werden und

sich der betriebswirtschaftlichen Analyse entziehen.

Verschlechterung der Arbeitsbedingungen in der Anfangs-

phase des Echtbetriebs

Endanwender haben oft, zumindest in der Anfangsphase des

Echtbetriebs, unter Verschlechterungen der Arbeitsbedingun-

gen und Mehrarbeit zu leiden. Dem Unternehmen entstehen

Kosten in nicht geahnter Höhe. Wenn dann Kosten und Auf-

wand wieder auf dem Level des Vorprojekt-Zustandes angekom-

men sind, wird dies manchmal als Erfolg gefeiert.

Kompetenzsteigerung durch Schulungen

Kompetenzverbesserungen werden meist über herkömmliche

Schulungskonzepte angestrebt. Empirische Untersuchungen

zeigen aber, dass die Arbeitsergebnisse nicht in der gewünsch-

ten Weise durch Schulungen zu verbessern sind. Nötig für eine

nachhaltige Kompetenzerweiterung der Mitarbeiter wären

neue, auf die Erfordernisse von E-Business-Projekten ausgeleg-

te, Lehr- und Lernformen sowie eine ernsthafte Beteiligung der

Endanwender schon bei der Planung.

Auch Endanwender brauchen E-Business-Kompetenzen

Die neuen Anforderungen an die E-Business-Nutzer zielen nicht

so sehr auf den Bereich der Fach- und Technikkompetenzen.

Vielmehr sind es Managementkompetenzen, die in diesem

Zusammenhang gefordert sind.

Kompetenzentwicklung durch Beteiligung

Kompetenzentwicklung kann am besten durch eine frühzeitige

Beteiligung der Mitarbeiter erreicht werden. Die geforderten

Kompetenzen wachsen durch eine aktive Mitarbeit in den be-

trieblichen E-Business-Projekten (Kompetenz = Wollen + Können

+ Dürfen). Wenn Mitarbeiter Einfluss auf Ziele und Maßnahmen

bei der Gestaltung von E-Business haben, wächst ihre Bereit-

schaft, mehr Verantwortung für die zu steuernden Prozesse zu

übernehmen. Nur, wenn diese Bereitschaft durch echte Beteili-

gung erzeugt wird, kann die tendenziell im E-Business angelegte

Zusammenfassung von Arbeitsfunktionen auf der horizontalen

und der vertikalen Ebene wirklich gelingen.

Durch Beteiligung steigt die Qualität der E-Business-Lösung

Werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von „vor Ort“ in die

Ziel- und Maßnahmenfindung bei E-Business-Einführungen ein-

bezogen, so steigt die Qualität des E-Business-Projekts stark an.

Die meist vorhandenen Planungsfehler werden so rechtzeitig

entdeckt oder intelligent kompensiert. Praxiswissen kann von

Anfang an einfließen, Reibungsverluste werden minimiert, und

Commitment auf allen Ebenen wird erzeugt.

Beteiligung ist Personalentwicklung

Beteiligung hat im Idealfall eine vermittelnde Funktion: Durch

Beteiligung erwerben Planer Wissen über die Praxis der Arbeits-

prozesse sowie über ihre Veränderungspotenziale und können

so künftige Qualifikationsanforderungen besser abschätzen.

Andererseits erwerben die Beteiligten selbst Kompetenzen, mit

denen sie ihre Eignung für die sich verändernden Arbeitspro-

zesse steigern.

Entwicklungsmöglichkeiten müssen stimmen

Soll Beteiligung diese Kompetenzsteigerungen auf beiden

Seiten hervorbringen, so müssen die Rahmenbedingungen und

Methoden von Beteiligung, auch unter dem Blickwinkel eines

erfolgreichen gegenseitigen Lernens, weiterentwickelt werden.

Dazu gehört, dass folgende Faktoren systematisch gefördert

werden:

+ Achtung subjektiver Sichtweisen (jeder hat aus seiner

Sicht Recht),

+ Befähigung und Ermächtigung zur kompetenten Mitwir-

kung (Abbau von kommunikativen, zeitlichen und entgelt-

spezifischen Schranken für eine Beteiligung auch der

unteren Lohngruppen),

+ Lernorientierte Beteiligungsmethoden (Analyse-, Befra-

gungs- und Workshop-Methoden, die eine echte Einmi-

schung in die Ziel- und Maßnahmenfindung quer zu den

Hierarchien fördern),

+ ein unternehmensspezifisches Gesamtkonzept, welches

Beteiligung, Mitbestimmung, Kommunikation, Führung und

Evaluation in E-Business-Projekten vereinigt,

+ Leitlinien und Regeln, in denen das Verfahren der Beteili-

gung bei E-Business-Projekten unternehmensspezifisch

vereinbart wird.

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50 Arbeit im E-Business UNTERSTÜTZUNG DER PERSONALENTWICKLUNG UND KOOPERATION

2 Personalarbeit1 in E-Business-Projekten

Fragestellungen

Was hat nun Personalarbeit mit E-Business zu tun? In zumindest drei

Bereichen, die wir untersucht haben, gibt es Berührungspunkte:

1. Personalarbeit ist Dienstleistung zur Betreuung von Arbeit

2. Das Personalmanagement ist Mitgestalter von Arbeit

3. Personalarbeit ist selbst ein durch E-Business verändertes

Arbeitsfeld

Wir konzentrieren uns im Folgenden auf den Punkt 2.

Verschiedene Welten in IT-Projekten

Auf der einen Seite existiert die „Welt der Macher“, die beherrscht

ist vom Gedanken kühler Rationalität und Methodik. Auf der

anderen Seite herrscht die „Welt der Anwender und Betroffenen“

mit ihren vielfältigen, teilweise widerstrebenden Interessen und

Befindlichkeiten.

Beide Welten weisen sich gegenseitig die Schuld am Miss-

lingen des Projekts zu, z. B.:

Macher an Anwender:

+ Das Management versteht das Projekt ja gar nicht!

+ Betriebsrat blockiert ja nur!

+ Die Endanwender interessieren sich nicht für das Projekt!

+ Anwender und Betriebsrat haben keine Ahnung!

Anwender an Macher:

+ Die Macher sind technikverliebt und haben sich das System

aufschwatzen lassen!

+ Die verwirklichen sich, und wir müssen das ausbaden!

Personal-arbeit

E-Business

befähigtbetreutsteuert

Arbeit

verändert

verändert

gestaltet Veränderungsprozesse

Initiatoren

Lenkungsteam

externeAnspruchs-

gruppen

externe Anwender

betroffeneMitarbeiter

BetriebsratMitbestimmungund Beteiligung

Information undKommunikation

Einfluss aufdie Projekt-ergebnisse

Einfluss auf den Projektverlauf

interneAnwender

GL

AnwenderBetroffeneMacher

Projektteam

Projekt Projektergebnisse

Abbildung 12: Fragestellungen im Projekt Personal@Work

Abbildung 13: Die Welten in IT-Projekten

1 Mit Personalarbeit wird diejenige Arbeit bezeichnet, die in Unternehmen unter dem Begriff „Human Ressources Management“ subsummiert wird. Hierzu gehören Funktionen derPersonalplanung, Personalbeschaffung, Personaladministration, Personalbindung, Personalführung, Personalentwicklung und der Arbeitssystemgestaltung. Die damit zusammenhän-genden Tätigkeiten werden meist nicht nur in den Personalbereichen der Unternehmen sondern in allen Bereichen verrichtet, in denen Personalverantwortung wahrgenommen wird.

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 50

Page 52: Arbeit im E-Business - Uni Trier · tionsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ wird betont, dass sich mit der schnellen Verbreitung des Internets für Unternehmen Chan-cen eröffnen,

51UNTERSTÜTZUNG DER PERSONALENTWICKLUNG UND KOOPERATION Arbeit im E-Business

+ System ist an den Erfordernissen vorbei entwickelt worden!

+ Das ist alles nur vom grünen Tisch aus entwickelt worden,

ohne Ahnung vom wirklichen Geschehen im Betrieb!

+ Die hätten uns mal fragen sollen!

+ Das System funktioniert ja gar nicht richtig!

+ Wir haben zu wenig Schulungen und zu wenig

Unterstützung!

3 Die Personalperspektive: Prozessbegleitung

Menschen sind eigensinnig!

Wir gehen davon aus, dass IT- und insbesondere E-Business-Pro-

jekte in bereits laufenden Veränderungsprozessen aufgesetzt

werden und diese Veränderungsprozesse in bestimmte Richtun-

gen verstärken (siehe Abb. 14).

Die Methodik von herkömmlichem Projektmanagement ist aus

dieser Sicht künstlich „aufgepfropft“: Projekte nach herkömmlicher

Lesart haben einen definierten Anfang und ein definiertes Ende, sie

verlaufen in definierten Projektphasen, die wiederum definierte

Handlungsabläufe beinhalten. Das muss im einfachen Projektma-

nagement auch so sein, denn durch eine solche Standardisierung

kann die Qualität von Projektabläufen gesichert werden.

Damit geht herkömmliches Projektmanagement aber an den

Erfordernissen von komplexen IT-Projekten vorbei. IT- und insbe-

sondere E-Business-Projekte sind Veränderungsprojekte, durch

die gravierende Verschiebungen in der betrieblichen Aufbau-

und Ablauforganisation initiiert werden. Solche Veränderungs-

projekte müssen wesentlich mehr berücksichtigen als herkömm-

liches Projektmanagement. Grundsätzlich sollte die banale und

doch so folgenreiche Erkenntnis handlungsleitend sein, dass hier

Menschen am Werk sind, die eben nicht vorhersagbar funktionie-

ren, die eigene Interessen, Bedürfnisse und Befürchtungen haben

und die sich ihre eigenen „Regelkreise“ aufbauen.

Es gibt ein Leben vor und nach dem E-Business-Projekt

Um Misserfolge bei einem solchen Veränderungsprojekt zu ver-

meiden empfiehlt es sich,

+ die Vorgeschichte des Projekts zu analysieren – es könnten

z.B. „Tretminen“ von Vorgängerprojekten vergraben sein,

+ die Akteure zu identifizieren, die Ideenträger sind und

diese von möglichen Bedarfsträgern zu unterscheiden –

was nützt die schönste Projektidee, wenn es keinen echten

Anwendungsbedarf gibt,

+ die potenziellen Anwender der Projektergebnisse zu identi-

fizieren und sie in das Projekt einzubeziehen,

+ die Verstetigung, die Pflege und die ständige Verbesserung

der Projektergebnisse von Anfang an mitzubedenken,

+ schon bei Projektbeginn Kriterien für eine Evaluation des

Projekts und seiner Ergebnisse zu definieren und in die

Abläufe einzubauen.

Prozessbegleitung

Veränderungsprozesse

Veränderungsprojekt

Personalperspek t ive

... Idee Realisierungsschritte Idee Realisierungsschritte ...

Projektbeginn Projektende

Akteureanalysieren

Informationund Kommu-nikation

sichern

Mitbe-stimmungbeachten

Akteurebeteiligen

Folgenabschätzen

Evaluation

Vorgeschichtedes Projekts ?

Vorgängerprojekte?Ideenträger?

Bedarf?Entstehung

der Projektidee?

Nutzung derProjektergebnisse?

Verstetigung derProjektergebnisse?

Zufriedenheit der Nutzer?Pflege und Weiterentwicklung

der Projektergebnisse?

Zielefestlegen

Ablauf u.Termineplanen

Projekt-abwickeln

Projekt-ergebnisse

einzuführen

Menschen

Abbildung 14: Die Personalperspektive in IT-Projekten

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 51

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52 Arbeit im E-Business UNTERSTÜTZUNG DER PERSONALENTWICKLUNG UND KOOPERATION

Mitarbeiter von Personalabteilungen als Prozessbegleiter in IT-

und E-Business-Projekten

In nur sehr wenigen Unternehmen fungiert das Personalmanage-

ment als Prozessbegleiter in IT-Projekten. Wir glauben, dass die

mangelnde Motivation der Mitarbeiter von Personalabteilungen,

sich in die Gestaltung von E-Business-Projekten einzumischen,

auch aus Vorbehalten gegenüber den hohen methodischen An-

forderungen resultiert, die eine Prozessbegleitung aus Personal-

sicht stellen würde. In unseren Untersuchungen sind wir immer

wieder auf Personalreferenten gestoßen, die die Notwendigkeit

einer mitarbeiterorientierten IT-Systemgestaltung sehr wohl

erkennen, die aber keine Instrumente für die konkrete Mitarbeit

im betreffenden Projekt zur Verfügung haben.

Aus diesen Erkenntnissen schließen wir, dass Personalma-

nagement, und Führungskräfte allgemein, bei der Mitgestaltung

von E-Business-Projekten professionell unterstützt werden müs-

sen. Daraus ist die Idee unseres Change Adviser entstanden.

Das Werkzeug Change Adviser: Phasenspezifische

Prozessbegleitung

Aus der Personalperspektive betrachtet geht es also darum, das E-Busi-

ness-Projekt selbst als Veränderungsprozess zu begreifen und diesen

Prozess an geeigneten Stellen mit geeigneten Mitteln zu begleiten.

Nun finden sich gute Methoden von Veränderungsmanage-

ment wie Sand am Meer. Sie werden aber in der Praxis nicht effek-

tiv genutzt, weil eine Verknüpfung mit der tagtäglichen Projekt-

arbeit der Mitarbeiter von Personabteilungen kaum geleistet

werden kann. Wir haben deshalb unsere Bausteine für die Pro-

zessbegleitung an die Phasen herkömmlichen Projektmanage-

ments angebunden. Wer also E-Business-Projekte mit den einge-

führten Projektmanagementmethoden plant und durchführt, kann

unsere Werkzeuge direkt in der jeweils aktuellen Phase des

Projektmanagements phasenspezifisch finden und dort anwenden.

Die Abb. 15 zeigt die Oberfläche der von uns entwickelten Da-

tenbank Change Adviser, hier für die Projektmanagementphase 1.

Phase 1

Projektmanagement

Bedarfsanalyse Akteursanalyse

Projekt-kommunikation

Zielfindungs-prozess

Beteiligung Mitbestimmung

EvaluationSzenarien

Phase 2 Phase 3 Phase 11Phase 4 Phase 5 Phase 6 Phase 7 Phase 8 Phase 9 Phase 10

1) Projektidee: Erste grobe Zielrichtung formulieren

2) Vorbereitung: Erste Projektgruppe aus Auftraggebern, Projektleiter und wichtigen Betroffenen bilden und Situations-analyse durchführen

3) Situationsanalyse: – Auftraggeber?– Träger der Projektidee?– Befindlichkeit in den betroffenen Bereichen?– betroffene Bereiche?– Art der Betroffenheit?– bisherige Problemlösungen, Erfahrungen aus

früheren Projekten?– Wer soll beteiligt werden?

4) Zielformulierung: – Ziele analysieren und Abhängigkeiten feststellen– Zielkatalog erstellen– generelle Stoßrichtung des Projekts prägnant

formulieren– Zielhierachie herstellen (Muss, Soll, Kann)– Randbedingungen des Projekts ermitteln und

analysieren– Ziele in den Randbedingungen überprüfen– Maßnahmen gegen unerwünschte Konsequenzen

entwickeln

Bausteine

Werkzeugkasten

Projektmanagement Phase 1: Projektdefinition und Zielfestlegung

Projektkom-munikation

Zielfindungs-prozesse

SzenarienAkteurs-analyse

Bedarfs-analyse Beteiligung

Mitbe- stimmung EvaluationFührung

ErläuterungenChecklistenLeitfäden Präsentationen Veranstaltungen SeminarkonzepteDienstleistungs-

angebote

Abbildung 15: Oberfläche des Change Adviser für die Projektmanagementphase 1

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53UNTERSTÜTZUNG DER PERSONALENTWICKLUNG UND KOOPERATION Arbeit im E-Business

Durch Betätigen der gelben Buttons können Vertiefungen zu den

Themenfeldern Bedarfsanalyse, Akteursanalyse, Projektkommuni-

kation, Zielfindungsprozess, Beteiligung der Mitarbeiter, Mitbestim-

mung, Szenarien zu Potenzialen und Folgen sowie zur Evaluation des

E-Business-Projekts für diese Phase 1 abgerufen werden. Für jede der

elf Projektmanagementphasen werden hierfür andere, auf diese

Phase zugeschnittene Materialien angeboten. Diese Materialien be-

stehen aus Hintergrundtexten, Vorgehensanweisungen, Fragebö-

gen, Leitfäden, Checklisten, Beispielen usw., auf deren Basis geübte

Manager eigenständig ein Vorgehensmodell für ihr Unternehmen

entwickeln können. Für alle anderen werden Beratungsdienstleis-

tungen und Schulungsmaßnahmen auf der Basis des Change Adviser

angeboten. Dabei dient der Change Adviser zur angeleiteten Kon-

zipierung und Begleitung des Projekts.

Der Change Adviser ist ein Vorgehensmodell zur Begleitung von

personalbezogenen Prozessen in IT-/Reorganisationsprojekten. Er

dient der Beratung, Qualifizierung, Supervision und dem Coaching

von Projektmanagern und Personalverantwortlichen sowie der

Steuerung von E-Business-Projekten.

Die Datenbank ist als Probeversion nutzbar unter www.e-perso-

nalarbeit.de. Weitere Probeanwendungen in Partnerunternehmen

sind vorgesehen. Beratungsdienstleistungen, Coaching, Seminare

und Trainings werden für Unternehmen angeboten.

Kommunikations- und Planungstool für kleine und mittelständi-

sche Unternehmen

Neben dem Change Adviser entwickeln wir zur Zeit ein weiteres

Werkzeug, welches die personalorientierte Prozessbegleitung bei

E-Business-Projekten in kleinen und mittleren Unternehmen unter-

stützt. Unser Kommunikations- und Planungstool soll vor allem End-

anwendern in kleinen und mittelständischen Unternehmen die Ge-

staltung ihrer E-Business-Projekte – und ihrer IT- und Reorganisa-

tionsprojekte allgemein – erleichtern. Das Werkzeug wird in Form

eines „virtuellen Beteiligungsraums“ ab Herbst 2004 angeboten.

Hintergrund ist die Erkenntnis, dass die Beteiligung von End-

anwendern vielfach nicht macht- oder kostenpolitisch begründet ist,

sondern hauptsächlich an sehr banalen Hindernissen scheitert: man-

gelnde Kenntnis und damit mangelndes Interesse der Betroffenen

und mangelnde materielle Möglichkeiten einer Beteiligung, durch

zeitliche und räumliche Restriktionen.

Der virtuelle Beteiligungsraum wird eine einfache E-Learning-

Einführung in die Arbeit am eigenen E-Business-Projekt für die Nut-

zer bereitstellen. Kern des Tools sind Funktionen, die eine örtlich und

zeitlich ungebundene Mitarbeit in Projektgruppen für die Ist-Ana-

lyse und die Soll-Konzeption ermöglicht. Damit sollen ungeübte

Stakeholder (einschließlich Betriebsrat) die Möglichkeit erhalten,

sich von Anfang an, an der Gestaltung des eigenen E-Business-Pro-

jekts zu beteiligen. Das Tool wurde in seiner Grundkonzeption im

Juni 2004 vorgestellt.

2.5 Unterstützung des Verkäufers durchmenschengerecht gestaltete Informa-tionssysteme

Marco Atzberger

First Online-Shopping GmbH, Pulheim

Ausgehend von den Herausforderungen, denen der Verkäufer im

Einzelhandel heute gegenübersteht (Informationsflut durch die

Menge der Produktinnovationen bei immer feinerer Differenzie-

rung der Produkte untereinander plus Vorkenntnisse der End-

verbraucher durch Informationen aus dem Internet) werden An-

sätze getestet, die nicht auf eine direkte Erhöhung der Waren-

kompetenz des Verkäufers setzen, sondern seine Prozesskompe-

tenz erhöhen sollen. Diese Prozesskompetenz drückt sich darin

aus, dass sich der Verkäufer auf seine Fähigkeiten zur Identifika-

tion der Kunden- und Anwendungsbedarfe konzentriert und,

technisch unterstützt, einen Lösungsraum von Produkten ermit-

telt, der – automatisch gefiltert nach den kommerziellen Bedürf-

nissen der Händler – Basis eines erfolgreichen Verkaufsgesprä-

Weitere Informationen

„Personal@Work – Personalarbeit im E-Business“

Förderkennzeichen: 01HT0129, 01HT0130

www.e-personalarbeit.de

Ansprechpartner des Projekts:

Prof. Dr. Peter Berger

Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg

Lohbrügger Kirchstr. 65

21033 Hamburg

Tel.: 040 428912780

E-Mail: [email protected]

Ansprechpartner beim Projektträger:

Eckart Hüttemann

Tel.: 0228 3821-136

E-Mail: [email protected]

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 53

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54 Arbeit im E-Business UNTERSTÜTZUNG DER PERSONALENTWICKLUNG UND KOOPERATION

ches ist. Es wird abschließend dargestellt, welche Erfahrungen im

Einsatz einer entsprechenden Software im Unterhaltungselek-

tronik-Handel gemacht wurden.

1 Problemstellung

Ziel des Projektes ist es, einen Beitrag zur Lösung zweier sich

überschneidender Problemkreise zu leisten:

+ der Preiswettbewerb, den kleine und mittelständische

Handelsunternehmen gegenüber den Großbetriebsformen

mittelfristig nur verlieren können

+ das Qualifizierungsdilemma des Verkaufspersonals, das

durch Service und Beratung die Schlüsselfunktion des

Fachgeschäftes ausfüllen soll.

Wettbewerbssituation von KMU im Handel

Über alle Branchengrenzen hinweg stellt man in Deutschland

einen kontinuierlichen Konzentrationsprozess fest. Kleine und mit-

telständische Handelsunternehmen werden zunehmend von den

national und international aufgestellten Großbetrieben verdrängt.

Als Beispiel sei hier angeführt, dass wir im Jahr 2000 noch

8.350 traditionelle Elektro-Sortiments-Einzelhandelsunterneh-

men zählten, die 71,3 % Marktanteil ausmachten. Im Jahr 2003 ist

die Zahl auf 7.835 mit 69,7 % Marktanteil gesunken. Im selben

Zeitraum stieg die Anzahl der filialisierten Fachmärkte von 460

auf 510 und der Marktanteil legte um 2,7 % zu.

Dabei setzen diese Großunternehmen vornehmlich auf das

Marketinginstrument Preis in Kombination mit aggressiver Wer-

bung. Trotz des Markterfolges ist die Kundenzufriedenheit in die-

sen Märkten häufig deutlich unterdurchschnittlich.

Diese Zahlen belegen, dass in dieser Branche der Wettbewerb

noch nicht entschieden ist, die Vorteile heute allerdings deutlich

bei den Fachmärkten liegen.

Für den weiteren Fortgang des Projektes übernahmen wir die

Definition des Katalogs E: „Das Fachgeschäft ist ein Einzelhan-

delsbetrieb, der ein branchenspezifisches oder bedarfsgruppen-

orientiertes Sortiment in großer Auswahl und in unterschiedli-

chen Qualitäten und Preislagen mit ergänzenden Dienstleistun-

gen anbietet.“, wobei wir basierend auf den Merkmalen Sorti-

ment und Dienstleistungen, ein Leitbild formulierten:

+ Der Fachhandel betont seine Kompetenz mit der Ware und

dem Service am Kunden.

+ Der Fachhandel richtet seine Marketinginstrumente (Stand-

ort, Sortiment, Preis, Personal, Werbung und Verkaufsraum)

sowie die Gestaltung der horizontalen und vertikalen Zu-

sammenarbeit hierauf aus.

+ Qualität und Effizienz erreicht der Fachhandel durch seine

engagierten Mitarbeiter und seine flexiblen Informations-

systeme.

+ Dem Preiswettbewerb begegnet der Fachhandel insbe-

sondere mit der Ergänzung von Produkten um Dienst-

leistungen.

Anforderungen an die Verkäufer

Der Fachverkäufer, der im Facheinzelhandel den Kunden berät,

steht vor einer zunehmend schwierigeren Aufgabe. Dabei ent-

steht der Druck in drei Feldern:

+ Sortimente: Artikel bilden in der Regel heute die Primär-

bedarfe der Anwendungsgebiete ab. Die Differenzierung

der Produkte untereinander erfolgt durch Zusatznutzen.

Aber auch bei diesen Zusatznutzen wird es immer schwieri-

ger sich abzugrenzen, mit jeder Produktgeneration liegen

die Unterscheidungen weiter im Detail. Dies ist zum einen

schwierig einem Kunden zu erklären, zum anderen für den

Verwendungszweck des Kunden möglicherweise unerheb-

lich und zum Dritten aufgrund der Innovationsgeschwin-

digkeit und Anzahl der Artikel für den Verkäufer schwierig

vorab zu lernen.

+ Kunden: Während noch vor kurzem die Stiftung Warentest

für den engagierten Kunden die Referenz war, gibt es

heute eine Fülle von Quellen, die das (Halb-) Wissen des

Kunden zu einzelnen Produkten speisen. Insbesondere auf-

grund des Internets, welches er etwa am Wochenende

nutzt, um einzelne Artikel näher zu analysieren, konfron-

tiert der Kunde den Verkäufer mit Details unterschiedlicher

Güte und Zuverlässigkeit. Es ist dem Verkäufer nicht mög-

lich, vorab die Referenzen des Kunden zu kennen, er ver-

liert die Informationshoheit.

+ Wirtschaftliches Umfeld: Der Preis- und Margendruck

zwingt zu sparen. Ausgaben für Weiterbildung und Qua-

lifizierung drohen dem Rotstift zum Opfer zu fallen. Bei

Rohmargen von ca. 15 % und Personalkosten in derselben

Höhe muss der Fachhandelsbetrieb reagieren. Doch ohne

Qualifizierungsmaßnahmen keine qualifizierte Beratung,

sondern nur eine Alibi-Beratung, die höhere Preise recht-

fertigen soll.

2 Lösungsansätze

Das Projekt verfolgt zur Lösung der oben skizzierten Heraus-

forderungen, die Entwicklung und Nutzung von internetbasier-

ten Produktdatenbanken, die über ein geeignetes Front-End dem

Verkäufer im Ladenlokal zur Verfügung gestellt werden.

Unser Vorgehen ist es, von einer mitarbeiter- und anwen-

dungsorientierten Spezifikation der notwendigen Inhalte und

Gestaltungsmerkmale kommend, ein technisches Anwendungs-

system zu entwickeln und in einer Reihe von Entwicklungszyklen

zu verbessern.

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 54

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55UNTERSTÜTZUNG DER PERSONALENTWICKLUNG UND KOOPERATION Arbeit im E-Business

Leitbild des Verkäufers

Basierend auf einer Ist-Erhebung der Beratungssituation entwi-

ckelte das Projektteam in einem interaktiven Prozess unter

Einbeziehung der Gewerkschaft verdi ein Leitbild des Fach-

verkäufers der Zukunft. Dieses umfasste schließlich fünf Punkte:

+ Der Fachverkäufer erkennt die individuellen Wünsche,

Motive und den Bedarf des Kunden

+ Er entscheidet frei, denkt ganzheitlich und ist dienstleis-

tungsorientiert

+ Er besitzt fachliche, methodische sowie soziale

Kompetenzen

+ Er ist der Informationsmanager des Fachgeschäfts und der

persönliche Partner des Kunden

+ Er setzt moderne Informationsinstrumente ein, die seine

Arbeit unterstützen und seine Qualifikation dynamisch

erweitern

Dieses Leitbild soll eine Orientierung bieten – intern als Kommu-

nikationsbasis, extern als einheitliches Kommunikationsinstru-

ment – bei der Entwicklung von konkreten Zielen und Gestal-

tungsformen.

Ein zentraler Aspekt ist die Kundenorientierung des Verkäu-

fers, die sich als erster Punkt niederschlägt. Der Verkäufer ist ver-

antwortlich für die Interpretation des Kundenwunsches. Diese

Verantwortung überträgt er nicht einem technischen System,

sondern es ist seine ureigene Funktion. In der Konkurrenzsitua-

tion zu entsprechenden Internetdiensten oder Kiosk-Systemen

am Point of Sale kann der Verkäufer und damit das Fachgeschäft

genau dann punkten, wenn es gelingt, durch die persönliche

Interaktion, die Produktauswahl durch den Einbezug sozialer,

emotionaler und dem Kunden a priori unerkannter Bedarfs-

dimensionen entscheidend zu verbessern.

Ein weiterer bemerkenswerter Aspekt des Leitbildes ist das

Fehlen eines Bezugs zur Produktkompetenz. Man muss kein

geprüfter Radio- und Fernsehtechniker sein, um Radios oder

Fernseher zu verkaufen. Vielmehr stellen wir in den Vorder-

grund, dass der Verkäufer wiederum als persönlicher Partner des

Kunden dem Geschäft ein Gesicht gibt und dienstleistungsorien-

tiert arbeitet. Das spricht den Verkäufer natürlich nicht frei von

einer grundsätzlichen fachlichen Kompetenz, diese muss sich

nun aber nicht in der Kenntnis jedes Produktdetails niederschla-

gen. Diese Wissenslücken, die sich unserer Ansicht nach aber auf-

grund der geschilderten Produktdynamik auch nicht vollständig

schließen lassen, werden kompensiert durch den situationsspezi-

fischen Rückgriff auf moderne Informationsinstrumente, die zeit-

nah den notwendigen Datenhintergrund liefern.

Waren- versus Prozesskompetenz

Aus den Ausführungen zum Leitbild ist erkennbar wie zentral der

soziale Akt der Interaktion zwischen Verkäufer und Kunden im

Rahmen des Verkaufsgespräches für das E-Beratungsprojekt ist.

Wir gliederten den Beratungsprozess in drei Phasen: „Vor der

Beratung“, „Während der Beratung (im engeren Sinne)“ und

„Nach der Beratung“.

In der Vorberatungsphase fassen sich jene Aktivitäten zusam-

men, die die spätere Beratung im engeren Sinne ermöglichen.

Dazu gehört die Entwicklung der grundsätzlichen fachlichen

Kompetenz, etwa durch E-Learning-Module, und die von einer

zentralen Stelle organisierte push-orientierte Versorgung mit

aktuellen Informationen (z. B. über Fernsehsendungen am

Vorabend mit Produkttests oder spezielle Werbeangebote der

Konkurrenz). Schließlich gehört die lokale Zusammenstellung

von Sortimenten, Preisen und Dienstleistung durch den Fach-

händler vor Ort in diese Phase.

Diese zwei erstgenannten Aspekte wurden aus technisch-

organisatorischen Gründen im Projekt nicht weiterverfolgt, der

dritte wurde unter dem Stichwort „Favoritenliste“ umgesetzt.

Nach der Beratung fallen kunden- und (falls es zum Abschluss

kam) auftragsbezogene Nachbearbeitungen an. Dazu kann z. B. die

Platzierung einer Bestellung beim Lieferanten, die Terminierung

eines Lieferauftrags oder die Bearbeitung einer Kundendatei zäh-

len. Diese Arbeiten werden gewöhnlich in eigens dafür bereitge-

stellten, bestehenden IT-Systemen durchgeführt. Insofern wurde

hier eine natürliche Grenze zum E-Beratungsprojekt gezogen.

Wir konzentrierten uns auf die zentrale Phase, die Beratung

im engeren Sinne, welche durch eine ungeheure Anzahl mögli-

cher Situationen gekennzeichnet ist, die durch die Interaktion

von Kunde und Verkäufer entstehen können. Wir definierten

typische Beratungssituationen, die wir „Szenarien“ nannten. Ein

solches Szenario konnte lauten: „Kunde möchte eine spezielle

Digitalkamera kaufen, welche im Laden nicht verfügbar ist,

grundsätzlich aber lieferbar ist“. Ausgehend von einer solchen

Situation wurde zu Beginn der Entwicklung ein Soll-Ablauf als

Folge von Bildschirmmasken formuliert und umgesetzt. Diese

Umsetzung wurde dann in Händlerworkshops vom Verkäufer

bearbeitet und die Beobachtungen des Projektteams zum Vor-

gehen des Verkäufers wurden dann zur weiteren Optimierung

genutzt.

Zwei Sachverhalte wurden durch dieses Vorgehen determi-

niert.

+ Aus Sicht der Systementwicklung stellten wir den Prozess

vor das Produkt. Wir schauten also nicht welche Informa-

tionen zum Produkt verfügbar waren und wie diese struk-

turiert und dargestellt werden könnten, sondern wann im

Beratungsprozess wir welche Informationen benötigten

und stellten dann die Frage, woher diese Informationen

kommen konnten. Dieses Vorgehen hatte zwar an einigen

Punkten den Nachteil, dass wir wünschenswerte Informa-

tionen nicht bereitstellen konnten (z. B. urheberrechtlich

geschützte Artikel aus Fachzeitschriften), stellte aber

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 55

Page 57: Arbeit im E-Business - Uni Trier · tionsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ wird betont, dass sich mit der schnellen Verbreitung des Internets für Unternehmen Chan-cen eröffnen,

56 Arbeit im E-Business UNTERSTÜTZUNG DER PERSONALENTWICKLUNG UND KOOPERATION

sicher, dass diese Informationen zumindest theoretisch

angedacht waren und führte dazu, dass wir in einigen

Fällen (z. B. Anbindung von Logistikdaten zur Verfügbar-

keit) weitergingen als ursprünglich gedacht.

+ Zusätzlich stellten wir einen hohen Praxisbezug sicher

ohne das abstrakte Leitbild des Fachverkäufers aus den

Augen zu verlieren. Hiernach war nämlich sicherzustellen,

dass der Verkäufer situationsbedingt das Informations-

instrument einsetzt, wenn es ihn unterstützt und nicht

umgekehrt das Informationsinstrument den Verkäufer

instrumentalisiert und der Entscheidungshoheit beraubt.

E-Beratungs-Software-Tools

Die E-Beratungssoftware zerfiel in zwei Komponenten, zum

einen galt es die innerhalb der Kette anfallenden Informationen

zu sammeln und aufzubereiten, so dass die Datenverfügbarkeit

innerhalb des definierten Beratungsgespräches sichergestellt

war, zum anderen die Bildschirmmasken entsprechend allgemei-

ner Anforderungen zur Benutzerfreundlichkeit und projektspezi-

fischer Anforderungen zu entwickeln. Wir entschieden uns hier

eine Beschränkung des Sortimentes auf den Bereich der Digital-

kamera vorzunehmen, welcher unter Gesichtspunkten der

Dynamik, der Komplexität und des Kundeninteresses wichtigen

Anforderungen genügte.

Einige beispielhafte Funktionalitäten, die im Rahmen des

Projektes entwickelt wurden, werden im Folgenden skizziert,

wobei die zwei ersten in der Vorberatungsphase zum Einsatz

kommen. Es ist geplant, ein Testsystem im Internet frei zugäng-

lich zu machen, wo diese und weitere Funktionalitäten getestet

werden können.

+ Verwaltung und Administration eines virtuellen Sortiments

durch den Händler: Der Händler hat die Möglichkeit über

die Funktionalität zur Bildung eines ‚virtuellen Sortiments’

Beratungsgespräche vorzubereiten. Indem er hierbei aus

der großen Produktauswahl bei digitalen Kameras be-

stimmte Modelle als Favoriten festlegt, die später im Bera-

tungsassistenten virtuell angezeigt werden, nimmt der

Händler schon vor dem Beratungsgespräch eine Produkt-

Vorselektion vor. In diese virtuelle Sortimentsbildung kann

der Händler dann auch seine eigenen Erfahrungswerte aus

vorangegangenen Beratungsgesprächen und Verkäufen

einfließen lassen. Bei diesem Prozess findet also eine ge-

zielte Vor- und Nachbereitung der Beratungsgespräche

statt. Bei diesem Prozess wurden auch die Verfügbarkeits-

informationen des EP-Lagers unterstützend mit eingearbei-

tet, damit der Fachverkäufer auch gezielt zu Produkten bera-

ten kann, für die er nach dem Verkauf auch Liefer-Bezugs-

quellen hat, falls er dieses Produkt nicht am eigenen Lager

führt. Neben den Produkten des virtuellen Sortiments kann

im Beratungsgespräch aber auch global im Artikelbestand

gesucht werden, so dass der Fachverkäufer auch bei geziel-

ten Fragen zu anderen Produkten aussagefähig ist.

+ Verwaltung der händlerspezifischen Service-Angebote: Mit

dieser Funktionalität kann jeder Händler sein Service-An-

gebot selbst innerhalb des E-Beratungssystems definieren.

Hierbei kann er nicht nur Text sondern auch eigene Grafi-

ken und Internet-Links zu externen Inhalten integrieren.

Für die einzelnen Service-Angebote sind dann auch Ver-

kaufspreise hinterlegbar. Diese einmalig angelegten

Service-Angebote lassen sich dann direkt mit Produkten

kombinieren, so dass diese Informationen während dem

Beratungsgespräch direkt vom Fachverkäufer genutzt wer-

den können.

+ Der Beratungsassistent: Der Beratungsassistent integriert

drei Basisfunktionalitäten der E-Beratung in eine Bild-

schirmansicht und ist der Dreh- und Angelpunkt für das

Beratungsgespräch. Er zeigt die Produkt-Favoriten aus dem

‚virtuellen Sortiment’, er gestattet die Nutzung des Fragen-

assistenten zur Unterstützung des Fachverkäufers und lässt

über direkte Eingabemöglichkeit der definierten Filter-

kriterien eine schnelle Navigation innerhalb der Waren-

gruppe zu.

+ Erzeugung der produktspezifischen Eigenschaften für die

definierten Hauptmerkmale bei ‚Digitalen Kameras’: Damit

die beschriebene Funktionalität des Beratungsassistenten

möglich wird, müssen die erarbeiteten Hauptmerkmale für

jede Kamera ermittelt und datenbanktechnisch abgelegt

werden. Für diese Aufgabe wurden DTS-Packages (Data

Transformation Services) auf dem SQL-Datenbank-Server

definiert, die z. B. automatisiert aus den vorhandenen Ge-

häuseabmessungen (Höhe, Breite, Tiefe) die Gehäusevolu-

men berechnen und diese dann innerhalb der Datenbank

mit den vordefinierten ‚unscharfen’ Wertebereichen wie

‚möglichst klein’ oder ‚übliche Standardgröße’ in Relation

setzen. Durch diese definierten DTS-Packages werden so-

mit aus den detailliert vorliegenden technischen Geräte-

daten die Hauptmerkmale für die Warengruppe ‚digitale

Kameras’ extrahiert, so dass diese innerhalb des Beratungs-

assistenten und im Produkt-Vergleich abrufbar sind.

3 Erfahrungen

Die im Rahmen des Projektes entwickelten Lösungen sollten

abschließend in einem Feldtest bei zehn EP-Händlern geprüft

werden. Hierzu wurden vier Händler mit neuartigen Tablet-PCs

ausgestattet, mit denen der Verkäufer den Kunden zur Ware

begleiten konnte und auf ca. DIN A 4 großen Bildschirmen ohne

Maus und Tastatur die E-Beratungssoftware nutzen konnte. Sechs

weitere Händler wurden nur mit Zugängen zum System ausge-

stattet und in der Beratungssituation wurden die festinstallierten

Filial-PCs genutzt. Nach einer 2- bis 4- monatigen Testphase wur-

den die Händler (jeweils Verkäufer und Geschäftsinhaber)

befragt.

Derzeit läuft noch die Auswertung dieser Befragung. Es las-

sen sich aber drei Feststellungen bereits jetzt treffen:

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57UNTERSTÜTZUNG DER PERSONALENTWICKLUNG UND KOOPERATION Arbeit im E-Business

+ Grundsätzlich sind die Teilnehmer vom Nutzen derartiger

Produktinformationssysteme überzeugt, wenn gewährleis-

tet ist, dass primäre Produktdaten, kaufmännische Daten

und logistische Daten integriert werden.

+ Die Bereitschaft in der echten Verkaufssituation auf das

System zurückzugreifen und den vom Projekt proklamier-

ten Schritt von der Produkt- zur Prozesskompetenz tat-

sächlich zu gehen, ist nur in speziellen Situationen tatsäch-

lich vorhanden. Wann diese Situation gegeben ist, kann nur

der Verkäufer entscheiden.

+ Die Kosten für die Erstellung lokaler Dateninhalte wie

Favoritenlisten und Dienstleistungen werden sehr argwöh-

nisch betrachtet. Hier muss über zentral bereitgestellte

Standardlösungen nachgedacht werden.

Die Ergonomie der Software E-Beratung zur Unterstützung des

Verkaufsprozesses wurde in einer eintägigen Analyse durch

einen externen Gutachter evaluiert. Dieses Gutachten kam zu

dem Schluss, dass die Software insgesamt einen professionellen

Eindruck machte und auch die graphische Gestaltung eine aus-

gearbeitete Lösung zur Darstellung der fachlichen Funktionalität

zeigte. Bei der Evaluation wurde anhand der Vorinformationen

besonderes Augenmerk auf folgende Oberflächenaspekte gelegt:

+ Präsentation der Information, graphische Gestaltung

+ Menü-Navigation, Menü-Repräsentation

+ Menü-Struktur, Menü-Kategorisierung und -benennung

+ Suchfunktion

+ Beratungsassistent

+ Administration von Angebotslisten

Für diese Punkte wurden jeweils konkrete Anmerkungen und

Verbesserungsvorschläge formuliert.

Die Ergebnisse von Feldtest und Gutachten können zwar

nicht mehr in das aktuelle Projekt Eingang finden, sie erlauben

jedoch die Feststellung des Entwicklungsstandes und zeigen

künftige Entwicklungslinien und Verbesserungspotenziale auf.

4 Fazit

Das E-Beratungssystem tritt an, den Verkäufer in der Bewältigung

der Informationsflut und anspruchsvoller Kundenforderungen

zu unterstützen und so einen Beitrag zur Stärkung der Fachge-

schäfte zu leisten.

Die hierzu entwickelten Lösungen müssen zwei Hindernisse

überwinden. Zum einen müssen die Dateninhalte stufenüber-

greifend entwickelt, gepflegt und konsolidiert werden. Dies ist

ein typisches Henne-Ei-Problem. Zum anderen kann dem

Verkäufer die Nutzung des Systems nicht verordnet werden, son-

dern er muss freiwillig auf das System zugreifen, da er die Ent-

scheidungshoheit über den geeigneten Einsatz seiner Verkaufs-

instrumente haben soll.

Die Überwindung dieser Hindernisse ist im Kern durch das

durchgeführte Projekt E-Beratung angestoßen. Wir waren in der

Lage, ein lauffähiges mit Echtdaten operierenden System im

Praxiseinsatz zu testen, können Aussagen über den betriebswirt-

schaftlichen Nutzen treffen und Interessenten anhand einer kon-

kreten Lösung die abstrakte Idee eines Verkäuferunterstützenden

Systems darstellen.

Dies bedeutet, dass wir sowohl gegenüber betrieblichen Ent-

scheidungsträgern als auch gegenüber dem Verkaufspersonal

gute Argumente zur Unterstützung der E-Beratung und ähnli-

cher Systeme gesammelt haben. Dies lässt uns für die Verwertung

der gewonnenen Erkenntnisse und ihrer Einführung in die be-

triebliche Praxis guter Dinge sein.

Weitere Informationen

„Neue Anforderungen an die Fachberatung im Verkauf

(E-Beratung)“

Förderkennzeichen: 01HT0123, 01HT0124, 01HT0125, 01HT0126

www.eberatung.info

Ansprechpartner des Projekts:

Marco Atzberger

First Online-Shopping GmbH

Brunostr. 89

50259 Pulheim

Tel.: 02238 922350

E-Mail: [email protected]

Ansprechpartner beim Projektträger:

Eckart Hüttemann

Tel.: 0228 3821-136

E-Mail: [email protected]

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 57

Page 59: Arbeit im E-Business - Uni Trier · tionsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ wird betont, dass sich mit der schnellen Verbreitung des Internets für Unternehmen Chan-cen eröffnen,

58 Arbeit im E-Business UNTERSTÜTZUNG DER PERSONALENTWICKLUNG UND KOOPERATION

2.6 Internetbasierte Information undBeratung zu Fragen der Arbeitswelt

Brigitte Duve, Erzbischöfliches Generalvikariat Paderborn

Berthold Iserloh, Universität Dortmund

„Ich glaube, ich habe einen Punkt in meinem Berufsleben er-

reicht, an dem ich allein mit meinen Gedanken und Ängsten

nicht mehr umgehen kann. Ich frage mich, ob ich den richtigen

Beruf habe, ob ich noch in der Lage bin, dem Beruf und den An-

forderungen gerecht zu werden. Ich habe Angst vor Arbeits-

losigkeit …“ Immer häufiger erreichen Aussagen wie diese das

Internetberatungsprojekt www.mensch-arbeit.de der Katholi-

schen Kirche im Erzbistum Paderborn. Die Ursachen dafür liegen

in der derzeitigen gesellschaftlichen und arbeitsweltlichen

Situation.

1 Neue Herausforderungen in einer veränder-ten Lebens- und Arbeitswelt

Massive Veränderungen in Arbeit und Gesellschaft stellen den

Einzelnen vor immer neue Herausforderungen. Kennzeichen die-

ser Veränderungen sind zum einen der Wandel im Verständnis

von Arbeit und Wissen – überall ist eine Abwertung des Erfah-

rungswissens bei gleichzeitiger Aufwertung des Theoriewissens

festzustellen. Die „Halbwertzeit“ des Wissens sinkt, in immer kür-

zeren Zeiten entstehen neue Erkenntnisse. Es zeichnet sich ein

Übergang von einer „soliden Ausbildung“ zum „lebenslangen

Lernen“ im Rahmen flexibler, offener, aber auch unsicherer

Beschäftigungsverhältnisse ab.

Zu beobachten ist die tief greifende Flexibilisierung der

Arbeit, die sich auf alle wesentlichen Dimensionen von Arbeit

bezieht: Die zeitliche, die räumliche, die soziale, die sachliche

und die juristische Dimension.

Weitere Entwicklungslinien verändern das gesellschaftliche

Leben und damit die Situation des einzelnen Menschen: Beruf

und Familie sind nicht mehr streng getrennte Welten, die eigene

Biographie folgt nicht mehr einer strengen Ordnung, Rollen-

muster lösen sich auf, auch soziale Kommunikationsmuster ver-

ändern sich und werden milieuorientiert vielfältiger, Beteili-

gungsmuster verlieren an Bedeutung und staatliche Versor-

gungsleistungen und Absicherungen werden individualisiert.

Lebens- und Arbeitsbiographien werden brüchig und mul-

tioptional. Der Einzelne muss immer mehr zu einem „Unterneh-

mer“ und Manager seiner eigenen Biographie werden als auch

aktiver Gestalter seiner Aufgaben und Fähigkeiten am Arbeits-

platz in immer häufiger wechselnden Arbeitsbeziehungen. Per-

sönliches, soziales und arbeitsrelevantes Lernen fordern eine

erhöhte persönliche Kompetenz.

Zurzeit zeichnet sich ab, dass sich das Verhältnis von Gewin-

nern und Verlierern verschiebt; die Zahl der Verlierer nimmt zu.

Der Beitrag des Einzelnen zum Ganzen ist immer weniger zu grei-

fen. In dieser individualisierten und multioptionalen Gesellschaft

stellen sich für den Einzelnen immer mehr Fragen nach Sinn und

Lebenstiefe, da bisherige Erklärungsmuster nicht mehr ausreichen.

Die persönliche Beratung spielt in unserer komplizierter wer-

denden Gesellschaft eine immer wichtigere Rolle. „Die Kommu-

nikation wird schwieriger, also steigt der Bedarf an Beratung“,

notiert die Süddeutsche Zeitung vom 18.10.2002. Der daraus

erwachsende Bedarf beispielsweise an psychosozialer, gesund-

heitlicher Beratung, an Selbstmanagement-Beratungen und

Coaching stellt neue Ansprüche an Beratungseinrichtungen, an

Psychologen, an Unternehmen, an öffentliche und private Dienst-

leister.

Beratungsformen und Beratungsinhalte müssen angepasst

werden, um den immer stärker individualisierenden Anforde-

rungen in den neuen Berufen und in den neuen Arbeits- und Tä-

tigkeitsformen unterstützend begegnen zu können. Dies erfor-

dert verstärkt Kooperationsleistungen bei den beratenden Insti-

tutionen, aber auch einen neuen Umgang mit neuen Kommuni-

kationswegen. Das Internet bietet vor diesem Hintergrund viel

versprechende Möglichkeiten als interaktives Beratungsmedium.

2 Onlineberatung und –seelsorge beiwww.mensch-arbeit.de

Idee

Kostenlose Hilfe und Orientierung bietet die katholische Kirche

mit dem Online-Beratungsangebot „mensch-arbeit“, das im Jahr

2002 erstmals ins Netz ging.

„mensch-arbeit“ wurde als ein umfassendes Beratungsinstru-

ment im Internet konzipiert für Arbeitnehmer mit beruflichen

Problemstellungen, in schwierigen Lebenssituationen sowie be-

ruflichen Umbruchsituationen in einer sich verändernden Ar-

beitswelt. Es arbeitet trägerübergreifend und ist niederschwellig

angelegt. Das Projekt „mensch-arbeit“ berät zu allen Fragen und

Themen rund um das Thema Arbeit.

Zielsetzung

Oberstes Ziel ist es, ein wirkungsvolles Unterstützungssystem im

Internet zu schaffen, das die Ratsuchenden befähigt, ihre schöp-

ferischen Potenziale zu erkennen und aktiv zu gestalten in ihren

jeweiligen Arbeits- und Lebensbezügen. Chancengleichheit und

Beteiligungsfähigkeit am Arbeitsmarkt sowie Gestaltungsfähig-

keit in der Arbeitswelt sollen verbessert werden.

Partner

„mensch-arbeit“ ist ein Projekt der Katholischen Kirche im Erz-

bistum Paderborn, dessen Sozialinstitut – die Kommende in

Dortmund – Sitz von „mensch-arbeit“ ist. Viele Kooperations-

partner aus Dortmund beraten das Projekt mit ihrer Fachkom-

petenz und bildeten von Anfang an ein Netzwerk im Hinter-

grund: Arbeitsamt, Bund katholischer Unternehmer, Deutscher

Gewerkschaftsbund östliches Ruhrgebiet, Evangelische Kirche in

Dortmund und Lünen, Kooperationsstelle Wissenschaft und

Arbeitswelt, Telefonseelsorge, die Katholische Stadtkirche in

Dortmund sowie das Dortmund-project.

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 58

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Angebote

Betroffene können direkt mit dem ehrenamtlichen Mitarbeiter-

team von „mensch-arbeit“ per E-Mail oder im Chat Kontakt auf-

nehmen. Dabei sind mehrere Wege für den Ratsuchenden über

verschiedene Türen auf der Homepage möglich. Mit dem jeweili-

gen Türsymbol verbinden sich unterschiedliche Angebote:

Beratung

Die Beratungstür ist als Anlaufstelle für Menschen gedacht, die

Schwierigkeiten und Fragen in Beruf und Arbeit haben. Hier fin-

det eine sondierende Beratung statt. Die Berater gehen individu-

ell auf den Ratsuchenden ein. In einem ersten Beratungsvorgang

wird das Problem mit allen relevanten Aspekten angeschaut und

sortiert. Gemeinsam werden weitere Schritte überlegt. Gegebe-

nenfalls vermitteln die Berater an eine Fachberatung weiter. Hier

bietet das Projekt eine passgenaue zweistufige Beratung.

Seelsorge

Das Angebot hinter der Seelsorgetür wendet sich an Menschen,

die Austausch mit einem verständnisvollen Gesprächspartner

suchen. Ein Team erfahrener Seelsorger hilft bei Problemen, die

den beruflichen und privaten Alltag betreffen. Auch bei existen-

ziellen Fragestellungen und der Suche nach dem Sinn leistet das

Team auf schriftlichem Wege eine persönliche Begleitung.

Datenbank Beratungsstellen

Neben der direkten und persönlichen Beratung und Seelsorge

wurde die Möglichkeit geschaffen, Informationen über spezielle

Beratungsdienste hinter der Tür „Beratungsstellen“ abzurufen.

59UNTERSTÜTZUNG DER PERSONALENTWICKLUNG UND KOOPERATION Arbeit im E-Business

Dort kann der Internetnutzer aus mehreren Beratungsstellen

auswählen, die auf verschiedene Themenbereiche spezialisiert

sind. Dazu gehören neue Arbeitsformen (etwa Teilzeit, Jobrota-

tion, Telearbeit), Arbeitsschutz und Gesundheit, Gender, Neu-

orientierung (u. a. Weiterbildung, Umschulung, Hilfe beim Wie-

dereinstieg in den Beruf), Jugend und Ausbildung, Freiwilligen-

arbeit sowie Organisationsberatung und Qualitätsmanagement

für Betriebe. Weitere Themen sind psychologische Hilfen und

Konfliktberatung bei Mobbing oder privaten Problemen.

Der Nutzer findet übersichtliche Informationen über die

Einrichtungen, von der Beratungsleistung bis hin zu Ansprech-

partnern und Kontaktadressen. Die Datenbank wächst ständig;

die Suche nach regionalen Beratungsstellen wird über ein Post-

leitzahlensystem gewährleistet.

Meditation und Selbstbetrachtung

Die vierte „andere Tür“ bietet einen ungewöhnlichen Weg an,

um Problemen in der Arbeitswelt zu begegnen. Zu den Themen

Arbeit – Leben – Zeit und Sinn entstehen hier verschiedene An-

gebote der Meditation und Selbstbetrachtung. Derzeit gibt es

einen ersten Rundgang über sieben Stationen zum Thema Spu-

ren. Diese Möglichkeit zum Anhalten und Nachdenken ermög-

licht einen anderen Blick auf die eigene berufliche und persönli-

che Situation und damit neue Handlungsansätze.

Informationen

Neben den genannten Beratungsangeboten weist die Homepage

wöchentlich neu auf aktuelle Artikel und Veröffentlichungen

hin, die in unterschiedlichen Arbeitssituationen eine Hilfe dar-

stellen können. Information und Kommunikation ergänzen sich

auf der „mensch-arbeit“-Seite durch unterschiedliche Formen.

Forschung

Was muss ein Beratungsangebot im Internet bieten? Welche Vor-

und Nachteile ergeben sich? Welche Bedürfnisse haben Men-

schen unterschiedlicher Altersgruppen, die Online-Beratung

suchen? Welche Bedingungen braucht es und welche Qualifi-

kation benötigen Berater für ihre Tätigkeit im Internet? Mit die-

sen und anderen Fragen beschäftigen sich Wissenschaftler und

Studierende des Lehrstuhls für Grundlagen und Theorien der

Organisationspsychologie von Professor Dr. Michael Kastner in

Dortmund, die das Projekt wissenschaftlich begleiten.

3 Besonderheiten des Projektansatzes bei„mensch-arbeit“

Offene Beratung zum Thema Arbeitswelt

„mensch-arbeit“ hat in einer arbeitsweltlichen Beratungsland-

schaft, die durch Spezialisierungen auf bestimmte Bereiche ge-

prägt ist, einen bewusst offenen Beratungsansatz gewählt: Rat-

suchende Menschen werden angesprochen, die von den Verän-

Beratungsstellen

Unser Angebot

Themenfelder

Suche

Beratung

Unser Angebot

Chat

Seelsorge

Unser Angebot

Chat

Die andere Tür

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 59

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60 Arbeit im E-Business UNTERSTÜTZUNG DER PERSONALENTWICKLUNG UND KOOPERATION

derungen in der Arbeitswelt aktiv und passiv betroffen sind. Die

oben beschriebenen Veränderungen in Arbeit und Gesellschaft

führen leicht zu einer Überlagerung von beruflichen und persön-

lichen Problemen, die für Betroffene oftmals kaum mehr zu über-

schauen, einzuordnen oder zu lösen sind. Hier finden sie über das

Medium Internet eine Anlaufstelle für ihre Fragen, Gedanken

und Schwierigkeiten, aber auch Informationen oder ein kompe-

tentes Gegenüber, mit dem sie weitere Schritte bedenken und

beraten können. Diese Beratungsleistung ist über den Computer

von jedem Ort aus und zu jedem Zeitpunkt möglich. Erste Erfah-

rungen zeigen, dass neben Beratungsthemen wie z. B. Arbeits-

losigkeit oder Weiterbildung auch Fragen beraten werden, für

die es keine Anlaufstelle gibt, z. B. permanente Überforderung

am Arbeitsplatz oder auch die Wechselwirkungen von Proble-

men im Beruf und im Privatleben (z. B. bei Scheidung). Eine Be-

ratung kann hier präventiv wirken, bevor die Situation für den

Einzelnen eskaliert.

Beratung und Seelsorge

Als kirchliches Projekt bietet „mensch-arbeit“ Beratung und Seel-

sorge an, um Menschen in den unterschiedlichsten Situationen

sowohl fachkompetente als auch identitätsstärkende Unterstüt-

zung zukommen zu lassen. Damit unterscheidet es sich deutlich

von anderen Online-Beratungsangeboten. Üblicherweise findet

man im Internet entweder themenspezifische Beratungsleistun-

gen oder Informationen (z. B. www.Komnet.de) oder Seelsorgean-

gebote (z. B. www.seelsorge.net ). Arbeit und Beruf heute, so die

bisherigen Erfahrungen im Projekt, führen den Menschen immer

häufiger an persönliche und existenzielle Fragestellungen heran.

Beide Beratungsaspekte erscheinen wie ein natürlicher und

direkter Zugang in die konkreten Lebens- und Arbeitssituationen

hinein. Im Projekt werden sie daher auch beide genutzt und

scheinen Menschen mit ganz unterschiedlichen Belastungs-

situationen und Fragestellungen anzusprechen.

Ehrenamtliches Team

Eine Voraussetzung für eine ständige personelle Ansprechbarkeit

und für ein umfassendes fachliches Hintergrundwissen war der

Aufbau eines ehrenamtlich agierenden, interdisziplinären

Teams. Für dieses Team wurden Menschen mit beruflicher Be-

ratungs- bzw. Seelsorgeerfahrung gesucht und gefunden. Fach-

leute aus unterschiedlichen Beratungsdisziplinen und Seelsorge-

feldern (Berufsberatung, Mobbingberatung, Personalwesen, Ge-

meinde- und arbeitsweltbezogene Seelsorge sowie einiger weite-

rer Bereiche) bearbeiten inzwischen E-Mails und Chatanfragen

von ihrem häuslichen Rechner aus. Nach den bisherigen Er-

kenntnissen bietet sich hier ein interessantes Feld für qualifizier-

tes ehrenamtliches Handeln. Es trägt den veränderten Bedingun-

gen freiwilligen Engagements Rechnung (z. B. hohe Eigenstän-

digkeit, Einbringen fachlicher und sozialer Kompetenzen, per-

sönlicher Zugewinn durch Qualifizierung und Anerkennung).

Qualifizierung

Für diese Tätigkeit wurden die Beraterinnen und Berater mit Blick

auf die speziellen Erfordernisse einer Internetberatung qualifi-

ziert. Die erste Qualifizierungsmaßnahme bestand aus mehreren

Blöcken. Zu den Themen gehörten Kommunikation und Ge-

sprächsführung, Grundlagen geeigneter psychologischer Hand-

lungsansätze und das zugrunde liegende, sondierende Bera-

tungsverständnis, sowie vor allem die Besonderheiten und bera-

terischen Möglichkeiten in der digitalisierten, rein schriftlichen

Kommunikation. Dieses Qualifizierungskonzept wird von den

wissenschaftlichen Mitarbeitern auf Qualität und Wirksamkeit

hin langfristig überprüft.

Begleitung

Alle Teammitglieder haben sich im Rahmen ihrer Mitarbeit zu

regelmäßiger Supervision und zu weiterführenden Schulungen

verpflichtet, um eine hohe Qualität in der Beratung sicherzustel-

len. Die hauptamtliche Projektleitung begleitet und unterstützt

das Team mit unterschiedlichen Modulen und Leistungen: Dazu

gehören regelmäßige „reale“ Teamsitzungen und „virtuelle“

Chatkonferenzen ebenso wie eine Vernetzung der Teamkommu-

nikation über eine virtuelle Gruppe (E-Group).

Bei Krisen oder Schwierigkeiten mit einer Beratung können

sich die Teammitglieder auf telefonischem Wege vom Supervisor

coachen lassen oder sich kollegiale Beratung über die E-Group

organisieren.

Ein weiteres Modul ist das elektronische Handbuch, das nur

Teammitgliedern zur Verfügung steht und das umfassend über

Abläufe im Projekt, Beratungsauswertungen und Fachthemen in

der Beratung informiert. Ein Forum ermöglicht eine internet-

gestützte kollegiale Fallbearbeitung sowie eine thematische

Übersicht über alle Beratungsanfragen.

Netzwerk

Die Kooperationspartner helfen entscheidend, die Qualität des

Netzwerkes zu gewährleisten: Sie unterstützen das Projekt mit

ihrer jeweiligen Fachkompetenz, ihren Informationen und

Kontakten. Neben den oben genannten Kooperationspartnern

hält das Projekt auch Verbindungen zu den Beratungseinrich-

tungen, die auf der Internetseite von mensch-arbeit ihre Dienste

anbieten. Das hauptamtliche Projektteam veranstaltet regelmä-

ßige Tagungen, um in einem fachlichen Diskurs die unterschied-

lichen Aspekte der Onlineberatung und -seelsorge ständig wei-

terzuentwickeln und zu verbessern. Ein regelmäßig erscheinen-

der Newsletter informiert die Netzwerkpartner über aktuelle

Entwicklungen im Projekt mensch-arbeit.

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 60

Page 62: Arbeit im E-Business - Uni Trier · tionsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ wird betont, dass sich mit der schnellen Verbreitung des Internets für Unternehmen Chan-cen eröffnen,

61UNTERSTÜTZUNG DER PERSONALENTWICKLUNG UND KOOPERATION Arbeit im E-Business

4 Voruntersuchung

Einleitung

Um zu erfahren, was mögliche User von einem Beratungsange-

bot im Internet erwarten und welche Anforderungen sie an ein

Internetportal dieser Art stellen, wurde mittels eines Fragebo-

gens eine Voruntersuchung mit einer Offline-Testversion des

Beratungsangebots an 76 Personen verschiedenster Berufs- und

Altersklassen durchgeführt.

Die Untersuchung

76 Personen im Alter zwischen 18 und 63 Jahren wurden gebeten,

einen Fragebogen auszufüllen. 38 der Befragten waren männ-

lich, 38 weiblich. Die Befragten gaben kaufmännische, techni-

sche, soziale, medizinische oder handwerkliche Berufe an, einige

waren Schüler oder Studenten.

Der verwendete Fragebogen besteht aus drei Teilen. In Teil A

werden folgende Bereiche abgefragt: Angaben zur Person, Erfah-

rung mit PC und Internet, Erfahrung mit Beratung sowie ansons-

ten genutzte Formen der Problembewältigung. Des Weiteren

wurde erhoben, bei welchen Problemen sich die Befragten vor-

stellen könnten, das Angebot zu nutzen und welche Art des Zu-

gangs, also Marktplatz, Erstberatung oder Seelsorge sie bei wel-

chem Problem präferierten. Teil B beinhaltet den Fragebogen zu

Lebenszielen und -zufriedenheit (von Bernhard Kraak und Sieg-

linde Nord-Rüdiger), Teil C fragt nach Design, Benutzerfreund-

lichkeit, Inhalt und Akzeptanz des Internetportals.

Ergebnisse

Die Auswertung der Daten ergab, dass der Beratungsbedarf bei

den Themen Arbeitslosigkeit, arbeitsrechtliche Fragen und beruf-

liche Neuorientierung besonders hoch ist. Insgesamt zeigte sich

Folgendes:

+ 50% der Befragten waren jünger als 30 Jahre alt, ihre Er-

fahrungen im Umgang mit dem PC beschrieben sie als gut.

+ Ältere Menschen waren weniger versiert im Umgang mit

dem PC als jüngere Menschen.

+ Es gibt keinen geschlechtsspezifischen Unterschied in der

Nutzung des Angebots.

+ Die potenziellen User haben Befürchtungen bezüglich der

Sicherheit der Daten im Internet.

+ Es gibt deutliche Unterschiede in der Nutzung des Ange-

botes vom heimischen PC aus im Vergleich zur Nutzung

vom öffentlichen oder Firmen-PC, d. h. die User ziehen die

Nutzung vom öffentlichen oder Firmen-PC aus kaum in

Betracht. Das Angebot wird also hauptsächlich vom heimi-

schen PC aus genutzt.

+ Es macht für den potenziellen User keinen Unterschied, ob

das Angebot kirchlich ist, oder nicht.

+ Es macht für die potenziellen User einen Unterschied, ob

die Anonymität gewährleistet ist, oder nicht. Ihre Anony-

mität ist ihnen sehr wichtig. Sie geben sogar an, dass eine

erhöhte Anonymität die Vertrauenswürdigkeit des Angebo-

tes noch steigern würde.

+ Es macht für die potenziellen User einen Unterschied, ob

die Berater transparent sind, oder nicht. Sie hätten gerne

möglichst viele Informationen über ihren Berater und ge-

ben an, dass durch eine Vorstellung der Berater mit Foto,

Alter, Geschlecht, beruflichem Werdegang, Qualifikationen

und Spezialkenntnissen/-gebieten, die Vertrauenswürdig-

keit des Angebotes erhöht würde.

Interessanterweise konnte sich die überwiegende Zahl der Be-

fragten nicht vorstellen, das Beratungsangebot bei privaten

Problemen, die durch die Arbeit grundgelegt wurden, zu nutzen.

In der späteren Angebotsphase des Beratungsportals zeigte sich

jedoch in den meisten Beratungsfällen eine Vermischung von pri-

vaten und beruflichen Problemstellungen. Tatsächlich beinhal-

ten somit viele Beratungsanfragen auch Themenstellungen aus

dem privaten Bereich.

Zusammenfassend gaben die potenziellen User an, insbeson-

dere bei Fragen zur Arbeitslosigkeit, beruflichen Veränderung

und Neuorientierung und Fragen zum Arbeitsrecht das Bera-

tungsangebot des Internetportals www.mensch-arbeit.de nut-

zen zu wollen. Erste Ansprechpartner sind allerdings Partner, die

100

80

60

40

20

0Fehlend ja nein

Pro

zen

t

12

84

Abbildung 16: Nutzung bei privaten Problemen verursacht durch Arbeit

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 61

Page 63: Arbeit im E-Business - Uni Trier · tionsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ wird betont, dass sich mit der schnellen Verbreitung des Internets für Unternehmen Chan-cen eröffnen,

62 Arbeit im E-Business UNTERSTÜTZUNG DER PERSONALENTWICKLUNG UND KOOPERATION

Familie, Freunde und Arbeitskollegen. Bedeutend seltener nutz-

ten die Befragten die Unterstützung durch Beratungsstellen,

Telefonseelsorgeangebote oder Selbsthilfegruppen.

Die Aufsplittung des Beratungsangebotes in verschiedene

Rubriken (Beratung versus Seelsorge) wurde insgesamt als gut

bewertet.

5 Handlungsorientierte Evaluation des Angebotes

In der zweiten, aktuellen Phase erfolgt die prozessbegleitende

Evaluation. Unter Verwendung verschiedener Untersuchungs-

instrumente werden die Diskrepanzen zwischen Angebot und

Nachfrage ebenso ermittelt, wie Akzeptanz und Erfolge bewertet.

Die Erkenntnisse aus den kontinuierlichen Datenerhebungen

werden sofort in den Verbesserungsprozess des internetbasierten

Beratungsangebotes eingebracht.

Folgende Indikatoren werden dabei u. a. zur Gesamtbewer-

tung herangezogen:

+ Zugriffsstatistik der Internetseiten

+ Online-Fragebögen, die direkt mit der Homepage

verknüpft sind

+ Wirkung in der Öffentlichkeit und den verschiedenen

Medien

+ Vergleich mit Angeboten bestehender kirchlicher und

nicht-kirchlicher Beratungsstellen

+ Sammlung von Verbesserungsvorschlägen durch die Nutzer

des Internetportals

+ Individuelle Zielerreichung beim Nutzer, qualitative detail-

lierte Analyse des Beratungsangebotes, Fragebögen zur

Beratungszufriedenheit

+ Systematische Analyse der Passungen zwischen

Beraterqualifizierung und Beratungsanforderung

Obwohl der Rücklauf der Fragebögen zum Beratungsverlauf der-

zeit noch gering ist, zeigt sich dennoch, dass das Beratungsange-

bot www.mensch-arbeit.de von Personen aller Altersgruppen,

insbesondere jedoch des mittleren Alters, genutzt wird. Es zeigen

sich auch keine geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Häu-

figkeit der Beratungsanfragen. Deutlich zeigt sich jedoch, dass die

Nutzer eher den Beratungszugang über die „Beratungsanfrage“

nutzen, als die „Seelsorgeanfrage“. Die Berater des Internetportals

bewerteten jedoch rückblickend einen Teil der „Beratungsanfra-

gen“ eher als „Seelsorgeberatungen“. Die Mehrzahl der Anfragen

betraf das Themenfeld „Arbeitslosigkeit, Neuorientierung und

Wendepunkte im Berufsleben“, gefolgt vom Themenfeld „Arbeit &

Gesundheit“ sowie „Arbeitsrecht“ und „Existenzfragen“.

In den meisten Fällen zeigten sich die Berater mit dem Bera-

tungsverlauf zufrieden.

Die quantitativen Erfolgsmaße (Zugriffszahlen) konnten alle

entsprechend der eingangs gesetzten Ziele erreicht werden. Im wei-

teren Verlauf der Begleitung wird die Beratungszufriedenheit der

Ratsuchenden im Mittelpunkt stehen, ebenso wie die Analyse der

Passung der Beraterqualifizierung und Beratungsanforderungen.

Die Voruntersuchungen zeigten, dass die Ratsuchenden sich

ein Angebot wünschen, bei dem ihre Anonymität in hohem Maße

gesichert ist. Gleichzeitig erwarten sie aber große Offenheit von

Seiten der Berater, die sich nach Möglichkeit als ganz reale Person

mit Foto, Alters- und Geschlechtsangabe, beruflichem Werde-

gang sowie Qualifikationen und Spezialkenntnissen/-gebieten

darstellen sollen.

Im Beratungsalltag ist die Lage etwas anders, hier hätten die

Ratsuchenden zwar auch gerne mehr Informationen über ihren

Berater, sind aber gleichzeitig auch deutlich offener, was An-

gaben zu ihrer Person betrifft. Es kommt z. B. häufig vor, dass

Ratsuchende sich unter vollständiger Angabe ihres Namens und

der Stadt, in der sie leben, melden.

Literatur

Beck, U. (2003), Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt / Main

Bedford-Strohm, H., Kirche in der Zivilgesellschaft, in: Wert , R. (Hg.) Was hat die Kirche heute zu sagen? Auftrag und Freiheit der Kirche in

der pluralistischen Gesellschaft

Gross, P. (1994), Die Multioptionsgesellschaft. Frankfurt.

Hubig, C., Hg. (2000), Unterwegs zur Wissensgesellschaft: Grundlagen – Trends – Probleme. Berlin

Mückenberger, U. (1985), Die Krise des Normalarbeitsverhältnisses. Zeitschrift für Sozialreform, 31, S. 415-434, 457-475.

Stehr, N. (1994) : Arbeit, Eigentum und Wissen. Zur Theorie von Wissensgesellschaften. Frankfurt / Main

Voß, G. G., & Pongratz, H. J. (1998), Der Arbeitskraftunternehmer.

eine neue Grundform der Ware Arbeitskraft? Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Jg.5 0, S.131-158.

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 62

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63UNTERSTÜTZUNG DER PERSONALENTWICKLUNG UND KOOPERATION Arbeit im E-Business

2.7 Laufende Bewertung der E-Business-Projektentwicklung mittels einer„Projekt-Aktie“

Jaime Uribe, Giuseppe Strina, Klaus Henning, Stefan Große-

Kappenberg; Institut für Unternehmenskybernetik e.V., Aachen

1 Ausgangssituation

Im Zusammenhang mit der raschen Entwicklung der Informa-

tions- und Kommunikationstechnologie werden Unternehmen

immer häufiger mit Veränderungen konfrontiert, die umfassen-

de Auswirkungen auf die Geschäftsprozesse haben. In vielen Be-

trieben kann eine Reihe von kritischen Punkten beobachtet wer-

den, die die Dimensionen und deren Auswirkung auf der organi-

sationalen Ebene verdeutlichen: primär wird der Fokus auf tech-

nische Lösungen gelegt, Auswirkungen auf das gesamte Unter-

nehmen werden unterschätzt oder Mitarbeiter werden oft zu

spät mit Informationen versorgt oder in den Prozess einbezogen.

Dazu kommt, dass viele „E-Lösungen“ die bereits auf dem Markt

angeboten werden, den Anforderungen von kleinen und mittel-

ständischen Unternehmen (KMU) nicht entsprechen.

Nicht zuletzt durch diese Phänomene wird immer deutlicher,

dass die Einführung solcher Konzepte in die Organisation eine

drastische Auswirkung auf die traditionellen Konzepte der Unter-

nehmens- und Personalführung haben. Der daraus resultierende

Wandel in den Verhaltensweisen und Geschäftsprozessen in der

Gesellschaft und den Organisationen, für den im Folgenden der

Begriff „E-Change“ gebraucht wird, wird auch alle Arten von

KMU prägen. „E-Change“ und „E-Business“ sind somit Hürde und

Chance zugleich. Es ist eine Hürde, weil die Eintrittsbarriere für

KMU bezüglich des Aufwandes sehr hoch ist. Es ist eine Chance,

weil der Leidensdruck zum Teil sehr groß ist und damit ein Anlass

für eine entsprechende unternehmerische Entscheidung gege-

ben zu sein scheint.

Die Implementierung von „E-Business-Konzepten“ ist in der

Regel allerdings nur in Verbindung mit veränderten Geschäfts-

prozessen möglich. Dadurch haben diese Projekte immer mit

dem Umstand zu kämpfen, dass sie in hohem Maße davon abhän-

gig sind, was die Mitarbeiter (und z. T. auch enge Kunden und

Lieferanten) von den Veränderungen erwarten oder befürchten.

Die dabei entstehenden Schwankungen haben dann auch im-

mer Auswirkungen auf das „Motivationsklima“ (Erwartungen)

und damit auf die Umsetzungsgeschwindigkeit sowie auf den

Zielerreichungsgrad eines solchen Veränderungsprozesses.

2 Stand der Forschung und Praxis

Unternehmen müssen nicht nur das eigene System ständig beob-

achten, sondern auch andere Umweltfaktoren, die das eigene

Überleben massiv beeinflussen. Dadurch werden diese Beob-

achtung und die Analyse der resultierenden Informationen zu

einer wesentlichen Aufgabe des strategischen Managements.

Dieses Subsystem der Unternehmensführung, das die Planung

und Kontrolle sowie Informationsversorgung systembildend und

systemkoppelnd koordiniert, wird als Controlling definiert (vgl.

Hórvath 2002 und Reichmann 2001). Die systemische Betrach-

tung der Technologien aus dem E-Business-Bereich und der da-

raus resultierenden Produktivität auf Unternehmensebene, als

Beitrag zur langfristigen Sicherung der Firma, ist eine der vielen

Aufgaben des strategischen Managements. Diese Aufgabe, auch

E-Business-Controlling genannt (vgl. Müller 2001), bezieht sich

auf die Überwachung E-Business-bezogener Regelkreisstrukturen

(vgl. Wunn 1997) im Unternehmen.

Da das Thema E-Business in KMU ein weites Spektrum von

Anwendungen umfasst und vom Einsatz einer kostengünstig rea-

lisierten statischen Homepage bis hin zum Re-Design und zur

Neustrukturierung von Geschäftsprozessen reicht, ist eine ganz-

heitliche Betrachtung der Veränderungsprozesse durch das

E-Business-Controlling notwendig. Allerdings ist zu konstatieren,

dass vorhandene Methoden und Instrumente zur wirtschaftli-

chen Erfolgskontrolle, aus unternehmerischer Sicht des Control-

lings, noch keine zufriedenstellende Beurteilung eingesetzter

E-Business-Anwendungen ermöglichen (vgl. Müller 2001). Die

Weitere Informationen

„Arbeitsweltbezogene Pastoral“

Förderkennzeichen: 01HT0121

www.mensch-arbeit.de

Ansprechpartnerin des Projekts:

Brigitte Duve

Erzbischöfliches Generalvikariat Paderborn

Arbeitsbezogene Seelsorge

Projekt mensch-arbeit

Brackeler Hellweg 144

44291 Dortmund

Tel.: 0231 2060595

E-Mail: [email protected]

Ansprechpartner beim Projektträger:

Dr. Volker Schütte

Tel.: 0228 3821-195

E-Mail: [email protected]

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 63

Page 65: Arbeit im E-Business - Uni Trier · tionsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ wird betont, dass sich mit der schnellen Verbreitung des Internets für Unternehmen Chan-cen eröffnen,

64 Arbeit im E-Business UNTERSTÜTZUNG DER PERSONALENTWICKLUNG UND KOOPERATION

Anwendung der Balanced Scorecard (vgl. Kaplan/Norton 1997)

zur Bewertung von Veränderungsprozessen (vgl. Petzolt 2001) hat

sich als problematisch erwiesen. Auch methodische Ansätze aus

der traditionellen Wirtschaftlichkeitsanalyse eignen sich nicht

für eine ganzheitliche Betrachtung der Veränderungsprozesse

(vgl. Fuchs/Scholz 2002). Methoden der Kosten-Nutzen-Analyse

versuchen, zusätzliche nicht immer monetarisierbare Parameter

in die Bewertung einzubeziehen und stellen dadurch eine Ergän-

zung zu bestehenden Controllinginstrumenten aus der traditio-

nellen Wirtschaftlichkeitsanalyse dar (vgl. Zangenmeister 1993

und Reichwald et al. 1996). Diese Methoden und deren Nutzen im

E-Business-Bereich sind allerdings noch unzureichend untersucht

und umgesetzt worden.

Besonders herausfordernd für das Controlling, im Rahmen

von betrieblichen Veränderungsprozessen, ist die Aufbereitung

von steuerungsrelevanten Informationen in Bezug auf das Ver-

halten der in der Organisation involvierten Menschen und das

Zusammenspiel ihrer Rollen im Unternehmen. Dazu kommt

noch die Schwierigkeit, dass Change-Projekte, zu denen E-Busi-

ness-Projekte zweifellos gehören, immer mit dem Umstand zu

kämpfen haben, dass sie in hohem Maße von den Schwankungen

abhängig sind, welche die Mitarbeiter (und z. T. auch enge Kun-

den und Lieferanten) durch die Veränderungen gerade erwarten

oder befürchten. Die dabei entstehenden Schwankungen haben

dann auch immer Auswirkungen auf das „Motivationsklima“

und damit auf die Umsetzungsgeschwindigkeit sowie auf den

Zielerreichungsgrad eines Veränderungsprozesses.

In diesem Zusammenhang fallen zwei grundsätzliche De-

fizite der bisher genannten Methoden ins Auge: Zum einen wer-

den diese sehr weichen, stimmungsbezogenen Aspekte, die nicht

selten jedoch maßgeblich über Erfolg oder Misserfolg eines

E-Change-Projektes entscheiden, nur unzureichend berücksich-

tigt. Zum anderen bedürfen gerade diese Aspekte einer zeitna-

hen Bewertung, also das, was im technischen Bereich eine „Echt-

zeit-Messung“ genannt wird, da nur so eine zeitnahe Intervention

als Reaktion auf sich schnell verändernde Umstände gewährleis-

tet zu sein scheint. In diesem Sinne ist das Controlling von sich

auf das Motivationsklima auswirkenden E-Business-Prozessen

(E-Change) eine noch unzureichend untersuchte Möglichkeit,

E-Business-Strategien erfolgreich ein- und umzusetzen.

3 Das Stimmungsbarometer „Projekt-Aktie“

Theoretischer Hintergrund des Instrumentes

Im Rahmen des Projektes „E-Projecting“, wurde der „Regelkreis

E-Projecting“ mit der Zielsetzung konzipiert, den Prozess der

Einführung/Verbesserung von E-Business-Konzepten (EBK) in den

KMU steuern und regeln (Controlling) zu können. Der Grundsatz

des Regelkreises „E-Projecting“ wird in der Abb. 17 dargestellt.

Ausgehend von der Zielsetzung „Erfolgreiche Einführung von

EBK“ in KMU kann der Zielerreichungsgrad an den aus dem Ziel

abgeleiteten, im Verlauf des Projektes noch zu präzisierenden

Sollwerten gemessen werden, indem sie mit den IST-Größen ver-

glichen werden. Diese IST-Größen können wiederum durch An-

wendung unterschiedlicher Instrumente wie z. B. Kundenbefra-

gungen oder die „Projekt-Aktie“ erhoben werden (Kreis). Den sich

hieraus ergebenden Abweichungen kann dann durch den Einsatz ge-

eigneter Maßnahmen, wie z. B. Qualifizierung von Mitarbeitern oder

Anwendung neuer E-Business-Module, entgegengewirkt werden.

Beobachtungund Analyse

Ziel:Erfolgreiche Einführungvon E-Business-Konzepten in kmU

Sollwert:Effizientes undEffektivesArbeiten mitE-Lösungendurch hoheKunden- undMitarbeiterzufriedenheit

Kunden- und Mitarbeiterbe-fragungen (u. a. via Internet),Kennwerte zur Kunden- undMitarbeitermotivation (u. a.via „Projekt-Aktie“) Kunden-workshop

E-basierteMethodenundMaßnahmen

Angst vorVeränderung,fehlende Zeit

Misstrauen,Angst vor Fehlern Kunden- und

Mitarbeiter-zufriedenheit

ProjektteamInterne und externeKunden-/Lieferanten-

Beziehungen

Abbildung 17: Regelkreis „E-Projecting“

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 64

Page 66: Arbeit im E-Business - Uni Trier · tionsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ wird betont, dass sich mit der schnellen Verbreitung des Internets für Unternehmen Chan-cen eröffnen,

65UNTERSTÜTZUNG DER PERSONALENTWICKLUNG UND KOOPERATION Arbeit im E-Business

Struktur des Instrumentes

Die „Aktienbewertung“ als Bewertungsmethode wird hier erst-

mals angewendet, um den „Marktwert“ eines Veränderungspro-

zesses durch Ermittlung der unterschiedlichen Erwartungen der

Akteure und Beobachter zu bestimmen. Dieser Marktwert wird

unternehmensintern, über das Internet oder Intranet und, in

Sonderfällen (nach Bedarf) mit Beteiligung eng verbundener Kun-

den und/oder Lieferanten, ermittelt. Im Vergleich zu anderen er-

wartungsbasierten Bewertungsmethoden bleiben bei einem bör-

senähnlichen Bewertungsmechanismus die Prinzipien der Anony-

mität und der Mitarbeiterbeteiligung bewahrt. Darüber hinaus

wird eine „Echtzeitbewertung“ erst durch den Einsatz von Internet-

technologien möglich, die gleichzeitig neue Herausforderungen

für die Menschen in der Organisation hervorruft. Diese Aspekte set-

zen voraus, dass die betriebliche Anwendung der „Projekt-Aktie“

nicht nur verschiedene Akteure betrachten muss (siehe Abb. 18),

sondern auch in verschiedenen Phasen stattfinden muss.

Bei der Anwendung der „Projekt-Aktie“ (PA) werden drei

Gruppen von Akteuren identifiziert, die sowohl unternehmens-

intern als auch -extern zu betrachten sind. Zum einen die „Ent-

wickler“, zu denen Mitarbeiter des Unternehmens (z. B. aus der

EDV-Abteilung) gehören, die das technische und organisatori-

sche Know-how besitzen, und, vor allem bei den ersten Anwen-

dungen des Tools, externe Dienstleister, die eine erste technische

und organisatorische Beratung vornehmen. Zum anderen die

Gruppe der „Anwender“, die sich zwischen „Projektleitung“, „Mit-

arbeiter“ und in manchen Fällen, „ausgewählte Lieferanten und

Kunden“ aufteilt. Bei den Mitarbeitern wird darüber hinaus zwi-

schen „Beteiligten“ und „nicht Beteiligten“ unterschieden, je

nach möglicher Erfolgssteuerung bei der Umsetzung der geplan-

ten Strategie. Die „ausgewählten Lieferanten und Kunden“ wer-

den, nach Wunsch der Projektleitung, in die Bewertung einbezo-

gen. Der „Betreiber“ ist in der Regel die Person oder das Team, die

für die Wartung des Servers verantwortlich ist, auf dem das web-

basierte Tool installiert werden muss.

Anwendung des Instrumentes

Der Ablauf der betrieblichen Anwendung der „Projekt-Aktie“ ist in

drei Phasen unterteilt. In der Planungsphase entscheidet die Pro-

jektleitung über die Rahmenbedingungen für die Anwendung, da-

runter z. B. ob und welche „externen“ Akteure an der Bewertung teil-

nehmen sollen, die Anzahl von Aktien die emittiert werden, und das

Belohnungssystem für die Vergütung (Gewinne oder Verluste) der

Teilnehmer. Diese Phase, die bei den ersten Anwendungen im Un-

ternehmen durch externe Beratung unterstützt werden kann, endet

mit der Emission (und Verteilung) von Projekt-Aktien unter den ver-

schiedenen handelnden Teilnehmern und der Inbetriebnahme der

internetbasierten Handelsplattform.

In der darauf folgenden „Implementierungsphase“, werden

die Aktien auf den Markt (interne Projektbörse) gebracht. Da-

durch findet die Eröffnung der Handelsphase (Implementierung)

statt, welche sich durch die Teilnahme von Projektaktien-Akteu-

ren an dem Aktienkauf und -verkauf im Intranet/Internet an vor-

her definierten Zeiten auszeichnet. In dieser Phase können nur

Betreiber

Unternehmensgrenze

NichtBeteiligte*

* Bei der Umsetzung der geplanten E-Business-Strategie „beteiligt“(nicht vom Instrument „Projekt-Aktie“)

AusgewählteLieferanten

AusgewählteKunden

Geschäfts-führung

SystemAdmin.

Beteiligte*

Anwender

Projekt-leitung

Mitarbeiter

Entwickler

Abbildung 18: Betriebliche Akteure bei der Anwendung der „Projekt-Aktie“

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 65

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66 Arbeit im E-Business UNTERSTÜTZUNG DER PERSONALENTWICKLUNG UND KOOPERATION

die Mitarbeiter und die ausgewählten externen Akteure handeln

(kaufen und verkaufen) und die Bewegungen an der Börse beob-

achten, während die Projektleitung sich nur die Bewegungen der

Aktienkurse am Bildschirm anschauen kann bzw. weitere han-

delsrelevante Informationen in das System einspeisen kann (z. B.

Berichte).

In der Abb. 19 werden die verschiedenen Auswertungsmög-

lichkeiten gezeigt, die den Anwendern während der Implemen-

tierungsphase (Handelsphase) im Internet/Intranet zur Verfü-

gung stehen. Zum einen die graphische Darstellung der Kurse

(in €) und die Anzahl der handelnden Akteure ( ), zum anderen

verschiedene Parameter die dazu dienen, den Verlauf beider

Kurven zu relativieren ( ) und anschließend die Einstellung der

zu beobachtenden Aktie (falls mehrere in Umlauf sind – mehrere

Projekte) und des gewünschten Zeitraums ( ).

Die Veränderung der Erwartungen der Akteure sollte dazu

führen, dass sie entweder die eigenen Aktien verkaufen wollen

(die Erwartungen haben sich verschlechtert) oder neue dazu kau-

fen möchten (die Erwartungen haben sich verbessert). Je nach-

dem wie viele Teilnehmer ähnliche Erwartungen haben, wird der

Preis der Projektaktie steigen (gute Aussichten für das Projekt)

oder sinken.

Da die Unternehmensführung bzw. die Projektleitung jeder-

zeit den Verlauf der Kurse beobachten und die „neuen“ Kurse

mit dem Emissionskurs vergleichen kann, ist sie in der Lage, die

Stimmung der Belegschaft sowie – falls integriert – die der ausge-

wählten Kunden- und Lieferanten, ohne diese im Einzelnen iden-

tifizieren zu können, rechzeitig erkennen und entsprechend rea-

gieren zu können.

Die „Wertentwicklungsphase“ beinhaltet die Kalkulation

und Auszahlung von den durch das Handeln erzielten Ergeb-

nissen. Diese Phase ist ein entscheidender Motivator, warum die

Teilnehmer bereit sind, an der Bewertung mitzuwirken und

muss daher sehr genau in der Planungsphase als Bestandteil des

betrieblichen Belohnungssystems geplant und ebenso transpa-

rent kommuniziert werden. Im Wesentlichen wird in dieser Pha-

se das Startkapital mit dem Endkapital jedes einzelnen Kontos

verglichen und die Gewinne bzw. die Verluste errechnet. An-

schließend, je nach vereinbarten Belohnungsmaßnahmen, wird

„ausgezahlt“, z. B. in Form von „Stundenausgleich“.

PROJEK TAK TI E

Statistiken

Einstellungen

x Abmelden

Home Forum Gästebuch Mailingliste Help

Statistiken

Kurs in €

9,20 14

9,11 12

9,01 11

8,91 9

8,81 7

8,71 5

8,61 4

8,52 2

8,42 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18

Aktueller Kurs: 8.68 € Höchst-Kurs Verkäufer: 0 €Eröffnungskurs: 8.68 € Niedrigster-Kurs Verkäufer: 0 €Umsatz (Stück): 0 Höchst-Kurs Käufer: 0 €Nachfrage (Stück): 0 Niedrigster-Kurs Käufer: 0 €Angebots (Stück): 0 Anzahl ordernder Personen: 4

Aktie wählen:

vplattform

Zeitraum wählen:

heute

Chart zeichnen

Kurs in €

Anzahl ordernderPersonen

Unterschiedliche

Möglichkeiten

Informationen

auszuwerten

Abbildung 19: Auswertungsmöglichkeiten

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 66

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67UNTERSTÜTZUNG DER PERSONALENTWICKLUNG UND KOOPERATION Arbeit im E-Business

4 Betriebliche Folgen der „Projekt-Aktie“

Die „Projekt-Aktie“ (PA) kann und soll als Ergänzung zum Pro-

jektcontrolling und dadurch zum gesamten Unternehmens-

controlling betrachtet werden. Die Anerkennung des Erfolgs-

faktors „betriebliche Stimmungslage“ führt zum einen dazu, die

Stimmungslage der Belegschaft „betrieblich“ steuern und aktiv

(Aufgaben des Controllings) beobachten zu können, und zum

anderen, die Kommunikationspolitik des Unternehmens auf

Transparenz und Rechtzeitigkeit zu fokussieren.

Für die Unternehmensführung gilt, dass sie einerseits in die

Lage versetzt wird, „innerbetriebliche Echtzeitinformationen“ zu

bekommen und auszuwerten; andererseits wird dadurch ihre

Leistung ebenso in Echtzeit diskutierbar und subjektiv von einer

ausgewählten Anzahl von „Stakeholdern“ bewertbar. Was bis

heute „auf dem Flur“ oder „in der Kaffeeküche“ diskutiert wird,

und dadurch einen oftmals noch unterschätzten Beitrag zur

Zielerreichung von Projekten leistet, wird künftig zusätzlich auf

einer elektronischen Plattform mehr oder weniger unmittelbar

ausgetauscht und positiv oder negativ bewertet.

Für die Mitarbeiter eröffnet sich eine neue Möglichkeit, und

dadurch auch eine damit verbundene neue Wahrnehmung der

„Mitarbeiterbeteiligung“. Mit der PA sind sie in der Lage ihre

Meinung zum Verlauf des Projektes „anonym“ und in Echtzeit

offen zu legen. Dies erscheint zunächst lediglich als Erweiterung

ihrer Gestaltungsmöglichkeiten und damit u. U. ihrer Rechte.

Allerdings ist damit auch eine Erweiterung ihrer Pflichten ver-

bunden, da das Instrument auf einem vertrauensvollen Umgang

mit Informationen basiert. Die Mitarbeiter werden nicht nur ani-

miert, ihre Meinung (per Definition subjektiv) in anonymisierter

Form der Unternehmensleitung mitzuteilen, sondern auch alles

dafür zu tun, mit dieser Chance „ehrlich“ umzugehen.

5 Zusammenfassung

Der vorliegende Artikel beschreibt die Anwendung einer Metho-

de zur laufenden Bewertung der E-Business-Projektentwicklung

anhand der Erwartungen und Befürchtungen unterschiedlicher

für den Erfolg der Strategie relevanter Akteure. Die Methode baut

auf dem Börsenprinzip auf und ermöglicht zum einen der Ge-

schäftsführung bzw. der Projektleitung eine rechtzeitige – d. h.

jederzeit während des Projektsverlaufs – und wirtschaftlich be-

gründete Intervention im Veränderungsprozess. Die für die

Projektbeobachtung und -bewertung emittierte Aktie („Projekt-

Aktie“) wird mit minimalem finanziellen und zeitlichen Aufwand

auf einer dazu geschaffenen innerbetrieblichen Börse über das

Internet oder Intranet gehandelt und kann so direkt und in Echt-

zeit als „Stimmungsbarometer“ dienen.

Die Methode, als Ergänzung zum Projekt- und Unternehmens-

controlling, setzt bewusst auf die beteiligungsorientierte Ermittlung

steuerungsrelevanter „Stimmungsinformationen“, die in traditionel-

len Verfahren nicht rechtzeitig oder gar nicht zur Verfügung stehen.

Literatur

Fuchs, T.; Scholz, M. (2002): Wirtschaftlichkeit im E-Business, in: Modelle im E-Business; Dangelmaier, W.; Emmrich, A.; Kaschula, D. (Hrsg.),

ALB-HNI-Verlagsschriftenreihe, Paderborn.

Hórvath, P. (2002): Controlling, 8. Auflage, Verlag Vahlen.

Kaplan, R.; Norton, D. (1997): Balanced Scorecard. Strategien erfolgreich umsetzen, Schäffer-Poeschel Verlag.

Müller, A. (2001): e-Profit – Controlling-Instrumente für erfolgreiches e-Business – Von der Strategie bis zur Umsetzung; Checklisten,

Softwaretools, Erfahrungsberichte, 1. Auflage, Rudolf Haufe Verlag, Freiburg i. Br.

Petzolt, S. (2001): Einführung der Balanced Scorecard als Performance-Meß-System für systemische Organisationsentwicklungsprozesse.

Unternehmenskybernetik in der Praxis, Band 4. Shaker Verlag, Aachen.

Reichmann, T. (2001): Controlling mit Kennzahlen und Managementberichten. Grundlagen einer systemgestützten Controlling-

Konzeption. Verlag Vahlen.

Reichwald, R.; Höfer, C.; Weichselbaumer, J. (1996): Bewertung von Reorganisationsprozessen. Stuttgart.

Wunn, C. (1997): TQM-Regelkreise in Kleinunternehmen der Werkzeug- und Schneidwarenindustrie, VDI-Verlag, Düsseldorf.

Zangenmeister, C. (1976): Nutzwertanalyse in der Systemtechnik, München.

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 67

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68 Arbeit im E-Business UNTERSTÜTZUNG DER PERSONALENTWICKLUNG UND KOOPERATION

Veröffentlichungen aus dem Projekt

Uribe, J.; Henning, K.; Strina, G.: Das Stimmungsbarometer “Projekt-Aktie”, in: bdvb aktuell 84, II/2004. S.10-11.

Weitere Informationen

„E-Projecting – Entwicklung und Erprobung einer ganzheitli-

chen Vorgehensweise zur Einführung und Verbesserung von

E-Business-Konzepten in KMU“

Förderkennzeichen: 01HT0157, 01HT0158, 01HT0159, 01HT0160

www.e-projecting.com

Ansprechpartner des Projekts:

Dipl.-Kfm. Jaime Uribe

Institut für Unternehmenskybernetik e.V.

Schurzelter Straße 25

52074 Aachen

Tel.: 0208 9925479

E-Mail: [email protected]

Ansprechpartner beim Projektträger:

Klaus Wegner

Tel.: 0228 3821-126

E-Mail: [email protected]

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 68

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69ARBEITSORIENTIERTE E-BUSINESS-ANWENDUNGEN IN DER LOGISTIKWIRTSCHAFT Arbeit im E-Business

3.1 Der Socio-Technical Walkthrough(STWT): eine Methode zur Gestaltungsozio-technischer Systeme

Gabriele Kunau, Natalja Menold, Lothar Schöpe,

Thomas Herrmann; Universität Dortmund

1 Arbeit im E-Business aus der sozio-techni-schen Perspektive

Arbeit im E-Business zu gestalten, bedeutet, sozio-technische

Systeme zu gestalten: organisatorische Prozesse müssen gemein-

sam mit der anzuwendenden Technik geplant und umgesetzt

werden. Der Socio-Technical Walkthrough (STWT) ist eine Me-

thode, solche Planungs- und Umsetzungsprozesse zu unterstüt-

zen. Dabei ist es das Ziel kooperative, technisch unterstützte

Arbeitsabläufe zu gestalten und zu erlernen, bevor diese im

Arbeitsalltag tatsächlich gelebt werden. Um dieses Ziel zu er-

reichen, werden im Rahmen eines STWT partizipative Work-

shops durchgeführt, in denen graphische Modelle des sozio-

technischen Systems als Dokumentations- und Orientierungs-

hilfe genutzt werden, um Arbeitsprozesse und Technik in ihrer

Wechselwirkung planen zu können.

In den folgenden Abschnitten werden zunächst die Methode

STWT, ihre Ziele und ihr Vorgehen dargestellt (Abschnitt 2). An-

schließend werden der Kontext ihrer Anwendung im Projekt

„Mobile Speditionen im Web“ (SpiW), das in SpiW entwickelte

E-Businesssystem SpiW-Com und die im Rahmen des Projektes

durchgeführten STWT-Workshops beschrieben (Abschnitt 3).

Abschnitt 4 gibt einen abschließenden Überblick über die Ge-

staltungsoptionen der Methode.

2 STWT: Darstellung der Methode

Ziele

Die Entwicklung und Einführung von E-Businesssystemen sind

immer betriebliche Innovationsprozesse, die zu neuen oder ver-

änderten sozio-technischen Systemen führen. Sowohl auf der

organisatorischen als auch auf der technischen Seite finden

Entwicklungsprozesse statt, zwischen denen es dazu hin noch

wechselseitige Abhängigkeiten gibt. Um die Bezüge zwischen

diesen Entwicklungsprozessen zu thematisieren und die Aus-

bildung eines sozio-technischen Systems, in dem sich Organisa-

tion und Technik sinnvoll aufeinander beziehen und sich gegen-

seitig ergänzen, zu fördern, bieten sich Workshops an. In

Workshops – anders als beispielsweise in Interviews oder

Arbeitsplatzbeobachtungen – haben alle Beteiligten die

Möglichkeit, ihre Perspektive auszudrücken, mit anderen zu

vergleichen und ein für alle akzeptables Ergebnis zu erarbei-

ten. Solche Workshops, die in jeder Projektphase mit unter-

schiedlichen Themenstellungen sinnvoll sind, lassen sich mit

der Methode STWT gestalten.

Bestandteile der Methode STWT

Anlehnung an Cognitive Walkthrough

Das Vorgehen im Workshop selber ist angelehnt an ein Vorge-

hen, das in der Informatik zur Qualitätssicherung eingesetzt

wird. Im Cognitive Walkthrough werden die Dialoge einer Be-

nutzungsschnittstelle Schritt für Schritt durchgegangen, wobei

für jeden Schritt überprüft wird, ob das von dem Dialog ge-

wünschte Ergebnis erzielt worden ist und was die nun möglichen

nächsten Schritte sind. Analog werden in einem STWT die Ar-

beitsprozesse mit ihrer technischen Unterstützung Schritt für

Schritt durchgegangen, wobei ebenfalls vorgegebene Fragen

durch die Workshopteilnehmer zu beantworten sind. Die inhalt-

liche Ausgestaltung dieser Fragen hängt von der Phase und Art

des Projektes ab.

Kommunikative Vorwegnahme der technisch unterstützten,

kooperativen Bearbeitung von Aufgaben

Während Prototyping für technische Systeme eine geeignete

Methode zur Erprobung und Evaluierung von Alternativen dar-

stellt, eignen sich komplexe Arbeitsorganisationen nicht dazu,

probehalber umgestellt zu werden. Der STWT unterstützt eine

Gruppe dabei, mögliche Organisationsformen der kooperativen,

technisch unterstützten Arbeit durchzugehen und Vor- und

Nachteile zu diskutieren.

Nutzung grafischer Modelle des sozio-technischen Systems als

Orientierungs- und Dokumentationshilfe

Diagramme, welche die Arbeitsabläufe im Zusammenhang mit

dem jeweiligen Entwicklungsstand der Technik zeigen, ziehen

sich wie ein roter Faden durch sämtliche Workshops eines Pro-

jektes. Sie dienen während des Workshops als Leitfaden und

Orientierungshilfe für die Diskussion und über den Workshop

hinaus als Dokumentation der getroffenen Vereinbarungen. Dia-

gramme haben sich als günstige Darstellungsform erwiesen: zum

einen weil sie schneller lesbar sind als rein textuelle Darstellun-

gen, zum anderen, weil sich – die Nutzung einer geeigneten Mo-

dellierungsnotation vorausgesetzt – in ihnen sowohl die streng

formalen Aspekte technischer Systeme als auch die unbestimmte-

ren, vagen Aspekte sozialer Systeme darstellen lassen. Im Rah-

men eines STWT-Workshops werden die Diagramme zur Unter-

stützung des „Walkthrough“ schrittweise gesichtet, diskutiert,

weiterentwickelt und angepasst.

3. Arbeitsorientierte E-Business-Anwendungen in der Logistikwirtschaft

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 69

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70 Arbeit im E-Business ARBEITSORIENTIERTE E-BUSINESS-ANWENDUNGEN IN DER LOGISTIKWIRTSCHAFT

Unterstützung eines partizipativen Prozesses durch die

Mitwirkung aller relevanten Rollen

Durch den Einsatz von Workshops als wesentlichen Baustein des

Entwicklungsprozesses sozio-technischer Systeme eignet sich der

STWT in besonderer Weise zur Unterstützung partizipativer Pro-

zesse. Wichtig hierfür ist die Mitwirkung aller für das sozio-techni-

sche System relevanter Rollen, wozu sowohl das Management als

auch künftige Nutzer und [software-]technische Experten gehören.

Sie alle sollen ihre Sicht in die Diskussion einbringen und ein tragfä-

higes Ergebnis aushandeln, so dass das entstehende Diagramm

schließlich von allen als Ergebnisdarstellung akzeptiert wird.

Optimierung des gesamten sozio-technischen Systems

Ziel des STWT ist die Optimierung des gesamten sozio-technischen

Systems, was in der Art der Diagramme, in denen technische und

organisatorische Aspekte dargestellt sind, in der Auswahl der

Workshop-Beteiligten sowie in der Wahl der Workshop-Themen

zum Ausdruck kommt. Dabei ist keineswegs ausgeschlossen, dass

phasenweise die eine oder andere Seite mehr Gewicht hat, die

Bezüge zwischen Organisation und Technik bleiben jedoch immer

gewahrt. Die Erfahrung lehrt, dass die Nutzung kooperationsunter-

stützender Systeme immer auch der Absprachen zwischen den Be-

teiligten bedarf. Beispielsweise sollte verbindlich vereinbart wer-

den, in welchen Situationen und auf welche Art das technische Sys-

tem zum Einsatz kommt, und wann und wie die Kommunizieren-

den auf Informationen aus dem technischen System reagieren. Dia-

gramme des sozio-technischen Systems bieten eine gute Möglich-

keit der Dokumentation solcher Absprachen. Abbildung 20 zeigt ein

Beispiel für die Darstellung solcher Absprachen aus dem Projekt

SpiW. Die Methode STWT lässt sich in allen Phasen eines betriebli-

chen Innovationsprojektes einsetzen, wobei sich im Wesentlichen

zwei Aspekte phasenabhängig verändern: Zum einen die Modera-

tionsfrage, die den Prozess des „Walkthrough“ leitet, und die zu

jedem Schritt beantwortet werden muss; zum anderen der Stand

des technischen Systems, das betrachtet wird. Entsprechend

ändern sich die Inhalte und der Detaillierungsgrad der sozio-

technischen Diagramme. Während der frühen Anforderungs-

analyse wird man in der Regel mit sehr abstrakten, diagrammati-

schen Artefakten arbeiten müssen, die sich mit dem Projektfort-

schritt konkretisieren. In einer Validierungsphase werden dann

Screenshots von Prototypen oder auch lauffähige Programm-

ausschnitte verwendet. Bei der Qualifizierung und Einführung

wird man schließlich mit dem fertigen System arbeiten. Durch

die Nutzung der sozio-technischen Modelle zieht sich ein verbin-

dender roter Faden durch die Phasen.

3 Fallbeispiel aus dem Projekt SpiW

Kontext der Fallstudie „Westkreis“

Im so genannten Projekt „Westkreis“ führt der Logistikdienst-

leister Stute Verkehrs GmbH den gesamten Warenausgangsver-

kehr eines Stahlhandelunternehmens im Rhein-Ruhr-Kreis

durch. Zu den Aufgaben des Dienstleisters gehören die Disposi-

tion der übermittelten Einzelaufträge, die Tourenbildung, die

Bereitstellung der benötigten LKW-Kapazitäten sowie die Trans-

portdurchführung. Das Ziel, sich im eigenen Unternehmen auf

die Kernkompetenzen zu konzentrieren, führt zu solchen Out-

sourcing-Projekten, für die eine besonders enge, auch EDV-tech-

nische, Verzahnung der Einzeltätigkeiten über die Unterneh-

mensgrenzen hinweg charakteristisch ist. Umso mehr fällt die

„Blackbox“ im Informationsfluss ins Gewicht, die während der

Transportdurchführung entsteht, weil Fahrer und Disponent nur

in Ausnahmefällen per Handy kommunizieren. Die für die Wei-

terbearbeitung notwendigen Informationen zur Auftragsabwick-

lung erreichen den Disponenten erst abends nach Ende der kom-

Fahrer Disponent FahrerDieser Schritt ist not-wendig, um die Datenan den Dispontentenzu übertragen

anrufenAuf Antwort desDisponenten warten

Workflow inSpiW-Combeenden

Anmerkungzum Transport

eintragen

Nachfragen weitere Schritteabsprechen

weisungspflichtig; wenn nicht entladen werden kann; liegt

immer auch im Ermessen desFahrers

Pocket-PC: Maske „Anmerkungen“

Anmerkungen sonstiges:Grund für nicht-Entladung

(bspw. zu voll, Kran defekt...)Erinnerung an Disponent

Pocket-PC: Maske „Nachricht“ Handy

Abbildung 20: Organisatorische Absprachen zur Nutzung von SpiW-Com

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 70

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71ARBEITSORIENTIERTE E-BUSINESS-ANWENDUNGEN IN DER LOGISTIKWIRTSCHAFT Arbeit im E-Business

pletten Tour. Für die Stute Verkehrs GmbH lagen die mit der Ein-

führung einer mobilen Kommunikationsinfrastruktur verbunde-

nen Ziele daher in der zeitnahen Information des Disponenten

über Auftragsstati, der zeitnahen Information des Fahrers über

die weitere Transportplanung, sowie der Reduzierung der für die

Auftragsabwicklung notwendigen Dokumente.

Das Kommunikationssystem SpiW-Com

Die Systemarchitektur des im Rahmen von SpiW entwickelten

Kommunikationssystems SpiW-Com besteht aus drei Komponen-

ten: mobilen Endgeräten, stationären Endgeräten und einem

Anwendungsserver. Die mobilen Endgeräte nutzen ein leiterun-

gebundenes Medium (GSM, EDGE, GPRS, HSCSD, UMTS) zur Kom-

munikation mit einem Anwendungsserver, während durch das

stationäre Endgerät ein leitergebundenes Medium (Ethernet,

FastEthernet) zur Kommunikation mit einem Anwendungsserver

verwendet wird.

Da das Kommunikationssystem von der Speditionslogistik-

anwendung getrennt ist, müssen Daten zwischen den beiden

Systemen ausgetauscht werden. Beide Systeme benötigen Daten

zur Steuerung ihrer spezifischen Geschäftslogistik, um den Fah-

rer bei einer Entscheidung zu unterstützen, z. B.

+ die Speditionslogistikanwendung benötigt Informationen

über den Auftragsfortschritt,

+ das Kommunikationssystem benötigt Informationen über den

Empfänger (Ladebedingungen, Warte- und Pausenzeiten).

Für diesen Datenaustausch mit einer Speditionslogistikanwen-

dung wird durch das Kommunikationssystem eine textdoku-

mentorientierte Schnittstelle auf der Basis von XML/SOAP (Exten-

sible Markup Language / Simple Object Access Protocol) zur Ver-

fügung gestellt. Die Struktur der auszutauschenden Daten des

Kommunikationssystems werden durch Document Type Defini-

tions (DTD) beschrieben. Konkrete Daten, die zwischen diesen

beiden Softwaresystemen ausgetauscht werden sollen, entspre-

chen diesen Document Type Definitions. Diese Daten werden mit

der Beschreibungssprache XML beschrieben, so dass eine auto-

matische Verarbeitung der Informationen durch die verschiede-

nen Softwaresysteme möglich ist. Die Art der automatischen

Verarbeitung von Daten erfolgt innerhalb des Simple Object

Access Protocols durch den ereignisgesteuerten Aufruf von

WebServices.

Die softwaretechnische Architektur des Kommunikations-

systems muss ein Höchstmaß an Flexibilität zur Gestaltung von

fachlichen Geschäftsprozessen bieten. Fachliche Geschäftspro-

zesse müssen für spezielle und individuelle Profile (Kundenpro-

file, Standortprofile, etc.) dynamisch beschrieben und ebenso an

neue fachliche Änderungen dynamisch angepasst werden kön-

nen. Diese Flexibilität wird durch die komponentenbasierte Vor-

gehensweise bei der Entwicklung des Kommunikationssystems

erreicht. Die fachlichen Geschäftsprozesse, die durch das Kom-

munikationssystem unterstützt werden sollen, werden durch so

genannte Workflows beschrieben. Durch jeden Workflow wird

genau ein fachlicher Geschäftsprozess (z. B. Ankunft beim Emp-

fänger) mit seinen Bedingungen und Entscheidungen (z. B. Ver-

weigerung einer Auftragsannahme) beschrieben. Fachliche Ge-

schäftsprozesse können zusammenhängen, d. h. sie können sich

initieren oder bedingen (z. B. die Erfassung einer Annahmever-

weigerung durch einen Fahrer bei einem Empfänger löst durch

eine Änderung des Auftragsstatus eine Benachrichtigung an den

Disponenten aus und damit kann durch ihn die Erstellung eines

Retourenauftrags durchgeführt werden).

Im Rahmen des Softwareentwicklungsprozesses wurde ein

horizontaler Prototyp des Kommunikationssystems realisiert. Ein

prototypisches System kann dazu dienen den Nachweis der Prak-

MobilClient+ localWorkflow

DispoClient+ localWorkflow

XML/SOAP

e.g. GSM,UMTS

XML/SOAP

LAN

XML/SOAPwebservice

SetEvent

GetEvent

AddEventListener

RemoveEventListener

Workflow

Server

SQL

DBS,Repository

Communication&

EventHandling

Abbildung 21: Architektur des Softwaresystems

XML/SOAPLogistics

Software

System

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72 Arbeit im E-Business ARBEITSORIENTIERTE E-BUSINESS-ANWENDUNGEN IN DER LOGISTIKWIRTSCHAFT

tikabilität von Ideen (Architektur und Vorgehen) zu liefern, Er-

mittlung und Überprüfung von Anforderungen sowie eine Hard-

und Softwareinfrastruktur auf ihre mögliche Verwendbarkeit in

einem Softwareentwicklungsprojekt zu ermitteln. Diese Ermitt-

lung kann von einer reinen Kosten-/Nutzenbetrachtung über die

Gestaltung einer Benutzungsoberfläche incl. Benutzerführung

bis zu einer ausschließlichen technischen Machbarkeit reichen.

In dem Projekt SpiW wurde ein prototypisches System zur Eva-

luierung der Benutzungsoberfläche und Benutzerführung reali-

siert. Dieses prototypische System wurde in Workshops verschie-

denen Personen, die unterschiedliche Rollen (beispielsweise Fah-

rer, Disponent) innerhalb eines Speditionsunternehmens einneh-

men, unter Verwendung der Methode STWT vorgestellt.

Anwendung des STWT

Im Rahmen des Projektes SpiW wurden STWT-Workshops unter

Beteiligung von Disponenten, Fahrern, Managern der Zentrale

der Stute Verkehrs GmbH in Bremen, regionalen Managern sowie

Software-Experten in allen Phasen des Projektes durchgeführt.

Ging es anfänglich um die Reflektion der Informationsflüsse, die

in den aktuellen Arbeitsprozessen stattfinden, so konkretisierte

sich der Bezug zu dem zu entwickelnden Kommunikationssystem

im Laufe des Projektes immer mehr.

In der Qualifizierungsphase war der STWT schließlich Bestand-

teil eines umfassenden Qualifizierungskonzeptes: Nach einer rein

technischen Unterweisung im Umgang mit den Systemkomponen-

ten, spielten die Beteiligten realistische Szenarien zukünftiger

durch SpiW-Com unterstützter Arbeitsprozesse durch. Im Anschluss

daran wurden die Diagramme genutzt, um die Arbeitsprozesse

sowie die Nutzung von SpiW-Com systematisch durchzugehen und

auf organisatorischen Regelungsbedarf hin zu überprüfen.

4 Gestaltungsoptionen des STWT

Verwendet man die Methode des Socio-Technical Walkthrough

im Rahmen der Entwicklung und Einführung von E-Business-

systemen, so gibt es einige Gestaltungsoptionen. In dem Projekt

SpiW wurde das initiale Modell von den späteren Moderatoren

der Workshops auf Basis der Ergebnisse ausführlicher Beobach-

tungsinterviews erstellt, der Gruppe präsentiert und dann ge-

meinsam angepasst. Eine alternative Vorgehensweise besteht

darin, bereits das erste Modell im Rahmen von Workshops zu

erarbeiten. Während die erste Variante den Vorteil bietet, Erhe-

bungsergebnisse detailliert und vollständig darzustellen, liegt

der Vorteil der letzteren Variante in einem wahrscheinlich höhe-

ren Identifikationsgrad der Gruppe mit den Modellen. Die beiden

Varianten unterscheiden sich darüber hinaus in ihrem Anspruch

an die Kenntnisse der Workshopteilnehmer im Hinblick auf die

Modellierungsnotation: beginnt man nicht mit einem vorbereite-

ten Diagramm, so muss die Modellierungsnotation im Vorfeld

unter Verwendung anderer Beispiele geschult werden. Im Pro-

jekt SpiW konnte die Diskussion des vorbereiteten, initialen

Modells gleichzeitig zur Schulung der Notation verwendet wer-

den. Weitere Gestaltungsoptionen betreffen die Wahl der zu

beteiligenden Rollen, die Wahl der zum Einsatz kommenden

Medien sowie selbstverständlich die Formulierung geeigneter

Leitfragen für den Prozess des Socio-Technical Walkthrough.

Weitere Informationen

„Mobile Spedition im Web“

Förderkennzeichen: 01HT0143, 01HT0144, 01HT0145, 01HT0146

www.spiw.net

Ansprechpartner des Projekts:

Prof. Dr. Ernst-Erich Doberkat

Universität Dortmund

Fachbereich Informatik

Lehrstuhl für Software-Technologie

Baroper Strasse 301

44221 Dortmund

Tel.: 0231 755-2781

E-Mail: [email protected]

Ansprechpartner beim Projektträger:

Klaus Wegner

Tel.: 0228 3821-126

E-Mail: [email protected]

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 72

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73ARBEITSORIENTIERTE E-BUSINESS-ANWENDUNGEN IN DER LOGISTIKWIRTSCHAFT Arbeit im E-Business

3.2 Unterstützung für Auslieferungsfahrerbei Kurier-, Express- und Paketdiensten

André Quadt, Patrick Wader; FIR – Forschungsinstitut für

Rationalisierung an der RWTH Aachen

Dirk Rösler, IAW – Institut für Arbeitswissenschaft an der

RWTH Aachen

1 Einleitung

Der Markt der Kurier-, Express- und Paketdienste (KEP) weist eine

hohe Dynamik auf und stellt ständig neue Anforderungen an

seine Akteure. Das Forschungsinstitut für Rationalisierung an der

RWTH Aachen (FIR) hat deshalb zusammen mit verschiedenen

Partnern ein Forschungsprojekt initiiert und durchgeführt, das

sich dieser Thematik widmet. Unter dem Titel „ParcelMan – Ver-

änderte Anforderungen an Mitarbeiter in der Distributionslogis-

tik“ untersuchten die Projektpartner Antworten auf neue Frage-

stellungen der KEP-Branche. In Zusammenarbeit mit dem Institut

für Arbeitswissenschaft (IAW) der RWTH Aachen, der Bamberger

BI-LOG AG, sowie der adisoft AG, Karlsruhe, werden Gestaltungs-

ansätze erforscht, die Unternehmen in die Lage versetzen, mit

neuen Konzepten auf die veränderten Bedingungen zu reagie-

ren. Dabei standen sowohl technische als auch organisatorische

und mitarbeiterorientierte Aspekte im Mittelpunkt der Arbeit.

Die Verbundpartner wurden bei ihrer Arbeit u. a. unterstützt vom

Institut für Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF), Köln, und

der Technologieberatungsstelle beim DGB, Hagen. Im Projekt

sollte gezeigt werden, wie neue Technologien in der Logistik ge-

staltet werden können, um Mitarbeiter zu unterstützen und zu

entlasten. Das Projekt bezieht sich also auf die elektronische Un-

terstützung der Geschäftsprozesse und der Arbeit des „ParcelMan“.

Um sich im Wettbewerb mit großen Dienstleistern durchset-

zen zu können, differenzieren sich kleine und mittlere KEP-Un-

ternehmen vielfach über Mehrwertdienstleistungen, die während

des Auslieferungsprozesses (Zustellung) an Kunden erbracht wer-

den. Deshalb standen diese im Fokus der Projektdurchführung. Um

Mehrwertdienstleistungen in der Zustellung erbringen zu können,

wie beispielsweise das Austauschen von Mobilfunkgeräten oder

das Übermitteln von Vertragsdokumenten, ist die enge zeitliche

Koordination mit den Kunden erforderlich, da diese im Zuge der

Dienstleistungserbringung angetroffen werden müssen. Hierzu

werden heute vielfach Zeitfenster mit Kunden vereinbart, in denen

die Zustellung erfolgt. Im Projekt wurde eine Logistikleistung samt

technologischer Hilfsmittel entworfen und in einem prototypi-

schen Testbetrieb auf die Belastung und Beanspruchung für die

Mitarbeiter untersucht. Zur Spezifikation der Dienstleistung wur-

den Methoden des Service Engineering angewandt.

2 Ergebnisse des Projekts ParcelMan

Im Folgenden werden wesentliche Ergebnisse des Forschungs-

projekts ParcelMan vorgestellt. Dabei werden sowohl Aspekte der

Planung der Zustellung betrachtet als auch der Technologie-

gestaltung, mit welcher die Ausführung der Zustellung unter-

stützt werden soll. Die Ergebnisse werden schließlich arbeitswis-

senschaftlich validiert. Abschließend werden Schulungskonzepte

zur weiteren Unterstützung des „ParcelMan“ vorgestellt.

Multiagentenbasierte Planungsmethodik für die Zustellung

Die technologische Unterstützung bei KEP-Diensten ist heute

eher gering. Dies gilt besonders für kleine und mittlere Unterneh-

men, die nicht über die Ressourcen für proprietäre Lösungen ver-

fügen. Anstrengungen zur übergreifenden Standardisierung von

Daten und ihrer Verarbeitung bei KEP-Diensten hatten bislang

wenig Erfolg. Zur Planung und Steuerung der Zustellung setzen

KEP-Dienste eigene, häufig nur manuelle Lösungen ein. Diese

Lösungen sind in ihrer Leistungsfähigkeit jedoch begrenzt. So

können diese beispielsweise kaum enge Zeitfenster oder dynami-

sche Aspekte in der Planung berücksichtigen. Während große

Unternehmen auf der letzten Meile in breitem Umfang mobile

Geräte einsetzen, insbesondere zur Dokumentation des

Haftungsübergangs und um Tracking und Tracing Systeme mit

Daten zu versorgen, ist der Geräteeinsatz bei kleinen und mittle-

ren Unternehmen nur sehr begrenzt zu beobachten. Auch sind

keine KEP-Netze bekannt, die netzweit Navigationssysteme ein-

setzen. Bei mobilen Geräten stellen insbesondere die hohen

Investitionskosten ein Hindernis dar, da jeder Auslieferungsfah-

rer mit einem eigenen Gerät ausgerüstet werden muss.

Im Projekt ParcelMan wurde deshalb eine Lösung konzipiert

und umgesetzt, die eine dynamische Planung der Zustellung mit

Zeitfensterrestriktionen ermöglicht und die auf vorhandener

technischer Ausrüstung basiert. Im Hinblick auf die vorliegende

Planungsproblematik eignet sich die Anwendung der Multiagen-

tentheorie besonders gut. Die auf dieser Basis entwickelte Pla-

nungsmethodik berücksichtigt besonders die Autonomie der

Marktteilnehmer und dynamische Aspekte wie das zeitlich ver-

teilte Auftreten von Kundenaufträgen. Jeder Marktteilnehmer

wird durch einen autonomen (Software-)Agenten repräsentiert,

der die zur Planung benötigten Fähigkeiten besitzt, etwa für die

Routenplanung. Der Planungsprozess beachtet dabei Kapazitäts-

und Zeitrestriktionen und stellt so sicher, dass das Ergebnis aus

Sicht der Fahrer in jedem Fall erfüllbar ist. Zusätzlich werden die

Qualifikationen der Fahrer für besondere Aufträge, wie z. B. be-

stimmte Mehrwertdienste, in der Methodik berücksichtigt.

Das Ergebnis der Planung stellt eine individuelle Rollkarte

(Auftragsliste) für den Fahrer dar, die die Reihenfolge der Liefe-

rungen und Angaben wie Zeitfenster, geplante Ankunftszeit,

Adresse, Art der Dienstleistung etc. enthält. Alle angebotenen

Mehrwertdienste in der Zustellung wie beispielsweise zur Iden-

tifikation oder Legitimation des Empfängers können auf diese

Weise in der Planung berücksichtigt werden.

Prozessunterstützung in der Zustellung durch mobile Geräte

Um die eigentliche Zustellung in der Ausführung zu unterstüt-

zen, sind weitere Instrumente notwendig. Der Ablauf der jeweili-

gen Dienstleistung ist in einem Sollprozess festgelegt. Dieser

wurde auf mobilen Endgeräten abgebildet.

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 73

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74 Arbeit im E-Business ARBEITSORIENTIERTE E-BUSINESS-ANWENDUNGEN IN DER LOGISTIKWIRTSCHAFT

Basierend auf einer integrierten Technologieeinsatzplanung

wurden zwei alternative Implementierungen (Handy und Smart-

phone) als technische Demonstratoren realisiert. Die erforderli-

che Hardware ist breit verfügbar; Handys können heute als vor-

handen vorausgesetzt werden. Die Smartphone-Variante stellt

einen Ausblick auf die in wenigen Jahren in der Breite verfügba-

ren Technologien dar. Somit können heute Technologien reprä-

sentiert werden, die in zukünftigen Mobilgeräten (z. B. in UMTS-

Endgeräten) breit verfügbar sein werden wie beispielsweise

hochauflösende Farbdisplays und Touchscreens.

Das mobile Gerät bietet eine Schritt-für-Schritt Unterstützung

für den Fahrer. Interaktiv wird dieser durch den Prozess begleitet

und kontextsensitiv mit allen notwendigen Informationen ver-

sorgt. Über Hilfefunktionen sind jederzeit zusätzliche Informa-

tionen abrufbar. Dies bedeutet eine erhebliche Entlastung für

den Fahrer, da einerseits Fehler vermieden werden und anderer-

seits, durch automatische Erfassung des Prozessfortschritts, die

häufige, manuelle Statusmeldung entfällt.

Arbeitswissenschaftliche Validierung durch Labor- und

Feldversuche

Die Qualität der software-ergonomischen Gestaltung ist zum

einen bei der Entwicklung und Beschaffung und zum anderen

bei der Überprüfung bereits im Einsatz befindlicher Software von

Interesse. Trotz dieses Bedarfes existiert derzeit keine allgemein

anerkannte Methodik zur Evaluation von software-ergonomi-

schen Gestaltungslösungen. Allgemeine Gestaltungsgrundsätze

zur Software-Ergonomie finden sich in der Bildschirmarbeits-

verordnung (BildschArbV), präzisere Richtlinien sind in der Norm

DIN EN ISO 9241 Teil 10 definiert. Darüber hinaus bedient man

sich bei der Evaluation häufig der objektiven Kriterien Zeit, (Be-

dien-)Fehler und einer subjektiven Bewertung der Software

durch den Nutzer.

Im Projekt ParcelMan erfolgte die Evaluation der Unterstüt-

zungssoftware durch Testreihen im Labor sowie durch Testfahr-

ten, bei denen Zusteller ein mobiles Endgerät zur Prozessunter-

stützung im realen Arbeitsfeld nutzten und bewerteten. Eine

Übersicht über das Vorgehen zur software-ergonomischen Eva-

luation im Labor zeigt Abb. 22. Die dargestellte Evaluation basier-

te hierbei auf objektiven Messwerten (Bearbeitungszeiten und

Bedienfehlern) sowie auf subjektiven Bewertungen, die mit Hilfe

eines Fragebogens auf Basis der DIN EN ISO 9241 Teil 10 im An-

schluss an die durchgeführten Versuchsreihen erhoben wurden.

Zur Bewertung der Software im Labor informierten sich die

Versuchspersonen (= potenzielle Nutzer) in einem ersten Schritt

anhand eines Kontextszenarios über die Ziele, Abläufe und Um-

stände des Zustellprozesses (= Soll-Prozess). In einem zweiten

Schritt wurden die Versuchspersonen über die Hauptaufgaben

der Software mit Hilfe eines Use-Szenarios instruiert. Zur Ermitt-

lung objektiver Messdaten bearbeiteten die Versuchspersonen im

Anschluss verschiedene Aufgaben, wobei die Benutzeroberfläche

der Unterstützungssoftware auf einem Laptop dargeboten wur-

de. Das Benutzerverhalten der Versuchspersonen wurde hierbei

mit Hilfe des Programms „Camtasia Studio“ von TechSmith aufge-

zeichnet. Nach der Bearbeitung der im Use-Szenario vorgegebe-

nen Zustellaufgaben wurden die zur Bearbeitung benötigten

Zeiten sowie die dabei aufgetretenen Bedienfehler analysiert.

Darüber hinaus erfolgte eine subjektive Bewertung der Software,

indem die Versuchspersonen ihre subjektiven Eindrücke in

einem speziell für das Projekt konstruierten Fragebogen be-

schrieben. Der Aufbau des Fragebogens orientierte sich an den

folgenden Gestaltungsgrundsätzen:

+ Aufgabenangemessenheit,

+ Selbstbeschreibungsfähigkeit,

+ Erwartungskonformität,

+ Steuerbarkeit,

+ Fehlertoleranz,

+ Individualisierbarkeit,

+ Lernförderlichkeit.

Die allgemein formulierten Grundsätze der Dialoggestaltung

wurden im Fragebogen in Form verschiedener Prüfkriterien ope-

rationalisiert. Hierzu wurden die sieben Gestaltungsgrundsätze

in entsprechende Einzelaussagen „übersetzt“. Der von den Ver-

suchspersonen als leicht verständlich bezeichnete Fragebogen

lieferte wichtige Hinweise auf aktuelle Schwachstellen in der soft-

ware-ergonomischen Gestaltung und ermöglichte eine gezielte

Modifikation der im Feld auf einem mobilen Endgerät ausgege-

benen Prozessunterstützung.

Nach zwei Testreihen im Labor, denen sich jeweils Neupro-

grammierungen einzelner Prozessschritte (z. B. Veränderungen

im sequenziellen Ablauf der vom Zusteller abzuarbeitenden Ein-

gaben) sowie Veränderungen der Benutzeroberfläche (z. B. Ände-

rungen in der Anordnung von Symbolen und Buttons zur Ein-

gabe von Befehlen) anschlossen, fanden Feldversuche mit Fah-

– Analyse der objektivenDaten und der subjektivenBefragungsergebnisse

– Ableitung vonGestaltungsvorschläge

– ggf. Programmierungalternativer Lösungen

– ggf. erneute Bewertungder Software

Ende

TestdatenFragebogenzur ISO-Norm

– +Bewertung

Abbildung 22: Überblick des Vorgehens zur software-ergonomischen Bewertung im Labor

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 74

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75ARBEITSORIENTIERTE E-BUSINESS-ANWENDUNGEN IN DER LOGISTIKWIRTSCHAFT Arbeit im E-Business

rern unterschiedlicher Zustellstationen statt. Vor der Durchfüh-

rung der eigentlichen Feldversuche wurden verschiedene Hypo-

thesen generiert, die im Ergebnis der Versuche überprüft werden

sollten. Die Hypothesen leiteten sich aus Zielen ab (= Erleichte-

rung der Arbeit, verbunden mit einem Zuwachs an Effizienz,

Arbeitszufriedenheit und -motivation), die im Projekt mit der

Nutzung der Software bzw. der mobilen Endgeräte angestrebt

wurden. Im Feldversuch verkörperte das von den Zustellern ver-

wendete Hilfsmittel die sogenannte Unabhängige Variable (UV).

Aus einer systematischen Variation dieser UV (mobiles Endgerät

versus „klassische“ Auftragsbearbeitung) sollten bestimmte Ver-

änderungen in den Ausprägungen der Abhängigen Variablen

(AV) resultieren. Die Veränderungen der AV sind somit ein Maß

für den Einfluss der UV, welcher in den Testfahrten zu untersu-

chen war. Als AV wurden erhoben:

+ Bearbeitungszeit pro Auftrag (AV1),

+ Unklarheiten wie Rückfragen an den Versuchsleiter,

Einholen von Unterstützung durch das Backoffice (AV2),

+ Testwerte im Fragebogen zur subjektiven Bewertung der

Komplexität, Arbeitszufriedenheit, -motivation und

Sicherheit (AV3),

+ Testwerte im Fragebogen zur subjektiven Bewertung des

Ausmaßes von psychischer Ermüdung und Sättigung,

Monotonie und Stress (AV4).

Um Störvariablen (= Faktoren, die möglicherweise einen Einfluss

auf die AV haben, in der Studie jedoch nicht von Interesse sind) zu

kontrollieren, wurde in den Feldversuchen das folgende Unter-

suchungsdesign gewählt:

Im dargestellten Untersuchungsdesign wurden die KEP-Zusteller

von jeweils einem Beobachter begleitet. Die Zusteller bearbeite-

ten jeweils fünf Aufträge mit einer „klassischen“ Auftragsliste

und fünf Aufträge mithilfe eines mobilen Endgerätes. Die Rei-

henfolge in der die Auftragsliste bzw. das mobile Endgerät zum

Einsatz kam sowie die Tageszeit der Versuchsdurchführung ist

aus Abb. 23 ersichtlich.

Im Verlauf der Fahrten wurden die Bearbeitungszeiten der

Aufträge und die Anzahl der Unklarheiten im Zustellprozess (Rück-

fragen beim Call-Center, etc.) erhoben. Am Ende der Testfahrten

füllten die Fahrer einen Fragebogen zur subjektiven Sicherheit,

Arbeitszufriedenheit und -motivation sowie zur subjektiv wahrge-

nommenen psychophysiologischen Beanspruchung aus.

Im Ergebnis der durchgeführten Laborversuche konnte die

Software zur Unterstützung des Zustellprozesses kontinuierlich

verbessert und an den Anforderungen potenzieller Nutzer ausge-

richtet werden. Hypothesen, die im Zusammenhang mit der

Nutzung des mobilen Endgerätes im Feldversuch aufgestellt wur-

den, ließen sich insbesondere bei Testfahrern verifizieren, denen

die Bearbeitung der Zustellaufträge mittels „klassischer“ Auf-

tragsliste nicht bzw. noch nicht lange vertraut war. Sie berichte-

ten beispielsweise über eine Zunahme der subjektiven Sicherheit,

Arbeitszufriedenheit und -motivation infolge der mobilen Pro-

zessunterstützung.

Schulungskonzepte für Zustellungsfahrer

Mithilfe einer im Projekt ParcelMan konzipierten Internetplatt-

form wird der Prozess der Rekrutierung und Auswahl von KEP-

Mitarbeitern sowie die Verwaltung wichtiger Fahrerdaten wirk-

sam unterstützt. Gleichzeitig ermöglicht die Plattform den Zu-

griff auf spezielle Schulungsinhalte, die vom KEP-Mitarbeiter bei

Bedarf gezielt abgerufen werden können.

Zusteller Vormittag Nachmittag

Auftragsliste Endgerät Auftragsliste EndgerätEndgerät Auftragsliste Endgerät Auftragsliste

1 x

2 x

3 x

4 x

5 x

6 x

7 x

8 x

9 x

10

Abbildung 23: Untersuchungsdesign der Feldversuche

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 75

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76 Arbeit im E-Business ARBEITSORIENTIERTE E-BUSINESS-ANWENDUNGEN IN DER LOGISTIKWIRTSCHAFT

Mithilfe der Online-Schulungen, die über die Internettplattform

abgerufen werden können, werden durchgeführte Präsenzschu-

lungen ergänzt. Befindet sich der Mitarbeiter im geschützten

internen Bereich der Internetplattform, hat er die Möglichkeit,

wichtige Schulungsinhalte und nützliche Links zur Unterstüt-

zung seiner Tätigkeit im KEP-Dienst einzusehen. Sein Wissen im

Bereich der online angebotenen Schulungsinhalte kann der Mit-

arbeiter mithilfe kurzer Lernkontrollfragen testen, die am Ende

der jeweiligen Kapitel zu finden sind. Darüber hinaus lassen sich

die verschiedenen Schulungstexte bei Bedarf auch auf den eige-

nen PC downloaden (Diskettensymbol).

3 Fazit

Durch die Erstellung der Planungsmethodik wurde eine Lösung

erzielt, die sich für den Praxiseinsatz empfiehlt. Dadurch existiert

nun erstmalig eine Möglichkeit, unter Berücksichtigung der Ge-

gebenheiten der betrachteten Anwendungsdomäne Kundenan-

fragen in Echtzeit zu behandeln und eine Planung auf Basis der

verfügbaren Kapazitäten durchzuführen. Auch wurde durch die

gewählte Umsetzung die Berücksichtigung darüber hinaus

gehender Aspekte des Praxiseinsatzes wie beispielsweise einer

Ausweitung auf Fragen der Steuerung vorbereitet.

Zur Unterstützung der Prozessausführung wurden im Projekt

zwei technische Demonstratoren in der Form von Software für

mobile Endgeräte erstellt. Auf diese Weise wurden die Sollpro-

zesse umgesetzt. Durch den prototypischen Einsatz im Rahmen

von Labor- und Feldversuchen konnte die Akzeptanz der Lösun-

gen verbessert und die Leistungsfähigkeit nachgewiesen werden.

Mithilfe der Internetplattform kann ein konstant hohes Niveau

der vom KEP-Mitarbeiter beeinflussbaren Dienstleistungsqualität

sichergestellt werden. Hierzu wird der Prozess der Rekrutierung und

Auswahl von kompetenten Mitarbeitern systematisch unterstützt.

Gleichzeitig ergänzen die im internen Bereich der Plattform angebo-

tenen Wissensinhalte die bislang durchgeführten Präsenzschulun-

gen und helfen den KEP-Mitarbeitern bei der erfolgreichen Bewälti-

gung der an sie gerichteten Kundenanforderungen. Weitere Infor-

mationen zum Forschungsprojekt finden sich auf: www.parcelman.de

Weitere Informationen

„Veränderte Anforderungen an Mitarbeiter in der

Distributionslogistik„

Förderkennzeichen: 01HT0148, 01HT0149, 01HT0153, 01HT0201

www.parcelman.de

Ansprechpartner des Projekts:

Stefan Bleck

FIR Forschungsinstitut für Rationalisierung an der RWTH Aachen

Pontdriesch 14/16

52062 Aachen

Tel.: 0241 47705-502

E-Mail: [email protected]

Ansprechpartner beim Projektträger:

Klaus Wegner

Tel.: 0228 3821-126

E-Mail: [email protected]

Veröffentlichungen aus dem Projekt

Li, Z.; Rösler, D.; Meszlery, K. (2003): Investigation of Personnel Qualification Requirements and Responsibilities by Mining Job Posting Web

Pages. In: Ergonomic in the Digital Age. Proceedings of the 15th Triennial Congress of the IEA and the 7th Joint Conference of Ergonomics

Society of Korea. Hrsg.: The Ergonomics Society of Korea. Seoul 2003.

Park, J.-S.; Meszlery, K.; Rösler, D.; Brüggmann, M.; Luczak, H. (2003): Task Analysis of Cep Service Drivers in Terms of Ergonomics and

Logistics. In: Ergonomic in the Digital Age. Proceedings of the 15th Triennial Congress of the IEA and the 7th Joint Conference of Ergonomics

Society of Korea. Hrsg.: The Ergonomics Society of Korea. Seoul 2003.

Quadt, A.; Bleck, S. (2003): An Integrated Technology Model for Process Oriented ICT Planning. In: Human Factors in Organizational Design

and Management. Hrsg.: Luczak, H.; Zink, K. J., IEA Press, Santa Monica, S. 469-474.

Rösler, D.; Meszlery, K. (2003): Der Mitarbeiter von morgen – Analyse der gegenwärtigen Anforderungssituation an Mitarbeiter in der KEP-

Branche. In: Logistik heute, 25(2003)7-8, S. 22-23.

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 76

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77ARBEITSORIENTIERTE E-BUSINESS-ANWENDUNGEN IN DER LOGISTIKWIRTSCHAFT Arbeit im E-Business

3.3 Chancen und Barrieren der elektroni-schen Vernetzungen in der Binnen-schifffahrt

Dankwart Danckwerts, Universität Duisburg-Essen

1 Handlungsrahmen und Projektziel

In dem Projekt „Auswirkungen der elektronischen Vernetzungen

auf die Geschäftsbeziehungen der Binnenwassertransporte“

(eBusiNet) wurde untersucht, ob und inwieweit E-Business einen

Beitrag zur weiteren Entwicklung der Geschäftsbeziehungen für

den Verkehrsträger Binnenschifffahrt leisten kann.

In der Zeit von 1992 bis 2000 veränderte sich die Stellung der

Binnenschifffahrt auf dem Gütertransportmarkt in Deutschland

wie folgt:

Die Frachtschiffe wurden im Jahre 2000 von ca. 800 Partikulier-

unternehmen und einer Reihe Reedereien betrieben. Den spezifi-

schen Stand der Binnenschifffahrt charakterisieren heute freie

Kapazitäten an Schiffsraum und auf den Verkehrswegen, wie ihre

oft hervorgehobenen ökologischen Vorteile. Vergleiche der Leis-

tungen von Bahn und LKW mit der Binnenschifffahrt in den Jah-

ren 1992 und 2000 zeigen nur geringfügig veränderte prozentua-

le Anteile der Binnenschifffahrt an den Gütertransporten auf den

Straßen (von 7,9 % auf 7,4 %), während die Relationen zur Bahn

einen beachtlichen Vorteil in der Transportproduktion über weite

Strecken aufweisen (von 57,3 % auf 97 %). Hier liegen Zuwächse ge-

rade im Kontext der EU-Erweiterung. Ob diese deutschen Unter-

nehmen zugute kommen werden, hängt vornehmlich von ihren

innovativen Investitionen ab. Vor dieser Periode wurden im Trans-

portsektor neue Managementkonzepte2 umgesetzt, die in den 90er

Jahren auch in dieser Branche bestimmend wurden. Sie rationali-

sierten den Gütertransport und bewirkten eine Trennung der Kern-

aufgabe, Transport, von den zugehörigen Speditionsleistungen.

Die Politik der Bundesregierung deregulierte 1994 den Markt.

Das Konzept des Projekts wurde gemeinsam mit über 20 Auf-

tragnehmern der Unternehmen im Wassertransport diskutiert.

Angestrebt wurde eine Optimierung der Leistungsparameter und

der systemischen Zusammenhänge. Im Vordergrund standen

Bemühungen, Chancen und Barrieren der technologischen Inno-

vationen durch elektronische Vernetzungen zu ermitteln und zu

unterstützen. Es bestand weitgehende Übereinstimmung dar-

über, dass vernetzte Computersysteme den funktionalen Para-

metern der Binnenschifffahrt große Vorteile bringen könnten.

Die weiteren Ausführungen gehen auf drei Arbeitskomplexe ein

und skizzieren den aktuellen Stand der Auswertung.

2 Elektronische Vernetzung mit dem Markt,vom Schiff aus

Die Beurteilungen der Nutzeffekte des E-Business in der Binnen-

schifffahrt gingen vor dem Beginn der Projektarbeit3 weit ausein-

ander. Die Aussagen der Experten ließen nur in wenigen Fällen

einen hohen Informationsstand und große Erwartungen erken-

nen. Die Unkenntnis über diese technologische Neuerung war noch

verbreitet. Auch im geschäftlichen Umfeld der Schifffahrt beruhten

die Vorstellungen aus der Praxis nur selten auf Erfahrungen mit

elektronischen Medien satellitenvernetzter Systeme. Dies galt in

Häfen, Reedereien, Befrachtungsunternehmen und der Schifffahrt.

Partikuliere und angestellte Schiffsführer waren jedoch interessiert,

sich am Erfahrungsaustausch und an Überlegungen zur Praxis-

umsetzung von E-Business zu beteiligen. Besonders faszinierten

Möglichkeiten, zugängliche Informationssysteme zur Verbesserung

der Markttransparenz zu nutzen. Auch erste Frachtenbörsen für die

Binnenschifffahrt wurden im Internet präsentiert.

Gespräche mit Unternehmern, Experten, Verbänden, Häfen

und Vertretern der Politik zur Gewinnung von Partnern ergaben

ebenfalls unterschiedliche Einschätzungen, jedoch auch großes

Interesse an dem Thema. In dieser Phase der Abrundung des

Forschungsrahmens wurden erste Konturen differenter Praxis-

interessen sichtbar. Das Ergebnis einer Veranstaltung am Stand-

ort Duisburg4, die von über 20 einschlägigen Praktikern besucht

wurde, war die Fundierung und Erweiterung wichtiger Projekt-

themen. Es ging um die Chancen für Partikuliere, das Thema

Nachwuchs und Qualifikation und die Forderung nach dringli-

cher politischer Unterstützung der Schifffahrt. Übereinstimmend

wurde die Einschätzung geteilt, dass der Nutzung von E-Business

noch eine Reihe erheblicher Hindernisse im Wege stünden. Parti-

kuliere und ihre Vertreter sahen Chancen für sich bei zukünfti-

gen Anwendungen, betrachteten aber deren wirtschaftliche

Nutzung zu jener Zeit mit Skepsis. Diese bezog sich vor allem auf

die aktuellen Preise der Anschaffung und des Betriebes der IuK-

Technik, Mängel an der vorhandenen Hardware, wie die Kapazi-

täten der Übertragungen per Telefon und Netzlücken entlang der

Wasserwege. Zudem gab es die Einschätzung einer nur geringen

Erreichbarkeit der Marktpartner über das Internet.

Güterverkehr (in Mio. t) 230,0 242,2

Verkehrsleistung (in Mrd. tkm) 57,2 66,5

Frachtschiffe Tonnage (1000 t) 3282 2448

Deutsche Unternehmen (in Mio. t) 104,5 91,4

(in Mrd. tkm) 31,4 30,2

Tabelle 3: Leistungsparameter im Gütertransport1 2

Binnenschifffahrt

1 Deutscher Verkehrsverlag, Hamburg 2001, S. 226-228

1992 2000

2 z. B. lean production, Logistik, Supply Chain Vernetzungen

3 Das betrifft die Zeit ab Mitte 2001, weil die konzeptionellen Vorarbeiten schon vieleKontakte auch mit Vertretern der Branche einschlossen.

4 Der Workshop wurde am 20. September 2000 durchgeführt.

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 77

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78 Arbeit im E-Business ARBEITSORIENTIERTE E-BUSINESS-ANWENDUNGEN IN DER LOGISTIKWIRTSCHAFT

Zur systematischen Ermittlung5 der Lage in der Binnenschiff-

fahrt wurde im Jahr 2002 eine empirische Erhebung durchge-

führt, die Expertengespräche an Bord, eine strukturierte Internet-

befragung und eine erste repräsentative Telefonbefragung durch

ein wissenschaftliches Institut der Universität Duisburg-Essen

beinhaltete. Die Ergebnisse der Befragung wurden Ende Fe-

bruar 2002 im Lenkungskreis den Auftragnehmern, den Partnern

und der Presse präsentiert6. Der Einsatz internetfähiger Compu-

ter, die oft zu Hause installiert wurden, hatte im ersten Halbjahr

unserer Projektarbeit zugenommen. Die Reaktion der Teilneh-

merInnen auf die Ergebnisse der repräsentativen Erhebung war

teils zustimmend, teils kontrovers. Einige Akteure aus der Schiff-

fahrt äußerten sich skeptisch gegenüber der ermittelten hohen

Zahl an Internetzugängen an Bord und Zuhause. Die bleibenden

Eindrücke der Diskussion als einer informativen Debatte ergaben

sich auch aus zustimmenden Äußerungen, die mit einem ähnli-

chen Erfahrungshintergrund begründet wurden. Zum Ende der

Laufzeit des Projektes, wiederholten wir mit einer Panelunter-

suchung die Telefonbefragung.

Die Veränderungen des Ausstattungsgrades (Internetzu-

gang) zwischen 2002 und 2003 zeigen die folgenden Grafiken7.

Die angeführten Internetzugänge insgesamt sind danach zurück-

gegangen, von 54% auf 43%. In 1 1/2 Jahren waren so 30,04 % der

vernetzten Schiffe von 2002 nicht mehr angeschlossen, was als

quantitative Aussage verblüfft.

Nahe liegt eine Erklärung, die den beobachteten Prozess der

äußerst zögerlichen und widersprüchlichen Beschäftigung mit

dem Thema elektronische Medien zusammenfasst in dem Satz:

Für viele ist das Experimentieren enttäuschend gewesen und sie

resignierten. Andererseits zeigt die folgende Grafik, eine positive

Entwicklung. Die Zuwächse der bordseitigen Installationen von

27 auf 39 % deuten auf eine Intensivierung der schiffseitigen

Nutzung. Erst sie kann einige Nachteile gegenüber Strasse und

Bahn kompensieren.

Abbildung 25: Ort des Internets

nur an Bord02

nur an Bord03

nur an Land02

nur an Land03

an Bord + Land02

an Bord + Land03

an Bord gesamt 02

an Bord gesamt03

Grau betrifft die erste Telefonumfrage 2002, Orange steht für das 2. Panel, Herbst 2003. Der Zuwachs von Instal-lationen insgesamt (54% auf 60%) in Relation zu dem Rückgang an Bord (26% auf 21%) deutet auf die angespro-chene Intensivierung der Nutzung insofern, „wem es Sinn macht, der nutzt es von Bord“ aus.

27%

39%

46%

40%

26%

21%

54%

60%

5 Die Erhebungsdaten sind im Abschlussbericht nachzulesen. Ausschnitte finden sichin dem Bericht.

6 Die Einzelergebnisse werden im Abschlussbericht veröffentlicht.7 Die gelben Balken beziehen sich auf die erste Telefonumfrage 2002, die hellgelben

stehen für das zweite Panel, erhoben im September 2003.

Internet 2002

Kein Internet 2002

Internet 2003

Kein Internet 2003

54 %

Abbildung 24: Ausstattungsgrad

46 %

43 %

56 %

E-Business_lup 18.11.2004 11:43 Uhr Seite 78

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79ARBEITSORIENTIERTE E-BUSINESS-ANWENDUNGEN IN DER LOGISTIKWIRTSCHAFT Arbeit im E-Business

Resümee: Das Resultat der ersten Bestandsaufnahme ergab

keine eindeutige Klarheit und löste eine kontroverse Debatte dar-

über aus. In ihr nur unterschiedliche Erfahrungen oder mögliche

Gegensätze zwischen Theorie und Praxis zu vermuten, reicht als

Antwort nicht. Die beteiligten Fachleute waren alle mit dem

Thema vertraut und gingen trotz unterschiedlicher beruflicher

Einbindungen immer auch von existenziellen Gründen aus. Die

Kommunikation über das Internet war jedoch neu und wurde

zunächst oft als bedrohlich, vielleicht nutzbar oder als Experi-

ment angesehen. Das klingt banal, kennzeichnet jedoch eine

extreme Konkurrenzsituation der Unternehmen untereinander.

Da bekommt jede auf Exaktheit beharrende Information, und vor

allem, wenn sie sich als wissenschaftlich begründet ausweist,

einen hohen Handlungsdruck. Wie aber ist dem zu genügen,

wenn die Botschaft angesichts der sonstigen Unklarheiten die

Konfusion erhöht, statt sie aufzulösen? Die Barrieren der Nut-

zung entspringen vielen Aspekten der Geschäfte. Wachsenden

Ansprüchen des Alltagshandelns zu folgen braucht Zeit, Annähe-

rung und erfolgreiche Vorbilder.

3 Unternehmerhandeln und wirtschaftlicheChancen im Wassertransport

Für Partikuliere als selbstständige Unternehmer und für ange-

stellte Schiffsführer galt noch vor etwas mehr als einem Jahr-

zehnt, dass die Schiffe zeitweilig extrem abgeschlossen vom

Markt operieren mussten. In dringenden Fällen konnten auf der

Strecke an bekannten Stellen (Schleusen, Wahrschauer8, Häfen)

Außenkontakte zum Informationstausch genutzt werden. Dieser

temporäre Ausschluss von geschäftlicher Kommunikation von

Bord aus wurde für eine Reihe von Partikulierunternehmen aus-

geglichen durch eigene „Stationen an Land“ (z. B. über ihre Fami-

lien) oder indem die Speditionsaufgaben an Befrachter übertra-

gen blieben oder wurden9.

Vor der Aufhebung der regulierenden Festtarife 1994 benach-

teiligte diese Konstellation den wirtschaftlichen Rahmen der

Partikulierunternehmen kaum. Dies änderte sich danach in weni-

gen Jahren, als Transportmanagement und Fahrtätigkeit im Zuge

der arbeitsteiligen Verselbstständigung der Logistik mehr oder

weniger getrennt wurden10. Wenngleich die Euphorie über den

Erfolg dieser neuen logistischen Qualifikation sich für die Reede-

reien und Genossenschaften nur eingeschränkt bewahrheiteten,

führte diese erweiterte Arbeitsteilung bei bloßen Fahrtätigkeiten

zu erheblichen Tarifsenkungen für die Partikuliere, die seitdem

zunehmend ihre wirtschaftlichen Existenzen bedroht sehen. Die

Reedereien haben sich vielfach entschlossen, der Tendenz dieser

Trennung zu folgen. Durch Verkauf bzw. Verpachtung großer

Anteile ihrer Flotte an Schiffsführer übernahmen Reedereien nur

noch die Frachtakquirierung und Speditionsleistungen. Der An-

teil selbstständiger Partikuliere nahm unter diesen Bedingungen

zwar zeitweilig zu, die Bedrohung ihrer wirtschaftlichen Basis

führte jedoch zu einer kontinuierlichen Verringerung. Diese Ent-

wicklungen vor allem bewirkten den Rückgang des Anteiles

deutscher Schiffsunternehmen am inländischen Transportauf-

kommen auf heute 31 %.

Die Öffnung vom Schiff zum Markt begann mit Mobiltelefo-

nen, die über Satellitenvernetzungen, jedoch relativ eingeschränkt

zum Einsatz kamen. Entscheidend wurden wenige Jahre später die

Mobilfunknetze. Mit ihrer rasanten Verbreitung traten zwei we-

sentliche Veränderungen für die Partikulierschifffahrt ein.

Die isolierte Lage wurde durch den direkten Zugang zu allen

Beteiligten des Transportmarktes aufgehoben. Partikulierunter-

nehmen wurde es möglich, selbsttätig Frachten zu akquirieren.

Diese neuen Chancen stellten vor allem auch in Aussicht, anteilig

an den Aufwendungen für Speditionsaufgaben des Transportes

beteiligt zu werden.

In den letzten fünf Jahren haben sich die schiffsspezifischen

Informationen im Internet rapide entwickelt. Ihre Nutzung er-

möglicht, von Bord aus auf alle aktuellen Informationen der

Wasser- und Wetterverhältnisse, Preis- und Transportentwick-

lungen auf dem Gütermarkt zuzugreifen. Auch Schiffswartungen

und Dienstleistungen der Häfen, wie Straßentransporte für Vor-

und Nachläufe sind seitdem erschlossen. Verwaltungs- und Fi-

nanzleistungen der Unternehmen werden durch Softwareange-

bote unterstützt.11

Diese Neuerungen stellten die Frage nach ihrer innovativen

Umsetzung an die deutschen Partikulierunternehmen. Heute

gilt, der selbstverständlich gewordene Umgang mit Mobiltele-

fonen lässt die Kosten weniger wichtig erscheinen. Die Netze,

ausgebaut, sichern kontinuierliche Verbindungen und viele

erfolgreiche Kontrakte über Frachtenbörsen stützen die positive-

re Einschätzung. Belegen lässt sich jedoch, dass internetbasierte

Fracht vom Schiff akquiriert aus heutiger Sicht noch nicht gängi-

ger Teil des Geschäftshandelns ist.

Im Übergang auf elektronische Geschäftsprozesse sind die

erweiterten Möglichkeiten und Grenzen nicht so definiert, dass

sie Handlungssicherheit gewährleisten. Im Abschlussbericht wird

konkretisiert, wie und mit welchen Mitteln sich Reedereien und

Genossenschaften gegen Initiativen von Partikulieren wenden,

unternehmerische Möglichkeiten des E-Business zu nutzen12.

Druckmittel waren Kündigungen bestehender Verträge, Benach-

teiligungen bei Aufträgen und Abmahnungen. Dabei ist zu be-

achten, dass in den Verträgen der Partikuliere oder Schiffspäch-

ter in der Regel eindeutige Vereinbarungen darüber enthalten

sind, dass sie nur für ihre Reedereien und Genossenschaften fah-

ren dürfen. Zugespitzt heißt das, dass Reedereien nicht mehr

8 Flussseitige Stationen des Informationsaustausches über Lichtsignale und mitMegaphon, um vorbeifahrenden Schiffen Nachrichten zu vermitteln.

9 Stimmen aus dem Kreis der Partikuliere vermuten, dass diese Situation verantwort-lich sei für die geringe unternehmerische Eigenständigkeit vieler Schiffseigner.

10 Was vordem Unternehmenseinheiten bildeten, wurde jetzt auch in unterschiedlicheUnternehmen getrennt.

11 In einem Angebot für Weiterbildungen von Partikulieren, von der Ruhrkohle AG unddem Bundesverband der Selbstständigen, Abt. Binnenschifffart, (BDS) in der EU ein-geworben, werden ansatzweise auch diese Möglichkeiten in die Schulungen einbe-zogen. Vgl. Duisport 1/2004, elogistics im Fluss, S. 32ff.

12 Die Konzeption eines erweiterten Handlungsrahmens, wie sie im Projekt mit den„virtuellen Arbeitsgemeinschaften“ (vArGe) angesetzt war und weiter entwickelt wur-de, stieß ebenfalls auf heftigen Widerstand etablierter Verbände und Unternehmen.Der an uns gerichtete Vorwurf, „das Vorhaben schade der Binnenschifffahrt“, führtesicher bei vielen Partikulieren auch zur Zurückhaltung in der Zusammenarbeit mit uns.

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80 Arbeit im E-Business ARBEITSORIENTIERTE E-BUSINESS-ANWENDUNGEN IN DER LOGISTIKWIRTSCHAFT

eigene Schiffe bewirtschaften, sondern zu Speditionen wurden,

die vertraglich abhängige Schiffe befrachten und für sich fahren

lassen13. Obwohl sich die Eigentumsverhältnisse geändert haben,

bleiben die früheren Rechtsverhältnisse unter veränderten mate-

riellen Voraussetzungen bestehen. Sie blockieren so den unter-

nehmerischen Umgang mit den Schiffen. Vielleicht macht das

einen Teil des Vorsprungs der niederländischen Binnenschiff-

fahrt gegenüber der deutschen aus, deren Möglichkeiten weni-

ger eingeschränkt sind. Wie weit auch gestandene Reedereien

schon von veränderten Möglichkeiten ausgehen, zeigte sich bei

einem Workshop im Juni 200214. Einige Vertreter schlossen nicht

aus, die Ausstattung ihrer Schiffe mit vernetzten Rechnern auch

für erweiterte Aufgaben zuzulassen. Diese Willenserklärung15

zeigt heute schon Wirkung, da 41% der Nicht-Selbstständigen

über einen Internetzugang an Bord verfügen, den sogar 12% nach

eigenen Angaben zur Frachtakquisition nutzen16. Die Bewirt-

schaftung der Schiffe und der Zugang zu wichtigen Transportin-

formationen hat viele Partikuliere bewogen, Installationen inter-

netfähiger Computer Zuhause und/oder an Bord zu nutzen, wei-

tere Aufgaben zu erschließen. So erlangen z. B. Frachtenbörsen

zunehmend Aufmerksamkeit.17

4 Das Interesse, Innovationen zu lernen

In dem Projekt wurden Chancen des Einsatzes der elektronischen

Vernetzung für alle Aspekte der Geschäftsaktivitäten der Parti-

kuliere hinterfragt und herausgearbeitet, welche Bedingungen

förderlich sind und welche Barrieren einem Erfolg entgegenste-

hen. Hiermit sind in erster Linie nicht die materiell wirkenden

Hindernisse gemeint, wie sie in den Extremwettern (Einschrän-

kung der Schifffahrt durch extrem hohe Wasserstände und an-

haltendes Niedrigwasser) der Jahre 2002 und 2003 auftraten. Es

geht vielmehr um ungleiche Voraussetzungen, sich auf dem

Markt gegenüber anderen Transporteuren im Straßen- und Schie-

nengüterverkehr behaupten zu können. Diese gelten eher als

modern und sind für viele Speditionen praktikabler18 und „alte

Kunden“. Darüber hinaus wirken sich gegenüber den Wasser-

transporten die Umbrüche in den letzten 15 Jahren nachteilig

aus. Die reduzierten unternehmerischen Kompetenzen der Par-

tikuliere widersprechen den verbreiteten Vorstellungen, die mit

den elektronischen Medien verbunden werden. Ihre mangelnde

logistische Kompetenz zur Beteiligung an oder gar Entwicklung

von integrierten Transportketten mit LKW und Bahn, oft von Spe-

ditionen hervorgehoben, kann nur ein negatives Image bei denen

hervorrufen, die ihr Leistungsvermögen nicht kennen. Dieses Han-

dikap verstärkt so auch das Bild in der Öffentlichkeit, nach dem die

Schiffe eher als romantisch denn als modern gelten.19

Es zeichnet sich ab, dass gezielte Weiterbildung erforderlich

ist, um die Partikuliere und Schiffsführer mit den für sie neuen

Arbeitsstrukturen zu „synchronisieren“. Das Dialogregime unse-

res Projektansatzes wird von Praktikern auch als ,Lernprozesse

durch Wissenstransfer‘ bezeichnet. Die Besonderheit liegt in der

dialogischen Wissensakkumulation und den Formen der Anlei-

tung. Die Moderation vertritt den Prozess themenzentriert. Der

Lernprozess findet seine Grenzen im Modellcharakter, da er

gegenüber der Praxis oft distanziert bleibt. Dort, wo Geschäfte

verbindlich sind, haben Fehler reale Konsequenzen und sind

Ausgleiche zwischen den Beteiligten durch Konsens schwer zu

erreichen. Das Lernen im Hinblick auf die Praxis setzt aber gerade

dieses voraus. Die Debatte, die „technologische Modernisierung

über Weiterbildung zu motivieren“, krankt daran, diesen ele-

mentaren Unterschied in dem Praxiszusammenhang nicht ein-

bringen zu können. Als Unternehmer müssen sie die Lernerfah-

rungen an dem messen, was den Erfolg kennzeichnet20. Es reicht

nicht, durch die Beteiligung am Lernprozess motiviert zu werden,

in ihrer Praxis zählt der ausbleibende „Nutzen“ immer als Miss-

erfolg. Menschen im Arbeitsleben beziehen die Bewertungen des

eigenen Handelns aus den Erfolgen, die nicht nur möglich sein

dürfen, sondern auch eintreten. Unternehmer bangen um die

wirtschaftlichen Belange, Reedereibesatzungen in erster Linie

um den Erhalt ihrer Arbeit.

Die Frage bleibt offen, wie sich Erfolg im Umgang mit ver-

netzten Computersystemen so vermittelt, dass er glaubwürdig

ist, die Erfolgsbedingungen und Risiken transparent macht und

von Erfahrungen realer Situationen der Lernenden ausgeht. Dies

gilt besonders dann, wenn nicht nur der Markt und die kaufmän-

nischen Erfahrungen Unsicherheit vermitteln, sondern die finan-

ziellen Erfolge der Arbeit sich immer um das Existenzniveau be-

wegen. Entscheidend ist, dass sich die Erfolgsbeurteilung der

Lernprozesse in faktischen Ergebnissen angestrebter Ziele be-

weist. In diesem Falle geht es um den Erhalt teils traditionsrei-

cher, teils aufgedrängter wirtschaftlicher Selbstständigkeiten.

Für sie sind insbesondere die Investitionen des Schiffes und der

ausreichende Lebensunterhalt das Maß, an dem sich Neues und

die darauf bezogene Weiterbildung messen muss.

Die Quintessenz der Ergebnisse über den Prozess der techno-

logischen Modernisierung deuten mit Entschiedenheit darauf

hin, dass gerade die Unternehmensstruktur der Binnenschiff-

fahrt, auf der Basis ihrer Einheit Schiff und Betrieb den Wasser-

transportmarkt innovativ beflügeln wird. Das aber setzt generelle

gleiche Nutzungsmöglichkeiten voraus. Den Wettbewerb wei-

testgehend zu sichern ist eine Voraussetzung, wenn die Unter-

19 Eine Werbekampagne der zwei Verbände (BDB und BDS), finanziert aus dem 100Millionen Etat, ruft eindeutig diesen Eindruck hervor.

20 Ein Beispiel bildete der Vorschlag, Lernsituationen zu schaffen, in denen Erfahrun-gen, also Erfolge und Enttäuschungen unmittelbar vor Ort, zwischen Schiffern mitpositiven Erlebnissen zu solchen, die eher Laien sind, vermitteln. Der Vorschlagwurde auf einer MV in der Diskussion über das Konzept einer Weiterbildung vorge-tragen und von den Referenten entschieden abgelehnt.

13 Es gibt unterschiedlich ausgewiesene Abhängigkeiten. Den geringsten Spielraum sollendie Schiffer haben, die im ‚Leasingvertrag’ fahren und meist auch, wie bei manchenEigentümern anzutreffen, keine eigenen Rechnungen an die Reedereien stellen.

14 In der letzten repräsentativen Telefonbefragung des Projektes ermittelt wurde dieseEntwicklung bestätigt. Dort antworteten, nach den Unternehmensformen geglie-dert, auf die Frage nach der Frachtakquisition im Internet zustimmend:24% derSelbstständigen, 10% der Selbständigen, die für eine Reederei fahren, 7% der Selbst-ständigen, die für eine Genossenschaften fahren und 12% der Nicht-Selbstständigenmit.

15 Der Vertreter einer großen deutschen Reederei äußerte sich entsprechend auf einemProjektworkshop in Duisburg 2003.

16 „last update – Ergebnisse einer Telefonumfrage 2003“ (Abschlussbericht), S. 5 f.17 z. B. www.bargelink.com18 Der Vertreter eines aktiven Spediteurs auf einer Tagung in Münster 2003 argumen-

tierte: „Natürlich würden wir auch gerne mit der Binnenschifffahrt arbeiten, aber esist doch so, wo die Fracht ist, gibt es meistens kein Wasser“.

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81ARBEITSORIENTIERTE E-BUSINESS-ANWENDUNGEN IN DER LOGISTIKWIRTSCHAFT Arbeit im E-Business

nehmen über Markttransparenz, Arbeitsgemeinschaften für Leis-

tungskombinationen, Mengenverträge untereinander, Kreativität

und spontane Nutzung kurzfristiger Entscheidungen vor Ort den

Weg des Erfolges betreten. Nicht die Unternehmensgröße, noch

überholte Vertragsmacht können einen Aufschwung bewirken, nur

der Auf- und Ausbau elektronischer Geschäftsprozesse wird wirken.

Die Einschränkungen der kleinen selbstständigen Unternehmen

aufheben, das sollte die erste Aufgabe ihrer Verbände sein.

Veröffentlichungen aus dem Projekt

Balle, A./ Buer, A./ Danckwerts, D./ Kölsch, J.: Logistiker ins Steuerhaus? – Argumente für neue Kompetenzen in der Binnenschifffahrt, in:

Schifffahrt und Technik, Magazin für Schifffahrt, Bahn, Häfen und Logistik , Nr. 4, St. Augustin 2002

Balle, A.: Damit `s nicht untergeht... Öffentlichkeitsarbeit und Binnenschifffahrt, in: Schifffahrt und Technik, Nr. 6, St. Augustin 2002

Buer, A.: Surfen an Bord. Neue Aspekte zum Arbeitsschutz in der Binnenschifffahrt, in: Schifffahrt und Technik, Nr. 3, St. Augustin 2003

Danckwerts, D.: Kombinierte Verkehre in der Binnenschifffahrt - ein Dilemma ohne Ende? , in: Riedel, E.: Binnen- und Seehäfen in

Deutschland, Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen, Beiheft 28, Baden-Baden 2001

Kölsch, J.: Ins Netz gegangen... Auswirkungen elektronischer Netze auf Binnenschiffstransporte, in: Schifffahrt und Technik, Nr. 3, St.

Augustin 2002

Kostowski, I./ Leisten, R.: Auswirkungen des E-Business auf die Binnenschifffahrt, in: Schifffahrt und Technik, Nr. 8, St. Augustin 2001

Virtuelle Allianzen für die Binnenschifffahrt im Internet, in: Flaschenpost, Nr.3, Würzburg 2002

Weitere Informationen

„Auswirkungen der elektronischen Vernetzung auf die

Geschäftsbeziehungen der Binnenwassertransporte“

Förderkennzeichen: 01HT0105

www.ebusi-net.de

Ansprechpartner des Projekts:

Prof. Dr. Dankwart Danckwerts

Universität Duisburg-Essen / Forschungsgruppe GTS/L

Lotharstraße 65

47057 Duisburg

Tel.: 0203 3793399

E-Mail: [email protected]

Ansprechpartner beim Projektträger:

Klaus Wegner

Tel.: 0228 3821-126

E-Mail: [email protected]

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